Minister im Ständestaat und General im OKW 9783205112037, 3205087437, 9783205087434


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Minister im Ständestaat und General im OKW
 9783205112037, 3205087437, 9783205087434

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PETER BROUCEK • EIN GENERAL IM ZWIELICHT

DER

KOMMISSION

VERÖFFENTLICHUNGEN FÜR NEUERE GESCHICHTE

ÖSTERREICHS

BAND 70

Ein General im Zwielicht Die Erinnerungen

Edmund

Glaises von

Horstenau

Band 2 Minister im Ständestaat und General im O K W eingeleitet und herausgegeben von

PETER BROUCEK

1983 HERMANN

BÖHLAUS

NACHF.

WIEN-KÖLN-GRAZ

DIE KOMMISSION FÜR N E U E R E G E S C H I C H T E ÖSTERREICHS Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Erich Zöllner Stellvertretender Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Heinrich Fichtenau Univ.-Prof. DDr. Heinrich Benedikt Gen.-Dir. Hofrat Dr. Richard Blaas Univ.-Prof. Dr. Fritz Fellner Gen.-Dir. Hofrat Univ.-Prof. Dr. Walter Goldinger Hofrat Univ.-Prof. Dr. Alfred Hoffmann Univ.-Prof. Dr. Heinrich Lutz Gen.-Dir. Hofrat Dr. Rudolf Neck Univ.-Prof. Dr. Alexander Novotny Univ.-Prof. Dr. Richard Plaschka Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh Univ.-Prof. Dr. Hans Wagner Univ.-Prof. Dr. Adam Wandruszka Univ.-Prof. Dr. Hermann Wiesflecker Univ.-Prof. Dr. Herwig Wolfram Sekretär: Univ.-Ass. Dr. Gernot Heiß

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Glaise von Horstenau, E d m u n d : Ein General im Zwielicht: d. Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau / eingel. u. hrsg. von Peter Broucek. Wien ; Köln ; Graz : Böhlau Bd. 2. Minister im Ständestaat und General im OKW. 1983. (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs; Bd. 70) ISBN 3-205-08743-7 NE : Kommission für Neuere Geschichte Österreichs: Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs.

ISBN 3-205-08743-7 Copyright ® 1983 by Hermann Böhlaus Nachf. Gesellschaft m. b. H . , Graz-Wien Alle Rechte vorbehalten Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Gesamtherstellung: Manz Satz + Druck, Wien 9, Lustkandlgasse 52

INHALTSVERZEICHNIS Seite

Vorbemerkung des Herausgebers

9

Einleitung I. Glaise-Horstenaus politisches Wirken nach 1920 II. Glaise-Horstenaus Bestrebungen und Äußerungen 1933-1936 III. Zu Glaise-Horstenaus Memoiren 1936-1941 IV. Die Entstehungen und Bewahrungen der Aufzeichnungen

11 12 19 35 44

Zur Edition

47

Abkürzungsverzeichnis

49

L E B E N S E R I N N E R U N G E N (S. 51) I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII. XVIII. XIX.

Juliabkommen 1936 und Eintritt in das Kabinett Schuschnigg Minister im Ständestaat 1936 - Dezember 1937 Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß" Minister einer österreichischen Landesregierung Drohende Kriegsgefahr Kriegsentfesselung 1939 „Meine Verbannung in L o d z " Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug Verhandlungen in Moskau im Juli 1940 Sommer 1940 in München und Salzburg „Ostgalizische Reise" München und Bad Gastein im Herbst 1940 In Wien und München als Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft Frankreichreise und Aufenthalt in Berlin November/Dezember 1940 . „Besuch beim Exkönig von Bulgarien in Coburg" Memoiren und Tagebuchaufzeichnungen im OKW Jänner 1941 Tagebuchaufzeichnungen im OKW Deutscher Historikerkongress. Gespräche über französische und jugoslawische Verhältnisse Vor „jugoslawischen Verwicklungen" und einem Feldzuge gegen die Sowjetunion anfangs April 1941

Personenregister

55 122 211 275 329 418 424 440 500 513 520 537 545 563 630 638 657 658 696 698

Verzeichnis der Abbildungen

Titelbild: Edmund Glaise-Horstenau, Oberst in der Evidenz des österreichischen Bundesheeres, Dezember 1937. (Auguste Straskraba) 1

Feier des 70. Geburtstages von FML. d.R. Max R. v. Hoen im Festsaal des Kriegsarchivs, 17. 2. 1937. (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv)

2

Gustav Denk v. Kistorony, Feldmarschalleutnant der Honved. (Alexia

Denk)

3

Edmund Glaise-Horstenau, k.u.k. Major im Generalstabskorps, (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv) 4 Ausritt im Wiener Prater: Edmund Glaise-Horstenau und der deutsche Militärattache Generalleutnant Wolfgang Muff, um 1936. (Auguste Straskraba) 5 6

Bei einem Vortrag in der Wiener Urania, (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv) Im Direktionszimmer des Kriegsarchivs, um 1936. (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv)

7

Mit seiner Mutter vor dem Portal der Mariahilfer Kirche in Wien, 12. Juli 1936. Siehe S. 86. (österreichisches Institut für Zeitgeschichte)

8

Beim Begräbnis für Feldmarschall Erzherzog Friedrich in Ungarisch-Altenburg, 5. Jänner 1937, mit General der Infanterie Gerd v. Rundstedt und einem Vertreter Bulgariens. Siehe S. 134. (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv)

9

Major im Generalstab Friedrich Rabe v. Papenheim begrüßt Glaise-Horstenau am Berliner Flugfeld, 5. April 1937. Siehe S. 169. (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv)

10

Empfang im Reichskriegsministerium, um den 15. April 1937: General der Infanterie Gerd v. Rundstedt; österr. Gesandter Stephan Tauschitz; Oberbefehlshaber der Wehrmacht GFM. Werner v. Blomberg; Glaise-Horstenau; Großadmiral Erich Raeder. Siehe S. 171. (Beatrix Flück-Wirth)

11

Der österreichische Gesandte Stephan Tauschitz, Glaise-Horstenau und Staatssekretär Otto Meißner - mit Generalstaatsarchivar Rudolf Kiszling im Hintergrund - auf dem Weg zu Adolf Hitler, in der Reichskanzlei, 19. April 1937. Siehe S. 171. (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv)

Abbildungsverzeichnis

7

12

Das Kabinett Schuschnigg IV am 21. Februar 1938. Erste Reihe von links nach rechts: Staatssekretär für Arbeiter- und Angestelltenschutz Adolf Watzek; Bundesminister Hans Rott; Bundesminister für Handel und Verkehr Ing. Julius Raab; Vizekanzler FML. Ludwig Hülgerth; Bundeskanzler und Frontführer Dr. Kurt Schuschnigg; Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Guido Schmidt; Bundesminister für Finanzen Dr. Rudolf Neumayer; Bundesminister Edmund Glaise-Horstenau; Bundesminister für Unterricht Dr. Hans Pernter. Zweite Reihe von links nach rechts: ?; Staatssekretär für Industrie Ludwig Stepsky-Doliwa; Chef des Bundespressedienstes Oberst i.R. Walter Adam; Bundesminister Guido Zernatto, Frontführerstellvertreter; Staatssekretär für Landesverteidigung General der Infanterie Wilhelm Zehner; Bundesminister für Justiz Univ.-Prof. Dr. Ludwig Adamovich; Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Peter Mandorfer; Bundesminister für Inneres und Sicherheitswesen Dr. Artur Seyß-Inquart; Staatssekretär für Sicherheit Dr. Michael Skubl; Staatssekretär für Forstwirtschaft Franz Matschnig; ?. (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv)

13

Glaise-Horstenau trägt sich in Gegenwart des Ober-Bürgermeisters Karl Ströhn in das Goldene Buch der Stadt Stuttgart ein, 7. März 1938. Siehe S. 237. (Beatrix Flück-Wirth)

14

Staatssekretär Oberst Maximilian de Angelis begrüßt den Generalmajor der Deutschen Luftwaffe Ludwig Wolff als ersten deutschen General im Bundesministerium für Landesverteidigung, 12. März 1938 vormittags, (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv)

15

Bei Generalfeldmarschall Hermann Göring in Linz melden sich Generalmajor Ludwig Wolff und Generalmajor Alexander Lohr, bisheriger Kommandant der österreichischen Luftstreitkräfte (in österreichischer Uniform mit deutschen Hoheitszeichen), 25. März 1938. (österreichisches Staatsarchiv /Kriegsarchiv)

16

Edmund Glaise-Horstenau begrüßt Adolf Hitler (in Linz ?). (Oberösterreichisches Landesarchiv / Zeitgeschichtliche Sammlung) Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart spricht mit Adolf Hitler vor der Proklamierung des Anschlusses am Wiener Heldenplatz am 15. März 1938. Ganz links (in SS-Uniform): Ernst Kaltenbrunner; rechts vor ihm: Martin Bormann; links neben Seyß-Inquart: Heinrich Himmler; rechts anschließend: Reinhard Heydrich; Wilhelm Keppler; Wilhelm Keitel; Ernst Fischböck; Hans Heinrich Lammers; Hjalmar Schacht; ganz rechts: Edmund Glaise-Horstenau. (Reinhold Lorenz, Der Staat wider Willen1), Berlin 1940, Titelbild)

17

' ) In jenem W e r k wird bei der Bildbeschriftung als Ortsbezeichnung Linz angeführt. In O b e r österreich durchgeführte Recherchen, mehrere Überlegungen aufgrund des Bildinhaltes sowie die Feststellung offenbar fast gleichzeitig angefertigter Photographien in diversen zeitgenössischen Publikationen lassen es jedoch als sehr wahrscheinlich - wenn auch nicht als sicher - erscheinen, daß die vorliegende Aufnahme in Wien im Bereich H e l d e n p l a t z - N e u e H o f b u r g am 15. März 1938 gemacht worden ist.

Abbildungsverzeichnis

8

18

Edmund Glaise-Horstenau spricht anläßlich der Angelobung der Beamten im Bundeskanzleramt, 16. März 1938. Siehe S. 273. (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv)

19

Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart mit Mitgliedern der österreichischen Landesregierung nach der Ankunft zur Reichstagssitzung in Berlin, März 1938. Von links nach rechts: Hans Fischböck; Ernst Kaltenbrunner; Wilhelm Wolf; Arthur Seyß-Inquart; ?; Edmund Glaise-Horstenau; Hugo Jury; Friedl Rainer; ?; Hubert Klausner (z.T. verdeckt); Josef Bürckel; Rudolf Neumayer. Siehe S. 275. (Wolfgang Rosar)

20

Edmund Glaise-Horstenau beim Derby in der Wiener Freudenau, (österreichisches Institut für Zeitgeschichte)

21

Feier anläßlich des 70. Geburtstages von Franz R. v. Epp in München am 15. Oktober 1938. Von rechts: Epp, Glaise-Horstenau, in der Mitte: Adolf Hitler. Siehe S. 324. (österreichisches Staatsarchiv / Kriegsarchiv)

22

Im Salzburger Festspielhaus, August 1939. Von links: Albert Bormann; Martin Bormann; Adolf Hitler; Friedl Rainer; Edmund Glaise-Horstenau. Siehe S. 413. (Dr. Heinrich Korger) Edmund Glaise Horstenau (vermutlich bei seiner Reise zu „ostmärkischen" Divisionen in Koblenz), Ende März 1940. (Beatrix Flück-Wirth)

23

1938.

24

Heeresarchivdirektor Rudolf Kiszling. (österreichisches archiv)

25

Edmund Glaise Horstenau, charakterisierter Generalmajor des Deutschen Heeres, 12. Dezember 1938. (österreichische Nationalbibliothek / Bildarchiv)

Staatsarchiv

/

Kriegs-

VORBEMERKUNG DES HERAUSGEBERS Wie schon nach der Arbeit an der Edition des ersten Bandes der Memoiren Edmund Glaise-Horstenaus hat der Herausgeber wieder einer Anzahl von Persönlichkeiten zu danken. Zahlreiche Freunde, Kameraden, Mitarbeiter und Zeitgenossen des Politikers und Offiziers haben Mitteilungen aus ihren Erinnerungen, Hinweise und Informationen in mündlicher und schriftlicher Form, Bildmaterial und Archivalien beigesteuert. Hervorgehoben seien: D r . Isabella Ackerl, D r . Günther Altenburg, Univ.-Prof. Dr. Heinrich Benedikt ( f ) , Rudolf Berdach, Hochschulprofessor D r . Taras Borodajkewycz, D r . O t t o Brezina, Guido Colard, Melanie Gräfin Czernin-Chudenitz, Dr. Heinrich Drimmel, Beatrix Flück-Wirth, D r . Erich Führer, Univ.-Prof. Dr. Walter Goldinger, Eugen Hirsch-Stronstorff ( t ) , D r . Wilhelm Höttl, Günther H o y , Prof. Dr. Walter Hummelberger, U n i v . - D o z . Dr. Gerhard Jagschitz, Univ.-Prof. D r . Ludwig Jedlicka ( f ) , D r . Robert Katschinka, Prof. Rudolf Kiszling ( f ) , D r . F. Christian Kleinwächter, Dr. Heinrich Korger, D r . Karl Kramsall, D r . Franz Krisch ( f ) , Prof. Dr. Ferdinand Krones, D r . O t t o Lachmayer, D r . Verena Lang, Ing. Hans Liebitzky, Eugen Lovrek, Hubert Maurer, D r . Herbert Michner, Prof. D r . Karl Minha ( t ) , D r . Felix Mlczoch, Eginhardt Frh. v. Müller-Klingspor, Univ.-Prof. Dr. Richard Pittioni, Prof. D r . Franz Hieronymus Riedl, Dr. Erich Saffert ( f ) , Altbundeskanzler D r . Kurt v. Schuschnigg ( f ) , Prof. D r . Harry Slapnicka, Dr. Hans Heinrich v. Srbik, Auguste Straskraba, Univ.Prof. Dr. Theodor Veiter, Julius v. Wellenreiter und Univ.-Prof. D r . Erich Zöllner. Den Direktoren und Kollegen in folgenden Archiven sei herzlich für die Benützungserlaubnis, ihre Hilfe bei der Materialsammlung und ihre mündliche wie schriftliche Auskunftserteilung gedankt: Bundesarchiv (Koblenz), Archiv des Auswärtigen Amtes (Bonn), Bundesarchiv/Militärarchiv (Freiburg im Breisgau), Deutsches Zentralarchiv (Potsdam), Archiv der Nationalen Volksarmee (Potsdam), Kärntner Landesarchiv (Klagenfurt), Steiermärkisches Landesarchiv (Graz), Tiroler Landesarchiv (Innsbruck), Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Wien), Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien und österreichisches Staatsarchiv. Wertvolle Hilfe leisteten die Kollegen und Mitarbeiter im ö s t e r reichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv Dr. Rainer Egger, D r . Christoph Tepperberg, Hilde Benseier, Alfred Strohmayer und Lambert Schön.

10

Vorbemerkung

Für Hilfe, Verständnis und Geduld während der Arbeit fühlt sich der Herausgeber allen Mitgliedern seiner Familie verbunden, insbesondere seiner Frau Gertraud und seinem Schwiegervater Präsident i.R. D r . Franz Muschl, der beim Lesen der Korrekturfahnen mitwirkte.

Dieser Band sei dem langjährigen guten Geist des Hauses Glaise, Auguste Straskraba, und meiner Frau Gertraud für ihre verständnisvolle Mithilfe gewidmet.

Wien, im Februar 1983

Peter Broucek

12

Einleitung

Wehrmacht einberufen worden. Mit der lückenhaften Schilderung jenes Abschnitts der Karriere schließen die Aufzeichnungen. Ihr Hauptthema sind also die politischen und militärischen Beziehungen Österreichs zu Deutschland zwischen 1936 und 1938. An diese anschließend wollte der Autor in sehr persönlich gehaltenen und meist laufend niedergeschriebenen Mitteilungen das Sich-Zurechtfinden im Dritten Reich eines über den Ablauf, den Zeitpunkt und schließlich auch die Folgen des „Anschlusses" bedrückten „betont-nationalen" österreichischen Militärpolitikers und -publizisten beschreiben. Glaise-Horstenau war am Höhepunkt seiner Laufbahn von österreichischer amtlicher Seite als „geistiger Führer des österreichischen Generalstabes über den Weltkrieg hinaus" 1 ) vorgestellt worden. Dies geschah anläßlich des Abkommens vom 11. Juli 1936, in welchem sich der nationalsozialistische Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches bereitfand, einen Nichteinmischungspakt mit der autoritären Führung seines Nachbarlandes abzuschließen. Als eine Art Treuhänder, als „Sprechminister" der „nationalen Opposition" sollte ein Mann in die autoritäre Regierung eintreten. Gemäß der Verfassung des Ständestaates mußte dieser das Vertrauen des Bundeskanzlers genießen, der ihn dem Bundespräsidenten vorschlug. Der deutsche Gesandte in besonderer Mission Franz v. Papen bezeichnete Glaise-Horstenau gegenüber dem regulären Geschäftsträger v. Stein 2 ) ebenfalls als seinen „Vertrauensmann". Er hatte ihn zwar nicht dem Bundeskanzler präsentiert, aber offenbar immer in engerer Wahl gewußt, als das Abkommen zur Verhandlung stand. Papen schlug Hitler auch vor, den Nicht-Nationalsozialisten Glaise-Horstenau zu akzeptieren, als Bundeskanzler Schuschnigg, beim dritten Versuch, eine ihm genehme Persönlichkeit als „Befriedungsminister" zu gewinnen, mit einem dem deutschen Diktator weitgehend unbekannten Mann zu einer Einigung gelangt war. U m die Verbindung vom ersten Teil der Erinnerungen Glaise-Horstenaus zu den Aufzeichnungen, die mit der unmittelbaren Vorgeschichte jenes Abkommens einsetzen, knüpfen zu können, werden einige Bemerkungen zu seiner Tätigkeit als „Katholisch-Nationaler", „Betont-Nationaler" oder „konzilianter Nationaler" ebenso zu machen sein wie zu seinem Hervortreten als Militärexperte - soweit dies aus anderen Quellen erschlossen werden kann. I. GLAISE-HORSTENAUS POLITISCHES W I R K E N N A C H 1920 Bereits in der Einleitung zum ersten Teil der Memoiren wurde auf die militärwissenschaftlichen Aktivitäten des ehemaligen Generalstäblers und auf seine nur ungenau faßbare Vortragstätigkeit im Rahmen des „österreichisch-deutschen Volksbundes" hingewiesen. Es ist anzunehmen, wenn auch nicht zu beweisen, daß es seine Beziehungen zum Kreis der ehemaligen Mitarbeiter Erzherzog Franz Ferdinands und zur „Reichspost", sowie seine Mitarbeit an der einen restaurativen Ka*) P. Broucek, Edmund Glaise von Horstenau als Offizier, Historiker und Journalist, in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 22, 1978, 1 4 3 - 1 5 4 , hier S. 143. 2 ) I . f . Z . Wien, sign. D o - 4 1 - M m - 3 1 , Stein-Memoiren, Bd. 2, 5.

Die „Katholisch-Nationalen"

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tholizismus vertretenden Kulturzeitschrift „ D a s neue R e i c h " waren 3 ), die ihm den Zugang zu katholischen Akademikern verschafften. Wohl aufgrund seines Ansehens als Direktor des Kriegsarchivs und seiner Fähigkeiten als Vortragender und Debattenredner 4 ) gelang es ihm um 1930, die Stelle eines Obmannes der „Katholischen Akademikergemeinschaft" zu erlangen. Es war dies eine „überbündische, jedenfalls aber von den Verbänden mehr unabhängige Dachorganisation katholischer Altakademiker" 5 ). Er bekam und hielt dadurch den Kontakt zu dem Teil der akademischen Jugend, der in Belangen studentischer Selbstverwaltung und Vertretung in der „Katholisch-deutschen Hochschülerschaft Wiens" ( K D H W ) , bald darauf „Katholisch-deutsche Hochschülerschaft Österreichs" ( K D H Ö ) , zusammengefaßt war und die Führung aller ihrer Verbände im „Katholischen-deutschen Hochschülerschafts-Ausschuß" ( K D H A ) hatte. Er nahm die Gelegenheit wahr, an den seit 1929 vom K D H A eingeführten „Soziologisch-politischen Schulungstagungen in Heiligenkreuz" 6 ) teilzunehmen 7 ), an denen Glaise-Horstenau zwar nicht referierte, wie etwa Prälat Ignaz Seipel, aber als Diskussionsredner das Wort ergriff: wohl zu den Themen, die dort angekündigt wurden, wie: Volk, Staat, Wirtschaft - Die Grundlagen der Politik - Kirche und Gesellschaft - Der christliche Volksstaat Sinngebung und Formen internationaler Zusammenarbeit. Aus Anlaß der Vorbereitung des Allgemeinen deutschen Katholikentages in Wien 1933 konstituierte sich 1932 aus den Rednern dieses Forums der „Volksdeutsche Arbeitskreis deutscher Katholiken", dem Glaise-Horstenau inoffiziell angehörte. Jedenfalls wurde er um heereskundliche Beiträge zu Sammelwerken gebeten, die dieser Zirkel herausgab oder später anregte 8 ). Ferner wurde Glaise-Horstenau für die katholischen „Salzburger Hochschulwochen" 1932 bis 1936 zu Vorträgen und Vortragszyklen über Themen der österreichischen Geschichte herangezogen. So kam er also bei allen diesen Gelegenheiten mit Persönlichkeiten zusammen, die in Österreich als „ K a tholisch-Nationale" 9 ) bezeichnet werden. Eine bereits klassische Definition um3 ) S. Hanzer, Die Zeitschrift „Das Neue Reich" (1918-1925). Zum restaurativen Katholizismus in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg, Wr. Diss. 1973. 4 ) F. Funder: Als Österreich den Sturm bestand, Wien et al. 1957, 247: „Einen, der nicht mehr gegolten hätte als ein Ambitionierter, hätte diese Jungmannschaft schwerlich gewählt. Mit ihm über die großen Fragen der damaligen öffentlichen Tagesordnung zu diskutieren, war ein Vergnügen." 5 ) H . Drimmel, Die katholischen Intellektuellen, hg. v. E. Weinzierl, in: Kirche in Österreich 1918-1965, 1. Bd., Wien-München 1966, 343. 6 ) Hochschulführer für die katholisch-deutschen Studierenden Wiens, Wintersemester 1933/34. Verlag Katholische-deutsche Hochschülerschaft Wiens. Verantwortlich: Josef Klaus, 26f. Frdl. Mitteilung Univ.-Prof. Theodor Veiter, Feldkirch, 18.2.1978. 8 ) Bekenntnis zu Österreich, Berlin 1932 (kein Beitrag Glaise-Horstenaus). Beiträge von: A. Böhm, F. Riedl, O . Brunner, Th. Veiter, K. Pfitzner, H. Neubacher, F. Flor, E. Mika, R . Lorenz. Katholischer Glaube und Deutsches Volkstum in Österreich, Salzburg 1933. Beiträge u.a. von: A. Böhm, F. Riedl, K. Lechner, E. Klebel, R . Lorenz, E. Winter, Th. Veiter, E. Glaise-Horstenau. Österreich. Erbe und Sendung im deutschen Raum, Salzburg-Leipzig 1936. Beiträge u.a. von: K. Lechner, H. Hirsch, O . Brunner, H. Kretschmayr, H . v. Srbik, R. Lorenz, L. Bittner, E. GlaiseHorstenau, K. Braunias, T. Borodajkewycz, J . Nadler, W. Bauer. ®) Zusammenfassend: P. Eppel, Zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Die Haltung der Zeitschrift „Schönere Zukunft" zum Nationalsozialismus in Deutschland 1934-1938 (Veröffentlichungen der

14

Einleitung

schreibt diese Gruppe, in der Angehörige des „ B u n d Neuland" eine führende Rolle spielten, als: „eine intellektuelle Elite, die den Volkstumsgedanken Herders und der Romantik sowie das Nationerlebnis des Ersten Weltkrieges und des Kampfes für das Grenz- und Auslandsdeutschtum mit dem Universalismus der alten Reichsidee und den Traditionen der Habsburgermonarchie zur Synthese des Zukunftsbildes einer übernationalen, aber auf den natürlichen Einheiten der Nationen beruhenden Ordnung Mitteleuropas zu vereinen suchte" 1 0 ). Wohl in erster Linie Studenten und geistigen Anhängern dieses Personenkreises konnte Glaise-Horstenau in Salzburg dann im Sommer 1932 über die „österreichische Staatsidee einst und jetzt" referieren 1 1 ). Es handelt sich beim Auszug aus dieser Rede um einen der ganz wenigen Texte zu aktuellen Fragen aus der Feder Glaise-Horstenaus - ausgenommen militärgeschichtliche und personengeschichtliche Ausführungen - , die erhalten geblieben sind. Er bezeichnete es in seinem Vortrag als die Aufgabe der Babenberger Mark, als „Glacis nationalen Ausdehnungsdranges und Brücke westlicher Kult u r " zu wirken. Dies wäre jedoch erst im „Dualismus mit dem Reiche" ab der Zeit der Landeshoheit der Habsburger und der Verbindung mit dem Königtum und Kaisertum möglich gewesen. „Aus der Personalunion und der darin gelegenen tiefen Reichsverbundenheit ward dem Ostlande die Kraft, ein ungeheures Areal in den deutschen Kulturraum einzugliedern" - so Glaise-Horstenau. Die Völker hätten sich aber auch aus wirtschaftlichen und geopolitischen Notwendigkeiten mit jener Mark zusammengetan. Nach dem Weltkrieg hätte jedes österreichische Land noch für sich „der letzten schweren Ostgefahr, dem Bolschewismus, die Stirn" geboten. Die Reichsverbundenheit sei aber nun nochmals dadurch wirksam geworden, daß Österreich „heim ins Reich zur Mutter Germania" verlange. Dies sei ihm in Versailles versagt worden, ohne ihm „die Bedingungen bescheidenen Lebens zu schaffen, noch das verlorengegangene Gleichgewicht der europäischen Mitte wiederherzustellen". Glaise-Horstenau meinte, dadurch sei das Mitteleuropaproblem wieder „aufgeworfen". Bei der Bewältigung dieses Problems müsse die österreichische Staatsidee berücksichtigt werden, die eine „Mission nationaler Versöhnung sowie wirtschaftlicher und kultureller Symbiose" sei. Allerdings könne dabei - und Glaise-Horstenau zitierte ausdrücklich Seipel - keine Lösung „ohne oder gar gegen das R e i c h " erfolgen: „ D e n n die österreichische Staatsidee war eben immer vor allem eine deutsche Idee . . . wenn sie auch Österreich nicht als Ausfallstor eines deutschen Imperialismus begreift, sondern als das offene Fenster, durch das der deutsche Gedanke himmelan strebt". Kommission für neuere Geschichte Österreichs, Bd. 69), Wien et al. 1980, 323ff.; Kurzbiographien bei: P. Broucek, Katholisch-nationale Persönlichkeiten (Miscellanea der Wiener Katholischen Akademie, Arbeitskreis für Kirchliche Zeit- und Wiener Diözesangeschichte, Heft L X I I ) , Wien 1979; J . Haag, Marginal Men and the Dream of the Reich: Eight Austrian National-Catholic Intellectuals, 1918-1938, in: S. Ugelvik - B. Hagtvet - J . P. Myklebust, Who were the Fascists. Social Roots of European Fascism, Oslo 1980, 2 3 9 - 2 4 8 . 1 0 ) A. Wandruszka, Österreichs politische Struktur. Die Entwicklung der Parteien und politischen Bewegungen, in: H . Benedikt (Hg.), Geschichte der Republik Österreich, Wien 1954, 411. " ) Österreichs Staatsidee einst und jetzt, in: Salzburger Hochschulwochen, II, 9 . 8 . - 2 7 . 8 . 1 9 3 2 , Salzburg o . J . , 168-170.

Anfänge des Bundesheeres

15

Anscheinend war dieses letzte und den Vortrag abschließende Zitat die Anwendungsform auf die österreichische Außenpolitik, die Glaise-Horstenau der Unterscheidung Seipels zwischen Nation und Staat als zwei selbständigen Formen menschlichen Gemeinschaftslebens gab. Wenn, wie Seipel meinte, der Bildung von Staaten eine höhere Notwendigkeit zukomme als der von Nationen und Gott die Idee eines jeden Staates in sich trage, so war es bezüglich Österreich für GlaiseHorstenau unbedingt die, ein zweiter „deutscher Staat", ein Satellit mit einer aus außenpolitischen Erwägungen heraus für die deutsche Nation nützlichen Eigenständigkeit zu sein. Der ehemalige Generalstäbler strich vor jenen Zuhörern die kulturelle Mission heraus. Indem er aber die Bindungen an Deutschland als unwiderruflich und jede Abkoppelung als „separatistisch" und daher verwerflich ansah, war er wohl von vornherein nicht resistent, wenn an ihn als alten Generalstäbler appelliert wurde, daß im Dienste jener Idee auch wieder militärische Politik beschreibend oder aktiv vertreten werden müsse. Der übergroße Teil von Glaise-Horstenaus öffentlichen Äußerungen betraf ja die Militärgeschichte. Und in dieser übertrug er wo er nur konnte die gesamtdeutsche Geschichtsauffassung etwa Heinrich R. v. Srbiks auf die Interpretation der Geschichte des österreichischen Heerwesens: Er betonte die Rolle von „Altösterreichs Heer im deutschen Schicksal" oder . . . „in der deutschen Geschichte", das Überwiegen des „deutschen Elements" im Offizierkorps des kaiserlichen Heeres und die „außerordentlich wichtige Rolle, die dem kaiserlichen Heer in allen Jahrhunderten seines Bestandes für die Verteidigung deutschen Bodens zugefallen sei" 12 ). Und er berief sich auch auf das 1930 publizierte Geleitwort des langjährigen christlichsozialen Heeresministers Vaugoin zu dem von ihm, Glaise-Horstenau, herausgegebenen Generalstabswerk über den Ersten Weltkrieg: „Das junge Bundesheer hat in würdiger Selbstbesinnung die Pflicht auf sich genommen, das wissenschaftliche und moralische Erbe des deutschen Soldaten Altösterreichs zu hüten und zu wahren" 1 3 ). Der einzige Gegenpol gegen diese Traditionspflege war die am Anfang des Heerwesens der Ersten Republik von den Führern der Sozialdemokratie geforderte oder empfohlene Zuwendung des Offizierskorps zu den Idealen einer demokratischen Republik 14 ). Die angestrebte Miliz hatten zwar die der Sozialdemokratie und dem Anschlußideal in gleicher Weise zuneigenden Offiziere, die die Unterhändler 12 ) Vgl. das Werksverzeichnis, Memoiren, 1. Bd., 61. Es scheint keine Quellenbelege für die Zeit vor 1933 zu geben, in denen dies in aller Deutlichkeit ausgesprochen wurde, aber doch wohl nur deshalb, da dies die alliierte Kontrolle des Heerwesens und sodann die Bemühungen Österreichs auf der Genfer Abrüstungskonferenz auch für Glaise-Horstenau verboten. Aus der Fülle der Zitate in Tageszeitungen etwa ein Vortragsauszug: Österreichs Wehrmacht im deutschen Schicksal, in: N F P . , 4 12.1936. 13 ) Alt-Österreichs Heer im deutschen Schicksal, in: G . Nitsche, österreichisches Soldatentum im Rahmen deutscher Geschichte, Berlin et al. 1937, 9 - 2 4 , hier 9. 14 ) K. Haas, Zur Wehrpolitik der österreichischen Sozialdemokratie in der Ersten Republik, in: Österreich 1927-1938 (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission des Theodor-KörnerStiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1927-1938, Bd. 1), Wien 1973 , 75 - 84.

16

Einleitung

in Saint Germain 1919 berieten, nicht erreicht 15 ). Auch das Berufsheer hätte in den Auseinandersetzungen der Klassen neutral zu bleiben, der Offizier aber sollte vom Feuer einer politischen Idee durchglüht ein weitgehend politischer, ideologisch ausgerichteter Kämpfer sein, der die neue Staatsform . . . aus politischer Uberzeugung zu verteidigen bereit war. Das Idealbild des neuen militärischen Führers war der Volkswehroffizier, und seine geistigen Ahnen, wenngleich man jede Tradition leugnete, der bürgerliche Landwehroffizier von 1809 und der Nationalgardeoffizier von 1848" 1 6 ). Mit diesen ausgesprochenen oder unausgesprochenen Leitbildern wußte Glaise-Horstenau nichts anzufangen, der sich positiv zur Sozialdemokratie nur mit Bezug auf die Verhinderung der Rätediktatur 1918/1919 1 7 ) - und auf die Anschlußfrage - stellte. Er erklärte daher 1932: „ E i n seinen Zweck erfüllendes Heer hat nur eins zu sein: das verläßliche Werkzeug der gesetzmäßigen Staatsgewalt" 1 8 ). Damit übernahm er die übernationalen Gedankengänge des „unpolitischen" kaiserlichen Offiziers, den die Sozialdemokraten als Angehörigen einer „volksfremden Herrenkaste" abgelehnt, aber auch bei der Heimkehr aus dem Ersten Weltkrieg entsprechend beschimpft und verächtlich gemacht hatten. Glaise-Horstenau versuchte nun dieses Korps auf der Grundlage einer Anerkennung seiner Leistungen in der Vergangenheit und auf dem Boden eines technischen elitären Denkens, einer Hinwendung zu möglichst guter Ausbildung und Ausrüstung im Dienst der Staatsführung, zu einigen. Das Heer, dem die Siegermächte im Staatsvertrag von Saint-Germain 30000 Mann und 1500 Offiziere zugestanden hatten, sollte nach Erlassung des Wehrgesetzes von 1920 in sechs Brigaden gegliedert aufgebaut werden. Dazu standen von den etwa 34000 Offizieren der k. u . k . Armee 16073 Offiziere zur Verfügung, die sich zur Republik Österreich bekannten 1 9 ). Aus dieser Menge und aus wenigen in der Ära der Volkswehr zu Offizieren ernannten Unteroffizieren wurde das neue Offizierskorps entnommen, dem ein Aufstieg zum Generalstabsoffizier verwehrt war. Sowohl für sie als auch für die Masse der pensionierten, in Privatberufe abgedrängten oder in den sich bald formierenden Wehrverbänden tätigen Offiziere trachtete die „österreichische Wehrzeitung", die bis 1926 unter der direkten Leitung, dann unter der weiteren starken Einflußnahme Glaise-Horstenaus stand, ein Sprachrohr zu sein. Dies bedeutete in der ersten Phase des Heeresaufbaues nach l s ) Memoiren, 1. B d . , 38 u. 5 3 3 f . ; L . Jedlicka, Saint-Germain 1919, in: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der ö s t . Akademie der Wissenschaften, 113, 1976, 149-181; P. Broucek, Die österreichischen militärischen Vorbereitungen für die Friedenskonferenz von Saint-Germain, in: Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Kommission . . ., Bd. 9 - im Druck. 1 6 ) J . Chr. Allmayer-Beck, Die Träger der staatlichen Macht. Adel, Armee und Bürokratie, in: Spectrum Austriae, Wien et al. 1978, 151-166, hier 164. 1 7 ) E . G . H . , V o m kaiserlichen Heer zur roten Volkswehr, in: W N N , 12.11.1926, 3 f . : . . . „ V e r dienst überlassen, die öffentliche Ordnung im Staate aufrechtzuerhalten (zu haben)". 1 8 ) E. G . H . , Wehrmacht und Politik, in: N W T . , 1 8 . 5 . 1 9 3 2 , 1 f. 1 9 ) L . Jedlicka, Politische Parteien, Heer und Staat in Österreich 1918-1938, in: H . Fürlinger, U n ser Heer, Wien et al. 1963, 3 1 5 - 3 4 1 , hier 325.

Die Ära Vaugoin

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1918 eben eine Schreibweise, die alles daransetzte, um das ehemalige und neue Offizierskorps möglichst in Standesfragen einheitlich und geschlossen zu erhalten. Innenpolitisch gab die Wehrzeitung offenbar erst im Oktober 1926 eine eindeutige Stellungnahme und offene Wahlempfehlung für die Christlichsoziale Partei oder die Großdeutsche Volkspartei ab, also für eine Fortsetzung der Koalition Bundeskanzler Seipels 20 ). Auf dem Gebiet des Militärwesens neigte sie bereits vorher mehr oder weniger direkt zu den Vorstellungen des schon Mitte 1921, dann vom September 1922 bis September 1933 als Bundesminister für Heerwesen fungierenden christlichsozialen Politikers und ursprünglichen Offiziers Karl Vaugoin, der eine ,,Entpolitisierung" des Heeres anstrebte. Damit war in erster Linie gemeint, die Machtpositionen, die sich die Sozialdemokratie durch die Institutionalisierung der Vertrauensmännerorganisation im Heer und der regelmäßigen Wahl dieses Gremiums geschaffen hatten, zu mindern. Vaugoin und seine militärischen wie juridischen Berater führten eine solche Schwächung mit der Hilfe von Neuwerbungen und auf dem Erlaß weg auch tatsächlich durch. Ansonsten litt das Heer, das nie mehr als einen Stand von etwa 22000 Mann erreichte, in Vaugoins Ära zunächst „unter einer unbeschreiblichen personellen, finanziellen und materiellen Enge" 2 1 ) und mußte als Folge der Schillingsanierung auch Abbaumaßnahmen im Offizierskorps über sich ergehen lassen 22 ). Die „ W e h r zeitung" gab Warnungen der Offiziere vor einer noch größeren Heeresverminderung oder einer Auflassung des Ressorts Raum. Sie würdigte daher auch beim Abgang Theodor Körners als Heeresinspektor im Gefolge jener Abbaumaßnahmen seine militärfachliche Kritik an den bis anfangs 1924 gesetzten zu geringen Anstrengungen zum Heeresaufbau und zur Vorbereitung einer Landesverteidigung, die er in einer „Denkschrift" formulierte 2 3 ). Die harten Worte Körners über fehlende republikanische Gesinnung im Offizierskorps lehnte ein Freund Glaise-Horstenaus freilich ab. Doch der Heeresinspektor war im Jahr zuvor auch noch der Verfasser des ministeriellen Erlasses gewesen, in welchem die ersten und bis nach 1930 einzigen Abwehrvorkehrungen, ein verstärkter Grenzaufsichtsdienst des Bundesheeres in Zusammenarbeit mit der Gendarmerie, festgehalten wurden. Sie sollten dem Völkerbund Anhaltspunkte für das erhoffte Eingreifen liefern. In diesem Maßnahmenkatalog war ein Fall Deutsches) R(eich) „mit Absicht nicht vorgesehen". Denn das Ministerium halte solche Maßnahmen gegenüber dem „befreundeten" Staat für „unzulässig" 2 4 ). Und noch im letzten Jahr vor 20)

Die Qual der Wahl, in: Ö W Z . v. 29.10.1926, 1 f. E. Steinbock, Von der Volkswehr zum Bundesheer, in: Die Nachkriegszeit 1918-1922. Kämpfe, Staaten und Armeen nach dem Ersten Weltkrieg (Truppendienst-Taschenbuch, Bd. 22), Wien 1973, 3 5 5 - 3 7 2 , hier 372. 2 2 ) L. Jedlicka, Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärpolitische Lage Österreichs 1918-1938, Graz-Köln 1955, 56ff. 2 3 ) L. Jedlicka, Dr. h . c . Theodor Körner, in: L. J . , Vom alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1900-1975, St. Pölten 1975, 167-194, hier 183. 2 4 ) H . Lerider, Die Wehrpolitik der ersten österreichischen Republik im Spiegel der operativen Vorbereitungen gegen die Nachfolgestaaten der Monarchie, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, 1978, Heft 2, 4 9 - 6 9 . 21)

Einleitung

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seinem Abgang hatte Körner gegenüber dem getarnt in Wien wirkenden und zeitweise im österreichischen Heeresministerium amtierenden deutschen Militärattache Jaspar Kundt erklärt: er wolle gegen Vaugoins Versuche, eine legitimistische Wehrmacht zu schaffen, auf jeden Fall „der deutschen Orientierung den Weg bahnen, wenn es sein muß auch mit Hilfe einer Fronde der Truppe gegen das Ministerium". Sein Ziel sei „Großdeutschland", das nur durch den Zusammenschluß zweier Republiken erreichbar sei, weshalb er es „mit der Sozialdemokratie halte"25). Der Kriegsarchivdirektor hielt es bald darauf auch offiziell mit den Christlichsozialen - seinen Angaben nach trat er 1924 oder 1926 dieser Partei bei. Auf dem B o den der Anschlußideale und gewiß fern jeder sonstigen ideologischen Gemeinsamkeit konnte er sich jedoch mit Körner verständigen, der inzwischen ein marxistischer Militärtheoretiker und Berater des Republikanischen Schutzbundes geworden war: dies ist zumindest bis 1936, bis zur weitgehenden Abwesenheit Glaise-Horstenaus vom Kriegsarchiv, nachweisbar 2 6 ). In den Jahren nach 1930 wandte sich Glaise-Horstenau seinen Intentionen gemäß gegen das Umkippen von der „Entpolitisierung" in eine „Umpolitisierung", die bei Vaugoins Vorgehen mehr und mehr zu beobachten war 2 7 ). Inzwischen trat Glaise-Horstenau, seiner Intention entsprechend an prominenter Stelle, für die Beibehaltung des Berufsheeres als noch immer verhältnismäßig billigste Heeresform auf. Daher würdigte er zwar die Unterstützung des „ W e h r bundes", der christlichsozialen Gewerkschaftsorganisation im Rahmen des Bundesheeres, „für das Aufbauwerk" des Ministers, doch empfahl er eine Aussetzung des Wahlrechtes der Soldaten für die Dauer ihrer aktiven Dienstzeit. Als ein Argument, um seinen Vorschlag auch „Teilen der Christlichsozialen" schmackhaft zu machen, führte Glaise-Horstenau an, es sei gewiß, „daß der Nationalsozialismus bei unseren Wehrmännern - wie ja überhaupt bei der Jugend - erheblich Anklang findet und daß es überdies unter den soldatischen Wählern auch immer noch sozialdemokratisch Gesinnte in einer größeren Zahl g i b t " 2 8 ) . Schließlich setzte sich GlaiseHorstenau in einer Serie von drei Artikeln, bezeichnenderweise im „Neuen Wiener Tagblatt", in der „Reichspost" und in der „Germania" für die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht 2 9 ) ein. Er wandte sich nochmals gegen die von Sozialdemokraten und Bauernkreisen gewünschte Miliz, da bei ihr der „Spezialist", der

" ) National Archives Washington 22.6.1923, 26.1.1924, 15.2.1924.

( = NAW),

T-120/R-4634,

2 6 ) F. Langoth, Kampf um Österreich, Wels 1951, 1 5 . 7 . 1 9 7 4 ; Mitteilung Stephanie Nadherny, 1 1 . 2 . 1 9 7 4 .

197f.;

Berichte

Kundts

Mitteilungen

v.

16.4.1923,

Auguste

Straskraba,

2 7 ) A . Staudinger, Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der christlichsozialen Partei in Österreich ( 1 9 3 0 - 3 3 ) , in: M Ö S T A , 23. Bd., 1970, 2 9 7 - 3 7 6 , hier Abschnitt I; P. Huemer, Sektionschef R o bert Hecht und die Zerstörung der Demokratie in Österreich, Wien 1975, 38 ff. 2 8 ) E . G . H . , Wehrmacht und Politik, in: N W T . , 18.5.1932, lf. 2®) E. G . H . , Österreich und die Gleichberechtigungsfrage, in: Germania, 2 3 . 1 1 . 1 9 3 2 , 6 ; ders., Wehrreform in Österreich, in: N W T . , 2 3 . 1 2 . 1 9 3 2 , l f . ; ders., Wehrprobleme von heute, in: R P . , 11.2.1933, lf.

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Bruch der Regierungskoalition

„komplizierte Kriegsmaschinen" handhaben müsse, zu kurz komme. Deutschland sollte Verständnis dafür haben, wenn sich Österreich die Zustimmung der Mächte zu einer Lockerung der Friedensbestimmungen in der Wehrfrage nicht entgehen lasse. „Jedenfalls wird Österreich mit dem großen Bruderreiche in einer Front zu marschieren haben, und sollte sich wider Erwarten einmal in irgendeiner Phase die Möglichkeit zu gesondertem Eingreifen ergeben, dann könnte dies nur im engsten Einvernehmen mit Deutschland geschehen. Das ist bei uns in Österreich unumstößliche Überzeugung . . . " . Tatsächlich wurde am 4. Mai 1933 bei der Genfer Abrüstungskonferenz die Berechtigung der Änderung des Wehrsystems anerkannt. Damit war zunächst die Auffüllung des Heeres auf die gestatteten 30000 Mann durch das sogenannte Militärassistenzkorps erreicht, das ab November 1933 zur Aufstellung gelangte. Diese Maßnahme war aber bereits als Hilfe der Mächte für Österreich zur besseren Bekämpfung des Nationalsozialismus gedacht. II. G L A I S E - H O R S T E N A U S B E S T R E B U N G E N U N D 1933-1936

ÄUSSERUNGEN

Im Jahre 1931 hatte Adolf Hitler, dessen N S D A P im Jahre darauf einen außerordentlichen Aufstieg in Deutschland erleben sollte, seiner österreichischen Parteiorganisation einen Landesinspekteur in der Person des Norddeutschen Theo H a bicht gegeben. Nach ersten Erfolgen bei österreichischen Landtagswahlen 1932 versuchte dieser mit voller wenn auch indirekter Unterstützung Hitlers, der dann seit Jänner 1933 deutscher Reichskanzler und Oppositionsführer der Rechten in Österreich in einer Person war, Bundeskanzler Dollfuß zur Aufnahme der Nationalsozialisten in die Regierung zu zwingen. Nach Aufbau eines Propagandaapparates der SA und SS begann zur Erreichung dieses ersten Zieles der nationalsozialistische Terror. Christlichsoziale und Sozialdemokraten strichen die Anschlußforderungen aus ihren Programmen. Im Juli/August 1932 bereits hatte die Regierung nur knappest die parlamentarische Verabschiedung für die angestrebte und bitter notwendige Anleihe von Lausanne durchgebracht. Als Preis für die Gewährung war auch gleich 1922 - eine Erneuerung des Anschlußverzichts verlangt worden. An dem Zurückstehen von dem deutsch-österreichischen Zollunionsplan von 1931 und an jenem neuerlichen Rückzug vor den Wünschen des Auslands zerbrach die christlichsoziale - großdeutsche Regierungskoalition. Der seit dem Bruch der Koalition 1918/20 nie wieder durch konstruktives Verhandeln inner- oder außerhalb des Parlaments aufgehaltene Vertrauensschwund zwischen den beiden größten Parteien wirkte sich nun verhängnisvoll aus. Der verbale auf die Parteieinheit bedachte Radikalismus sozialdemokratischer Führer und Presseorgane, die Furcht vor gewaltsamen Sozialisierungsmaßnahmen, vermeintlichem oder tatsächlichem Betriebsterror und die mit kulturkämpferischem Propagandaaufwand als politische Siege gemeldeten Erfolge der Kirchenaustrittsbewegung förderten auf der Seite der Christlichsozialen eine Gegnerschaft unter der nun ans Ruder gelangenden „Frontgeneration". Sie ließ ihren entscheidenden Funktionären ein Abgehen von der Macht nach

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Bruch der Regierungskoalition

„komplizierte Kriegsmaschinen" handhaben müsse, zu kurz komme. Deutschland sollte Verständnis dafür haben, wenn sich Österreich die Zustimmung der Mächte zu einer Lockerung der Friedensbestimmungen in der Wehrfrage nicht entgehen lasse. „Jedenfalls wird Österreich mit dem großen Bruderreiche in einer Front zu marschieren haben, und sollte sich wider Erwarten einmal in irgendeiner Phase die Möglichkeit zu gesondertem Eingreifen ergeben, dann könnte dies nur im engsten Einvernehmen mit Deutschland geschehen. Das ist bei uns in Österreich unumstößliche Überzeugung . . . " . Tatsächlich wurde am 4. Mai 1933 bei der Genfer Abrüstungskonferenz die Berechtigung der Änderung des Wehrsystems anerkannt. Damit war zunächst die Auffüllung des Heeres auf die gestatteten 30000 Mann durch das sogenannte Militärassistenzkorps erreicht, das ab November 1933 zur Aufstellung gelangte. Diese Maßnahme war aber bereits als Hilfe der Mächte für Österreich zur besseren Bekämpfung des Nationalsozialismus gedacht. II. G L A I S E - H O R S T E N A U S B E S T R E B U N G E N U N D 1933-1936

ÄUSSERUNGEN

Im Jahre 1931 hatte Adolf Hitler, dessen N S D A P im Jahre darauf einen außerordentlichen Aufstieg in Deutschland erleben sollte, seiner österreichischen Parteiorganisation einen Landesinspekteur in der Person des Norddeutschen Theo H a bicht gegeben. Nach ersten Erfolgen bei österreichischen Landtagswahlen 1932 versuchte dieser mit voller wenn auch indirekter Unterstützung Hitlers, der dann seit Jänner 1933 deutscher Reichskanzler und Oppositionsführer der Rechten in Österreich in einer Person war, Bundeskanzler Dollfuß zur Aufnahme der Nationalsozialisten in die Regierung zu zwingen. Nach Aufbau eines Propagandaapparates der SA und SS begann zur Erreichung dieses ersten Zieles der nationalsozialistische Terror. Christlichsoziale und Sozialdemokraten strichen die Anschlußforderungen aus ihren Programmen. Im Juli/August 1932 bereits hatte die Regierung nur knappest die parlamentarische Verabschiedung für die angestrebte und bitter notwendige Anleihe von Lausanne durchgebracht. Als Preis für die Gewährung war auch gleich 1922 - eine Erneuerung des Anschlußverzichts verlangt worden. An dem Zurückstehen von dem deutsch-österreichischen Zollunionsplan von 1931 und an jenem neuerlichen Rückzug vor den Wünschen des Auslands zerbrach die christlichsoziale - großdeutsche Regierungskoalition. Der seit dem Bruch der Koalition 1918/20 nie wieder durch konstruktives Verhandeln inner- oder außerhalb des Parlaments aufgehaltene Vertrauensschwund zwischen den beiden größten Parteien wirkte sich nun verhängnisvoll aus. Der verbale auf die Parteieinheit bedachte Radikalismus sozialdemokratischer Führer und Presseorgane, die Furcht vor gewaltsamen Sozialisierungsmaßnahmen, vermeintlichem oder tatsächlichem Betriebsterror und die mit kulturkämpferischem Propagandaaufwand als politische Siege gemeldeten Erfolge der Kirchenaustrittsbewegung förderten auf der Seite der Christlichsozialen eine Gegnerschaft unter der nun ans Ruder gelangenden „Frontgeneration". Sie ließ ihren entscheidenden Funktionären ein Abgehen von der Macht nach

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Einleitung

parlamentarischen Spielregeln - für sie entsprechend den knappen Mehrheitsverhältnissen Zufälligkeiten - als eine Art Kapitulation in einem bereits seit den Juliunruhen von 1927 währenden kalten Bürgerkrieg erscheinen. Der christlichsoziale Parteiführer tat den entscheidenden Schritt in der Gegenrichtung, er ergriff eine günstige Gelegenheit zum Verfassungsbruch und regierte aufgrund einer Ausnahmegesetzgebung. Damit waren die Voraussetzungen für den „autoritären K u r s " gegeben, der Stützung auf den faschistischen Flügel und auf die von christlichsozialen Vertrauensleuten kontrollierten Teile der Heimwehren. Beide zusammen hatten zuletzt auch bei Parlamentswahlen Kandidaten gestellt. Einige Reaktionen auf diese Ereignisse von den Persönlichkeiten aus Glaise-Horstenaus engerem, allerdings sehr großem Bekanntenkreis sind vielleicht auch für sein Denken bezeichnend. So bekämpfte der Rechtshistoriker Karl Gottfried H u gelmann, ehemals christlichsozialer Bundesrat, heftigst in Artikeln der „Wiener Neuesten Nachrichten" die Lausanner Anleihe. Der Staatsphilosoph Johannes Eibl etwa wieder, auch den „Katholisch-Nationalen" zuzurechnen, verhandelte im Herbst 1932 im Rahmen einer „Wiener Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden" mit Habicht über ein „gemeinsames christlich humanistisches Programm für den religiösen Frieden" 3 0 ). Damals schrieb auch Glaise-Horstenau den einzigen seiner wenigen gelegentlichen Leitartikel im „Neuen Wiener Tagblatt" über den Aufstieg des Nationalsozialismus 3 1 ). Er nahm auf die Stichwahlen zum Amt des Reichspräsidenten Stellung und bezeichnete es in beredten Worten als tragisch, daß ein Drittel der Wähler - dazu rechnete er vor allem die rechtsstehende Jugend - den „ T r o m m l e r " und nicht den „Feldmarschall" gewählt habe. Er zog dabei den Vergleich mit den Anfängen der christlichsozialen Bewegung: Lueger als Trommler. Der der N S D A P anhängende Teil jener Jugend hatte als erster und auf H o c h schulboden auch in Österreich den Zusammenstoß gesucht. Am 6. Dezember 1932 war es zum Bruch in der „Deutschen Studentenschaft" an der Wiener Universität gekommen, in der die K D H Ö mit anderen liberalen, waffenstudentischen, nichtsozialistischen und - dem auf den Hochschulen geltenden Volksbürgerprinzip nach deutschen Studentenvereinigungen zusammengearbeitet hatte. Ein blutiger Tumult, bei dem farbentragende katholische Studenten (CVer) und Waffenstudenten aneinandergeraten waren, hatten ihn ausgelöst und die noch am Ende des Ersten Weltkrieges begonnene Phase der Duldung und eines auch vor diesem Zeitpunkt nicht bestandenen verhältnismäßig reibungslosen Nebeneinander beendet. Die Aktivitäten und die fanatisch antikatholische Haltung des NS-Studentenbundes samt seiner militanten Untergliederung, wie Studenten-SA, sorgten dafür und bewirkten schließlich ein Ende der studentischen Selbstverwaltung überhaupt. Es gab aber weiterhin einige Akademiker, die im Geiste jener „Arbeitsgemeinschaft" Eibls, deren Gespräche im Sande verliefen, zu weiteren Kontakten mit der 3 0 ) E . Weinzierl, Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus, in: W o r t und Wahrheit, 18. J g . (1963), 4 1 7 - 4 3 9 , 4 9 3 - 5 2 6 u. 20. J g . (1965), 7 7 7 - 8 0 4 , hier 4 3 5 . 3 1 ) E . G . H . , Feldmarschall und T r o m m l e r . Ein österreichisches Schlußwort zur Wahl des Reichspräsidenten, in: N W T . , 1 4 . 4 . 1 9 3 2 , 1 £.

Allgemeiner deutscher Katholikentag

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anderen rechten Seite bereitstehen wollten. Eine ihrer geistigen Nachfolgeorganisationen war der in Deutschland von Reichskanzler beziehungsweise Reichsvizekanzler Franz v. Papen gegründete Bund „ K r e u z und Adler". Als Ziel des Bundes wurde genannt, „ d i e Idee des Reiches zu politischem Gestaltungswillen entwickeln zu helfen". Es wurden Führerbriefe herausgegeben und im deutschen Maria Laach wurde im April 1933 eine Führertagung abgehalten. N o c h im Frühjahr sollte sich in Wien ein ähnlicher Bund konstituieren, dessen Proponenten viele bekannte Katholisch-Nationale umfaßte. Glaise-Horstenau „ d e r noch schwankt" - so ein Bericht vom Mai 1933 an die Bundesleitung - sollte als einer der Mitglieder eines „ D r e i männerrates" die Leitung übernehmen. Es dürfte zur Gründung dieses österreichischen Zweiges nicht mehr gekommen sein, denn schon im Oktober 1933 wurde der Bund in eine „Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher" übergeführt. Den Gründungsaufruf hiefür unterzeichnete Rudolf Heß, der eine ehrliche rückhaltlose Mitarbeit am Nationalsozialismus verlangte. Der Bund war zur reinen Vorfeldorganisation der N S D A P geworden und wurde im September 1934 aufgelöst 3 2 ). Währenddessen waren auch die Vorbereitungen für den Allgemeinen deutschen Katholikentag weitergegangen, für dessen Hauptausschuß Glaise-Horstenau vorgesehen war. Auch bei den dabei in den Räumen der Katholischen Akademikergemeinde stattfindenden Besprechungen kam das Verhältnis zu den Nationalsozialisten zur Diskussion, vor allem, als die NS-Landesleitung Eibl als Redner vorschlug und dieser eine Anprangerung der Pariser Vororteverträge als Verbrechen und Kulturschande forderte. Im Rahmen dieser Zusammenkünfte wurde auch darüber diskutiert, ob die Nationalsozialisten durch die Katholiken zur protestantischen Partei abgedrängt worden seien. Der deutsche Prälat Schreiber wieder unterschied zwischen dem „Staatsmann" Hitler sowie den „wilden Männern" Göring und Goebbels, warnte vor „preußischem Staatssozialismus" und riet zum Zusammengehen mit den Nationalsozialisten 3 3 ). Glaise-Horstenau sollte das Programm für die Türkenbefreiungsfeier der Regierung ausarbeiten. Für diese wollte er, wie seine Korrespondenz mit dem Chef des Vereins für das Deutschtum im Ausland, dem ehemaligen Offizier und Kärntner Hans Steinacher, zeigt, in Deutschland im gesamtdeutschen Sinne Propaganda machen 3 4 ). Auf Steinachers Wunsch hin setzte sich Glaise-Horstenau - vergeblich für eine Trennung der offiziellen Feiern von denen des Katholikentages aus Anlaß der 250. Wiederkehr des Türkenjahres 1683 ein, wie er erklärte, um die Protestanten nicht zu verärgern. Noch mehr bemühte sich Glaise-Horstenau darum, über diplomatische Kanäle eine Abordnung der „Reichswehr" einzuladen, die alle ande3 2 ) K . Breuning, Die Vision des Reiches. Deutscher Katholizismus zwischen Demokratie und Diktatur (1929-1934), München 1969, 225ff., 2 3 5 f f . , 337. 3 3 ) E. Weinzierl, Aus den Notizen von Richard Schmitz zur österreichischen Innenpolitik im Frühjahr 1933, in: Geschichte und Gesellschaft. Festschrift für Karl R . Stadler zum 60. Geburtstag, Wien 1974, 113-143. 34) BA-Koblenz, N l . Steinacher, Ordner 41. Steinacher an Glaise-Horstenau: 12.11.1932, 14.12.1932, 2 9 . 1 2 . 1 9 3 2 , 6 . 2 . 1 9 3 3 , 16.2.1933, 11.9.1933 (Konzepte); Glaise-Horstenau an Steinacher: 4 . 1 2 . 1 9 3 2 , 2 5 . 1 2 . 1 9 3 2 , 2 . 2 . 1 9 3 3 , 4 . 2 . 1 9 3 3 , 15.2.1933, 1 8 . 2 . 1 9 3 3 , 3 1 . 8 . 1 9 3 3 (Originale).

22

Einleitung

ren militärischen Abordnungen, insbesondere die der Polen, übertreffen sollte. Dazu wollte er im März 1933 vor dem Volksdeutschen Klub über „ D i e Türkenschlacht vor Wien im Jahre 1683 und ihre politische Gegenwartsbedeutung für die Deutsche N a t i o n " sprechen. D o c h auch dieses Anliegen wurde zum Ärger Glaise-Horstenaus infolge der immer schlechter werdenden zwischenstaatlichen Beziehungen nicht erreicht. U m doch noch in letzter Minute etwas zu retten - GlaiseHorstenau wollte schließlich eine Absage an alle Militärdelegationen - wandte sich dieser an den seit April 1933 amtierenden ersten offiziellen deutschen Militärattache seit 14 Jahren, Generalmajor Wolfgang Muff 3 5 ). Jener konnte oder wollte in dieser Angelegenheit, in der er ausdrücklich betonte, daß Glaise „aus eigenem" zweimal an ihn herangetreten sei, nicht helfen 3 6 ). Die Feiern fanden ohne Reichswehrdelegation, aber im Beisein ariderer ausländischer Abordnungen statt, und Kardinal Innitzer mußte, wie wohl Glaise-Horstenau den Militärattache wissen ließ, in seine vom Direktor des Kriegsarchivs konzipierte Rede einen nicht von diesem stammenden Passus über eine „österreichische Mission" einbauen. Seit den Berichten Muffs über diese Vorgänge ist Glaise-Horstenaus Verbindung zu ihm bezeugt, die den ersten zurückhaltenden Äußerungen des Generals gemäß vielleicht tatsächlich den Anlaß für eine verstärkte Fühlungnahme boten. Der Austausch von Militärattaches zwischen den beiden Staaten hatte wohl von deutscher Seite vornehmlich die Beobachtung des italienischen Auftretens in Österreich zum Anlaß 3 7 ). Schon seit dem Renner-Nitti-Abkommen von 1920 hatte Italien seinen nördlichen Nachbarn als einen Pufferstaat gegen das Deutsche Reich und die Kleine Entente als Brücke zum Donauraum und Ungarn angesehen, mit dem seit 1927 ein Freundschafts- und Schiedsgerichtsvertrag bestand. Ein ähnlicher Vertrag wurde 1930 auch mit der österreichischen Regierung unter Bundeskanzler Schober geschlossen. Doch schon seit 1928 genossen hier die antimarxistischen Wehrorganisationen, die Heimwehren, die militantes, sozialromantisches und faschistisches G e dankengut vertraten, von Italien im Verein mit Ungarn massive Unterstützung durch Geld und Waffen. Sie wurde durch die sogenannte „Hirtenberger Waffenaffäre" vom Jänner 1933 - von der Sozialdemokratie aufgedeckt - aller Welt offenkundig. Uber die Heimwehrführung ergaben sich die ersten Kontakte Dollfuß-Mussolini. Im Treffen von Riccione (19./20. 8. 1933) wurden gegen die vom Deutschen Reich verfügte 1000-Mark-Sperre und zur Ankurbelung des österreichischen Exports wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen vereinbart. Weiters versprach Mussolini sowohl verstärkte Waffenlieferungen als auch eine militärische Rückendekkung, wofür er nötigenfalls einen Einmarsch in Tirol ins Auge faßte 3 8 ): zur Unterstützung der Exekutive gegen die in Bayern aus geflüchteten österreichischen Na3 5 ) M. Kehrig, Die Wiedereinrichtung des deutschen militärischen Attachédienstes nach dem Ersten Weltkrieg ( 1 9 1 9 - 1 9 3 3 ) (Wehrwissenschaftliche Forschungen, Bd. 2), Boppard am Rhein 1966, 4 3 - 6 0 , 75, 141, 164. 36

) N A W , T - 1 2 0 / R - 2 6 9 5 , Bericht Muffs N r . 5 / 1 9 3 3 , s . d . (August 1933).

) L. Jedlicka, Österreich und Italien 1 9 2 2 - 1 9 3 8 , in: Fallstudien, 3 1 1 - 3 3 6 . ) N A W , T - 1 2 0 / R - 1 4 4 7 / 5 6 8 0 5 9 f . : Aufzeichnung über die Entrevue Dollfuß-Mussolini in Riccione, 19. u. 2 0 . 8 . 1 9 3 3 . 37

3S

Der deutsche Militärattache 1933/34

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tionalsozialisten zusammengestellte „österreichische Legion", die zum militärischen Einfall nach Österreich bereitstand, aber ebenso gegen eine für möglich gehaltene Bedrohung Österreichs von der Seite der Reichswehr. Die Hilfeversprechen Italiens waren gekoppelt mit der Aufforderung nach stärkerer Berücksichtigung der Heimwehrführer bei der Regierungsführung und der Erwartung der völligen Ausschaltung der Sozialdemokratie. In der sodann von Dollfuß vorgenommenen Regierungsumbildung am 21. September 1934 trat der bekannte Frontgeneral des Ersten Weltkriegs - Generaloberst a. D. Aloys Schönburg-Hartenstein - , ehemaliger unmittelbarer Vorgesetzter und besonderer Protektor Glaise-Horstenaus - als Staatssekretär für Landesverteidigung in die Regierung ein. In dieser kontrollierte zunächst Dollfuß allein die staatliche Exekutive durch Übernahme der Ressorts für Inneres, Äußeres, Sicherheit und Landwirtschaft, vor allem, um sie dem zum Vizekanzler aufgerückten Heimwehrführer Major a. D. Fey nicht überlassen zu müssen. Glaise-Horstenau schlug nun vor, Muff eine Unterredung mit dem neuen Staatssekretär zu verschaffen 39 ). Diese verlief für Muff unbefriedigend, der SchönburgHartenstein als loyalen Gefolgsmann des Bundeskanzlers, „sicherlich kein Anschlußfreund", „unpolitisch und harmlos" beurteilte 40 ). Er wolle aber, wie Muff schon im November 1933 meldete, Glaise-Horstenau als seinen Berater und Gehilfen in das Ministerium holen, was sich allerdings wegen dessen Ablehnung zerschlagen habe 41 ). Es war klar, daß Muff nunmehr den Kontakt zu Glaise-Horstenau hielt, der seither gelegentlich immer wieder in seinen Berichten aufscheint - unter anderem auch im Zuge der Schilderung des Radiovortrages vom 24. Oktober 1933, der dem Direktor des Kriegsarchivs zeigte, daß ihn die Regierung Dollfuß und Unterrichtsminister Schuschnigg auf italienischen Druck hin ohne weiteres fallen lassen würde 42 ). Mehr Intensität widmete Muff allerdings dem Aufbau eines Netzes von Informanten, die ihn in oft bis ins Einzelne gehender Weise über die italienischen Waffenlieferungen unterrichteten, und dem Kontakt zu Offizieren und Beamten im Landesverteidigungsministerium, die ihm Einblick in verschiedenste vertraulichen Materialien, unter anderem immer wieder in österreichische Militärattacheberichte, verschafften 43 ). Muff schied das Offizierskorps in ältere konservative, zum Teil unpolitische Persönlichkeiten, in eine mittlere Offiziersgeneration mit „deutschnationalem Bewußtsein" zum Teil dem Nationalsozialismus zuneigend, und jüngere O f fizier „politisch sorgfältig ausgesucht . . . zum Teil auf Regierungsseite, aber im Grunde doch deutschempfindend" 44 ). 3

») N A W , T-120/R-2695, Bericht M u f f s N r . 6/1933 v. 19.10. 1933. ) N A W , T-120/R-2695, Bericht M u f f s N r . 7/1933 v. 2 . 1 1 . 1 9 3 3 . 41 ) N A W , T-120/R-2836, Bericht M u i f s N r . G e h / 8 6 v. 8 . 1 1 . 1 9 3 3 . 42 ) Vgl. Memoiren, 1. Bd., 50; dazu auch: N A W , T-120/R-2695, Bericht Muffs N r . 3/44 v. 2.11.1933. 43 ) W. H ü g l e , Wehrpolitische Informationen über Österreich im Reichskriegsministerium 1 9 3 3 - 3 6 (Generalstab A b t . F r e m d e Heere), Masch. Zulassungsarbeit z u m Staatsexamen, Tübingen 1967; M. Klaus, D e r deutsche militärische Geheimdienst und seine Tätigkeit gegen Österreich in den Jahren zwischen 1934 und 1938, Milwiss. Arbeit z u m 5. Generalstabskurs, Wien 1969. 44 ) N A W , T-120/R-2695, Bericht Muffs N r . 8/33 v. 7 . 1 2 . 1 9 3 3 . 40

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Einleitung

Dieses Offizierskorps war, so kann man zusammenfassend hinzufügen, mit der ,,Entpolitisierung" Vaugoins solange einverstanden gewesen, als sie parteipolitische Agitationen im Heer behindert, die Anhänger der Sozialdemokratie geschwächt und damit die Handhabung der Disziplin zuerst wiederhergestellt dann gestärkt hatte. Es mehrten sich jedoch die Anzeichen, daß die Armee zu einem Instrument christlich-sozialen Suprematiestrebens werden könnte. Zwar waren nach 1928 Voraussetzungen für die Modernisierung - etwa Motorisierung diverser Infanterieverbände - und für die angestrebte Umgestaltung des Heerwesens geschaffen worden. Aber mehrmals gab es andererseits berechtigte Befürchtungen einer weiteren Reduzierung des Heeres auf vier Brigaden und es wuchs weiters der Unmut über wachsende Verwendung als Ordnungsfaktor im Innern zum Auseinanderhalten der Wehrverbände. Forderungen, die etwa Körner sehr wohl mit Zustimmung des O f fizierskorps aufgestellt hatte, wie Schaffung einer militärischen Heeresspitze, N o t mobilisierungsvorkehrungen und Grenzschutzvorbereitungen, waren 1932/33 nach wie vor offen. Nun kam noch die Rivalität mit den Heimwehren hinzu, die infolge der Arbeitslosigkeit Zulauf erhielten 4 5 ). Deren Truppe wurde durch die bereits ohne parlamentarische Deckung erfolgten drei Assistenzkörperverordnungen zu einer Hilfstruppe für die Exekutive bereitgestellt, zum „Freiwilligen Schutzkorps" für die Verwendung bei inneren Unruhen. Im Heer sollte nun tatsächlich, so versprach es Schönburg-Hartenstein, eine Periode der Heraushaltung aus den parteipolitischen Kämpfen kommen. Daran wurden im Offizierskorps gewisse Erwartungen geknüpft und Pläne für ein Heer der Allgemeinen Wehrpflicht erstellt. Innenpolitisch aber wagte Dollfuß auf seinem Weg zur Errichtung eines autoritären Staates zunächst den Kampf gegen die Sozialdemokraten: sicherlich gedrängt durch den italienischen Faschismus und die Heimwehren, die bis anfangs Februar in ihrer Funktion als Hilfspolizei den militärisch ausgebildeten, bereits verbotenen, Republikanischen Schutzbund durch Waffensuche in die Enge trieben. Als er sich bei derartige Aktionen und Provokationen, wie gewarnt worden war, zur Wehr setzte, wurde auch die Exekutive - insbesondere das Bundesheer - eingesetzt. T a gelang dauerte die Niederkämpfung der sozialdemokratischen Wehrformation, die durch Streikaktionen der bereits demoralisierten Arbeiterschaft wenig unterstützt wurde. Die Hauptlast der Kämpfe ruhte auf dem Heer. Noch drei Tage vor ihrem Ausbruch berichtete Muff, Glaise-Horstenau wäre, ebenso wie der Vorsitzende des Deutschen Volksrates, Feldmarschalleutnant a . D . Bardolff, mittels einer Denkschrift beziehungsweise mündlich an den Bundespräsidenten bezüglich eines „Eingreifens der A r m e e " , also offenbar der Errichtung einer Militärregierung, herangetreten 4 6 ). Wir wissen nicht, wie Bundespräsident Miklas auf diese Gedanken reagiert hat. Die Heimwehren, die sich als Sieger im Bürgerkrieg fühlten, hätten sich wohl auf jeden Fall gegen ihn aufgelehnt. Und die Rivali4 5 ) L . Jedlicka, Die österreichische Heimwehr, in: Internationaler Faschismus 1 9 2 0 - 1 9 4 5 , München 1966, 1 7 7 - 2 0 0 , 2 8 8 - 2 9 2 ; ders., Die Anfänge des Rechtsradikalismus in Österreich ( 1 9 1 9 - 1 9 2 5 ) , in: Fallstudien, 1 9 5 - 2 1 4 . 4 6 ) N A W , T - 1 2 0 / R - 2 6 9 5 , Bericht Muffs N r . 1/1934 v. 9 . 2 . 1 9 3 4 .

„Schutzmacht" Italien

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tat zwischen den totalitären Bewegungen in erster Linie scheint auch eine der Ursachen für den Kontakt gewesen zu sein, den Glaise-Horstenau um den 14. Februar zwischen dem Angehörigen der österreichischen SA-Landesleitung der N S D A P Gilbert In der Maur und Schuschnigg herstellen sollte. Es ging um die „Vereinigung aller positiven Kräfte" gegen die „Sowjet-Revolution". Für den Fall der Ablehnung, so erfuhr der deutsche Gesandte, würden die Nationalsozialisten „anders vorgehen". Dollfuß wies sie ab und Glaise-Horstenau hatte dies mitzuteilen 47 ). Bundeskanzler Dollfuß suchte durch Unterzeichnung der „Römischen Protokolle" mit Italien und Ungarn die außenpolitische Absicherung und wirtschaftliche Stützung seiner Regierung und durch die Verkündung der neuen Verfassung die Konsolidierung seines autoritären Regimes. Doch der nationalsozialistische Terror, der nur während des Bürgerkrieges im Februar 1934 und kurz danach ausgesetzt hatte, nahm wieder zu. Muff verstärkte seine Spionagetätigkeit über die italienischen Waffenlieferungen, hatte Unterredungen mit einem österreichischen Offizier, der ihn über Attentatspläne gegen die österreichische Regierung informierte 4 8 ). Er berichtete ausführlich über die Möglichkeiten eines italienischen militärischen Eingreifens in Österreich, das er für unwahrscheinlich hielt, aber, falls doch durchgeführt, auch Ungarn und Mächte der Kleinen Entente zu einem Kampf um Teile Österreichs veranlassen könnte. Er empfahl eine Einigung mit Italien und Ungarn, „einen friedlichen Systemwechsel behutsam Schritt für Schritt im Einvernehmen mit Italien" 4 9 ). Eine Persönlichkeit, die in dieserrt Konzept eine Rolle spielen könnte, schien ihm Glaise-Horstenau zu sein, der Muff anfangs Juni 1934 neuerlich berichtete, er werde nun die Rolle eines politischen Beraters Schönburg-Hartensteins übernehmen. So gab der deutsche Militärattache in diesem Zusammenhang eine Charakterisierung Glaise-Horstenaus an seine Vorgesetzten weiter 5 0 ). Am 12. Juni 1934 stand die erste Unterredung Hitler-Mussolini in Venedig unmittelbar bevor: wie Glaise-Horstenau meinte, eine Unterhandlung zwischen einem zweifelhaften Freund und einem Feind Österreichs. Glaise-Horstenau erzählte Muff von den Warnungen des italienischen und ungarischen Militärattaches vor einem Bürgerkrieg, deutschen wie jugoslawischen Gegenmaßnahmen und seiner Sorge, das Bundesheer könnte auch gegen die Natio) D . Ross, Hitler und Dollfuß. Die deutsche Österreich-Politik 1933-1934, H a m b u r g 1966, 177. J N . Schausberger, Der Griff nach Österreich. Der Anschluß, Wien 1978, 290. 4 9 ) L . Jedlicka, Aufteilungs- und Einmarschpläne um Österreich, 1918-1934, in: Fallstudien, 141-165, hier 156f.; N A W , T-77/R-900, Bericht Muffs N r . Geh./246 v. 5 . 6 . 1 9 3 4 . 5 0 ) N A W , T-120/R-2695, Bericht Muffs N r . 7/34 v. 2 2 . 3 . 1 9 3 4 ; N A W , T-77/R-900, Bericht Muffs N r . 12/Ö v. 9 . 6 . 1 9 3 4 : „Glaise-Horstenau ist im Grunde überzeugt deutschgesinnt und wird sicher in seiner künftigen Tätigkeit, wie bisher, das Mögliche versuchen, um ausgleichend zu wirken. Er ist zu klug, um nicht zu erkennen, auf wie schwachen Füßen die Regierung Dollfuß steht und wird daher bestrebt sein, sich nicht zu eng an sie zu binden. Er ist aber auch sehr ehrgeizig und strebt nach einer politischen Rolle (sie!), nach dem Landesverteidigungsministerium in einer künftigen Regierung. Unter den heutigen Verhältnissen und vielleicht auch für eine Ubergangszeit ist er aber als Aktivposten zu buchen, weshalb seine Berufung in das Landesverteidigungsministerium vom nationalen Standpunkt aus zu begrüßen wäre. Ich stehe in laufender Verbindung mit ihm und werde sie auch künftig zu halten versuchen . . . " 47

4S

Einleitung

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nalsozialisten eingesetzt werden. Er meinte, der Ausweg wäre eine Militärdiktatur als „zeitlich befristetes überparteiliches Regime in Österreich und nach einer Ubergangszeit die Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zustände". Allerdings: Schönburg-Hartenstein hielt er nicht für die geeignete Persönlichkeit an der Spitze eines solchen Unternehmens. Muff redete seinem Bericht nach Glaise-Horstenau zu, seine geplante Stellung sofort anzutreten, glaubte „aber kaum, daß sich dieser zaudernde Mann zu einem großen Entschluß wird aufraffen k ö n n e n " 5 1 ) . Vorbedingungen und personelle Voraussetzungen für ein solches Unternehmen, das klar als beabsichtigt hingestellt wurde, können infolge des Fehlens irgendwelcher weiterer Quellen nur vermutet werden. Es ist wahrscheinlich nur an eine kleine Gruppe von Offizieren im Ministerium zu denken, die die Absicht und die Möglichkeit gehabt hätten, einen Militärputsch einzuleiten. So etwa an Generalmajor Wiktorin, damals Vorstand der 1. Abteilung, 1924 bis 1926 als erster und einziger österreichischer Offizier nach 1918 getarnter „Verbindungsoffizier" in Berlin, an die Oberste Emmerich Nagy und Glaise-Horstenaus Jahrgangskamerad Oberst Theodor Brantner in der Operationsabteilung und an einige andere, „durchaus deutschempfindend", wie Muff über sie in seinen Berichten schrieb, und meist im vergangenen Weltkrieg als zugeteilte Generalstabsoffiziere zeitweise auch bei deutschen Stäben eingeteilt. Sie waren über das „Fortschreiten des nationalen Gedankens befriedigt", sahen aber doch auch das Eindringen überzeugter Nationalsozialisten in entscheidende Stellen mit Sorge wegen der „Gefahr der politischen Zersetzung". Andererseits fanden sie sowohl die Abhängigkeit von Italien als „schmählich" - und trafen sich damit besonders mit Glaise-Horstenaus Gedanken - als auch den Zustand für unerträglich, daß ihr Vorgesetzter und seit 12. März 1934 auch Minister Schönburg-Hartenstein, der alte Herr, „vor Dollfuß wie ein Gefreiter stillstehe" 5 2 ). Diese Offiziere hatten am Papier den Ausbau des Heeres auf sechs Divisionen und zwei Brigaden bereits vorbereitet und hofften, vor Entlassung der Angehörigen des Militärassistenzkorps und bei Aufbietung der bestausgebildeten Männer des Schutzkorps sowie jüngerer Kriegsdiener bis zu 100000 Mann für einen Mobilisierungsfall zusammenziehen zu können. Doch schien es ihnen nur möglich, dies in einer „zentralen Flankenstellung", etwa im Murtal, zu tun und italienischen wie jugoslawischen Truppen, nachdem ein schwacher Grenzschutz durch Gendarmerie gleichsam nur angedeutet worden war, Teile Kärntens, der Steiermark und vor allem ganz Tirol für Vormarsch und Kampf zu überlassen. Im Rahmen dieser „zentralen Flankenstellung" und militärischen Zusammenballung hätten diese Offiziere vielleicht auch nach der politischen Macht gegriffen und GlaiseHorstenau in irgendeiner Weise herangezogen. Offenbar unberücksichtigt blieben die wenigen noch jüngeren Offiziere, die sich - wie Adolf Sinzinger oder Rudolf Seiinger - ebenfalls bereits in gewissen Schlüsselstellungen als Angehörige der SA oder des Nationalsozialistischen Soldatenringes (NSR) befanden, oder auch die be-

51

) N A W , T - 7 7 / R - 9 0 0 , Bericht Muffs N r . 13/34 ( ö ) v.

12.6.1934.

« ) N A W , T - 7 7 / R - 9 0 0 , Bericht Muffs N r . G e h . / 2 4 7 v. 8 . 6 . 1 9 3 4 .

Juliputsch 1934

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sonders mit ihnen sympathisierende Nicht-Parteimitglieder 5 3 ). Sie wurden durch die Münchner Leitung der N S D A P für Putsch- und Attentatsvorbereitungen herangezogen oder sollten sich, wie der spätere Chef des N S R Oberst Maximilian de Angelis, zur Übernahme des Wiener Stadtkommandos bereithalten 5 4 ). Tatsächlich schienen die Befürchtungen, daß über die Abhängigkeit Österreichs in Venedig eine Einigung erzielt werde, am 14./15. Juni zunächst grundlos zu sein. Hitler erreichte bei Mussolini keine Änderung seiner Haltung in der ÖsterreichFrage. Dies war aber für die österreichischen Nationalsozialisten ein Signal, nunmehr keinerlei Rücksicht mehr auf die deutsche Außenpolitik zu nehmen. Am Tage, da die Diktatoren zum zweiten Mal zusammenkamen, wurde Glaise-Horstenau dem inzwischen zum Minister ernannten Schönburg-Hartenstein „zur fallweisen Beratung" zur Verfügung gestellt. Doch nicht ganz vier Wochen später war seine Rolle bereits ausgespielt, als Schönburg-Hartenstein nach einem Konflikt mit Dollfuß zurücktrat 5 5 ). Er fiel über die Auflösung des „Wehrbundes", der letzten noch bestehenden christlichsozialen Soldatengewerkschaft. Schönburg-Hartenstein war dafür eingetreten, daß sie in konsequentem Vorgehen nach der Errichtung des autoritären Staates ebenfalls aufgelöst werden müßte, daß eben dann in der Armee keinerlei Parteipolitik mehr betrieben werden dürfe. Aber Dollfuß wollte sie belassen und nahm die Gelegenheit wahr, in einer Regierungsumbildung sowohl den Einfluß des Heimwehrführers Fey zu beschneiden, als auch in der Person des nicht aus dem Generalstab hervorgegangenen „Troupiers" General Zehner neuerlich nur einen Staatssekretär im Landesverteidigungsministerium heranzuziehen, der vollste Loyalität gegenüber dem Minister und Regierungschef zu gewährleisten schien. Schon war ein weiteres Treffen Dollfuß-Mussolini vorgesehen, immer noch gab es von der Seite der Heimwehren, aber auch von Vertrauensleuten des Kanzlers sondierende Kontakte mit Nationalsozialisten, als der Kanzler nach einer Regierungssitzung am 25. Juli 1934 ermordet wurde 5 6 ). Die ins Bundeskanzleramt eindringenden Putschisten, SS-Männer, größtenteils aus dem Heer entfernte ehemalige Soldaten, hatten ihre Bluttat im Auftrag deutscher nationalsozialistischer Drahtzieher, mit Wissen Hitlers 5 7 ) und in der Erwartung oder zumindest Hoffnung auf ein Eingreifen des Bundesheeres zu ihren Gunsten unternommen. Doch sie täuschten sich völlig. Nochmals blieb das Bundesheer ganz in der Hand seiner Führer und kämpfte, zunächst auch ohne Auftrag der Regierung, in sechstägigen blutigen Gefechten die aufflackernden Erhebungsversuche der nationalsozialistischen militanten Organisationen nieder. Dieses Vorgehen wurde massiv gestützt

53) davon 54) 1976,

Vgl. die diversen Angaben dieser Persönlichkeiten in den 1938 ausgefüllten Personalfragebogen; Auszüge im D Ö W . R o s s , 2 3 5 ; G . Jagschitz, Der Putsch. D i e Nationalsozialisten 1934 in Österreich, G r a z et al. 70 ff.

) Jedlicka, Heer im Schatten der Parteien, 1 1 4 f . ; N A W , T - 7 7 / R - 9 0 0 , Bericht Muffs N r . G e h . / 2 6 9 17.7.1934. 5 6 ) D a z u Jagschitz, Putsch, passim. 55

v.

57

) Vgl. die neuen Quellen bei D . Irving, Hitlers Weg zum Krieg, München 1979, 102, 489.

Einleitung

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durch den Aufmarsch italienischer schneller Divisionen an der Brennergrenze, den Mussolini vornehmen ließ. Hitler zog sehr rasch die Konsequenzen aus dieser seine Methoden entlarvenden und seine Aufrüstungspläne bedrohenden Situation. Er ließ seine Anhänger in Österreich nach außen hin gänzlich fallen und gab sie der Verhaftungswelle, die die Regierung Schuschnigg auslöste, preis. Der neue österreichische Bundeskanzler und Landesverteidigungsminister teilte seine Macht mit dem Heimwehrführer Starhemberg als Sicherheitsminister und Oberhaupt der Wehrfront, in der alle Wehrverbände im Rahmen der Vaterländischen Front zusammengefaßt waren. Nach einem Dank an Mussolini anläßlich der ersten Zusammenkunft im August in Florenz, der ihm neuerlich die italienische Unterstützung, aber auch die Gefahr einer Konfrontation dieser Macht mit Jugoslawien im Klagenfurter Becken vor Augen führte, konnte sich Schuschnigg auch eine Geste erster versöhnlicher Haltung leisten wenn auch nicht gegenüber den Nationalsozialisten, so doch den konzilianteren Nationalen gegenüber. Er ließ eine Vorsprache einer Gruppe von 30 Persönlichkeiten zu, vornehmlich ehemaliger „Nationaler", die im Rahmen eines loseren Zusammenschlusses nationaler und nationalsozialistischer Elemente, der Aktion Reinthaller, mit der Regierung in Verbindung treten wollten. Sie beabsichtigten, die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit der Regierung im Rahmen der Vaterländischen Front zu erkunden. Auf Seite der Regierung nahm an dieser Unterredung unter anderen neben Schuschnigg sowie den Vertretern der Vaterländischen Front, Oberst a. D . Adam, ein Bekannter Glaise-Horstenaus seit der Leutnantszeit, und auch dieser selbst teil. Glaise-Horstenau erinnerte sich später, er hätte einen Auftrag zu einer Befriedungsmission übernommen 5 8 ). Wohl genauso richtig wurde von einem Historiker geurteilt, er sei von den ihm bekannten Kanzler und seinen Anhängern als „kooperationswilliger Nationaler" gleichsam vorgeführt worden 5 9 ). Dem deutschen Gesandten in besonderer Mission Franz v. Papen, dem Schuschnigg einen eisigen Empfang bereitet hatte, wurde ebenfalls eine Ansicht über den ehemaligen Generalstäbler zugespielt: Glaise-Horstenau sei „leider ebenso gescheit wie furchtsam. Wir waren als Offiziere zusammen beim Armeeoberkommando und er hat schon damals mit allen Seiten das beste Einvernehmen gehalten" 6 0 ). Starhemberg sprengte dann jene Zusammenkunft, indem er sich ebenfalls gegen diejenigen aussprach, die nicht bedingungslos auf Seite der Regierung standen und entlud seinen Groll - zumindest später in seinen Memoiren - in erster Linie gegen Glaise-Horstenau 6 1 ). Doch auch Schuschnigg hatte gegen jede Organisationsform etwas 58

) E . G . H . , Ein A b k o m m e n , das Schuschnigg nicht einhielt, in: N W T v. 1 1 . 7 . 1 9 3 9 , 5.

) W . Rosar, Deutsche Gemeinschaft. Seyß-Inquart und der Anschluß, Wien et al. 1971, 7 9 f . ) D Z A . , sign. 0 9 . 0 2 , Berichte Papens, Bd. 1, Heinrich L u s t i g - P r e a n an Tschirschky, s . l . , 13.12.1934, Or. 6 1 ) E . R . Starhemberg, Memoiren, Wien et al. 1971, 2 1 1 : , , . . . U n d auch der Bursche neben ihm war mir bekannt, der etwas blöd-harmlos aussehende gut genährte Glaise-Horstenau, der das ordinärste Deutsch sprach, das ich jemals gehört hatte. Eine ganz besonders häßliche Aussprache des an und für sich so sympathisch klingenden Wienerischen. . . . Eigentlich nahm ich ihn - und das war gewiß eine Unterschätzung seiner Person - für eine Art lächerlichen Gschaftelhuber . . . " S. 2 1 3 : „ D o c h Glaise59 60

Erste Fühlungnahmen mit „Nationalen"

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einzuwenden, die sich diese Nationalen samt ihren Anhängern geben wollten, um mit dieser geschlossen im Rahmen der V F zu agieren. Der Kanzler war in Sorge um ein Eindringen des Nationalsozialismus hinter jenen Leuten in die V F und wollte nur Einzelbeitritt zur V F gelten lassen. An diesen gegensätzlichen Standpunkten zerschlugen sich für lange Zeit, fast eineinhalb Jahre, die letzten ernsthaften Fühlungnahmen der Regierung zur deutschnationalen Rechten. Was aber die Beurteilung Glaise-Horstenaus durch seine Bekannten betrifft, so sollten jene einmal Unrecht behalten. Der seit November 1934 zum Mitglied des Staatsrates und zum Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses avanzierte Heereshistoriker hielt im Februar 1935 im Festsaal der Konsularakademie vor der Akademischen Vereinigung für Völkerbundarbeit und Außenpolitik in Österreich eine Rede über „ D i e historische Bedingtheit der österreichischen Außenpolitik" 6 2 ). Und bemerkenswerter Weise wich Glaise-Horstenau kaum von seinen Formulierungen von 1932 ab, wenn er auch auf die unmittelbare Vergangenheit etwas mehr einging. Wieder brachte er „Österreich" nur mit einem „Hausmachtbegriff" in Verbindung, nur die Siegermächte hätten die „ H e i m k e h r " des „ W r a c k s " verhindert und neuerlich berief sich Glaise-Horstenau auf das Sanierungswerk Seipels. Seipel selbst hätte zwar laut seinem Brief an den Prager Weihbischof Frind offengelassen, , , o b das deutsche Volk in Österreich noch eine selbständige Aufgabe habe" und bete darum, daß diese „noch nicht beendet s e i " 6 3 ) . Glaise-Horstenau zitiert aber einmal mehr die außenpolitische Maxime Seipels, daß keine Lösung ohne oder gegen Deutschland möglich wäre. Im Anschluß daran bezeichnete Glaise-Horstenau Schuschnigg als den Mann, den Seipel als seinen geistigen Erben betrachtet habe. Er stellte die Ära Dollfuß, so der Eindruck eines Berichterstatters an den Außenminister, „als mehr oder weniger vermeidliche Unterbrechung des richtigen österreichischen Kurses" hin und meinte auf eine Anfrage in der Diskussion, diese Zeit werde auch noch geprüft werden müssen. Dollfuß sei „ein Opfer dieser Dinge" - also der Abweichung vom Seipel-Kurs - gewesen, wobei er vorher bereits gemeint hatte - „nicht ohne Fehler österreichischerseits". Und weiter: Es bleibe dahingestellt, „ o b die Unabhängigkeit Österreichs etwas Positives oder nur Zweckbedingtes sei . . . " . Der Vortrag, immerhin eine Woche vor der Reise Schuschniggs nach Paris und London gehalten, wurde von zwei Berichterstattern an den Außenminister im Anschluß an seine Wiedergabe von dem einen weniger, von dem anderen heftiger ablehnend kommentiert. Die Reaktion Außenminister Berger-Waldeneggs war seine Bemerkung, er rechne „mit heftige(n) Angriffe(n) . . . " , andererseits „Auswertung in der deutschen Presse . . . Ich kann Glaise absolut nicht decken". Daraufhin wurde Glaise-Horstenau genötigt, den Vorsitz des außenpolitischen Ausschusses Horstenau hängte sich im Warteraum in meinen Arm ein und meinte weinerlich: , N a , so scharf solltest D u nicht immer sein. D i e Leutln meinens ja recht gut. Man sollt' sie nicht vor den K o p f s t o ß e n ' . " 62) H H S T A - N P A , Kart. 4 9 1 , Liasse Glaise-Horstenau, Zwei auszugartige Mitschriften mit zusammenfassenden Urteilen von Glaises Vortrag, Wien, 13. bzw. 1 4 . 2 . 1 9 3 5 . 6 3 ) Z u m authentischen Text vgl. F . Rennhofer, Ignaz Seipel. Mensch und Staatsmann, Wien et al. 1978, 573.

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Einleitung

des Staatsrates, den er seit November 1934 innehatte, auf Betreiben des politischen Direktors des Bundeskanzleramtes - Auswärtige Angelegenheiten, Gesandten Hornbostel, abzugeben 64 ). Abgesehen davon, daß Glaise-Horstenau in beiden Referaten Seipels unbezweifelbare Absichten mißverstand oder fehlinterpretierte, auf dem Boden der österreichischen Eigenstaatlichkeit, dem der Legalität der Staatsform von 1919 zu verharren und auch eine Restauration ebenso wie einen Anschluß nicht zuzulassen: Seipel hatte in erster Linie gewünscht, die Mitarbeit möglichst vieler nichtsozialistischer Kräfte am Aufbau und an der Kräftigung des neuen Staates zu erlangen. Er hatte zuletzt und spät auch das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie versucht und auch das Amt des Bundespräsidenten nach der Verfassung von 1929 angestrebt 65 ). Dadurch jedoch, daß Glaise-Horstenau auf Seipels Donauföderationswünsche indirekt und bei Betonung der unbedingten Einbeziehung Deutschlands einging, sich aber auf die Form der Anlehnung Österreichs an Deutschland nicht festlegte, sich auch auf rein außenpolitische und militärpolitische Fragen beschränkte, blieb er ein Gesprächspartner für die Regierung. Er wurde zwar abgehalftert, als die Unterstützung Österreichs durch die Staaten der Stresa-Front und insbesondere Italiens in hohem Maße gesichert war, konnte aber wieder herangezogen werden, als sich die „Beschützer" Österreichs nach und nach zurückzogen - wie man hoffte nur zeitweilig. So wurde die Formel von einer Angleichung der österreichischen Außenpolitik an die friedlichen Ziele der deutschen, die für Glaise-Horstenau vielleicht tatsächlich den absoluten Kern des späteren Abkommens von 1936 darstellte, als Seipel-Kurs interpretiert 66 ). Ebenso wurde von Glaise-Horstenau die anscheinend gemeinsam mit Funder 1935/36 erstmals entwickelte 67 ) Formel des „Stillhalteabkommens" in erster Linie im Lichte des von ihm zitierten Seipel-Ausspruches von 1922 gesehen: daß sich die „Landkarte Europas alle fünfzig Jahre in grundlegender Weise ändere" - und sie wurde ebenfalls von der Regierung in ihrer Suche nach Zeitgewinn schließlich auch für die Innenpolitik akzeptiert. Bevor es aber soweit war, wußte auch Glaise-Horstenaus Gesprächspartner Muff über die Desorganisation der NS-Wehrformationen und über die Aufrüstung in Österreich Bescheid. Er tat dies nunmehr bereits in der Weise, daß er sich der naM ) Ebenöort, Eigenhändige Notiz Berger-Waldeneggs an Schuschnigg, 14.2.1935; und pro domo Vermerk Hornbostels, 15.2.1935; Die Darstellung bei F. Funder, Als Österreich den Sturm bestand. Aus der Ersten in die Zweite Republik, Wien et al. 1957, 249, wonach Glaises Ausschaltung aus dem Staatsrat aufgrund einer Ausdrucksweise über die Italiener in einer öffentlichen Rede in Linz erfolgt sei, dürfte wahrscheinlich eine Verquickung mit den Vorgängen vom Oktober 1933 sein (Memoiren, 1. Bd., 50). 6S ) St. Verosta, Ignaz Seipels Weg von der Monarchie zur Republik (1917-1919), in: Die österreichische Verfassung von 1918-1938 (Veröffentlichungen der wissenschaftlichen Kommission . . . zur Erforschung der öst. Geschichte der Jahre 1918-1938, Bd. 6), Wien 1980, 13-53 u. 227-234. " ) H H S T A - N P A , Kart. 161: Undatierte Amtserinnerung zu Glaise-Horstenaus Leitartikel „ D i e Friedenspolitik des neuen Mitteleuropa", in: W N N . , 3.9.1936, 1 f. 67 ) Funder, 247 f.

Aufrüstung des Bundesheeres

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tionalsozialistischen „Kämpfer" warm annahm, deren Zersplitterung beklagte und Geldmittel für ihre Unterstützung verlangte 68 ). Andererseits weigerte er sich, über seine Kontakte zu dem Offizier und überführten Putschisten Oberstleutnant Seiinger vor Gericht auszusagen 69 ). Was seine weitere Berichterstattung betraf, bestand, wie er erfuhr, zeitweise die Gefahr, daß Österreich seine Abberufung fordern würde - und er suchte dieser Absicht zuvorzukommen, indem er Glaise-Horstenau um Intervention bat 70 ). Es blieb nur bei dieser Absicht, es erfolgte aber auch der Abbruch der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit Stellen des Bundesheeres gegen die Tschechoslowakei 71 ), und nunmehr die erstmalige und vordringliche Bearbeitung des Aufmarsches ,,DR", dessen vorläufige Fertigstellung Muff im Oktober 1935 in Erfahrung bringen konnte 72 ). Denn mittlerweile hatte die Wiederaufrüstung Österreichs eingesetzt, von der Italien insgesamt etwa drei Fünftel der materiellen Last in Form von Sachlieferungen und finanziellen Zuschüssen, wahrscheinlich unterstützt durch Frankreich, übernahm 73 ). Zwar war es im Herbst 1934 zu einer weiteren schweren Krise und Kriegsgefahr im Gefolge des Marseiller Königsmordes gekommen, die zunächst zu einem militärischen Geheimabkommen zwischen Italien, Österreich und Ungarn gegen einen jugoslawischen Angriff geführt hatte. Doch dann hatten sich die Mächte - auch schon angesichts der erkennbaren deutschen Aufrüstung zum Mussolini-Laval-Abkommen vom 7. Jänner 1935 - über eine allgemeine Nicht-Intervention in Österreich bereitgefunden und in ihrem Gefolge nochmals zu einer Erklärung vom 14. April 1935, die die Aufrechterhaltung der österreichischen Unabhängigkeit und Souveränität unterstützte. Es folgten französisch-italienische Generalstabsbesprechungen über eine Kooperation am Rhein und in den Alpen sowie in der Luft für den Fall eines Vorgehens Deutschlands gegen Österreich, in die man auch Jugoslawien einzubeziehen versuchte. In Österreich wurde ab 1. Juni 1935 der entsprechende Mobilmachungsrahmen für die Aufstellung von acht Divisionen, darunter eine schnelle Division, und eine Brigade geschaffen. Der unter Generalmajor Jansa als späterem Chef neu aufgestellte österreichische Generalstab arbeitete zunächst noch mit Notmobilisierungsmaßnahmen bei vorgesehener Heranziehung der Heimwehren im Ernstfall. Dann erfolgte schon im „Windschatten" der Rheinlandbesetzung die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ab 1. April 1936. Im Zuge des Ausbaues erreichte das Bundesheer bis Ende März 1938 einen Ist-Stand von 61000 Mann mit sehr hohem Ausbildungsniveau. Zu diesem Zeitpunkt war eine Mobilmachungsstärke des Heeres 68 ) N A W , T-77/R-900, Bericht Muffs N r . 25/34 v. 10.9.1934. «») N A W , T - 7 7 / R - 9 0 0 , Bericht Muffs N r . G e h . / 3 6 4 v. 8 . 1 1 . 1 9 3 4 ; Vortragsnotiz des W e h r m a c h t s amtes an den Reichswehrminister, 2 0 . 1 1 . 1 9 3 4 . 70 ) Klaus, 44 f. 71 ) Klaus, 66 f. " ) H ü g l e , 30 ff.; P. Broucek, Die militärische Situation Österreichs u n d die Entstehung der Pläne zur Landesverteidigung, in: Anschluß 1938 (Wissenschaftliche Kommission . . . zur E r f o r s c h u n g der österreichischen Geschichte der Jahre 1918-1938, Veröffentlichungen, Bd. 7), Wien 1981, 135-163. 73 ) E. Steinbock, Die bewaffnete Macht Österreichs 1938, ebdt., 109-134.

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Einleitung

von fast 127000 Mann vorbereitet. Als dann die Heimwehren bis zum Frühjahr 1936 in der Innenpolitik zurückgedrängt werden konnten 7 4 ), war es möglich, die noch bestehenden Wehrverbände zur „Freiwilligen Miliz - österreichischer Heimatschutz" zusammenzuschließen. Sie gewährleisteten gewisse Möglichkeiten für Notmobilisierungsmaßnahmen, bis sie als „Frontmiliz" einheitlich organisiert und als Formation und Rahmen zum Ausbau eines Grenz- und Raumschutzes im Juli 1937 in die Bewaffnete Macht eingegliedert werden konnten. So sollte 1938 durch Heer, Frontmiliz und Exekutive; mit Heeresarbeitern und Rekruten, eine Mobilmachungsstärke von 310000 Mann erreicht werden. Zwar bestanden erhebliche Schwächen bei der Panzer- und Luftabwehr sowie bei der Frontmiliz. Wesentlich war aber wohl, daß es sehr rasch gelang, irgend eine „Politik der vollzogenen Tatsachen", einen raschen Zugriff nach Zentren des österreichischen politischen Lebens, durch Gegenmaßnahmen zu verhindern. Voraussetzung waren in der Zentrale und in militärischen Schlüsselstellungen die Kaltstellung und Zwangpensionierung fast aller nationalsozialistisch eingestellter, der illegalen Parteizugehörigkeit oder der Zusammenarbeit mit dem deutschen Militärattache überführten Offiziere, was 1934 bis 1936 weitgehend gelang. Es begann der Aufbau eines jungen neuen österreichischen Offizierskorps, das im Hinblick auf eine Landesverteidigung gegen jeden Staat und im Geiste österreichischer Eigenständigkeit und Selbständigkeit an der Theresianischen Militärakademie erzogen wurde. Die Errichtung eines Grenzschutzes sowie von Straßen- und Eisenbahnsperren im Grenzbereich ließen, da rasch alarmierbar und aktivierbar, noch vor dem Aufbau von Befestigungsanlagen einen Vorstoß „schneller Kräfte" nach Österreich, wie ihn die neuesten militärtheoretischen Überlegungen vorsahen, als risikoreich erscheinen 75 ). Eine solche Möglichkeit wäre etwa die Durchführung der bei der 7. Division der Reichswehr im Sommer 1935 angestellten „Überlegungen zu dem Uberfall auf X " ( = Salzburg) gewesen, die anscheinend als Beihilfe für die Ausrufung einer nationalsozialistischen Gegenregierung dienen sollten 7 6 ). Es erwies sich auch bereits im April 1936, daß es möglich war, gegen angebliche Bedrohung durch die „österreichische Legion" die im Ausbau befindlichen Kraftfahrjägerkompanien heranzuführen 7 7 ). Und auch die operativen Vorbereitungen zu einem Aufmarsch der Masse des Bundesheeres an der Traun und des Ausweichens auf die Linie Enns-Aist in der Absicht, nachhaltigen Widerstand zu leisten, zeigte das Heer im steigenden Maße als politisches Mittel der Staatsführung. Das Heer sollte kämp-

7 4 ) L. Jedlicka, Die Auflösung der Wehrverbände und Italien im Jahre 1936, in: Das Juliabkommen von 1936, Vorgeschichte, Hintergründe und Folgen, in: Wissenschaftliche Kommission . . ., Veröffentlichungen, Bd. 4, Wien 1977, 104-118. 7 5 ) E. Steinbock, Die österreichische Landesbefestigung von 1918-1938, in: Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich. Festschrift für Rudolf Neck zum 60. Geburtstag, Band II, Wien 1981, 227-251. 7 6 ) Militärarchiv der Nationalen Volksarmee, Potsdam, sign. H 15.07.01/43, Akten der 7. Division, Gutachten an den Artillerieführer VII G M . Halder, s . d . (bei Akten vom Juli/August 1935). 7 7 ) BA - MA, sign. R H 2 v. 1733, Vortragsnotiz der 3. Abt. des Generalstab des Heeres, Az. 3a/n 45 Gr. I X , über: Verstärkte Grenzsicherung Österreich, Berlin, 6.5.1936, Or.

Annäherung Hitler - Mussolini

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fend die Hilfe der italienischen Divisionen über Kärnten und Tirol erwarten, falls der Fall „D(eutsches) R(eich)" eintrat. Vorbereitet wurde von Jansa aber ebenfalls ab 1936 der Einsatz des Heeres für den Fall eines Angriffs von den Anrainerstaaten der Kleinen Entente (Fall T 4- J ) , wobei auf die Hilfe durch Ungarn und Italien zu zählen war. Ziel war die Zurschaustellung der ernsthaften Absicht zur Verteidigung der österreichischen Souveränität und Integrität. Gewiß hatte Österreich gegen einen massiven deutschen Angriff keine Chance. Aber gemäß den Plänen Adolf Hitlers zur Schaffung eines Kontinentalimperiums, bei Herstellung eines „Ausgleiches" mit Großbritannien, die er seinen Generälen bereits 1933 dargelegt hatte 7 8 ), mußte der Serie der kalkulierten Landbesetzungen oder Blitzkriege eine Zeit der Konsolidierung im Heer und der möglichst ungestörten Wiederaufrüstung vorangehen. Es empfahl sich also zunächst auch gegenüber dem zweitrangigen Angriffsobjekt Österreich angesichts seiner wehrwirtschaftlich hochinteressanten Resourcen und eben auch seiner als minderer Gegner und italienischer Verbündeter unangenehmen Heeresmacht ein zunächst vorsichtiges Vorgehen indirekter Aggression. Zwar hatte Schuschnigg seine Politik von vornherein von den ihm allzu engen wirtschaftlichen und militärischen Bindungen an Italien zu lösen gesucht. Er hatte Reisen nach Paris und London unternommen, um Unterstützung für seine Unabhängigkeitspolitik zu erlangen und eine vorsichtige Annäherung an die Tschechoslowakei versucht 7 9 ). Gegenüber Mussolini hatte er noch in der forcierten österreichischen Aufrüstungsphase erklärt: Er begrüße ein Einvernehmen Italien-Jugoslawien, strebe ein Abkommen über gegenseitige militärische Hilfeleistung mit U n garn an und hoffe, daß auch andere europäische Mächte für die Aufrechterhaltung des status quo eintreten würden 8 0 ). Diese Hoffnung trog, wie zunächst die laue Haltung der Westmächte bei Schuschniggs Besuchen, der Abschluß des deutschbritischen Flottenabkommens (18. Juni 1935), vor allem aber die durch die deutsche (Nicht-)Sanktions-Politik im Abessinien-Krieg ausgelöste Annäherung Italiens an Deutschland zeigten. Die Hinnahme der Rheinlandbesetzung durch Frankreich (7. März 1936) kam aus österreichischer Sicht einem gänzlichen Verzicht dieser noch immer stärksten europäischen Militärmacht auf eine direkte Intervention in einem zukünftigen mitteleuropäischen Konflikt gleich. Schon im Jänner 1936 hatte Mussolini erklärt: „ W e n n Österreich . . . als formell unbedingt selbständiger Staat praktisch ein Satellit Deutschlands würde, so hätte er dagegen nichts einzuwenden." Er ließ den energischesten Vertreter eines faschistisch-italienischen Kurses in der österreichischen Regierung, Heimwehrführer Starhemberg - zugunsten einer österreichischen Annäherung an Deutschland

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) Andreas Hillgruber, Deutschlands Rolle in der Vorgeschichte der beiden Weltkriege, 2. Aufl.

Göttingen 1979, 67 ff. " ) K . G o r o n z y , Vorgeschichte und Durchführung der Vereinigung Österreichs mit Deutschland 1 9 3 3 - 1 9 3 8 , B o n n e r ungedr. Diss. 1958, 2 4 9 f f . 80

) N A W , T - 1 2 0 / R - 1 4 4 8 / 5 6 8 0 7 6 ff. Aufzeichnung über die Unterredung Schuschniggs mit Mussoli-

ni, R o m ,

11.5.1935.

Einleitung

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ebenso wie der von Starhemberg bekämpften allgemeinen Wehrpflicht - fallen. Bei sich nahm er einen Wechsel im Außenministerium zugunsten seines Schwiegersohnes Ciano, dem Vertreter einer Annäherung an Deutschland, vor. Schließlich riet er beim Treffen vom Juni 1936 mit Schuschnigg zu einem Verständigungsabkommen, da er, Mussolini, Österreich als einem der Römer-Pakt-Staaten dann auch ganz offen helfen könne 81 ). Seit August 1934 wollte der Gesandte in besonderer Mission Franz v. Papen den Weg einer vorläufigen Verständigung mit Österreich gehen und er hatte dafür auch von Hitler freie Hand erhalten. Papen wollte ein günstiges Signal für friedliche Absichten der deutschen Außenpolitik setzen, gleichzeitig eine Angleichung oder Angliederung Österreichs auf friedlichem Weg herbeiführen. Er wollte eine „Entfernung" der österreichischen Frage aus der internationalen Diskussion und ein Abkommen, um . . . „der geistigen Beeinflussung Österreichs durch das Reich die Wege zu öffnen, und um die Schaffung eines . . . österreichischen Eigengewächses zu verhindern". Zu diesem Zwecke wollte er „eine Zusammenarbeit mit dem Teil christlicher Elemente, die die großdeutsche Idee und die NSDAP begünstigten", anstreben 82 ). Schuschnigg suchte den Endpunkt zu erreichen, die Anerkennung der Unabhängigkeit und des Prinzips der Nichteinmischung. Beide hatten schließlich ihre Gründe, die in der Außenpolitik - bei Schuschnigg auch in der Innenpolitik lagen, um zu einem Kompromiß zu gelangen. Nach geringfügigen ersten Versuchen, Gespräche 1934/35 in Gang zu bringen, legte Papen am 11. Juli 1935 eine erste von Hitler nicht autorisierte persönliche Studie über eine Verständigung vor. Sie enthielt keine ausdrückliche Anerkennung der Unabhängigkeit Österreichs und wurde erst nach längerer Zeit mit Gegenvorschlägen beantwortet. Grundsätzliche Fragen wurden erst ab 18. Mai in Erörterung gezogen, als Schuschnigg selbst in Verhandlungen mit Papen eintrat. Erst zur Vorbereitung dieser Verhandlungsphase trug Papen nochmals seine Gedanken bei Hitler vor 83 ). Er wolle als erste Etappe die „Herstellung einer breiten Front", die wohl die Unabhängigkeit Österreichs als derzeit notwendig ansah, aber „im Denken und Wollen der gesamtdeutschen Geschichte verhaftet" sei. In dieser Gruppe sollten die Nationalsozialisten nur „ G e rippe und Kern" sein und von der Zustimmung Hitlers zu dieser Politik unterrichtet werden. Diese „nationale Opposition" sollte sodann Bestandteil der VF werden. Weiters in der dritten Phase sollten maßgebliche Personen in die Regierung gelangen, um Probleme der Wiedergutmachung, Amnestie, Emigranten- und Pressefragen zu lösen. Abgesehen davon, daß Hitler mehrmals auf die Frage zurückkam, ob diesbezüglich mit Starhemberg nicht besser zusammengearbeitet werden könne, meinte er in erster Linie, daß es zunächst von der Persönlichkeit abhänge, die man in die Regierung nähme. Sodann stellte er fest: „Die Heranbildung und Verstärkung der österreichischen Armee müsse man als einen Gefahrenpunkt" betrachten, 81

) Goronzy, 338. ) Jedlicka, Österreich und Italien, 332; Goronzy, 332. 83 ) DZA, sign. 09.02, Berichte Papens, Bd. 2. Aktennotiz über Besprechung mit dem Führer am 9.5.1936, 13.3.1936, O r . 8J

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Vorbereitung des Juliabkommens 1936

weil diese Armee nach alter Tradition österreichisch erzogen werde und daher ein Stützpunkt kommender Verschweizerung werden könne. In dieser Hinsicht sei die Unterhaltung bewaffneter Milizen wie zum Beispiel der Heimwehr weit weniger gefährlich." Eine Aussöhnung mit Österreich sei „erstrebenswert und vorteilhaft". Im Zuge weiterer Aussprachen Papens mit Schuschnigg, der seinerseits über seine Verhandlungen mit Mannlicher berichtete, referiert Papen auch eine Äußerung Glaise-Horstenaus ihm gegenüber: Schuschnigg sei vielleicht wegen eines Hirtenbriefes der deutschen Bischöfe über die Jugenderziehung in Deutschland so zurückhaltend und er, Glaise-Horstenau, werde Schuschnigg zu verstehen geben, Österreich und sein politischer Katholizismus müssen aufhören, Plattform des Kampfes gegen das Dritte Reich zu sein 8 4 ). Es folgten in Muffs Wohnung weitere Zusammenkünfte mit Mannlicher und Bardolff 8 5 ). Dann, nach der Rückkehr Schuschniggs von Mussolini und nach Schuschniggs Studium der Forderungsliste Mannlichers, äußerte sich der Bundeskanzler anders zur Personalfrage: Er würde Glaise-Horstenau vorziehen, „mit dem ihn eine lange Bekanntschaft verbinde und der außerdem für die deutsche Reichsregierung kein unbeschriebenes Blatt" sei 8 6 ). Nun folgten die letzten Verhandlungen. Sieben Tage nach der Bekanntgabe des Abkommens dürfte der deutsche Militärattache seine Meinung zu jener Bemerkung weitergegeben haben. Glaise-Horstenau, so meldete er, sei seit Jahren sein Freund und stehe mit ihm „in ständigem Gedankenaustausch" 8 7 ). Er lege Wert auf das Vertrauen des Reiches und der nationalen Bevölkerung Österreichs. Und daß er dieses Vertrauens wert sei, habe er Ende des letzten Krieges gezeigt. Damals, so zitierte Muff ausdrücklich die Erinnerungen Cramons, hätte Glaise-Horstenau den deutschen Militärbevollmächtigten vorzeitig von der Absicht des Abschlusses eines Waffenstillstandes informiert und eine bündnistreue Haltung gezeigt. Das Reichswehrministerium entsprach durch eine Presseaussendung im vollen Umfang dem Hinweis Muffs und dem Wunsche Glaise-Horstenaus 8 8 ). Der ehemalige Generalstäbler muß wohl das Gefühl gehabt haben, nunmehr an seine Tätigkeit von 1918 anknüpfen zu können 8 9 ). III. Z U G L A I S E - H O R S T E N A U S M E M O I R E N

1936-1941

Die Quellen, die Glaise-Horstenaus Erinnerungen in ihren Aussagen bestätigen oder ihnen widersprechen, wurden soweit möglich im Anmerkungsapparat angeführt oder es wurde auf sie hingewiesen.

84

) E b d t . , Bericht Papens über eine Unterredung mit Schuschnigg, 2 0 . 5 . 1 9 3 6 ,

) Ebdt., 86) Ebdt., Durchschlag, 87) B A 85

Durchschlag.

Bericht Papens, 2 7 . 5 . 1 9 3 6 , Durchschlag. Bericht Papens über eine „erneute Besprechung mit dem Bundeskanzler", Fragment. M A , sign. R W 6 v. 94, Bericht Muffs N r . G e h . / 1 3 7 8 v. 1 8 . 7 . 1 9 3 6 , O r .

11.6.1936,

8 8 ) E b d t . , Reichswehrministerium an die Hauptschriftleiter der Berliner Börsenzeitung, der Deutschen Allgemeinen Zeitung und der Essener National-Zeitung, 1 3 . 8 . 1 9 3 6 , K o n z . 8 9 ) Dazu nun auch: P. B r o u c e k , Die deutschen Bemühungen um eine Militärkonvention mit ö s t e r reich-Ungarn ( 1 9 1 5 - 1 9 1 8 ) , in: M I Ö G . , 87. B d . , 1979, 4 4 0 - 4 7 0 .

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Vorbereitung des Juliabkommens 1936

weil diese Armee nach alter Tradition österreichisch erzogen werde und daher ein Stützpunkt kommender Verschweizerung werden könne. In dieser Hinsicht sei die Unterhaltung bewaffneter Milizen wie zum Beispiel der Heimwehr weit weniger gefährlich." Eine Aussöhnung mit Österreich sei „erstrebenswert und vorteilhaft". Im Zuge weiterer Aussprachen Papens mit Schuschnigg, der seinerseits über seine Verhandlungen mit Mannlicher berichtete, referiert Papen auch eine Äußerung Glaise-Horstenaus ihm gegenüber: Schuschnigg sei vielleicht wegen eines Hirtenbriefes der deutschen Bischöfe über die Jugenderziehung in Deutschland so zurückhaltend und er, Glaise-Horstenau, werde Schuschnigg zu verstehen geben, Österreich und sein politischer Katholizismus müssen aufhören, Plattform des Kampfes gegen das Dritte Reich zu sein 8 4 ). Es folgten in Muffs Wohnung weitere Zusammenkünfte mit Mannlicher und Bardolff 8 5 ). Dann, nach der Rückkehr Schuschniggs von Mussolini und nach Schuschniggs Studium der Forderungsliste Mannlichers, äußerte sich der Bundeskanzler anders zur Personalfrage: Er würde Glaise-Horstenau vorziehen, „mit dem ihn eine lange Bekanntschaft verbinde und der außerdem für die deutsche Reichsregierung kein unbeschriebenes Blatt" sei 8 6 ). Nun folgten die letzten Verhandlungen. Sieben Tage nach der Bekanntgabe des Abkommens dürfte der deutsche Militärattache seine Meinung zu jener Bemerkung weitergegeben haben. Glaise-Horstenau, so meldete er, sei seit Jahren sein Freund und stehe mit ihm „in ständigem Gedankenaustausch" 8 7 ). Er lege Wert auf das Vertrauen des Reiches und der nationalen Bevölkerung Österreichs. Und daß er dieses Vertrauens wert sei, habe er Ende des letzten Krieges gezeigt. Damals, so zitierte Muff ausdrücklich die Erinnerungen Cramons, hätte Glaise-Horstenau den deutschen Militärbevollmächtigten vorzeitig von der Absicht des Abschlusses eines Waffenstillstandes informiert und eine bündnistreue Haltung gezeigt. Das Reichswehrministerium entsprach durch eine Presseaussendung im vollen Umfang dem Hinweis Muffs und dem Wunsche Glaise-Horstenaus 8 8 ). Der ehemalige Generalstäbler muß wohl das Gefühl gehabt haben, nunmehr an seine Tätigkeit von 1918 anknüpfen zu können 8 9 ). III. Z U G L A I S E - H O R S T E N A U S M E M O I R E N

1936-1941

Die Quellen, die Glaise-Horstenaus Erinnerungen in ihren Aussagen bestätigen oder ihnen widersprechen, wurden soweit möglich im Anmerkungsapparat angeführt oder es wurde auf sie hingewiesen.

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) E b d t . , Bericht Papens über eine Unterredung mit Schuschnigg, 2 0 . 5 . 1 9 3 6 ,

) Ebdt., 86) Ebdt., Durchschlag, 87) B A 85

Durchschlag.

Bericht Papens, 2 7 . 5 . 1 9 3 6 , Durchschlag. Bericht Papens über eine „erneute Besprechung mit dem Bundeskanzler", Fragment. M A , sign. R W 6 v. 94, Bericht Muffs N r . G e h . / 1 3 7 8 v. 1 8 . 7 . 1 9 3 6 , O r .

11.6.1936,

8 8 ) E b d t . , Reichswehrministerium an die Hauptschriftleiter der Berliner Börsenzeitung, der Deutschen Allgemeinen Zeitung und der Essener National-Zeitung, 1 3 . 8 . 1 9 3 6 , K o n z . 8 9 ) Dazu nun auch: P. B r o u c e k , Die deutschen Bemühungen um eine Militärkonvention mit ö s t e r reich-Ungarn ( 1 9 1 5 - 1 9 1 8 ) , in: M I Ö G . , 87. B d . , 1979, 4 4 0 - 4 7 0 .

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Einleitung

Gemäß Schuschniggs Konzeption sollte nach der Unabhängigkeitserklärung Hitlers und den österreichischen friedlichen außenpolitischen Absichten ein wirtschaftlicher Aufschwung und im Innern möglichst eine Klärung des Verhältnisses zur Opposition im autoritären Staat erreicht werden; vielleicht auch deren Spaltung und Kontrolle, wenn die außenpolitische Konstellation sich ändere und Zeit gewonnen werden könne. Bis dahin wären die Positionen, die die Regierung einnahm, zu halten. Glaise-Horstenaus erste Aufgabenstellungen, für die ihm ein Büro zur Verfügung gestellt wurde, waren Anträge auf Enthaftungen und Einstellung von Gerichtsverfahren, Pensionsangelegenheiten, Einbürgerungsangelegenheiten, soziale Maßnahmen zugunsten von Kriegsteilnehmern, sowie Interventionen jeder Art zugunsten von Persönlichkeiten der politischen Rechten, die sich verfolgt glaubten 9 0 ). Später hatte Glaise-Horstenau - unter Beihilfe Mannlichers - mit der Erarbeitung des „Ordnungsschutzgesetzes" einen Erfolg zu verzeichnen, den ihm auch der Bundeskanzler zubilligte. Das war aber auch schon alles. Glaise-Horstenau kam bei der Suche nach Anknüpfungspunkten zur N S D A P lange Zeit, für Schuschnigg und die maßgebenden Männer in Deutschland zu lange Zeit, über Kontakte zu Landesleiter Hauptmann a. D . Leopold nicht hinaus. Dieser wollte nach wie vor als einzige politische Opposition anerkannt werden. Das Projekt des Deutsch-sozialen Volksbundes, das Glaise-Horstenau schließlich in diesem Sinne mit Hilfe von zahlreichen Proponenten aus dem nicht-nationalsozialistischen Lager startete, wurde von Schuschnigg als der mit dem Abkommen vom 11. Juli nicht vereinbare befürchtete massive Einbruch in die VF angesehen. Er lehnte es daher auch ab - unter Preisgabe des zweiten Ministers, der eine solche Vereinsgründung betrieb, des faschistischen Sicherheitsministers O d o Neustädter-Stürmer 9 1 ). Damit war im Grunde Glaise-Horstenaus Mission als „Sprechminister", wie sich zeigen sollte, unwiderruflich gescheitert. Die sogenannte Kärntner Gruppe junger SS-Männer, die sich einen hervorragenden Nachrichtendienst innerhalb und außerhalb der N S D A P aufgebaut hatte, dachte letzten Endes viel radikaler und revolutionärer und hing einer rein machtpolitisch geprägten Reichsvision an. Sie gingen jedoch den Weg einer konsequenten schrittweisen Infiltration, der langsamen Integrierung in die Staatspartei 92 ). Dazu betrieben sie die Gewinnung wichtiger Randgruppen aus den Bereichen der Wirtschaft und des Geisteslebens. Sie erhielten dafür die Unterstützung von Himmler, Heydrich und Göring. In Österreich hatte ein inoffizieller Mitarbeiter und Bekannter Glaise-Horstenaus, der Rechtsanwalt Dr. Arthur Seyß-Inquart, Verständnis und bald auch Geschick für jene Taktik. Er erreichte schließlich die Einrichtung der

, 0 ) Allgemeines Verwaltungsarchiv, Büro Glaise-Horstenau, 28 Kartons Akten. Die Akten sind gegliedert in eine Kurrentzahlen-Reihe für die Jahre 1936-1940, in eine Polit-Zahlen-Reihe für die Jahre 1937-1938, in eine Vor-Index-Zahlen-Reihe für das Jahr 1936, in ein Konvolut Glückwünsche zu den Märzereignissen 1938 und in zwei Kartons Varia. 9 1 ) Rosar, 108 ff. 9 2 ) R. Luza, Österreich und die großdeutsche Idee in der NS-Zeit, Wien et al. 1977, 34ff.

Glaise-Horstenaus Stellung 1936/37

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„volkspolitischen Referate" in der V F als Sprungbretter für die Nationalen und die SS im Hintergrund, ein Vorgang, dem Schuschnigg und seine Anhänger durch die Einrichtung der Traditionsreferate für die Legitimisten die Spitze abbrechen wollten. Glaise-Horstenau konnte offenbar weder auf das Heeresressort noch auf die Außenpolitik, noch auf das Sicherheitsressort, wie er gehofft hatte, Einfluß nehmen. Und andererseits bekannte er gegenüber Göring ganz offen, daß er von wehrwirtschaftlichen Fragen nichts verstehe. Schon im Oktober 1936 äußerte Glaise-Horstenau gegenüber Muff die Frage, ob es sinnvoll sei, noch im Amt zu bleiben, da alle Ministerien außer dem Justizressort seine Arbeit sabotierten. Er meinte, das Reich müßte ihn „durch jeden nur zulässigen Druck, insbesondere auch auf wirtschaftlichem Gebiet bei Durchführung seiner Aufgabe 9 3 ) unterstützen". Als Glaise-Horstenau nach der Regierungsbildung im November das Innenministerium erhielt, erwartete Papen, daß dieser auf dem Vereinswesen für die „nationalen Interessen" eintreten können werde. Vor allem aber glaubte der Botschafter, der „nächste Schritt müßte die Zurückgabe des Polizeiressorts an Glaise-Horstenau sein" 9 4 ). Auch diese Erwartungen erfüllte Schuschnigg nicht. Als Innenminister ohne Sicherheitsressort wurde Glaise-Horstenau belassen, wohl weil sich Schuschnigg keines Bruchs des Juli-Abkommens zuschulden kommen lassen wollte und er die „Interventionen" gut besorgte. Überdies meinte der Generalsekretär der Vaterländischen Front Guido Zernatto, Glaise-Horstenau sei für die Regierung sehr gut zur Hand gewesen als „Briefkasten, in den die Regierung die Briefe steckte, die sie an die Nationalen gelangen lassen wollte" 9 S ). Auch Schuschnigg drückte offenbar ganz gerne in Briefen an Glaise-Horstenau, die allerdings sicher nicht zur Einsichtnahme durch Nationalsozialisten bestimmt waren, seine Gedanken aus. Mitte 1937 war seine Haltung unverändert: „ D u weißt, wie weit ich in meinen Ideen wäre, um österreichisches und Reichsdeutsches in einer Synthese zu vereinigen. Ich weiß heute vollkommen, daß diese Ideen undurchführbar und irreal sind . . ., die Forderung nach Regierungskoalition ist praktisch unvereinbar, und die Auffassung, daß es nur oder fast nur Nationalsozialisten in Österreich gebe, ist wesentlich vergriffen . . . Nicht auf das Wursteln kommt es an, sondern auf den Zeitgewinn. Auch der Dreißigjährige Krieg ging einmal zu Ende. Möchte Österreich aus dem, was unweigerlich kommen muß, möglichst heil heraussteigen . . , " 9 6 ) . Franz v. Papen wieder bezeichnete Glaise-Horstenau zumindest noch im September 1936, als noch alles so zu laufen schien, wie es sich der deutsche Botschafter vorstellte und für Glaise-Horstenau das Innenministerium in Aussicht schien, als

9 3 ) A D A P , Ser. D / 1 , N r . 166, 249. Aufzeichnung des Gesandtschaftsrates Altenburg über eine U n terredung Muffs mit Glaise-Horstenau, Berlin, 1 . 1 0 . 1 9 3 6 . 94 95

) E b d t . , N r . 171, 261. Bericht Papens v. 4 . 1 1 . 1 9 3 6 . ) Zitiert nach G o r o n z y , 345.

9 6 ) K. Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler. Die Uberwindung der Anschlußidee, Wien et al. 1969, 202-207.

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Einleitung

„bereitwilligen Mitarbeiter" 97 ). Der deutsche Geschäftsträger Stein meinte rückblickend: „Als einer der besten Informatoren diente mir der Minister Glaise-Horstenau . . . Durch den Minister Glaise war ich stets im Bilde über die Vorgänge im Außenamt, ja sogar über die Absichten Schuschniggs. Glaise, der ein treudeutsch gesinnter Herr war, kam oft zu mir verzweifelt über die Praktiken Schuschniggs und ich mußte ihn oft bitten, doch im Kabinett zu bleiben als getreuer Eckehart Deutschlands . . . Höhepunkt der antideutschen Maßnahmen Schuschniggs waren seine Anbiederungen an Italien, Frankreich, England, ja selbst an Polen und Ungarn" 9 8 ). Der innenpolitisch bereits im Jahre 1937 weit erfolgreichere Seyß-Inquart wieder nahm Glaise-Horstenau, so erinnerte sich Schuschnigg später, „zwar zur Kenntnis, beanstandete aber, daß er ,keine politische Resonanz' habe und - abgesehen von seinem engeren Fachgebiet - nicht sehr ernst genommen werde. Was gestimmt hat" 9 9 ). Immerhin unternahm Glaise-Horstenau in den Jahren 1935 bis 1937 Versuche, mit dem letzten geschäftsführenden Obmann der christlichsozialen Partei vor der Errichtung des Ständestaates, Minister a.D. Emmerich Czermak, in Kontakt zu bleiben. Dieser war allerdings 1936/37 nur in kulturellen Institutionen der Vaterländischen Front aktiv tätig 100 ). Bedeutsamer aber ebenso ergebnislos scheint ein Versuch Glaise-Horstenaus im Jänner 1938 gewesen zu sein, mit Hilfe des ehemaligen Außenministers und damaligen Gesandten in Rom Egon Berger-Waldenegg einen Kurswechsel in Richtung Faschismus - also nicht Nationalsozialismus - herbeizuführen. Es waren Gespräche geplant, die offenbar einer Aktion zur Erhaltung einer gewissen Selbständigkeit eines österreichischen Staatswesens dienen hätten sollen 101 ). Blieb also für ihn sein Fachgebiet, die Militärgeschichte und die Militärpolitik, die für Hitler, entsprechend seiner Konzeption, mit Außenpolitik fast identisch 97

) Schausberger, 361. *8) IfZG., sign. Do-41/Mm-31, Stein-Memoiren, 2. Bd., fol. 29, fol. 33, JCopie. " ) IfZG., Personalmappe Schuschnigg, Anfragebeantwortung Schuschniggs an Wolfgang Rosar v. 8.10.1966, 4, Kopie. 10 °) Uber Czermak vgl.: L. Jedlicka, Aus dem politischen Tagebuch des Unterrichtsministers a. D. Dr. Emmerich Czermak 1937-1938, in: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 8, 1964, 268-273, 323-335, 358-370. Dort Bemerkungen über Glaise-Horstenau S. 332 u. S. 359. Aus den unpublizierten maschinschriftlichen Abschriften von Tagebuchaufzeichnungen Czermaks im IfZG. sei auf Aufzeichnungen zum 11.3.1935 (2. Teil, S. 14) und 28.9.1936 (2. Teil, S. 75) verwiesen. In diesen gibt Czermak Äußerungen Glaise-Horstenaus über Vorgänge wieder, die zum 11.7.1936 führten, und über Eindrükke, die Glaise-Horstenau in Berlin gewann. Sie stimmen mit den Angaben in Glaise-Horstenaus eigenen Aufzeichnungen in bemerkenswerter Weise überein. ,01 ) IfZG., sign. Do-2/Mem-8, Memoiren Berger-Waldenegg, S. 453: „ K u r z darauf erlebte ich die Überraschung, daß mir ein Freund eine Botschaft des Ministers Glaise-Horstenau überbrachte, worin mich dieser und Neustädter-Stürmer dringend aufforderten, zu einer Besprechung mit ihnen nach Wien zu kommen. Wie mir mein Freund mitteilte, handelte es sich um eine Aktion, die diese Beiden, die Lage Schuschniggs als hoffnungslos und den Zugriff Hitlers als nahe bevorstehend ansahen, im Verein mit einigen anderen gemäßigten Nationalen zur Rettung Österreichs zu unternehmen gedachten. Selbstredend fuhr ich nicht nach Wien, weil ich die von dieser Seite unternommenen Versuche nicht nur als völlig aussichtslos, sondern als politisch überaus bedenklich ansah. Ich hatte immer mehr die Überzeugung gewonnen, daß nichts mehr zu machen sei . . . "

Militärpolitik 1937/38

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war. Glaise-Horstenaus Radiovorträge über den Ersten Weltkrieg bis 1936 und aus speziellem aktuellen Anlaß noch im Dezember 1937 über den Frieden von Brest-Litowsk 102 ) sollten gewiß im Sinne des „Bündnisgedanken" wirken und wurden im traditionalistischen oder legitimistischen Lager ebenso wie seine Publikationen mit Mißtrauen registriert 103 ). Im letzten Vortrag vor den Märzereignissen 1938, der unter anderem auch in Schweden im September 1937 in Lund gehalten wurde, äußerte sich Glaise-Horstenau über „Das Jahr 1000 als das Schicksalsjahr Mitteleuropas", in dem er die damalige „volkliche Gestaltung . . . als grundlegend für die weitere Entwicklung im Donau-Raum" geschildert hat 104 ). Man könnte das Referat als Aufforderung an die Westmächte und Italien interpretieren, sich daher nicht einzumischen. Zur eigentlichen Militärpolitik verwehrten freilich Bundeskanzler, Staatssekretär und Generalstabschef für Glaise-Horstenau jeden Zugang. Die außenpolitische Lage hatte sich durch die Zusammenarbeit Mussolinis mit Hitler im spanischen Bürgerkrieg weiter verschlechtert. Das Einverständnis der beiden Diktatoren manifestierte sich im Besuch Mussolinis in Deutschland (25.-28. 9. 1937) und im Beitritt Italiens zum Antikominternpakt (6. 11. 1937). Bei jener Gelegenheit deutete Mussolini erneut an, er wünsche nur eine „formale österreichische Unabhängigkeit, hinter welcher sich das Verhältnis zwischen dem Reich und Österreich sehr eng gestalten könnte" 1 0 5 ). Die Berichte der österreichischen Diplomaten und Militärattaches bestätigten diese italienische Haltung, das britische Desinteresse und die Meinung Frankreichs, mit Österreich zum Unterschied von der Tschechoslowakei kein Militärbündnis zu haben. Dazu kam nun eine offizielle französische Anfrage, was Österreich bei einer Durchmarschforderung Deutschlands und Italiens zu tun gedenke 106 ). Hitler selbst hatte ja im Frühjahr gegenüber Glaise-Horstenau von den Gebirgsdivisionen geschwärmt, die mit österreichischen Wehrpflichtigen aufgestellt werden könnten. Anläßlich der Verhandlungen in Wien hatte Ministerialdirektor v. Weizsäcker, Auswärtiges Amt, gegenüber Staatssekretär Schmidt darauf verwiesen, daß von deutscher Seite kein Vertrauen gegenüber dem Bundesheer gegeben sei, solange Zehner und Jansa an dessen Spitze stünden 107 ). In der zweiten Jahreshälfte 1937 machten dann wieder Papen und Göring Vorschläge, eine Militärkonvention abzuschließen 108 ). Andererseits protestierten Göring und das Auswärtige Amt in 102 ) B G H . , ZI. 3690/38, Glückwunsch des Hermann Singer an Glaise-Horstenau zum Vortrag, Wien, 16.1.1938, Or. ,03 ) K. Dieman, Zwischen Häusern und Zeiten, Wien 1981, 38 f. 104 ) H H S T A - N P A , Kart. 491, Liasse Glaise-Horstenau, ö s t . Gesandter in Stockholm H . Sommaruga an Staatssekretär Schmidt, Stockholm, 2.10.1937, Durchschlag. 105 ) DZA., Akten des Auswärtigen Amtes, Pol. Abt. Italien, Aufzeichnung Ulrich v. Hassels über Unterredungen mit Mussolini in Deutschland, Rom, 7.10.1937. 106 ) K.A., Bestand Bundesheer, Chef des Generalstabes, Int. ZI. 354/Op/37, Amtsvortrag mit Bezug auf die Anfrage des franz. Militärattaches vom 10.11. 1937, 25.11.1937. 10T ) ADAP., Serie D/1, Nr. 234, 359. Aufzeichnung des Ministerialdirektors v. Weizsäcker, Auswärtiges Amt, Wien, 7. 7.1937. 108 ) Ebdt., Nr. 250, 373. Papen an Neurath, 21.8.1937; Guido-Schmidt-Prozeß, 312.

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Einleitung

Schreiben und Noten im November/Dezember gegen den Ausbau der Grenzsperren nahe der deutschen Grenze, die sie als „aggressiv" bezeichneten 109 ). In Deutschland selbst lehnte es zwar der Chef des Generalstabes des Heeres, General der Artillerie Ludwig Beck, im Mai 1937 ab, einen Sonderfall „ O t t o " zu bearbeiten, wollte ihn aber „durchdenken", da er befürchtete, „daß das künftige deutsch-österreichische Verhältnis (nicht) . . . unter dem Zeichen des Anschlusses, sondern des Raubes Österreichs stehe". Auch sei „Deutschland in bezug auf sein Heer noch nicht in der Lage . . . das Risiko eines mitteleuropäischen Krieges herauszufordern". Beck lehnte eine Einverleibung Österreichs aber nur „im Augenblick aufgrund der nicht vorhandenen außen- und machtpolitischen Voraussetzungen ab". Beck bearbeitete daher die in der Weisung des Reichskriegsministeriums vom 24. Juni 1937 vorgesehene „Sondervorbereitung" für den „Sonderfall O t t o " , einer bewaffneten deutschen Intervention gegen Österreich, vorläufig nicht 110 ). Am 5. November 1937 sprach dann Hitler vor den Oberbefehlshabern der deutschen Wehrmachtsteile seinen „unabänderlichen Entschluß" aus, „spätestens 1943 bis 1945 die deutsche Raumfrage zu lösen". „ Z u r Verbesserung unserer militärischen Lage müsse in jedem Fall einer kriegerischen Entwicklung unser erstes Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten." Es sei zu berücksichtigen, daß die Verteidigungsmaßnahmen der Tschechoslowakei zunehmen und auch „eine Konsolidierung der inneren Werte der österreichischen Armee im Laufe der Jahre stattfände" 111 ). Zur machtpolitischen Ausschaltung der Tschechoslowakei hielt und intensivierte Beck den Kontakt mit dem Honved-Generalstab. Und der ungarische Reichsverweser ebenso wie der ungarische Generalstabschef richteten an Österreich im Dezember 1937 drängende Aufforderungen, an Beratungen mit dem ungarischen und dem deutschen Generalstab über ein angriffsweises Vorgehen gegen die Tschechoslowakei teilzunehmen 112 ). Jansa schätzte in seinem Gutachten, daß eine Überlegung über eine solche Bindung, die er für einen „Selbstmord an der österreichischen Idee und dem Unabhängigkeitsgedanken" hielt, noch zwei bis drei Jahre, bis zur Herstellung der völligen Kriegsbereitschaft der Nachbarn, hinausgeschoben werden könnte. Er meinte aber, daß Deutschland dann, zur Umgehung der tschechoslowakischen Befestigungsanlagen und Sicherung seiner Flanke den Durchmarsch durch

109

) Jedlicka, Heer im Schatten der Parteien, 167. ) K.-J. Müller, General Ludwig Beck. Studien und Dokumente zur politisch-militärischen Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938 (Schriften des Bundesarchivs, Bd. 30), Boppard am Rhein 1980, 240ff., 493-497; zusammenfassend ders., Armee, Politik und Gesellschaft in Deutschland 1933-1945, 2. Aufl. Paderborn 1979, 76f. nl ) ADAP., Ser. D/1, Nr. 19, 29f. Niederschrift über die Besprechung in der Reichskanzlei, 5.11.1937, Berlin, 10.11.1937. 112 ) NAW, T-120/R-1447/568507f., Bericht des Militärattaches in Budapest, 23.11.1937; ebdt., T-120/R-1447/568510 ff., Bericht des österreichischen Gesandten Baar-Baarenfeld, Budapest, 13.12.1937. Vgl. auch Th. L. Sakmyster, Hungary, the Great Powers, and the Danubian Crisis 1936-1939, Athens 1980, 120f. 110

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Österreich erzwingen würde 1 1 3 ). Er ließ die Möglichkeiten weitgehender Zerstörung von Verkehrsverbindungen und des Ausbaus von Sperren erkunden 1 1 4 ), beantragte aber gleichzeitig eine umfassende Aussprache mit der deutschen Heeresleitung, um dieser die Vorteile einer bewaffneten Neutralität Österreichs mit Hilfe einer intakten Armee darzulegen. Denn Gegenstand einer gewissen Sorge waren für die österreichische Führung verschiedene Anzeichen und Meldungen, daß sich der N S R im Heer reorganisiert hatte und neuerlich zunächst auf dem Gebiet der Propaganda tätig werden konnte. Der deutsche Militärattache schätzte allerdings trotzdem noch anfangs 1937, daß „trotz beachtlicher nationalsozialistischer Strömungen" im Heer nicht geschlossen werden dürfe, „daß die soldatische Pflicht und der Gehorsam gegenüber dem Vorgesetzten beeinträchtigt werden" 1 1 S ). Doch standen die Führer jener Organisation mit dem deutschen militärischen Nachrichtendienst in Verbindung. Der Chef der Amtsgruppe Abwehr im Reichskriegsministerium, Admiral Canaris, übermittelte dem deutschen Außenminister Aufstandspläne im Bundesheer und beriet solche Absichten 1 1 6 ). Es handelte sich um Pläne, die etwa das Bundesheer im Räume Linz für Stunden oder sogar Tage lahmlegen sollten, solange bis die Deutsche Wehrmacht, so meinte der für Westösterreich zuständige NSR-Führer Oberst Sinzinger, zu Hilfe kommen werde 1 1 7 ). U m der Tätigkeit des N S R entgegenzuwirken, stellte die Führung des Bundesheeres im Herbst 1937 in wachsender Zahl besonders verläßliche ehemalige Offiziere wieder ein, die bisher im Stand der „Evidenz" gewesen waren. Sie setzte auch Maßnahmen zur weiteren Intensivierung und Überwachung der patriotischen Schulung der Heeresangehörigen. So etwa gestaltete sich die Situation des Heeres, als Hitler in einer von Papen herbeigeführten Aussprache seine Forderungsliste präsentierte, die unter anderem für Glaise-Horstenau die Spitze des Landesverteidigungsministeriums und für Seyß-Inquart die des Innenministeriums erpressen sollte 1 1 8 ). In den Verhandlungen am 12. Februar 1938 konnte sodann Schuschnigg unter anderem erreichen, daß zugunsten eines Wechsels im Amt des Chefs des Generalstabes der Wunsch nach einem „nationalen" Mann an der Spitze des Ministeriums zurückgestellt wurde. Für Seyß-Inquart hatten sich offenbar bereits seine mächtigen Protektoren stark gemacht. Es schien insbesondere der SS zunächst wichtiger zu sein, den österreichischen Polizeiapparat in die Hände zu bekommen. Im Heer gedachte man vorerst,

1 1 3 ) NAW, T-120/R-1448/568090ff. bzw. 568095ff. Referat Jansas für den Bundeskanzler, Wien, 16.12.1937, bzw. Stellungnahme Jansas, Wien, 21.12.1937. 1 1 4 ) Broucek, Pläne zur Landesverteidigung, 157. l l s ) Zitiert nach Steinbock, Die bewaffnete Macht Österreichs 1938, 133; vgl. auch die Selbstdarstellung des N S R . : J . Eckinger, Front im Frieden. Das Buch der deutschen Waffenträger Österreichs, Linz 1938. n 6 ) DÖW, Nr. 5150, Aktenvermerk über Besprechung Leiter Abwehr - Leiter Ausland am 31.1.1938, Berlin, 2.2.1938, Photokopie. 1 1 7 ) DZA., Per. Akten Neurath, Aktennotiz des Chefs der Abwehrabt. Betreff: Nationalsozialistischer Soldatenring Linz, Berlin 22.11.1937, Or. " " ) Rosar, 210f.

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Einleitung

einen Offiziersaustausch zwischen den beiden Staaten durchzuführen und mit einem weitgehend fachlich ausgerichteten, politisch noch nicht hervorgetretenen neuen Generalstabschef, Generalmajor Franz Böhme, eine Zusammenarbeit zu versuchen 1 1 9 ). Dann brach nach dem Gegenstoß Schuschniggs sehr schnell die Krise aus, die Glaise-Horstenau, soweit es seine Erlebnisse betraf, genau geschildert hat. Die telephonischen Anweisungen, die Göring durchgab, verhinderten die Übertragung des Landesverteidigungsministerium« an den Direktor des Kriegsarchivs neuerlich und ausdrücklich. Zur Übernahme eines Ministerpostens war er aber schließlich bereit, ohne zu ahnen, für wie kurze Zeit dieses Amt im Rahmen einer Bundesregierung Bestand haben würde. Die einmarschierte deutsche Wehrmacht übernahm das österreichische Militärpotential. Gegen die Spitzen des Bundesheeres ging die N S D A P mit Mord (Staatssekretär General der Infanterie Wilhelm Zehner), Verhängung von Konzentrationslageraufenthalten, Zwangsaufenthalt und Kerkerhaft vor. Die Wehrmachtsbehörden verfügten in drei Wellen bis Mitte 1939 für über 55 Prozent aller Generäle, 40 Prozent der Obersten und ungefähr 14 Prozent der Dienstgrade vom Oberstleutnant bis Leutnant die Pensionierung 1 2 0 ). Dabei überließen die deutschen Behörden den pensionierten und wieder eingestellten österreichischen nationalsozialistisch eingestellten Offizieren die „Schmutzarbeit" der Entlassung aus politischen Gründen und setzten die Vorgänge fort, indem sie den Bedarf der deutschen Wehrmacht und die Schwierigkeiten bei der Einordnung ins Rangschema zur Richtschnur nahmen 1 2 1 ). Unter jenen sogleich entlassenen Offizieren und vornehmlich unter denen, die als besonders verläßlich Ende 1937 erst ins Bundesheer aufgenommen worden waren, sowie unter denen, die ihre Ausbildung erst nach 1934 erfahren hatten, befanden sich die Persönlichkeiten, die ab 1938 österreichische Widerstandsgruppen führten oder sich solchen anschlössen. Stellvertretend für andere, die so wie sie T o d , KZ-Aufenthalt und Kerkerhaft in Kauf nahmen, seien die Namen Karl Burian, Karl Heckenast, Johann Heinrich Blumenthal, Walther Ernst Heydendorff und Hubert Wingelbauer genannt. Edmund Glaise-Horstenau ging - wohl aus vollster Uberzeugung - den entgegengesetzten Weg. Er versuchte auch nach den Märztagen und bis 1939 für zahlreiche seiner ehemaligen Kameraden, für Politiker des Ständestaates und der ehemaligen christlichsozialen Partei zum Teil erfolgreich zu intervenieren. Die Enttäuschung über die Form des erwünschten „Anschlusses" an Deutschland drückte er nicht nur in seinen Aufzeichnungen, sondern auch im kleineren Bekanntenkreis aus. Er war, nach den Aufzeichnungen des preußischen Diplomaten Ulrich v. Hassel, im Oktober 1938 „überhaupt sehr trübe gestimmt über die Entwicklung in Österreich. Es sei heute

) B r o u c e k , Pläne zur Landesverteidigung, 159 ff. °) K A . , sign. B / 1 0 3 0 , nr. 74: E . Liebitzky, Die Behandlung der Offiziere des ehemaligen Bundesheeres nach der deutschen Besetzung 1938, M a s c h . , I I S . u. 20 Beilagen, Wien 1949. 119 12

1 2 1 ) P. Gschaider, Das österreichische Bundesheer Wehrmacht, W r . ungedr. Diss. 1967, 2 3 4 f f .

1938 und seine Ü b e r n a h m e in die deutsche

Im OKW 1939/40

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einfach ein Räuberstaat". Und im Juli 1939 äußerte er sich nach derselben Quelle, „bei einer Volksabstimmung in Österreich würden jetzt nicht mehr zehn Prozent für Hitler stimmen" 1 2 2 ). Er blieb aber bis 1940 Minister der bald nur mehr auf dem Papier bestehenden Regierung des Landes Österreich und suchte, wieder zurück in die Archiwerwaltung zu gelangen, nach Möglichkeit als Chef einer Reichsarchivspitze. Doch auch bei diesen Absichten machte ihm Hermann Göring in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident Schwierigkeiten. Als der zweite Weltkrieg begann, drängte er wieder zur aktiven Dienstleistung zurück, nun schon als charakterisierter Generalmajor. Auch im Oberkommando war er zunächst als Kriegsgräberinspektor mehr oder weniger zur Untätigkeit und zu einer Beobachterrolle verurteilt. Sein Hauptanliegen blieb nach wie vor und trotz alledem die Verschmelzung der Tradition der beiden Heerwesen und die Herausstreichung der Werte des Soldatentums aus dem Raum, der nicht mehr Österreich genannt werden durfte. Er vertrat dies publizistisch und durch Interventionen bei hohen Dienststellen. Einer solchen kleinen Mission galten offenbar auch seine Reisen zu „ostmärkischen" Divisionen 1 2 3 ) an der Westfront, über die keine eigenen Aufzeichnungen vorliegen und die durch die spärlichen amtlichen Unterlagen über seine Tätigkeit ergänzt werden können. Demnach erhielt Glaise-Horstenau den Befehl, die Divisionen des X V I I . Armeekorps (44. Inf. Div. und 46. Inf. Div.) und des X V I I I . Armeekorps (45. Inf. Div. und 2. Geb. Div.) in der Zeit vom 29. März bis 2. April 1940. zu besuchen, um über die gewonnenen Eindrücke hinsichtlich Haltung, Stimmung und Leistung Meldung zu erstatten und hierüber in Presse und Rundfunk zu berichten. Damals gehörten das X V I I . Korps zur O K H - R e s e r v e und das X V I I I . Korps zur 12. Armee im Bereich der Heeresgruppe A. Der Stab lag im Raum Koblenz. Glaise-Horstenaus Besuch bei der 44. Inf. Div. konnte nachgewiesen werden 1 2 4 ). Berichte haben sich aber weder von dieser Dienstfahrt noch von einer weiteren Fahrt im Juni erhalten, bei der es schließlich Glaise-Horstenau mit journalistischem Spürsinn glückte, Augenzeuge des Beginns der Waffenstillstandsverhandlungen im Wald von Compiegne zu sein. Darüber hat Glaise in einigen Zeitungsartikeln im „Neuen Wiener Tagblatt" erzählt 1 2 5 ). Wie aus diesen und aus einem der ganz wenigen Artikel Glaise-Horstenaus, auch aus rückblickenden Bemerkungen in seinen Erinnerungen hervorgeht, glaubte er damals einige Wochen lang, Hitlers Konzept im Westen sei durchführbar und der

1 2 2 ) Vom andern Deutschland. Aus den nachgelassenen Tagebüchern 1938-1944 von Ulrich von Hassell, Wien 1948, 23, 54. 1 2 3 ) Den Umstand, daß zufolge ihrer personellen Zusammensetzung weder von österreichischen noch von „ostmärkischen" Divisionen gesprochen werden kann, sondern derartige Bezeichnungen nur auf den Aufstellungsraum hinweisen, betont J . Chr. Allmayer-Beck, Die Österreicher im Zweiten Weltkrieg, in: Unser Heer, Wien et al. 1963, 3 4 2 - 3 7 5 , hier 356; K. Skalnik, 300 und „Tausend Jahre" in: Die Furche Nr. 10/1963, 14. 1 2 4 ) Auskunft des Bundesarchivs-Militärarchivs, Az. 6991 ö s t r . / 5 1 v. 18.7.1972 an das Kriegsarchiv, K.A. ZI. 36539/72. 1 2 5 ) Vgl. Memoiren, 1. Bd., 62, nr. 317, 319, 320, 322, 323, 324, 326.

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Einleitung

Friede mit Großbritannien zu erreichen. Doch schon im Herbst erfuhr er nach und nach über den Beginn der Planungen für den Krieg gegen die Sowjetunion. Trotz allem weiterhin vorhandenen Ehrgeiz für ein seinen Begabungen und seiner ehemaligen Stellung zumindest gleichwertiges militärdiplomatisches oder -historiographisches Betätigungsfeld nahm sein Pessimismus über den Verlauf des Krieges im Herbst wieder zu 1 2 6 ).

IV. D I E E N T S T E H U N G U N D B E W A H R U N G D E R

AUFZEICHNUNGEN

Glaise-Horstenau hat bereits 1939 mit der Niederschrift jenes ersten Abschnittes seiner Aufzeichnungen über seine Erlebnisse und Reflexionen ab 1936 begonnen, den wir hier als „zweiten T e i l " des gesamten autobiographischen Werks wiedergeben. Der Antrieb dazu mag zunächst eine Herausstellung seiner Verdienste um das Juliabkommen 1936 als Vorstufe für die Märzereignisse 1938 gewesen sein. Anlaß dazu bot auch offensichtlich das Wiederaufleben einer regeren Vortragstätigkeit Glaise-Horstenaus und die hie und da gewährte Gelegenheit, die Ereignisse bei Jahrestagen1 aus seiner Sicht und für eine gewisse Eigenpropaganda zu schildern 1 2 7 ). Ende 1939 hatte Glaise-Horstenau Zeit - und in der relativen Untätigkeit auch Gelegenheit - die „Vorgeschichte" des neuen Weltkrieges seinem Wissen nach zu beschreiben. Er ging sodann in zeitweise tagebuchartige, zeitweise etwa die Erlebnisse eines Monats zusammenfassende Schilderungen über und setzte diese spontan gehandhabte Darstellungsform bis März 1941 fort. Für die Zeit Herbst 1936 bis Ende 1937, März 1938 bis Oktober 1938 und August 1939 bis November 1939 füllte Glaise-Horstenau sodann ab „Frühjahr 1942" bis Jänner 1945 die Lücken aus. Handschriftliche sachliche Ergänzungen sind in geringem Umfang in diesen Lückenfüllern 1936/37 und 1938 enthalten, aber so gut wie keine die Tendenz ändernde Streichung oder Erweiterung. Die nebenstehende Tabelle zeigt die Situation bei den Manuskripten. Glaise-Horstenau hat die Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen fast ausschließlich nach seinem Gedächtnis angefertigt. Nur für die Zeit 1937/38 beruft er sich hie und da auf das Fahrtenbuch seines Chauffeurs Hofbauer als Stütze für die Datierung. Für Aussprüche Hitlers scheinen Notizzettel, die nicht erhalten geblieben sind, vorgelegen zu sein. Die oftmals spontane - rein maschinschriftliche - Art der Abfassung der Aufzeichnungen bedingte offenbar, daß einzelne Manuskriptseiten in der Schreibmaschine eingespannt blieben, aber dann verloren gingen, als die Maschine für andere Schreibarbeiten gebraucht wurde. Das völlig abrupte Abbrechen einzelner Manuskripte mitten im Satz dürfte so zu erklären sein. D e r Militärschriftsteller hat seine Aufzeichnungen Ende April oder Anfang Mai 1945, bevor er sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft begab, in die Obhut von

126

) Frdl. Auskunft Taras B o r o d a j k e w y c z , 2 5 . 2 . 1 9 7 7 .

) Vgl. das Werkverzeichnis in M e m o i r e n , 1. B d . , 61 f. und K A . , sign. B / 6 7 , nr. 53, Manuskript „Persönliche Erinnerungen an die Märztage 1 9 3 8 " , 6 S. Masch. 127

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Friede mit Großbritannien zu erreichen. Doch schon im Herbst erfuhr er nach und nach über den Beginn der Planungen für den Krieg gegen die Sowjetunion. Trotz allem weiterhin vorhandenen Ehrgeiz für ein seinen Begabungen und seiner ehemaligen Stellung zumindest gleichwertiges militärdiplomatisches oder -historiographisches Betätigungsfeld nahm sein Pessimismus über den Verlauf des Krieges im Herbst wieder zu 1 2 6 ).

IV. D I E E N T S T E H U N G U N D B E W A H R U N G D E R

AUFZEICHNUNGEN

Glaise-Horstenau hat bereits 1939 mit der Niederschrift jenes ersten Abschnittes seiner Aufzeichnungen über seine Erlebnisse und Reflexionen ab 1936 begonnen, den wir hier als „zweiten T e i l " des gesamten autobiographischen Werks wiedergeben. Der Antrieb dazu mag zunächst eine Herausstellung seiner Verdienste um das Juliabkommen 1936 als Vorstufe für die Märzereignisse 1938 gewesen sein. Anlaß dazu bot auch offensichtlich das Wiederaufleben einer regeren Vortragstätigkeit Glaise-Horstenaus und die hie und da gewährte Gelegenheit, die Ereignisse bei Jahrestagen1 aus seiner Sicht und für eine gewisse Eigenpropaganda zu schildern 1 2 7 ). Ende 1939 hatte Glaise-Horstenau Zeit - und in der relativen Untätigkeit auch Gelegenheit - die „Vorgeschichte" des neuen Weltkrieges seinem Wissen nach zu beschreiben. Er ging sodann in zeitweise tagebuchartige, zeitweise etwa die Erlebnisse eines Monats zusammenfassende Schilderungen über und setzte diese spontan gehandhabte Darstellungsform bis März 1941 fort. Für die Zeit Herbst 1936 bis Ende 1937, März 1938 bis Oktober 1938 und August 1939 bis November 1939 füllte Glaise-Horstenau sodann ab „Frühjahr 1942" bis Jänner 1945 die Lücken aus. Handschriftliche sachliche Ergänzungen sind in geringem Umfang in diesen Lückenfüllern 1936/37 und 1938 enthalten, aber so gut wie keine die Tendenz ändernde Streichung oder Erweiterung. Die nebenstehende Tabelle zeigt die Situation bei den Manuskripten. Glaise-Horstenau hat die Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen fast ausschließlich nach seinem Gedächtnis angefertigt. Nur für die Zeit 1937/38 beruft er sich hie und da auf das Fahrtenbuch seines Chauffeurs Hofbauer als Stütze für die Datierung. Für Aussprüche Hitlers scheinen Notizzettel, die nicht erhalten geblieben sind, vorgelegen zu sein. Die oftmals spontane - rein maschinschriftliche - Art der Abfassung der Aufzeichnungen bedingte offenbar, daß einzelne Manuskriptseiten in der Schreibmaschine eingespannt blieben, aber dann verloren gingen, als die Maschine für andere Schreibarbeiten gebraucht wurde. Das völlig abrupte Abbrechen einzelner Manuskripte mitten im Satz dürfte so zu erklären sein. D e r Militärschriftsteller hat seine Aufzeichnungen Ende April oder Anfang Mai 1945, bevor er sich in amerikanische Kriegsgefangenschaft begab, in die Obhut von

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) Frdl. Auskunft Taras B o r o d a j k e w y c z , 2 5 . 2 . 1 9 7 7 .

) Vgl. das Werkverzeichnis in M e m o i r e n , 1. B d . , 61 f. und K A . , sign. B / 6 7 , nr. 53, Manuskript „Persönliche Erinnerungen an die Märztage 1 9 3 8 " , 6 S. Masch. 127

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Einleitung

Erzbischof Andreas Rohracher von Salzburg übergeben 128 ). Laut seinem letzten Willen vom 5. Februar 1946 129 ) wünschte er eine „literarische Verwertung" der Aufzeichnungen und vermachte seinen schriftlichen Nachlaß seinen Freunden Eduard Josef Metzger, seinem langjährigen Adjutanten, und Dr. Wilhelm Höttl. Aufgrund dieser Äußerungen konnte Metzger nach dem Tode Glaise-Horstenaus die Ausfolgung der Manuskripte erreichen und in dem von ihm geführten Südbahnhotel am Semmering aufbewahren. Da er aber dem Wunsch Glaise-Horstenaus nicht näherzutreten bereit war, meldete der Amtsnachfolger Edmund Glaise-Horstenaus im Kriegsarchiv, Generalstaatsarchivar i. R. Rudolf Kiszling, dem Metzger die Aufzeichnungen gezeigt hatte, sein Wissen der zuständigen Behörde, der Generaldirektion des österreichischen Staatsarchivs. Aufgrund des Umstandes, daß hinsichtlich des Eigentums Glaise-Horstenaus gemäß der entsprechenden Bestimmungen des Volksgerichtsverfahrens- und Vermögensverfallsgesetzes 1947 ein Vermögensverfall zugunsten der Republik im Jahre 1950 gerichtlich festgestellt worden war, ging sodann die Sektion Vermögenssicherung des Bundesministeriums für Finanzen gegen Metzger vor. Die Polizei stellte die Manuskripte sicher. Nach dieser Aktion soll Metzger gemäß seinen Mitteilungen gegenüber dem Herausgeber aus Empörung über die Haltung Kiszlings weitere Aufzeichnungen, über die Kiszling keine Angaben machen konnte, vernichtet haben. Erst im Dezember 1957 gelangten die beschlagnahmten Archivalien mit den Aufzeichnungen bis 1941 über das Präsidium des Bundeskanzleramtes an die Generaldirektion des österreichischen Staatsarchivs. Der Generaldirektor Dr. Gebhard Rath gab diese Aufzeichnungen jedoch nur pro forma an das Haus-, H o f - und Staatsarchiv weiter, behielt sie aber tatsächlich in persönlicher Verwahrung. Er hatte die Absicht, eine Bearbeitung der Memoiren vorzunehmen und verweigerte jede Einsichtnahme, um die sich unter anderem Ludwig Jedlicka besonders bemühte 130 ). Im Jahre 1966 suchte Gebhard Rath beim Präsidium des Bundeskanzleramtes um die Bewilligung zur Publizierung des Nachlasses Glaise-Horstenaus an. Eine Frucht seiner Arbeit war jedoch nur die Veröffentlichung des auszugsweise und unvollständig wiedergegebenen Abschnitts der Aufzeichnungen über die Märztage 1938 131 ). Dann behinderte eine schwere Erkrankung seine weitere Arbeit. Dank der fortdauernden Bemühungen Rudolf Kiszlings konnte sodann in den Nachlaßteil Glaise-Horstenaus, der nach 1968 erst tatsächlich an das Haus-, H o f - und Staatsarchiv gelangt war, im Verlaufe des Jahres 1971 von der Seite des Kriegsarchivs Einsicht genommen werden. Im Jahre 1974

,28 ) D a z u H H S T A , Kanzleiregistratur, Sammelakt 8839/57; A k t Glaise-Horstenau in der Registratur der Generaldirektion des ö s t e r r e i c h i s c h e n Staatsarchivs 1966. 129 ) K A . , sign. B/67, nr. 76: Letzter Wille, N ü r n b e r g , Justizpalast, 5 . 2 . 1 9 4 6 , unterfertigt von Glais e - H o r s t e n a u , sowie D r . Wilhelm H ö t t l und Alfred N a u j o c k s als Zeugen. ,30 ) Jedlicka, Ein H e e r im Schatten der Parteien, 146, A n m . 67. 131 ) W o c h e n p r e s s e - D o k u m e n t a t i o n : Aus unveröffentlichten D o k u m e n t e n , in: Wochenpresse N r . 48 v. 2 7 . 1 1 . 1 9 6 8 , 14; W o c h e n p r e s s e - D o k u m e n t a t i o n , Glaise-Horstenau über den Anschluß (II), in: W o chenpresse N r . 49 v. 4 . 1 2 . 1 9 6 8 , 12; W o c h e n p r e s s e - D o k u m e n t a t i o n , Glaise-Horstenau über den A n schluß (III), in: Wochenpresse N r . 50 v. 11.12.1968, 14; dazu ein K o m m e n t a r von G . Rath, Ein M a n n im Zwiespalt, im „ K a s t e n " am Beginn der Serie.

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Bewahrung der Manuskripte

wurde sodann eine Konzentrierung aller bisher von der österreichischen staatlichen Archivverwaltung verwahrten Teile des Nachlasses Glaise-Horstenaus in der Abteilung Kriegsarchiv des österreichischen Staatsarchivs durchgeführt 1 3 2 ).

Zur Edition Die Editionsgrundsätze bei diesem Teil der Erinnerungen sind die gleichen wie die des ersten Bandes. Zum Unterschied vom ersten Band wurden jedoch diesmal Kürzungen vorgenommen und durch eckige Klammern [. . .] gekennzeichnet. Sie ergaben sich einmal aus dem Umstand, daß Glaise-Horstenau offenbar bei der Abfassung der meisten Schriften, seien es die Memoirenabschnitte oder die Tagebuchaufzeichnungen, die jeweils anderen bereits verfaßten Äußerungen nicht bei sich und auch nicht mehr genau in Erinnerung hatte. Er wiederholte daher, wenn er Betrachtungen in seine Aufzeichnungen einblendet, Episoden aus länger zurückliegenden Zeiten fast im Wortlaut, in allen Fällen aber ihrem eindeutigen Inhalt nach. Diese Äußerungen wurden dort, wo sie chronologisch nicht paßten, weggelassen. Glaise-Horstenaus Urteile über Persönlichkeiten sind nach Meinung der Herausgeber mehrmals besonders einseitig und subjektiv gefärbt. An zwei Stellen, die noch lebende Persönlichkeiten oder nahe Verwandte betreffen, wurden derartige Äußerungen unterdrückt und die Auslassung ebenfalls durch [. . .] gekennzeichnet. Gekürzt wurden auch Reiseschilderungen ohne jeden irgendwie bemerkenswerten politischen Gehält. Dies betrifft insbesondere die Jahre 1938 und 1939. Weiters hatte Glaise-Horstenau die Gewohnheit, in den memoirenartigen Manuskripten mitten auf den Seiten, durch Striche und Pluszeichen vom eigentlichen Text getrennt, erläuternde Anmerkungen zu seinen Äußerungen zu geben, meist zur Person, die gerade vorgeführt wurde, hie und da zur Erläuterung des Ereignisses. Diese „ A n merkungen" wurden, um sie vom wissenschaftlichen Apparat des Herausgebers abzuheben, in runder Klammer am Ende des Satzes oder Absatzes, möglichst dort, wo der Fluß der Darstellung am wenigsten gestört wurde, angefügt. Ferner hat Glaise-Horstenau gerade bei den Abschnitten, die 1944/45 entstanden, seine Äußerungen überlesen und durch handschriftliche Ergänzungen auf der Rückseite, am Rande oder in der Zeile ergänzt. U m dem Leser das Urteil zu überlassen, ob dadurch eine Änderung in der Aussage beabsichtigt war und eingetreten ist, werden diese wenigen Passagen und Einfügungen in Kursivschrift wiedergegeben. Was den wissenschaftlichen Apparat betrifft, so hielt es der Herausgeber neuerlich für richtig, den Personaldaten der von Glaise-Horstenau angeführten Persönlichkeiten, soweit dies tragbar erschien, nachzugehen. Glaise-Horstenaus Taktik bestand ja in der persönlichen Einflußnahme und der Knüpfung von Kontakten, die ihm bei der Verfolgung seiner Ziele helfen sollten. Die Zusammenstellung der Lebens- und Berufsdaten wurde insbesondere bei Österreichern auch mit Hilfe ungedruckter Quellen, die nicht extra angeführt sind, versucht, vor allem aber mit Hilfe von gedruckten Quellen und Darstellungen. Bei Persönlichkeiten, die nicht aus 132

) K.A., Kanzleiregistratur, ZI. 24.364/74.

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Bewahrung der Manuskripte

wurde sodann eine Konzentrierung aller bisher von der österreichischen staatlichen Archivverwaltung verwahrten Teile des Nachlasses Glaise-Horstenaus in der Abteilung Kriegsarchiv des österreichischen Staatsarchivs durchgeführt 1 3 2 ).

Zur Edition Die Editionsgrundsätze bei diesem Teil der Erinnerungen sind die gleichen wie die des ersten Bandes. Zum Unterschied vom ersten Band wurden jedoch diesmal Kürzungen vorgenommen und durch eckige Klammern [. . .] gekennzeichnet. Sie ergaben sich einmal aus dem Umstand, daß Glaise-Horstenau offenbar bei der Abfassung der meisten Schriften, seien es die Memoirenabschnitte oder die Tagebuchaufzeichnungen, die jeweils anderen bereits verfaßten Äußerungen nicht bei sich und auch nicht mehr genau in Erinnerung hatte. Er wiederholte daher, wenn er Betrachtungen in seine Aufzeichnungen einblendet, Episoden aus länger zurückliegenden Zeiten fast im Wortlaut, in allen Fällen aber ihrem eindeutigen Inhalt nach. Diese Äußerungen wurden dort, wo sie chronologisch nicht paßten, weggelassen. Glaise-Horstenaus Urteile über Persönlichkeiten sind nach Meinung der Herausgeber mehrmals besonders einseitig und subjektiv gefärbt. An zwei Stellen, die noch lebende Persönlichkeiten oder nahe Verwandte betreffen, wurden derartige Äußerungen unterdrückt und die Auslassung ebenfalls durch [. . .] gekennzeichnet. Gekürzt wurden auch Reiseschilderungen ohne jeden irgendwie bemerkenswerten politischen Gehält. Dies betrifft insbesondere die Jahre 1938 und 1939. Weiters hatte Glaise-Horstenau die Gewohnheit, in den memoirenartigen Manuskripten mitten auf den Seiten, durch Striche und Pluszeichen vom eigentlichen Text getrennt, erläuternde Anmerkungen zu seinen Äußerungen zu geben, meist zur Person, die gerade vorgeführt wurde, hie und da zur Erläuterung des Ereignisses. Diese „ A n merkungen" wurden, um sie vom wissenschaftlichen Apparat des Herausgebers abzuheben, in runder Klammer am Ende des Satzes oder Absatzes, möglichst dort, wo der Fluß der Darstellung am wenigsten gestört wurde, angefügt. Ferner hat Glaise-Horstenau gerade bei den Abschnitten, die 1944/45 entstanden, seine Äußerungen überlesen und durch handschriftliche Ergänzungen auf der Rückseite, am Rande oder in der Zeile ergänzt. U m dem Leser das Urteil zu überlassen, ob dadurch eine Änderung in der Aussage beabsichtigt war und eingetreten ist, werden diese wenigen Passagen und Einfügungen in Kursivschrift wiedergegeben. Was den wissenschaftlichen Apparat betrifft, so hielt es der Herausgeber neuerlich für richtig, den Personaldaten der von Glaise-Horstenau angeführten Persönlichkeiten, soweit dies tragbar erschien, nachzugehen. Glaise-Horstenaus Taktik bestand ja in der persönlichen Einflußnahme und der Knüpfung von Kontakten, die ihm bei der Verfolgung seiner Ziele helfen sollten. Die Zusammenstellung der Lebens- und Berufsdaten wurde insbesondere bei Österreichern auch mit Hilfe ungedruckter Quellen, die nicht extra angeführt sind, versucht, vor allem aber mit Hilfe von gedruckten Quellen und Darstellungen. Bei Persönlichkeiten, die nicht aus 132

) K.A., Kanzleiregistratur, ZI. 24.364/74.

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Einleitung

Österreich stammten oder ihren Wirkungsbereich außerhalb Österreichs hatten, standen vornehmlich die Bestimmungen des Datenschutzes einer genaueren Nachforschung im Wege. Doch mögen die angeführten Hinweise erste Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen geben, die bei der Masse von einer Einzelperson nicht durchgeführt werden konnten. Ereignisse wurden im Apparat kurz erläutert und es wurden ungedruckte oder gedruckte Quellenstellen dann zitiert, wenn sie GlaiseHorstenaus Darstellung von Ereignissen, an denen dieser unmittelbar beteiligt war oder über die er zumindest Informationen aus erster Hand erhielt, wesentlich ergänzen oder seiner Schilderung widersprechen. Ansonsten wurde versucht, Hinweise auf die moderne Literatur zum jeweils behandelten Gegenstand zu geben. Mit Bezug auf Ereignisse nach dem März 1938 waren archivalische und gedruckte Quellen, die auf Glaise-Horstenaus Äußerungen oder Tätigkeit eingehen, in nur geringem Maße aufzufinden.

Nachtrag zu Band I, „Ein General im Zwielicht" In dankenswerter Weise erhielt der Bearbeiter die Mitteilung, daß die von Glaise-Horstenau niedergeschriebene Behauptung (Bd. I, S. 547): „Eine Tochter [des Historikers Ludwig Bittner] war 1938 mit einem jüdischen Bräutigam nach Detroit durchgegangen, wo sie regelrecht heiratete . . ." nicht den Tatsachen entspricht. Tatsächlich war die Ehe lange vor Detroit in Wien geschlossen worden, und zwar nach Vorsprache bei Kardinal Innitzer als geheime Eheschließung. Das nicht zuletzt aus Rücksicht auf Vater Bittner.

Abkürzungsverzeichnis

49

Abkürzungsverzeichnis Auswärtiges Amt Abgeordneter = außer Dienst = Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik A.G. = Aktiengesellschaft A.K. = Armeekorps AKSch. Artilleriekadettenschule ao. Ges. u. bev. Min. = außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Armeeoberkommando AOK. Art. Artillerie Auflage Aufl. österreichisches Staatsarchiv, AVA. Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv AWA. Oberkommando der Wehrmacht / Allgemeines Wehrmachtsamt A.A. Abg. a.D. AD AP.

BÄK. BA/MA Baonskmdt. bayr. Bde. Befh. BGH. BKA. BM.

= =

Bundesarchiv Koblenz = Bundesarchiv/Militärarchiv Bataillonskommandant = = bayerisch Bände = = Befehlshaber Büro Glaise-Horstenau = Bundeskanzleramt = Bundesministerium, Bundesminister BM. f. AA. Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten BM. f. Hw. : Bundesministerium für Heerwesen BM. f. LV. = Bundesministerium für Landesverteidung bzw. = beziehungsweise =

Char.

=

D., Div. DAR. DDSG.

=

d.i. diplomat. Diss. div. DÖW. d.R. DR. dt.

= =

= = =

= = =

Charakter Division Divisionsartillerieregiment Donaudampfschiffahrtsgesellschaft das ist diplomatisch Dissertation diverse Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes der Ruhe Dragonerregiment deutsch

Dt. Wm. DZA. ebdt. EF. Ehg. Ia FAR. ff. Fhj. FHR. FJB. FM. FML. frdl. Frh. FsAR. Führerres.

Deutsche Wehrmacht Deutsches Zentralarchiv, Potsdam

= =

=

ebendort Einjährig-Freiwilliger = Erzherzog = Erster Generalstabsoffizier —

= -

=

= =

= = = =

G.d.I. = geb. = Geb.D. = Geb.Jg.Rgt. = Gend. = gen. Gen. Gen. d. Art. = Gen.Lt. = Gen.Oberst = Gen.St., Gstb. gesch. = G.m.b.H. = GFM. Grf(in) Gr.Kdo. Großdt. GZ. HgHIR. HHSTA.

hist. Abt. Hptm. Hzg. i.d.Res. IfZG. IKSch. IR. ITD.

= = = = =

Feldartillerieregiment folgende Fahnenjunker Feldhaubitzenregiment Feldjägerbataillon Feldmarschall Feldmarschalleutnant freundlich Freiherr Festungsartillerieregiment Führerreserve General der Infanterie geboren Gebirgsdivision Gebirgsjägerregiment Gendarmerie genannt General General der Artillerie Generalleutnant Generaloberst = Generalstab geschiedene Gesellschaft mit beschränkter Haftung Generalfeldmarschall Graf, Gräfin Gruppenkommando großdeutsch Grundzahl

Herausgeber Honved-Infanterieregiment österreichisches Staatsarchiv, = Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv = historische Abteilung = Hauptmann = Herzog = =

-

= = = =

in der Reserve Institut für Zeitgeschichte Wien Infanteriekadettenschule Infanterieregiment Infanterietruppendivision

50

Abkürzungsverzeichnis

KA.

österreichisches Abteilung

Staatsarchiv,

OKW

O b e r k o m m a n d o der W e h r macht

Kriegsarchiv O ö

Kapitänlt.

:

Kdi. Gen.

•• K o m m a n d i e r e n d e r

Kapitänleutnant General

-

Oberösterreich

o . U n i v . - P r o f .• = o r d e n t l i c h e r U n i v e r s i t ä t s p r o fessor

Kdr,

•• K o m m a n d e u r

KKSch.

:

Kavalleriekadettenschule

öst.

KM.

:

Kriegsministerium

ÖWZ.

=

österreichische

Kmdt.

;

Kommandant

PKSch.

Komm.

Pionierkadettenschule

• Kommission

=

Korvkpt.

:

Österreich Wehrzeitung

Polit.

=

Politisch

Korvettenkapitän

Präs.

Präsident

Kp.

=

Kompanie

Pz.Gr.R.

Kriegsgesch.

=

Panzergrenadierregiment

Kriegsgeschichtlich

Pz.

=

Panzer

Rgt.

=

Regiment

RM

=

Reichsmark

RM.

=

Reichsminister

RP.

=

Reichspost

KSchR.

Kaiserschützenregiment

KZ

Konzentrationslager

LIR.

Landwehrinfanterieregiment

lt.

laut

M.d.R.

M i t g l i e d des R e i c h s t a g e s

R.v.

=

R i t t e r von

Milak.

Theresianische

Min.

Minister

SA

=

Sturmabteilung

Mjr.

Major

SchR.

=

Schützenregiment

MÖSTA

M i t t e i l u n g e n des ö s t e r r e i c h i -

SS

=

Schutzstaffel

Militärakademie

schen Staatsarchivs MUR.

Militärunterrealschule

MWM.

Militärwissenschaftliche

Mit-

teilungen NAW.

National Archives,

Sowjet.

=

sowjetisch

s. R e g .

=

siehe R e g i s t e r

N ö

Niederösterreich

NPA.

B e s t a n d N e u e s Politisches A r chiv, H a u s - , H o f - u n d Staatsarchiv

nr.

Nummer

NR.

Nationalrat

NSDAP

Nationalsozialistische

Deut-

sche A r b e i t e r p a r t e i Nationalsozialistisches

Flieger-

korps Nationalsozialistisches

Kraft-

fahrerkorps

Militärakademie

TKJR.

=

Tiroler

TMA

=

Technische Militärakademie

=

unter anderem

ung.

=

ungarisch

ungedr.

=

ungedruckt

Univ.-Prof

=

Universitätsprofessor

v.

=

von

Verf.

=

Verfasser

Kaiserjägerregiment

Veröff.

=

Veröffentlichungen

VF. vgl.

=

Vaterländische F r o n t

=

vergleiche

WAIlg.

=

O b e r k o m m a n d o der W e h r -

Nationalsozialistischer Solda-

macht / Allgemeines W e h r -

tenring

machtsamt / Allgemeine A b -

NWT.

Neues Wiener Tagblatt

OB.

Oberbefehlshaber

WEI.

=

Wehrersatzinspektion

O b e r b e f e h l s h a b e r des H e e r e s

Wkg.

=

Weltkrieg

OB.d.H. Oblt. Oberstlt. ÖBH. ÖCV.

ÖVP OKH

Kom-

mandierender General Techn. Milak. = Technische

N e u e F r e i e Presse

NSR.

siehe Signatur

Washing-

ton

NSKK.

= =

stellv. K d i . G e n . = stellvertretender

NFP.

NSFK.

s. sign.

teilung

Oberleutnant

WKr.

=

Wehrkreis

Oberstleutnant

WNN.

=

Wiener Neueste Nachrichten

W PR.

=

österreichisches

Bundesheer

C a r t e l l v e r b a n d der k a t h o l i -

O b e r k o m m a n d o der W e h r m a c h t / A b t e i l u n g für W e h r -

schen österreichischen S t u d e n -

machtpropaganda

tenverbindungen

W r . Ztg,

österreichische Volkspartei

=

Wiener Zeitung

z.b.V.

=

zur besonderen

z.V.

=

zur V e r f ü g u n g

O b e r k o m m a n d o des H e e r e s

Verwendung

I. JULI ABKOMMEN 1936 UND EINTRITT IN DAS KABINETT SCHUSCHNIGG [Sommer 1939] Dem separatistischen Kurs Dollfuß 2 ) in Österreich war an dem Tag das Todesurteil gesprochen, an dem der erste italienische Soldat abessinischen Boden betrat 3 ). Daß Österreich - eigentlich gegen das Interesse des Kurses - die Sanktionspolitik nicht mitmachte, konnte die Entwicklung höchstens aufhalten, nicht aber verhindern. Auch neuerliche Bekräftigungen der Politik der römischen Protokolle 4 ) waren gegenstandslos. Italien brach aus der Stresafront aus, stellte sich in heftigsten Gegensatz zu den Westmächten und schwenkte auf die Seite Deutschlands ab, das sich an den Sanktionen nicht beteiligte, sondern den günstigen Augenblick wahrnahm, das apenninische Königreich völlig auf seine Seite herüberzuziehen. Damit war auch für Österreich die unausweichliche Nötigung gegeben, mit dem großen deutschen Bruderstaat zu einem modus vivendi zu gelangen. Den äußeren Auftakt bildete die zweihundertste Wiederkehr des Todestages des Prinzen Eugen von Savoyen. In Wien fand eine große Erinnerungsfeier auf dem Heldenplatz statt, zu der Abordnungen aus Deutschland, Italien und auch Frankreich entboten waren 5 ). Auswahl und Entsendung der deutschen Abordnung, deren Leitung General List 6 ), der nachmalige ausgezeichnete Heeresgruppen-Oberbe2 ) Vgl. D. A. Binder, Dollfuß und Hitler. Die Frage nach einer selbständigen Außenpolitik des autoritären Ständestaates in den Jahren 1933 und 1934 an Hand des deutsch-österreichischen Konflikts, Grazer Diss. 1976. 3 ) Am 3. Oktober 1935 begann der italienische Einmarsch in Abessinien. Zu den Auswirkungen auf die Beziehungen zu Österreich vgl. nunmehr: M . Funke, Sanktionen und Kanonen. Hitler, Mussolini und der internationale Abessinienkonflikt 1 9 3 4 - 3 6 , Düsseldorf 1970, 103 ff.; J . Petersen, Hitler - Mussolini. Die Achse B e r l i n - R o m 1933-1936, Tübingen 1973, 424ff.; L. Jedlicka, Österreich und Italien 1922-1938, in: Vom alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1900-1975. Wien 1975, 3 1 1 - 3 3 6 . 4 ) Vgl. Peter Enderle, Die ökonomischen und politischen Grundlagen der Römischen Protokolle aus dem Jahre 1934, Wr. Diss. 1979. 5 ) Die Feierlichkeiten begannen am 19.4.1936 mit Gedenkfeiern zum 200. Todestag und der Frühjahrsparade am Ring. Am 2 0 . 4 . 1 9 3 6 legten die Militärmissionen aus Ungarn, Deutschland und Italien in der Krypta des Heldendenkmals einen Kranz nieder und wohnten einer Vorführung der Spanischen Reitschule bei. 6 ) Wilhelm List (Oberkirch, Bayern, 14.5.1880 bis 18.6.1971, Garmisch), 1898 als EF. Eintritt in die bayerische Armee, 1.10.1935 G . d . I . u. kdi. Gen. IV. A K . , 4 . 2 . 1 9 3 8 OB. Gruppenkmdo. 2, 1.4.1938 OB. Gruppenkmdo. 5 in Wien, 1.4.1939 GenObst., 1.9.1939 OB. 14. Armee, 25.10.1939

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Juliabkommen 1 9 3 6 und Eintritt in das Kabinett Schuschnigg

fehlshaber, innehatte, ging nicht ohne Schwierigkeiten österreichischerseits vor sich. Deutschland sollte womöglich auf dem letzten Platz stehen. Die Energie Muffs wußte sich jedoch durchzusetzen. Ich selbst habe das Wiener Fest nicht mitgemacht, da ich von der Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften in Berlin auf Betreiben Muffs zum Festvortrage über Prinz Eugen eingeladen worden war 7 ). Ich kam so als erste Friedenstaube auf den Berliner Boden. Der Vortrag war außerordentlich gut besucht und, wie ich glaube, auch recht geglückt. Ich hielt ihn völlig frei, sprach eine genaue Stunde und wurde mit großem Beifall bedankt. Den Vorsitz hatte Gl. v. Cochenhausen 8 ) inne, mit dem mich seither herzliche Freundschaft verknüpft. In den „vaterländischen" Kreisen der Heimat wurde das Unternehmen, wie auch die Ehrungen, die dem Andenken des Prinzen von der deutschen Armee zuteil wurden, mit Mißtrauen verfolgt. Der „Österreicher" 9 ) und der famose „Christliche Ständestaat" Hildebrands 10 ) zeterten, ich hätte aus dem Sieger von Zenta einen Helden des dritten Reiches gemacht, was ich nie tat 1 1 ). OB. 12. Armee, 19.7.1940 GFM., 1.7.1941 OB. Südost (bis 15.10.1941), 10.7. bis 10.9.1942 OB. Heeresgruppe A. ' J Uber die Einladung und die Erlaubnis zur Fahrt nach Berlin vgl. die Aktenlage in NPA, Kart. 491, Liasse Glaise-Horstenau. Glaise berichtete über die Einladung am 2.3.1936 an Schuschnigg: „Persönlich würde mich die Sache schon reizen, da sich manches im Geiste Srbiks sagen ließe oder in dem Sinne, in welchem ich in Linnebachs Deutscher Heeresgeschichte geschrieben habe . . . " . Schuschnigg gab sein Einverständnis am 4.3.1936. 8 ) Friedrich v. Cochenhausen (Marburg a . d . Lahn, 14.7.1879-1946, Berlin-Charlottenburg), 1897 Eintritt in die preuß. Armee als Fahnenjunker, 1.2.1932 Abschied als char. Genlt., 1.10.1935 als Taktiklehrer bei der Luftkriegsakademie wieder eingestellt, 1.3.1938 Char. als Gen. d. Flieger, 1.9.1939 Kdi. Gen. stellv. XIII. AK., 1.12.1940 Gen. d. Art., 31.5.1942 verabschiedet. Präsident d. Dt. Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften. Verfasser bzw. Herausgeber milwiss. Werke, u . a . : Taktisches Handbuch für den Truppenführer und seine Gehilfen, 1. Aufl. 1924, 13. Aufl. Berlin 1940; Soldatische Führer und Erzieher, Gesammelte Aufsätze, darinnen S. 152-167: Conrad v. Hötzendorf, Hamburg 1942; Herausgeber der Sammelwerke: Führertum, Berlin 1930; Die Wehrwissenschaften der Gegenwart, Berlin 1934; Schöpfer und Gestalter der Wehrkraft, Berlin 1935.

' ) Zur legitimistischen Wochenzeitung, „Der Österreicher" vgl. F. Wagner, Der österreichische Legitimismus 1918-1939, seine Politik und Publizistik, Wr. ungedr. Diss. 1956. 10 ) Dietrich v. Hildebrand (Florenz, 1889-?), Sohn des Bildhauers Adolf v. Hildebrand, Schüler Edrrjund Husserls, Wortführer gegen die Lehre Othmar Spanns als Vertreter einer personalistischen Auffassung; trat auf soziologischen Tagungen des Kath. Akademikerverbandes in Maria Laach 1931, 1932, 1933 gegen diesen auf. Teilnehmer an den Salzburger Hochschulwochen, 1924-1933 ao. Prof. f. Philosophie an der Univ. München, dort Mitglied eines Zirkels konservativer Gegner Hitlers, IX./1933 nach Wien, vereinbarte mit Dollfuß die Führung der Zeitschrift „Der Christliche Ständestaat", mit der er bemüht war, eine „Deutsche Front gegen das Hitlersystem" aufzubauen; 31.12.1934 ao. Univ. Prof. f. Philosophie an der Univ. Wien, 1938 Flucht aus Österreich, schließlich Aufenthalt in den USA, 1941-1960 Lehrtätigkeit an der Fordham University. Vertreter einer Phänomenologie im Sinne A. Reinachs; objektivistischer Realist augustinischer Prägung. Vgl. R. Ebneth, Die österreichische Wochenschrift „Der christliche Ständestaat". Deutsche Emigration in Österreich 1933-1938 (Veröff. d. Komm, f. Zeitgeschichte, Reihe B., Bd. 19), Mainz 1976, insbes. 3 5 - 4 2 . n ) Gemeint ist der Artikel: Prinz Eugen - Hitlers Vorgänger, in: Der Österreicher v. 1.5.1936, 3. Dort auch Auszüge aus „Der Christliche Ständestaat".

Erster Besuch in München

57

Interessanter als all dies war es für mich, daß sich auf dem Boden der österreichischen Gesandtschaft mir zu Ehren zum erstenmal die Spitzen der deutschen Wehrmacht, geführt von dem eben zum Feldmarschall ernannten Blomberg, eingefunden hatten. Unter anderen lernte ich auch General Milch 1 2 ) kennen. Nach dem Speisen setzten sich Blomberg und ich auf dem historischen Strohsofa, das einstmals Franz Joseph, Wilhelm II. und Auguste Viktoria eingenommen hatten, zu einer vertraulichen Zwiesprache zusammen, deren Inhalt wohl auch dem Führer bekannt wurde. Wir waren beide von der Notwendigkeit durchdrungen, dem skandalösen Zustande zwischen Deutschland und Österreich ein Ende zu bereiten. Desselben Geistes war eine Unterredung, die ich tags darauf mit dem Freiherrn von Neurath 1 3 ) hatte, wobei mir eine komische Sache passierte. Ich ließ mich außer bei Neurath auch bei meinem Brest-Litowsker Bekannten, dem Staatssekretär Bülow, ansagen. Als ich eintrat, wunderte ich mich, wie sehr dieser sich verändert hatte. Ich saß aber nicht ihm, sondern dem Reichsminister selbst gegenüber. Das Mißverständnis klärte sich rasch auf. Neurath zeigte sich mir vom ersten Augenblick an als der ausgezeichnete, feine, aufgeschlossene Mann, als den ich ihn später immer mehr schätzen lernte. Bülow war nicht minder liebenswürdig und gab beim Abschied der bestimmten Erwartung Ausdruck, mich beim nächsten Berliner Aufenthalt als Gast bei einem Frühstück begrüßen zu können. Wenige Wochen später starb er - gleich dem Brester Kameraden Hoesch - eines frühen Todes 1 4 ). Auch mit dem Österreichreferenten des Auswärtigen Amtes, Herrn v. RentheFink 1 5 ), hatte ich mehrfache Unterredungen. Allen machte ich bestimmte Vorschläge für die Wiederherstellung der Beziehungen zu Österreich: engere zwischenstaatliche Zusammenarbeit außenpolitischer, militärischer und wirtschaftlicher Natur, Lösung der inneren Situation in Österreich durch Zulassung einer „Henleinbewegung" innerhalb der V F . 1 6 ) als Ersatz für eine besondere N S D A P , Aufsaugung des militanten nationalen Elements der SA und SS im deutschen Turner1 2 ) Erhard Milch (Wilhelmshaven, 3 0 . 3 . 1 8 9 2 - ? ) , Fliegeroffizier, 1 9 2 3 - 1 9 3 3 bei der Lufthansa, 1 9 3 3 - 1 9 4 4 Staatssekretär im Reichs-Luftfahrtministerium, 1 9 3 8 - 1 9 4 5 Generalinspekteur der D t . Luftwaffe, 1 9 4 1 - 1 9 4 4 General-Luftzeugmeister, 1940 G F M , 1947 zu lebenslanger Haft verurteilt, 1954 entlassen. Vgl. D . Irving, D i e Tragödie der deutschen Luftwaffe. Aus den Akten und Erinnerungen von Feldmarschall Milch, Frankfurt/Main et al. 1970.

" ) Konstantin Frh. v. Neurath (Klein-Glattbach, 2 . 2 . 1 8 7 3 bis 1 9 . 8 . 1 9 5 6 , Leinfelder H o f bei E n z weihingen, Württemberg), Diplomat, 2 . 6 . 1 9 3 2 bis 4 . 2 . 1 9 3 8 Reichsaußenminister, sodann R M . ohne Geschäftsbereich, 1 8 . 3 . 1 9 3 9 Reichsprotektor für B ö h m e n und Mähren, I X . / 1 9 4 1 beurlaubt, 1943 zurückgetreten, 1946 zu 15 Jahren Haft verurteilt, 1954 entlassen. 14) Am 21.6.1936. 1 5 ) Cecil v. R e n t h e - F i n k (Breslau, 2 7 . 1 . 1 8 8 5 bis 2 2 . 8 . 1 9 6 4 , München), Sohn eines preußischen G e n L t . , 1913 als D r . iur. zum Diplomatischen Dienst einberufen, 1916 zur Gesandtschaft in B e r n , 1920 von dort ins A A . , 1921 Legationsrat, 1922 an die Botschaft in Paris, 1923 zurückberufen, 1927 in die pol. Abt. des Völkerbundsekretariats, 1933 ins A A . , 9 . 6 . 1 9 3 6 Gesandter in Kopenhagen, von dort X I I . / 1943 als diplomatischer Sonderbeauftragter bei Petain nach V i c h y . 1945 an Dänemark ausgeliefert, jedoch nicht verurteilt. 1 6 ) Abkürzung für Vaterländische F r o n t , eine von Engelbert D o l l f u ß in einer Rede um den 2 5 . 4 . 1 9 3 3 erstmals erwähnte „ B e z e i c h n u n g für eine .überparteiliche' Zusammenfassung aller r e g i e rungstreuen' Ö s t e r r e i c h e r " . Z u m Eintritt in diese Organisation wurde erstmals am 2 1 . 5 . 1 9 3 3 aufgerufen. A u f ihrer Kundgebung vom 1 1 . 9 . 1 9 3 3 hielt Dollfuß seine R e d e , in der er die Errichtung eines „ s o -

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Juliabkommen 1936 und Eintritt in das Kabinett Schuschnigg

bund 1 7 ). Was die „Henleinbewegung" anlangt, so glaubte ich mich vom Herbst 1934 her für berechtigt, bei Schuschnigg eine gewisse Neigung zu einer solchen Lösung annehmen zu dürfen. Sie hätte dem Grundgedanken der Politik entsprochen, die ich als Minister - im Gegensatz zu Friedl Rainer 18 ), Globocnik 1 9 ), Seyß-Inquart und natürlich auch Schuschnigg - immer verfolgte: daß man den nationalgesinnten Menschen Österreichs eine legale Organisationsmöglichkeit gewähren müsse, wolle man erreichen, daß er der illegalen Politik den Abschied gäbe. Nicht zu verkennen war allerdings, daß meine Lösung.im Grunde genommen die Aufgabe der politischen Totalität der VF., das heißt ihre Aufspaltung in zwei Koalitionsparteien, bedeutet hätte. Aber bei der Dynamik des Nationalsozialismus im Reiche schien mir, abgesehen vom Gefühlsmäßigen, meine Methode die einzig mögliche zu sein - zugegeben selbst, daß sie, was ich damals noch nicht für zweifellos hielt, früher oder später zur nationalsozialistischen Totalität führen mußte. Eine solche zu verhindern, wäre auf die Dauer der in Österreich herrschenden Minderheit höchstens möglich gewesen, wenn vorher der Nationalsozialismus im Reich zusammengebrochen wäre oder die anderen Großmächte eine entschlossene Einheitsfront gebildet hätten. Ich kehrte reich an Eindrücken aus Berlin zurück 2 0 ), w o ich auch manchen Faden alter Freundschaft wieder neu angeknüpft hatte. Schuschnigg empfing mich erst zialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage und starker autoritärer Führung . . . " forderte. Es entwickelte sich eine nach dem Führerprinzip geschaffene Einheitsorganisation, die versuchte, auch die Arbeiterschaft zu gewinnen. V g l . : J. Bärnthaler, Die Vaterländische Front. Geschichte und Organisation, Wien 1971. 1 7 ) Der im Jahre 1919 aus drei ehemals konkurrierenden Verbänden entstandene „Deutsche Turnerbund 1919" (seit 1925 Deutscher Turnerbund) hatte als Ziel „Erhaltung, Ausbreitung und Förderung des deutschen Volkstums durch das deutsche Turnen". Vgl. R . Schmidl, Der Deutsche Turnerbund (1919) und seine politische Relevanz in der Ersten Republik Österreich, W r . ungedr. Diss. 1978. 1 8 ) Friedrich Rainer (St. Veit a. d. Glan. 28. 7.1903 bis 19. 8.1947, hingerichtet in Belgrad), Teilnehmer am Kärntner Abwehrkampf, 1926 Dr. iur., seit 1923 Mitglied der NSDAP, 1933 der SS, seit VII./1934 in der NS-Gauleitung Kärnten, 1935/36 inhaftiert, ab Juni 1936 in der illegalen Landesleitung der N S D A P , 14.3.1938 SS-Standartenführer und Staatssekretär im Ministerium für politische Willensbildung, dann Organisationsleiter für die Volksabstimmung, 24.5.1938 Gauleiter von Salzburg, XI./1941 Gauleiter von Kärnten, 10.9.1943 auch Oberster Kommissar in der Operationszone Adriatisches Küstenland (Provinzen Friaul, Görz, Triest, Istrien, Fiume, Quarnero, Laibach), Zeuge im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß, I./1947 an Jugoslawien ausgeliefert, Prozeß in Laibach. 19 ) Odilo Globocnik (Triest, 24.4.1904 bis 3 . 6 . 1 9 4 5 , Selbstmord in Paternion, Kärnten), Sohn eines k. u. k. Oblt. a. D. und Postoberoffizials in Landschütz bei Preßburg, 1914/1918 Frequentant der M U R . St. Pölten, Kärntner Abwehrkämpfer, Baumeister in Kärnten, bei Kärntner SA, ab 1924 Bauleiter bei Wasserkraftwerken, 1930 zur NSDAP, 1933 mit der Leitung des Gaues Kärnten betraut und Eintritt in die SS, 1936 kurz geschäftsführender Landesleiter, 1938 Stabsleiter der Landesleitung, 12.3.1938 Staatssekretär für politische Willensbildung und SS-Standartenführer, 24.5.1938 Gauleiter in Wien, 3 1 . 1 . 1 9 3 9 Rücktritt, 1.2.1939 SS-Brigadeführer, zum persönlichen Stab Reichsführer SS versetzt, 1939 SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, führend mit der Vernichtung der Juden im Generalgouvernement beauftrag. Erbauer der Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka, Leiter der „ A k t i o n Reinhard". 1.9.1943 Höherer SS- und Polizeiführer „Adriatisches Küstenland". 2 0 ) Vgl. auch L. Jedlicka, Vom alten zum neuen Österreich, St. Pölten 1975, 358f.: Nach einem Bericht des ö s t . Militärattaches in Rom, Oberst Dr. Liebitzky, hätten sich Journalisten in Berlin sehr darüber amüsiert, daß Glaise-Horstenau „ohne Schultern" nach Wien zurückgekommen sei, so sehr hätte

Verhandlungen mit Papen

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in der ersten Maiwoche und hörte meinen Bericht mit der ihm nicht selten eigenen starren Maske an, ohne sich weiter nennenswert zu äußern. Ich weiß nicht, ob es bei dieser Gelegenheit war oder sonst in diesen Tagen: als ich auf den Ballhausplatz heraustrat, fuhr ein Auto vor und Guido Schmidt 21 ), damals Kabinettsvizedirektor bei Miklas, sprang heraus und sagte: „Ich komme eben von Papen" 22 ). Die Einzelheiten der Vorgänge sind mir nicht mehr geläufig. So viel aber ist sicher, daß der junge Ehrgeizling, der sich des besonderen Vertrauens Schuschniggs erfreute, einen erheblichen Anteil an der Einleitung der Verhandlungen hatte 23 ) und sich damit seine außenpolitischen Sporen verdiente. Die nächsten 14 Tage verliefen außerordentlich ereignisreich. Einige Wochen zuvor hatten wir im Ringklub, dessen Zusammenkünfte fast immer sehr anregend verliefen, da die Diskussion sehr frei war und auch wir „Nationalen" (Menghin 24 ), GFM. Blomberg ihm auf die Schulter geklopft. Der Informant Liebitzkys hätte daran die Frage geschlossen, ob der „Reichswehrmythos" - gemeint ist der Glaube, daß die Reichswehr in der österreichischen Frage anderer Meinung sei als Hitler und sich gegen diesen stellen würde - Österreich in seinen Bann geschlagen hätte. Anläßlich der Prinz-Eugen-Feier hätten ausländische Beobachter diesbezügliche Besorgnisse geäußert. 2 1 ) Guido Schmidt (Bludenz, 15.1.1901 bis 5.12.1957, Wien), „Stella Matutina" in Feldkirch, Diplomat, ab 1928 in der Kabinettskanzlei des Bundespräsidenten, zuletzt als Kabinettsvizedirektor, 11.7.1936 Staatssekretär und ab 16.2.1938 Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, 11.3.1938 Rücktritt, ab 1.7.1938 im Vorstand der Hermann-Göring-Werke. 1947 in einem Hochverratsprozeß freigesprochen Vgl.: Der Hochverratsprozeß gegen Dr. Guido Schmidt vor dem Wiener Volksgericht, Wien 1947. " ) Franz v. Papen (Werl, Westfalen, 29.10.1879 bis 2 . 5 . 1 9 6 9 , Obersasbach, Baden), Kavallerieoffizier, 1914 dt. Militärattache in Washington, 1915 abberufen, 1917 Chef der Operationsabt. der Armeegruppe Falkenhayn in Mesopotamien, 1921-1932 Mitglied des Abgeordnetenhauses als Führer des rechten monarchistischen Zentrumsflügels, 1932 aus der Zentrumspartei ausgetreten, 1.6.1932 Reichskanzler, zweimal Wahlen, 17.11.1932 Rücktritt, 3 0 . 1 . 1 9 3 3 Vizekanzler, 28.7.1934 ao. Gesandter in Wien, 4 . 2 . 1 9 3 8 Abberufung, IV./1939 als Botschafter nach Ankara, VIII./1944 Rückkehr, 1946 im Nürnberger Prozeß freigesprochen. Seine Memoiren: Der Wahrheit eine Gasse, Innsbruck 1952. Hier S. 399ff. über Österreich, S. 427 f. über Glaise-Horstenau. Zu diesem Buch hat Schuschnigg durch die Artikelserie „Irrtümer und Gedächtnislücken eines Memoiren-Schreibers", in: Münchner Merkur v. 12., 13., 14.3.1953, Stellung genommen. Papen antwortete am 10.4.1953 und Schuschnigg replizierte am 2 5 . 4 . 1 9 5 3 . Zu dieser Kontroverse nahm dann noch Karl Gottfried Hugelmann (vgl. Memoiren, 1. BD., 529) im Göttinger Tageblatt, 14.4.1953 und 13.5.1953, ausführlich Stellung. 2 3 ) Am 11. Juli (sie!) 1935 hatte Papen Außenminister Berger-Waldenegg eine „persönliche Studie" zur Frage der Entspannung überreicht und im September 1935 teilte er mit, er sei von der Reichsregierung ermächtigt, darüber zu verhandeln. Es kam zwar zu Unterhandlungen, die österreichische Regierung schob jedoch eine Antwort auf dieses Dokument immer wieder hinaus. Erst als Guido Schmidt als Kabinettsvizedirektor - in die österreichische Außenpolitik eingeschaltet wurde und am 1. Mai 1936 erstmals mit Papen sprach, wurde intensiver verhandelt. Schuschnigg antwortete am 19.6.1936 auf Papens Vorschläge vom Vorjahr. Vgl. Eichstädt, 94ff.; J. Gehl, 109ff. 2 4 ) Oswald Menghin (Meran, 19.4.1888 bis 29.11.1973, Buenos Aires), Urgeschichtsforscher, 1910 Dr. phil, ab 1911 am N ö Landesmuseum, Privatdozent, 1918 ao. Univ.-Prof. f. prähistorische Archäologie, 1922 Ordinarius, 1935/36 Rektor der Univ. Wien. International anerkannter und bahnbrechender Urgeschichtsforscher. Seine wichtigste Dichtung: Zerrissene Fahnen, Innsbruck 1924; seine wichtigste rassentheoretische Schrift: Geist und Blut, Wien 1933. 12.3.1938 B M . f. Unterricht. Nach 1945 Titularprofessor f. Urgeschichte an der Universität Buenos Aires. Vgl.: R. Pittioni, Oswald Menghin (1888-1973), in: Archaeologia Austriaca, Nr. 55/1974, 1 - 5 ; R. S. Geer, Oswald Menghin, ein Vertreter der Katholischen Nationalen (im Druck).

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B ö h m 2 5 ) , W o l f , K o n s u l M e s s n e r 2 6 ) ) keinerlei besondere Z u r ü c k h a l t u n g zu üben brauchten, eine Wechselrede, an der sich auch E n d e r 2 7 ) und Schuschnigg beteiligten. M i t g r o ß e m F r e i m u t erörterte jener in G e g e n w a r t des Regierungschefs, daß das System des D u u m v i r a t s , der Staatsführung mit zwei K ö p f e n , auf die D a u e r nicht haltbar sein werde. Ich hatte mich in ganz gleicher Weise Schuschnigg gegenüber schon im H e r b s t 1934 ausgedrückt. D i e K o n s t r u k t i o n , daß S t a r h e m b e r g 2 8 ) in der Regierung Stellvertreter Schuschniggs w a r , w ä h r e n d in der V F . die umgekehrte R a n g o r d n u n g galt, erschien mir v o n H a u s aus als gekünstelt und bei dem zügellosen T e m p e r a m e n t Starhembergs auch unmöglich. Schuschnigg erklärte mir damals, die L ö s u n g stelle das einzige Mittel dar, den F ü r s t e n an der Stange zu halten. In der sehr zurückhaltenden A n t w o r t an E n d e r schien er nicht m e h r der ganz gleichen Meinung gewesen zu sein. Interessant w a r an diesem A b e n d - nebenbei bemerkt eine Ä u ß e r u n g über die zeitliche Begrenztheit der Unabhängigkeit Ö s t e r r e i c h s . Ich sagte beim W e g g e h e n z u m alten S c h ö n b u r g : „ D e r hat heute eine Anschlußrede geh a l t e n . " E i n e B e m e r k u n g , die der F ü r s t , innerlich gespaltenen Gefühls, nicht sehr gern z u r Kenntnis n a h m . N u n sollte sich in der zweiten M a i w o c h e 1 9 3 6 v o r aller W e l t erweisen, daß das Zweigespann S c h u s c h n i g g - S t a r h e m b e r g nicht länger zu halten w a r . A m Sonntag, 2 5 ) Gemeint ist wahrscheinlich D r . Anton B ö h m (geb. 6 . 3 . 1 9 0 4 , Wien), studierte Rechts- und G e i steswissenschaften, Publizist, Reichsideologe, seit 1928 Mitarbeit an „ S c h ö n e r e Z u k u n f t " , Mitarbeiter an dem Sammelwerk „ B e k e n n t n i s zu Ö s t e r r e i c h " (1932), Redner am Allgemeinen Deutschen Katholikentag in Wien 1933; Mitglied der Organisationen „ K r e u z und A d l e r " und „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen F r i e d e n " , seit 1934 Mitglied der N S D A P , 1938 durch Bürckel zum kommissarischen Leiter der „ R e i c h s p o s t " eingesetzt (bis 3 1 . 8 . 1 9 3 8 ) ; ab 1940 Wehrdienst; seit 1947 Mitherausgeber von „ W o r t und W a h r h e i t " , später Chefredakteur des „Rheinischen M e r k u r " . Vgl. seine Aufsätze: Vergangene Visionen. Anmerkungen zu Klaus Breunings Buch „ D i e Vision des R e i c h e s " , in: D i e Presse, 22. 8 . 1 9 6 9 , 4 ; Ein Wegbahner Österreichs: Seipel ohne H a ß oder Weihrauch, ebdt., 2 1 . / 2 2 . 4 . 1 9 7 9 , 15. 2 6 ) Franz Messner (Brixlegg, 8. 12. 1896 bis 1945, K Z Mauthausen), Generaldirektor der Semperitwerke; 1941/42 Vorsitzender des Vorstandes der S e m p e r i t - G u m m i w e r k e A G W i e n ; Vorstand des Aufsichtsrates der Semperit-Werke in Agram, Budapest u. Sofia. 1942/43 inhaftiert; Verwandter des U n t e r richtsministers Pernter. " ) O t t o Ender (Altach, Vorarlberg, 2 4 . 1 2 . 1 8 7 5 bis 2 5 . 6 . 1 9 6 0 , Bregenz), Rechtsanwalt, christlichsozialer Politiker; 3 . 1 1 . 1 9 1 8 bis 3 . 1 2 . 1 9 3 0 u. 1 4 . 7 . 1 9 3 1 bis 1 6 . 7 . 1 9 3 4 Landeshauptmann von Vorarlberg, 4 . 1 2 . 1 9 3 0 bis 2 0 . 6 . 1 9 3 1 Bundeskanzler, 1 9 . 7 . 1 9 3 3 bis 1 0 . 7 . 1 9 3 4 B M . f. Verfassungs- u. Verwaltungsreform, 1 5 . 7 . 1 9 3 4 bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Präsident des Rechnungshofes. 2 B ) Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg (Eferding, 1 0 . 5 . 1 8 9 9 bis 1 5 . 3 . 1 9 5 6 , Schruns, Vorarlberg), nach Matura 1917 Kriegsdienst bei D R . 4, 1 . 6 . 1 9 1 8 F h r . d. R e s . , ab 1920 Studium an Universität Innsbruck, im Rahmen des „ S t u r m z u g T i r o l " Teilnahme an den Kämpfen des Freikorps „ O b e r l a n d " in Oberschlesien, 1923 Teilnahme am Hitlerputsch in M ü n c h e n , 1927 Eintritt in die H e i m w e h r , zunächst 1929 F ü h rer des Mühlviertier Kreises, 1 9 3 0 - 1 9 3 6 Bundesführer der Heimwehr, 1 9 3 0 - 1 9 3 1 Abgeordneter der Heimatschutzfraktion zum Nationalrat, 3 0 . 9 . bis 4 . 1 2 . 1 9 3 0 B M . f. Inneres, 1 . 5 . 1 9 3 4 bis 1 4 . 5 . 1 9 3 6 Vizekanzler, 3 0 . 7 . 1 9 3 4 bis 1 7 . 1 0 . 1 9 3 5 B M . f. Sicherheitswesen. Vgl. E . Berger, Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg. Versuch einer Biographie, W r . Diss, 1967; C h r . Kleinwaechter, Ernst Rüdiger Starhemberg, in: N e u e öst. Biographie ab 1815, 18. B d . , Wien 1968, 2 0 7 - 2 1 6 ; H . Slapnicka, Oberösterreich. Die politische Führungsschicht 1 9 1 8 - 1 9 3 8 , L i n z 1976, 2 4 6 - 2 5 0 . Sein posthum erschienenes W e r k „ M e m o i r e n " , W i e n - M ü n c h e n 1971, stellt eine Kompilation zweier unterschiedlicher Fassungen seiner während des 2. Weltkrieges verfaßten Lebenserinnerungen dar. Diese Fassungen sind im Wiener Institut f., Zeitgeschichte zugänglich.

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den 10. Mai veranstaltete die demokratische Gruppe der VF. unter der Führung von Raab 29 ), Staud 30 ), Kunschak 31 ) und Konsorten rund um den „Freiheitsbund", der christlichsozialen, mit der Arbeiterschaft kokettierenden Selbstschutzorganisation, eine Demonstration auf dem Heldenplatz, der ein Aufzug über den Ring folgte, Schuschnigg schritt im Zug. Die Wiener Heimwehr hatte sich im Spalier zu Gegenkundgebungen eingefunden, die sehr turbulent verliefen und durch das „zufällige" Erscheinen Feys 3 2 ) auf einem Balkon an der Ecke der Babenbergerstraße noch eine besondere Note erhielten. Die Polizei nahm Verhaftungen vor, Starhemberg erschien aber wenige Stunden später auf der Elisabethpromenade und verfügte die Freilassung. Am zweitnächsten Morgen wurde der Wiener Zeitungsleser durch ein Huldigungstelegramm des Fürsten an Mussolini überrascht, in welchem das Wort „faschistisch" in begeisterungsvoller Steigerung achtmal vorkam 33 ). Der Duce mag sich über dieses Telegramm nicht mehr sonderlich gefreut haben; er hatte bereits 2 ») Julius Raab (St. Pölten, 2 9 . 1 1 . 1 8 9 1 bis 5 . 1 . 1 9 6 4 , Wien), Baumeister, im 1. Weltkrieg zuletzt O b l t . i . d . Res., K m d t . der Sappeurkp. 3/4, 1927 Abg. z. N R . der Christlichsozialen Partei f ü r N ö , in diesem Jahr von Seipel auch in die nö. H e i m w e h r entsandt, 1930 Rücktritt als deren Landesführer, Rer Organisator des ö s t . G e w e r b e b u n d e s , 16.2. bis 11.3.1938 Bundesminister f. H a n d e l - u n d Verkehr, 1938-1945 polit. verfolgt u. im Straßenbau tätig, 2 7 . 4 . bis 2 0 . 1 2 . 1 9 4 5 Staatssekretär f ü r öffentliche Bauten, ab 1945 f ü h r e n d e r Politiker der „ ö s t e r r e i c h i s c h e n Volkspartei", 2 4 . 7 . 1 9 4 6 Präsident der B u n deshandelskammer, 2 . 4 . 1 9 5 3 bis 11.4.1961 Bundeskanzler, 1963 Bundespräsidentschaftskandidat. Vgl. L. Jedlicka, Julius Raab (1891-1964), in: Vom alten z u m neuen Österreich, St. Pölten 1975, 4 5 1 - 4 7 2 . 30 ) J o h a n n Staud ( R o h o z n ä / P o l i c k a , B ö h m e n , 2 2 . 5 . 1 8 8 2 bis 2 . 1 0 . 1 9 3 9 , K Z Flossenbürg), Schuhmacher, Mitarbeiter Kunschaks in der christlichsozialen Gewerkschaftsbewegung, zahlreiche Ä m t e r ab 1909, 2 . 3 . 1 9 3 4 Vorsitzender der Einheitsgewerkschaft, B u n d e s f ü h r e r des Freiheitsbundes, der Selbstschutzorganis. der christlichen Arbeiter und Angestellten, 12.3.1938 ins K Z Dachau. 31 ) Leopold Kunschak (Wien, 11.11.1871 bis 13.3.1953, Wien), Sattlergehilfe, G r ü n d e r christlichsozialer Arbeitervereine, f ü h r e n d e r christlichsozialer G e w e r k s c h a f t e r , ab 1904 im Wiener Gemeinderat, 1907-1911 Reichsratsabgeordneter, 1945 Erster Präsident des Nationalrates.

" ) Emil Fey (Wien, 2 3 . 3 . 1 8 8 6 bis 1 5 . / 1 6 . 3 . 1 9 3 8 , Wien), 1904 als EF. zu Trainregt. 4, dann Berufso f f z . , 1 . 3 . 1 9 1 5 zu IR. 4, 1919 Teilnahme an Kärntner A b w e h r k a m p f , 14.10.1919 Ruhestand, 2 6 . 1 1 . 1 9 2 1 Mjr. i . R . , 16.12.1922 Ritter des M M T O für Waffentat von Zagora am 2 . 1 1 . 1 9 1 5 , Tätigkeit in Kameradschafts- und Wirtschaftsverbänden, 1923 G r ü n d u n g der „ D e u t s c h m e i s t e r - H e i m w e h r " , 1927 G r ü n d e r der „ W i e n e r H e i m w e h r " , 1931 Z u s a m m e n s c h l u ß mit anderen W f . H e i m w e h r v e r b ä n d e n vaterländischer Richtung, 17.10.1932 als Heimwehrvertreter Staatssekretär f . d i Sicherheitswesen, 11.5.1933 B M . f . d . Sicherheitswesen, 2 1 . 9 . 1 9 3 3 Vizekanzler, 11.1.1934 auch wieder B M . f . d . Sicherheitswesen, 1.5.1934 n u r m e h r BM. f . d . Sicherheitswesen, 11.7.1934 B M . o h n e Portefeuille und Generalstaatskommissär f ü r außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen zu B e k ä m p f u n g staatsfeindlicher Bestrebungen in der Privatwirtschaft, 3 0 . 7 . 1 9 3 4 B M . f. Inneres, 17.8.1935 aus der Regierung ausgeschieden, 7 . 1 1 . 1 9 3 5 Präsident der Ersten D o n a u - Dampfschiffahrts-Gesellschaft, X./1936 aus der H e i m w e h r ausgeschlossen. Vgl.: F. O s w a l d , Die Stellung von M a j o r a . D . Emil Fey in der Politik der Ersten Republik u n d des Ständestaates, W r . Diss. 1964. 33

) Das Telegramm w u r d e am 13. Mai publiziert u n d lautete: „ I m Bewußtsein faschistischer Verbundenheit an dem Schicksal des faschistischen Italien innig Anteil n e h m e n d , beglückwünsche ich im N a m e n der f ü r den faschistischen G e d a n k e n in Österreich K ä m p f e n d e n u n d im eigenen N a m e n Euer Exzellenz aus ganzem H e r z e n zu d e m ruhmvollen u n d herrlichen Sieg des italienisch-faschistischen Geistes über demokratische Unehrlichkeit und Heuchelei u n d dem Sieg der faschistischen O p f e r f r e u d i g e n u n d disziplizierten Entschlossenheit über demagogische Verlogenheit. Es lebe der zielbewußte Führer des siegreichen faschistischen Italien! Es lebe der Sieg des faschistischen G e d a n k e n s in der Welt!"

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bei der letzten Zusammenkunft mit Schuschnigg 3 4 ) zu erkennen gegeben, daß ihm an der Erhaltung Starhembergs, der früher sein besonderer Vertrauensmann in der österreichischen Regierung gewesen war, nicht mehr viel läge. Diese Tatsache hat es denn Schuschnigg auch erleichtert, Starhemberg wenige Stunden nach Veröffentlichung der ihm bis dahin unbekannt gebliebenen Depesche zum Rücktritt zu veranlassen. Als Mittelsmann betätigte sich Adam, der auf nicht unüberwindliche Hindernisse stieß. Allerdings war der Fürst im ersten Augenblick entschlossen, die Heim wehr überhaupt aus der Regierung zurückzuziehen 3 5 ). Unter diesem Eindruck entschloß sich Schuschnigg, dem Kabinett einen „nationalen" Einschlag zu geben. Er rief am 14. Mai früh Srbik zu sich und trug ihm die Vizekanzlerschaft an. Srbik war begreiflicherweise sehr überrascht. Er forderte die Versöhnung mit Deutschland als erste Bedingung für seinen Eintritt und bat sich im übrigen Bedenkzeit bis zum Abend aus. Zum Glück für Schuschnigg sagte Srbik am Abend ab. Denn sonst hätte er zu dieser Stunde zwei Vizekanzler gehabt. Denn inzwischen hatten Freunde Starhembergs, an ihrer Spitze der Finanzminister des Kabinetts, Dr. Draxler 3 6 ), den Fürsten bewogen, einer weiteren Vertretung der Heimwehr im Kabinett doch zuzustimmen. Neben Draxler verblieb der bisherige Innenminister, mein „ B e n j a m i n " aus der Neustädter Akademie, Baar von Baarenfels 3 7 ), in der Regierung, indem er gleichzeitig - wo hätte es sich der einstmalige „Bürgermeister", Bezeichnung für den Jahrgangsletzten, träumen lassen! - Vizekanzler wurde. Übrigens erschien Baar bei einer Reitveranstaltung auf dem Poloplatz im Prater in einer grotesken neuen Uniform, die er aber nur einmal trug. Die Leitung der VF. übernahm der Kanzler selbst. Der Dichter Zernatto 3 8 ), als Heimwehrmann zugleich Vizepräsident des Bundesverlages, wurde - auf Rat von Guido Schmidt - Generalsekretär der VF. und zugleich Staatssekretär im Bundeskanzler-

3 4 ) Gemeint ist der Staatsbesuch Schuschniggs in R o m vom 16 bis 20. November 1934, bei dem auch das Militärabkommen unterzeichnet wurde. 3 5 ) Vgl- z u r Regierungsumbildung auch: C . E. E d m o n d s o n , The Heimwehr and Austrian Politics 1918-1936, Athens 1978, 2 5 6 - 2 5 9 . " ) D r . Ludwig Draxler (Wien, 1 8 . 5 . 1 8 9 6 - ? ) , Rechtsanwalt seit 1930, ab 1934 Staatsrat, 17.10.1935 bis 3 . 1 1 . 1 9 3 6 B M . f. Finanzen, Hauptmann i. d. E. d. B H . , Vizepräsident des ö s t . Credit-Instituts. " ) Eduard Baar v. Baarenfels (Laibach, 3 . 1 1 . 1 8 8 5 bis 1 7 . 3 . 1 9 6 7 , Saalfelden), 1905 als Lt. aus Milak. zu D R . 2, 1921 Ruhestand als Mjr., 1936 Obstlt. i. d. Ev. d. B H . ; 1918-1934 Landwirt in Rohrb a c h / N Ö , 1929 zur Heimwehr, bald militärischer Landesführer v. N ö , Mitglied des Bundesrates bzw. Länderrates, 1934-1935 Landeshauptmann-Stellvertreter b z w . Landeshauptmann v. N ö , 14. 5.1936 bis 3 . 1 1 . 1 9 3 6 B M . f. Inneres u. Sicherheitswesen u. Vizekanzler; hohe Funktionen in der VF. und Frontmiliz, 1.12.1936 bis 1938 ao. Gesandter u. bev. Minister in Budapest. 1938 bis 2 8 . 5 . 1 9 4 1 in den K Z s Dachau u. Flossenbürg. 3 S ) G u i d o Zernatto (Treffen bei Villach, 2 1 . 7 . 1 9 0 3 bis 1 1 . 2 . 1 9 4 3 , N e w York). 1919 Teilnahme am Kärntner Abwehrkampf, Dichter und Schriftsteller, 1934 Präsident des Verbandes katholisch-deutscher Schriftsteller, Vizepräsident des ö s t . Bundesverlages, 14. 5.1936 bis 15.2.1938 Staatssekretär im B K A . ; sodann bis 11.3.1938 B M . ohne Portefeuille, Generalsekretär V F . , 11.3.1938 Flucht nach Preßburg u. Frankreich, 1940 nach U S A , 1941 Research-Professor an der Fordham University. Wichtigste Gedichtbände: Gelobt sei alle Kreatur, 1930; Die Sonnenuhr, 1933. R o m a n : Sinnlose Stadt, 1934; Polit. Memoiren: Die Wahrheit über Österreich, N e w York 1938. Vgl. über ihn: Otmar M. Drekonjä, G u i d o Zernatto: Dichtung und Politik, Salzb. ungedr. Diss. 1971.

Gegensatz Schuschnigg - Starhemberg

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amt. Adam zog sich fürs erste auf das Altersteil eines Chefs des Heimatdienstes (Propagandaamt) zurück. Starhemberg blieb Führer der Sport- und Turnfront und hielt sich im übrigen im Schmollwinkel. Er verlegte die Stabsführung der Heimwehr nach Linz. Ein neues Gesetz über die VF. nahm die Bildung von „Führerräten" bei der Bundes- und den Landesleitungen in Aussicht 39 ). Die bewaffneten Selbstschutzverbände sollten dem von Schuschnigg vor einiger Zeit angeordneten Beispiel der Ostmärkischen Sturmscharen 40 ) folgen und ihre Waffen niederlegen, die wehrhaften Mitglieder in eine besondere „Frontmiliz" eintreten, deren Führung Vizekanzler Baar übernahm. Durch die Heimwehr ging geraume Zeit leises Donnergrollen, das in den Heimwehrblättern widerhallte und auch vor der Persönlichkeit des Kanzlers nur versteckt Halt machte. Dabei fehlte es im Heimwehrlager auch nicht an Kritik gegenüber der unglückseligen Leitung Starhembergs, an einer Kritik, die wahrlich nicht unberechtigt war. Eine Kärntner Heimatschutzversammlung forderte gebieterisch die Rückberufung von Fey und Neustädter-Stürmer 41 ) in die Leitung der Bewegung.

3 9 ) Vgl. Bärnthaler, 115f. u. 218. Schuschnigg hatte das „ N e u e Gesetz über die V F " vom 21. Mai 1936 in seiner Antrittsrede als Bundesführer der VF. am 15. Mai 1936 angekündigt. Der Führerrat sollte ein beratendes Organ des Frontführers sein und aus nicht mehr als vierzig Mitgliedern bestehen. Er sollte aus dem Frontführer-Stellvertreter, dem Generalsekretär, den neuen Landesführern, aus je zwei Vertretern der b'erufsständischen Hauptgruppen und aus weiteren vom Bundesführer zu ernennenden Bundesbürgern bestehen. Ferner wurde die Frontmiliz als freiwillige Wehrformation der VF. und zukünftige Milizorganisation des Bundesheeres geschaffen. 4 0 ) Die „Ostmärkischen Sturmscharen" wurden von dem Innsbrucker Lehrer und Obmann des Bruder-Willram-Bundes Hans Bator als politische Jugendbewegung nach dem Muster der katholischen Sturmscharen im Rheinland gegründet. Für die politische Führung gewann Bator den Abgeordneten zum Nationalrat Schuschnigg. Die Gruppe trat erstmals anläßlich der Nationalratswahlen von 1930 auf. Vgl. IfZG., Personalmappe Schuschnigg. Dort eine Anfragebeantwortung, Pörtschach, 13.7.1962, wo Schuschnigg schreibt: „Der Grund der Gründung war das Bestreben nach Erneuerung und vermehrter Stoßkraft zunächst der Tiroler Volkspartei, wie die Tiroler Landesorganisation der Christlichsozialen hieß. Man wollte bewußt, wenn auch unausgesprochen, ein betont christliches österreichisch-konservatives Gegengewicht gegen die Heimwehr schaffen, die in Tirol . . . ein zunächst stark deutsch-nationales, dann aber auch im Organisatorischen und Ideologischen ein nach dem italienischen Faschismus ausgerichtetes Element enthielt. Die OSS. waren als eine Art J u n g e Front' der Christlichsozialen gedacht mit stark traditionalistischem betont österreichischem Programm, durchaus demokratisch, aber mit betonter Kritik des damals schon sehr unpopulären Parlamentarismus, demgegenüber eine echt gewaltentrennende also präsidentielle Demokratie der Vorzug gegeben wurde". Vgl. auch Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, 89 ff. 4 1 ) Odo Neustädter-Stürmer (Laibach, 3 . 1 1 . 1 8 8 5 bis 19.3.1938, Hinterbrühl bei Mödling, N ö ) . Vater war Odo Marchese Gozzani, Sohn sollte Mädchenname der Mutter weiterführen, 1914/15 Kriegsdienst im FKR. 8, 1916 wegen Kurzsichtigkeit als Oblt. entlassen, seit 1912 Staatsbeamter, ab 1919 in Oberösterreich, polit. Tätigkeit beim Heimatschutz, 6 . 2 . 1 9 3 1 bis 2 . 5 . 1 9 3 4 in dessen Nationalratsfraktion, 10. 5.1933 Staatssekretär für Arbeitsdienst und Arbeitsbeschaffung, 16.2.1934 bis 17.10.1935 B M . f. soziale Fürsorge (setzte die staatliche Einheitsgewerkschaft durch), II./1934 bis XI./1936 Gesandter in Budapest, 6 . 1 1 . 1 9 3 6 bis 2 0 . 3 . 1 9 3 7 Bundesminister für Sicherheitswesen; beging in der Befürchtung nationalsozialistischer Vergeltungsmaßnahmen - im Hinblick darauf, daß er am 25. 7.1934 mit den Putschisten im Bundeskanzleramt verhandelt hatte - Selbstmord.

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Juliabkommen 1936 und Eintritt in das Kabinett Schuschnigg

In den 12 Stunden der Regierungsumbildung wurde in Journalistenkreisen auch von einer Übertragung des Außenamtes an mich gesprochen. A m anderen Morgen fand sich in meinem Kriegsarchiv-Büro mein Freund Mannlicher ein, um mir unter Zeichen der Erregung mitzuteilen, daß ihn der Kanzler um 11 U h r nachts zu sich gebeten und ihm in der neuen Regierung einen Ministersitz ohne Portefeuille angetragen habe 4 2 ). Wie ich nachher von Srbik erfuhr, hat dieser auf eine Anfrage Schuschniggs Mannlicher vorgeschlagen. Mannlicher brachte, abgesehen von Einwendungen wegen der ihm zugedachten persönlichen Stellung, sofort die gleichen B e denken wie Srbik vor, erbat sich eine Frist zur Entscheidung und überdies das Recht, mit einigen Freunden, darunter vor allem mit mir, Rücksprache zu pflegen. Mannlichers Verhalten war für einen nationalen Mann selbstverständlich, aber es machte auf mich doch Eindruck. N i c h t jeder hätte so geradlinig seinen W e g eingehalten. Wir waren völlig eines Sinnes und Mannlicher hielt mich in den nächsten W o c h e n über die allerdings zäh vor sich gehenden Verhandlungen am laufenden. Gleichzeitig traten wir beide mit Papen in engere Beziehung, der seinerseits emsig an der Herstellung der zwischenstaatlichen Vereinbarungen arbeitete. Selbstverständlich vervielfältigten sich auch die Zusammenkünfte mit Muff. Fast jeden zweiten Tag, zuletzt sogar täglich, trafen wir uns in einer der Polsternischen des Café Casa piccola 4 3 ). Die Begegnungen hätten anfänglich inkognito stattfinden sollen, 4 2 ) Vgl. dazu Mannlichers Stellungnahme in einem Interview mit D r . Isabella Ackerl (Wissenschaftliche Kommission der T h e o d o r Körner-Stiftung und des Leopold Kunschak-Preises zur Erforschung der Geschichte Österreichs in den Jahren 1 9 1 8 - 1 9 3 8 ) und eine schriftliche Anfragebeantwortung an Rudolf Kiszling (um 1974) im Besitz des Herausgebers „ D i e stärkste Erinnerung an ihn ( d . i . Glaise-Horstenau; der Herausgeber) bildet für mich mein Besuch bei ihm am Tage, nachdem mir von Schuschnigg anläßlich des Ausscheidens der H e i m w e h r aus der Regierung der Eintritt in sein Kabinett angeboten wurde. V o r mir war bereits Univ. Prof. D r . Srbik von Schuschnigg zum Eintritt in das Kabinett aufgefordert worden. Ich selbst wurde in der Nacht ins Bundeskanzleramt gerufen, bei welcher Unterredung mir dann Schuschnigg den sofortigen Eintritt in das Kabinett als Minister für Allgemeine Verfassungs- und V e r waltungsfragen angeboten hat. Ich vertrat hiebei den Standpunkt, daß die Absicht Schuschniggs, mit meiner Aufnahme in die Regierung eine Geste der Befriedung und des Entgegenkommens gegenüber den nationalen Kreisen zu setzen, in keiner Weise erreicht werden könnte, wenn ich - ohne daß vorher F ü h lungnahme mit diesen stattgefunden hätte - am nächsten Morgen in den Zeitungen als Mitglied des K a binetts aufscheinen würde. N a c h längerer Unterredung, in der ich an meiner Auffassung festhielt, erklärte sich Schuschnigg einverstanden, daß die geplante sofortige Aufnahme in das Kabinett unterbleibe und ich von ihm ermächtigt wurde, mit maßgebenden Persönlichkeiten des nationalen Kreises das E i n vernehmen herzustellen, um ein entsprechendes Befriedungsprogramm zu verfassen. Ich blieb auch weiterhin bei der Auffassung, daß die Verlautbarung eines sofortigen Eintritts in die Regierung sogar mit der Folge verbunden sein könnte, daß ich mich, um eines Ministersessels willen, in die Rolle eines R e n e gaten habe drängen lassen, als noch in derselben Nacht Baron Hammerstein, von Schuschnigg entsandt, als designierter Justizminister zu mir in die Wohnung kam, um mich umzustimmen. A m folgenden Tag habe ich dann die von mir als notwendig erkannten Unterredungen mit Personen des nationalen Kreises durchgeführt - so mit Bardolff, Tilgner, vormals Präsident der Handelskammer, und auch mit GlaiseHorstenau. Bei dieser Aussprache mit Glaise-Horstenau ist mir unvergeßlich, wie er - als ich ihm von allem Mitteilung machte - bei mir den Eindruck hervorrief, daß ihm sozusagen die Felle davonges c h w o m m e n seien, weil er eigentlich erwartet hatte, daß man, sollte es zu so einer Befriedungsgeste k o m m e n , vor allem an ihn gedacht h ä t t e . " 4 3 ) V o m 18. Jahrhundert bis in die sechziger J a h r e des 20. Jahrhunderts berühmtes Kaffeehaus im 6 . B e z i r k , Mariahilferstr. 1 b.

S c h u s c h n i g g tritt an die „ N a t i o n a l e n " h e r a n

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aber der „ausrichtsame" Ober hatte uns schon das drittemal mit Herr General und Herr Staatsrat begrüßt. Einmal hatten die Vertreter der nationalen Richtung auch in den Räumen des deutschen Volksrates unter dem Vorsitz Bardolffs eine Besprechung 44 ). Der schweigsamste unter den Anwesenden war der Rechtsanwalt Dr. Seyß-Inquart, der beredteste sein Kollege Dr. Führer 4 5 ), der mir einige Tage später nahelegte, Schuschnigg zu sagen, es gäbe nur einen Mann, der die Sache der äußeren und inneren Befriedung schmeißen könne, das sei er, Dr. Führer, selbst 46 ). Ich fuhr an diesem 4 4 ) Vgl. D Ö W . 6036: Gemeint ist wahrscheinlich die Besprechung vom 26. 5 . 1 9 3 6 , bei der Bardolff, Srbik, Glaise, Mannlicher, Seyß-Inquart, Ernst Schönbauer und Handelskammerpräsident i. R . Tilgner anwesend waren. Ein Protokoll dieser Besprechung fiel mit einer Anzahl weiterer Akten aus dem Besitz des in Anm. 45 näher behandelten D r . Erich Führer in die Hände der Polizei. D a der Bericht der Bundespolizeidirektion Wien an die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Wien, 1 6 . 9 . 1 9 3 7 , samt den beigelegten Aktenabschriften in der bisherigen Literatur nicht erörtert wurde, wird in der Folge ausführlicher darauf eingegangen. Srbik berichtete über seinen Eindruck bei zwei Besprechungen Mitte Mai mit Schuschnigg, daß dieser anscheinend zu einer Versöhnung mit nationalen Kreisen bereit sei. E r , Srbik, sei aber mangels Praxis nicht zu einer Übernahme des Innenministeriums bereit gewesen. Mannlicher berichtete, Schuschnigg sei zu einer weitgehenden Amnestie bereit und habe ihm den Eintritt in die Regierung angeboten. Er hätte erklärt, er müsse mit nationalen Kreisen Fühlung aufnehmen und ein Mindestforderungsprogramm zusammenstellen. Führer erklärte, daß er gegen einen Versuch keine Bedenken habe, ebenso Schönbauer. Mannlicher faßte seinen Standpunkt dahin zusammen: österreichische Unabhängigkeit, aber „keine Kombination ohne Deutschland". Er stelle sich den Eintritt eines Ministers ohne Portefeuille bzw. Vizekanzlers und eines Ressortministers, nämlich des Justizministers, vor. Mannlicher trägt sodann sein Programm vor und erklärt, daß es Papen und Muff bekannt sei. Alle Anwesenden meinen, daß Hitler das Programm billigen müßte, wozu Papen und Muff die Vermittlung übernehmen sollten; Führer fügt hinzu, daß dies auch ein Beauftragter Leopolds tun sollte. Er, Führer, würde vor Abschluß der Verhandlungen mit Leopold sprechen. Mannlicher meint, der zweite Minister sollte dem „nationalen katholischen" Flügel entnommen werden. Bei den einzelnen Bedingungen verweist Srbik ausdrücklich auf die geforderte Präzisierung der Numerus-Clausus-Grenze, bis auf die die „rücksichtslose Zurückdrängung des jüdischen Einflusses" vorgenommen werden soll. Führer vereinbart mit Glaise-Horstenau noch eine persönliche Aussprache. 4 5 ) Erich Führer (geb. Wien, 5. 4. 1900), Funktionär der Studentenschaft an der Universität Wien, verteidigte einige der Juli-Attentäter von 1934, seit Februar 1935 Rechtsanwalt, seit 1928 Angehöriger der N S D A P , später auch der SS. 1938/39 Vizepräsident der Wiener Anwaltskammer. 4 6 ) D Ö W . 6036: Gedächtnisnotiz Dr. Führers über die Unterredung mit Glaise-Horstenau am 3 0 . 5 . 1 9 3 6 . Glaise erzählte über Mannlichers Bericht, daß nämlich bei dessen Unterredung mit Schuschnigg „die Frage der entgiltigen Volksabstimmung, über die zu vollziehenden Änderungen der Verfassung, weiters die Ausbootung der beiden ,Reichsfeinde' Ludwig und Hornbostel auf Bedenken" gestoßen sei. Schuschnigg hätte versprochen, sich mit Glaise zu besprechen. Führer erklärte sodann bezüglich des zweiten Ministerpostens, „daß ein in ähnlicher Stellung wie ich befindlicher Mann diese Person sein m ü ß t e . " Auf Glaises Frage erklärte sich Führer zur Annahme eines solchen Postens bereit. Glaise und Führer waren sich klar, „daß die erste Garnitur ziemlich rasch verbraucht wäre". Glaise trat dafür ein, sich mit weniger, nämlich einer weitgehenden Amnestie zu begnügen, falls ein Scheitern der Verhandlungen drohte, und meinte, daß die Neubildung der Stresafront und die Restauration O t t o v. Habsburgs möglich wären, da Titulescu „in Wien mitteilen ließ, daß Rumänien und die Cechoslovakei gegen ihn nichts einzuwenden hätten". Führer befürchtet, daß bei einer Restauration die radikalen Elemente von 1934 wieder Oberwasser bekämen. Führer hält fest, er „habe von Glaise, seinem Wesen und Wollen tatsächlich den besten Eindruck gewonnen. Ist sein Einfluß bei Schuschnigg so groß, wie seine durchaus gesamtdeutsche Einstellung, wie auch seine zwar keinesfalls 100%ige nat. soz. Uberzeugung, so steht Positives zu erwarten." Weiters werden weitere „Veranstaltungen gesamtdeutscher N o t e " auf reichsdeutschem Boden von beiden empfohlen. Glaise erzählt noch über Schuschnigg, er hätte im September

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Abend mit Srbik heim, der mir mitteilte, er habe am 14. abends vor allem mich dem Kanzler als Ministerkandidaten genannt; dieser habe jedoch geantwortet, daß ich für den Posten des Berliner Gesandten ausersehen sei. In diese Ta^e fielen zwei militärische Feste. Das eine war der Altsoldatentag, der am 21. Mai von der höchst unsympathischen „Soldatenfront" auf der historischen Stätte von Aspern abgehalten wurde. Alle Minister waren - als Offiziere in der Evidenz des Bundesheeres - in Felduniform erschienen. Schuschnigg paradierte als Artillerieleutnant ohne Zwicker und machte einen etwas unvertrauten Eindruck. Stockinger 4 7 ) war als fescher Artilleriehauptmann verkleidet. Ich erschien in Jacket und Zylinder. Als mich Dankls Flügeladjutant, der alte liebe Ruef, fragte, warum ich nicht in Uniform sei, antwortete ich ihm: weil ich mich in Zivil besser etwaigen Insulten seines hohen Chefs zu entziehen vermöchte. Ruef beeilte sich, Dankl diese Äußerung mitzuteilen und gleichzeitig, ein braver Kerl wie er war, als Friedensstifter aufzutreten. Er hatte zunächst Erfolg. Zwei Wochen später, nach der Huldigung für den Feldmarschall Erzherzog Friedrich, kam Dankl in der schönen Halle des Palais Schönburg, sich einen Ruck gebend, auf mich zu und reichte mir schweigsam die Hand. Die Versöhnung hielt jedoch nur kurz an. Im folgenden Winter ritt der greise Recke schon wieder einige schneidige literarische Attacken gegen mich. Davon wird noch die Rede sein. Der 80. Geburtstag des Feldmarschall Erzherzog Friedrich fiel auf den 3. Juni jenes Jahres. 2 Monate früher hatte ich den gütigen alten Herrn in Ungarisch-Altenburg besucht. Er keuchte noch mehr als früher und war wegen seiner Atembeschwerden genötigt, sich zum Erreichen seiner in einem sehr niedrigen ersten Stock gelegenen Gemächer eines Handseilaufzuges zu bedienen. Ich saß drei Stunden an seinem Schreibtische und er rauchte eine Zigarette nach der anderen, ehe er - in gewohnter Verlegenheit - mit seinem eigentlichen Anliegen herausrückte: es war sein Herzenswunsch, das bevorstehende Fest würdig gefeiert zu wissen. Ich tat, was ich konnte. In mehrfachen Besprechungen mit Heinz 4 8 ) kamen wir für Wien überein, im Palais Schönburg eine Huldigung der verschiedenen Kameradschaftsverbände, an der Spitze der Theresienritter, zu veranstalten. Im Park erwartete den Erzherzog, der die „deutsche", das ist österreichische Feldmarschallsuniform mit grünem Hutbusch trug, eine Ehrenkompagnie mit Musik. Der Staatssekretär für Landesverteidigung, General Zehner 4 9 ), begrüßte den Gefeierten im Namen der

1934 optimistisch ihm gegenüber geäußert, „ d i e Verständigung müßte gelingen". Führer weist darauf hin, es gäbe nur eine Autorität im Lande, und das sei „diejenige Leopolds und von ihm abgeleitet Schatt e n f r o h " . E r müßte seine Zustimmung geben. 4 7 ) Friedrich Stockinger ( W i e n , 2 2 . 9 . 1 8 9 4 bis 2 0 . 8 . 1 9 6 8 , T o r o n t o ) , 1 0 . 5 . 1 9 3 3 bis 3 . 1 1 . 1 9 3 6 B M . f. Handel und Verkehr. 4 8 ) G e m e i n t ist möglicherweise: Hans Rüdiger v. H e i n z , 1936 Legationsrat an der deutschen G e sandtschaft in Wien. 4 9 ) Wilhelm Zehner (Bistritz, Siebenbürgen, 2 . 9 . 1 8 8 3 bis 1 1 . 4 . 1 9 3 8 , Wien), 1902 aus I K S c h . K a m e nitz zu I R . 61 als Kadett-Offiziersstellvertreter ausgemustert, nach 1918 ins Ö B H . , 1 . 1 . 1 9 2 8 Rgtskmdt. Alpenjägerrgt. 7 in L i n z , 1 . 8 . 1 9 3 3 K m d t . 4. Brigade (Linz), 2 6 . 9 . 1 9 3 3 G M . , 1 1 . 7 . 1 9 3 4 Staatssekretär für Landesverteidigung, 2 . 1 1 . 1 9 3 4 G . d . I. U n t e r ihm wurde die Wiederaufrüstung des Heeres durchge-

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Regierung. Dann fand im Herrenzimmer die Gratulationskur statt, indeß die A b ordnungen im großen Empfangssaale harrten. Als erster umarmte Erzherzog Eugen seinen Bruder. Der Marschall war mehr als sonst aufgeregt, was sich in besonders intensiver Blasentätigkeit äußerte. Mein Kamerad aus der ersten Kriegszeit, Schönburgs getreuer Kammerdiener Anton, ein braver Tscheche, hielt zwischen den Doppeltüren zur Bibliothek einen Nachttopf bereit, den der Jubilar nach Empfang jeder Abordnung in Anspruch nahm. Ich sah den vornehmen, ritterlichen Mann zum letztenmal. In dem letzten, vertraulichen Gespräche, das ich mit dem Dahingeschiedenen hatte, tat dieser Äußerungen, die große Sympathien gegenüber dem neuen Deutschland verrieten. Wie er über die hohenzollerischen Restaurationsaussichten dachte, hat er mir bereits im Jahre 1923 bei einem Besuche in Altenburg zu verstehen gegeben. Er war eben beim deutschen Kaiser in Doorn gewesen und meinte in seinem näselnden T o n : „Stellen Sie sich vor, der Deutsche Kaiser glaubt, er werde wieder kommen; da wer' ja ich eher Deutscher Kaiser." Sehr schlecht stand er mit Steenokkerzeel; der Verkehr dahin war seit Jahren so gut wie abgerissen. Als nun aber der 80. Geburtstag herankam und die ungarische Regierung den Erzherzog wissen ließ, daß sie ihm ein Regiment (und zwar das Nachfolgeregiment des einstigen k . u . k . Infanterie-Regiments Erzherzog Friedrich N r . 52) verleihen wolle, hielt er es doch für angebracht, in Steenokkerzeel beim Chef des Hauses die Erlaubnis zur Annahme dieser Auszeichnung einzuholen. Ein Telegramm versagte sie. Aber die Umgebung des Erzherzogs unterschlug das Telegramm; er erfuhr von seinem Inhalte erst, als er bereits die erste (und zugleich letzte) Parade seines Regiments abgenommen hatte. Es war das für den gewissenhaften Mann die beste Lösung. Die Einstellung des Erzherzogs zu Steenokkerzeel kam in mehrfachen Äußerungen zur Sprache. Als ich beklagte, daß sich sein von mir hochverehrter Bruder Eugen von Wiesner und seiner Clique zu den lächerlichen Komödien der Überreichung „kaiserlicher" Dankschreiben mißbrauchen lasse, meinte Friedrich, diese Sache sei seinem Bruder stets sehr unangenehm und der genaue Zuhörer werde wahrnehmen können, wie er beim Verlesen von besonders ärgerlichen Sätzen die Stimme senke; aber schließlich sei O t t o nun einmal Chef des Hauses und Eugen fühle sich den strengen Hausgesetzen auch in diesem Falle verpflichtet. Während ich so nur hinter den Kulissen an der großen Entwicklung des Augenblickes teil hatte, setzte ich in der Regel nachmittags durch mehrere Stunden die Niederschrift meiner Vorträge für die katholischen Hochschulwochen 5 0 ) fort. Ich

führt. 1 5 . 3 . 1 9 3 8 Ruhestand. Z u m Leben Zehners vgl. auch: M . Polatschek, Wilhelm Zehner, Staatssekretär für Landesverteidigung (Ungedruckte Seminararbeit am I f Z G . , Sommersemester 1964). 5 0 ) D i e Katholischen Hochschulwochen in Salzburg sind aus den Akademikertagungen des Katholischen Akademikerverbandes hervorgegangen und wurden ab 1931 abgehalten. Sie sollten in Kursen, bald Seminaren, Einzelvorträgen und Vortragszyklen die katholische Weltanschauung mit den Ergebnissen der Wissenschaft in Fühlung halten, gleichzeitig Wissen aus katholischer Grundhaltung vermitteln (vgl. P . Alois Mayer, O S B . , Einführung, in: Die zweiten Salzburger H o c h s c h u l w o c h e n , 9. bis 27. A u -

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hatte diese Vorträge, die unter dem Titel „Altösterreichs deutsches Schicksal" den separatistischen Geschichtstendenzen der extremen Regimevertreter entgegenwirken sollten, mit Vorwissen Papens und seines Kulturreferenten übernommen. Die Vorstudien führten mich zum erstenmale tiefer in die deutsche und österreichische Geschichte des Mittelalters ein. Ich habe daraus, wie ich glauben möchte, für mein ganzes weiteres Leben reichen Gewinn gezogen und kehre seither immer wieder in jenes Wissensgebiet zurück. Große Zusammenhänge aus dem Leben unseres Volkes wölbten sich vor meinen Augen über Jahrtausende wie ein glitzernder Regenbogen und der Erkenntnis des entscheidenden Einwirkens großer Schicksalsformer auf den Gang der Geschichte gesellte sich doch auch jene zweite Erkenntnis bei,-daß die Masse der Einzelschicksale wie Tropfen im Meere untergehen und nur die Nation als Ganzes Objekt der Betrachtung bleiben kann. Das bietet mir auch Trost in den Stunden der Bitterkeit und Enttäuschung, die ich in den Wochen erlebe, da ich diese Zeilen zu Papier bringe. So schrieb ich im ereignisreichen Mai 1936 noch Blatt um Blatt voll, indes vorn beim Fenster, unter dem strengen Gebote der „Mundsperre" seufzend, meine selige Mutter über ihrer Netzarbeit saß, als wäre sie im Akkord angestellt. Mannlicher kam jeden zweiten oder dritten Tag zu mir ins Büro. Seine Zusammenkünfte mit Schuschnigg wurden immer seltener. Als gründlicher Mann hatte er schließlich aufgrund unserer Besprechungen im Volksrat eine Denkschrift über die Bedingungen, unter denen er in die Regierung eintreten könnte, dem Kanzler überreicht 5 1 ). Die Forderungen, die sie enthielt, umfaßten wirklich nur das, was man gust 1932, Salzburg 1933, 9 - 2 0 ) . Glaise-Horstenau sprach 1932 - für den bereits schwer erkrankten Seipel einspringend - über „ D i e österreichische Staatsidee einst und j e t z t " (vgl. Werkverzeichnis N r . 244) und 1936 ein einer 15stündigen Vorlesung über „ Ö s t e r r e i c h im Spiegelbilde der deutschen Vergangenh e i t " (der Titel differiert von dem im Text genannten). B e i letzterem handelt es sich um eine Vorlesung zur österreichischen Geschichte bis in die Zeit H e r z o g Rudolfs I V . des Stifters (Text in: B / 1 6 7 , N r . 8 : Typoskript, 9 9 S.). Vgl. diesbezüglich: D i e Sechsten Salzburger Hochschulwochen 4 . bis 22. August 1936. Aufriß und Gedankengänge der Vorlesungen, Seminare und Vorträge, hg. v. G . Baumgartner, Salzburg 1936. 5 1 ) Dieses Programm ist bisher nicht bekanntgeworden und auch Mannlicher erklärte im Interview vom 3 0 . 4 . 1 9 7 2 (s. A n m . 42), daß er es verloren habe. Es ist vielleicht ähnlich der Schrift B G H 9 1 6 / 3 6 : Maßnahmen zur innerpolitischen Befriedung Österreichs, s . d . et 1., Maschinschrift, 40 S + 4 S. Inhaltsangabe: Sie enthalten die Kapitel: „ V o l l e Amnestie und Wiedergutmachung; Wiederherstellung gleicher staatsbürgerlicher R e c h t e ; Wiederherstellung normaler Rechtsverhältnisse; Wiederherstellung normaler Verhältnisse im Verwaltungsstrafverfahren; Freiheit für kultur- und volkspolitische Betätigung; Legalisierung einer nationalen politischen F r o n t ; Teilnahme der nationalen Bewegung an der politischen V e r antwortung; Sonderwünsche zur Befriedung der S t e i e r m a r k . " Mannlicher schrieb in seiner Stellungnahme um 1974 (s. A n m . 4 2 ) : „ D i e Frage meines Eintritts in das Kabinett verlief schließlich negativ, als ich Schuschnigg nach einiger Zeit eine schriftliche Aufzeichnung über ein Befriedungsprogramm überreichte, das die Grundlage für meine Stellung in der Regierung zu bilden gehabt hätte. An der Ausarbeitung dieses Programms war meiner Erinnerung nach auch Glaise beteiligt. Dieses Programm wurde von Schuschnigg als zu weitgehend abgelehnt. Meine damalige Unterredung mit Schuschnigg schloß damit, daß ich ihm gewissermaßen als Vergleich sagte: wenn einem ein Pferd durchgegangen sei - und das sei bei der nationalen Bewegung in Österreich der Fall - so müsse man, in dem Bestreben, dieses wieder einzufangen, das Lasso deshalb weiter werfen, weil man sonst bei weiteren Versuchen gezwungen sein würde, dieses noch weiter zu w e r f e n . "

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verlangen mußte, wenn man es mit der „Befriedung" ernst nahm. Aber schwarz auf weiß lasen sie sich für den empfindsamen Kanzler doch so hart, daß die Folgen nicht ausblieben. Mitte Juni bat mich plötzlich Papen zu sich, um mir mitzuteilen: „Ich sprach gestern mit dem Kanzler über die Fortführung der Aktion, er teilte mir mit, daß es mit Mannlicher doch nicht ginge und er die Sache nunmehr mit Ihnen machen wolle." Ich verständigte Mannlicher sofort und den Tag darauf wurde ich bereits - zur geringen Freude meiner Mutter - durch das Auto des Kanzlers in seine Wohnung geholt. Schuschnigg hatte nach dem Tode seiner Frau seine Wohnung im Heeresministerium mit einer Unterkunft in einem Nebengebäude des Schlosses Belvedere vertauschen lassen, das für seine Bedürfnisse hergerichtet wurde. Guido Schmidt half dabei. Die Räume mußten vielfach umgebaut werden und waren recht geschmackvoll eingerichtet. Die Verborgenheit des Baues, die geheimnisvollen Vorgänge beim Eintritt und nicht zuletzt die mächtigen Scherengitter, mit denen die Fenster abgeschlossen werden konnten, ließen den Besucher aber doch nicht über den Eindruck hinwegkommen, ein Gefängnis betreten zu haben. Zumal im Winter wäre ich schwermütig geworden. Ich verstehe nicht den verstorbenen General Alfred Krauss, der sich wenige Wochen vor seinem Tode mit Nachdruck darum beworben hatte, die Wohnung seines inzwischen der Gestapo überlieferten Todfeindes zugewiesen zu erhalten. Recht nett war, zumal an sonnigen Frühjahrstagen wie der, an dem ich eintrat, der aus grünem Rasen, Blumenbeeten und Buschwerk bestehende, von gepflasterten Wegen durchzogene Garten, der allerdings auch von einer hohen, neu hergestellten Gefängnismauer umschlossen war. Unter einem Zelte nahmen der Kanzler, Zernatto und ich bei schwarzem Kaffee Platz. Gegenstand der Besprechung war das Memorandum Mannlicher. Unsere Unterredung begann mit einer Erörterung über den Begriff „national". Während ich unter einem national gesinnten Österreicher nur den verstehen wollte, der sich grundsätzlich zum Anschlußgedanken bekenne und die Selbständigkeit Österreichs im Sinne von St.-Germain höchstens aus realpolitischen Gründen, das heißt im Hinblick auf eine den Anschluß unmöglich machende Weltlage gelten lasse, verlangte Schuschnigg, von Zernatto unterstützt und nicht ohne leisen Unterton der Kränkung, das Epitheton „national" für jeden Österreicher, der sich zum deutschen Volkstum bekannte, also auch unter Umständen für die radikalsten Separatisten. Denn es gehörte gerade zu den Thesen, die man aus diesem Lager zu hören bekam, daß wir Österreicher sicherlich Deutsche, ja sogar die besten Deutschen seien, aber unsere besondere deutsche Mission nur als selbständiger, zumal auch vom Dritten Reich völlig unabhängiger Staat zu erfüllen vermöchten. Der Kanzler und ich stellten schließlich unseren Meinungsstreit als rein akademisch zurück, aber 3 Wochen später mußte ich doch ein inneres Einlenken Schuschniggs wahrnehmen, wie denn auch der Anschluß verzieht aus lediglich „realpolitischen Gründen" fernerhin nicht mehr aus der politischen Diskussion mit den Nationalen und Nationalsozialisten wich.

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Im übrigen erwies sich bei der Durcharbeitung der Denkschrift Mannlichers, daß die Ausführungen Schuschniggs politisches Gemüt wirklich wie ein kalter Wasserstrahl getroffen hatten. Besonders übel nahm er dem Verfasser des Memorandums allerdings einen Passus, den dieser seltsamer Weise als Köder hinwerfen zu müssen geglaubt hatte. Unter den Bedingungen, die Mannlicher als Regierungsprogramm aufgestellt hatte, stand auch: entschiedener Kampf gegen die Gottlosenbewegung. Statt mit diesem Wunsche bèi dem Schüler der Stella matutina Begeisterung zu erregen, wurde das Gegenteil erreicht. Schuschnigg las aus dem Passus unerwarteterweise den Vorwurf, die Regierung habe bisher in der Bekämpfung der Gottlosenbewegung zu wenig getan. Vergeblich mühte ich mich ab, Mannlicher gegen diese Auslegung in Schutz zu nehmen; ich glaube, Schuschnigg hat auch heute noch nicht seine Meinung geändert. War hier das dem Kanzler eigene persönliche Mißtrauen maßgebend, so gewann ich allerdings auch sachlich den Eindruck, daß er seelisch noch recht entfernt war von jenem Ausmaß an Zugeständnissen, das eine einigermaßen Erfolg versprechende Evolution verheißen mochte. Vielleicht hatte er auch das Gefühl, daß das Problem wirklich der Quadratur des Zirkels gleichkam. Eine große Rolle spielte auch die aus seinem Blickfeld berechtigte Sorge, sich schließlich zwischen zwei Sesseln gesetzt zu sehen. „ I c h verliere meine alten Freunde, gewinne aber keine neuen d a z u " , konnte ich ihn in der Folge oft und oft (und nicht zu Unrecht) klagen hören. Im einzelnen ließ seine Stellungnahme zum Entwürfe Mannlichers schon den Umriß der innerpolitischen Punktationen vom 11. Juli erkennen. Damit tat sich mir auch die Schwere der Aufgabe jener nationalen Männer dar, die mit der Entwirrung der Lage befaßt werden sollten. Inwieweit ich dazu gehören mochte, gab der Kanzler noch nicht zu erkennen. In den früheren Gesprächen mit Mannlicher ließ er lediglich den Wunsch erkennen, mich zur geeigneten Frist zur Berichterstattung an den Führer zu entsenden. Als wir von dem künftigen „nationalen Minister" sprachen, meinte Schuschnigg, er habe noch niemand im Auge. N u r das wisse er, daß zwei nicht in Betracht kämen: Bardolff und Seyß-Inquart. Gegenüber Bardolff hatte er seine Einstellung in der Folge niemals geändert. In jene Wochen fiel auch Schuschniggs Besuch in Rocca delle caminate 5 2 ). Sein Begleiter war auffälligerweise bereits Guido Schmidt. Uber die Unterredungen mit dem Duce erfuhr ich nichts näheres; es ist mir daher auch nicht möglich, die Mitteilungen zu überprüfen, die Martin Fuchs 5 3 ), der letzte österreichische Presseattaché " ) A m 5. und 6. J u n i 1936. Vgl. K u r t S c h u s c h n i g g , E i n R e q u i e m in R o t - W e i ß - R o t , Wien 1978, 245 f. S c h u s c h n i g g informierte M u s s o l i n i ü b e r das geplante A b k o m m e n mit d e m D e u t s c h e n R e i c h u n d erhielt dessen U n t e r s t ü t z u n g . « ) M a r t i n F u c h s ( ? , 2 6 . 9 . 1 9 0 3 bis 1 . 1 0 . 1 9 6 9 , W i e n ) , Studien in Wien, G r e n o b l e und P a r i s ; 1 9 2 7 - 1 9 3 7 Vertreter der amtlichen Nachrichtenstelle in Paris, 1937 Presseattaché in Paris, bereits 1938 f ü h r e n d e s Mitglied der ö s t . politischen E m i g r a t i o n in F r a n k r e i c h , s o d a n n F ü h r e r einer ö s t . J u n g - K o n servativen Partei in der U S A , A n h ä n g e r des E r z h e r z o g O t t o , 1947 Eintritt in den B u n d e s p r e s s e d i e n s t , 1938 ins B M . f. A A . als L e g a t i o n s r a t (bis 1952 Leiter des I n f o r m a t i o n s b ü r o s beim ö s t . G e n e r a l k o n s u l a t in N e w Y o r k , 1 9 5 3 - 1 9 5 8 B o t s c h a f t e r in B r ü s s e l , 1958 G e n e r a l s e k r e t ä r im B M . f. A A . , 1962 bis J u l i 1969 B o t s c h a f t e r in Paris).

Schuschniggs Besuch bei Mussolini Juni 1936

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in Paris, in seinem Buche „ U n pacte avec Hitler" macht 5 4 ). (Martin Fuchs war ein Sohn des angesehenen Journalisten Bernhard Fuchs 5 5 ), der schon im Kriege Konsulent des Pressedienstes im k. u. k. Ministerium des Äußeren war und nachher bis zu seinem Tode unter Ludwig 5 6 ) im „Bundespressedienst" arbeitete. Er war Jude, dabei aber sehr anschlußfreundlich und hatte auch Anteil an der Transaktion mit dem „Deutschen Volksblatt", Mai 1919 5 7 ).) Darnach war Mussolini für eine Normalisierung der österreichisch-deutschen Beziehungen diesmal nicht mehr so begeistert wie bei dem Märzbesuche des Kanzlers, da er sich eben stark mit der Wiederherstellung der Beziehungen Italiens zu England befaßt habe, doch habe er „gute Miene zum bösen Spiel" gemacht und in der Folge durchaus den Lauf der Verhandlungen gefördert. Mussolinis Vertrauensmann in Österreich war zu dieser Zeit, da sich der Gesandte Preziosi 5 8 ) und sein alter ego, der Presseattache Morreale 5 9 ) durch ihre Beziehungen zum Heimatschutz und zur legitimistischen Bewegung stark exponiert hatten, schon der ehemalige istrianische Landtagsabgeordnete Francesco Salata, den ich nach dem Umsturz als italienischen Archivbevollmächtigten kennen lernte, als welcher er sich durch seine sachliche Haltung und seinen Widerstand gegen die Raubabsichten der anderen Nachfolgestaaten große Verdienste nicht nur um die österreichischen Archive, sondern auch um die Wissenschaft im allgemeinen er5 4 ) Das W e r k Fuchs erschien in französischer und amerikanischer Fassung: U n pacte avec Hitler. Le drame autrichien 1 9 3 6 - 1 9 3 8 , Paris 1938; S h o w d o w n in Vienna. T h e death o f Austria, N e w Y o r k 1939. Das Treffen von R o c c a della Caminate bei Fuchs, U n pacte, 3 4 - 4 1 . 5 5 ) Bernhard Fuchs (?, 2 3 . 1 0 . 1 8 7 3 bis 9 . 1 2 . 1 9 3 2 , ?), seit 1909 im diplomatischen Dienst als Mitarbeiter im Literarischen B ü r o des k. u . k . Ministeriums des Ä u ß e r n , nach 1918 im Bundespressedienst, 1 2 . 1 1 . 1 9 1 9 Titel Regierungsrat, 5 . 1 . 1 9 2 0 Titel H o f r a t , 2 0 . 1 2 . 1 9 2 2 Ministerialrat, Stellvertreter des Vorstandes des Bundespressedienstes.

« ) Eduard Ludwig (Persenbeug, 9 . 1 . 1 8 8 3 bis 2 6 . 1 2 . 1 9 6 7 , B r u n n bei Pitten, N ö ) , 1913 ins Literarische B ü r o des Ministeriums des Äußeren eingetreten, 1918 in die Staatskanzlei übernommen, 1919 ins Pressedepartement des Staatssekretariats des Äußeren, 1920 Leiter des staatlichen Pressedienstes, ao. G e sandter und bevollmächtigter Minister, 1936 Präsident der Pressekammer und Staatsrat, 1 2 . 3 . 1 9 3 8 bis 1 . 6 . 1 9 4 2 Aufenthalt in diversen Konzentrationslagern, dann Zwangsaufenthalt in Norddeutschland, 1 9 4 5 - 1 9 5 3 Abgeordneter zum N R . ( Ö V P ) , 1 9 4 6 - 1 9 5 3 Ordinarius für Zeitungswissenschaften an der Universität Wien. 5 7 ) Das „ D e u t s c h e V o l k s b l a t t " war die bedeutendste deutschnationale antisemitische Tageszeitung Österreichs. Sie wurde ab D e z e m b e r 1888 von Ernst Vergani herausgegeben. In außerpolitischer H i n sicht befürwortete sie das Bündnis mit dem Deutschen Reich. Sie verlor während des Weltkriegs an B e deutung, ging noch 1918 an ein industrielles Konsortium über und wurde 1919 von einer deutschen G r u p p e unter U n i v . - P r o f . D r . Karl G . Hugelmann übernommen. 1922 wurde sie in den Besitz der Niederösterreichischen Handels- und Gewerbebank transferiert. 5 8 ) Gabriele Preziosi (Caserta, 1884 bis wahrscheinlich 1939 oder 1940, wahrscheinlich in Argentinien), ab 1908 Diplomat, italienischer Gesandter in Wien nach 1930, 1938 ital. Botschafter in Brüssel, 1939 ital. Gesandter in Buenos Aires. 5 9 ) Eugenio Morreale (geb. Palermo, 2 8 . 1 . 1 8 9 1 ) , Journalist, seit 1911 bei „ S e c o l o " in Mailand tätig, Kriegsdienst, seit 1922 Auslandskorrespondent in Zürich, seit 1927 Korrespondent des , , P o p o l o d' Italia" und des „ M e s s a g e r o " in W i e n , sowie Eintritt in die faschistische Partei, 1 9 2 8 - 1 9 3 6 Presseattache der ital. Gesandtschaft in W i e n , Vertrauensmann Mussolinis für die Heimatschutzbewegung, 1937 K o n sul in Baltimore, sodann bis Kriegsende Konsul in Madrid. Vgl. seine memoirenartige Denkschrift ( M a laga, 3 . 9 . 1 9 6 8 ) in I f Z G . sign. D o - 4 / M m - 1 5 .

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worben hatte. Wir politisierten damals sehr viel. Als ich jedoch im Oktober 1933 meinen Konflikt mit Italien hatte, zog er sich von mir in betonter Weise zurück 6 0 ). Er war ein listenreicher Mann von unzweifelhaftem Geschick und scheute auch nicht vor kleinen Intrigen zurück. Manche Eigenschaft schien den sehr oft geäußerten, wenn auch keineswegs bewiesenen Verdacht zu bestätigen, er sei jüdischer Abkunft und habe einstmals Salzmann geheißen. Mir gegenüber ließ nun Schuschnigg bis Anfang Juli wieder nichts hören. Die zwischenstaatlichen Verhandlungen nahmen jedoch ihren Fortgang, wie ich jeweils aus der Metternichgasse erfuhr. Auch die Niederschrift meiner Salzburger Vorträge ging weiter, wenn auch wesentlich langsamer - bis sie mit dem Privilegium maius Rudolf des Stifters, also der Zeit nach früh genug, ein jähes Ende fand. Am Montag den 6. Juli 5 Uhr nachmittags saß ich neuerdings, diesmal gemeinsam mit Schmidt und Zernatto, beim Kanzler (wenn ich nicht irre, im Inneren der Wohnung). Die Stunde der Entscheidung schlug. Auch von Seiten des Reiches wurde größtes Gewicht darauf gelegt, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen, da auf Seite der Entente ein neues Locarno zu besorgen war. Es war denn doch so, wie ich es bei meinem Berliner Besuche in den verschiedenen Unterredungen zu erkennen gab: der österreichisch-deutsche Zwiespalt bedeutete nicht nur für Österreich, sondern auch für Deutschland eine schwere politische Belastung. Für letzteres insofern, als es auf die Dauer unerträglich wurde, daß der zweite deutsche Staat immer wieder als wirksamstes Propagandaobjekt gegenüber dem Dritten Reich mißbraucht wurde und daß es in aller Welt keine feindliche Gesinnung und keine feindliche Handlung gegenüber Deutschland und seiner Führung gab, in der nicht das deutsche Österreich irgendwie als Aktivum der Feinde Deutschlands wirksam werden konnte. So trat denn auch an mich die große Entscheidung heran; Schuschnigg teilte mir mit, daß es seine Absicht sei, mich nicht gleich, aber im Herbst als Gesandten nach Berlin zu entsenden. Ich dankte für das Vertrauen, das er mir damit bewies, bemerkte aber, daß mir mit Rücksicht auf meine sechsundachtzigjährige, bei mir wohnende Mutter eine Verwendung in der inneren Politik lieber wäre. Schuschnigg hörte dies nicht ohne Bedauern und meinte, die Trennung wäre ja nicht so arg, da ich als Staatsrat im Monate mehrmals nach Wien fliegen und zu Hause nach dem Rechten sehen könnte. Gleichzeitig wurde allerdings die Frage aufgeworfen, wer als innenpolitischer Bürge des bevorstehenden Abkommens in Betracht kommen könne. Bei der Fortführung des Gespräches am nächsten Tage gebrauchte Guido Schmidt das Scherzwort: „Wir müßten eigentlich den Glaise in Wien behalten, den Horstenau aber nach Berlin schicken." Tatsächlich war die Waagschale für mich schon stark nach der innenpolitischen Seite gefallen. Zu vieren verfaßten wir ein Gedächtnisprotokoll, das im Anschluß an das in seinen wesentlichen Zügen bereits vorliegende zwischenstaatliche Abkommen die innen-

6 0 ) Vgl. Memoiren Bd. 1, 50. Morreale bezeichnet in seiner Denkschrift Salata als den Vertrauensmann Cianos in Österreich und als seinen, Morreales, Nachfolger, der die Änderung des italienischen außenpolitischen Kurses verkörperte.

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politischen Richtlinien für die Befriedungs- oder Normalisierungspolitik festlegen sollte 6 1 ). Die bindende Niederschrift dessen, was bisher nur unverbindliches Geplauder gewesen war, ließ mich die ganze Schwere der bevorstehenden Aufgabe erst wieder so recht erkennen. Zumal ein Punkt bedrückte mich ganz außerordentlich. Schuschnigg wie Zernatto erwiesen sich gegenüber dem Gedanken, den ich in Berlin mit dem Begriffe „Henleinbewegung" umschrieben hatte, dem Vorschlage, innerhalb der V F . ähnlich der bereits gegründeten sozialen Arbeitsgemeinschaft ( S A G . ) auch eine nationale zuzulassen, völlig abgeneigt. Beim Kanzler überraschte mich dies ein wenig, da er - wie schon erwähnt - früher über solche Pläne mit sich reden ließ. Schmidt erklärte mir einige W o c h e n später bei einem Mittagessen im Salzburger Kreuzbrückel, meiner langjährigen Sommerfrische, diesen Gesinnungswandel; er sei durch Mannlichers „ s t u r e " Verhandlungsart hervorgerufen worden. D e r K a n z ler habe auf einmal das „trojanische P f e r d " zu fürchten begonnen und sei damit von allen Gedanken an eine nationale Arbeitsgemeinschaft oder dergleichen verschreckt abgerückt. Theoretisch hatte er von seinem Standpunkte aus nicht ganz Unrecht. Aber praktisch stellte mein Vorschlag die einzige Möglichkeit dar (wenn es überhaupt eine solche gab), die Nationalsozialisten zur Aufgabe ihrer illegalen politischen Organisation zu veranlassen. Der Gegenstand des Themas stand späterhin auch innerhalb der Partei insofern zur Diskussion, als den Verfechtern des O r ganisationsgedankens (Gruppe L e o p o l d 6 2 ) ) die Fürsprecher der weltanschaulichen

6 1 ) Maschinschriftl. Abschriften und Durchschläge, undatiert, des Gedächtnisprotokolls in NPA., Präsidium, Kart. 1, fol. 1 6 7 - 1 7 1 u. in N P A . , Kart. 121, Mappe: D o k u m e n t e v. 11. Juli 1936. Das Protokoll umfaßt sechs Punkte. In Punkt 1 und 2 wird bezüglich der Vaterländischen Front festgehalten, daß sie, wie gesetzlich festgelegt, „ d e r alleinige F a k t o r politischer Willensbildung" bleibt und die Mitarbeit „nationaler Kreise somit auch deren Teilnahme an der Führung, anzustreben i s t " . Laut Punkt 3 bleibt jede Propaganda gegen die Selbständigkeit des Staates ausgeschlossen. Hingegen muß der gegenwärtige Zustand nicht als Idealzustand gelten und daher „ist natürlich nicht berührt die Auffassung über die bestmögliche grundsätzliche staatliche Gestaltung, wie sie die zukünftige geschichtliche Entwicklung bringen m a g . " Laut Punkt 4 könne die N S D A P nicht Wiederaufleben, Propaganda für sie nicht toleriert werden. Ebenso könnten - Punkt 5 - politische Parteien nicht wiedererrjchtet werden, noch sei eine „ S e k t i o n i e r u n g " der Vaterländischen F r o n t möglich. U m die Mitarbeit „nationaler K r e i s e " zu ermöglichen, wird in Punkt 6 „festgestellt": Amnestie „innerhalb der im Gentleman-Agreement gezogenen G r e n z e " und „individuelle Durchsicht besonders harter Disziplinarfälle"; im Verwaltungsstrafverfahren soll „ e i n Weg gesucht werden, der . . . ein Rechtsmittelverfahren s i c h e r t " ; ferner sollen in die Landesführerräte und in den Bundesführerrat der Vaterländischen F r o n t „möglichst sofort Persönlichkeiten aus nationalen K r e i s e n " berufen werden - ebenso, wo Vakanzen entstehen in die Körperschaft der G e s e t z gebung. Bezüglich des Turnerbundes 1919 müssen noch „ b e s o n d e r e Vereinbarungen" getroffen werden. D e n Abschluß bildet die Feststellung des Einverständnisses „ d a ß nationale Gesinnung unter den im U b e r e i n k o m m e n eindeutig festgelegten Voraussetzungen keinerlei Hindernis für Anstellung oder F o r t k o m m e n im öffentlichen oder privaten Dienste sein k a n n " .

" ) J o s e f Leopold (Langenlois, N ö , 1 8 . 2 . 1 8 8 9 bis 2 4 . 7 . 1 9 4 1 , gefallen bei Malin, nö. v. Shitomir), Bauernsohn, seit 1910 Militärdienst, 1 . 8 . 1 9 1 5 bis 2 0 . 2 . 1 9 1 8 russ. Kriegsgefangenschaft, bei Kriegsende Stabsfeldwebel, Übernahme in die Volkswehr, Mitglied des Soldatenrates, 1 . 3 . 1 9 1 9 Volkswehrleutnant, Übernahme ins Bundesheer, 2 7 . 1 . 1 9 3 1 H p t m . , 2 4 . 6 . 1 9 3 3 in Untersuchungshaft, 3 1 . 8 . 1 9 3 3 zeitlicher Ruhestand. Polit. Laufbahn: 1919 Beitritt zur N S D A P , 1925 Kreisleiter des Waldviertels, 1926 Gaulei-

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Auseinandersetzung (Gruppe Friedel Rainer) entgegentraten. Darüber wird noch des öfteren eingehend die Rede sein. Die Entscheidung fiel nicht auf dieser Walstatt, sondern auf der des zwischenstaatlichen Kampfes. Eine nicht unerhebliche Rolle spielte in den Erörterungen, die meiner Berufung vorausgingen, die Frage der Restauration und des Legitimismus. Ich forderte von Schuschnigg für die Nationalen mindestens die gleichen Rechte, wie sie die Legitimisten trotz des Einparteiensystems der VF. in ihrem „Reichsbund der Österreicher" 63 ) und auch sonst in einer weitgehenden Versammlungs-. und Pressefreiheit besaßen. Schuschnigg war hiefür - ich machte die deutsche Gesandtschaft besonders aufmerksam - nicht zu haben mit der Begründung, daß die Legitimisten zu den wertvollsten Stützen der Unabhängigkeitspolitik zählten und daher Berücksichtigung verdienten. In betreff der Restauration forderte ich von Schuschnigg die ausdrückliche Erklärung, daß eine Änderung der Staatsform nur nach einer einwandfreien, allgemeinen und geheimen Volksabstimmung in Frage kommen könne (eine Forderung, die den nationalsozialistischen Wünschen vollauf entsprach). Er weigerte sich zwar, diese Erklärung schriftlich niederzulegen, gab sie jedoch in Gegenwart von Schmidt und 2ernatto mündlich ab. Mit diesen Vorgängen hängt das Gespräch zusammen, das Schuschnigg am 9. Juli abends vor meiner Abreise nach Berchtesgaden über mein Verhalten zum Legitimismus und zur Dynastie führte. Für einen besonderen Legitimisten hielt er mich sicherlich nicht. Die Vormittagsunterredungen mit Muff waren längst zu einer täglichen Einrichtung geworden. Am Dienstag den 7. Juli gab ich Muff eine genaue Darstellung der innerpolitischen Pläne, wie sie am nächsten Tage in einem Gedächtnisprotokolle ihren Niederschlag fanden. Ich bat Muff zugleich, durch Papen in Berlin mitteilen zu lassen, daß ich bei der Knappheit und Weitmaschigkeit der Zugeständnisse, zumal im Hinblick auf den Nationalsozialismus, die größten Bedenken gegen eine Mitarbeit meinerseits hege. Die Antwort Muffs lautete tags darauf: Hineingehen, zu Beter-Stellvertreter u. 2 9 . 8 . 1 9 2 7 Gauleiter für N ö , 1932-1933 A b g e o r d n e t e r z u m N ö Landtag, 1933-1936 mehrmals im Anhaltelager Wollersdorf, 2 9 . 1 . 1 9 3 5 Ü b e r n a h m e der Landesleitung der N S D A P in Österreich, 2 1 . 2 . 1 9 3 8 abgesetzt u n d seither politisch nicht m e h r hervorgetreten, ab 1 . 4 . 1 9 4 0 Dienst in der D t . W M . als O b s t l t . u. Kdr. 11/486, bei der 262. I D . Vgl. L. Jedlicka, Gauleiter Josef Leopold (1889-1941), in: Geschichte und Gesellschaft. Festschrift für Karl R. Stadler, W i e n - Z ü rich 1974, 143-161; über seinen T o d vgl. die Augenzeugenberichte in: „ S t e f f e l - N a c h r i c h t e n " , F. 9, 3; F. 13, 2 f . ; F. 14, 8; F. 18, 2. Zusammenfassung: E. K. Pfleger, Geschichtslügen, phantasievolle Laienspiele und der Deutschmeistermarsch, in: Beilage zu der 39. Folge der Steffel-Nachrichten, J u n i 1977. 63 ) D e r „ R e i c h s b u n d der Ö s t e r r e i c h e r " w u r d e am 1. Mai 1921 als legitimistische Organisation mit kulturpolitischen Absichten zwecks Pflege der K o n t a k t e zwischen den Völkern der ehemaligen D o n a u monarchie gegründet. Er überließ die öst. Innenpolitik zunächst der „ P a r t e i der österreichischen M o narchisten", ü b e r n a h m diese Aufgabe jedoch nach d e m Zerfall der Partei 1924. 1930 stellte er ein „großösterreichisches P r o g r a m m " auf, postulierte aber seither die Restauration n u r mehr innerhalb der G r e n z e n Nachkriegsösterreichs. A m 4 . 8 . 1 9 3 2 w u r d e als legitimistische Dachorganisation für den R e i c h s b u n d , kleinere legitimistische Zirkel und den schließlich im D e z e m b e r 1937 beigetretenen „ W o l f f - V e r b a n d " der „ E i s e r n e R i n g " geschaffen. Vgl. I. Mosser, D e r Legitimismus und die Frage der Habsburger-Restauration in der innenpolitischen Zielsetzung des autoritären Regimes in Österreich (1933-1938), W r . ungedr. Diss. 1979, 3 7 f f .

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denken sei sicherlich Anlaß, aber ein Anfang zu weiteren Entwicklungen werde doch gemacht sein. Es war, glaube ich, auch der Dienstag vormittag, daß ich im Café Casa piccola mit Seyß-Inquart zusammenkam. Man mutete auf dem Boden der deutschen Gesandtschaft dem großen Schweiger schon damals einen weit größeren Anhang im nationalsozialistischen Lager zu, als er ihn tatsächlich besaß, und Muff hatte in unseren Unterredungen eine Bemerkung fallen gelassen, daß Seyß-Inquart vielleicht doch am besten zum innenpolitischen Garanten geeignet wäre. Ich habe den Namen Seyß-Inquart zum erstenmal in den Wochen vor der Julirevolte stärker nennen gehört. Dollfuß verhandelte damals mit ihm wegen Übernahme des Innenressorts 6 4 ). Leithe-Jasper 6 5 ) erklärte mir, die Partei habe Seyß die Annahme des Portefeuilles entschieden untersagt. Später traf ich ihn nur vorübergehend. Nunmehr fühlte ich mich aber doch verpflichtet, ihn zu fragen, ob er nicht geneigt wäre, statt meiner ins Kabinett einzutreten. Die Lage schien mir so, daß durch einen leichten deutschen Druck in dieser Personalfrage der Widerstand Schuschniggs überwunden werden könnte. Aber Seyß ist der Mann gewesen, der zu warten verstand, er lehnte entschieden ab und sprach mir zu, die Bürde auf mich zu nehmen. Am Mittwoch den 8. Juli traf ich mich mit Schmidt, Zernatto und auch mit Wolf im Café Zentral. Beim Eintritt, unter dem Tore, sagte mir Zernatto, den ich vom Ringklub her kannte: „Ziehe Dich doch nicht, Du wirst doch in der Regierung von einigen nationalen Männern unterstützt werden, von Guido Schmidt, Hammerstein 66 ) und vor allem auch durch mich." In der Folge war Zernatto immer der, der im Ministerrat, wann immer ich nationale Interessen zu vertreten hatte, stets und grundsätzlich als Gegenredner auftrat.

M) Laut Rosar, 7 2 f . , verhandelte Dollfuß 8 oder 10 Tage vor dem Putsch über „ d i e Frage einer A k tivierung der bürgerlichen Nationalen . . . als Gegengewicht gegen die Nationalsozialisten". S e y ß - I n quart habe aber erklärt, daß diese keine Anhängerschaft mehr besäßen. Eine W o c h e später ließ Dollfuß jedoch Seyß-Inquart sagen, er hätte keine Zeit für eine weitere Besprechung und verhandelte mit Anton Reinthaller. 6 5 ) Harald Leithe-Jasper (Pola, 1 8 . 5 . 1904 bis 1 6 . 9 . 1 9 7 7 , Mailand), Sohn eines k . u . k . Linienschiffsleutnants und sodann Angestellten in der Buchdruckerei Friedrich Jasper, vor 1934 (nach Auskunft von privater Seite) in leitender Position beim Universitätsverlag Wilhelm Braumüller, 1934 politischer Berater des Mitglieds der NS-Landesleitung D r . O t t o Gustav Wächter, flüchtete nach dem Juliputsch, 1936/37 Mitarbeiter der Dienststelle R i b b e n t r o p , zeitweise in L o n d o n , später (1939) als Legationssekretär im Auswärtigen A m t , 1942 Gesandtschaftsrat bei der deutschen Botschaft in R o m . 6 6 ) Hans Frh. v. H a m m e r s t e i n - E q u o r d (Schloß Sitzenthal bei M e l k , N ö , 5 . 1 0 . 1 8 8 1 bis 9 . 8 . 1 9 4 7 , Pernleithen bei Micheldorf, O ö ) , seit 1905 Beamter bei der o ö . Statthalterei, Dichter, Präsident der Innviertier Künstlergilde, 1 . 1 . 1 9 3 4 Sicherheitsdirektor für O ö , 2 9 . 7 . 1 9 3 4 bis 1 7 . 1 1 . 1 9 3 5 Staatssekretär für das Sicherheitswesen, 1 4 . 5 . 1 9 3 6 bis 3 . 1 1 . 1 9 3 6 B M . f. Justiz, dann Sektionschef im B K A . b z w . im B M . f. Unterricht, 1938 pensioniert. 1944/45 im K Z Mauthausen. Vetter des dt. G O . Kurt F r h . v. H a m m e r s t e i n - E q u o r d . Vgl. das Werkverzeichnis in: H . Slapnicka, Oberösterreich - Die politische Führungsschicht 1 9 1 8 - 1 9 3 8 , Linz 1976, 114ff. Seine Erinnerungen: Im Anfang war der M o r d . Erlebnisse als Bezirkshauptmann von Braunau am Inn und als Sicherheitsdirektor von Oberösterreich in den Jahren 1933 und 1934, hg. v. H . Slapnicka (Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, B d . 3), Wien 1981.

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Was Guido Schmidt anlangte, so hatte ich bereits unter der Hand erfahren, daß er mit der Verlautbarung des österreichisch-deutschen Abkommens als Staatssekretär des Äußeren vor die Öffentlichkeit gestellt werden werde. Auch Schuschnigg machte mir an einem dieser Abende beim Weggehen aus seinem Hause hievon Mitteilung, wobei er bemerkte, daß Schmidt eben um einen international günstigen Start besorgt sei. Da für Donnerstag den 9. keine Zusammenkunft mit dem Kanzler verabredet war, setzte ich mich am Nachmittag mit Mutter und Gusti in das Mietauto Marbachs, fuhr in glühender Sonnenhitze nach Hainburg, wo wir Gefrorenes naschten, überquerte dort die Donau und besuchte in Schloßhof meinen alten Freund, den Oberstleutnant v. Matic 67 ), dem ich für das langjährige Reitvergnügen, das er mir in meinen Salzburger Urlaubswochen verschaffte, für immer zu Dank verpflichtet bin. Als wir um etwa 7 Uhr - meine Mutter frisch und munter, wie stets bei diesen Anlässen - nach Wien zurückkamen, lief uns das ganze Haus entgegen: mein Telephon habe seit Stunden stürmisch geläutet! Ich rief das Kanzleramt an, man verband mich mit Schuschnigg, der mich mit den Worten apostrophierte: „Begeben Sie sich sofort zu Papen und beraten Sie sich über die morgige Reise." Ich fuhr mit Marbach in die Metternichgasse, wo mir Papen mitteilte, ich hätte mit ihm auf Wunsch des Kanzlers morgen in aller Früh nach Berchtesgaden zum Führer zu fahren. Mir wurde für einen Augenblick ein wenig bange, ich faßte mich aber gleich wieder und läutete neuerdings Schuschnigg auf: ich bräuchte eine Instruktion, ohne eine solche sei es für mich doch unmöglich, vor den Führer hinzutreten. Schuschnigg berief mich zu sich ins Kanzleramt und teilte mir mit: „Ich habe mich entschlossen, Sie als Minister ohne Portefeuille ins Kabinett zu bitten, hätte aber zweierlei Einzelbedingungen - erstens, daß Sie sich hinsichtlich der Dynastie Zurückhaltung auferlegen und zweitens, daß Sie gleiches gegenüber Italien tun." Das also waren die Gründe, warum sich Schuschnigg so lange überlegte, mich in der inneren Politik zu verwenden! Ich bemerkte Schuschnigg sofort, daß ich an der Dynastie vielleicht mitunter eine selbstverständlich maßvolle geschichtliche Kritik geübt hätte, aber zu sehr alter Soldat sei, um je in den in gewissen nationalen Kreisen üblichen Chorus wider alles Habsburgische einzustimmen; ich würde auch in Zukunft von diesem Grundsatz nicht abgehen und auch nie versäumen, die Leistungen, die das Haus in den sechs Jahrhunderten österreichischer Geschichte vollbracht habe, anzuerkennen. Und was die Italiener anbetraf, so stellte ich auf Schuschniggs Wunsch eine besänftigende Erklärung Salata gegenüber in Aussicht. Salata hat mir 2 Jahre später, bei einem gemeinsamen Kuraufenthalt in Badgastein, zu verstehen gegeben, daß Schuschnigg die Bedeutung, die meinem italienischen Konflikt vom Jahre 1933 beigelegt wurde, überschätzt habe. Wohl fand

67 ) Paul Matic von Dravodol (Klagenfurt, 2 9 . 5 . 1 8 8 8 bis 2 7 . 9 . 1 9 7 9 , Salzburg), 1907 als EF. zu D R . 4, 1 . 5 . 1 9 1 0 L t . , 1 . 8 . 1 9 1 7 R t m . , Ü b e r n a h m e ins Ö B H . , Z u g s - u n d S c h w a d r o n s k m d t . , ab 2 8 . 1 2 . 1 9 3 5 Reitlehrer im Kurs für Reit- und Fahrausbildung, 2 8 . 1 2 . 1 9 3 5 O b s t l t . , 1938 pensioniert.

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meinetwegen vor meiner Berufung zwischen Salata und Ciano 68 ) ein Meinungsaustausch statt, wobei Salata auf das mich betreffende „Dossier Preziosi" hinwies 69 ). Das italienische Außenamt erklärte, daß kein Grund vorläge, auf die längst beigelegte Sache zurückzukommen. Am Samstag den 11. Juli, unmittelbar vor meiner Vereidigung als Minister, traf ich mich bei Schuschnigg mit Salata zum Tee. Ich gab eine mir nichts vergebende Erklärung über die Leistungen der italienischen Armee im Weltkriege ab, wofür sich Salata durch Komplimente über die ausgezeichnete Abfassung unseres Generalstabswerkes revanchierte. . . . Die Instruktionen, die mir Schuschnigg an jenem Donnerstag abends für meinen Vortrag bei Hitler gab, waren ziemlich kurz. Ich möge den Inhalt unseres Gedächtnisprotokolls sorgfältig dosiert zur Kenntnis des Gewaltigen bringen. „ U n d sagen Sie ihm," meinte er am Schluß, „er soll mir in der inneren Politik ein wenig helfen." So ging ich nach Hause, um meiner Mutter, die selbstverständlich noch in wachem Zustande ihres heimkehrenden Sohnes geharrt hatte, mitzuteilen, daß ich morgen früh in aller Heimlichkeit nach Berchtesgaden fahren würde. Als Tourist verkleidet, stieg ich am Freitag den 10. um 4.15 Uhr früh beim Dreher Park in Papens prächtigen Horchwagen ein. Außer Papen saß, nicht zu meiner Freude, auch Ketteier 70 ) im Wagen. Die Gewohnheit, Ketteier meinen Unterredungen beizuziehen, hatte Papen auch nachher noch einige Zeit, bis ich ihn bat, mir Gehör unter vier Augen zu schenken. Ketteier hatte allerdings insofern für mich Wert, als durch ihn Peter Czernin 71 ) in der Folge mancherlei Interessantes erfuhr, das dieser mir weitergab. Das Auto war offen, wie es Papen liebt, der sich im Winter bei Gelegenheit sogar über seinen Decken einschneien läßt. Der Himmel war zuerst überzogen und die Morgenfrische ging mir bei der Raschheit des Tempos durch alle Glieder, so daß der Kaffee, den wir in Linz einnahmen, recht wohl tat. Als wir uns Salzburg näherten, heiterte sich das Firmament auf, die wohlbekannten und geliebten Salzburger Berge begannen, sich vom Traunstein über den Hohen Göll und den Untersberg bis zum Staufen auf dem Horizont abzuzeichnen. Ein Gefühl des Bangens und des 68 ) Galeazzo C o n t e C i a n o die Cortellazzo (Livorno, 1 8 . 3 . 1 9 0 3 bis 1 1 . 1 . 1 9 4 4 , erschossen in Verona), faschistischer Politiker, seit 1925 D i p l o m a t , heiratete 1930 die Tochter Mussolinis, 1933 dessen Pressechef, 1935 Minister f ü r Presse und Propaganda, 9 . 6 . 1936 bis 5 . 2 . 1 9 4 3 ital. Außenminister, dann bis Juli 1943 Botschafter am Vatikan. 69 ) G e m e i n t ist der Zwischenfall von 1933. Vgl. 1. B d . , 50. 70 ) Wilhelm Emanuel Frh. v. Ketteier (Burg Eringerfeld, Westfalen, 15.6.1906 bis 13.3.1938, Wien), Jurist, 1932 Referendar-Examen, ab 14.2.1933 im Mitarbeiterstab Papens, ging mit diesem als H o n o r a r k o n s u l nach Wien, engster Vertrauter Papens, 1933/34 Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft katholischer D e u t s c h e r " , 1938 ermordet. Vgl.: Wolfgang Frh. v. Fürstenberg, Wilhelm Emanuel Freiherr v. Ketteier zum Gedächtnis, in: Deutsches Adelsblatt v. 15.8.1973, 172-175; v. 15.9.1973, 195-199. 71 ) Peter Rudolf Graf C z e r n i n v. C h u d e n i t z (Winaf, 2 5 . 1 1 . 1 9 0 7 bis 3 1 . 1 0 . 1 9 6 7 , Wien), 2 2 . 7 . 1 9 3 3 D r . iur. Universität G r a z , ab 9 . 5 . 1 9 3 6 wissenschaftliche Hilfskraft von O t h m a r Spann; 1927-1931 beim steirischen H e i m a t s c h u t z feststellbar, ab 1936 persönlicher Referent Glaise-Horstenaus, nach III./1938 Referent in der Dienststelle Staat und Wirtschaft des Reichskommissariats für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich.

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Stolzes zugleich erfüllte mich. Als ich am 24. Februar bei der Entfernung meiner Oberkieferzyste im Ätherrausch lag, da beseelte mich das beglückende Gefühl, den Frieden mit Deutschland gemacht zu haben, und ich war recht traurig, als ich beim Erwachen wahrnehmen mußte, daß alles nur ein schöner Traum gewesen sei. Nunmehr sollte ich an diesem Versöhnungswerk auf ausgesetztem Posten doch mitarbeiten! War das nicht eine schöne Paßhöhe am Ende eines immerhin nicht unehrenvollen Aufstieges und vollendete sich da nicht eine Schicksalslinie, die im Weltkrieg, da ich, am 15. Juli 1915 zum erstenmal Cramon gegenübertrat, ihren Anfang genommen hatte? Aber wird das Werk bei seinen unerhörten Schwierigkeiten nicht doch mit einem Fiasko enden? In Salzburg verließ ich am rechten Salzachufer in der Nähe der Staatsbrücke das Auto Papens und begab mich auf wohlbekannten Wegen in die Polizeidirektion, um mir beim Polizeidirektor Ingomar 72 ) ein Visum für Deutschland zu holen. Ich stotterte etwas von einem Ausflug über Reichenhall nach Tirol und dergleichen. Ingomar sah mich mißtrauisch an und bemerkte: „Sie wissen doch, um 9 Uhr ist Papen hier eingetroffen." Ich sah mich halb ertappt, eilte nach Erhalt der Ausreisebewilligung zu Papen und sagte ihm, daß ich es vorzöge, bis über die Grenze mit einem Mietauto zu fahren. Dort möge er mich wieder in seinen Horch aufnehmen. Die ganze Sache war natürlich unwichtig, denn die Polizei mußte doch in wenigen Stunden feststellen, daß ich in Bayern blieb. Aber man ist in solchen Augenblicken nicht immer logisch. Übrigens möchte ich ein Wort über die Geheimhaltung der Aktion im allgemeinen einfügen. Natürlich wurde während der ganzen Verhandlungen wie auch früher immer wieder von einer Versöhnungsaktion gegenüber Deutschland in der Öffentlichkeit und in der Presse gesprochen und der Sicherheit halber riet ich an einem der letzten Tage mit Zustimmung des Bundeskanzlers, Zernatto möge sich ein paar befreundete Journalisten kommen lassen und ihnen mit der Erlaubnis, es weiterzugeben, mitteilen, daß von Herbst an Verhandlungen zwischen Wien und Berlin nicht zu denken sei. Zernatto war ungeschickt genug, der Presse ein offizielles Dementi zukommen zu lassen, das am Mittwoch, 3 Tage vor Verlautbarung des Juliabkommens, erschien! Im allgemeinen aber konnte der enge Kreis von Wissern mit Befriedigung feststellen, daß aus seiner Mitte - wie selten früher - kein Sterbenswort an die Öffentlichkeit gekommen war. Auch die lieben Minister erfuhren das Abkommen erst eine Stunde vor der Verlautbarung . . . Also Taxifahrt nach Reichenhall; an der Zollgrenze fast gleichzeitiges Ubertreten von Papen und mir! In Reichenhall Zurücklassen des Mietautos und Rückkehr in Papens Horchwagen, Fahrt durch die lieben Berchtesgadener Berge bis zum Grand Hotel am Ortsausgang. Papen und ich zogen uns noch in ein Zimmer zurück, um die Endredaktion des Kommentars festzulegen, das in Berlin Goebbels und in Wien Adam nach Verlautbarung des offiziellen Kommuniquees im Rundfunk verlesen sollte. Ich hatte einige kleine Wünsche, deren ich mich nicht mehr besinne. " ) Viktor Leon Ingomar ( C z e r n o w i t z , B u k o w i n a , 3 1 . 3 . 1 8 8 5 bis 4 . 2 . 1 9 4 4 , München), Jurist, H o f rat und Polizeidirektor von Salzburg, 17.3.1838 - I. oder V./1939 inhaftiert.

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Inzwischen waren auch Neurath und Ribbentrop 73 ) eingetroffen. Ersterer begrüßte mich als Bekannten. Letzterer trat mir, eine dicke Zigarre schmauchend, mit liebenswürdiger Bonhommie entgegen. Er war damals noch ohne hierarchisches Amt dem Führer zugeteilt. Der lieben Geheimhaltung wegen verabredeten wir, uns weiter nicht zu kennen - was nicht hinderte, daß ein namhafter amerikanischer Journalist, ich glaube, Herr Viereck 74 ), doch von unserer Anwesenheit Notiz nahm. Wir hätten zuerst um 11 Uhr vormittags auf dem Berg erscheinen sollen und telephonierten mit Brückner 75 ) hin und her. Schließlich wurde 4 Uhr nachmittags als Empfangsstunde bestimmt. Ich benützte die Gnadenfrist zunächst zu einem Mittagessen im großen Saale des Hotels. Neurath, Ribbentrop und Papen aßen an einem anderen Tische. Irgendwer machte mich auf eine korpulente, etwas schielende Dame am Nebentisch aufmerksam. Es war die Kaiserin Hermine 7 6 ), mit der ich vor einigen Jahren wegen ihrer Reuß'schen Ahnen in Korrespondenz gestanden hatte und die mir dann auch ein Bild der Majestäten zukommen ließ. Ich mußte nun feststellen, daß ihr der Photograph doch ziemlich geschmeichelt hatte, gab mich aber nicht zu erkennen. Nach dem Speisen legte ich mich für eine Stunde hin. Wenn ich seither durch Berchtesgaden komme, kann ich den Blick nie von dem Fenster des Glasanbaues weglenken, hinter dem ich damals, allen Aufregungen zum Trotz, dem gewohnten Nachmittagsschläfchen gehuldigt habe. Etwas vor 4 Uhr fuhren wir - ich zusammen mit Papen - den damals noch verhältnismäßig primitiven, steilen Weg zum Obersalzberg hinan. Papen hatte zu meinem Entsetzen nun doch lange Hosen angelegt, so daß ich mich meiner Knickerbocker herzlich schämte. Aber woher andere nehmen! Im übrigen mußte ich feststellen, daß Papen immer wieder der Gegenstand begeisterter Huldigungen des den Weg umsäumenden Volkes war. Endlich kamen wir - ich klopfenden Herzens - vor dem Hause des Gewaltigen an. Brückner empfing uns. Neurath und Ribbentrop wurden sofort zum Führer gerufen. Ich hatte eine gute Stunde zu warten, während welcher mir Brückner und der außerordentlich liebenswürdige Kabinettschef Neuraths, ein ehemaliger Generalstabsoffizier, Gesellschaft leisteten. Wenn ich heute an diese Stunde zurückden73

) Joachim v. R i b b e n t r o p (Wesel, 3 0 . 4 . 1 8 9 3 bis 16.10.1946, gehenkt in N ü r n b e r g ) , O f f i z i e r , nach 1918 Handelsvertreter, 1 . 5 . 1 9 3 2 Mitglied der N S D A P , 1933 M d R . , außenpolitischer Berater Hitlers, 1934 Delegierter für A b r ü s t u n g s f r a g e n , dann Chef des Amtes für außenpolitische Sonderfragen im Stabe des Stellvertreters des Führers, 1.8.1936 Botschafter in L o n d o n , 5 . 2 . 1 9 3 8 bis 3 0 . 4 . 1 9 4 5 Reichsaußenminister. 74 ) George Sylvester Viereck (München, 3 1 . 1 2 . 1 8 8 4 bis ?), 1895 mit den Eltern in die USA ausgewandert, Schriftsteller, 1906-1915 Mitherausgeber eines literarischen N a c h r i c h t e n b ü r o s , deutscher P r o pagandist in den U S A , 9.10. 1941 vom C I A . verhaftet. Verfasser von „ A n Empress in Exile" (?), Biographie der Gattin Wilhelms II. (s. A n m . 76). " ) Wilhelm Brückner (Baden-Baden, 11.12.1884 bis 1954, ?), Berufsoffizier, 1919 bei Freikorps E p p , 1922 zur N S D A P , 1923 F ü h r e r des SA-Rgts. M ü n c h e n , 1930-1941 Hitlers C h e f a d j u t a n t , seit 1936 MdR., SA-Obergruppenführer. 76 ) H e r m i n e v. P r e u ß e n , geb. Prinzessin v. Reuß (Greiz, 17.12.1887 bis 7 . 8 . 1 9 4 7 , F r a n k f u r t a. d. O d e r ) , 5 . 1 1 . 1 9 2 2 vermählt in H a u s D o o m mit (Ex-)Kaiser Wilhelm II.

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ke, so mache ich mir noch nachträglich Vorwürfe, daß ich mich bis dahin um Organisation und Zeremonien des Dritten Reiches doch zu wenig gekümmert habe. Für mich war Deutschland nun einmal Deutschland, das große Vaterland, mit dem Österreich möglichst eng zu vereinigen unser Herzensziel sein mußte - ohne daß ich mir über die großen Wandlungen äußerlicher und innerlicher Natur Rechenschaft gegeben hätte. So stand ich denn auch den Erklärungen Brückners, daß er Hauptmann a . D . , im übrigen aber SA-Gruppenführer sei, leider ziemlich verständnislos gegenüber. Brückner, ein jovialer Bayer von riesigen Dimensionen, hat es mir aber nicht verübelt, sondern zeigte mir alles, was zu zeigen war. Er führte mich auch zu dem großen Fernrohr vor dem Hause, durch das ich - mit tiefer Ergriffenheit - wie aus einem Bilde geschnitten, die von Hochgebirgen umrahmte Hohensalzburg sah. Du liebe, teure Heimat, Stätte meiner Kindheit und meiner Jugend! Plötzlich entlud sich ein mächtiges Gewitter. Blitz auf Blitz erhellte die von schwarzen Wolken verhüllte Landschaft. Die Felswände gaben das Donnergrollen in vielfachem Echo wider. Schwerer Regen prasselte auf die Fliesen des Vorhofes und ließ uns ins Haus flüchten. Eine Stunde ist nicht lang, aber in meiner Lage begann ich schließlich trotz der Liebenswürdigkeit Brückners, den ich immer „ H e r r Hauptmann" oder „ H e r r Kamerad", nicht aber, wie sichs gehört hätte, „ G r u p penführer" titulierte, jede Minute zu zählen. Da öffnete sich eine Türe, Neurath trat heraus und nahm von mir mit dem Bemerken Abschied, daß er noch den Münchener Nachtzug erreichen müsse - und wenige Sekunden später stand ich das erstemal vor der faszinierenden Persönlichkeit des Führers! Tapen und Ribbentrop, die im Raum geblieben waren, streiften meine wenige hoffähig gekleidete Gestalt mit einem Blick kaum verhehlten Mitleids. Ich kam mir wie ein Delinquent vor. Das Abkommen war dem Führer selbst in der letzten Stunde noch schwer gefallen. Bedeutete es doch mindestens für den oberflächlichen Beschauer in wichtigen Punkten ein Zurückweichen gegenüber dem österreichischen Separatismus - etwas wie einen Sieg Schuschniggs, der sich freilich nur zu bald als wahrer Pyrrhussieg erweisen sollte! Der Führer reichte mir finsteren Blickes die Hand, bot mir Platz und stieß heftig und scharf den Satz hervor: „ W a s haben Sie mir zu sagen?" Der Ton dieser Begrüßung klingt mir noch heute (3 Jahre nachher) in den Ohren fort. Einen Augenblick lang schier, es mir, als wäre mein Gehirn blutleer geworden. Aber dann raffte ich mich auf und sagte: „ H e r r Reichskanzler, vor allem habe ich Ihnen Empfehlungen vom Bundeskanzler Schuschnigg zu überbringen." Daß ich bei dieser Unterredung „ H e r r Reichskanzler" und nicht „Mein Führer" sagte, entsprang einer vielleicht nicht sehr gescheiten Korrektheit gegenüber meinem Auftraggeber, zu der ich mich unnötigerweise auch in dessen Abwesenheit verpflichtet fühlte. Im übrigen waren die „Empfehlungen" frei erfunden. Sie machten auf Adolf Hitler auch kaum einen großen Eindruck. Eher schon taten es die nächsten, mir wirklich aus dem Herzen kommenden Worte: „ U n d nun bitte ich vor allem, daß ich nicht als Diplomat hier zu stehen habe, sondern als Deutscher, der zum Führer des Deutschen Reichsvolkes spricht." Auch das R e i c h s v o l k betonte ich mehr als vielleicht zweckmäßig

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war. Und dann nahm ich mir die Freiheit, dem Führer zu erzählen, wie ich Schuschnigg schon vor 2 Jahren klipp und klar erklärte, daß ohne den geheimen Segen Adolf Hitlers eine innere Befriedung in Österreich undenkbar wäre. Worauf ich in medias res überging. Ich sprach frei, ohne jeden Behelf, etwa eine halbe Stunde lang. Zuerst behandelte ich den sogenannten passiven Teil des geplanten Friedenswerkes, Amnestie und Wiedergutmachungen in den Reihen der öffentlichen Angestellten, im Schulgebiet, unter den Pensionisten etc., wie es im „Gedächtnisprotokoll" vorgesehen war. Trotz vereinzelter Vorbehalte mochten sich diese Mitteilungen verhältnismäßig angenehm anhören. Dann kam aber der zweite Abschnitt, die Frage der politischen Rechte und der politischen Bewegungsfreiheit, die den Nationalen und Nationalsozialisten eingeräumt werden sollten und (nach Schuschniggs Auffassung) nur allein eingeräumt werden konnten. Als ich daran ging, dem Führer zu melden, daß Schuschnigg nach wie vor darauf verharren werde, jede Anschlußpropaganda und jedwede Äußerung nationalsozialistischen Denkens unter Strafsanktion zu stellen, da leitete ich dieses heikle Kapitel mit den Worten ein: „Ich komme nun zum schwersten Punkte, den zu erfüllen, Nationale und Nationalsozialisten in Österreich stets nur als bitterstes Opfer betrachten werden, als ein Opfer, dargebracht dem nationalen und dem Weltfrieden." - Auch die Unterscheidung „national", zu denen ich mich zuzähle, und „nationalsozialistisch" klang im Ohre Hitlers kaum angenehm. - Mit dieser Bemerkung war mir blutig ernst und was ich in der Folge über die nationalen Möglichkeiten im staatlichen Machtapparat, in der VF., in „kulturellen" Organisationen, sowie über die Gleichberechtigung des nationalen Menschen in wirtschaftlicher Hinsicht zu sagen hatte, klang sicherlich im Ohre des Führers nur als matte Abschwächung. Als ich fertig war, holte der Führer zur Replik aus. Zur Frage der Amnestie, die nach den Erklärungen Schuschniggs nicht eine allgemeine, sondern eine, wenn auch weit gesteckte, individuelle sein sollte, meinte der Führer: „Sagen Sie dem Kanzler, er soll möglichst großzügig sein." Er erinnerte dabei an die Behandlung, deren im Dritten Reich selbst Kommunisten teilhaftig wurden, wenn sie sich mit den Dingen abfanden. Dagegen hielt er mit Äußerungen der Entrüstung über Schuschniggs Verhalten gegenüber dem Anschlußgedanken und der nationalsozialistischen Bewegung nicht zurück. Dabei erfüllte tiefster, fast mystischer Glaube in die Größe und in die Unüberwindlichkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung seine feurige Rede. Schuschnigg möge sich keinen lächerlichen Hoffnungen hingeben, der Nationalsozialismus werde vom ganzen deutschen Volk Besitz ergreifen, keine Macht der Welt werde es hindern. In Deutschland sei es längst so weit, daß zwar die Auslese der Parteiorganisation und ihrer Gliederungen als Wächter nationalsozialistischen Denkens und Fühlens zu wirken hätten; aber der Nationalsozialismus als solcher habe längst das ganze Volk erfaßt. „ W e n n ich heute," erklärte der Gewaltige, „über dieser Grenze vor uns 100000 Deutsche hinüberschicken würde, so wären unter ihnen nicht 1000, die anders als nationalsozialistisch dächten." Immer wieder kam der Führer auf dieses Problem zurück, wobei ein- oder das anderemal doch zugleich eine merkbare Antithese gegenüber dem Christentum durchsickerte. So

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wenig der Vergleich sonst zu Ende zu denken ist und so sehr der Führer selbst es stets ablehnt: für mich Skeptiker hatte er in diesem Augenblicke doch etwas von einem fanatischen, an seine Sache bedingungslos glaubenden Religionsstifter an sich. Und das war wohl auch nötig. Denn wie hätte er sonst alles, was ihm gelang, erreichen können! Daß ich selbst diesen Kernpunkt des ganzen Befriedungswerkes als den schwierigsten bezeichnet hatte, trug mir ein anerkennendes W o r t ein. N u r die von mir geäußerte Meinung, daß die Durchführung des Anschlusses zu einem Kriege führen würde, lehnte der Führer bezeichnenderweise schon damals mit einer verächtlichen Geste ab: „ K e i n Finger wird sich rühren!" Im übrigen ließ er mir die grundsätzliche Überwindung, die ihm die Annahme des Abkommens kostete, nicht länger fühlen. W i r setzten uns dann gemeinsam mit dem Gefolge zu einer Tasse Kaffee (bayrischer, nicht österreichischer Zubereitung) mit Kuchen, ich beeilte mich, mit der gemeinsamen Geburtsstadt aufzutrumpfen, ein W o r t gab das andere - und die interessanteste Konversation, die ich bis dahin geführt hatte, war im Gange. Leider bin ich zeitlebens zu bequem gewesen, ein Tagebuch zu führen. Daß ich es damals und später, wenn ich den Führer in vertrautem Kreise reden hörte, nicht getan habe, betrachte ich als Verbrechen. So fallen mir denn auch von jenem Gespräch am Kaffeetisch nur mehr Einzelheiten ein. Uberraschend war es für mich, daß der Führer die Habicht-Politik als den „schwersten Fehler seiner politischen Laufbahn" bezeichnete. „Ich hätte," meinte er, „mit Starhemberg oder Dollfuß einen mittleren Weg suchen sollen, dann wären wir schon längst weiter." Bezeichnend die Reihenfolge: Starhemberg, der Novemberkämpfer, dann Dollfuß - und dann lang nichts, ehe Schuschnigg kam, der ihm am meisten wesensfremd war. So blieben denn auch die „Empfehlungen" unbeantwortet und auch als ich des Kanzlers Ersuchen um die Unterstützung durch den Führer vorbrachte, erhielt ich keine ausreichende A n t w o r t . Uberaus fesselnd war das Bild, das er von der weltpolitischen Lage entrollte. Er ging dabei von der Korridorfrage aus. „ M i r wäre natürlich die Rückgewinnung des Korridors außerordentlich erwünscht, aber ich werde Polen gegenüber nicht den Fehler machen, den Österreich vor dem Kriege in der Frage des Ausgangs ans Meer gegenüber den Serben machte. So lange kein Ersatz für den Korridor gegeben ist, läßt sich nichts machen." Bei den Italienern hob er die Verwandtschaft zwischen Faschismus und Nationalsozialismus hervor, bei den Engländern die Verwandtschaft des Blutes, was mich etwas verwunderte. V o n den Anwesenden nahmen eigentlich nur ich und Papen am Gespräche aktiven Anteil. Bei Papen fiel mir auf und gefiel mir die offene, freie A r t , in der er mit dem Führer sprach. Als es ans Abmelden ging, verstieg ich mich, vielleicht ein wenig gemacht, aber doch auch aus dem Herzen heraus, zu einem gewissen Pathos. Ich wies auf Salzburg, das zu unseren Füßen lag, diese, meine uralte deutsche Heimatstadt, gedachte meiner Tätigkeit im Kriege, meines unverdrossenen Bekenntnisses zur deutschen Sache in W o r t und Schrift nach dem Kriege und auch in den Zeiten des Bruderzwistes und bat den Führer, von der tiefen Ehrlichkeit meiner A b sichten überzeugt zu sein. Mit dem Gefühle, nicht ganz schlecht abgeschnitten zu

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haben, verließ ich den historischen Raum, Auch Papen, mit dem ich bis an die Grenze fuhr, bestätigte es und erzählte mir dabei noch von den Schwierigkeiten, die es in der Stunde vor meinem Empfange gab. Beim Weggehen habe der Führer, der von mir ja früher nichts gewußt hatte, zu ihm ungeduldig gesagt: „Wann wird er denn endlich in die Regierung eintreten?" Zwei Jahre später, im August 1938, im Angesichte des eben zum Stapellaufe bereiten ,,Prinz Eugen", als ich bereits deutsche Generalsuniform trug, sagte Ribbentrop, nun schon Außenminister: „ I m m e r , wenn ich Sie sehe, muß ich an die Berchtesgadener Unterredung denken; Sie haben sich damals gut aus der schweren Affäre herausgeholfen." In Reichenhall bestieg ich wieder mein Salzburger Mietauto. Einsam fuhr ich meinem lieben Salzburg zu: vorbei am Walser Berg, an Gois, wo ich als Kaiserjägerleutnant so manche Patrouillenübung absolviert hatte, am Exerzierplatz mit seinen unzähligen Erinnerungen aus der Kindes-, Jünglings- und Manneszeit, an der Siezenheimer Remise mit ihren schönen Reitwegen, am spitzen Kirchturm zu Maxglan, zu dessen Füßen nun schon 47 Jahre lang der Vater den ewigen Schlaf schlief. Der Gegensatz zwischen einst und jetzt griff mir stark ans Herz. Aber ich müßte wahrlich lügen, wollte ich behaupten, daß es mir leicht um die Seele war. Die schweren Wolkenschwaden, die den Untersberg verhüllten und regenfeucht bis zum Boden hingen, paßten nur zu gut in meine Stimmung. Immer wieder fragte ich mich: Warum hast D u Dir diese schwere Last aufgeladen? In Salzburg holte ich Beate 7 7 ) ab, die ich von Wien aus telegraphisch verständigt hatte. Die Arme trug noch schwer unter den Folgen der lebensgefährlichen Operation, die sie im April zu bestehen gehabt hatte und die wohl nur dank der Tüchtigkeit Schönbauers 7 8 ) gut ausgegangen war. Trotzdem begleitete sie mich auf die Bahn und beim Abendessen in der Bahnhofwirtschaft teilte ich ihr mit, was ich eben erlebt hatte und was mir unmittelbar bevorstand. Sie zeigte über meine Ministerschaft wenig Freude, aus dem persönlichen Grunde, daß wir von nun an noch seltener beisammen sein würden, aber auch aus sachlichen Bedenken. Sie ist viel zu klug, als daß sie nicht vorausgeahnt hätte, was meiner harrte. Mit dem Nachtpersonenzug fuhr ich, in einem altertümlichen „ H a l b k u p e e " ausgestreckt, nach Wien zurück. Ursprünglich war geplant, Abkommen und Kommentare erst am Mittwoch den 15. der Welt bekanntzugeben. Einem dringenden deutschen Wunsche entsprechend, sollte es nun schon am Samstag den 11. abends geschehen. Das hieß zugleich, daß ich noch an diesem Tage Minister werden sollte.

" ) Gemeint ist Frau Beate Wirth-Petrini (?, 10.2.1889 bis 6.12.1981, Wien). Vgl. Memoiren, 1. Bd., 165f. 7 a ) Leopold Schönbauer (Thaya, 13.11.1888 bis 11.9.1963, Wien), 1914 Dr. med., arbeitete in der Klinik Eiseisberg, 1918-1930 an der 1. chirurg. Universitätsklinik, 1924 Privatdozent, 1933 ao. und 1939 o. Univ.-Prof. f. Chirurgie an der Univ. Wien, Schädel-Operateur, medizinischer Schriftsteller, nach dem 2. Weltkrieg Direktor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, 1959-1962 Abg. z. N R . der Ö V P für N ö .

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Ich begab mich zunächst ins Kriegsarchiv. Wenn ich nicht irre, fand sich bald darauf Guido Schmidt ein, der natürlich begierig war, etwas über den Verlauf der Berchtesgadener Unterredung zu erfahren. Schuschnigg ließ mich erst zu Mittag ins Kanzleramt rufen. Im Vorzimmer, dem Räume, in welchem Dollfuß den Tod gefunden hatte, traf ich neben dem Sekretär des Kanzlers, Baron Frölichsthal 7 9 ), auch Chavanne 8 0 ), an, der mich mit einem leisen Schimmer ehrfurchtsvoller Bewunderung begrüßte. Er hatte meinen bevorstehenden Eintritt in die Regierung wohl erst jetzt erfahren und meinte im übrigen, das Ereignis meiner Ministerschaft sei längst fällig gewesen. Dem Kanzler berichtete ich nur einen Bruchteil meiner Berchtesgadener Erlebnisse, um ihn nicht von Haus aus kopfscheu zu machen. Aber auch die rücksichtsvollste Berichterstattung vormittags im Büro und nachmittags in der Wohnung veranlaßte ihn zu der verschreckten Bemerkung: , , E r will uns also doch überrennen?" Schade, daß er dieser Erkenntnis nie die entsprechenden Schlußfolgerungen folgen ließ, das heißt freiwillig gab, was ihm schließlich genommen ward und geschichtlich bedingt genommen werden mußte! Am Nachmittag machte ich, nach einem kurzen Nachmittagsschläfchen, meiner armen Mutter von der bevorstehenden Ernennung zum Minister Mitteilung. Hatte sie am 31. Oktober 1934 abends schon meine Berufung in den Staatsrat mit dem Ausrufe beantwortet: „ D a s muß uns auch noch passieren!" - so begann sie jetzt in heftiges Schluchzen auszubrechen. In ihrem Fauteuil sitzend war sie schlechterdings nicht zu beruhigen - nicht durch gütigen Zuspruch und auch nicht durch schärfere Worte. Sie hatte in bezug auf meine Person keinerlei Ehrgeiz mehr. Am liebsten wäre es ihr gewesen, daß ich in Pension gegangen wäre, um mich ganz ihr widmen und immer wieder das von Jahr zu Jahr enger werdende Repertoire ihrer Erzählungen aus längst vergangener Jugendzeit anhören zu können. Nach dem schon erwähnten Nachmittagstee beim Kanzler fuhr ich gemeinsam mit diesem zur Vereidigung ins Bundeskanzleramt. Der Akt, den ich seither noch dreimal, zuletzt am 12. März 1938 vormittags, mitmachte, entbehrte dank der Umwelt und dem feierlichen Gehaben des Bundesvaters der komischen Note nicht. Das silberne Kruzifix mit den zwei brennenden Kerzen auf einem tiefblau, fast schwarz verhüllten Wandtischchen gemahnten ein wenig an ein Begräbnis. Miklas, in feierlichen Cut gehüllt, sah mit einem Auge meine Wenigkeit, mit dem zweiten seinen bisherigen Kabinettsvizedirektor Schmidt an. Schuschnigg assistierte, der Kabinettsdirektor O t t o Huber las die Eidesformel vor, die wir mit ,,So wahr mir V i k t o r F r h . v. Frölichsthal (Triest, 4 . 7 . 1 8 9 9 bis 2 8 . 6 . 1 9 7 1 , Bregenz), D r . iur., seit 1921 im Staatsdienst, Sekretär des Bundeskanzlers, 1 . 1 . 1 9 3 8 Ministerialrat im B K A . , 8 . 1 0 . 1 9 3 8 entlassen nach 2. W k g . Leiter der Verbindungsstelle des Amtes der Vorarlberger Landesregierung zur franz. Besatzungsmacht, 3 1 . 1 2 . 1 9 5 2 Ruhestand. 8 0 ) Eugen v. Chavanne (Schärding am Inn, 1 2 . 1 1 . 1 8 8 2 bis 1 8 . 5 . 1 9 6 4 , Wien), 1905 bei der politischen Verwaltung in O ö in den Staatsdienst, 1918 ins Ministerium des Inneren, ab 1923 im Präsidium des BK.A., 1934 dessen Vorstand, 1936 Sektionschef, 1938 6 Monate Schutzhaft, 1945 ins Staatsamt f. öffentl. Bauten, Übergangswirtschaft u. Wiederaufbau bzw. B M . f. Handel u. Wiederaufbau, 1949 pensioniert.

Das „Juli-Abkommen"

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Gott helfe" beantworteten. Der Bundesvater, der politischen Entwicklung mit Mißtrauen gegenüberstehend, hielt an uns eine kurze Ansprache, in der er darauf verwies, daß nach der (von ihm so oft bekrittelten und nach Pilatusart nicht unterzeichneten) 81 ) Verfassung nur der Bundeskanzler die Politik zu führen hatte. Dann drückte er uns die Hände und wir schritten gravitätisch hinaus, an Felix Schwarzenberg vorüber, der aus seinem Konterfei im Wartesaal nicht ohne feinen Hohn um die Lippen auf uns kleine Epigonen niederblickte. Abends hielt der Kanzler, nach der Verlautbarung des Abkommens, eine Rundfunkansprache 82 ). Ich hatte mich nach Hause begeben und fand meine Mutter schon wieder halbwegs beruhigt vor. Es war doch ein eigenartiges Gefühl, als ich im Lautsprecher meinen Namen und die Ernennung zum Minister ohne Portefeuille entgegenklingen hörte. Auch das war also erreicht! Ich gehörte zu dem schmalen Dutzend der ersten Männer des Landes. Die bedrückte Stimmung, die mich noch 24 Stunden früher in Salzburg erfüllt hatte, war nun doch - das muß ich offen bekennen - einer gewissen, ja sogar nicht geringen Befriedigung gewichen. Gestillter Ehrgeiz hatte über Bedenklichkeit und Pessimismus den Sieg davongetragen! Hätte meine Mutter nicht mehr gelebt, ich hätte mich zu Beginn der Woche sehr wahrscheinlich für die Annahme des Gesandtenpostens in Berlin entschieden. Wäre es für mich besser gewesen? Erstens ist die Frage offen, ob Schuschnigg nach den Erfahrungen des Sommers im Herbst - wie er es mir in Aussicht stellte - überhaupt noch Tauschitz 83 ) abgelöst hätte, und es wäre mir vielleicht in der Folge doch noch eine innenpolitische Rolle zugefallen, aber zu einem schon günstigeren Zeitpunkt. Zum zweiten - wenn ich dennoch Gesandter geworden wäre . . . die ganzen Reflexionen haben keinen Sinn. Es geschah, was das Schicksal wollte. Am Sonntag den 12. Juli 1936 wachte ich, nach einem unruhigen Schlafe, als wohlbestallter Bundesminister auf. Gusti kam aufgeregt hereingestürzt. Vor meinem Haustor war ein Polizeiposten aufgezogen. Eine bleibende Sensation vor allem für alle Dienstmädchen des Hauses und ein unbezahlbarer Zeitvertreib für den dicken Hausbesorger, wenn er an halbwegs schönen Tagen breit ausladend vor dem Tore stand und nun seinen Ge81 ) Vgl. d a z u : H . V. Lang, Bundespräsident Miklas und das autoritäre Regime 1933-1938, Wiener ungedr. Diss. 1972, 168f.: Das von der Regierung einberufene R u m p f p a r l a m e n t beschloß, den Artikel 44 Absatz 2 der Verfassung von 1920 = 1929 außer Kraft zu setzen, der bei Gesamtänderungen eine Volksabstimmung vorsah. Die Regierung w u r d e ermächtigt, die Verfassung mit 1. Mai k u n d z u t u n . Miklas unterzeichnete das Ermächtigungsgesetz vom 3 0 . 4 . 1 9 3 4 , da er einsah, daß sich die Regierung bei der damaligen Lage auf keine Volksabstimmung einlassen könne. Er weigerte sich aber, die K u n d m a chung der Verfassung zu unterschreiben, „ d a er hinwiederum doch dokumentieren wollte, daß er das verfassungsmäßige Z u s t a n d e k o m m e n dieses Gesetzes o h n e vorherige Abhaltung einer Volksabstimmung nicht gewährleistet sah. Seinen Angaben nach drängte er später mehrmals, eine Volksabstimmung oder Wahlen a b z u h a l t e n . " 82

) Text vgl. Wiener-Zeitung v. 12.7.1936, 2. ) Stephan Tauschitz ( H ö r t e n d o r f , Kärnten, 9 . 7 . 1 8 8 9 bis 2 9 . 3 . 1 9 7 0 , Klagenfurt), Ingenieur, 1918 H p t m . d. Res., Kärntner A b w e h r k ä m p f e r , 1927 Mitglied des Kärntner Landtages ( L a n d b u n d ) , 1931/32 3. Präs. d. N R . , ab 2 4 . 2 . 1 9 3 3 ao. Ges. u. bev. Minister in Berlin, n u r 10.7. bis 3. 8.1934 Staatssekretär für A u s w . Angelegenheiten, 1938 pensioniert. 83

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sprächspartner sicher hatte. In den nächsten Tagen meldeten sich auch zwei Kriminalpolizisten zu meiner persönlichen Bewachung beim Herumfahren, Gehen und im Büro. Der Oberwachmann Leopold Ogorevc, der mir zunächst als Aushilfschauffeur zugeteilt wurde, damals ein begeisterter Nazi, sagte in reinstem Ottakringer Platt: „ H e r r Minister, die Kieberer nehmens Ihna nöt, die san nur zu Ihrer Ü b erwachung, und nöt zur Bewachung da; die rennen, wenn Sie irgendwo aussteigen, sofort zum nächsten Telephonautömaten, um Ihren Aufenthalt am Schottenring (Polizeidirektion) 8 4 ) zu melden." Ich folgte diesem Rate und blieb die ganze Ministerzeit ohne Detektiv, während sich viele meiner Kollegen nicht einen Augenblick lang von ihnen trennten, einer sogar die Leute abwechselnd in seinem Vorzimmer schlafen ließ. Ich habe mich auch in Zukunft immer und überall so bewegt wie früher, ohne Sorge, daß mir etwas widerfahren könnte. Den Polizeimann vor der Hautüre hingegen behielt ich, damit er mir unerwünschte Besuche vom Leibe hielt. Das erwies sich in der Folge als außerordentlich nützlich. Ich denke der braven Leute gerne; sie waren mir allesamt anhänglich und ergeben, allerdings zu acht unter neun Illegale!! Da ich das Dienstauto erst am nächsten Tage erhielt, brachte ich meine nun schon ziemlich ruhige und vielleicht doch auch ein wenig erfreute Mutter im Taxi zur Mariahilfer Kirche. Ein Lichtbildreporter fuhr uns nach und ließ nicht locker, bis wir uns beim schönen Barockportal knipsen ließen: das erste Ministerbild. Das waren doch kleine Erlebnisse - die - honny soie qui mal y pense - Freude bereiteten. Mündliche, telegraphische, telephonische Glückwünsche nahmen ihren Anfang, es folgten ihrer in den kommenden Tagen eine reiche Menge. Abends fuhr ich ein letztesmal mit der Straßenbahn ins Kaffeehaus - wie einst im Mai. Des anderen Morgens stand, aushilfsweise zugewiesen, das Polizeiauto N r . 603, ein altartiger, hoher Kasten, von Ogorevc geführt, vor der Türe. Das wertvollste, wenn nicht einzig wertvolle Morgenangebinde meiner Ministerschaft. Mein erster Weg am Montag führte mich selbstverständlich ins Kriegsarchiv. Ich traf dort traurige Gesichter, die Frauen hatten verweinte Augen. Diese Guten und Getreuen hatten über meine Ernennung keine Freude, weil sie mich zu verlieren fürchteten. Ich tröstete sie mit der Mitteilung, daß ich mir von Schuschnigg ausdrücklich die Rückkehr ins Kriegsarchiv und die Beibehaltung der Oberleitung ausbedungen hatte. In der Tat wurde ich in der Folge als „beurlaubter" Direktor geführt, der ich noch bis in den Herbst 1938 blieb, seit dem Anschlüsse fälschlicherweise, da ich nach dem für Reichsminister geltenden Gesetz auf die Dauer meiner Ministerschaft aus der Reihe der Beamten ausschied. In Wirklichkeit war ich sonach Direktor des Kriegsarchivs vom 1. Februar 1925 bis zum 14. März 1938 gewesen, etwas über 13 Jahre - in der Amtsdauer nur von meinen Vorgängern Ernst 8 S ) und Leander von Wetzer übertroffen. Als junger Offizier hatte ich mich 8 4 ) A m Schottenring N r . 11 wurde 1872 das Hotel Austria nach Plänen des Architekten Frankel erbaut, das ab 1874 bis zu seiner Zerstörung durch B o m b e n die Polizeidirektion Wien beherbergte. An dieser Stelle nunmehr der Neubau der Polizeidirektion. 8 5 ) Ferdinand v. Ernst (Semlin, 2 5 . 9 . 1 7 9 6 bis 1 3 . 6 . 1 8 5 5 , U n t e r - S t . Veit bei Wien), k . k . G M . ad honores, 1 8 . 4 . 1 8 1 0 bis 2 4 . 5 . 1 8 3 6 Direktor des K A .

Abschied vom Kriegsarchiv

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der Generalstabslaufbahn zugewandt in der Hoffnung, ihren Gipfel als Leiter des altehrwürdigen Instituts zu erklimmen. Wenn wir Offiziere des Archivs uns im Jahre vor dem Weltkrieg in der Kantine der Stiftskaserne um Hoen sammelten, dann pflegte der alte Criste zu sagen: „ W i r sind gesichert; zuerst Woinovich, dann Hoen, dann Glaise." Ich war noch „zugeteilter" Oberleutnant. Mein Wirken an der Spitze des Kriegsarchivs bleibt mir bis ans Ende in schönster, verklärter Erinnerung. Nur dem Bundeskanzler unterstellt, hatte ich eigentlich keinen Vorgesetzten. Denn kein Bundeskanzler hatte die ganzen Jahre seit dem Umbruch je den Boden des Institutes betreten - auch Schuschnigg nur, als er noch Unterrichtsminister war. Von den Referenten des Bundeskanzleramtes hatte keiner fachliche Vorstellungen von dem, was zu arbeiten war. Sie waren mir - an ihrer Spitze Chavanne und Erich Huber 8 6 ) - stets treue Freunde und Helfer. Ich habe ein Regiment der milden Hand geführt, ein- oder das anderemal vielleicht zu milde, aber doch so, daß der schärfste Kritiker meiner Kommandoführung, Freund Kiszling, als mein Nachfolger im wesentlichen meinen Methoden folgte und deren Richtigkeit dann auch anerkannte. Die Notwendigkeit schärferen persönlichen Eingreifens ergab sich mir nur selten. Die unter meine Leitung fallenden „Personalaffären" kann ich an den Fingern einer Hand aufzählen. Die überwiegende Mehrzahl der Angestellten war bemüht, ihre Aufgaben redlich und nach bestem Können zu erfüllen. Man überschlug sich nicht, aber tat seine Pflicht, ohne daß man mit der Peitsche hinterher sein mußte. Das war alles Tradition von Woinovich und Hoen. Der Umsturz und die Folgejahre mit ihrem Existenzkampf hatten das Ansehen des Kriegsarchivs wohl herabgemindert. Es war mein erstes Bestreben, dieses wieder voll herzustellen. Das gelang. Ich darf bei aller Bescheidenheit sagen, daß es sich unter keinem meiner Vorgänger größerer Wertschätzung im In- und Ausland erfreut hatte. Als zwei Leistungen von Dauer, die unter meiner Führung vollbracht wurden, darf ich den Umbau des Hauses und die Verfassung des Generalstabswerkes („Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914/18") buchen 8 7 ). So wenig mich der Rückblick auf meine Ministertätigkeit befriedigt, so sehr glaube ich, als Direktor des ehrwürdigen, bis in die Tage des Prinzen Eugen zurückreichenden Kriegsarchivs meinen Platz ausgefüllt zu haben. [ . . . ] Natürlich konnte ich als österreichischer Bundesminister nicht daran denken, die Leitung des Archivs in allen Teilen beizubehalten. Ich bereitete denn auch Kiszling, als er sich 14 Tage vor meinem Eintritt ins Kabinett auf eine „Pilgerfahrt" des Schwarzen Kreuzes begab, entsprechend vor. Es vergingen nach meiner Ernennung zum Minister nicht 48 Stunden und Kiszling war nach Wien zurückgekehrt 8 8 ). Er 8 6 ) Erich H u b e r (Triest, 1 7 . 1 . 1 8 8 8 bis 5 . 2 . 1 9 5 3 , Wien), 1910 D i p l . - I n g . , 1911 D r . iur., ab 1911 im öffentlichen Dienst, 1918 Vorstand des Präsidialbüros der Vorarlberger Landesregierung, 1920 ins B K A . , Erster Sekretär mehrerer Bundeskanzler, V I I . / 1 9 3 2 Personalreferent des B K A . , I V / 1 9 3 8 in die Budgetabteilung der Reichsstatthalterei, 3 0 . 6 . 1 9 4 1 entlassen, I V . / 1 9 4 5 Präsidialchef der ö s t . Staatskanzlei, X . / 1 9 4 5 Sektionschef im B K A . , dem Vizekanzler D r . Schärf zugeteilt, laut Wiener-Zeitung v. 1 1 . 2 . 1 9 5 3 Selbstmord.

) Vgl. zu dieser Frage die Einleitung zum 1. B d . , 48 f. ) M S . / K A . / n r . 8, fol. 4 5 : Kiszling schreibt: Als er in Bozen „durch das Radio die Ernennung Glaises zum Minister erfuhr, fuhr er sofort nach Wien, um bei der Regelung der Direktorsfrage im 87

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hatte es also mit dem A n t r i t t des E r b e s eilig. A b e r auch ein zweiter E r b e meldete sich, der rangältere H o f r a t E r n s t v o n N i s c h e r 8 9 ) , Leiter der K a r t e n s a m m l u n g , N e u städter A k a d e m i k e r Jahrgang 1 9 0 1 , ein in der Prähistorie und im Kartenwesen sehr bewanderter M a n n , aber nach seiner ganzen A r t für die Leitung eines international angesehenen Institutes nicht geeignet. W e i t eher wäre es M e d u n a gewesen - nach seiner humanistischen Bildung vielleicht sogar m e h r als Kiszling. A b e r das G e s a m t bild gab d o c h diesem den V o r r a n g . D r . v. N i s c h e r w a r beleidigt und ging, d u m merweise, in P e n s i o n ; er m a g es seither oft und oft bereut h a b e n 9 0 ) . Ich holte von Schuschnigg (das evangelische Bekenntnis Kiszlings wohlweislich verschweigend) die Erlaubnis zu dessen B e t r a u u n g mit meiner dauernden Vertretung und gab diese Weisung schriftlich an Kiszling w e i t e r , w o b e i ich mir in wichtigen und personellen Dingen eine Stellungnahme vorbehielt 9 1 ). Als Leiter des Generalstabswerkes zeichnete ich auf den letzten zwei B ä n d e n mit Kiszling gemeinsam. Das V o r w o r t u n t e r schrieb auch weiterhin jedesmal ich. D e n letzten T e x t b a n d ( V I I ) schloß ich am 13. M ä r z 1 9 3 8 , am T a g e des Anschlusses, in meiner Eigenschaft als „ l e t z t e r ö s t e r reichischer V i z e k a n z l e r " ab. Kriegsarchiv anwesend zu sein. Er konnte aber bei Glaise gar nicht v o r k o m m e n , der noch immer im D i rektionszimmer saß und sich plötzlich im Gegensatz zu seinen bisherigen Versprechungen gegen Kiszling sehr abweisend benahm. Dieser fuhr hierauf nach Pörtschach auf U r l a u b . " »«) Ernst Nischer v. Falkenhof (Scheuchenegg, S t m k , 3 1 . 7 . 1 8 7 9 bis 2 1 . 6 . 1 9 6 1 , Wien), 1 8 . 8 . 1 9 0 1 aus der Milak. als Lt. zu D R . 9, 1 . 8 . 1 9 1 3 als H p t m , ins K A . (Kartensammlung), 1914 Kriegsdienstleistung bei I R . 4, schwer verwundet, ab 1 1 . 5 . 1 9 1 5 wieder im K A . , 8 . 7 . 1 9 1 8 D r . phil., 1918 M j r . , (1922 O b s t l t . a . D . ) , 1920 Oberstaatsarchivar u. Leiter der Kartensammlung, 1925 Regierungsrat, 1930 H o f rat, 1931 Direktor-Stellvertreter des K A . , 1 . 1 0 . 1 9 3 6 Generalstaatsarchivar, 3 1 . 1 2 . 1 9 3 6 Ruhestand. N i scher war ein bedeutender Archäologe (Limeskunde), Byzantist und Historiker der Kartographie. Seine H a u p t w e r k e : D i e R ö m e r im Gebiete des ehemaligen Österreich-Ungarn, Wien 1925; Stilicho, Wien 1947. Dichtung: Savitri. Ein R o m a n aus Persien, Wien 1947. Vgl. sein Werkverzeichnis (94 selbständige Arbeiten, Aufsätze in Zeitschriften und Zeitungen), in: E . Hillbrand, Ernst Nischer-Falkenhof ( 1 8 7 9 - 1 9 6 1 ) , in: M Ö S T A , 15. Bd. (1962), 7 0 0 - 7 0 4 . Sein Nachlaß im K A . , sign. B / 1 0 5 5 . ®°) Vgl. die diesbezügliche Korrespondenz im K A . , sign. B / 1 0 5 5 , nr. 23 u. nr. 2 4 , sowie B G H . 1264/36. Glaise begründete seinen Wunsch ausführlich in einem Schreiben vom 9 . 1 2 . 1 9 3 6 , anerkannte mehrmals Nischers Verdienste, hob aber hervor, er hätte sich zu sehr auf die Altertumswissenschaften und auf das Kartenwesen spezialisiert und mit dem alten und neuen Offizierskorps zu wenig K o n t a k t gesucht. Laut Nischers späteren Eingaben an das B K A . hätte ihm Glaise bereits am 1 6 . 7 . 1 9 3 6 erklärt, er, Nischer, „ h ä t t e keine Verbindung mit dem deutschen Reichsarchiv" und habe „ j a auch keinen F r a c k " . Nischer versuchte in Eingaben 1945, 1946 und 1952 eine Wiedergutmachung zu erreichen, wurde jedoch abgewiesen. 9 1 ) D u r c h K A . ZI. 3 6 8 1 / 3 6 , einen einfachen „ D i e n s t z e t t e l " vom 2 1 . 1 0 . 1 9 3 6 : „ I m Auftrage des Herrn Bundeskanzlers übertrage ich die einstweilige Leitung des Kriegsarchivs in allen Teilen dem Herrn H o f r a t O b e r s t a . D . Rudolf Kiszling. In grundsätzlichen, die Zukunft des Instituts betreffenden Angelegenheiten hat der H e r r Hofrat mit mir jeweils das Einvernehmen zu pflegen. Die Schriftleitung des amtlichen Kriegswerkes führe ich auch weiterhin gemeinsam mit i h m " . Er dankte weiters den Angestellten „ o h n e förmlich Abschied zu n e h m e n " . Kiszling dazu im M S . / K A . / n r . 8, fol. 4 6 : „Seltsamer Weise erhielten Kiszling und die Kriegsgeschichtliche Abteilung diesen Dienstzettel nicht zur Kenntnis. Kiszling war von dem Inhalt nur mündlich unterrichtet w o r d e n . " ( A n m . des Herausgebers, Kiszling hat den Dienstzettel jedoch paraphiert.) „ I n der Praxis gestaltete sich die Direktionsführung in der Weise, daß Glaise die Repräsentation des Hauses beibehielt, Kiszling die faktische Leitung auszuüben und die Verantwortung zu tragen hatte. Glaise dachte auch nicht im entferntesten daran, das Direktionsbüro zu räumen. E r besaß zum Hintertürl einen Schlüssel und setzte sich, wenn die Regierung wieder einmal

Das Ministerbüro und seine Tätigkeit

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Ich benützte die nächsten Tage, um mich bei meinen Ministerkollegen vorzustellen. Die Angelegenheit blieb ohne tieferen Eindruck. In Erinnerung ist mir nur, daß mich mein alter Kamerad Baar, der Vizekanzler, mit den Worten begrüßte: „ D u weißt ja, daß auch ich immer national gedacht habe." Vielleicht ließ ihn seine Geistigkeit an die Wahrheit dieses Ausspruches glauben. Ich mußte innerlich lachen. Allerdings schrieb mir auch der arme Fey zwölf Stunden vor seinem entsetzlichen Sterben: ,,Du weißt, ich bin zeitlebens national gewesen." 9 2 ) Sachliche Aufgeschlossenheit fand ich eigentlich nur bei Hammerstein, dem Justizminister des Kabinetts. Seine lyrische, mimosenhafte Einstellung gegen Nationalismus, Antisemitismus etc. versagte ihm, gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine positive Haltung zu beziehen. In der kurzen Zeit unserer gemeinsamen Ministerschaft war ich mehr als einmal genötigt, ihn vor einem zu starken Extemporieren ehrlich zu warnen. In seinem Ressort erwies er sich meinen Bestrebungen und der von mir vertretenen Politik entgegenkommender als je ein anderer Minister - Neustädter-Stürmer mitinbegriffen. Das hat ihm schließlich als Regierungsmitglied das Genick gebrochen. Offene Ablehnung fand ich bei aller zur Schau getragenen, wienerisch betonten Kollegialität bei Stockinger, eine - wie ich glaube - ziemlich ehrliche persönliche Freundschaft bei Pernter 9 3 ), obgleich in der Folge sein Ressort der Befriedungsaktion die allerschwersten Hindernisse entgegensetzte. Daß mir im allgemeinen eine dornenvolle Tätigkeit bevorstand, bei der mich auch der Kanzler nicht besonders unterstützen werde, lernte ich schon in den ersten Tagen in der Bürofrage vorausahnen. Es handelte sich, für mich einen entsprechenden Amtsraum zu finden. Man dachte mir drei bescheidene, hintereinanderliegende Räume in einem der zahlreichen Lichthöfe des Bundeskanzleramtes (Ballwackelte, an den Direktionsschreibtisch und markierte den Chef des Archivs. Wenn nach längeren Telephongesprächen der Fall der Regierung beschworen war, verschwand Glaise ebenso geheimnisvoll, wie er gekommen war. Leidtragend war der Adjutant Kölln, weil er ständig vom 1. Stock, w o die Direktionskanzlei war, zum Leiter des Archivs in den 2. Stock eilen mußte. Erst auf nachdrückliche Vorstellungen Köllns bequemte sich Glaise im Jahre 1937 die Direktionszimmer zu räumen. Er bezog aber ein kleines Zimmer im 1. Stock . . . " . ®2) Vgl. Oswald, Fey, 179f.: Danach bat Fey am 15.3.1938 in einem Brief dringend um ein Eingreifen, da Gerüchte schwirrten, er werde verhaftet werden. „Ich bitte Dich daher umgehendst, wenn irgend möglich noch heute bei den maßgebenden Herren zu intervenieren, daß man mich in Ruhe läßt und eine solche Weisung auch nach unten weitergegeben wird. Ich glaube darauf hätte ich wohl Anspruch. Ich verweise im übrigen auf unsere in den letzten Jahren oft geführten Gespräche, besonders auf das letzte vor ca. 2 - 3 Wochen und meine tausendmal bekundete deutsche Gesinnung. Ich habe auch immer geholfen w o ich konnte. Glaube mir die Sache ist ernst und überaus dringlich." Dem Schriftbild und den orthographischen Fehlern nach wurde der Brief in größter Eile geschrieben. Der Überbringerin nach erhielt ihn Glaise-Horstenau erst am späten Abend des 15. März. In der Nacht gingen Fey, seine Frau und sein Sohn aus dem Leben. » ) Hans Pernter (Wien, 3 . 1 0 . 1 8 8 7 bis 2 5 . 7 . 1 9 5 1 , Bad Ischl), Dr. iur., ab 1911 im öffentlichen Dienst; Kriegsdienst im 1. Weltkrieg: 1.11.1916 Oblt. i . d . Res., IX./1918 Aktivierungsantrag, Dienst bei F H R . 12, sodann Beamter im Unterrichtsministerium, 1933 Sektionschef und oberster Leiter der Staatstheater, VII./1934 Staatssekretär, 15.5.1936 B M . f. Unterricht, 15.3.1938 verhaftet, bis X./1940 im KZ Dachau, 1944/45 Haft, 1945 Mitgründer der ÖVP, 19.12.1945 Abg. z. N R . Vgl.: I. Strobl, Dr. Johannes Pernter (1887-1951), Wr. ungedr. Diss. 1966.

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hausplatz 2) zu. Ender hatte sie früher als „Verfassungsminister" innegehabt und dort ein, wie begreiflich, beschauliches Dasein gemeinsam mit einem Sekretär geführt. Das Auffinden der Räume forderte ein erkleckliches Maß von Orientierungsgabe. Nicht weit davon befand sich der herrliche „rote Salon", eines der schönsten Gemächer des ehrwürdigen Gebäudes, in welchem ich 3 Jahre später meine politische Laufbahn in Österreich beschließen sollte. Inhaber war damals Baar, der den Saal aber niemals benützte, da er im Sicherheitsministerium in der Herrengasse sein Zelt aufgeschlagen hatte. Trotzdem lehnte es der Kanzler aus Rücksicht auf das Heimwehrprestige Baars ab, mir den roten Salon zuzuweisen. Ich blieb daher fürs erste in meinem gemütlichen Büro im Kriegsarchiv, was auch das Gute hatte, daß mein ja doch von sehr viel Illegalen frequentierter Parteienverkehr den Augen der überwachenden Polizei ziemlich entzogen war. Erst als ich im November Innenminister wurde, bekam ich das Büro Baars in der Herrengasse 94 ). Traditionsgebunden, wie ich bin, zog ich nicht ohne erhebendes Gefühl in jenen Amtsraum ein, den seit Taaffes Zeiten die k.k. österreichischen Ministerpräsidenten innehatten. Ich hatte die Wahl mit vielleicht noch repräsentativeren Räumen an der Straßenfront. Aber schon die Tradition ließ mich den ruhigeren Saal wählen. Später gelang es mir, die Bilder von Dollfuß und Miklas, die in die Seidentapete des klassizistischen Raumes wenig hineinpaßten, ohne Aufhebens zu entfernen und an ihrer Stelle ein Bild Franz Josephs von Kobierski anzubringen. Auch die nicht passende Ledergarnitur wich einer solchen aus der Empirezeit. In diesem schönen Raum verblieb ich bis zum 14. März 1938, an welchem Tage ich ohne viel Federlesens von der zur Macht gelangten Gestapo verdrängt wurde. Es bleiben für mich unvergeßliche Stunden, die ich in diesem historischen Zimmer verleben durfte. Wie mag es jetzt aussehen? Ich wage es nicht, den Raum wieder zu betreten. Ein paar Monate alleiniger Amtswirksamkeit im Kriegsarchiv waren gar nicht unbequem. Mir tat aber das Institut wegen der vielen Besucher leid, die sich manchmal in den sonst benediktinische Stille atmenden Gange drängten. Übrigens behielt ich das Büro bis in den Herbst 1938 bei; es leistete mir immer wieder, zumal beim Empfang von Besuchen, die nicht unbedingt zur Kenntnis des Schottenrings (Polizeipräsidium) kommen mußten, wertvolle Dienste. Auch die Erinnerung an geruhsamere Zeiten wurde immer wieder geweckt und manchmal fragte ich mich, warum ich mich überhaupt in das politische Abenteuer eingelassen habe. Ich fürchtete mich vor dem Augenblick des endgültigen Abschiedes. Als er jedoch - wie schon bemerkt: im Herbst 1938 - kam, da fiel er mir seltsam leicht. Die geänderten Zeitläufe und die tief greifende Wandlung, die der Direktorposten durch die Militarisierung und die Erwerbung von einem halben Dutzend, in Berlin hausenden Zwischenvorgesetzten zum Nachteiligen erfahren hatte, ließen mir das Scheiden leicht werden . . . 94

) Herrengasse N r . 7. 1811 kaufte Maria Beatrix die dortigen Häuser und ließ ein Palais mit klassizi-

stischer Fassade errichten. Seit 1842 Staatsbesitz, zeitweise Sitz des öst. Ministerratspräsidiums und des k . k . Ministeriums für Landesverteidigung, nach 1918 B M . f. Unterricht, 1945 B M . f. Inneres.

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N o c h zäher wie mit der Raumfrage ging es mit der meines persönlichen B e a m tenstabes. Chavanne teilte mir ungesäumt in freigebigster Weise den Sektionsrat R . v. B a r e c k 9 5 ) zu, der früher einmal bei F e y Sekretärsdienste, das heißt eigentlich Vorzimmerdienste, geleistet hatte. E r war, übrigens ein Verwandter F M L . v. Sackens, im Kriege Reserveoffizier bei den Dreier Dragonern gewesen und hatte sich Kavallerieoffiziersallüren zugelegt. E r war ein guter Kerl, aber wenig begabt, unerhört schlampig und dabei eitel und schwatzhaft, welch letztere Eigenschaft mir schon in den ersten W o c h e n eine U n a n n e h m l i c h k e i t eintrug. Chavanne hatte mir den Mann offenbar deshalb gegeben, weil er drei Kinder zu ernähren hatte und ihm solcherart die ,,Präsidialzulage" zustatten kam. Vielleicht wollte er auch einen mitteilsamen „ B e r i c h t e r s t a t t e r " in meine N ä h e setzen. D i e Zuteilung Barecks allein zeigte mir, welch geringe Vorstellung man von dem mir zugedachten Pflichten hatte. Zugleich mit Bareck stellte sich als „freiwilliger S e k r e t ä r " G r a f Peter Czernin zur Verfügung, den ich vor Jahresfrist im Kreuzbrückel durch seine Freundin Melanie F r i t s c h 9 6 ) (seine spätere Frau) kennengelernt hatte. C z e r n i n war der richtige Sohn seines Vaters des Außenministers, tatendurstig, ehrgeizig, egozentrisch, unruhig wie ein junges Araberpferd. G e w i ß auch begabt, war er von der steirischen H e i m wehr zum Nationalsozialismus übergeschwenkt und auch einige W o c h e n gesessen, was ihm eine höhere Weihe gab, und hatte zumal bei den alpenländischen Nationalsozialisten viele persönliche Beziehungen. Leider war er bei den Konservativen, zumal bei den Legitimisten, unerhört verhaßt. Als ich ihn kennenlernte, war er noch ein begeisterter Anhänger O t h m a r Spanns; ich entging aber der Versuchung, mich in den Kreis von dessen Söhnen hineinziehen zu lassen, da mir zumal Raffae l 9 7 ) von Haus aus sehr unsympathisch war. Übrigens riet mir auch einer der mir durch Peter zugeführten steirischen Nationalsozialisten, der begabte D r . D a d i e u 9 8 ) , ich möge d o c h bei Schuschnigg für die Berufung Spanns zum Handels- oder S o zialminister eintreten. Ich selbst bin mit dem alten Spann während meiner Ministerschaft ein einzigesmal in der W o h n u n g C z e r n i n s zusammengetroffen. E r ist nach dem Anschluß von der G e s t a p o verhaftet und etwa ein J a h r in Gefangenschaft ge-

9 5 ) Erich R . V. Bareck (Wien, 1 1 . 1 1 . 1 8 9 0 bis 3 . 4 . 1 9 6 9 , Wien), 1 4 . 3 . 1 9 1 3 als E F . zu D R . 3, 1 . 8 . 1 9 1 6 Lt. i. d. R e s . ; seit 1 4 . 5 . 1 9 1 8 im öffentl. Dienst, 1936 Sektionsrat in der A b t . 6 des B K A . , sodann B ü r o Glaise-Horstenaus bis 1938, nach 1945 im B M . f. Inneres und ab 1946 im B M . f. Unterricht (Leiter der Rektoratskanzlei der Hochschule für Bodenkultur), 1955 Ruhestand als (Titular-)Hofrat. 9 6 ) Melanie Gräfin Czernin (geb. G r a z , 1 6 . 8 . 1907), geb. Kragl-Fritsch, Journalistin, 3 . 9 . 1 9 3 8 vermählt mit Peter G r a f Czernin v. Chudenitz. , 7 ) Raffael Spann (geb. Kempten, Bayern, 1 0 . 6 . 1 9 0 9 ) , Studium an den Universitäten Palermo, G r e n o b l e , W i e n ; 1933 D r . phil., Journalist, Angehöriger des Katholischen Jungvolkes, 1938 9 Monate in K Z - H a f t , sodann 1939 Reichsbeauftragter für die Verlagerung der Luftwaffenindustrie, 1947 von den Sowjets verschleppt, 1955 R ü c k k e h r , ab 1958 kaufmännisch-juridischer Geschäftsführer der ö s t e r r e i c h i schen Studiengesellschaft für Atomenergie-Forschungszentrum Seibersdorf. ">) Armin Dadieu (geb. Marburg, 2 0 . 8 . 1 9 0 1 ) , 1926 D r . techn. ( C h e m i e ) , Privatdozent, 1932 V o r stand des Instituts für anorganische und physikalische Chemie an der Technischen Hochschule G r a z , 1937 volkspolitischer Referent der V F . in G r a z , Nationalsozialist, 1 4 . 3 . 1 9 3 8 Landesstatthalter von Steiermark, sodann Gauwirtschaftsberater des Gaues Steiermark.

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halten worden. Man hat ihm unter anderem zur Last gelegt, dem Regime Dollfuß-Schuschnigg das wissenschaftliche Rüstzeug zu ihrem famosen Ständestaat geliefert zu haben (persönliche Feindschaft Rosenbergs). Auch in der Entwicklung der sudetendeutschen Partei scheint er keine besonders glückliche Rolle gespielt zu haben. Ich kam mit Spann zum erstenmal im Herbst 1934 zusammen. Er war mir damals von Schuschnigg geschickt worden und verfocht irgendwie den Gedanken, gemeinsam mit der Heimwehr die nationale Befriedung durchzuführen. Er war stets ein politischer Phantast. Von Anbeginn verband Peter Czernin mit den drei Kärntnern Klausner"), Globocnik und Friedl Rainer enge Freundschaft. Klausner weilte in seiner Kärntner Einsamkeit, auch Rainer war im Lande, indes Globocnik Österreich als den verhafteten Leopold vertretender Landesleiter von außen her umkreiste, bald aber dank dem Entgegenkommen Hammersteins gleichfalls zurückkehren konnte. Czernin führte mir die drei, zuerst Rainer, dann „Globus" und schließlich Klausner zu. Dagegen warnten er wie seine spätere Frau mich unerhört vor Seyß-Inquart und Dr. Flor 1 0 0 ). Ich werde noch darauf zurückkommen, wie die beiden Gruppen schließlich doch zu gemeinsamer Tat zusammenfanden, indes ich stürzte. Auch Czernin gesellte sich am Schlüsse, als er meine Stellung erschüttert sah, in die Laube. Ich nehme es ihm nicht übel. Er war mit trotzdem ein wertvoller Freund und hat mir große Dienste geleistet. Ich hätte gescheiter gehandelt, wenn ich ihm mehr gefolgt wäre. Nach dem Anschluß setzte er seine ganzen Karten auf Globocnik, dessen Hauptberater in der Gauleiterschaft er wurde. Mit dem Herzog fiel der Mantel. Auch seine spätere Frau war mir treu ergeben. Ich bin ihr dankbar. Die Tätigkeit meines Büros wuchs schon in den ersten Wochen so stark an, daß mit dem wenig geeigneten Bareck und einer umso besseren Sekretärin (Fräulein Edith Neumann, einer Oberstleutnantstochter, die leider nach dem Umbruch in ihrer Ahnenreihe einen jüdischen Großvater entdecken sollte) kein Auslangen zu finden war. Bareck schlug mir vor, mich um den in der Abteilung 6 eingeteilten, vierunddreißigjährigen Ministerialkommissär Dr. Kramsall 1 0 1 ) zu bewerben. Ich tat es " ) H u b e r t K l a u s n e r (Raibl, S ü d k ä r n t e n , 1 . 1 1 . 1 8 9 2 bis 1 2 . 2 . 1 9 3 9 , W i e n ) , 1 . 1 0 . 1 9 1 2 EF. bei F J B . 8, 2 1 . 3 . 1 9 1 4 Fhr. aktiv, 1 . 8 . 1 9 1 4 L t . , 1 . 1 2 . 1 9 1 5 v e r w u n d e t , seither im H i n t e r l a n d ; Ü b e r n a h m e in V o l k s w e h r und B u n d e s h e e r , Dienst bei K ä r n t n e r Einheiten, v o r n e h m l i c h bei A J R . 1 1 , im Zeugsdienst u. im F u h r w e s e n , 2 6 . 9 . 1 9 3 0 M j r . , 1 1 . 6 . 1 9 3 3 v o m Dienst e n t h o b e n , 1 . 7 . 1 9 3 3 mit W a r t e g e b ü h r beurlaubt. Seit 1 9 2 2 bei der N S D A P , 1 9 3 3 G a u l e i t e r der illegalen N S D A P in K ä r n t e n , II./1938 illegaler und III./1938 legaler Landesleiter der N S D A P in Ö s t e r r e i c h , 1 1 . 3 . 1 9 3 8 B M . f. politische W i l l e n s b i l dung, 2 6 . 5 . 1 9 3 8 G a u l e i t e r v o n K ä r n t e n , V e r t r e t e r des Reichsstatthalters in Ö s t e r r e i c h , S S - O b e r f ü h r e r . 1 0 °) F r i t z F l o r ( W i e n , 2 2 . 7. 1 9 0 5 bis 1 3 . 4 . 1 9 3 9 , A u t o u n f a l l bei Bad D e u t s c h - A l t e n b u r g ) , 1926-1930 S t u d i u m an der phil. Fakultät der Universität W i e n , sodann wissenschaftliche H i l f s k r a f t und a u ß e r planmäßiger Assistent am Institut f ü r V ö l k e r k u n d e , w ä h r e n d der Studienzeit Tätigkeit in der H o c h schulpolitik und in der N e u l a n d - B e w e g u n g , 1 9 3 3 Leiter des Ressorts Ä u ß e r e s des Vaterländischen Pressvereins des Heimatschutzes, M i t t e l s m a n n S t a r h e m b e r g s zur N S D A P , später v o n diesem fallengelassen, m e h r m a l s H a f t . Mitarbeiter S e y ß - I n q u a r t s , seit X I . / 1 9 3 7 Herausgeber der „ A l p e n l ä n d i s c h e n K o r r e s p o n d e n z " , nach d e m 1 3 . 3 . 1 9 3 8 im Stab des Reichsstatthalters, S S - S t u r m b a n n f ü h r e r . Sein Nachlaß in I f Z G . sign. D o 13 - N1 1. 1 0 1 ) K a r l K r a m s a l l (geb. W i e n , 8 . 5 . 1 9 0 3 ) , 1 9 2 7 D r . iur., ab 1 9 2 8 im nö. Landesdienst, zuletzt als L a n d e s r e g i e r u n g s k o m m i s s ä r , 1 . 2 . 1 9 3 5 ins B K A . e i n b e r u f e n . M i n i s t e r i a l o b e r k o m m i s s ä r , im 2. W e l t -

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und Kramsall meldete sich Mitte September bei mir zum Dienste. Ich ließ ihn schon nach wenigen Monaten den alleinigen persönlichen Dienst bei mir übernehmen, während Bareck schlecht und recht mit der Erledigung unwichtiger Akten weiterbefaßt wurde, damit ihm die Präsidialzulage erhalten blieb. Kramsall war der Sohn eines verstorbenen Hofrates und der typische Statthaltereijüngling im guten Sinne. Er war 1934 nach längerer Dienstleistung bei den Bezirkshauptmannschaften Melk, Krems und Baden in das Bundeskanzleramt gekommen, war in der jüngeren Beamtenschaft der Zentralstellen tief verwurzelt, dabei bis zum Anschluß überaus tätig und für alles interessiert, persönlich überaus anhänglich und unbedingt verläßlich und leistete mir solcherart in den Jahren meiner Systemministerschaft die allerbesten Dienste. Der Anschluß mit all seinen revolutionären Folgen entwurzelte diesen altösterreichischen Beamten sowohl gesellschaftlich wie seelisch. Dies trug nicht wenig zu meiner sehr bald eintretenden eigenen Vereinsamung bei. Dabei wurde er überaus ängstlich, indes er früher ohne Scheu den notwendigen Verkehr mit den Führern der Illegalen gepflegt und sich damit gegenüber dem System in die größten Gefahren begeben hatte. In dem Augenblick, da ich diese Zeilen zu Papier bringe, ist Kramsall noch bei mir. Er begleitet mich auf allen Reisen und hat außerordentlich viel gesehen und erlebt. Vom Führer abwärts gibt es kaum eine prominente Persönlichkeit des Dritten Reiches, die ihm nicht die Hand gereicht hätte. Ich fürchte, er versteht es nicht, daraus Nutzen für sein eigenes Fortkommen zu ziehen, er hat jeden inneren Halt verloren. Hoffentlich findet er sich wieder. Als „Vertrauensmann der Nationalsozialisten" wurde mir durch Papen, Muff und die anderen Herren der Gesandtschaft in den ersten Tagen meiner Ministerschaft Dr. Seyß-Inquart präsentiert; dies sei auch die Auffassung Berlins. Ich bat Seyß sofort zu mir und war in der Folge emsig bemüht, diesem verschlossenen, schweigsamen Mann mir seelisch näher zu bringen. Dies zu versuchen wurde ich auch dann nicht müde, als sich - nicht nur in der späteren offiziellen Parteileitung, wie noch zu berichten sein wird, sondern auch in anderen nationalen Kreisen - gegen Seyß starke Gegnerschaften regten. Eines meiner ersten Entgegenkommen erwies ich ihm dadurch, daß ich ihm das meiner Ministerschaft zugrunde liegende Gedächtnisprotokoll zur Einsicht übergab. Er ließ es abschreiben. Die Abschrift fiel im Herbst, als das politische Tagebuch eines wegen Attentatsabsichten wider Schuschnigg verhafteten nationalsozialistischen Einzelgängers ausgehoben wurde, mit anderen politischen Akten Seyß-Inquarts in die Hände der Polizei, die das D o kument gierig las und sicherlich auch dem Kanzler über meinen „Vertrauensbruch" Meldung erstattete 1 0 2 ). Ich stellte Seyß in ziemlich scharfer Weise zur Rede, was er mir wohl geraume Zeit nicht vergessen hat. Übrigens war Seyß selbst 12 Stunden bei der Polizei festgehalten; an seiner „Wiederbefreiung" mochte auch meine Interkrieg als Kriegsverwaltungsrat bei diversen Dienststellen, zuletzt bis 6 . 5 . 1 9 4 5 bei der Militärverwaltung Südost in Agram, britische Kriegsgefangenschaft, ab 1947 im B M . f. Vermögenssicherung und W i r t schaftsplanung, dann im B M . f. Finanzen, 3 1 . 1 2 . 1 9 6 8 als Ministerialrat unter Verleihung des Titels Sektionschef pensioniert. 10z

) Vgl. dazu Rosar, 101 ff.

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vention beim Polizeipräsidenten Skubl 103 ) Anteil gehabt haben. Skubl gab mir einen Auszug aus dem erwähnten Tagebuch zu lesen. Neben Seyß und Rafelsberger 104 ) wurde auch Leopold genannt, allerdings in abfälliger Weise. Die ersten Wochen meiner Ministerschaft waren schon ziemlich bewegt. Vor allem lag mir daran, daß mein Wirkungskreis abgesteckt und meinen Ministerkollegen in entsprechender Weise mitgeteilt würde. Ich erwartete, daß dies im ersten Ministerrat, den ich mitmachte, am 24. Juli, geschehen werde, und benützte die Gelegenheit, Schuschnigg zu Beginn der Sitzung einen Zettel mit ein paar Schlagworten in die Hand zu drücken. Was nun kam, war echt Schuschnigg! Er las den Zettel beifällig, steckte ihn in die Tasche und eröffnete dann den Ministerrat mit den folgenden Worten: „Ich begrüße vorerst unsere neuen Kollegen, den Minister Glaise-Horstenau, der im Zusammenhang mit dem Juliabkommen ins Kabinett berufen wurde, und den Staatssekretär Dr. Schmidt, der nach meinen Weisungen die auswärtigen Angelegenheiten behandeln wird." Nach dieser lakonischen Erklärung ging er sofort zum ersten Punkt der Tagesordnung, den Beförderungen, Titelverleihungen und Auszeichnungen über. Uber meine Aufgabe und meine Zusammenarbeit mit den Ressortschefs ließ er kein Sterbenswörtlein fallen. Auch eine allgemeine politische Auseinandersetzung unterblieb auf allen Seiten. Dies war auch in Zukunft so. Raffte sich der Kanzler oder Guido Schmidt in seinem Auftrag zu einem außerpolitischen Exposé auf (was in der Regel im Zusammenhang mit politischen Entrevuen geschah), dann erfuhren wir kaum wesentlich mehr als im amtlichen Kommuniqué und dieses Plus hielt häufig nicht einmal einer Probe auf ihre volle Wahrhaftigkeit stand. Zu innenpolitischen Erörterungen kam es fast ausschließlich höchstens im Zusammenhang mit umstrittenen Gesetzentwürfen. Die Minister waren für Schuschnigg bessere Sektionschefs und wurden von ihm nicht weniger en bagatelle behandelt wie diese. Politische Gespräche führte der Kanzler ausschließlich mit seinen besonderen Vertrauten, den beiden „Guidonen", wie sich der Bundesvater grollend ausdrückte, wobei er sie als das Unglück des Vaterlandes brandmarkte (Schmidt und Zernatto), später auch, als er ihn zum Staatssekretär für Sicherheit ernannt hatte, mit Skubl. Selbstverständlich waren auch meine Referate stets mit politischen Gesprächen verbunden und Schuschnigg verstand es . . . nein, das überaus verworrene Bild dieses undurchsichtigen Charakters möchte ich erst bei späterer Gelegenheit zu entwerfen trachten. 1M ) Michael Skubl (Bleiburg, Kärnten, 27.9.1877 bis 24.2.1964, Wien), seit 1900 im öffentlichen Dienst, 3.1.1906 bis 31.7.1938 in der Polizeidirektion Wien, 14.11.1933 Polizeivizepräsident, 29.9.1934 Polizeipräsident, 20.3.1937 bis 11.3.1938 u. 11.3.1938 bis 13.3.1938 Staatssekretär für Angelegenheiten der Sicherheit. 104 ) Walter Rafelsberger (geb. Wien, 4.8.1899), Kriegsdienst, Absolvent der Technischen Hochschule Wien, Diplomingenieur, Betriebsleiter in einem Edelstahl werk; ab 1933 Mitglied der NSDAP, 1934 Kreisleiter in Judenburg, 1934 auch Gauleiter der Steiermark, VII./1935 - VII./1936 in Haft, X./1936 Flucht nach Berlin, 13.3.1938 Staatskommissar für die Privatwirtschaft beim Reichsstatthalter, 6.5.1938 Gauwirtschaftsberater von Wien (Leiter des Gauwirtschaftsamtes), 26.7.1938 auch Präsident der Wiener Handelskammer, SS-Oberführer, 30.8.1942 auch Wehrwirtschaftsführer im Gau Wien, im März 1947 im Salzkammergut ausgeforscht und verhaftet.

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Den Kanzler zur Herausgabe einer meinen Wirkungskreis betreffenden Anweisung an die Minister zu bewegen, dazu bedurfte es mehr als acht Wochen. Die Form eines Erlasses zu wählen, vermochte er sich nicht zu entschließen. Wir kamen schließlich überein, daß er den Kabinettsmitgliedern und sonst in Betracht kommenden Funktionären persönliche Briefe schrieb 1 0 5 ). Der wackere Sektionschef Jäckl 1 0 6 ) vom Verfassungsdienst leistete mir wertvollste Schützenhilfe. Ich war in meinen Forderungen viel zu bescheiden. Meine Funktionen hätten es sinngemäß erforderlich gemacht, a) daß ich von den einzelnen Ressorts über alle den nationalen Konflikt betreffenden Angelegenheiten unterrichtet wurde, b) daß ich zu direkter Intervention berufen wurde. Aber auch die von Schuschnigg herausgegebene Anweisung hätte meinen Bedürfnissen im Wesentlichen genügt, wenn sie von den Herren Kollegen befolgt worden wäre. Doch es fiel ihnen nicht ein und hatte einer etwa gar den ernsten Willen, was ich nicht historisch einwandfrei nachzuweisen vermag, so hinderten ihn seine „vaterländisch" gesinnten Beamten. Ich hätte viel, viel mehr Rechte verlangen müssen, um annähernd das Mindestmaß des Notwendigen zu erreichen. Schließlich half ich mir mit Vertrauensmännern in den Ressorts. Ich denke mit besonderer Dankbarkeit der Freunde Wimmer 1 0 7 ) (Verfassungsdienst), Erich Gruber 1 0 8 ) (bei Arbogast Fleisch 1 0 9 ), den gleißnerischen „Bundeskommissär für Personalangelegenheiten", Wolf und Möckel 1 1 0 ) (Unterrichtsmini> 05 ) Z . B . : A V A , B M . f. Unterricht, ZI. 1025-Pr. 6, Brief Schuschniggs an Pernter, Wien, 2 5 . 9 . 1 9 3 6 . Man sollte Glaise-Horstenau „ a u f sein Verlangen Informationen erteilen und i h n " in den im J u l i - A b k o m m e n angeführten Angelegenheiten „Gelegenheit zur Äußerung seiner Auffassung und zur Antragstellung . . . g e b e n . " Schuschnigg erklärte mit Brief v. 9 . 1 . 1 9 3 7 , daß das obige Ersuchen „ u n g e achtet der Regierungsumbildung und der Betrauung . . . mit der sachlichen Leitung bestimmter zum Wirkungskreis des Bundeskanzleramtes gehörenden Angelegenheiten vollkommen aufrecht" bleibe. Vgl. auch A V A , B K A . , A b t . 1, Grundzahl 1 1 0 2 0 9 - 1 / 3 7 : Konzept der Schreiben Schuschniggs an die Minister und Staatssekretäre, ebenso B G H . 1192/36. 1 0 6 ) H u g o Jäckl (Wien, 5 . 6 . 1 8 7 8 bis 2 3 . 1 . 1 9 4 4 , Wien), D r . iur. 1 1 . 7 . 1 9 0 6 bis 3 1 . 1 0 . 1 9 4 1 im öffentlichen Dienst, ab 1 1 . 3 . 1 9 3 6 Sektionschef im B K A . , A b t . 1 der Sektion 1 (Verfassungsdienst), ab 1 . 1 0 . 1 9 3 8 Ministerialdirigent im R M . d. Innern, 1 9 4 1 - 1 9 4 3 Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule in Wien. , 0 7 ) Friedrich W i m m e r (Salzburg, 9 . 7 . 1 8 9 7 bis ?), zunächst Beamter der N ö . Landesregierung (Kulturreferat), illegales Mitglied der N S D A P , 1936 im Präsidium des B K A . A b t . 1, 1 3 . 3 . 1 9 3 8 bis 9 . 6 . 1 9 3 8 Staatssekretär im B K A . , ab 2 2 . 3 . 1 9 3 8 Mitglied der öst. Landesregierung, 2 4 . 5 . 1 9 3 8 Staatssekretär für Rechtsangleichung im Stab des Reichsstatthalters (bis 3 0 . 4 . 1 9 3 9 ) , sodann Regierungspräsident in Regensburg, V . / 1 9 4 0 - 1 9 4 5 Generalkommissar für Verwaltung und Justiz in den Niederlanden. U b e r seine weitgehende Beraterrolle bei Seyß-Inquart am 12. u. 1 3 . 3 . 1 9 3 8 und später vgl. Rosar, 3 J 1 ff. u.

H . J . N e u m a n n , Arthur Seyß-Inquart, G r a z - W i e n - K ö l n 1970, vgl. Reg. 1 0 8 ) Erich G r u b e r (?, 1 7 . 9 . 1 8 8 4 bis 2 5 . 1 1 . 1 9 5 3 , ?), 1910 in den I . Weltkrieg Reserveoffizier beim Gebirgsschützenrgt. 1, 1 9 1 8 - 1 9 3 6 im B ü r o des Bundeskommissärs für Personalangelegenheiten im B K A . als Kommissar für Personalangelegenheiten im A m t des Reichsstatthalters, Niederdonau, 1949 wegen Hochverrats zu 5 Jahren Kerker verurteilt.

Dienst der Staatsbahnen, im B M . f. Finanzen, 1937 in das Ministerialrat, nach I I I . / 1 9 3 8 1939 Regierungspräsident für

, 0 9 ) J o s e f Arbogast Fleisch (Klaus, B e z . Feldkirch, Vorarlberg, 2 9 . 4 . 1 8 8 4 bis 1 5 . 3 . 1 9 7 0 , Wien), ab 1911 im Staatsdienst, zuletzt Sektionschef im B K A . Bundeskommissär für Personalangelegenheiten, 1 5 . 7 . 1 9 3 8 entlassen, 1 4 . 1 2 . 1 9 4 5 rehabilitiert. no) R o b e r t M ö c k e l (?), D r . phil, 1936 Hofrat im B M . f. U . A b t . 7 (Pädagogische Angelegenheiten der mittleren Lehranstalten; Versuchsschulwesen).

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sterium), Kerber 1 1 1 ) (soziale Verwaltung). Im Sektor Heerwesen hatte ich (neben manchem alten Kameraden) einen besonders wohlunterrichteten und fachkundigen Vertrauten, es war mein Freund Muff. Aber all dies blieb nur Stückwerk - und zwar auch deshalb, weil ich vieles von dem, was ich erfuhr, aus Rücksicht auf die Quelle nur oberflächlich oder gar nicht verwerten konnte. Den wichtigsten Gegenstand zwischenbehördlicher Beratungen bildete in den ersten Tagen meiner Ministerschaft die dem Führer versprochene Amnestie. Ich wurde diesen Beratungen dank der kollegialen Art Hammersteins immer zugezogen und stand stark unter dem Eindruck der strengen Sachlichkeit, mit der die Vertreter des Justizministeriums die schwierige Frage behandelten. Aber auch Hammerstein, der Minister, bekanntlich ein feiner Schriftsteller, tat sein Möglichstes und stürzte dafür auch im November. Wie alle Leute seinesgleichen saß er übrigens zwischen zwei Stühlen. Denn obgleich er seinerzeit auch als Sicherheitsdirektor von Oberösterreich sehr anständig war, lohnte es ihm nach dem Anschluß niemand. Er wurde nicht in die Schrifttumskammer aufgenommen, was gleichbedeutend war mit seinem Tode als Schriftsteller und kürzlich, so viel ich höre, sogar eingesperrt. Er hat allerdings in den Monaten seiner Ministerschaft die Unvorsichtigkeit begangen, in einer Versammlung des gewiß nicht sehr sympathischen ,,Penklubs" sehr scharfe Worte gegen den überspitzten Nationalismus zu sprechen. Nachträglich kann man nur sagen, daß aus dem Trümmerhaufen Europa, den dieser Krieg zurücklassen wird, überhaupt nur dann noch etwas werden kann, wenn die Völker die Worte Hammersteins beherzigen werden. Den größten „ B r e m s e r " gab der Kanzler ab, der sich bei allen zu größerer als achtjähriger Kerkerstrafe verurteilten und darüber hinaus auch bei allen eingekerkerten öffentlichen Angestellten (Offizieren, Soldaten, Polizisten etc.) entschiedenst ablehnend verhielt. Schon damals konnte ich die später oft beobachtete Eigenschaft wahrnehmen. Schuschnigg war stets geneigt, große Zugeständnisse zu machen, aber nur in der Theorie - unter Bedingungen, deren Erfüllung in weiter Ferne lag; und er konnte sich da auch verständnisvoll und gütig geben. Wenn es aber auf die Tat ankam, auf Nachsicht und Milde, da war in diesem Schüler der Stella matutina fast nichts zu merken. Er konnte in Fragen von Begnadigungen und Existenzvernichtungen erschreckend hart und unerbittlich sein auch wenn es sich um Jugendliche und ihre Dummheiten handelte. Mich erfaßte oft geradezu ein Grauen vor dieser Härte und Gefühlskälte. So war er denn auch von Anbeginn in der Amnestiefrage der Unnachsichtigste. Ich kämpfte um Oberst Seiinger 1 1 2 ), für den ich schon im Herbst 1934 eingetreten war, mit einer mir nicht immer eigenen Zähigkeit, erreichte aber nichts. N u r den m ) R o b e r t Kerber (Stettin, 2 1 . 5 . 1 8 8 4 bis ?), ab 1907 im Staatsdienst, 1918 Ministerialsekretär, 11.3. bis 2 1 . 9 . 1 9 3 3 B M . f. Soziale Verwaltung als E x p o n e n t der Christlichsozialen Partei, 2 3 . 9 . 1 9 3 3 bis 10.7.1934 B M . f. Innere Verwaltung und Administrative Statistik. 112 ) Rudolf Seiinger (Krakau, 5 . 1 . 1 8 9 0 bis 1 . 6 . 1 9 6 0 , Innsbruck), 18.8.1908 aus IKSch. L o b c z o w zu FJB. 8, 1.11.1911 Lt. FJB. 30, im 1. Weltkrieg Dienst bei Ballonabteilungen und bei der L u f t f a h r e r s a t z t r u p p e , 1917 u. 1918 bei der Luftschifferabt. d. Deutschen Kriegsmarine eingeteilt und Teilnehmer an Aufklärungsfahrten u n d Angriffen auf Ziele in G r o ß b r i t a n n i e n , Ü b e r n a h m e in Volkswehr und Ö B H . , 2 4 . 2 . 1 9 2 3 Stabshauptmann, 2 9 . 1 . 1 9 2 4 zu IR. 4, 2 7 . 9 . 1 9 3 2 M j r . , 1 . 6 . 1 9 3 2 zu IR. 3, militärischer Ausbilder der Alarmabteilung der Wiener Polizei, 1 . 7 . 1 9 3 3 der N S D A P beigetreten, 1933/34 an

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Präsidenten Steinhäusl 1 1 3 ) gab er frei, wobei er ausdrücklich erklärte: „ D a s ist ein Zugeständnis für Sie, Sie können davon gegenüber ,Ihren' Leuten Gebrauch machen." Ein besonderer Gegner von mir war der einstige fanatische Anschlußfreund und jetzt ebenso fanatische ,, Vaterländer" Ludwig, zunächst Chef des Bundespressedienstes, von Oktober 1936 an Präsident der neuen Pressekammer, der sich im Herbst 1936 sogar herausnahm, eine von mir ausgegebene, meine Tätigkeit betreffende Pressenotiz zu zensurieren. A m Freitag den 17. Juli nachmittags fuhr ich mit Mutter und Gusti nach Linz. Meine Absicht war, der Reihe nach alle Landeshauptleute und sonstige Funktionäre zu besuchen und zugleich mit den Nationalen Fühlung zu nehmen, um schließlich überall einen Kreis von Vertrauensmännern zur Verfügung zu haben. W i r stiegen im Hotel Weinzinger ab. Ich ahnte nicht, welche geschichtliche Bedeutung dieses Haus 20 Monate später gewinnen sollte 1 1 4 ). Mutter schlief mit Gusti, ich bewohnte das Nebenzimmer. W i r hatten herrliche Aussicht nach der Donaubrücke hin. Die unmittelbare N ä h e der Unterkunft hatte zur Folge, daß sich meine sechsundachtzigjährige Mutter sehr wohl fühlte - das einzigemal bei solchen Anlässen. Spätere Semmering-Weekends endeten immer grauenvoll, da ich zufällig kein Zimmer in der N ä h e erhielt. Die alte Frau wurde jedesmal halb verrückt, wobei sie ihren Z o r n vor allem an der Gusti, daneben aber auch an mir ausließ. Es war schon ein rechtes Kreuz. Ich traf am Samstag den Landeshauptmann 1 1 5 ), den Sicherheitsdirektor Graf R e verterá 1 1 6 ) und alle anderen ,,Dignitäre" nicht an. N u r dem Linzer B i s c h o f 1 1 7 ) Putsch- und Attentatsplänen gegen die Bundesregierung bzw. den Bundeskanzler - jedoch nicht am durchgeführten Attentat vom 2 5 . 7 . 1 9 3 4 - beteiligt, 2 7 . 8 . 1 9 3 4 aus dem Ö B H entlassen, 2 3 . 3 . 1 9 3 5 durch den Militärgerichtshof zu lebenslänglichem schweren Kerker verurteilt; 1 2 . 3 . 1 9 3 8 Beförderung zum O b e r s t , 1 5 . 3 . 1 9 3 8 rückübernommen ins Ö B H , 1 5 . 6 . 1 9 3 8 kommandiert zum Stab I R . 73, 3 1 . 1 2 . 1 9 3 9 aus aktivem Wehrdienst entlassen. Nach 1945 neuerliche Inhaftierungen. 1 1 3 ) O t t o Steinhäusl (Budweis, 1 0 . 3 . 1 8 7 9 bis 2 0 . 6 . 1 9 4 0 , Wien), seit 1907 in der Wiener Polizeidirektion, dann ab 1910 Dienst in Mährisch-Ostrau und in Salzburg, nach 1918 wieder in der Wiener P o lizeidirektion, 1932 C h e f des Sicherheitsbüros, 1934 verhaftet, 2 0 . 1 2 . 1 9 3 5 vom Militärgerichtshof zu 7 Jahren schweren Kerker verurteilt, V I I I . / 1 9 3 8 S S - O b e r f ü h r e r , seit 1938 kommissarischer Leiter des Wiener Polizeipräsidiums, 1 8 . 1 . 1 9 4 0 Polizeipräsident. 1 1 4 ) In der Nacht vom 12. auf den 1 3 . 3 . 1 9 3 8 übernachtete hier Adolf Hitler und gab den Auftrag zur Ausarbeitung des Anschlußgesetzes. Vgl. G . B o t z , Hitlers Aufenthalt in Linz im März 1938 und der Anschluß, in: Historisches J a h r b u c h der Stadt Linz, J g . 1970, 1 8 5 - 2 1 4 . 1 1 5 ) Heinrich Gleißner (geb. Linz, 2 6 . 1 . 1 8 9 3 ) , D r . iur., im 1. Weltkrieg Reserveoffizier im K S c h R . I I I , 1933 Kammeramtsdirektor-Stellvertreter der o ö . Landwirtschaftskammer, 21.9.1933 Staatssekretär im B M . f. Land- und Forstwirtschaft, 2 8 . 2 . 1 9 3 4 Bundesminister, 1 . 3 . 1 9 3 4 Landeshauptmann von O ö (bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 ) ; 1 5 . 3 . 1 9 3 8 ins K Z Dachau, 1939 K Z Buchenwald, 2 6 . 1 0 . 1 9 4 5 bis 2 . 5 . 1 9 7 1 Landeshauptmann von O ö . 1 1 6 ) Peter Friedrich G r a f Revertera-Salandra (Paris, 1 8 . 3 . 1 8 9 3 bis 9 . 4 . 1 9 6 6 , Helfenberg, O ö ) , Grundbesitzer, Reserveoffizier im 1. Weltkrieg, stellte 1919 im Mühlviertel den Heimatschutz auf, führend im oö. Bauernbund tätig, 1929/30 Landesführer von O ö des Heimatschutzes, ab 1 . 3 . 1 9 3 4 Sicherheitsreferent der o ö . Landesregierung, 4 . 8 . 1 9 3 4 bis 1938 Sicherheitsdirektor von O ö . " 7 ) Johannes Maria Gföllner (Waizenkirchen, 1 7 . 1 2 . 1 8 6 7 bis 3 . 6 . 1 9 4 1 , Linz), 1893 Priesterweihe, D r . theol., ab 1 6 . 7 . 1 9 1 5 B i s c h o f von Linz. Vgl. R . Kutschera, Johannes Maria Gföllner, B i s c h o f dreier Zeitenwenden, L i n z 1972.

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machte ich am Nachmittag einen Besuch. Es war der fanatische Gföllner, der mich mit braunrotem Gesicht und nüchterner Kühle empfing. Das Gespräch war nicht besonders inhaltsreich. Bezeichnenderweise beklagte er sich über die Kirchenfeindlichkeit der Heim wehr und ihres oberösterreichischen Häuptlings Wenninger 1 1 8 ), der nun auch Stabschef Starhembergs war. Einige Monate später gab er mir (schon in der Herrengasse) meinen Besuch zurück. Diese Unterredung gipfelte in der von ihm mit großem Temperament vorgebrachten Bemerkung: „ H e r r Minister, der 11. Juli ist das Unglück Österreichs." Ich bemühte mich, mit Gegenargumenten durchzukommen. Es war aussichtslos. Gföllner wurde in der Folge der ausgesprochene Führer aller „volksfrontlichen" Bestrebungen. Ansonsten machten wir Ausflüge: vormittags nach Ottensheim, wobei wir die Donau überquerten, nachmittags durch den Haselgraben in die Richtung Schenkenfelden - wobei in mir Erinnerungen an ferne Jugendtage, an die schönen ersten Leutnantsmanöver aufstiegen. Mittags speisten wir auf dem Pöstlingberg, nachdem wir die Kirche besucht hatten. Man kam darauf, daß ich der neue nationale Minister sei und begrüßte mich mit Respekt und Freude, wobei die Sehnsucht nach der Aufhebung der Tausendmarksperre die Hauptrolle spielte. Schwere Enttäuschungen blieben vor der Aufhebung, die - nicht zuletzt unter dem Drucke der biederen Bajuvaren - erst am 1. September erfolgte, und, wegen der Devisenschwierigkeiten, auch nachher nicht aus. Der 11. Juli war eben, wohin man sah, nichts anderes als eine Gefechtspause, eine mühselig erhaltene Waffenruhe. Mit Langoth 1 1 9 ) konnte ich eine kurze Zwiesprache führen. Am Abend nahm ich an einer Brucknerfeier im herrlichen Hofe des Linzer Landhauses teil. Ich wurde durch Gleißner sehr freundlich begrüßt und auch ein bärtiger Landesamtsdirektor nahm sich meiner fleißig an. Dem Konzert folgte ein Empfang, bei dem ich nur kurze Zeit blieb. Des anderen Morgens war Brucknerfeier in St. Florian, ein Hochamt, bei dem die herrliche Brucknerorgel spielte. Von der Regierung waren außer mir noch Hammerstein und Mandorfer 1 2 0 ) anwesend. Meine Mutter fühlte sich recht unbe-

u s ) Heinrich Wenninger (Wels, 7 . 7 . 1 8 8 7 bis 5 . 1 0 . 1 9 5 0 , Linz), Kaufmann, 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Reserveoffizier, 1919 an der Errichtung der Schutzwehr in O ö beteiligt, 1927 Stadtkommandant-Stellvertreter bzw. Stadtkommandant der Welser H e i m w e h r , 1930 Landesführer der o ö . H e i m w e h r , 1 . 3 . 1 9 3 4 M i t glied der o ö . Landesregierung, 1 2 . 1 1 . 1 9 3 4 Landesstatthalter ( = Landeshauptmannstellvertreter), 1 9 3 8 / 1 9 3 9 im K Z Dachau. 1 1 9 ) Franz Langoth ( L i n z , 2 0 . 8 . 1 8 7 7 bis 1 7 . 4 . 1 9 5 3 , Bad Goisern), ab 1896 Lehrer, Hauptschuldirektor, ab 1909 Abgeordneter der Deutschnationalen Partei, zum o ö . Landtag, ab 1918 Mitglied der Landesregierung, 1 9 1 9 - 1 9 3 4 Landeshauptmann-Stellvertreter, ab 1934 Leiter des geduldeten „ H i l f s werk L a n g o t h " für die Nationalsozialisten, 1939 Gauamtsleiter der N S - V o l k s w o h l f a h r t , S S - O b e r f ü h r e r und Aufsichtsratsvorsitzender diverser Banken, 1 9 3 8 - 1 9 4 5 M d R . , 1944/45 Oberbürgermeister von Linz. Seine M e m o i r e n : K a m p f um Österreich. Erinnerungen eines Politikers, Wels 1951, hier 1 9 5 - 1 9 8 u. 3 1 6 über Glaise-Horstenau. 1 2 0 ) Peter Mandorfer (Steinersdorf bei Waldneukirchen, O ö , 1 9 . 4 . 1 8 8 5 bis 3 0 . 7 . 1 9 5 3 , Linz), Bauer, Tätigkeit im Genossenschaftswesen, Gründungsmitglied des Bauernbundes, 1 9 1 9 - 1 9 3 8 Abgeordneter der Christlichsozialen zum o ö . Landtag, 1 5 . 5 . 1 9 3 6 bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Landwirtschaftsminister, 1938 und 1944 in H a f t , 1 9 4 5 - 1 9 5 3 wieder Abgeordneter und Präsident der o ö . Landwirtschaftskammer.

Fahrt in die Bundesländer

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haglich und raubte mir einen guten Teil des Genusses. Nachher fuhren wir nach Linz zurück und begaben uns auf ein Donauschiff, woselbst ich feierlich empfangen wurde. Es war doch ganz hübsch, Minister zu sein. Bald zogen schwere Gewitter herauf und wir mußten gut von Maria Taferl an die Fahrt unter Deck verbringen, was recht betrüblich war. Während wir durch die Wachau fuhren, prasselte schwerer Regen auf den grau gewordenen, bewegten Spiegel der blauen Donau nieder. Bei der Reichsbrücke empfing uns Ogorevc, der mit dem Auto von Linz vorausgefahren war. Der Urlaub nahte heran. Die letzten Vortage brachten noch mancherlei Erlebnis. Das Kabinett feierte nach dem letzten Ministerrat in der Nobelheurigenschenke Manhart zu Grinzing einen Abschiedsabend. Veranstalter und Arrangeur war - wie auch nicht? - Stockinger, der sich in seinem Element befand, die Speisefolge zusammenstellte, die besten Weine herausfand und ebenso gute, wie meistens derbe Witze zum Besten gab. Die Angelegenheit währte, bei entsprechenden Ortsveränderungen innerhalb des Hauses, bis in die vierte Morgenstunde, ich verschwand um halb drei Uhr früh auf holländische Art und Weise als erster. Zu Beginn saßen Guido Schmidt und ich Schuschnigg gegenüber, am entgegengesetzten Ende des Tisches. Ungesäumt stiegen süßsaure Späße über die sinngemäß plazierte „nationale Opposition". Bei einem Anstoßen der Gläser trug mir leise flüsternd der um 15 Jahre jüngere Kanzler das , , D u " an. Da diese Blätter, soweit es überhaupt geht, mein Innerstes aufzeigen sollen, gestehe ich, daß ich doch ein wenig geschmeichelt war. Im übrigen wird dieses Duzen zumal in reichsdeutschen Kreisen, aber auch in nationalsozialistischen österreichischen, mitunter ungünstig beurteilt. So können nur Leute denken, die unsere Verhältnisse nicht kannten. Das Duzen unter den Ministern gehörte mindestens seit Seipel sozusagen zum österreichischen Regierungskomment. Damals war es üblich geworden, Regierungsumbildungen echt österreichisch bei einem Heurigen zu feiern, wobei dann allseits Bruderschaft getrunken wurde. Einmal im Parlament rief Seipel, schon als Bundeskanzler, den einstigen Staatssekretär für Heerwesen Dr. Waihs (einen im übrigen mit Vorsicht zu genießenden Gesellen) zur Seite und sagte mit pastoraler Stimme: „Sie waren auch einmal Minister, sagen wir uns D u ! " Auch Starhemberg rühmte sich, seit er im Wahlkabinett Vaugoins 1 2 1 ) Innenminister gewesen war, der Du-

m ) Carl Vaugoin (Wien, 8 . 7 . 1 8 7 3 bis 10.6.1949, Krems/Donau), Juwelierssohn, 1892 EF. in Trainrgt. 1, 1894 Berufsoffizier, 1899 ins Verhältnis „außer Dienst", 1915 Landsturm-Oblt., ab 1898 Beamter der nö. Landesreg., ab 1898 Tätigkeit als christlichsoz. Politiker, 1912-1920 Wiener Gemeinderat, 10.11.1920 bis 30.4.1934 Abg. z. N R . , 28.4.1921 bis 7.10.1921 u. 31.5.1922 bis 2 1 . 9 . 1 9 3 3 B M . f. H w . , führte den Aufbau und die „Umpolitisierung" des Bundesheeres durch, 2 6 . 9 . 1 9 2 9 bis 3 0 . 9 . 1 9 3 0 Vizekanzler, 3 0 . 9 . 1 9 3 0 bis 4 . 1 2 . 1 9 3 0 Bundeskanzler, 9 . 5 . 1 9 3 0 bis 26.1.1934 Bundesobmann der christlichsozialen Partei, 1933-1936 Präsident der Verwaltungskocnmission der österreichischen Bundesbahnen, 1934-1936 Staatsrat, mußte seine Funktionen nach dem Zusammenbruch der Phönix-Versicherungsgesellschaft, in den er verwickelt war, zurücklegen; 1938 inhaftiert, 1940-1943 Zwangsaufenthalte. Im April 1938 wurde anläßlich der Verhaftung Glaise um Intervention gebeten: B G H . 3946/38. Vgl. Anton Staudinger, Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930-1933), in: M Ö S T A . , 23. Bd. (1971), 2 9 7 - 3 7 6 .

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freundschaft mit Seipel und war nicht wenig stolz darauf. Außerhalb der Ministergemeinschaft wurde dafür - von C V . - und Heimwehrfreundschaften abgesehen mit dem Du sehr gegeizt. Oberst Adam zum Beispiel nahm bei Schuschnigg lange Zeit eine besondere Vertrauensstellung als Pressechef ein, ohne daß ihm je das kanzlerliche Du angetragen worden wäre. Kienböck war mit mir gut 10 Jahre lang befreundet, als er Draxler als Finanzminister kennen und lieben lernte und ihn sofort mit dem Duwort beglückte. Mir sagte er nach wie vor feierlich Sie. Als ich Minister geworden war, trachtete ich das nunmehr aktuell gewordene Du mit der Bemerkung abzuwehren, daß ich mir nicht anders vorkäme denn als schlichter Direktor des Kriegsarchivs. Trotzdem entging ich meinem Schicksale nicht. Kienböck nahm auf einem Ritte bei Laxenburg ein zwölfjähriges Reitjubiläum zum Anlaß, sich mit mir doch auf den Dufuß zu stellen. Lächerlicherweise wollte er mich - wie früher Draxler - seit meiner Ministerschaft auch immer rechts reiten lassen. Ich verbat es mir. Im übrigen gilt für meine Dufreundschaft mit Schuschnigg der Wahlspruch des Hosenbandordens: „ H o n n y soie qui mal y pense." Es ist blödsinnig, wenn Gesinnungstüchtige im nachhinein über diesen Duzfuß und die sonstigen freundschaftlichen Formen, unter denen sich mein Umgang mit dem Kanzler vollzog, die Nase rümpfen. Erstens wäre eine Ablehnung dieser nun einmal traditionellen und echtösterreichischen Umgangsart praktisch kaum denkbar gewesen. Nach der ganzen Lage hätte ich meine Position durch Enthaltsamkeit in den persönlichen Umgangsformen noch wesentlich schwieriger gestaltet, als sie ohnehin war. Zweitens war ich - auch in der sozialdemokratischen Zeit - von der Auffassung erfüllt, daß man auch bei tief gehenden Meinungsverschiedenheiten politischer und ideeller Art unter Umständen gesellschaftlich auf einem annehmbaren, ja selbst - siehe meine Beziehungen zu Oberst Körner - freundschaftlichen Fuße stehen konnte. Bezüglich meiner Ministerkollegen hatte ich etwa das Verhältnis vor Augen, unter dem sich in England der Verkehr zwischen Regierung und Opposition vollzog. Ich war eben leider nie kompromißlos und „hundertprozentig"; das hatte vielleicht ins 19. Jahrhundert gepaßt, aber nicht in ein Zeitalter der Unbeirrbaren, Unentwegten und Kompromißlosen. Was zudem Schuschnigg anlangte, so war ich außerdem Idealist genug, ein, bei allen Meinungsverschiedenheiten wirklich innerliches Freundschaftsverhältnis zu erhoffen. Eine Zeit lang hatte es den Anschein, als sollte es wirklich dazu kommen. Unser persönlicher Verkehr war nett und, soweit es bei dem kühlen Patron anging, mitunter sogar herzlich. Nicht selten hatte ich während schwieriger Unterredungen den Eindruck, daß er auf meine Gedanken einginge und es zu einem weitgehenden Einverständnis gekommen sein mochte. Aber wenn ich die Stiege des Kanzleramtes hinabschritt, dachte ich jedesmal: Was hast Du, außer schönen Worten, eigentlich wirklich erreicht? Und im nachhinein wurden von seinen Versprechungen kaum eine von hundert erfüllt. Nächstesmal lief ich freilich Gefahr, mich neuerlich bluffen zu lassen. Schon sehr bald wählte ich, nach diesen Erfahrungen, in wichtigeren Fragen oder Etappen der Politik, den schriftlichen Weg, obgleich wir nur zwei Häuser entfernt

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waren. Auch die Urbane Form meiner Briefe hat mir nachträglich manch übles Nachwort Verständnisloser eingetragen: daß sie mit „lieber Freund" begannen und mit wärmeren Formeln endeten . . . Schuschnigg selbst ließ sich, wie mir Guido Schmidt oft und oft warnend bemerkte - durch die Form nicht täuschen, er geriet meiner Epistel wegen nicht selten in überaus heftigen Zorn. Andrerseits freilich entsprach die Nötigung, nun auch seine Auffassung mir gegenüber zu Papier zu bringen, weitgehend seinen Neigungen, seiner Lust an geistreichen, künstlerischen und auch künstlichen Formulierungen, bei denen der Inhalt sogar mitunter zu kurz kam. So liegt, als einzige politische Korrespondenz des seinem Ende entgegengehenden Deutschösterreichs, ein nicht uninteressanter Briefwechsel vor. Freunde haben immer meinen „ M u t " bewundert, so vieles Persönliche schriftlich aus der Hand zu geben. In meiner Naivität habe ich sie nicht verstanden. Jetzt verstehe ich sie ,.. 1 2 2 ) Dem Sommer-Abschiedsheurigen folgte die traditionelle Dollfußfeier vom 25. Juli. Ich muß sagen, daß ich nur unter Qualen an ihr teilgenommen habe. Zuerst war ein Pontifikalrequiem im Dome zu St. Stephan - noch das angenehmste. In meiner Romantik, die mit Dogmengläubigkeit leider so gut wie nichts zu tun hat, hat es mir immer ehrlich Freude gemacht, als Minister gleich den infulierten und nicht infulierten Domherren im Chorgestühl zu sitzen und das kirchliche Zeremoniell, dieses Erbstück zweier Jahrtausende, aus der Nähe zu verfolgen. Der kleine Knabe, der im Dom zu Salzburg keine größere Seligkeit kannte, als - beim Rückmarsch der zelebrierenden Geistlichkeit in die Sakristei - das Parament eines Bischofs berühren zu können, lebte in mir eben noch fort. Allerdings störte mich bei meinem ersten Auftreten im Chorgestühl am 25. Juli 1936, daß wenige Schritte von mir entfernt, von Stockinger geführt und in Trauer gehüllt, mit marmornem Antlitz Alwine Dollfuß 1 2 2 8 ) stand, für die ich nie eine Sympathie habe aufbringen können. Nachher fuhr ich mit Arbogast Fleisch in dessen Auto - Ogorevc war mit dem Aufgeben von Koffern befaßt - zur Kanzlerkirche. In der Krypta wurden beim Sarge Engelberts Berge von Kränzen niedergelegt, während Seipel nahezu unbeachtet zur Seite lag. Unwillkürlich stellte ich mich von meinen Ministerkollegen weg vor Seipels Sarkophag. Ich litt unter diesem ganzen Getue, das ich wohl oder übel mitmachen mußte, außerordentlich schwer. Es schien mir wie Hohn auf den 11. Juli und auch aus dem geschichtlichen Denken heraus durchaus verfehlt, wie die Fortführung dieses ganzen, heuchlerischen und frevelhaften und taktlos aufgeplusterten Dollfußkultes. Nähere Erklärungen sind wohl nicht nötig. Auf der Fahrt hin und zurück lernte ich auch den gleißnerischen Arbogast kennen, der sich mir gegenüber sofort für einen hundertprozentigen Nazi ausgab. Es fehlte ihm auch der bei manchen Ministern übliche „Leibnazi" nicht. Ein gewisser Dr. Burger, Chefarzt der SA, war sein Verbindungsmann oder, besser gesagt, seine Rückversicherung. Eine zweite Rückversicherung hielt er sich im Büro selbst in der 1 " ) Die K o r r e s p o n d e n z scheint als eigener Bestand nicht erhalten geblieben zu sein. Vgl. als Beispiel eines Briefes Schuschniggs an G l a i s e - H o r s t e n a u : Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, 2 0 2 - 2 0 7 . Alwine D o l l f u ß , geb. Glienke. 3 1 . 1 2 . 1 9 2 1 vermählt mit Engelbert D o l l f u ß .

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Person meines späteren Freundes Erich Gruber, dessen nationalsozialistische Gesinnung allgemein bekannt war, der aber dennoch aus dem Finanzministerium auf den besonderen Vertrauensposten in der zur Zeit wichtigsten Abteilung des Bundeskanzleramtes berufen worden war. O h Du mein Österreich! Neben Gruber waltete der CVer Chaloupka 123 ) seines Amtes, ein außerordentlich scharfer Nazibekämpfer, der, vielleicht aus einer falsch angesetzten Uberzeugung, Tausende von Beamtenexistenzen auf sein Gewissen nahm. Wehmütigen, fast tränenden Auges ließ Fleisch, der schlaue Vorarlberger, zu Zeiten mir gegenüber durchblicken, daß hinter seinem „Peiniger" Chaloupka eine höhere Macht stehe, der gegenüber auch er, Arbogast Fleisch, wehrlos sei. Es sollte andeuten, daß sein Untergebener im CV. einen weit höheren Rang innehätte als er selbst. Die Rückversicherung durch Erich Gruber hat bei Fleisch ihre reichen Früchte davongetragen. Er kam nach dem Anschluß bei der Anwendung des Berufsbeamtengesetzes mit einem blauen Auge davon . . . Knapp nach der Dollfußfeier bestieg ich mit Mutter und Gusti das von Ogorevc gelenkte Polizeiauto, um meinen Salzburger Urlaub anzutreten. Wir aßen in Melk zu Mittag und kamen unter dem schon selbstverständlichen Gewitterregen abends in Salzburg an. Wieder wurden, nun schon zum zehntenmale, die gewohnten höchst primitiven „Appartements" im Kreuzbrückl bezogen. Es waren keine ministerhaften Gemächer. Aber was half es! Schon meiner Mutter zuliebe mußte ich mit dem Kreuzbrückl vorlieb nehmen, denn anderswo wäre sie überhaupt nicht hingegangen. Auch sollte man mir nicht nachsagen, daß ich nun, als Minister, hochfahrend geworden wäre und als Kreuzbrückl mit seiner altvertrauten Maxglaner Umgebung als zu minderwertig betrachtete. Dazu das Reiten. Zum letztenmal in neun Sommern stellte mir mein lieber alter Freund Matic Pferde der Schwadron zur Verfügung - zum letztenmal nahm ich meinen herrlichen Reitsejour auf, der mich täglich in die Heilbrunner Au oder zur Siezenheimer Remise führte. [ . . . ] Allerdings rief mich der Monat Juli noch zweimal nach Wien. Meine Abreisen mußten sich immer überfallsartig vollziehen, damit meine Mutter nicht in allzu langes Jammern ausbrach. Übrigens verging dieser Urlaub noch halbwegs gut, da ihr das Auto Vergnügen bereitete und sie mit ihren 86 Jahren täglich zweimal Spazierfahrten unternahm, abgesehen von Tagesausflügen, bei denen ich natürlich mittun mußte. Mein erster Wiener Aufenthalt galt der Mitwirkung an einem Ministerkomitee, das dem Gesetz über die „Staatsjugend" - die eine Nachbildung der Hitlerjugend sein sollte - die letzte Feile zu geben hatte 124 ). Schon bei diesem Anlasse konnte ich 123 ) Eduard Chaloupka (Wien, 11.8.1902 bis 5.9.1967, Wien), 1926 Dr. iur., ab 1927 im nö. Landesdienst, III./1934 ins Bundeskanzleramt anläßlich der Errichtung der Präsidialsektion, III./1938 entlassen, 3 Monate Schutzhaft, 1.5.1945 Leiter der Abt. 4 im Bundeskanzleramt, 1.12.1945 Ministerialrat, 1946 geschäftsführender Präsidialvorstand, 27.4.1947 Sektionschef und Präsidialchef des Bundeskanzleramtes; hohe Funktionen im Ö C V . 124 ) Uber das „Bundesgesetz über die vaterländische Erziehung der Jugend außerhalb der Schule" vom 28.8.1936 vgl. Bärnthaler, 172-177; gleichzeitig damit wurden Satzungen für das ,,VF-Werk österreichisches Jungvolk", das vierte VF-Werk, erlassen.

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erkennen, wie wenig ernst man es mit der Erfüllung der den Nationalen in Aussicht gestellten Zugeständnisse nahm. In Sonderheit der „nationale" Zernatto überbot sich selbst an konsequentem Verhalten gegen den 11. Juli. Hatte ich dem Führer in Berchtesgaden ausdrücklich zu melden, daß den Nationalen, wenn man ihnen schon die Möglichkeit politischer Organisation nahm, doch wenigstens in kulturellen Vereinigungen Betätigung zu gewähren sein werde - so galt dies nach dem vorliegenden Entwurf des Jugendgesetzes für die Zugehörigkeit Jugendlicher zu nationalen „Kulturverbänden", wie etwa dem Deutschen Schulverein oder gar dem Turnerbund, schon nicht. Im Gegensatz hiezu wurde den konfessionellen Jugendverbänden im Sinne des Konkordates eine extreme Sonderrolle zugebilligt. Eigentlich hätte ich schon an diesem Abend im Unterrichtsministerium zum erstenmal meine Demission geben müssen, dies umsomehr, als man mir kaum die Zeit gewährt hatte, das umfangreiche Elaborat durchzustudieren. Ich trachtete, gerade zu biegen, was noch möglich war, und die Erledigung anderer Fragen aufzuschieben. Alles in allem war dieses politische Debüt für mich in höchstem Grade unbefriedigend. Über die Verhandlungen hatte bereits die Heimkehr der Amnestierten aus den Kerkern von Garsten und Stein einen düsteren Schleier gelegt. Zumal die Linzer hatten es sich angelegen sein lassen, den Befreiten, die mit Autobussen eingeholt wurden, einen möglichst feierlichen und freudvollen Empfang zu bereiten. Der Hauptplatz war von einer tausendköpfigen Menge besetzt, es hätte kaum eine Stecknadel zu Boden fallen können. Und brausende Heil-Hitler-Rufe erfüllten zusammen mit dem Klängen des Horst-Wessel-Liedes die Luft. Die ersten Verhaftungen und der Entzug einer Autobuskonzession waren die äußerlichen Folgen. Einen unerhörten Eindruck in ungünstigem Sinne hatte die Sache im Gemüte des Landeshauptmannes Gleißner hinterlassen, das offenbar schon durch die Tatsache stark aus dem Gleichgewicht gekommen war, daß nicht er, sondern Schuschnigg den Ausgleich mit Deutschland gemacht hatte. Als ich ihn wenige Tage später, zu Beginn des olympischen Fackellaufes, auf der Terrasse der neuen Hofburg wiedersah, da überschüttete er mich mit Entrüstungsäußerungen. Er sollte wenige Minuten später noch ganz anderes erleben. An diesem 29. Juli war ich nach eintägigem Aufenthalt in .Salzburg wieder nach Wien zurückgekehrt. Mir hatte „ U n h e i l " geschwant und ich wollte mich der Pflicht nicht entziehen, an O r t und Stelle zu sein. Die olympische Flamme kam die Triester Reichsstraße herauf und sollte ausgerechnet durch den Führer der Sportund Turnfront, den Fürsten Starhemberg, über den Ring auf den Heldenplatz gebracht werden. Die Minister und sonstigen Würdenträger umgaben auf der Terrasse der neuen Burg den Bundesvater. Czeija 1 2 S ) hatte alles für die Übertragung des feierlichen Geschehnisses vorgesorgt. Zu unseren Füßen deckte den Heldenplatz eine l i s ) O s k a r Czeija (Wien, 5 . 9 . 1 8 8 7 bis 3 . 3 . 1 9 5 8 , Wien), Radiofachmann, nahm 1 9 1 9 - 1 9 2 4 an den Vorbereitungsarbeiten der österreichischen R a d i o v e r k e h r s - A G . (Ravag) teil, deren erster Generaldirektor er ab Eröffnung des O s t . Rundfunks ( 1 . 1 0 . 1 9 2 4 ) wurde und bis 1938 blieb. Mitbegründer der R a diostationen von Belgrad, Agram, Athen und Sofia. Vgl. die Denkschriften und Korrespondenzen C z e i jas mit Glaise, den er im April 1938 um seine Intervention bat, in: B G H . 4 1 0 4 / 3 8 . U b e r Czeija und die

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gewaltige Menschenmenge. Das Arrangement war von Anbeginn mißglückt, der Beginn der Feier verzögerte sich um anderthalb Stunden. Schon war es dunkler Abend, als es losging. Unter dem Losgehen verstehe ich in erster Linie die SiegHeil-Rufe, die aus einem Menschenviereck zu Füßen des Erzherzogs Karl ertönten und sich wie der Sturmwind über das Heldendenkmal hinweg den ganzen Ring hinab verbreiteten. Sie tönten ununterbrochen fort und wurden nur durch die Pfuirufe unterbrochen, die dem „Heimwehrfürsten" entgegenhallten, als er sich im Lichte der olympischen Flamme der Menge zeigte. Die einzelnen Vorgänge sind mir nicht näher in Erinnerung. N u r so viel weiß ich noch, daß ich von Anbeginn von allen Seiten höchst vorwurfsvoll angesehen wurde, als wäre ich in höchsteigener Person der Veranstalter der Demonstration gewesen und nicht Odilo Globocnik, bis zu der vor einigen Tagen erfolgten Freilassung Leopolds provisorischer Landesleiter der Nationalsozialisten. Schließlich verließ der gleichfalls mit Abzugrufen bedachte Bundesvater unter allen Zeichen der Entrüstung die Festterrasse, wobei ich auch von ihm mit einem ziemlich ungnädigen Blick bedacht wurde. Ich fuhr mit meinem Auto auf den Ring, stieg dort aus und legte ein paar hundert Meter zu Fuß zurück, wobei ich bei verschiedenen Polizisten und Zuschauern Eindrücke sammelte. Nicht ohne Grund hatte ich in meinen Vorbesprechungen mit Schuschnigg auch immer wieder die Notwendigkeit von klaren Entscheidungen über den Hitlergruß und das Deutschlandlied betont. Es war eben nicht zu erwarten, daß diese Kundgebungen wie auf Kommando aus dem Leben der Österreicher verschwanden. Allerdings war ich an jenem Abend noch naiv genug gewesen, die Demonstration als spontane Handlung kleiner Gruppen anzusehen. Erst später erfuhr ich, wie „glänzend" sich Odilo als Veranstalter gewaltiger Kundgebungen bewährt hatte. Schade, daß er später nicht auch ein so tüchtiger Gauleiter geworden ist! Auch Papen, auf dessen Gartenveranda ich mein Nachtmahl einnahm, und der gleichfalls anwesende Muff teilten meine Auffassung über den Charakter der D e monstration. Die deutsche Presse schrieb tagsdarauf von „jüdisch-marxistischen" Kundgebungen in Wien. Im übrigen nahmen wir drei die Dinge durchaus gelassen. Aus dem sonstigen Gespräche erinnere ich mich nur, daß Papen mitteilte, der eben freigekommene Leopold werde nach Deutschland abberufen werden. Ich wars zufrieden, da ich bei meiner ersten und bis dahin einzigen Unterredung, die ich im April 1935 mit Leopold hatte, keinen besonders nachhaltigen Eindruck von ihm empfangen hatte. Papens Kandidat war nach wie vor Seyß-Inquart, wobei sich möglicherweise auch Einflüsse über Ketteier wirksam gemacht hatten. Während des Abendessens wurde ich vom Ballhausplatz aufgerufen: Ministerrat im Konferenzzimmer des Bundespressechefs Ludwig! Der Kanzler war entweder schon in St. Gilgen oder irgendwo in Tirol, den Vorsitz führte der gute Baar, der sich besonders wichtig vorkam. Im allgemeinen gings wie in einem Ameisenhaufen zu, wobei wieder ich mehr oder minder als der „Schuldige" behandelt wurde. Im Ravag siehe auch die Memoiren des Dichters Rudolf H e n z , Fügung und Widerstand, G r a z - W i e n 1963, 146 ff.

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einzelnen wurde beschlossen, dem Regierungschef vorzuschlagen, er möge die Fortführung der „administrativen Amnestie" auf einige Zeit strafweise zurückzustellen. Vergeblich warnte ich davor, mit dieser Maßnahme Leute zu strafen, die doch mit den Demonstrationen unmöglich etwas zu tun haben konnten, da sie eingesperrt waren. Einen heiteren Einschlag erhielt der nächtliche Ministerrat, der bis 3 Uhr früh dauerte, durch eines der gewohnten Duelle zwischen Stockinger und Draxler, die trotz ihrer gleichgerichteten Hinneigung zu geschäftspolitischer Betätigung oder vielleicht sogar wegen dieser einander spinnefeind waren. Es gab einen Mann, den sie beide gleichmäßig unerbittlich haßten, das war der arme Oskar Czeija. Nun hatte es während der abendlichen Demonstrationen einen Zwischenfall mit dem Lautsprecher gegeben. Obgleich Stockinger, als Handelsminister der Vorgesetzte der Ravag, beim Ansteigen der Sprechchöre und Siegheilrufe den Befehl erteilt hatte, die Übertragung abzubrechen, ging diese doch noch eine Weile fort, so daß nah und fern noch länger Gelegenheit hatten, die „Begeisterungsstürme" der Wiener mitanzuhören. Das wollte Stockinger nun dazu benützen, den längst ersehnten Sturz Czeijas herbeizuführen. Aber er hatte nicht mit seinem „ F r e u n d " Draxler gerechnet. Denn obgleich dieser gegenüber Czeija nicht wohlwollender eingestellt war, genügte ihm das Votum Stockingers, um das Gegenteil zu fordern. Bald hatte Czeija eine ganz annehmbare Mehrheit im Ministerrat und er ging, wie schon öfter, zerzaust, aber doch lebend, aus der Schlacht hervor. Während des Ministerrates wurde des öfteren mit Schuschnigg telephoniert. Wenn ich nicht irre, stellte ich ihm meinen Posten zur Verfügung; er nahm die Demission jedoch nicht an und bewahrte überhaupt eine anerkennenswerte Ruhe. Tagsdarauf hatte ich reichen Parteien verkehr: Jakoncig 1 2 6 ), Seyß (der bisher jeden zweiten Tag gekommen war), Friedel Rainer, Langoth, Muff, Skubl - am Nachmittag Fey, den ewig Ehrgeizigen, Leopold. Besonders interessant waren für mich die Unterredungen mit Rainer und Leopold, von denen ich jenem zum erstenmal begegnete. Er war etwas über die Dreißig, von sympathischem Äußeren, mit einem mächtigen Schmiß an der Wange, der korpsstudentische Herkunft verriet; politisch gemaßregelter Notariatskandidat, daneben Stellvertreter des das Land umkreisenden Landesleiters Globocnik. Wir sprachen uns sehr gut, wenngleich ich mich in die manchmal etwas gewundenen Gedankengänge nicht immer hineinfinden konnte. Was mir besonders auffiel, war die von Rainer vertretene Ansicht, daß sich die „ P a r t e i " in eine „Bewegung" umzuwandeln hätte, deren Träger in möglichst intensiver Weise den Staatsapparat und die V F . zu durchdringen hätten. Im Gegensatz hiezu war ich von Anbeginn der Meinung, daß der Gedanke, die Nationalsozialisten könnten ganz auf eine selbständige Organisierung verzichten, kaum anders als theoretisch zu werten war. Ich sagte immer: Ein paar Dutzend „Philo-

1 2 6 ) G u i d o J a k o n c i g (Capodistria, Istrien, 2 7 . 9 . 1 8 9 5 bis 2 1 . 1 2 . 1 9 7 2 , Innsbruck), D r . iur., Rechtsanwalt in Innsbruck und W i e n , im 1. Weltkrieg hochdekorierter Reserveoffizier 1. T K J R . , Gründer eines Heimwehrregiments in Innsbruck, Mitglied der Tiroler Landesleitung des Heimatschutzes, 2 0 . 5 . 1 9 3 2 bis 1 0 . 5 . 1 9 3 3 B M . f. Handel und Verkehr als Exponent des Heimatschutzes.

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sophen" würden wohl als Ideenträger wirken können, der schlichte Kämpfer aus der Masse wisse aber mit Ideen allein nichts anzufangen, er bedürfe der Tuchfühlung einer Organisation. „Henleinbewegung" innerhalb der VF. als politische Vereinigung, Turnerbund als Aufnahmsbecken der militanten Elemente - das schien mir, wie schon bemerkt, das äußerst Erreichbare. Rainer und ich gingen wohl beide von unserer ersten Unterredung mit dem Gefühle auseinander, den inneren gemeinsamen Faden nicht gefunden zu haben. Anderthalb Jahre später, in den Abmachungen vom 12. Februar 1938, drangen seine politischen Ideen durch und ihr Exponent nach außen wurde Seyß-Inquart. Die Probe aufs Exempel ist der Rainerschen Politik dadurch erspart geblieben, daß Schuschnigg den Abstimmungsplan als Bombe in die politische Arena warf und damit alles kurz und klein schlug. Die Gruppe Seyß-Rainer stand von Anbeginn in heftigstem Gegensatz zu den „Leopoldinern". Übrigens waren es Rainer, Globocnik und Klausner, die drei Kärntner, die im Herbst 1936 den Unglücksvogel Bürckel127) irgendwo in den Kärntner Wäldern für Österreich zu interessieren begannen. Sie haben schweres Unheil angerichtet. Spät nachmittags saß Rainers Antipode Leopold auf dem gleichen, grün überzogenen Sessel am großen grünen Tisch des Kriegsarchivbüros. Der etwas klein geratene Sohn niederösterreichischer Weinbauern war mir von meiner ersten Begegnung her (April 1935) nicht übermäßig sympathisch gewesen. Daß er neben unterschiedlichen Fehlern einige Qualitäten besaß, sollte ich erst später erkennen. Vor einigen Tagen war er nach im Ganzen 27monatiger Haft in Freiheit gesetzt worden. Im Hinblick auf das gestern mit Papen geführte Gespräch brachte ich den Äußerungen Leopolds bei dieser nunmehr zweiten Unterredung nur ein recht platonisches Interesse entgegen. Mußte ich doch annehmen, daß er bereits halb und halb ins Reich „abserviert" sei und daß Seyß-Inquart allein über den Segen Berlins verfüge! Daher ist mir auch der Inhalt der Ausführungen des „Hauptmanns" aus dem Gedächtnis entschwunden. N u r so viel weiß ich, daß er sich voll und ganz als den Führer der österreichischen Nationalsozialisten betrachtete und daß er andere Götter neben sich nicht dulden wollte - ausgenommen seine ihm unbedingt ergebenen Freunde Schattenfroh 128 ), Tavs 129 ), In der Maur 130 ). ,27 ) Josef Bürckel (Lingenfeld, Pfalz, 3 0 . 3 . 1 8 9 5 bis IX./1944, N e u s t a d t a . d . H a r d t ) , Lehrer, 14. 3,1926 Gauleiter der Pfalz, 6 . 5 . 1 9 3 5 auch des Saarlandes, 13.1.1936 der Saarpfalz, 2 3 . 4 . 1 9 3 8 bis 3 1 . 3 . 1 9 4 0 Reichskommissar f ü r die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. 3 0 . 1 . 1 9 3 9 bis 7 . 8 . 1 9 4 0 Gauleiter von Wien, 12.4. bis 7 . 8 . 1 9 4 0 Reichsstatthalter in Wien, 7 . 8 . 1 9 4 0 Chef der Zivilverwaltung in Lothringen, 11.3.1941 Reichsstatthalter in der W e s t m a r k , 3 0 . 1 . 1 9 4 2 auch S S - O b e r f ü h r e r im Stab des Reichsführers-SS. ,28 ) Franz Schattenfroh (Lindenhausen, Steiermark, 17.9.1898 bis 3 1 . 1 0 . 1 9 7 4 , ?), O f f i z i e r s s o h n , 18.8.1916 aus der Milak. als Lt. zu D R . 14, 1 . 8 . 1 9 1 7 O b l t . , 3 1 . 3 . 1 9 1 9 außer Dienst, 6 . 7 . 1 9 2 2 Titular-Rittmeister, D i p l o m k a u f m a n n , Schriftsteller und Journalist, 1925-1927 Hauptschriftleiter der N S Zeitung „ D e u t s c h e Arbeiterpresse", 1.2.1927 C h e f r e d a k t e u r der Deutschösterreichischen Tageszeitung, 2 4 . 4 . 1 9 3 2 Bundesrat ( N S D A P ) , 1934-1938 Landesleiterstellvertreter der N S D A P in Österreich, 1938 mit Leopold politisch kaltgestellt, ab 1938 im Auswärtigen A m t , 2 2 . 2 . 1 9 4 0 S A - G r u p p e n f ü h r e r . Schriftstellerische Werke: Wille und Rasse, Berlin-Wien-Zürich 1939; G e d a n k e n über die innere und äußere H a l t u n g des Nationalsozialisten, Wien 1940; Britenfaust und Judengeist. Eine Reise d u r c h Ägypten u n d Palästina im Schatten des Krieges, Berlin 1940.

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Am anderen Morgen in früher Stunde fuhr ich mit Baar und Skubl im Austrodaimler Baars Salzburg zu. Guido Schmidt folgte uns in seinem neuen Staatsauto, einem schnittigen 100er Steyrer. Das war unser Glück. Denn bei St. Florian, einige hundert Meter über die Stelle hinaus, wo Herma Schuschnigg ihren tragischen Tod erlitten hatte, versagte der Daimler Baars in gewohnter Weise den Dienst, wir standen gut eine Stunde trauernd um das widerspenstige Vehikel herum, bis Guido Schmidt daherkam und uns aufnahm. In Wels gönnten wir uns im Hotel Greif, dieser Stätte längst versunkener Kavalleristenmullacsags, ein kleines Frühstück. Die ganze Fahrt hindurch genoß Baar mit sichtbarem Behagen die Ehrenbezeigungen und Meldungen der submissest vor dem Herrn Sicherheitsminister zusammenklappenden Gendarmerieposten. In Salzburg trat im Zimmer des Landeshauptmanns im Chiemseehof unter der Leitung Schuschniggs ein Rumpfministerrat zusammen; Beisitzer, wenn ich nicht irre: Baar, Schmidt, Skubl, Pernter und ich (Skubl als Polizeipräsident und Ehrengast). Zernatto war in Wien geblieben, um dort eine „Gegenkundgebung" der VF. zu leiten. Es wurde viel gegrollt und gewettert. Schuschnigg war noch der maßvollste und warnte immer wieder, ruhiges Blut zu wahren. Sehr viel wurde über den Deutschen Turnerbund gewettert, den ich nachdrücklich in Schutz nehmen konnte. Er war am 29. durch ein Mißverständnis zwar in sehr großer Stärke ausgerückt, hatte aber in schweigsamem Dahinschreiten eine wahrhaft mustergültige Disziplin bewahrt. Als Guido Schmidt ein verschärftes Vorgehen wider die nationalsozialistische Organisation riet, setzte ich dieser Anregung die auch in der Folge von mir vertretene Auffassung entgegen: Auf eine Zerschmetterung der Partei (ein Werk, das übrigens auch bisher noch nie gelang, obwohl es keinen 11. Juli gab) könne es nicht ankommen; das läge selbst nicht im Interesse der Regierung, weil sich dann die Nationalsozialisten in regellose, überhaupt nicht mehr faßbare Gruppen verlaufen würden; Uberführung aus der Illegalität in eine legale Form - das allein könne die Aufgabe der Regierung sein. Schuschnigg widersprach nicht. Das Ergebnis der ganzen Besprechung war der schon in Wien gemachte Vorschlag: Sistierung der „administrativen Amnestie". Diese wurde erst anfangs September wieder aufgenommen, da inzwischen „die Befriedung weitere Fortschritte gemacht hatte". 12 ') Leopold Tavs (?), NS-Politiker, 1937 P r o p o n e n t des Siebener-Komitees zur G r ü n d u n g des Deutschsozialen Volksbundes, 1937 ns. Gauleiter von Wien, nach 1938 Ratsherr in Wien u n d in der Gemeindeverwaltung als „Beigeordneter für die Verwaltung des L a n d b e z i r k s " und ab 10.10.1939 als Leiter der Hauptabteilung „ W o h n u n g s - und Siedlungswesen", 1938-1939 Leiter des G a u p r o p a g a n daamtes, 1938-1940 Kreisleiter des Kreises V in Wien. Vgl. L. T . , N a c h dreißig Jahren, in: N e u e O r d n u n g , 1 5 . 3 . 1 9 6 8 , 11-15. 130 ) Gilbert von In der M a u r auf Stehlburg u n d zu Freyfeit (Vaduz, 1 5 . 8 . 1 8 8 7 bis 13.9.1959, P ö r t schach, Kärnten), 18.8.1909 aus der Milak. als Lt. zu D R . 5, 2 6 . 8 . 1 9 1 4 schwer verwundet, 1.2.1917 R t m . , 1 . 5 . 1 9 2 0 Ruhestand, 1920-1922 Herausgeber der Tageszeitung „ A l p e n l a n d " , 1926-1934 C h e f redakteur der „ W i e n e r Neuesten N a c h r i c h t e n " , ab 1934 S ü d o s t k o r r e s p o n d e n t für deutsche Zeitungen, Mitglied der NS-Landesleitung, 1936-1938 V e r b i n d u n g s m a n n zwischen Leopold, Glaise-Horstenau u n d Deutscher Gesandtschaft, 1938 politisch kaltgestellt, 2 6 . 8 . 1 9 3 9 bis 1945 in der Abwehrstelle des W e h r k r e i s k o m m a n d o s X V I I , 1.1.1941 M j r . , ab 1951 Sensal am Klagenfurter D o r o t h e u m . Sein W e r k : Die Jugoslawen einst und jetzt, Bd. 1 - 3 , Wien-Leipzig-Zürich 1936-1938.

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S c h u s c h n i g g blieb n o c h b e i m L a n d e s h a u p t m a n n R e h r l 1 3 1 ) z u r ü c k . A u f meinen V o r s c h l a g verabredeten wir, ihn in m e i n e m S t a m m k a f f e e , d e m K a f f e e G l o c k e n s p i e l g e g e n ü b e r Schwanthalers M o z a r t s t a n d b i l d , z u erwarten. Wir hatten bereits einen K a f f e e mit Bäckerei z u uns g e n o m m e n , als O b e r s t l e u t n a n t B a r t l 1 3 2 ) , die übelste Figur des ganzen S y s t e m s , aufgeregt hereinstürzte und uns etwas zuflüsterte: Rehrl habe den K a n z l e r dahin aufgeklärt, daß das K a f f e e G l o c k e n s p i e l ein N a z i k a f f e e sei, der K a n z l e r w e r d e sich daher ins T o m a s e l l i begeben. Wie b e g o s s e n e P u d e l z o g e n B a a r u n d S k u b l ab, w ä h r e n d ich ihnen lächelnd folgte. D i e K a f f e e h a u s s i t z u n g w u r d e im ersten S t o c k des T o m a s e l l i f o r t g e s e t z t , bis S c h u s c h n i g g ins A u t o stieg, u m in seine bescheidene S o m m e r f r i s c h e St. G i l g e n z u r ü c k z u k e h r e n . N u n m e h r winkten 3 W o c h e n u n u n t e r b r o c h e n e n S a l z b u r g e r A u f e n t h a l t e s , der allerdings durch die V o r t r ä g e bei den H o c h s c h u l w o c h e n belastet war und auch sonst der früheren Beschaulichkeit reichlich entbehrte. M e i n e M i t w i r k u n g an den H o c h s c h u l w o c h e n ist nur im R a h m e n meiner g e s a m t politischen Ziele z u verstehen, wie ich sie seit J a h r e n verfolgte und hoffentlich eingehend w e r d e darstellen k ö n n e n . G r u n d s ä t z l i c h waren die Katholischen H o c h s c h u l w o c h e n in S a l z b u r g s o sehr eine „ g e s a m t d e u t s c h e " Angelegenheit g e w o r d e n , daß sich die Legitimisten unter Wiesner und Z e s s n e r - S p i t z e n b e r g 1 3 3 ) s c h o n einige S o m m e r hindurch veranlaßt sahen, ihnen patentösterreichische A k a d e m i e n entgegenzustellen, die gleichfalls in S a l z b u r g abgehalten w u r d e n . In diesem J a h r e w i r k ten auf der legitimistischen A k a d e m i e : Z e s s n e r , H e i l i g 1 3 4 ) , G ö r g e n 1 3 5 ) , der b ö s e

1 3 1 ) Franz Rehrl (Salzburg, 4 . 1 2 . 1 8 9 0 bis 2 3 . 1 . 1 9 4 7 , Salzburg), 4 . 5 . 1 9 2 2 bis 12.3.1938 Landeshauptmann von Salzburg, christlichsozialer Politiker. Vgl. Franz Rehrl. Landeshauptmann von Salzburg 1922-1938, Salzburg 1975. 1 3 2 ) G e o r g Bartl (Schwaz, Tirol, 2 6 . 1 . 1 8 9 0 bis 9 . 4 . 1 9 4 5 , Kierling bei Klosterneuburg), 18.8.1910 aus der Milak. als Lt. zu LSchR. (KSchR.) II, im Weltkrieg Sperren- und Abschnittskmdt. in Tirol, 1 . 5 . 1 9 1 7 H p t m . , Übernahme ins Ö B H . , Kompaniekmdt. bei Einheiten in Tirol, 2 4 . 1 1 . 1 9 2 1 TitularMjr., 1.8.1934 Personaladjutant des B M . f. L V . (Schuschniggs), 2 5 . 6 . 1 9 3 5 Obstlt., III./1938 Ruhestand, Inhaftierung, 1939 ins K Z Dachau, 1940 ins K Z Mauthausen, VII./1940 entlassen. Uber seinen T o d im Zuge der Besetzung Österreichs durch die Sowjets vgl. Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, 422-425. 1 3 3 ) Hans Freiherr von Zessner-Spitzenberg (Dobritschau, Böhmen, 4 . 2 . 1 8 8 5 bis 1 . 8 . 1 9 3 8 , KZ Dachau), Dr. iur. et phil., 1909 Eintritt bei der Statthalterei Prag als Konzeptspraktikant, 1913 zur Statistischen Zentralkommission, 8 . 3 . 1 9 1 3 zum k. k. Ackerbauministerium, 2 9 . 1 1 . 1 9 1 9 Zuweisung zur Staatskanzlei, 2 9 . 5 . 1 9 2 2 Sektionsrat, 3 0 . 3 . 1 9 3 1 Titular-Hofrat, 1.10.1931 o. Prof. f. Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Bodenkultur, führend in der Monarchistischen Bewegung, insbesondere als Publizist, tätig, 1938 inhaftiert. Aus seinem Nachlaß erschien: Kaiser Karl. Aus dem Nachlaß hg. v. Erich Thanner, Salzburg 1953. 1 3 4 ) Konrad Josef Heilig (Erzingen, Baden, 14.3.1907 bis 6 . 5 . 1 9 4 5 , bei Belluno), 1926 Abitur in Konstanz, Theologiestudium, ab 1929 in Wien, Frequentant des Kurses am Institut für öst. Geschichtsforschung, 1933 Dr. phil., nach eigenen Worten Vertreter einer „christlich-österreichischen Geschichtsauffassung"; zahlreiche Beiträge zur Konstanzer und Würzburger Bistumsgeschichte sowie zur öst. G e schichte; ab X./1938 im erzbischöflichen Ordinariatsarchiv, ab 2 8 . 8 . 1 9 4 0 Kriegsdienst. Vgl. H . Balcar, Konrad Josef Heilig (1907-1945) als Historiker und Publizist, Wr. ungedr. Diss. 1968. 1 3 5 ) Hermann Matthias Görgen, Historiker, 1937 an der finanziellen Sanierung des „Christlichen Ständestaates" beteiligt. Seine Hauptwerke; Friedrich Wilhelm Förster. Leben und wissenschaftliche Entwicklung bis zum Jahre 1904, Zürich 1933; Brasilien, Nürnberg 1971.

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Emigrant Hildebrand 1 3 6 ). Leider war auf Geheiß des Erzbischofs 1 3 7 ) Zessner auch als Konzessionsschulze in den Hochschulwochen eingeteilt. Als man im vergangenen Winter an mich herangetreten war, Vorträge über „Altösterreichs Vergangenheit im Spiegel der deutschen Geschichte" zu halten, betrachtete ich es geradezu als nationale Pflicht, dieser Einladung stattzugeben. Dennoch ließ ich nach meinem Eintritt ins Kabinett durch Muff und Haeften (dieser war Kulturreferent bei der deutschen Gesandtschaft, ein außerordentlich verständiger junger Mann, Sohn meines alten Kameraden, des früheren Reichsarchivpräsidenten Generalmajor von Haeften) im Propagandaministerium nochmals nachfragen, ob die Abhaltung der Vorträge genehm sei. Die Antwort lautete zustimmend. Trotzdem erkenne ich, wenn ich heute auf diese Vorgänge rückschaue, wie naiv ich damals den Dingen im Dritten Reich und in der Partei gegenüberstand. Ich hätte im Interesse meiner Stellung und unbekümmert um gesamtdeutsche Erwägungen die Vorträge absagen sollen, die denn auch - mit Ausnahme des Schlußvortrages - von den Nationalsozialisten demonstrativ gemieden wurden. Auch der Gedanke, durch Abhaltung der Vorträge meine Rolle als „ehrlicher Makler", der über den Parteien stehen wollte, stärker zu unterstreichen, hätte mich von einem solchen Entschluß nicht abhalten sollen. Dabei war es, rein sachlich betrachtet, sicherlich nützlich, gerade von diesem F o rum aus mein Thema zu behandeln, und reichsdeutsche Zeitungen wie die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 22. August haben damals dies auch anerkannt. Meine Vorträge haben sich mit unverkennbarer Deutlichkeit gegen die separatistische Geschichtsauffassung des Dollfuß-Kurses gewendet, wie sie verschiedenerseits, besonders auch von Professor Arnold Winkler 1 3 8 ) in seinen vaterländischen Vorträgen auf der Universität Wien, vertreten wurde. Ich habe mich denn auch gleich im Einleitungsvortrag gegen dessen These von der „Zielstrebigkeit" der in Österreich seit je in der Richtung der „Dollfußstraße" wirksamen Kräfte schärfstens ausgesprochen. Ebenso benützte ich (wie schon erwähnt) die Gelegenheit, auf das Schuschniggsche Versprechen hinzuweisen, daß Änderungen in der Staatsform nur der geschlossenen Willensäußerung des ganzen Volkes vorbehalten sein könnten. O b -

u6) Eine Zusammenfassung der historischen Vorträge der österreichischen Akademie von 1936 bietet: J . W o l f - K . J . Heilig - H . M . G ö r g e n , Österreich und die Reichsidee, Wien 1937. Das V o r w o r t verfaßte Hans Karl Zessner-Spitzenberg. 1 3 7 ) Sigismund Waitz (Brixen, 2 9 . 5 . 1 8 6 4 bis 3 0 . 1 0 . 1941, Salzburg), 1886 Priesterweihe, ab 1891 R e dakteur der „ B r i x e n e r C h r o n i k " , 1899 Professor für Moraltheologie am Brixener Priesterseminar, 1904/05 Religionslehrer des Ehg. Carl Franz J o s e p h , des späteren Kaisers, 1912 Weihbischof und G e n e ralvikar in Feldkirch, nach 1918 für die Restauration politisch tätig. 1921 apostolischer Administrator von Innsbruck-Feldkirch. X I I . / 1 9 3 4 Fürsterzbischof von Salzburg. Seine Erinnerungen: Hans J a b l o n k a , Waitz, Bischof unter Kaiser und Hitler, Wien 1971. 1 3 8 ) Arnold G e o r g Winkler (geb. Wien, 3 . 5 . 1882), Wirtschaftswissenschaftler, 1912 ao. U n i v . - P r o f . der neueren Geschichte an der U n i v . Fribourg, 1914/1918 Frontdienst, 1928 ao. Prof. an der H o c h schule für Welthandel in W i e n , 1 9 3 6 - 1 9 3 8 auch Leiter der Journalistenakademie der öst. Journalistengewerkschaft. Damals erschien: Österreichs Weg. D i e ideellen und geschichtlichen Grundlagen des Staates, Wien 1936; 1 9 3 8 - 1 9 4 5 politisch verfolgt und zeitweise inhaftiert, 1 9 4 5 - 1 9 5 7 o. Prof. an der H o c h schule für Welthandel. Zahlreiche Publikationen, u . a . : Die Grundlagen der Habsburgermonarchie ( 1 9 1 5 ) , Methodik der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (1956).

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gleich ich einige, mir absolut aus der Uberzeugung kommende Worte über die habsburgischen Leistungen in der deutschen Geschichte sagte, meinte der greise Erzbischof Waitz, der meinem Erstvortrag beiwohnte: „ N a , die Legitimisten werden mit diesen Äußerungen keine übermäßige Freude haben." Meine Vorlesungen waren natürlich sehr gut besucht, litten aber an „Gleichgewichtsstörungen". Denn während ich, entsprechend meiner Vorbereitungsarbeit, bis zur Zeit Rudolfs IV. ziemlich ins Einzelne einging, behandelte ich die folgenden sechs Jahrhunderte in zwei Vortragsstunden. Ich schloß gleich Heinrich von Srbik („Österreich in der deutschen Geschichte") mit Kernstocks 1 3 9 ) prachtvollem Verse: „Schwört auf der Heimat heiliger Scholle: Deutsch soll sie bleiben, komme was wolle! Komme was wolle, Glück und Leid, Deutsch soll sie bleiben in Ewigkeit!" 1 4 0 ) Meine letzten Vorlesungen in Salzburg waren, wie alles, was ich früher in weiten Landen gesprochen habe, ein unbeirrbares Bekenntnis zum deutschen Gedanken und - für den, der zwischen den Zeilen zu lesen verstand, - auch zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich. Das soll hier deutlich niedergeschrieben sein unbekümmert um Verdächtigungen und Anfeindungen, die später an mich herankamen. Der Antrittsvorlesung folgte eine Einladung zum Erzbischof. Bei meiner „ j u gendlichen Romantik" war es doch ein eigenartiges Gefühl, von den Wänden die Gesichter der früheren Bischöfe herunterblicken zu sehen, darunter auch der, die noch ich erlebt hatte: Eders 1 4 1 ), Hallers, des grimmen Katschthalers, des gütigen Kaltners 1 4 2 ) und des noch gütigeren Rieders 1 4 3 ). Einer meiner Vorlesungen wohnte auch Bischof Hudal 1 4 4 ) von der Anima in R o m bei. Er hatte eben durch sein Buch über Katholizismus und Nationalsozialis1 3 9 ) Ottokar Kernstock (Marburg a . d . Drau, Stmk, 2 5 . 7 . 1 8 4 8 bis 5 . 1 1 . 1 9 2 8 , Festenburg bei Stift Vorau, Stmk), Chorherr des Stiftes Vorau, Pfarrer auf der Festenburg, Lyriker, veröffentlichte zahlreiche Versbände und Bände mit Kriegsgedichten, u . a . auch mit Peter Rosegger. Verfasser der im Ständestaat gesungenen Bundeshymne „Sei gesegnet ohne Ende . . . " . 1 4 °) Srbik hielt im Wintersemester 1935/36 drei Vorträge über „Österreich in der deutschen Geschichte". Die Verse wurden am Schluß des dritten Vortrags zitiert, der zuletzt in: Heinrich R . v. Srbik, Zwei Reden für Österreich. Zum 100. Geburtstag des großen Historikers. Mit einem Vorwort von Taras Borodajkewycz (Eckart-Schriften, Heft 67), Wien im September 1978, 1 3 - 3 9 , veröffentlicht wurde. 1 4 1 ) Franz Albert Eder (Hallein, 3 0 . 1 . 1 8 1 8 bis 1 0 . 4 . 1 8 9 0 , Salzburg), Abt des Benediktinerstiftes St. Peter in Salzburg, 1876 Fürsterzbischof. 1 4 2 ) Balthasar Kaltner (Goldegg, Salzburg, 1 2 . 4 . 1 8 4 4 bis 6 . 7 . 1 9 1 8 , Salzburg), 3 . 1 1 . 1 9 1 0 Fürstbischof von Gurk, 2 . 4 . 1 9 1 4 Fürsterzbischof. 1 4 3 ) Ignaz Rieder ( G r o ß - A r l , 1 . 2 . 1 8 5 8 bis 8 . 1 0 . 1 9 3 4 , Salzburg), 1882 Dr. theol. sub auspiciis imperatoris, 1882/1883 Kooperator in Rauns, ab 1895 Univ.-Prof. f. Pastoraltheologie in Salzburg, 1 9 . 3 . 1 9 1 1 Titularbischof von Sura, 1 2 . 8 . 1 9 1 8 Fürsterzbischof. 1 4 4 ) Alois Hudal (Graz, 3 1 . 5 . 1 8 8 5 bis 1 3 . 5 . 1 9 6 3 , R o m ) , 1908 Priesterweihe, 1911 Dr. theol., 1914 an der Theologischen Fakultät der Grazer Universität für alttestamentliche Bibelwissenschaften habilitiert, Privatdozent, 1919 ao. U n i v . - P r o f . , 1923 o. Prof., 1923 auch Vizerektor und Rektor des AnimaKollegs in R o m sowie päpstl. Hausprälat, 1933 Titularbischof von Ela. 1952 als Rektor der Anima resi-

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mus einen aufsehenerregenden Versuch unternommen, zwischen den beiden Weltanschauungen eine Synthese zu finden und stand gerade in den katholischen Kreisen augenblicklich stark im Zwielicht. Wir gingen nach dem Vortrag zusammen nach St. Peter, wo er wohnte, und ich hoffte, einen geeigneten, den inneren Verhältnissen Österreichs aufgeschlossenen Mann getroffen zu haben. Umsomehr erstaunte ich, als er beim Auseinandergehen beiläufig die Worte sprach: „Halten Sie um alles den Dollfußkurs!" Auch dieser Geistliche hatte von den wahren politischen Kräften keine blasse Ahnung! Nicht von denen im Inland noch von denen in der weiten Welt! Salzburg war in der zweiten Julihälfte und im August, wenn schon nicht der Mittelpunkt Europas, so doch die unbestrittene Hauptstadt Österreichs. Daran hatten natürlich die vor allem vom Landeshauptmann Rehrl mit Zähigkeit betriebenen Festspiele ihren Anteil, die allerdings seit Verhängung der Tausendmarksperre und seit dem Ausbruch des Konfliktes mit Deutschland leider zu einer Art internationalen Demonstration wider das Dritte Reich geworden waren. Diese Tatsache hat mich von Anbeginn schwer bedrückt. Sie brachte meiner Vaterstadt zwar Nutzen ein, zumal den großen Hotels, die die sechs Festspielwochen über fast immer dicht besetzt waren. Aber es war doch eine gemischte Freude, dieses Publikum, in welchem das Judentum mindestens eine sehr große Rolle spielte, wenn es nicht überhaupt überwog, durch die Straßen der wundervollen Stadt lustwandeln zu sehen noch dazu in ortsüblichen , , B u a m " und „Dirndlkostümen", die von einer Volkhaftigkeit keine Spur mehr aufzuweisen hatten, sondern in einem findigen, geschäftstüchtigen Schneideratelier in möglichst grotesken Formen und Farben erfunden wurden. „Salzburger T r a c h t " wurde durch einige Winter sogar in Amerika der Clou der Fastnachtsscherze. Wer sich von dieser Gesellschaft ein Bild machen wollte, der tat am besten, ins Café Bazar in der Bismarckstraße zu gehen. Ich für meine Person mied das Lokal, obgleich ich den Besitzer von Kindheit auf kannte und der „ O b e r " Fritz mich schon, als ich noch Kaiserjägerleutnant war, fürsorglich bedient und betreut hatte. Ich blieb meinem Café Glockenspiel ergeben, wo sich gleichfalls ein O b e r meiner seit Jahren eifrig annahm und meinen Aufstieg mit innigen Wünschen und verheißungsvollen Voraussagen begleitete. Also: Salzburg war in diesen Wochen die Hauptstadt Österreichs. Dies galt auch für die Regierung. Der „Bundesmikolasch" hatte zwar der Sommerfrische Attersee längst den Rücken gekehrt, um mit einem Teil seiner großen Familie Velden am Wörthersee auszuzeichnen. Aber der Kanzler hatte seit Jahresfrist im Sommer ein Haus in St. Gilgen gemietet. Dort verbrachte er mit einem kleinen Stabe, bewacht von einem Halbzug des Gardebataillons, die Urlaubswochen, wobei er sich insonderheit als tüchtiger, weitgreifender Schwimmer betätigte. In Ebensee waren übergniert. Glaise spielt auf das B u c h : Die Grundlagen des Nationalsozialismus, Leipzig 1937, an. Weiters: R o m , Christentum und deutsches V o l k , Innsbruck 1935. Seine posthum erschienenen Reflexionen: R ö misches Tagebuch. Lebensbeichte eines alten Bischofs, Graz-Stuttgart 1976, ebdt. S. 318 ein Werkverzeichnis.

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dies Pferde eingestellt, darunter auch eines für den Unterrichtsminister Pernter, der mit seiner Frau schon längere Zeit St. Gilgen als Urlaubsort gewählt hatte. Die Pferde gehörten dem Bundesheer, was beim Kanzler insofern einige Berechtigung hatte, als er gleichzeitig Landesverteidigungsminister war. Weniger verständlich war es schon, daß auch der Unterrichtsminister von der Armee beritten gemacht werden mußte, wobei er einmal auf einem gemeinsamen Ritte in Laxenburg treuherzig meinte: „Nicht wahr, mein Pferd gefällt Dir - das hat das Bundesheer eigens für mich gekauft." Allerdings soll man (siehe meine Gastfreundschaft bei der Schwadron) nicht mit Steinen werfen, wenn man selbander im Glashaus sitzt. St. Gilgen beherbergte zeitweilig auch andere illustre Gäste, so den Generalprokurator und früheren Justizminister Winterstein 145 ), den Vizebürgermeister Lahr 146 ) und dergleichen mehr. Da gab es natürlich auch Festivitäten. Eines der Feste - eine von Pernter und Gattin unter dem Protektorat des Kanzlers arrangierte Bauernhochzeit, bei der das Brautpaar in der lieblichen Ortskirche wirklich getraut wurde - machte auch ich mit (9. August). Einige Tage zuvor war mein renovierter Austrodaimler mit meinem neuen Chauffeur Franz Hofbauer 1 4 7 ), damals noch als Zugsführer des Bundesheeres beurlaubt, nach Salzburg eingerückt. Bareck samt Frau und Anhang hatten die Einrückungsfahrt zu einer kleinen Panamafahrt durchs Salzkammergut benützt; er war autogierig wie kaum ein zweiter Kollege, was genug sagen will; ich kaufte ihm seine Leidenschaft für mein Auto erst langsam ab. Das Fahrzeug war zuletzt vom Außenminister Baron Berger-Waldenegg benützt worden; man sah dem grauen Uberzug der Sitze noch die verschiedenen Butterund Eiertransporte an, die von Bergers steirischem Landgut nach Wien bewerkstelligt worden sind. Ich nahm auf der St. Gilgener Fahrt Melli Fritsch bis Fuschl mit. Knapp vor diesem Orte, im Walde, auf einem Sattel, stieß Hofbauer eine fast inmitten der Straße unmittelbar hinter der Höhe aufsitzende Radfahrerin nieder. Die im Laufe der Auseinandersetzungen ruchbar gewordene Tatsache, daß ich Minister sei, veranlaßten einen der Begleiter der Radfahrerin, die selbst keinerlei nennenswerten Schaden davongetragen hatte, erhebliche Forderungen zu stellen. Der arme Hofbauer mußte 20 Schilling Schadenersatz zahlen (die ich auf mich nahm) und außerdem eine Reise zum Bezirksgericht St. Gilgen. Er wollte beim Verfahren dabei sein, wurde aber

14s ) Robert Winterstein (?, 2 5 . 6 . 1 8 7 4 bis H e r b s t 1938, K Z Buchenwald), Jurist, G e n e r a l p r o k u r a t o r , 17.10.1935 bis 14.5.1936 B M . f. Justiz. 146 ) Fritz Lahr (Salzburg, 12.5.1890 bis 2 7 . 3 . 1 9 5 3 , wahrscheinlich G r o ß - G m a i n bei Salzburg), 18.8.1911 aus der Milak. als Lt. zu L w I R . 13, 1 . 8 . 1 9 1 4 O b l t . , ab 1 . 6 . 1 9 1 5 bei Feldkanonendiv. 13, 1 . 1 1 . 1 9 1 7 H p t m . , 1.12.1920 R u h e s t a n d , 3 . 4 . 1 9 2 2 T i t u l a r - M j r . Wiener H e i m w e h r f ü h r e r , Vertreter Feys, 1934-1938 Erster Vizebürgermeister von Wien, 11.3. bis 12.3.1938 geschäftsführender Bürgermeister von Wien; 15.4.1940 bis 1945 einberufen zur D t . L u f t w a f f e . 147 ) Franz H o f b a u e r (Schardenberg, O ö , 3 0 . 9 . 1 9 0 6 bis 4 . 1 2 . 1 9 7 6 , Wien), 4 . 4 . 1 9 2 7 bis 3 0 . 4 . 1 9 3 7 ö s t . Bundesheer, zuletzt Z u g s f ü h r e r in Divisionskraftfahrerabt. 1, 1 . 5 . 1 9 3 7 im B K A . , Kraftwagenlenker Glaise-Horstenaus, I./1942 - V./1945 Kriegsdienstleistung, 1945-1949 außer Dienst gestellt, ab 1 . 1 . 1 9 4 9 Amtsgehilfe im ö s t . Staatsarchiv, 1.7.1950 A m t s w a r t , 1.1.1956 O b e r a u f s e h e r , 1.1.1970 R u hestand.

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vom Bezirksrichter mit den Worten empfangen: „Was, Sie sind auch da? Aber schauns, es nutzt ihna eh nichts, denn gestraft werns." Er hat sich die Sache sehr zu Herzen genommen und ist ein ganz glänzender, unübertrefflich geistesgegenwärtiger und vorbildlich ruhiger Fahrer geworden, der - abgesehen von einem mitunter recht schlechten Humor - nur den einen Fehler hat: Weggabeln grundsätzlich nach der falschen Seite zu überfahren. Leute zu fragen, fällt ihm so schwer, daß er lieber stundenlang falsch fährt. Aber was schadets, wenn man bedenkt, wie sehr man einem solchen Mann mit Gut und Leben in die Hand gegeben ist. Ich werde seiner immer mit größtem Dank gedenken. Nachdem ich nach mancherlei Fährnissen in St. Gilgen angekommen war, meldete ich mich bei Schuschnigg, der mich - wie schon erwähnt - in durchaus liebenswürdiger Form wegen einer Pappelei Barecks fragte. Das Fest verlief programmgemäß, Zehner war auch anwesend. An der Tafel nahm ich nicht mehr teil. Ich zog es vor, gemeinsam mit Hofbauer im Seehotel Fuschl zu Mittag zu essen und dann mit Frau Fritsch nach Hause zu fahren. Ein- oder das anderemal war Schuschnigg auch bei den Festspielen in Salzburg. Ich begleitete ihn bei Gelegenheit zusammen mit Guido Schmidt ins Cafe Bazar, worüber natürlich die Illustrierten Blätter Bilder brachten. Politisiert habe ich mit ihm nicht. Dagegen ist, nach leisem Druck, einmal Guido Schmidt zu mir ins Kreuzbrückl gekommen, wobei er sich - gleich anderen Besuchern - über die Einfachheit der Umwelt gewundert haben mag. Er erzählte mir vor allem über die Wirtschaftsverhandlungen, wobei er besonders den bayrischen Wirten und ihrem Schirmherrn, dem Gauleiter Adolf Wagner 148 ), es zuschrieb, wenn die Tausendmarksperre erst am 1. September, also schon nach Schluß der Hauptsaison, aufgehoben wurde. Die südbayrischen Wirte waren immer auf ihre österreichischen Berufsgenossen eifersüchtig. Als wir im Laufe des Gesprächs auf die innere Politik übergingen, kam ich auf meinen Königsgedanken, innerhalb der VF. eine „nationale Arbeitsgemeinschaft" zuzulassen, zurück. Schmidt meinte: „Wann der Kanzler von dieser Idee abgekommen ist, kann ich Dir genau sagen - durch die Verhandlungen mit Mannlicher; da stieg ihm, angesichts der Sturheit des Verhandlungspartners, das Grauen vor einem solchen, doch weitgehenden, Zugeständnis auf." Einmal machte ich, in der ersten Augustwoche, auch einen Spaziergang mit Zernatto, der mich damals noch ziemlich gnädig behandelte. Ich unterstrich ihm gegenüber vor allem den Wunsch, möglichst bald mit einem Ressort bedacht zu werden, da ich als Minister ohne Portefeuille dem berühmten Peter Schlemihl ohne Schatten gliche. Zernatto gab mir recht und meinte, daß man mir möglichst bald Inneres und Sicherheit verleihen müsse.

148 ) A d o l p h Wagner (Algringen, Lothringen, 1.10.1890 bis ?), O f f i z i e r , 1919 D i r e k t o r u n d G e n e ralbevollmächtigter der Vereinigten E r b e n d o r f e r Gewerkschaft für Steinkohlen- u n d Erzbergbau in Bayreuth, 1924-1931 und ab 1932 Mitglied des bayerischen Landtages, ab 1933 Innenminister u n d stellv. Ministerprädisent in Bayern, Gauleiter der N S D A P .

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Unter den prominenten Nazis war Dr. Kajetan Mühlmann 149 ), nachmals ,,des Hl. Reiches Kunsträuber", einer meiner ersten Besucher. Er machte auf mich den Eindruck eines aufgeweckten und gewandten Menschen. Die Salzburger liebten ihn, obgleich er einer der ihrigen war, keineswegs und sagten ihm sogar unangenehme Dinge nach. Zu mir kam er, um mich für eine Zusammenkunft mit dem Generalinspekteur des deutschen Straßenwesens, Dr. Todt 150 ), zu gewinnen. Ich war wieder so naiv, die Sache nicht zu betreiben. Straßenwesen - das war doch nicht mein Ressort, was sollte ich da mit dem Generalinspekteur zu tun haben? Daß Dr. Todt nicht nur einer der genialsten, sondern auch einflußreichsten Männer des Dritten Reiches war - davon hatte ich keine Ahnung. Erst im November, bei meinem Münchener Aufenthalt, hatte ich die Freude, Todt in meinem Hotel begrüßen und mit ihm eine längere Unterredung führen zu dürfen. Auch Seyß-Inquart, der in Mattsee zur Sommerfrische war, kam zu mir ins Kreuzbrückel und ich besuchte ihn einmal in seinem Domizil. Was wir sprachen, ist meinem Gedächtnis nicht haften geblieben. Ich hatte wohl auch nicht die nötige Ruhe, da ich meine Mutter mit Gusti um den See geschickt hatte und fürchtete, sie würde zu früh zurückkommen und dann in gewohnter Weise recht ungeduldig werden. Dennoch besuchte ich auch noch Franzi Hueber 151 ), der Notar in Mattsee war und noch unter den Folgen einer schweren, beim Holzfällen erworbenen Venenentzündung samt Trombose litt. Ich lernte auch seine Frau kennen, eine Schwester Görings, die mich sehr liebenswürdig empfing. Sie sieht ihrem Bruder unglaublich ähnlich. Ihr Einfluß, soweit sie einen solchen nehmen konnte, war durchaus günstig und sollte in der Folge namentlich uns Österreichern zustatten kommen. Nach freundschaftlichstem Abschied fuhr ich mit meiner Mutter den herrlichen Weg über Elkhausen nach Salzburg zurück. Nie kann ich bei Elixhausen vorbeifahren, ohne einer Übung zu gedenken, die ich als Kaiserjägerleutnant dort mitgemacht habe. Der spätere Feldmarschall Erzherzog Eugen war als inspizierender Korpskommandant anwesend, sein im Hofrange weit höher eingereihte Vetter, der

1 4 9 ) Kajetan Mühlmann (Uttendorf bei Zell am See, 2 6 . 6 . 1 8 9 8 bis ?), im 1. Weltkrieg als Angehöriger des IR. 59 schwer verwundet, Dr. phil., Kunsthistoriker, seit II./1938 Landespropagandaleiter der N S D A P , 1 4 . 3 . 1 9 3 8 Staatssekretär, sodann Beauftragter für das staatliche Kunstwesen und den Fremdenverkehr, Leiter der Abt. II im A m t des Reichsstatthalters, Funktionär des SD., Kunstsachverständiger Hermann Görings. 1 5 0 ) Fritz Todt (Pforzheim, 4 . 9 . 1 8 9 1 bis 8 . 4 . 1 9 4 2 bei Rastenburg durch Flugzeugunfall), 1933 G e neralinspekteur für das deutsche Straßenwesen, 1938 Gründer der Organisation Todt, 1 7 . 3 . 1 9 4 0 R M . f. Bewaffnung und Munition, 1941 Generalinspekteur für Wasser und Energie. 1 5 1 ) Franz Hueber (Grünburg, O ö , 1 0 . 1 . 1 8 9 4 bis 10. 7 . 1 9 8 1 , Salzburg), 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Reserveoffizier, Dr. iur,, Notariatsanwärter bei Fritz Rigele in Saalfelden, später Notar in Mattsee. 1920 vermählt mit Paula, geb. Göring, seit 1919 in Heimwehrbewegungen tätig, 1929 Heimwehrführer des Gaues Salzburg, 3 0 . 9 . 1 9 3 0 bis 4 . 1 2 . 1 9 3 0 BM. f. Justiz, 2 . 1 2 . 1 9 3 0 bis 2 . 8 . 1 9 3 2 Abg. z. N R . des „Heimatblocks", 1933 Austritt aus der Heimwehr wegen Meinungsverschiedenheiten über Lausanner Anleihe, nach VII./1934 Teilnahme an der Nationalen Aktion Reinthallers und an der Proponierung des Deutsch-Sozialen Volksbundes, 1 1 . 3 . 1 9 3 8 bis 2 4 . 5 . 1 9 3 8 Justizminister, IV./1939 Unterstaatssekretär im Reichsjustizministerium, 1 . 1 2 . 1 9 4 2 Präsident des Reichsverwaltungsgerichts, 1948 von einem Volksgericht zu hoher Kerkerstrafe verurteilt.

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bedeutungslose E r z h e r z o g Peter, befehligte ein Bataillon Rainer. Als zur Besprechung geblasen war und die Offiziere sich bei Elixhausen sammelten, da wartete Peter, bis ihm Eugen entgegenkam. Das waren so Geheimnisse des spanischen Zeremoniells. Eine wichtige Begegnung hatte ich in den ersten Augusttagen - es mochte etwa der 5. gewesen sein - im Café Glockenspiel. Haeften und der mir von Berlin her längst bekannte Dr. Megerle 1 5 2 ) waren durch Salzburg auf einer Autofahrt durchgekommen und hatten mich um eine Unterredung gebeten, in der sie mir mitteilten, daß nun doch nicht mehr D r . Seyß-Inquart als derjenige zu betrachten sei, der für Berlin als erster nationalsozialistischer Vertrauensmann zu gelten hätte, sondern daß an seine Stelle Leopold als Landesleiter der N S D A P Österreich getreten sei. N a c h allem, was bisher Papen gesagt hatte, war ich erstaunt. Offen gesagt, war ich auch nicht sonderlich erfreut, da ich die - freilich unberechtigte Hoffnung hegte, mit dem Intellektuellen Seyß leichter zu arbeiten. Wie ich nachher erfuhr, war in Berlin gegen Seyß, dem Vertrauensmann Papens, von den Emigranten ein derart heftiger Sturm unternommen worden, daß er zur Strecke kam. . . . Also Leopold: vederemo!

Einmal kam auch Rohan 1S3J, um von mir einen Nachruf für den scheidenden Völkerbundkommissär Rost van Toningen 1S4J, einen holländischen Nazi, zu erpressen. Ich ging nicht auf seine Vorschläge ein. Lasse ich sonst noch das Kaleidoskop der Menschen in meiner Erinnerung vorüberziehen, die ich auf meinem damaligen Urlaub traf, so seien wahllos die herausgegriffen, die mir gerade einfallen. Einer war D r . G e b e r t 1 5 5 ) , in dessen gastlichem t 5 2 ) Karl Megerle (Neuenstein, Württemberg, 1 8 . 1 0 . 1 8 9 4 bis ?), 1916 als Kriegsfreiwilliger schwer verwundet, 1922 D r . phil. (Geschichte), seit 1924 als Journalist in Stuttgart, seit 1935 in Sonderauftrag für Österreich dem Reichspropagandaministerium zugeteilt, dort Leiter des B ü r o s Megerle, Angehöriger der zwischenstaatlichen Kulturausschüsse bei den Verhandlungen mit Österreich 1937, 1939 ins A A . 1 5 3 ) Karl A n t o n Prinz R o h a n (Schloß Albrechtsberg bei L o o s d o r f , N ö , 9 . 1 . 1 8 9 8 bis 1 7 . 3 . 1 9 7 5 , Salzburg), Gutsbesitzer, 1 9 1 6 - 1 9 1 8 Kriegsdienst, 1924 G r ü n d e r des „Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit", 1 9 2 5 - 1 9 3 6 H g . der „Europäischen R e v u e " . Zahlreiche Aufsätze und Einzelschriften, darunter „Schicksalsstunden Europas. Erkenntnisse und Bekenntnisse, Wirklichkeiten und M ö g l i c h k e i t e n " , G r a z 1937. Im 2. Weltkrieg nachrichtendienstlich tätig; nach 1945 Mitarbeiter an den Zeitschriften „ D i e A u l a " und „ N e u e O r d n u n g " . Seine Erinnerungen: Heimat Europa. Erinnerungen und Erfahrungen, Düsseldorf 1954. Ähnlich Hudal wirkte Rohan publizistisch für eine Annäherung zwischen Christentum und Nationalsozialismus. 1 5 4 ) Meinoud Marius R o s t van Tonningen (Surabaja, Niederländisch Indien, 1 9 . 2 . 1 8 9 4 bis 6 . 6 . 1 9 4 5 , in nl. Haft), Generalssohn, 1 9 1 4 - 1 9 1 9 freiwilliger Militärdienst, 1921 D r . iur., 1923 im Stab des V ö l kerbundkommissärs D r . Zimmermann in W i e n , sodann 1 9 2 3 - 1 9 2 8 Vertreter des Financial C o m m i t t e e der Trustees der Völkerbundanleihe in W i e n , 1931 neuerlich in dieser F u n k t i o n , ab V I I . / 1 9 3 2 Vertreter des Völkerbundes in Wien, V I I . / 1 9 3 6 Mitglied der nl. N S - B e w e g u n g N S B . , 1 . 1 0 . 1 9 3 6 als Vertreter des Völkerbundes enthoben, ab dieser Zeit hohe Funktionen in der N S B . , 2 0 . 7 . 1 9 4 0 von Seyß-Inquart zum Kommissar für die marxistischen Parteien ernannt, ab 1944 Offizier der Waffen-SS, zuletzt O b e r s t u r m führer. 1 5 5 ) D r . Erich Gebert ( L o f e r , 1895 bis 2 6 . 9 . 1 9 7 8 , ?), illegaler Nationalsozialist, ab 1921 Handelskammersekretär in Salzburg, 1933 zur N S D A P , 1938 Gauwirtschaftsberater, 1 1 . 1 1 . 1 9 4 4 Präsident der Gauwirtschaftskammer in Salzburg. Vgl. seine Korrespondenz mit Steinacher 1 9 3 2 - 1 9 3 4 , in: B Ä K . , N l . Steinacher, N r . 41.

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Haus ich manchen netten Abend verbrachte; er bot sich mir, gleich seiner doppelt so großen und starken Gebieterin, als sehr radikaler Nationalsozialist (was nicht hinderte, daß er sich als Direktor der Handels- und Gewerbekammer betätigte), dabei ein lieber Kerl und besonders begeisterter Reserveoffizier. Bei einer Einladung in Geberts Heim lernte ich auch den prächtigen Josef Rainer 1 5 6 ) aus Gastein kennen, der, seinerzeit christlichsozial, nun gleichfalls ein überzeugter Nazi geworden war und dessen Freundschaft mir Rehrl einigermaßen übelnahm. Ich besuchte ihn in seiner Wohnung zu Hofgastein, während ich meine unvermeidliche Mutter nach Badgastein zu Gussettis vorausschickte. Die Nachricht, daß ich im Gasteiner Tal sei, erreichte in wenigen Augenblicken den im Grand Hotel von Hofgastein wohnenden Fey, der mich bei Gussettis telephonisch „verhaftete". Nachdem ich noch Jakoncig gesprochen hatte, fuhr ich auf dem Rückwege, meine Mutter meiner Kusine Ella anvertrauend, bei Fey vor, der mich natürlich wieder mit einer Sturzwelle seines politischen Ehrgeizes überflutete. Auch seine noch ehrgeizigere Frau 1 5 7 ) kam hinzu. Eines Abends, schon bei tiefer Dunkelheit, führte mich Peter Czernin zu Albert Reitter l s 8 ) in sein verstecktes Riedenburger Häuschen. Czernin gab ihn mir irgendwie als Landesleiter oder doch führende Persönlichkeit unter den Nazis Salzburgs aus. Die Einzelheiten des Gespräches sind mir nicht mehr erinnerlich. Er hinterließ in mir einen guten Eindruck, doch pflegte ich die Bekanntschaft nicht weiter, da mir von den verschiedensten Seiten gesagt wurde, Reitter sei in Wirklichkeit politisch einflußlos, und da sich in der kurzen Stunde menschliche Beziehungen nicht angeknüpft hatten. 2 Jahre später sollte mich mit Reitter wirkliche Freundschaft verknüpfen, worauf ich noch zurückkommen werde. Daß mir Albert nicht schon damals seine liebenswürdige Frau 1 5 9 ) vorgeführt hat, nehme ich ihm noch heute übel. Übrigens hatte ich unter dem unmittelbaren Eindruck der ersten Begegnung zu Czernin über Reitter gesagt: „ D u , der schaut doch 156)

Josef Rainer (?), Hotelier in Bad Gastein. Malvine Fey, geb. Pesina-Mettelet (Sarajewo, 2 8 . 9 . 1 8 9 1 bis 1 5 . 3 . / 1 6 . 3 . 1 9 3 8 , Wien). 1 5 8 ) Albert Reitter (Salzburg, 1 4 . 6 . 1 8 9 5 bis 2 7 . 1 2 . 1 9 6 2 , Salzburg), Frequentant des humanistischen Gymnasiums in Salzburg, dort Mitglied der geheimen Verbindung „Rugia", 1912 Beitritt zum alldeutschen Turnerbund und zum „Wandervogel", 1913 Matura, sodann Studium am Mozarteum, 1916 A b schluß in Klavier; 1914 als Kriegsfreiwilliger verwundet und superarbitriert, 1918 Dr. iur., 1 7 . 8 . 1 9 1 8 Übersiedlung nach Südtirol u. Eintritt in eine Rechtsanwaltskanzlei; Verfasser antifaschistischer Zeitungsartikel, weshalb 1924 seine Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängert wurde; Übersiedlung nach Salzburg, dort Rechtsanwalt, ehrenamtlich im Kuratorium des Mozarteums, Präsident des Rotary-Klubs, Mitbegründer der „Dirigenten- und Musikkurse", 1930 Mitglied des Salzburger Gemeinderates als Mandatar des Heimatschutzes, zuständig für kulturelle Belange, I./1933 Mandat niedergelegt, 1937 Volkspolitischer Referent im Rahmen der VF., 1938 Landesstatthalter von Salzburg, 2 5 . 9 . 1 9 3 9 Regierungspräsident und gleichzeitig Gauhauptmann von Salzburg, 1943 im Zuge eines Lebensmittelskandals aus politischen Gründen enthoben, im Verlauf eines Gerichtsverfahrens freigesprochen, jedoch als Regierungspräsident nicht mehr eingesetzt, 1945 inhaftiert und Berufsverbot bis 1950. ,57)

1 5 9 ) Hilde Reitter geb. Ziegler (Wiener Neustadt, 1 . 9 . 1 9 0 1 bis 4 . 1 1 . 1 9 6 4 , Salzburg), Absolvent des humanistischen Gymnasiums in Wien; Mitschülerin von Helene Weigl verehel. Brecht und Ilse Pollack (Mitkämpferin im Spanischen Bürgerkrieg). Zweite Gattin Albert Reitters.

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unerhört jüdisch aus!" Was Peter prompt an Albert weitergab, der aber nur gelacht hatte. Auch mit Dr. Saffert 160 ), dem Freunde Schalks, dem ich einige Monate zuvor in seinem schönen Rainerbuche ein schönes Vorwort geschrieben hatte 1 6 1 ) (in Berlin, im Hotel Eden) kam ich öfter zusammen. Einmal führte er mir in seiner Wohnung die vier illegalen Führer der Salzburger NSDAP und ihrer Gliederungen vor. Zu einem inneren Kontakt kam es nur gegenüber dem braven SA-Führer Günther 1 6 2 ), der seither mich immer wieder besuchte und den ich als ausgezeichneten Mann schätzen gelernt habe. Er befehligt seit dem Umbruch eine Staffel der SA. - Ein

weiterer Mann war der Volksschullehrer Springenschmidt163), seines Zeichens Geopolitiker, was genug sagt. Anständige Idealisten lernte ich beim Tischler Macnak neben dem Kreuzbrückl durch Vermittlung Peter Czernins kennen. - Interessant war es für mich, hiebei mit Leuten zusammenzukommen, die 2 Jahre im Kerker gesessen hatten. Ihre seelische Kraft und ihr fast religiöser Glaube an den Nationalsozialismus und vor allem an den Führer waren ungebrochen. Diesen Gefühlen gesellte sich verbissener Ingrimm wider das Regime bei.

Es ist hier am Platze, einige Worte über die Gesamtwirkung des 11. Juli zu sagen, wie sie sich in den verschiedenen Lagern äußerte. In „vaterländischen" Kreisen war man im allgemeinen alles eher denn erfreut. Welchen Geistes in dieser Beziehung viele Amtswalter der VF. waren, erwies sich u. a. aus einer Rede, die ein gewisser Dr. Fritz Bock 1 6 4 ), Werbeleiter im 13. Bezirk, im „Weißen Engel" auf dem Hietzinger Platz gehalten hatte 1 6 5 ). Aber auch die obersten Götter der VF. ga1 6 0 ) Erich Saffert (Tamsweg, Sbg, 9 . 1 0 . 1 8 9 6 bis 7 . 3 . 1 9 8 2 , Salzburg), 1914 Kriegsfreiwilliger I R . 59, 1916 am M o n t e C i m o n e schwer verwundet, 1 . 8 . 1 9 1 6 L t . i . d . R e s . , 8 0 % Invalidität, 1 . 8 . 1 9 1 8 mit W a r tegebühr beurlaubt, Studium an Hochschule für Bodenkultur, D r . rer. agr., Beamter der Salzburger Landesregierung, zuletzt Oberregierungsrat. 1 6 1 ) Edmund Glaise von Horstenau, Z u m Geleit, in: Erich Saffert, Mit der Edelweiß-Division bis zum M o n t e C i m o n e . Die Durchbruchskämpfe der Edelweiß-Division in den Südtiroler Alpen im F r ü h jahr und S o m m e r 1916. Aus dem Tagebuch eines Kriegsfreiwilligen des Salzburger Hausregimentes, Verlag Gasschutz und Luftschutz, Berlin 1936, 8 f.

) K o n n t e nicht näher identifiziert werden. > " ) Karl Springenschmied (Innsbruck, 1897 bis 5 . 3 . 1 9 8 1 , ?), Lehrer, seit 1 8 . 8 . 1 9 1 6 im Felde, I I I . K S c h R . , Hochgebirgskp. 2 4 , 1 . 2 . 1 9 1 7 L t . i . d . R e s . , nach 1918 wieder Fachlehrer, Politiker der N S D A P , Publizist, ab 1938 Leiter des Unterrichtswesens im Reichsgau Salzburg, Regierungsdirektor, im 2. W k g . H p t m . u. Kriegsberichterstatter; nach 1945 Publizist. Glaise spielte auf Springenschmieds B u c h : D e r Donauraum. Österreich im Kraftfeld der G r o ß m ä c h t e . Geopolitische Bild-Reihe, Leipzig 1935, an. Die Staaten als Lebewesen. Geopolitisches Skizzenbuch, 4 . u. 5. Aufl. Leipzig 1935. N a c h dem 2. Weltkrieg zahlreiche Veröffentlichungen, z . T . unter dem Pseudonym Beatus Streiter. Darunter zur Geschichte des Krieges: Es war ein Edelweiß. Schicksal und W e g der 2. Gebirgsdivision, G r a z 1962 (mit M . Kräutler); Die Männer von Narwik. Das große Abenteuer in der Arktis, G r a z 1970. 162

1 6 4 ) Fritz B o c k (geb. W i e n , 2 5 . 2 . 1 9 1 1 ) , D r . iur., ab 1933 Funktionär der Vaterländischen F r o n t , seit 1935 Bundeswerbeleiter-Stellvertreter, 1938 ins K Z Dachau, ab 1949 Abg. zum N R . der ö s t e r r e i c h i schen Volkspartei, ab 2 3 . 1 . 1 9 5 2 Staatssekretär im B M . f. Handel und Wiederaufbau, ab 7 . 7 . 1 9 5 5 Staatssekretär im B M . f. Finanzen, ab 1 7 . 9 . 1 9 5 6 B M . f. Handel und Wiederaufbau (bis 1 9 . 1 . 1 9 6 8 ) . Vgl. Fritz B o c k , 40 Jahre nachher, in: Wien 1938 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 2), Wien 1978, 1 1 - 1 7 . 1 6 5 ) Vgl. Rosar, 161: G e m e i n t ist wahrscheinlich ein Referat D r . B o c k s „ B e w ä h r u n g des A b k o m mens vom 11. Juli 1 9 3 6 " , gehalten am 9 . 7 . 1 9 3 7 in Hietzing, dessen Text auch im Nachlaß S e y ß - I n -

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ben Äußerungen von sich, die zur Schaffung einer friedlicheren Athmosphäre kaum beitrugen. Am 16. Juli hatte Schuschnigg die seit längerem geplanten Führerräte der VF. ernannt 1 6 6 ), ohne daß er Plätze für die Nationalen offen ließ oder es der Mühe wert gefunden hätte, mit mir vorher über die Sache zu sprechen. 2 Tage später beruhigte er im „Sturm über Österreich" 1 6 7 ), der sich längst zu einem üblen Hetzblatt gewandelt hatte, die „Sturmscharen", daß eine Aufgabe der Selbständigkeit Österreichs auf keinen Fall zu besorgen sei. Der Offiziosus im „NeuigkeitsWeltblatt" schon gar, hinter dem sehr oft Ludwig, nicht selten aber auch der Kanzler selbst verborgen war, hörte nicht auf, das Juliabkommen als einen Sieg des Kanzlers und des Dollfuß-Österreichertums zu feiern. Damit sollten offenbar die Wellen der Aufregung geglättet werden. Zutiefst erschüttert war natürlich Wiesner mit seinen Legitimisten. Das verriet der „Österreicher" vom 18. Juli, in welchem mein Freund von einst herzlich bedauerte, daß die Zusicherungen Hitlers an Österreich nicht durch einen dritten Staat (lies Italien) „garantiert" würden 1 6 8 ). Auch die Stellung des Dritten Reichs zur Restaurationsfrage bereitete dem Artikelschreiber begreiflicherweise keine geringe Sorge. „ Z u r Erhaltung der österreichischen Mission", schließt er seine wie immer von gewundenen Sätzen und Fremdwörtern gespickten Ausführungen, „ g e hört auch der habsburgische Landesfürst." In der Tat scheinen Gerüchte umgegangen zu sein, daß in einem geheimen Zusatzabkommen Schuschnigg einen feierlichen Verzicht auf die Restauration geleistet habe. Wenige Tage nach der am 18. August erfolgten Rückkehr des Kanzlers nach Wien, am 21., ist Wiesner in der glücklichen Lage, den Lesern des „Österreichers" und der sonst aufhorchenden Welt zu verkünden, er sei von Schuschnigg ausdrücklich zur Erklärung ermächtigt, daß die Frage der Wiederherstellung der Monarchie auch nach dem 11. Juli einzig und allein eine Angelegenheit der inneren Politik Österreichs geblieben sei 1 6 9 ). Von der Vorbedingung einer freien Volksabstimmung hat der Kanzler gegenüber Wiesner offenbar nichts geäußert. Immerhin ist zu vermerken, daß ich auch von dieser Unterredung Schuschniggs nur aus Zeitungen erfuhr, wie ich über seinen ständigen quarts v o r z u f i n d e n ist: D i e d e u t s c h e R e g i e r u n g hatte im K a m p f seit 1933 das getan, „ w a s ihr diese S c h w e i n e ä la F r a u e n f e l d v o r g e s c h r i e b e n hätten . . . A u ß e r d e m offiziellen u n d verlautbarten A b k o m m e n gebe es keine Z u s ä t z e , keine G e h e i m k l a u s e l n . . . E s kann ja leicht sein, daß es bei einem 7-MillionenV o l k 2 0 0 0 0 p a t h o l o g i s c h e N a r r e n gibt - und das sind die N a z i - die eigentlich in eine Irrenanstalt g e h ö ren, aber wegen P l a t z m a n g e l s daselbst zeitweise in G e f ä n g n i s s e n und in W o l l e r s d o r f untergebracht w e r den m ü s s e n . . . " , 6 6 ) Vgl. auch die W e i s u n g e n an die F ü h r u n g s s t e l l e n der Vaterländischen F r o n t bei S c h u s c h n i g g , I m K a m p f , 188 f. 167) Bundeskanzler D r . K u r t v. S c h u s c h n i g g , S t u r m s c h a r k a m e r a d e n Ö s t e r r e i c h s ! , in: S t u r m über Ö s t e r r e i c h , N r . 29 v. 1 9 . 7 . 1 9 3 6 , 1; D e r W o r t l a u t des Wiener A b k o m m e n s , e b d t . ; D i e S t u r m s c h a r e n und das Wiener A b k o m m e n , e b d t . , 1 f. 168) Friedrich R . v. W i e s n e r , D a s N o r m a l i s i e r u n g s a b k o m m e n , in: D e r Ö s t e r r e i c h e r , N r . 29 v. 1 7 . 7 . 1 9 3 6 , l f . ; d e r s . , M u t i g v o r w ä r t s , e b d t . , N r . 30 v. 2 4 . 7 . 1 9 3 6 , 1; d e r s . , Wie läßt sich die N o r m a l i s i e r u n g a n ? , e b d t . , N r . 31 v. 3 1 . 7 . 1 9 3 6 , 1. 1 6 9 ) Friedrich R . v. Wiesner, Ist die österreichische legitimistische B e w e g u n g eine innere A n g e l e g e n heit Ö s t e r r e i c h s ? U n d wird sie als solche im Dritten R e i c h respektiert?, in: D e r Ö s t e r r e i c h e r , N r . 34 v. 2 1 . 8 . 1 9 3 6 , 1.

A u s w i r k u n g e n des „ J u l i - A b k o m m e n s "

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Verkehr mit Wiesner überhaupt nur aus gelegentlichen Bemerkungen Kenntnis erhielt. Offenheit gegenüber seinen Mitarbeitern war nun einmal Schuschniggs starke Seite nicht. Kurz darauf schoß mich Wiesner an, weil ich in irgendeinem Zeitungsartikel für eine zwischen Deutschland und Österreich nach gemeinsamen Linien abgestimmte Außenpolitik ein Wort verlor110). Wiesner wandte sich in seinem Wochenblättchen, dem ,,Österreicher", scharf dagegen111). Überhaupt war ich von nun an den radikalen Monarchisten ein Dorn im Auge. Näheres darüber wird noch zu sagen sein. Den Gegenstand besonderer Besorgnis bildete in „vaterländischen" Kreisen überhaupt der Inhalt des „Gentleman-Abkommens", das dem Hauptübereinkommen beilag. Es seien darin, hieß es in unterschiedlichen Flüstergerüchten, dem österreichischen Nationalsozialismus besondere Möglichkeiten eingeräumt. Zernatto und Adam machten sich die Sache leicht, indem sie die Existenz des Geheimabkommens überhaupt ableugneten. Der illegale „österreichische Beobachter" und der allen Zeitungen und ausländischen Missionen zugehende „Illkorr" sorgten sehr bald für wortwörtliche Weitergabe, worüber Schuschnigg sehr böse war. Aber auch im nationalsozialistischen Lager fand das Abkommen vom 11. Juli weit eher innere Ablehnung als begeisterte Aufnahme. Bezeichnenderweise wußte das Neuigkeiten-Weltblatt vom 16. Juli zu berichten, daß in Streuzetteln der österreichischen Nazis der Führer des Verrates an der österreichischen Bewegung bezichtigt wurde 172 ). Am gleichen Tage erschien eine umfangreiche Kundgebung der „Deutschen Studentenschaft", die eine außerordentlich selbstbewußte Sprache im nationalsozialistischen Sinne führte und keineswegs der Auffassung entsprach, die Schuschnigg vom Zweck des Abkommens hatte. Ihren Inhalt kann man im Buche von Martin Fuchs nachlesen 173 ). Auch die kulturkämpferische Seite wurde stark betont, womit Schuschniggs empfindlichste Stelle getroffen wurde. Ein offizieller Aufruf der österreichischen Landesleitung, der in diesen Wochen erschien, liegt in den Akten bei. Es gehört von nun an zur offiziellen These der österreichischen Partei, daß der Führer im Abkommen den „österreichischen Nationalsozialismus" durch dessen Erwähnung ausdrücklich als fortbestehend betrachte, aber gleichzeitig zu erkennen gegeben habe, daß es nun an diesem Nationalsozialismus sei, sich selbständig auf dem Boden des unabhängigen Österreichs durchzusetzen. Wohl hielt sich die Bewegung - wenn man von dem olympischen Rummel absieht - in den nächsten Monaten bemerkenswert zurück, aber an ein Aufgeben ihrer Organisation 1 7 0 ) Vgl. Die Friedenspolitik des neuen Mitteleuropa, in: Wiener Neueste Nachrichten v. 3.9.1936, l f . Uber diesen Artikel wurde die Amtserinnerung G Z . 41.896-13/36 ( N P A . , Kart. 161) angelegt. In dieser wird die Befürchtung ausgesprochen, daß darin enthaltene Bemerkungen zu Rückfragen des Auslandes führen werden. Denn die dort enthaltene Behauptung, „daß, ,auch im Abkommen . . . ausdrücklich gesagt wurde, daß Österreich seine Außenpolitik der deutschen angleichen werde,' sowie auch, ,daß Österreich die deutsche Friedenspolitik anerkenne' dem Wortlaute des Abkommens keineswegs entspricht . . . " . m ) Friedrich R. v. Wiesner, Zur Auslegung des Abkommens vom 11. Juli, in: Der Österreicher, N r . 36, v. 4.9.1936, 1. 1 7 2 ) Österreich hat sich durchgesetzt, in: Neuigkeits-Welt-Blatt v. 16.7.1936, 2. 1 7 3 ) Vgl. Fuchs, Un pacte avec Hitler, 5 4 - 5 6 .

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Juliabkommen 1936 und Eintritt in das Kabinett Schuschnigg

und von deren Gliederungen dachte sie nicht im Entferntesten. Schon in dieser Zeit hatte der 11. Juli höchstens einen Waffenstillstand, nie aber einen Friedensschluß bedeutet. Dieser Erkenntnis verschloß auch ich mich nicht. Hatte ich ganz zu Anfang noch ein Fünkchen Hoffnung, daß das Abkommen, dessen Garant ich war, zu einer dauernden Entspannung führen könne, so gab ich sie schon nach den ersten 4 Wochen ziemlich auf. Die Kluft war zu tief, die Volksgemeinschaft zu gespalten, die Lage zu verworren, die Dynamik.der das Dritte Reich tragenden Bewegung zu stark, der Druck der deutschen Wirtschaft auf die schwächliche, keuchende österreichische zu gewaltig - als daß man selbst mit einer nur halbwegs dauerhaften Zwischenlösung hätte rechnen können. Höchstens eine Evolution war noch denkbar und dieser zu dienen, soweit es in meinen schwachen Kräften lag, betrachtete ich fürderhin als meine Aufgabe. Diese Evolution sollte in zweifacher Hinsicht eingeleitet werden. Zum ersten war es wichtig, dem nationalen Teil der Bevölkerung Lebensraum zu schaffen. Dabei kamen zunächst weniger die eigentlichen Nazis in Betracht, die bei Schuschnigg auf keinen Fall durchzusetzen waren, als vielmehr die Zwischenschichte der nicht parteimäßig punzierten Nationalen vom Schlage eines Mannlicher und ähnlicher Persönlichkeiten. Damit fand ich bei den wirklichen Parteigenossen natürlich nur beschränkte Gegenliebe. Aber bei der allgemeinen Situation und der Sturheit Schuschniggs war bestenfalls nur das von mir Geplante zu erreichen, sehr wahrscheinlich auch das nicht. Die zweite Aufgabe sah ich darin, die sogenannten „Wiedergutmachungen" im Sinne des Juliabkommens durchzusetzen und damit gleichzeitig eine möglichst weitgehende Rückkehr zum Rechtsstaat zu erzielen. Letzteres Bestreben war zwar ,,liberalistisch", aber es entsprang durchaus meiner innersten Uberzeugung. Auch paßte es der Partei, so lange sie nicht selbst das Heft in die Hand zu nehmen vermochte, durchaus in ihr Programm. Denn im Rechtsstaat waren die Kampfbedingungen natürlich viel günstiger für sie als in einem Polizeistaat, der von jedem noch so gesetzwidrigen und bösartigen Mittel zur Behauptung des Systems Gebrauch zu machen sich nicht scheute . . . Am 23. August fuhr ich mit Mutter und Gusti über Ischl, Aussee, Gesäuse, Wildalpl, Mariazell, St. Pölten nach Wien zurück. Das war für die schon 86jährige Frau eine Strecke von 450 km, die längste Tagesfahrt, die sie in ihrem Leben zurückgelegt hat. Wir hatten herrliches Wetter. In Ischl, wo Hofbauer an einen Randstein anfuhr und dabei den Kotflügel ein wenig deformierte, wechselte ich mit Prinz und Prinzessin Erbach 174 ) ein par Worte, die sich dort von ihrem Athener Gesandtenposten aus auf Urlaub befanden. Im Seehotel zu Altaussee aßen wir zu 174 ) Viktor Sergius Prinz zu Erbach-Schönberg (König, Hessen, 2 6 . 9 . 1 8 8 0 bis 2 7 . 4 . 1 9 6 7 , M ü n chen), 1902 Lt. im preuß. 1. Gardergt. zu F u ß , 1911 O b l t . , 2 . 8 . 1 9 1 4 zur Botschaft nach Wien k o m mandiert, 1 . 4 . 1 9 1 5 in den dipl. Dienst, 1 3 . 9 . 1 9 1 7 Dritter Sekretär bei der Botschaft in Wien, 2 1 . 5 . 1 9 2 0 hier Legationssekretär, 6 . 9 . 1 9 2 1 nach M a d r i d , 2 9 . 1 0 . 1 9 3 1 Botschaftsrat in Wien, 8 . 7 . 1 9 3 6 Gesandter I. Kl. in A t h e n , 1941 R ü c k k e h r nach Berlin; 9 . 1 1 . 1 9 0 9 vermählt mit Elisabeth Gräfin Szechenyi von Särvär-Felsövidek (geb. Somogyvär, 6 . 2 . 1 8 8 8 ) .

Auswirkungen des „Juli-Abkommens"

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Mittag, beim Lauffensteiner in Mariazell nahmen wir, vom alten Wirt feierlich begrüßt, ein gewaltiges Kaiserschnitzel mit Kartoffelschmarrn und Salat zum Nachtmahl. Um 10 Uhr abends kamen wir, nachdem sich meine Mutter bei einem allzu raschen Uberqueren von Bahngeleisen in Hietzing durch Emporschleudern im Wagen den Kopf noch angehauen hatte, wohlbehalten in unserer Wohnung an. Am 25. erschien ich zum erstenmal seit der Abreise auf Urlaub beim Kanzler beim Referat in seinem Büro auf dem Ballhausplatz. Der Schreibtisch stand zwischen den beiden zur Hinterfront der Herrengasse gerichteten Fenster, Front nach innen. Gegenüber dem Kanzler befand sich ein kleines Tischchen und dahinter ein Stuhl für den zum Vortrag erscheinenden. Man kann nicht sagen, daß diese Art der Postierung eine sehr behagliche gewesen wäre. Die Beschattung ließ das kalte Antlitz Schuschniggs noch zurückhaltender erscheinen. Uber meine zahlreichen Vorträge habe ich dummerweise gar keine Aufzeichnungen gemacht. Nur ab und zu existiert ein Zettel. So kann ich auch in dieser Niederschrift nur selten Konkretes bringen. Sicherlich bohrte ich schon bei dieser ersten Unterredung, daß Schuschnigg die drei größten Wüteriche Österreichs entlassen möge. Der erste war der Gendarmerieoberst Zelburg 17S ), vor 1918 2ivny, in Graz. Es gehörte zu den unbestreitbaren, sonst nicht sehr zahlreichen Verdiensten Baars, daß es ihm im Frühjahr 1936 geglückt war, wenigstens die Ablösung Zelburgs vom Posten eines Sicherheitsdirektors in der Steiermark zu erreichen. Als Gendarmeriekommandant konnte er um eine Nuance weniger anstellen, aber noch immer so ausreichend viel, daß sein wunderbarer Einfluß die fernsten Gendarmerieposten in Aussee und Spielfeld „durchdrang". Zelburg gefiel sich auch weiterhin in der Pose eines „ A l b a " , er wollte, wie er selbst zu sagen pflegte, möglichst gefürchtet sein. Im übrigen war es höchst bezeichnend für die ganze Art Schuschniggs, daß er Zelburg bei seiner Ablösung von der Sicherheitsdirektion das Versprechen gab, ihn

nach der Pensionierung des übrigens sehr anständigen

Juden Gendarmeriegeneral

Burg 1 7 6 ) als Inspektor der Gendarmerie nach Wien zu nehmen. Mir gegenüber und wohl auch den meisten Ministerkollegen verriet Schuschnigg nichts von dieser Zusicherung. Er ließ höchstens eine Bemerkung fallen, daß Zelburg ohnehin bald in ein Büro nach Wien kommen werde. . . . [Manuskript bricht ab]

1 7 5 ) Franz Zelburg (Laibach, 2. 7.1883 bis 2 2 . 1 1 . 1 9 5 0 , ?), 18. 8.1902 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus IKSch. Liebenau zu IR. 24, 1.11.1903 L t . , 1.11.1909 zu Landesgendarmeriekmdo. 5, 1 . 5 . 1 9 1 5 R t m . , etwa 1916 Namensänderungen von 2ivny auf Zelburg, 2 3 . 1 . 1 9 1 9 Adjutant des Landesgendkmdo. f. Stmk, 8 . 3 . 1 9 2 0 Mjr. a . D . , 1.5.1924 Gend.Oberinspektor I. Kl., 15.12.1937 dem Bundeskanzleramt zugeteilt, 3 . 1 . 1 9 3 8 Gend.General u. Generalinspektor der Bundesgendarmerie, 13.3.1938 Schutzhaft, 1 . 4 . 1 9 3 8 K Z Dachau. 1 7 6 ) J a k o b Burg (Wien, 9 . 3 . 1 8 7 7 bis 2 7 . 9 . 1 9 6 4 , Wien), 18.8.1898 als Kadett-Offiziersstellvertreter zu F s A R . 1, 1.11.1899 L t . , 14.10.1904 zu Landesgendarmeriekmdo. G r a z , 1 . 1 2 . 1 9 0 5 in die Gendarmerie übersetzt, 1.11.1918 Gendarmeriemajor, 5 . 1 1 . 1 9 1 8 ins Staatsamt f. Inneres . . . ; 2 4 . 1 0 . 1 9 2 4 Stellvertreter des Gendarmeriezentraldirektors, 3 1 . 1 2 . 1 9 2 9 Gendarmeriezentralinspektor, General der Gendarmerie, 2 . 1 . 1 9 3 8 Ruhestand, 1 . 9 . 1 9 4 5 freiwillig der Staatskanzlei zur Verfügung gestellt, 3 1 . 1 . 1 9 4 7 von der Dienstleistung im Bundeskanzleramt enthoben.

II. MINISTER IM STÄNDESTAAT 1936 - DEZEMBER 1937 [Oktober 1944 - 1. 1. 1945] In einem besonderen Manuskript habe ich den Beginn meiner Ministerschaft dargestellt. Nunmehr will ich diese Darstellung in großen Zügen fortsetzen. Es fällt mir dies nicht leicht. Denn mit jeder Handlung, die ich zu erwähnen habe, fällt mir die Kardinalfrage aufs Herz, ob ich mich nicht überhaupt auf einem schweren Irrweg befand. Sicher ist - wenn nach meiner heutigen Kenntnis der Dinge und nach meinen seitherigen Erfahrungen, neuerlich die Entscheidung an mich herantreten würde wie anfangs Juli 1936 - , daß ich jeden Ehrgeiz überwinden und bestimmt nein sagen würde. Dabei weiß ich allerdings, daß mein Entschluß, nach der damaligen Lage, an dem Laufe der Dinge bestimmt nichts geändert hätte, daß er auch dann nichts geändert hätte, wenn niemand anderer sich statt meiner gefunden hätte, was gewiß nicht geschehen wäre. Die „Eroberung" Österreichs lag in der unbedingten Absicht Hitlers und die Staaten, die in den dem Anschluß folgenden Monaten der Zertrümmerung und Auflösung der Tschechoslowakei, des Kernstückes des Versailler Gebäudes in Mittel- und Osteuropa, ohne Wimpernzucken zusahen, hätten bei Österreich auch dann den Finger nicht gerührt, wenn es in diesem Lande keinen einzigen Anschlußfreund und keinen einzigen Nazi gegeben hätte. Damit ist der subjektive und der objektive Dolus in gleicher Weise abgesteckt und jeder, der es heute anders wissen will, der nach der Schuldfrage forscht und dabei zu anderen Resultaten gelangt, gibt sich absichtlich oder unabsichtlich großen Irrtümern hin. Das hindert die Herren Emigranten in London und anderwärts und auch manchen Österreicher natürlich nicht, von „Verrätern" an Österreich zu sprechen, zu denen vor allem Seyß, Guido Schmidt und ich gehören. Seit dem Jahre 1918 war ich gleich vielen anderen von meinesgleichen der Auffassung, daß es für Deutschösterreich, dieses „Strandgut" des großen Zusammenbruches, auf nahe oder weite Sicht keine andere Lösung geben könne als die Vereinigung mit Deutschland. Ich habe mich zu diesem Gedanken schon 1919 in der von christlichsozialem Gelde erhaltenen „Danzers Armee-Zeitung" bekannt und seither kein Geheimnis daraus gemacht. Wohl aber war ich für den Anschluß nur unter der für mich selbstverständlichen und zum Beispiel auch in Weimar zwischen Berlin und Wien abgesprochenen Voraussetzung, daß Österreich im Reiche eine seiner geschichtlichen, kulturellen und volkstumhaften Eigenart entsprechende Rolle zugewiesen erhielt, daß jede öde Nivellierung zu unterlassen sein werde und auch dem Österreicher in der Gesamtlenkung des Reiches die Stellung eingeräumt würde, die

Rückblick auf die Zeit ab 1918

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ihm zukam. Und wenn ich heute Rückschau halte, so würde ich sowohl im zweiten Reich wie im Weimarer Deutschland noch immer - trotz der inzwischen gesammelten „preußischen" Erfahrungen - Möglichkeit zur Verwirklichung einer solchen Lösung erblicken. Daß sie im Dritten Reich bei seiner entsetzlichen Unitarisierung und Zentralisierung unmöglich war, ist heute zur Evidenz erwiesen; die Erkenntnis davon lebte aber bei mir sehr bald im Unterbewußtsein auf. Ganz deutlich beweist es zwischen den Zeilen eine in meinen Papieren erhaltene, unvollendete Denkschrift aus dem Herbst 1934, die für Schuschnigg bestimmt war, die ihn aber nie erreichte. Gleichzeitig überkam mich ein Gefühl inneren Gegensatzes zu dem ganzen, seit Jänner 1933 in Deutschland am Ruder befindlichen System. Ich war viel zu sehr ein Schüler der liberalen Armee-Erziehung, als daß ich mich mit 50 Jahren noch in die Gedankengänge des diktatorischen und totalitären Staates hineinleben hätte können. Ganz besonders empfand ich dies, ohne mir Rechenschaft im Einzelnen zu legen, als ich am 10. Juli 1936 abends durch die regenschwangere Salzburger Landschaft vom Obersalzberg heimfuhr. Der Anschlußgedanke wurde nunmehr für mich eher eine theoretische Angelegenheit. Obwohl Hitler schon damals der gegenteiligen Ansicht war, sagte ich mir, daß es zum Anschluß noch seine Weile haben werde, weil es die anderen Mächte auf keinen Fall gestatten würden. Sollte sich aber die Lage doch ändern oder sollte Hitler eine gewaltsame Lösung versuchen wollen, dann sollte der Boden so vorbereitet sein, daß man ihm gab, was man unbedingt geben mußte, im übrigen aber dadurch an österreichischem Eigenleben rettete, was zu retten war. Unsere österreichische Politik in dieser Richtung zu beeinflußen, betrachtete ich in der Folge als meine eigentliche Aufgabe, wobei ich oft und oft Schuschnigg gegenüber die Worte auf der Zunge hatte: „Glaube nicht, daß meine besondere Sehnsucht darauf hinausläuft, Österreich an das nationalsozialistische Deutschland angeschlossen zu sehen!" Aber ich unterdrückte solche Äußerungen dann immer wieder, weil ich besorgte, der Kanzler würde bei Gelegenheit sie gegen mich propagandistisch auswerten und mir dadurch die Möglichkeit nehmen, mit der Opposition halbwegs zu verkehren. Zwiespältig, wie ich die Lage betrachtete, trat ich sonach auch an meine neuen Aufgaben heran, hinter denen allerdings noch ein besonderes Erschwernis sich türmte: die Tatsache, daß den Vertrag vom 11. Juli 1936, die Magna Charta meines bevorstehenden politischen Wirkens, keiner der beiden Vertragspartner zu erfüllen gesonnen war. Das heißt, Schuschnigg hatte Augenblicke, in denen er hoffte, daß es doch gelingen werde. So beantwortete von Zernatto und Adam abwärts jeder „vaterländische" Propagandist das Juliabkommen 24 Stunden später mit der Erklärung, daß sich im Inneren nichts geändert habe - was natürlich nicht richtig war und nur bewies, daß man an die Verwirklichung des neuen Programms nicht dachte. Zum zweiten aber war es gewiß auch dem zweiten Partner — Adolf Hitler - nie und nimmer ernst, die Verabredungen einzuhalten. Den Anschluß - gut, den wollte er bis zu dem entsprechenden Augenblick aufschieben, wenn er auch schon im Sommer 1937 darnach zu fiebern begann. Aber sich am österreichischen Nationalsozialismus und seinen Anhängern desinteressiert zu zeigen, war ihm, dem Reli-

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Minister im Ständestaat 1936 - Dezember 1937

gionsstifter, eine Unmöglichkeit. Ich habe einmal zu Beginn 1938 zu Schuschnigg gesagt: „ D u siehst in Hitler immer nur einen Staatsmann, er ist aber mehr, er ist ein Prophet, und vermag ebensowenig, wie Mohammed es vermochte, zuzusehen, wie außerhalb seines Landes seine Moslems schlecht behandelt werden!" So geschah es, daß Hitler schon wenige Tage nach dem offiziellen Verzicht auf seinen österreichischen Anhang österreichische SA-Führer und andere Parteileute bei sich sah 1 ). . . . Allerdings muß ich gestehen, daß es einige Zeit dauerte, ehe ich diese Tatsachen in ihrer vollen Deutlichkeit sah. Als dies erreicht war, steckte ich schon zu tief in der allgemeinen Verstrickung und ich sagte mir schließlich, daß ich immerhin insofern nützlich sein könne, als ich die Situation zwischen Deutschland und Österreich für bessere Zeiten in der Balance zu halten helfen würde. Nach der Rückkehr aus Salzburg hatte ich gleich mit allen möglichen Hindernissen zu kämpfen. Schon während meines Salzburger Aufenthaltes hatte ich vor allem Gelegenheit gehabt, aus allen Teilen Österreichs Beschwerden gegen das unvermindert scharfe Polizeisystem und vor allem die in den einzelnen Bundesländern eingesetzten Sicherheitsdirektoren entgegenzunehmen. Es konnte für mich kein Zweifel bestehen, daß dieser wichtige Teil der Staatsexekutive nicht daran dachte und auch keinerlei Weisungen erhalten hatte, die Zügel gegenüber der nationalen Opposition etwas zu lockern. Besonders drei der Sicherheitsdirektoren, Jaklitsch 2 ) in Kärnten, Zelburg, recte Zivny, in der Steiermark, mit einigem Abstand Bechinie 3 ) in Salzburg waren die Ärgsten. Es ist mir bis zum Schlüsse meiner Ministerschaft nicht geglückt, an ihre Stelle andere Männer zu bringen. Am 29. August versuchte ich in einem Briefe, zu dem ich - bei Berücksichtigung der grundsätzlichen Zielsetzung von damals - noch heute stehe, dem Vizekanzler Baar-Baarenfels, meinem Neustädter Benjamin, eine Milderung bei der ihm unterstehenden Polizei nahezulegen 4 ). Ich gestand zu, daß die „politischen Güter in Österreich" längst in festen Händen seien und man daher auf diesem Gebiete nicht mehr viel machen könne (mit welchem Zugeständnis ich auch den Machtverhältnis-

') A m 16. Juli empfing Hitler Friedel Rainer und G l o b o c n i k auf dem Obersalzberg. Vgl. Rosar, 9 4 f . ) A n t o n Jaklitsch ( G r a z , 2 6 . 1 . 1 8 9 0 bis 2 7 . 4 . 1 9 5 1 , ?), Sicherheitsdirektor v. Kärnten.

2

3 ) Ludwig Bechinie v. Luzan (Wien, 7 . 2 . 1 8 7 9 bis ?, K Z Dachau), 1 8 . 8 . 1 9 0 1 aus I K S c h . Wien zu F J B . 10, 1 . 1 1 . 1 9 0 2 L t . , 7 . 6 . 1 9 0 9 zu Landesgendarmeriekmdo. 1, . . . 3 1 . 3 . 1 9 2 9 Gendarmerie-Vizedirektor, 1 9 . 5 . 1 9 3 2 Vorsitzender des Senats II beim Landesgendarmeriekmdo. f. N ö , . . . 6 . 1 . 1 9 3 4 Sicherheitsdir. f. Vorarlberg, 8 . 1 . 1 9 3 4 Sicherheitsdirektor f. Salzburg, 1 0 . 1 . 1 9 3 4 Gendarmerieoberst, 1 5 . 3 . 1 9 3 8 K Z Dachau. 4 ) Dürfte sich als - allerdings undatiertes - Konzept in B G H . , Kart. 27, Varia-Mappe, erhalten haben. D o r t heißt es: . . . „ D e r Sicherheitsapparat hat seit 3 Jahren die schwere Pflicht gehabt, ein Minderheitsregime zu stützen, das von keiner irgendwie hinreißenden Volksbewegung hinaufgetragen worden i s t . " D e r 11. Juli dürfe nicht ohne innenpolitische Konsequenzen bleiben, sonst könnte es zum B r u c h des A b k o m m e n s k o m m e n . Derzeit arbeitet aber Sicherheitsbürokratie und Exekutive, als hätte es kein A b k o m m e n gegeben. Baars Ressort müsse „irgend einen W e g ins F r e i e " finden. „ S c h a u e Dir insbesondere die Sicherheitsdirektoren an, die den Dingen vielfach noch völlig unorientiert gegenüberzustehen scheinen, ja scheinbar sogar täglich den Beweis liefern wollen, daß (in völliger Verkennung der Zusammenhänge) alles beim Alten bleiben wird . . . " .

Fühlungnahme mit der NSDAP

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sen und den Besorgnissen vor einem trojanischen Pferd zwischen den Zeilen Rechnung trug); umsomehr müsse man auf polizeilichem Gebiete, wo noch manches gefahrlos ginge, ein Entgegenkommen beweisen. Allerdings kamen in dem Schreiben auch ein paar Bosheiten vor. So nannte ich das Regime ein „Minderheitsregime", was es auch war. Baar-Baarenfels, ein dummer Kerl, wußte mit meinem Briefe nichts anzufangen und beeilte sich als braver Zögling, sofort zum Kanzler zu rennen, der war, wie mir Schmidt nachher erzählte, äußerst indigniert und meinte, meine Äußerungen gingen schon an die Grenzen des Erlaubten (was mit Ausnahme des erwähnten Passus gewiß nicht der Fall war). Schmidt bemerkte erläuternd: „Warum Du alles schreibst?" [ . . . ] Die Antwort Baars stammt sicherlich nicht von diesem, sondern von seinem Herrn und Gönner. Sie besprach Dinge, um die ich ihn gar nicht gefragt hatte. Mein Kampf gegen die Polizei ging, allerdings ziemlich erfolglos, weiter. Ich hatte dabei nicht bloß meine Sonderaufgabe im Auge, sondern war auch von dem unzeitgemäßen Streben erfüllt, die Herren zu einem kleinen Schritt zum Rechtsstaat zu nötigen. [ . . . ] Natürlich dachte ich auch daran, pflichtgemäß mit den national „betonten" Kreisen der Provinz in Fühlung zu treten. Mein erster Versuch in Linz, 21. Juli 1936, scheiterte, weil ich niemand antraf, außer Langoth, der nur eine Nebenrolle spielte. Den zweiten Versuch machte ich Mitte September in Graz. Es war für mich recht schwer, einerseits dem „vaterländischen" Landeshauptmann Stepan 5 ) einen Besuch abzustatten, andrerseits mit den Illegalen zusammen zu sein, was Peter Czernin arrangierte - für ein Regierungsmitglied eigentlich eine unmögliche Lage. Noch ein zweitesmal kam ich nach Graz, diesmal aber ganz inkognito in eine Vorstadt, wo ich in einen richtigen Verschwörerkreis eintrat. Zur Nächtigung brachte mich Czernin ins Mayr-Melnhof-Schloß 6 ) Frohnleiten. Der Hausherr ist mit einer Prinzessin Hohenlohe, einer Schwägerin des Erzherzogs Max, verheiratet. Es war ganz nett dort. Im Oktober versuchte ich in Klagenfurt die Fühlungnahme. Am 10. dieses Monats wollte ich an der alljährlichen Befreiungsfeier teilnehmen, erfuhr aber im letzten Augenblick, daß die Veranstalterin ausschließlich die VF. sei, weshalb ich die Sache im letzten Augenblick absagte. So viel ich mich erinnere, war es in der zweiten Oktoberhälfte, daß ich dann in Kärntens Hauptstadt einen Vortrag über Conrad v. Hötzendorf hielt, wobei ich die Gelegenheit zu Unterredungen mit den Führern der „betont Nationalen", will sagen: Nazi, suchen wollte. Aber als ich im

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) Karl Maria Stepan (Wien, 24.6.1894 bis 11.9.1972, Graz), christlichsozialer Politiker, seit 1928 Generaldirektor der Preßvereinsanstalten, 19.2.1934 Bundesleiter der Vaterländischen Front. 2.11.1934 bis 3. 3.1938 Landeshauptmann der Steiermark, nach III./1938 mehrmals inhaftiert und KZ-Aufenthalte, nach 1945 Generaldirektor des Styria-Verlages. Uber seine Tätigkeit vgl. Bärnthaler, passim. 6 ) Franz Karl Frh. Mayr v. Meinhof (Hietzing bei Wien, 24.6.1888 bis ?), heiratet in Alt-Aussee 29.8.1918 Marie Przssin. zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (Teplitz, 24.9.1895 bis 4.12.1946, Wien).

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Hotel Mosser ankam, ließ mich deren C a p o , der gute Ministerialrat Wolsegger 7 ), bitten, ich möge von den Zusammenkünften Abstand nehmen, niemand wage es, zu erscheinen, weil er früher oder später mit Verhaftung unter anderen Vorwänden zu rechnen habe. So sah es jetzt schon mit den Möglichkeiten aus, die sich für meine Tätigkeit als „ G a r a n t des Juliabkommens" herausgebildet hatten. Der Vortrag selbst war zum Bersten besucht. Anton Pitreich, schon vom Tode gezeichnet, hielt mit der Begrüßungsrede seinen Schwanengesang vor der Öffentlichkeit 8 ). Der Verfasser des Buches „ D e r österreichische Bundesgenosse im Sperrfeuer" war ein begeisterter Nationalsozialist geworden. Meine Sorge, daß es nachher zu Straßendemonstrationen kommen könnte, war unbegründet. Am nächsten Tag fuhren Kramsall und ich mit dem Triebwagen zurück. Damit hatte, abgesehen vom salzburgischen Sommerurlaub, meine Fühlungnahme mit der Provinz ein Ende. In Hinkunft kamen die Leute zu mir nach Wien. Einen wesentlichen Bestandteil meiner Ministertätigkeit machte schon in diesen ersten Wochen und auch späterhin das „Intervenieren" aus - eine Beschäftigung, zu der ich äußerst wenig geeignet bin und zu der mir jede Durchschlagskraft fehlt. Ich vermag mich für grundsätzliche Dinge mit größter Zähigkeit einzusetzen, habe dies auch in Zagreb bewiesen. Aber in Einzelfällen muß ich mir schon ein paar ordentliche Sporen geben, etwas zu machen und penetrant zu sein. Ich habe das Intervenieren immer als ein bitteres Schicksal empfunden. Hatte ich bis zum 11. März 1938 für die Nazis interveniert, so kamen nachher die „Schwarzen" und die Legitimisten daran 9 ). Zu Beginn Oktober 1936 bereitete sich in der inneren Politik Österreichs ein Ereignis vor, das mich nicht unmittelbar betraf, aber in dem Froschmäusekrieg, als welcher mir heute alles, was damals bei uns geschah, erscheint, doch wichtig war. Es betraf die Heimwehr, in der schon geraume Zeit ein vor allem Wien und Kärnten erfassender Führerstreit brodelte. Zwischen Starhemberg und Fey hatte sich eine Kluft aufgetan, die zu allen möglichen Ehrenangelegenheiten, unausgetragenen Duellaffären und dergleichen führte, Fey war im Heimatschutz, der offiziell als bewaffneter Verband eigentlich schon seit dem Frühjahr nicht mehr existieren sollte, sondern in dieser Eigenschaft als „Frontmiliz" weiterzuleben hatte 1 0 ), völlig 7 ) Ferdinand Wolsegger (Gottschee, Krain, 11.10.1880 bis 1 . 2 . 1 9 5 9 , Innsbruck), 1898 Matura in Villach, bis 1903 juridisches und staatswissenschaftliches Studium in G r a z und Wien, ab 2 1 . 1 . 1 9 0 4 Konzeptspraktikant bei der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt, weiterer Dienst in Kärnten, im Ministerium des Innern, und wieder in Kärnten, 1925 Landesamtsdirektor der Kärntner Landesregierung, VIII./1934 beurlaubt, 3 0 . 1 . 1 9 3 5 Ruhestand, mit 1 . 3 . 1 9 3 8 als Regierungsdirektor wieder eingestellt, 1941/42 Stellvertreter des Staatssekretärs in der Regierung des Generalgouvernements in Krakau (bis 3 0 . 6 . 1 9 4 2 ) , sodann Regierungspräsident in Klagenfurt, 1945 von der Militärregierung verhaftet und entlassen. Abschnitte aus seinen Memoiren betreffend die Zeit vor 1918 in Carinthia I, J g . 1956, 7 4 5 - 7 7 2 u. J g . 1958, 5 3 9 - 6 0 9 . 8 ) Vgl.: o . V . (wahrscheinlich Anton Pitreich). Glaise von Horstenau, in: Freie Stimmen, Deutsche Kärntner Landeszeitung v. 11.12.1936, 1 f. ®) Diesbezüglich reiches Material im B G H . , 0 ) N a c h der Regierungsumbildung vom 17.10.1935, in der die Wehrverbände an Einfluß verloren, wurde die Zusammenlegung der Wehrverbände im Rahmen der Vaterländischen Front unter der Be-

Auflösung der Heimwehr

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kalt gestellt, ebenso wie sein Freund Lahr, der Erste Vizebürgermeister von Wien. Diese zündelten nun sehr stark und es kam dazu, daß der Konflikt sogar den Ministerrat befaßte. Ich stand im Herzen eher auf der Seite Feys als auf der Starhembergs. Ohne daß ich mich noch der Einzelheiten besinne, weiß ich doch, daß am 9. Oktober 4 Uhr nachmittags ein Ministerrat einberufen wurde, der das Problem zu lösen hatte. Beschäftigt waren in der Regel außer dem Bundeskanzler eigentlich nur zwei Minister, Guido Schmidt als Vertrauensmann Schuschniggs und der Finanzminister Dr. Draxler als Vertrauensmann Starhembergs und Kurier zwischen diesem und dem Kanzler. Wir anderen Minister vertrieben uns inzwischen schlecht und recht die Zeit im Ministerratszimmer des Bundeskanzleramtes, wobei der Kaiser Franz Josef in einem recht guten Bild mitleidig auf uns herabsah. Gott sei Dank war Stockinger noch Handelsminister, der durch seine Witze alle anderen wach erhielt. Einen möchte ich wiedergeben, weil er irgendwie charakteristisch ist. „Als ich im Mai 1933 nach Guido Jakoncig Handelsminister wurde," erzählte Stockinger in richtigem Vorstadtdialekt, ,,da lernte ich sofort die Vergänglichkeit alles Irdischen kennen." Er schilderte dann in behäbiger Breite mit mancher poetischer Lizenz, wie es ihm doch geschmeichelt hatte, als am ersten Tage seiner Ministerherrlichkeit die Wache im Bundeskanzleramt unters Gewehr trat, er dann feierlich in Eid genommen wurde, nachher unter größtem Getue ins Handelsministerium auf dem Stubenring (Kriegsministerium) eintrat und schließlich stolz im Sessel vor einem prachtvollen Schreibtisch niedersank: Es war doch was Schönes um so eine Stellung! Da kam der Diener herein, machte eine unterwürfige Verbeugung, deutete hinter sich zur Tür und meinte: „ D a Jakoncig (Stockingers unmittelbarer Vorgänger) ist draußen - soll i ihn einalassen?" U m 3 Uhr früh schien der Streit zu einem gewissen Abschluß gelangt zu sein. Des Näheren erinnere ich mich auch da nicht mehr. Ich weiß nur, daß dem Ministerrat ein Kommunique-Entwurf vorgelegt wurde, der irgendeinen Schlußpunkt hinter die Affären setzen sollte, wobei kein Mensch noch an eine Auflösung des Heimatschutzes dachte. Eines weiß ich aber noch. Das Kommunique war derart unklar abgefaßt, daß ich meine Stimme erhob und zur Debatte stellte, ob irgendjemand der Anwesenden glaube, daß die Öffentlichkeit verstehen werde, worum es eigentlich gehe. Der Ministerrat gab mir ziemlich einstimmig recht. Diese an sich rein stilistische Angelegenheit hatte eine bedeutsame Folge: Die Auflösung der Heimwehr am nächsten Morgen. Neuerdings begann die Kabinettspolitik mit Schuschnigg, Schmidt und Draxler hinter den Kulissen. Wir anderen warteten wieder. Um 5 Uhr früh wurde dank Zeichnung „Freiwillige Miliz - österreichischer H e i m a t s c h u t z " beschlossen und mit der Aufstellung dieses Milizverbandes am 2 . 1 2 . 1 9 3 5 begonnen. Die neuerliche Regierungsumbildung vom Mai 1936 brachte das Ausscheiden Starhembergs aus der Regierung und die beschleunigte Eingliederung der Wehrverbände in die V F . durch die Aufstellung der „ F r o n t m i l i z " zur Unterstützung der Bewaffneten Macht ab 2 0 . 5 . 1 9 3 6 (Bundesgesetz über die Vaterländische Front). Vgl. L . Jedlicka, Die Auflösung der Wehrverbände und Italien im J a h r e 1936, in: Das J u l i a b k o m m e n von 1936 (Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Kommission . . . zur Erforschung der österreichischen Geschichte der Jahre 1 9 2 7 - 1 9 3 8 , B d . 4), Wien 1977, 1 0 4 - 1 1 8 .

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dem Eingreifen Stockingers aus einem benachbarten Wirtshause ein Gulasch serviert. Endlich gegen 6.30 U h r fiel die Entscheidung. Starhemberg verfügte die Auflösung der Heimwehr, die Frontmiliz sollte schlechtweg so heißen. Die beiden Heimwehrminiscer Baar und Draxler verblieben im Kabinett, jedoch ohne einen anderen Auftrag als den des Bundeskanzlers. Draxler konnte sich dabei weiter der Freundschaft Starhembergs rühmen, während sich rund um Baar noch eine Ehrenwortaffäre rankte, bei der - wenn ich nicht irre - ich als Schiedsrichter noch Versuche einer Beilegung machte. Die Auflösung der Heimwehr war aus dem damaligen Blickfeld ein außerordentlich bedeutsames Ereignis. Ich gedachte seiner in einem anonymen Leitartikel in der „österreichischen Wehrzeitung" 1 1 ). Die Heimwehr war, wie Seipel sich einmal ausdrückte, wirklich eine irgendwie mitreißende „Volksbewegung" gewesen. Ich erinnere mich noch, wie ich am 18. August 1929 mit meiner Mutter und den M o rawetzfrauen durch Kärnten nach Salzburg zurückkehrte und alle Straßen voll waren von Hahnenschwänzlern. Es hatte nach der langen „ r o t e n " Zeit etwas Eigenes an sich. Auch Starhemberg, der der Bewegung übrigens einen beträchtlichen Teil seines Vermögens opferte, erwies sich als ganzer Kerl, wenn er im Jahre 1930. ganz allein auf dem Hauptplatz der Arbeiterstadt Steyr erschien und dort durch wildes Gebrüll die Sozi zum Streit herausforderte. Im Jahre 1933 besuchte mich eines schönen Tages der bei mir im Kriegsarchiv eingeteilte Oberstleutnant Heydendorff, recte Auspitz 1 2 ), um mir namens der Heimwehrführung anzutragen, gemeinsam mit Fürst Schönburg in ihren Führerrat einzutreten. Kurz zuvor wurde ich, wie D r . Schweinitzhaupt 1 3 ) mir mitteilte, von einer Führerversammlung zum Kandidaten der Heimwehr für den Posten eines Heeresministers erkürt. Dennoch kam mir die Einladung Heydendorffs unerwünscht. Erstens war die Heimwehr schon in das Regime Dollfuß als deren stärkste Säule eingebaut. Zweitens gefiel mir ihr italophi-

» ) Abschied von den Wehrformationen, in: Ö W Z . , 1 6 . 1 0 . 1 9 3 6 , 1. 1 2 ) Walther Heydendorff (St. Pölten, 3 0 . 1 0 . 1 8 8 8 bis 1 9 . 1 . 1 9 7 4 , Wien), Sohn des G M . Leopold Auspitz, 1 8 . 8 . 1 9 0 8 aus der Milak. als Lt. zu F J B . l l , Frequentant der Kriegsschule, 1 . 9 . 1 9 1 5 H p t m . i . G . , 1 . 1 2 . 1 9 2 0 Ruhestand, 1922 Titular-Major u. Namensänderung, Mitglied des Wiener Heimatschutzes, Tätigkeit in der Privatwirtschaft und Mitarbeiter am Generalstabswerk „Österreich-Ungarns letzter Krieg", nach 1938 in Wien führendes Mitglied der Widerstandsgruppen um Dr. Hans Becker, 1 . 5 . 1 9 4 5 Präsidialchef im Heeresamt der Staatskanzlei, nach dessen Auflösung ab 8 . 1 . 1 9 4 6 im Kriegsarchiv und ab 1 9 5 0 - 1 9 5 3 im Haus-, H o f - und Staatsarchiv als Archivar tätig (1953 Regierungsrat), 1957 Dr. phil. Zahlreiche militärwissenschaftliche Publikationen. Hauptwerke: Österreich und Preußen im Spiegel österreichischer Geschichtsauffassung, Wien 1 9 4 7 ; Die Fürsten und Freiherren von Eggenberg und ihre Vorfahren, Graz 1965. Vgl. R . Neck, Walther E . Heydendorff ( 1 8 8 8 - 1 9 7 4 ) , in: M Ö S T A . , Bd. 27 (1974), 5 7 3 - 5 7 5 . " ) Franz Schweinitzhaupt (Salzburg, 2 9 . 4 . 1 8 8 7 bis 2 5 . 3 . 1 9 5 2 , Zams, Tirol), 1912 Dr. phil., 1914 bis zum Tode Beamter der Innsbrucker Universitätsbibliothek, zuletzt Oberstaatsbibliothekar, 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Kriegsdienst im 4. T K J R . , 1920 vorübergehend Abgeordneter der Großdeutschen Volkspartei zum Tiroler Landtag, ab etwa 1930 führendes Mitglied der Tiroler Heimatwehr, Publizist, Redakteur der „Innsbrucker Nachrichten". Seine wichtigsten Schriften: Tirol fordert den Anschluß, Innsbruck 1921; Deutschsüdtirols Schicksale im Jahre 1926, München 1927; Antimarxismus und nationale Realpolitik, Innsbruck 1930; Vom Parteienstaat zum Heimatwehr- und Ständestaat, Innsbruck 1930; Die zukünftige wirtschaftliche Gestaltung Europas, Innsbruck 1932.

2 Gustav Denk v. Kistorony, Feldmarschalleutnant der Honvéd.

3 Edmund Glaise v. Horstenau, k . u . k . Major.

5

Bei einem Vortrag in der W i e n e r U r a n i a .

6

Im Direktionszimmer des Kriegsarchivs.

8

Beim B e g r ä b n i s f ü r F e l d m a r s c h a l l E r z h e r z o g F r i e d r i c h , 5. 1. 1937.

9

B e g r ü ß u n g am Berliner F l u g f e l d , 5. 4. 1937.

11

Auf d e m W e g zu A d o l f H i t l e r in d e r R e i c h s k a n z l e i

1937.

12

Kabinett Schuschnigg IV, 21. 2. 1938.

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13

^ A o v c w w

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G l a i s e - H o r s t e n a u in Stuttgart, 7. 3. 1938.

Auflösung der Heimwehr

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ler Kurs schon gar nicht. Letzteren nützte ich denn auch als Begründung f ü r eine Ablehnung aus. Allerdings nahm ich dann an dem Abend teil, den Fey und Genossen zu Ehren des Eintrittes Schönburgs in den nie mehr tagenden Führerrat gab und bei dem auch Dollfuß erschien. Ich glaube, der alte Fürst hat sich damals seine Sporen für den Landesverteidigungs-Staatssekretär verdient, der er im September werden sollte 14 ). . . . Starhemberg blieb nach Auflösung der H e i m w e h r noch Führer der Sport- und T u r n f r o n t und Protektor des Mutterschutzwerkes, zu dem man ihn als besonderen Kinderfreund nach seinem Sturz als Vizekanzler ernannt hatte - begreiflicherweise zum Gelächter der ganzen Umwelt. Schuschnigg hatte mir in jenen Oktobertagen einmal gesagt, seiner Ansicht nach würde eine Regierungsänderung nicht so bald Platz greifen; wir müßten eine gewisse Stetigkeit betätigen. U m s o m e h r war ich erstaunt, als ich am 4. N o v e m b e r abends ins Kanzleramt gerufen wurde und dort alles wie einen aufgestöberten Ameisenhaufen antraf, da eine Kabinettsumbildung im Zuge war. G u i d o Schmidt hatte es allein schon früher gewußt, der sich überhaupt durch „Kameradschaftlichkeit" die ganze Zeit über besonders hervortat. D e n n der von ihm vorgeschlagene neue Sicherheitsminister D r . Neustädter-Stürmer, bisher Gesandter in Budapest, war, ausschließlich von ihm vorgeschlagen, schon zur Stelle. Die Berufung N e u städters war irgendwie ein Mißtrauensvotum gegenüber meinen „geringen" Leistungen auf dem Sektor Befriedung. Neustädter, ein alter Heimwehrler, der schon einmal Minister gewesen war, trug Rosinen im Kopfe, die Schmidt und vielleicht auch Schuschnigg Eindruck gemacht hatten. Der Gedanke, Neustädter wieder zu berufen, dürfte beim Begräbnis des Ministerpräsidenten G ö m b ö s aufgetaucht sein, das Schuschnigg und Schmidt in Budapest mitmachten 1 5 ). Bei diesem Anlasse m u ß ich etwas einfügen. An der Beisetzung von G ö m b ö s , der bekanntlich in München gestorben war, nahm Generaloberst Göring als Vertreter Hitlers teil. Er hielt sich auf der Durchreise einen Tag inkognito in Wien auf, prominierte, mit Begeisterung begrüßt, in der Kärntnerstraße und sah sich mit besonderer Begehrlichkeit die Gobelin-Sammlung an, was mich beim Mittagessen ihm gegenüber zu der frechen Bemerkung veranlaßte: „ E s ist doch gut, daß wir noch nicht den Anschluß haben, sonst wäre von den schönen Dingern schon einiges in Berlin!" Worauf Göring meinte: „Sie können schon recht h a b e n . " Das Essen, bei dem ich H e r m a n n zum erstenmale gegenüber trat, fand, da Papen wie gewöhnlich abwesend war, bei dem inzwischen gefallenen Gesandtschaftsrat v. H e i n z statt. Anwesend waren noch Bodenschatz und Muff. Ich müßte lügen, wenn ich behaupten wollte, Hermanns Art habe mich besonders begeistert. Auch ich dürfte ihm nicht sehr gefallen haben, welche Gefühle sich bei ihm und bei mir mit der Zeit

14 ) G O . Fürst Schönburg-Hartenstein war seit April 1933 Mitglied des Wiener Heimatschutzes. Er w u r d e am 2 1 . 9 . 1 9 3 3 als Staatssekretär f ü r Landesverteidigung in die Regierung berufen. Vgl. C . Earl E d m o n d s o n , T h e H e i m w e h r and Austrian Politics 1918-1938, Athens 1978, 200f. ls ) A m 10.10.1935. Dabei kam es auch zu einer Besprechung Schuschnigg-Göring. Vgl. Jedlicka, Ein H e e r im Schatten der Parteien, 151 f.

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steigerten. Gleich zu Anfang fiel es mir schwer, mich in die burschikose und doch überhebliche Art hineinzufinden, in der Göring spricht. Die Tafel und noch mehr der nachherige schwarze Kaffee wurden für mich übrigens recht aufschlußreich. Beim Essen machte Hermann sich irgendwie über die österreichische Gemütlichkeit lustig, indem er sarkastisch erzählte, wie sein Schwager Hueber während seiner kurzen Ministerschaft im Herbst 1930 sofort mit dem damaligen Außenminister Dr. Seipel per Du wurde. Nach dem Essen ging man auf die hohe Politik über. Hermann dozierte, der Anschluß werde innerhalb von fünf Jahren vollzogen sein, er habe dies auch bei seinem letzten Besuch in Rom mitgeteilt 16 ) und werde es, wenn sich Gelegenheit ergäbe, ebenso Schuschnigg in Budapest sagen. Ich meinte: „ U m Gottes Willen, Herr Generaloberst, das dürfen Sie nicht tun, denn dann wird er noch mehr abgeschreckt!" Ich dachte dabei an meine Aufgabe und sagte mir allerdings heimlich irrtümlicherweise, daß Hermanns Optimismus bezüglich der Leistungsfähigkeit der deutschen Außenpolitik übers Ziel schieße. Ich überschätzte Italien und die Westmächte. Natürlich wurden meine Bedenken wegen der Gespräche gegenüber Schuschnigg als „Schlappheit" und „Leisetreterei" ausgelegt, womit auch der Grundstein zum späteren mir verliehenen Epitheton „Weihnachtsmann" gelegt war. Als zweites markantes Gespräch ist mir noch das über religiöse Fragen in Erinnerung. Wir kamen irgendwie auf Rosenberg zu sprechen und seinen Mythos des XX. Jahrhunderts. Göring meinte, Rosenberg sei der größte Trottel, den es gäbe, und sein Buch mache dem Christentum die beste Propaganda. Er würde es verbieten. Im übrigen werde sich das „morsche" Christentum ganz von selbst erledigen. Alles in allem keine angenehme Erinnerung . . . N u n zurück zur Kabinettsumbildung von Anfang November 1936. Als ich in das Vorzimmer Schuschniggs, wo Frölichsthal und Krisch 17 ) ihres Amtes walteten, eintrat, sah ich den buckligen Chavanne über einen Vortrag an den Bundespräsidenten gebeugt, der bereits das neue Kabinett enthielt. Ich las darin, daß an Stelle Hammersteins, den man wegen seiner Anständigkeit entfernte, der ganz wilde Busenfreund Schuschniggs aus Kärnten, Dr. Tschurtschenthaler 18 ), Justizminister 16 ) D e r Besuch G ö r i n g s bei Mussolini fand am 6 . 1 1 . 1 9 3 3 statt. Er überbrachte dabei Hitlers A b r ü stungsvorschläg;. Bei seiner R ü c k k e h r erklärte G ö r i n g gegenüber N e u r a t h , er hätte Mussolini gesagt, Deutschland werde Österreichs Unabhängigkeit jetzt nicht antasten. „ S p ä t e r " müsse jedoch der A n schluß k o m m e n . Vgl. Petersen, 263 f. 17 ) F r a n z A n t o n Krisch (Preßburg, 3 1 . 1 . 1 8 9 8 bis 2 8 . 2 . 1 9 8 2 , Wien), D r . iur., 1916-1918 Kriegsdienst, 1 . 8 . 1 9 1 6 Lt. i. d. Res. 1. T K J R . , 1920-1927 im Bankwesen tätig, 1927 in den öffentlichen Dienst, 1934-1938 Sekretär des Bundeskanzlers, 1938 entlassen u n d zeitweise inhaftiert, 1939 Privatangestellter in Berlin, 1941-1945 Militärdienst, ab 1945 im B M . f. H a n d e l und Wiederaufbau, 1 . 1 . 1 9 5 1 Sektionschef, 1.1.1964 Ruhestand. Vgl. seine Schilderung der Märztage 1938 bei D . Wagner - G . T o m k o w i t z , Ein Volk, Ein Reich, Ein Führer! D e r Anschluß Österreichs 1938, M ü n c h e n 1968, (s. Reg.). 18 ) D r . Ignaz Tschurtschenthaler ( M a u t h e n , Bez. H e r m a g o r , Kärnten, 1.2.1898 bis ?), Staatsrat, seit 1932 Landesführer der OSS. in Kärnten, Präsident des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer von Kärnten. In einer Befragung Schuschniggs über Tschurtschenthaler, die von der Gestapo - Staatspolizeistelle Klagenfurt am 1 9 . 8 . 1 9 3 9 erbeten w u r d e , gab Schuschnigg am 2 . 9 . 1 9 3 9 in einem Schriftsatz von 4 Maschinschreibseiten u . a . an, er hätte Tschurtschenthalers „ B e r u f u n g in die Bundesregierung nie

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Kabinettsumbildung November 1936

werden sollte. E r w a r bei den Nationalen so verhaßt, daß, w e n n er Minister gew o r d e n w ä r e , mein Verbleiben im Kabinett u n m ö g l i c h gewesen wäre. Ich schickte Kramsall zu Papen, u m ihm die drohende Gefahr mitteilen zu lassen, und ließ mich sofort bei Schuschnigg melden, der gleich nachgab und statt Tschurtschenthaler den bisherigen B e z i r k s h a u p t m a n n von Baden D r . P i l z 1 9 ) z u m Justizminister ernannte. A u c h B a a r w u r d e ausgeschifft, statt seiner kam der alte Feldmarschalleutnant H ü l gerth20),

der

Befreier

Kärntens

und

im

Nebenamte

Generalkommandant

der

F r o n t m i l i z , ebenfalls auf V o r s c h l a g G u i d o Schmidts. Stockinger und D r a x l e r erhielten gleichfalls schlichten Abschied. D e r K a n z l e r sagte m i r : , , D u hast dadurch Deinen Willen e r r e i c h t . " Ich haben den „ W i l l e n " nie ausgesprochen. Sie w u r d e n durch den als national geltenden G r a z e r Universitätsprofessor T a u c h e r 2 1 ) und den bisherigen Finanzreferenten von W i e n , D r . N e u m a y e r 2 2 ) ,

ersetzt. Als Arbeiter-

staatssekretär kam der unsympathische P o s t b e a m t e R o t t 2 3 ) . Ich selbst erhielt das Innenministerium, natürlich o h n e seinen wichtigsten Bestandteil, die Sicherheit. I m m e r h i n stand ein Sektionschef, mein alter F r e u n d B a r o n R u b e r 2 4 ) , und standen vier oder fünf Abteilungschefs samt statistischem Z e n t r a l a m t , D o r o t h e u m und so weiter unter mir, besser als nichts. Im statistischen A m t w a r der frühere Sicherheitsstaatssekretär Freiherr v o n K a r w i n s k y 2 5 ) , G a t t e einer G e r n g r o ß , mein U n t e r g e b e n e r . Als Präsident des D o r o in Erwägung g e z o g e n " . D e r Anlaß für die Aussage war ein Gesuch der Gattin Tschurtschenthalers mit Bezug auf dessen Aufenthalt im K Z Dachau. •») Adolf Pilz (Wien, 1 0 . 7 . 1 8 7 7 bis 2 3 . 9 . 1 9 4 7 , Wien), Bezirkshauptmann, 3 . 1 1 . 1 9 3 6 bis 1 6 . 2 . 1 9 3 8 B M . f. Justiz. 2 0 ) Ludwig Hülgerth (Wien, 2 6 . 1 1 . 1 8 7 5 bis 1 3 . 8 . 1 9 3 8 , Schloß Rottenstein, Kärnten), 1 8 . 8 . 1 8 9 3 aus I K S c h . Wien zu Gebirgsschützenrgt. 1, 1 . 1 1 . 1 8 9 4 L t . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 O b s t l t . im Gebirgsschützenrgt. 1, ab 2 . 1 1 . 1 9 1 8 vom Wehrausschuß der Kärntner Landesversammlung mit der militärischen Oberleitung in Kärnten betraut, 1 5 . 1 1 . 1 9 1 8 Landesbefehlshaber, 1919 militärischer Führer im Kärntner Abwehrkampf, 2 0 . 1 2 . 1 9 2 0 Leiter der Heeresverwaltungsstelle Klagenfurt, 1 . 1 . 1 9 2 1 O b s t . , ab 1923 Baons- bzw. Rgtskmdt. I R . 5, 1 . 1 0 . 1 9 2 4 Abteilungsleiter B M . f. H w . , 1 . 5 . 1 9 2 5 G M . , 3 1 . 1 2 . 1 9 2 7 Ruhestand als General, 1931 Landesführer des Kärntner Heimatschutzes, 7 . 3 . 1 9 3 4 bis 3 . 1 1 . 1 9 3 6 Landeshauptmann von Kärnten, 3 . 1 1 . 1 9 3 6 Vizekanzler und Generalkommandant der Frontmiliz (bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 ) . 2 1 ) Wilhelm Taucher (Fürstenfeld, S t m k , 26. 5 . 1 8 9 2 bis ?), Finanzfachmann, Universitätsprofessor, 3 . 1 1 . 1 9 3 6 bis 1 6 . 2 . 1 9 3 8 B M . f. Handel und Verkehr, 1 9 4 9 - 1 9 5 3 Beauftragter für ERP-Angelegenheiten. " ) Rudolf Neumayer (Wien, 1 8 . 5 . 1 8 8 7 bis ?), D r . iur., Obersenatsrat in der Wiener Gemeindeverwaltung, 3 . 1 1 . 1 9 3 6 bis 1 6 . 2 . 1 9 3 8 u. 1 1 . 3 . 1 9 3 8 bis 2 4 . 5 . 1 9 3 8 B M . f. Finanzen, nach 1941 und bis 1945 Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung, 2 8 . 1 . 1 9 4 6 bis 1 . 2 . 1 9 4 6 Hochverratsprozeß in Wien.

" ) Hans R o t t (Sangerberg, B e z . Marienbad, B ö h m e n , 2 9 . 8 . 1 8 9 6 bis 3 0 . 1 2 . 1 9 6 2 , Wien), P o s t o b e r inspektor, 3 . 1 1 . 1 9 3 6 bis 1 6 . 2 . 1 9 3 8 Staatssekretär für den gesetzlichen Schutz der Arbeiter und Angestellten, 1 6 . 2 . 1 9 3 8 bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 B M . ohne Portefeuille, I I I . / 1 9 3 8 5 Monate H a f t , sodann ausgewandert nach Frankreich und den U S A , dort führend in der österreichischen politischen Emigration tätig, nach 1945 beim öst. Generalkonsulat in N e w Y o r k . Vgl. über ihn: F . G o l d n e r , Die österreichische Emigration 1938 bis 1945 (Das einsame Gewissen, Bd. V I ) , W i e n - M ü n c h e n 1972 (s. Reg.). 2 4 ) Ignaz F r h . v. R u b e r (Brünn, 1 4 . 1 0 . 1 8 7 6 bis ?), ab 1901 Konzeptspraktikant bei der Landesregierung in Laibach, ab 1907 im Ministerium des Innern, 2 2 . 1 2 . 1 9 2 0 Ministerialrat, 2 1 . 1 2 . 1 9 3 2 Sektionschef und betraut mit Leitung der Sektion I I I im B K A . , 4 . 7 . 1 9 3 8 Ruhestand. 2 5 ) Karl F r h . v. Karwinsky (Innsbruck, 1 7 . 9 . 1 8 8 8 bis 1 0 . 4 . 1 9 5 8 , Schruns), H o f r a t , Präsidialchef der nö. Landesregierung, 1 0 . 7 . 1 9 3 4 bis 1 7 . 1 0 . 1 9 3 5 Staatssekretär für Sicherheitswesen, sodann Präsident

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theums wirkte der ehemalige kaiserliche Minister Homann 2 6 ), Generaldirektor war der frühere Kabinettsdirektor Klastersky 2 7 ). Eine der ersten Aufgaben, die als Innenminister an mich herantrat, war die schon von einem früheren Kabinett beschlossene Rückgabe des kaiserlichen Privatvermögens 28 ). Als ich einige Wochen später in Gegenwart des Herzogs Max von Hohenberg und des Markgrafen Pallavicini 29 ) den A k t feierlich vollzog, sagte ich damit die Wahrheit, daß es mir als altem Offizier eine Freude bereitete, dieses Unrecht gut zu machen. Lang hatte die Dynastie nicht die Freude des Besitzes. Während im Reiche alle ehemaligen Herrscherhäuser nach wie vor über ihr Privatvermögen frei verfügten, wurde es den Habsburgern nach dem Anschlüsse sofort wieder weggenommen. Allerdings hatte der junge Herr die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, unmittelbar nach dem 11. März 1938 alle Nationen zum Krieg gegen Deutschland aufzurufen 3 0 ); er hätte sich nicht besonders bemühen brauchen, Deutschland sorgte anderthalb Jahre später von sich aus für die Erfüllung dieses Wunsches. In die kommenden Wochen fielen zwei Staatsbesuche, bei denen ich allerdings nur zu den Diners assistieren mußte. Der ein betraf die Mächte des Römischen Paktes 31 ). Schuschnigg stellte mich Ciano als den „Minister der nationalen Opposition" vor; ich meinte: der allergetreuesten Opposition. Bei einem Diner - wenn ich nicht irre, in Schönbrunn - saß ich neben der Gräfin Ciano 3 2 ), einem sehr rassigen, aber nicht sympathischen Weibe. Sie ist bekanntlich eine illegitim gezeugte Tochter

des Statistischen Zentralamtes. Sein memoirenhafter Zeitungsartikel: Vor 20 Jahren . . . Zur Geschichte des 25. 7. 1934, in: Die Furche, Nr. 30 v. 2 4 . 7 . 1 9 5 4 , 1 - 4 , führte zu einer ausgedehnten Erörterung des Ereignisses in den Tageszeitungen, die neue Einzelheiten erbrachte. Es kam aber auch zur Einsetzung eines „Ehrenrates", erzwungen durch Freunde Emil Feys, mit dem sich Karwinsky sodann auseinanderzusetzen hatte. Vgl. diesbezügliches Aktenmaterial in: IfZG., Personalmappe Fey; B/656, nr. 18. 2 6 ) Emil Frh. v. Homann-Herimberg (Wien, 1.9.1862 bis 9 . 2 . 1 9 4 5 , Wien), ab 1887 im öffentl. Dienst, 1917-1918 k . k . Min. f. öffentliche Arbeiten, 1927-1935 Präsident des Kuratoriums des Dorotheums. " ) Wilhelm Klastersky (Wien, 6 . 7 . 1 8 8 0 bis 24.12.1961, Wien), ab 25.4.1903 Dienst bei der nö. Statthalterei, 1909 ins Handelsministerium, 1919 Stellvertreter des Vorstandes der Präsidentschaftskanzlei (später Kabinettsvizedirektor), 1934-1936 Kabinettsdirektor, 3 1 . 1 . 1 9 3 6 Ruhestand; 17.12.1945 Kabinettsdirektor, 31.10.1952 pensioniert. Weiterverwendung in der Präsidentschaftskanzlei, 1.5.1953 Ruhestand. 2 8 ) Bundesgesetzbl. f . d . Bundesstaat Österreich v. 13.7.1935, 80. Stück: 299. Bundesgesetz betreffend die Aufhebung der Landesverweisung und die Rückgabe von Vermögen des Hauses HabsburgLothringen. " ) Béla Markgraf Pallavicini ( ö d e n b u r g , 22.12.1858 bis 2 5 . 1 . 1 9 3 8 , Wien), k . u . k . Kämmerer, Rennstallbesitzer, Oblt. a . D . , führender Funktionär der monarchistischen Bewegung. 3 0 ) Am 15.3.1938 forderte Dr. Otto v. Habsburg in einer Presseerklärung „jene Völker, für die Freiheit, Frieden und Recht nicht leere Worte sind" dazu auf, das österreichische Volk bei der Wiederherstellung seiner Unabhängigkeit und Freiheit zu unterstützen. In einem Artikel im „Petit Parisien" forderte er das österreichische Volk zum Widerstand auf. Darauf erklärte das Reichsjustizministerium Dr. Otto v. Habsburg zum Landesverräter und erließ einen Steckbrief. Vgl. E. Vasari, Dr. Otto Habsburg oder die Leidenschaft für Politik, Wien-München 1972, 219f. 3 1 ) Konferenz vom 8. bis 10.11.1936: Vgl. die Reden, Programme und Kommuniqués in: N P A . , Präsidium, Kart. 1, fol. 5 1 - 9 6 . 3 2 ) Edda Gräfin Ciano, geb. Mussolini (geb. 1908), Journalistin.

Tod Erzherzog Friedrichs

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Mussolinis. Der ungarische Außenminister Känya 33 ) beklagte sich beim Cercle, daß ich in meinen Büchern magyarenfeindlich geschrieben hätte. In den letzten N o vembertagen war, nach einem Besuche auf dem Obersalzberg, Horthy in Wien 34 ). Es gab einen prachtvollen Empfang in Schönbrunn 35 ), wobei die Gattin des Reichsverwesers mit ihrem Diadem wie eine Kaiserin durch die prachtvollen Räume schritt. Der Rechsverweser sprach ziemlich lange mit mir. Da ich die alte österreichische Generalstabsuniform anhatte, war er per Du mit mir. Er fühlte sich, nicht ahnend, was noch kommen werde, irgendwie von Hitler angezogen. Und wenn ich nun schon von den festlichen Anlässen schreibe, so sei noch die Beisetzung des Feldmarschalls Erzherzog Friedrich in Ungarisch-Altenburg erwähnt, die am 5. Jänner stattfand. Mit dem lieben „Fritzel" war es seit seinem 80. Geburtsfest rasch bergab gegangen. Das traditionelle Asthma wurde immer quälender. Er sah dem kommenden Tode mit einer Philosophie entgegen, die ein letztesmal sein nicht sehr intelligentes Äußeres lügenstrafte. Universitätsprofessor Oberstabsarzt Dr. Biehl 36 ), mein alter Freund, wurde öfter berufen und war auch beim Sterben dabei. Biehl wurde im „katholischen Gesellen verein", wie wir Lotterbuben beim Armeeoberkommando in Teschen immer die engere Umgebung des „rahmreichen" Marschalls spotteten, „Bader" gerufen. „Bader, ich stirb!" waren die unpoetischen letzten Worte, die der Erzherzog ausstieß, bevor er seine Seele aushauchte. Ich bewarb mich darum, als Stellvertreter des Bundespräsidenten der Beisetzung anwohnen zu dürfen, und fuhr, begleitet von Sektionsrat Bareck, meinem kaltgestellten ersten Ministersekretär, mit einem mächtigen Kranze die Budapester Straße hinab. Ich trug Generalstabsuniform und hatte auch den H u t mit dem grünen Federbusch mitgenommen, im letzten Augenblick aber leider nicht den Mut, ihn aufzusetzen. Die Aufbahrung fand auf einem ungeheuer hohen Trauergerüst in der Ortskirche statt. Der Sarg war vom Kaipak und vom Generalshut geschmückt, eine letzte dualistische Kundgebung im Geiste der verstorbenen Erzher-

" ) Kaiman Känya ( ö d e n b u r g , 7 . 1 1 . 1 8 6 9 bis 2 8 . 2 . 1 9 4 5 , Budapest), D i p l o m a t , 1904 Konsul in K o n stantinopel, 1913 Gesandter in Mexiko, 1920-1925 stellvertretender ung. Außenminister, 1925 G e s a n d ter in Berlin, 4 . 2 . 1 9 3 3 bis 2 8 . 1 1 . 1 9 3 8 Außenminister. 34 ) A m 29. und 3 0 . 1 1 . 1 9 3 6 . Vgl. P r o g r a m m e u n d K o m m u n i q u e s in: N P A . , Kart. 480, fol. 6 3 3 - 6 5 8 . 35 ) Vgl. I . f . Z . G . , D o - 4 1 - M m - 3 1 S. 134: W ä h r e n d dieses Empfanges hatte Botschaftsrat F r h . v. Stein seine einzige U n t e r r e d u n g mit Schuschnigg, die dieser herbeigeführt hatte: Schuschnigg fragte ihn, wie die Beziehungen zwischen den Ländern weiter verbessert werden k ö n n t e n und Stein meinte, man sollte die „ O p p o s i t i o n " mehr heranziehen. Schuschnigg antwortete: „ I c h habe ja den Minister Glaise im K a b i n e t t . " Darauf Stein: „Glaise ist wirklich ein anständiger H e r r , hat aber schon zu o f t die Partei gewechselt, als daß er von der O p p o s i t i o n als ihr M a n n anerkannt werden k a n n . " Als Schuschnigg weiter fragte, meinte Stein, es sollte Leopold selbst herangezogen w e r d e n . D a r a u f h i n beendete Schuschnigg bald das Gespräch. 36 ) D r . Carl Biehl (Triest, 2 8 . 9 . 1 8 6 9 bis 3 0 . 4 . 1 9 4 5 , Bad Königswart, B ö h m e n ) , 14.7.1888 als E . F . - Mediziner zu Sanitätsabt. 2, 1892 D r . med., 3 1 . 3 . 1 8 9 5 Assistenzarzt-Stellvertreter, . . . 7 . 1 . 1 9 0 2 Privatdozent f ü r O h r e n h e i l k u n d e , 1.11.1910 Stabsarzt, 9 . 1 . 1 9 1 1 ao. U n i v . - P r o f . , 1.11.1918 O b e r s t a b s arzt 1. Kl., 1.8.1914 bis 7 . 3 . 1 9 1 7 Leibarzt Ehg. Friedrichs, 1.11.1920 R u h e s t a n d , später Mitglied der N S D A P , 14.5.1940 bis 3 0 . 9 . 1 9 4 4 wieder aktiver Wehrdienst.

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zogin Isabella. Der Trauerzug ging mit militärischem Kondukt durch den ganzen, weit ausgedehnten Ort. Unter den Verwandten befanden sich König Alfons von Spanien 3 7 ), Erzherzog Eugen und - in bayrischer Feldmarschallsuniform mit blauem Federbusch - Kronprinz Rupprecht 3 8 ). Ungarn war durch das Reichsverweserpaar vertreten. Hinter diesem folgten die Abordnungen der Verbündeten, in der Mitte General der Infanterie v. Rundstedt 3 9 ), der nachmalige Feldmarschall, den ich schon von Berlin kannte, als Vertreter Hitlers, rechts von ihm ich, links ein ziviler Bulgare. Meine Blicke wurden immer wieder von den schönen Beinen der vor mir gehenden Reichsverweserin angezogen. Als wir die Gruft verließen, wurde ich Zeuge eines etwas peinlichen Zusammentreffens zwischen Horthy und dem Erzherzog Eugen, der nur eine leichte Verbeugung machte. Buda ö r s ! 4 0 ) Das Wiedersehen mit mir veranlaßte Horthy, seinen Generaladjutanten „Fischer L a j o s " anzuweisen, es möge mir ehestens das ungarische Großkreuz verliehen werden. Dieses ließ aber dann noch einige Monate auf sich warten, da offenbar erst Känyas Widerstand zu überwinden war. Nach der Beisetzung fand ein Frühstück in dem schlichten Hause des verstorbenen Erzherzogs statt. Ich sprach länger mit der sehr netten Erzherzogin Gabriele 4 1 ) und dann auch mit dem bayrischen Kronprinzen, der sich bei mir entschuldigte, meinen kürzlich abgehaltenen Münchener Vorträgen nicht beigewohnt zu haben. „ A b e r Sie werden verstehen," meinte er erklärend, „daß ich dort, wo der Gauleiter Wagner ist, nicht hingehen k a n n . " (Der Kronprinz stand sich bis etwa 1928 mit Hitler recht gut; dieser war nachgerade bayrischer Monarchist. Nicht zuletzt Freiherr von Soden 4 2 ) hatte Schuld daran, daß die Freundschaft auseinanderging. 1935 wurden Versöhnungsversuche unternommen. Am „Tage der Deutschen Kunst" sollte Rupprecht der Eröffnung durch Hitler im Hause der deutschen Kunst bei-

" ) Alphons X I I I . König v. Spanien (Madrid, 1 7 . 5 . 1 8 8 6 bis 2 8 . 2 . 1 9 4 1 , R o m ) , 1902 die Regierung ü b e r n o m m e n , 1931 auf Ausübung der Regierungsgeschäfte verzichtet; 1 4 . 4 . 1 9 3 1 Ausrufung der R e p u blik. 3 8 ) K r o n p r i n z Rupprecht von Bayern (München, 1 8 . 5 . 1 8 6 9 bis 2 . 8 . 1 9 5 5 , Leutstetten), kgl. bayerischer u. kgl. preuß. G F M . Mittelpunkt der bayr. legitimistischen Bewegung. 3 ») G e r d v. Rundstedt (Aschersleben, 1 2 . 1 2 . 1 8 7 5 bis 4 . 1 0 . 1 9 5 2 , Hannover), 1892 als F h r . in die Armee, 1 . 1 0 . 1 9 3 2 G e n . d . i . u. O B . G r . K d o . I, 1 . 3 . 1 9 3 8 G O . , 1 . 1 1 . 1 9 3 8 verabschiedet, 1 . 9 . 1 9 3 9 O B . H G r . Süd, 1 . 1 0 . 1 9 3 9 O B . O s t , 2 5 . 1 0 . 1 9 3 9 O B . H G r . A , 1 . 7 . 1 9 4 0 G F M . , 1 . 1 0 . 1 9 4 0 O B . West, 1 0 . 6 . 1 9 4 1 bis 1 . 1 2 . 1 9 4 1 O B . H G r . Süd, 1 5 . 3 . 1 9 4 2 bis 2 . 7 . 1 9 4 4 u. 5 . 9 . 1 9 4 4 bis 9 . 3 . 1 9 4 5 O B . West. 4 0 ) B e i m Budapester V o r o r t B u d a - Ö r s fand anläßlich des zweiten R ü c k k e h r - oder Restaurationsversuches König Karls am 2 3 . 1 0 . 1 9 2 1 ein Gefecht zwischen königstreuen Truppen sowie Freischaren einerseits und von Anhängern H o r t h y s kommandierten Truppen und nationalistischen Studentenverbänden andererseits statt. D e r Monarch wollte bürgerkriegsartige Kämpfe vermeiden, ließ das Gefecht abbrechen, verfügte, daß sich seine Anhänger in Sicherheit brächten und begab sich mit seiner Gemahlin in die Gewalt der Anhänger H o r t h y s b z w . der Entente-Mächte. Vgl. Peter B r o u c e k ( H g . ) , Anton Lehär, Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1 9 1 8 - 1 9 2 1 , Wien 1973. 4 1 ) Vielleicht Ehgin. Gabrielle, T o c h t e r des Ehg. L e o p o l d , dem Sohn des E h g . Leopold Salvator (geb. Wien 1 2 . 2 . 1 9 2 2 ) . 4 2 ) Heinrich Freiherr v . S o d e n ( M ü n c h e n , 3 . 1 . 1 8 6 4 bis 3 0 . 4 . 1 9 4 1 , München), kgl. bayerischer Kämmerer, M a j o r a . D .

Vortragsreise nach München

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wohnen. Der Kronprinz stellte jedoch an den schon zum Reichspräsidenten aufgestiegenen Hitler angeblich die wirklich nicht zu rechtfertigende Forderung, daß er den ersten Platz erhalte und von Hitler am Tore empfangen werde. Im zweiten Weltkriege entzog sich Rupprecht den Verfolgungen durch die Partei durch eine Flucht nach Italien. Seine Güter wurden beschlagnahmt.) Ich fuhr mit Bareck bald nach Hause. Dem Erzherzog, der seine letzte Ruhe in der neuen Familiengruft unter der Altenburger Kirche neben seiner ehrgeizigen Gemahlin fand, werde ich stets ein treues Andenken bewahren. Nun aber zurück zur hohen Politik! Für die letzte Novemberwoche 1936 war ich auf Einladung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Professor Alexander Müller 43 )) und der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft (Reichswehrminister a. D. Geßler 4 4 )) zu Vorträgen nach München entboten 4 5 ). Einmal sprach ich über „Altösterreichs Armee in der deutschen Geschichte" (nach meinen Aufsätzen in Linnebachs „Heeres- und Truppengeschichte"), einmal über Conrad v. Hötzendorf 4 6 ). Ich fuhr mit dem Auto nach München, Salzburg-München schon auf der wunderbaren Reichsautobahn. Natürlich allein, wie es sich für einen bescheidenen österreichischen Minister geziemte. Untergebracht war ich im Hotel Bayrischer Hof, von dem eine lange rot-weiß-rote Fahne wehte. Die Vorträge fanden jeweils im Saale der ehrwürdigen Akademie statt, die, so viel ich weiß, heute auch schon ein Trümmerhaufen ist. Besuch ausgezeichnet. Alles gesteckt voll. In der ersten

4 3 ) Karl Alexander v. Müller ( M ü n c h e n , 2 0 . 1 2 . 1 8 8 2 bis 2 3 . 1 2 . 1 9 6 4 , Rottach-Egern am Tegernsee), Historiker, U n i v . - P r o f . , seit 1914 Mitherausgeber der Süddeutschen Monatshefte, ab 1928 o. U n i v . Prof. f. bayrische Landesgeschichte, ab 1933 Mitglied der N S D A P , ab 1935 Herausgeber der Historischen Zeitschrift, Zahlreiche Publikationen. Erinnerungswerke: Aus Gärten der Vergangenheit ( 1 9 5 1 ) , Mars und Venus (1954), Im Wandel der Welt (1966 posthum).

**) O t t o Geßler (Ludwigsburg, 6 . 2 . 1 8 7 5 bis 2 4 . 3 . 1 9 5 5 , Lindenberg im Allgäu), Politiker der D e u t schen Demokratischen Partei, 2 5 . 1 0 . 1 9 1 9 bis 2 6 . 3 . 1 9 2 0 Minister f. Wiederaufbau, 2 7 . 3 . 1 9 2 0 bis 1 9 . 1 . 1 9 2 8 Reichswehrminister, 1 9 3 1 - 1 9 3 3 Vorsitzender des Vereins für das Deutschtum im Ausland ( V D A ) , bis 1933 auch Präsident des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge. Vgl. O . G e ß l e r , Reichswehrpolitik in der Weimarer Zeit, hg. v. K . Sendtner, Stuttgart 1958. 4 5 ) U b e r Glaises Aufenthalt in München vom 25. bis 2 7 . 1 1 . 1 9 3 6 wurde zwischen dem öst. Generalkonsul in München Jordan und Gesandten Hornbostel in Wien eine Korrespondenz geführt und vom Generalkonsul wurde ein Bericht an Staatssekretär Schmidt mit Ausschnitten des „Völkischen B e o b a c h t e r s " geliefert, der referierend am 2 6 . 1 1 . 1 9 3 6 über den ersten Vortrag berichtete ( N P A . , Kart. 4 9 1 , Liasse Glaise-Horstenau). J o r d a n legte auch den Tätigkeitsbericht mit Statuten der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft vor, in dem es heißt, sie sei am 3 0 . 1 0 . 1 9 2 5 in München mit der Aufgabe gegründet worden „als Vorbereitung künftiger Wiedervereinigung die kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Österreich systematisch zu befestigen und zu vertiefen". Ihre Aufgabe wäre es, „ d i e verschiedenen Fragen des Anschlusses in kleinem Kreise durch Sachverständige zu untersuchen". Dafür gab es zehn Fachausschüsse. J o r d a n berichtete, daß er unter Hinweis auf diese Passagen in den Statuten der Arbeitsgemeinschaft seinen Weisungen gemäß Glaise-Horstenau erklärt habe, er, J o r d a n , könne dieser Arbeitsgemeinschaft nicht beitreten, worauf Glaise spontan erklärt hätte, er werde Geßler eine Statutenänderung vorschlagen, was er auch getan habe. 46

) Vgl. Werkverzeichnis N r . 2 8 7 , 2 9 7 , 2 9 8 .

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Reihe Epp 47 ), Gauleiter Wagner, Ministerpräsident Siebert 48 ), Universitätsrektor Köbl und so weiter. Sehr viele österreichische Emigranten. An besonderen Veranstaltungen erinnere ich mich eines Essens bei Epp, mit dem ich mich als alter Soldat bald anfreundete, eines bei Siebert, eines bei unserem netten Generalkonsul Jordan 49 ). Bei Epp saß ich zwischen diesem und Wagner. Letzterer war der typische wilde Bursche, geborener Lothringer, ehemaliger Reserveoffizier mit Holzbein, Trinker, Schürzenjäger. Seine besondere Feindschaft galt der Kirche; in der Kampfzeit hat er eigenhändig dem erzbischöflichen Auto die Glasscheiben eingehaut. Dennoch fuhr ich beim erzbischöflichen Palais vor und gab für Kardinal Faulhaber 50 ) eine Karte ab. Dieser erwiderte meinen Besuch in gleicher Weise. Ich habe in Wagners Berichten an die Parteileitung einen guten Sittenpunkt bekommen, weil ich gesprächsweise die richtige Prophezeiung äußerte, daß der Anschluß kommen werde. In meiner Tischrede bei Epp schlug ich eine besonders österreichische Note an, wobei ich auf die verschiedenen, aus Österreich stammenden Adjutanten und dergleichen hinwies. Bei Siebert, der aus der Pfalz stammte, rief ich allerdings einen anderen genius loci an, den meines Landauer Urgroßvaters. Da der Kabinettsdirektor Sieberts, der fast taube Baron Stengel 51 ), gegenüber von mir saß, gab es auch heitere Erinnerungen an den unvergeßlichen Speyrer Archivtag 52 ), wobei ich ihn aber nicht daran erinnerte, wie fleißig er damals dem Bischof von Speyer den Fischerring geküßt hatte. Was wäre 2 Jahre später in Österreich aus einem solchen Manne geworden? Gewiß nicht Kabinettschef von Seyß-Inquart. Mit dem alten Siebert und seiner liebenswürdigen Gattin habe ich aufrichtige Freundschaft geschlossen. Siebert war ein ruhiger, besonnener Mann, der die beliebten Radikalismen nie mitmachte; seine gigantische Eitelkeit konnte man ihm verzeihen. Seine

" ) F r a n z R. v. E p p ( M ü n c h e n , 16.10.1868 bis 3 1 . 1 2 . 1 9 4 6 , München), ab 1887 in der bayerischen A r m e e , 1900-1901 im Ostasiatischen Expeditionskorps als Premierlt., 1904-1906 Kompaniechef in Deutsch-Südwestafrika, 1914-1919 K d r . des bayerischen Infanterie-Leibrgts., 1919 Aufstellung des Freikorps E p p , das 1920 in die Reichswehr-Schützen-Brigade E p p umgewandelt w u r d e , 1.10.1920 Infanterie-Führer VII, 2 . 1 0 . 1 9 2 1 G M . , 3 1 . 1 0 . 1 9 2 3 Abschied als char. G e n l t . , 1928 M d R . für die N S D A P , 10.4.1933 bis 2 9 . 4 . 1 9 4 5 Reichsstatthalter in Bayern, V./1934 Reichsleiter des N S D A P als Leiter des Kolonialpolitischen Amtes, 2 5 . 7 . 1 9 3 5 char. G . d . I . , 16.10.1938 Chef IR. 61. 48 ) L u d w i g Siebert (Ludwigshafen, 17.10.1874 bis 1 . 1 1 . 1 9 4 2 , München), Jurist, Staatsanwalt, Bürgermeister v. Lindau, 1932 bayerischer Landtagsabgeordneter der N S D A P , 16.3.1933 kommissarischer Leiter des bayerischen Finanzministeriums, 1 3 . 4 . 1 9 3 3 Bayerischer Ministerpräsident. 49 ) L u d w i g J o r d a n ( R a d m a n n s d o r f , Kärnten, 1 5 . 4 . 1 8 9 5 bis ?), ab 1 . 3 . 1 9 1 5 Kriegsdienst, 11.11.1916 Fhr. i . d . Res. F H R . 3, 1 . 2 . 1 9 1 7 Lt. i . d . Res., 2 1 . 6 . 1 9 1 9 D r . iur., ab 15.5.1920 bei der oö. Landesregierung in den öffentl. Dienst, 1922-1924 Absolvent der Konsularakademie, ab 1925 der Gesandtschaft in R o m zugeteilt, 1930-1932 Präsidialist des Vizekanzlers Schober, 3 1 . 6 . 1 9 3 2 zugeteilt der Gesandtschaft in Warschau, 1934 Legationsrat II. Kl., 1.10.1935 bis 1 3 . 3 . 1 9 3 8 Generalkonsul in M ü n c h e n , sodann inhaftiert, insbes. wegen der von ihm u n d seinen Beamten v o r g e n o m m e n e n A k t e n v e r b r e n n u n g e n , 2 4 . 9 . 1 9 3 8 aus dem Staatsdienst entlassen. so ) Michael v. Faulhaber (Klosterheidenfeld, U n t e r f r a n k e n , 5 . 3 . 1 8 6 9 bis 1 2 . 6 . 1 9 5 2 , München), 1892 Priesterweihe, 1911 Bischof v. Speyer, 1917 Erzbischof v. München-Freising, 1921 Kardinal. 51 ) Paul Karl Leopold Frh. v. Stengel (München, 12. 7.1877 bis 2 7 . 3 . 1 9 4 3 , M ü n c h e n ) , D r . iur., k ö niglich-bayerischer Kämmerer, Geheimer Rat, Ministerialdirektor. *2) Vgl. Glaises Bericht über den Archivtag 1927 in Werkverzeichnis N r . 183.

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Frau bat während des Krieges immer, daß ich neben sie gesetzt würde, da sie - wie der Mann lächelnd meinte - gerne mit mir „meckerte". Der alte Herr hatte das Glück, anfang November 1942 zu sterben und so das Ende des Krieges nicht mehr zu erleben, den er ganz ebenso wie ich schwer beklagt hatte. An einem Nachmittag fand mir zu Ehren ein Tee der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft im Hotel statt. Ich saß zusammen mit Geßler, Siebert, der gleichzeitig Präsident der Deutschen Akademie war, und dem Universitätsrektor (Köbl, ein geborener Österreicher, selbstverständlich Mitglied der SS, wurde während des Krieges wegen § 175 denunziert. Er hatte eine Frau und eine heranwachsende Tochter. Die SS-Führung legte ihm einen Revolver auf den Tisch und versprach ihm - buchstäblich - ein besonders feierliches Begräbnis, wenn er sich umbringe. Aber er zog das Leben mit Untersuchung vor und wurde freigesprochen!). Während des Abends verkündete das Radio den Abschluß des Antikominternpaktes zwischen Deutschland, Italien und Japan; ich hatte von Haus aus das Gefühl, daß es sich um eine rein propagandistische Angelegenheit handelte, hinter der allerdings sehr positive Gefahren lauerten: eine Mächtekombination, d k auf Krieg eingestellt war 5 3 ). Natürlich hatte ich in München auch sonst zahlreiche Besuche zu empfangen und zu machen. Globocnik, einer der illegalen Naziführer aus Kärnten, arrangierte einen Empfang bei Heß im alten Braunen Haus neben den Novemberopfern. Heß ließ mich 57V2 Minuten sprechen und begnügte sich mit 2V2 Minuten, was er in diesen sprach, wußte ich schon beim Weggehen nicht mehr. Er machte auf mich aber schon gar keinen Eindruck. Wer zu Heß ging, mußte natürlich auch zu Generalmajor Professor Haushofer 5 4 ) gehen, den einstigen Batteriechef und Regimentskommandeur des Reserveoffiziers Heß, und den Mann, der später in der Kampfzeit Heß auf seinem Dachboden verborgen hielt. Haushofer war ein gemütlicher Eayer, aber man durfte keinem seiner Worte glauben. Bekanntlich ist er Begründer der Pseudowissenschaft, die sich Geopolitik nannte und in Zeiten, da sie noch reell war und auf der österreichischen Kriegsschule durch Ferdinand Fiedler tradiert wurde, auf den weniger prätenziösen Namen Militärgeographie getauft worden war. Haushofers „ L e b e n s r a u m " und Japanbegeisterung - er war als junger Offizier längere Zeit im Lande des Tenno - hatten auf die Politik Hitlers einen ziemlich großen Ein-

5 3 ) Der Antikominternpakt wurde am 2 5 . 1 1 . 1 9 3 6 zwischen dem Deutschen Reich und Japan abgeschlossen. Er bestimmte beiderseitige Unterrichtung über die Tätigkeit der kommunistischen Internationale und aktives Einschreiten gegen ihre Tätigkeit Italien trat erst am 6 . 1 1 . 1 9 3 7 dem Pakt bei, jedoch in der Eigenschaft eines „ursprünglichen Unterzeichnerstaates". M ) Karl Ernst Haushofer (München, 27. 8.1869 bis 10.3.1946, Hartschimmelhof bei Pähl, Oberbayern, Freitod), 1887 Eintritt ins bayer. 1. F A R . „Prinzregent L u i t p o l d " , 1908-1910 zum Studium nach Japan abkommandiert, Rgts.kdr. im 1. Wkg., führte 1918 die bayer. 30. Res. I . D . zurück, 1919 A b schied als char. G e n . M j r . , 1919 Dozent für Geographie, 1933 o. Prof., 1934-1937 Präsident der D t . Akademie, 1938-1941 Präsident des V D A . ; Spezialist für Fernostkunde, Begründer der deutschen Geopolitik. Vgl.: H . A . Jacobsen, Karl Haushofer - Leben und Werk, 2 Bde., Boppard/Rhein 1979 ( = Schriften des Bundesarchivs, Bd. 24/1 u. 24/11).

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fluß genommen. Haushofers Frau 5 5 ) war Volljüdin, eine wirkliche Dame, die übrigens von Heß ein Diplom als Ehrenarierin erhalten hatte. Besonderen Gewinn zog ich bei meinem Münchener Aufenthalt für die Zukunft aus der Bekanntschaft mit dem hochgeschätzten Verleger Srbiks, Hugo Bruckmann 5 6 ) und seiner Gattin 5 7 ), einer geborenen Prinzession Cantacuzene. Beide waren Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens und damals noch ziemlich begeisterte Anhänger Hitlers, dessen Bestrebungen sie nach Landsberg auch finanziell stark unterstützt hatten. Hitler war dann wöchentlich mehrmals in das schöne Heim in der Prinz Leopoldstraße gekommen (das jetzt wohl auch nicht mehr existiert), und hatte sich bei dem Ehepaar manchen Rat geholt. Später wurden die Besuche seltener, aber um die Jahreswende kam er doch jedenfalls und dann verfehlte er nicht, in ein Gästebuch eine auf das kommende Jahr gemünzte Sentenz einzuschreiben. Für 1940 hatte er, von mir mit ungläubigem Kopfschütteln gelesen, niedergeschrieben: Zu Beginn des Jahres der Schöpfung des großgermanischen Reiches deutscher Nation . . . Seither, glaube ich, ist Adolf Hitler nicht mehr zu Neujahr gekommen. Einmal war ich - schon nach dem Anschluß - wieder bei Bruckmanns; sie standen den Dingen schon kritischer gegenüber. Als zweiten Besucher traf ich einen eleganten Herrn über fünfzig, den Botschafter a . D . von Hassel 5 8 ), bekanntlich Schwiegersohn des Großadmirals v. Tirpitz S 9 ). 5 Jahre später, nach dem 20. Juli 1944, baumelte dieser feine, vielwissende Mann als Verschwörer auf dem Galgen. Unter denen, die mich aufsuchten, befand sich unter anderen auch der ehemalige österreichische Landesleiter Proksch 6 0 ), ein Bahnbeamter aus Linz, der aus der Emigration unbedingt in seine Heimat zurückwollte. Er mußte sich noch andert-

" ) Martha Haushofer ( 1 8 7 7 - 1 9 4 6 ) , T o c h t e r des Gutsbesitzers G e o r g Ludwig M a y e r - D o ß und der Christine v. D o ß . 56) Hugo Bruckmann ( 1 8 6 3 - 1 9 4 1 ) , Verlagschef, u . a . Herausgeber der W e r k e H o u s t o n Stuart Chamberlains. 5 7 ) Elsa B r u c k m a n n , geb. Prinzessin Cantacuzene ( 1 8 6 5 - 1 9 4 6 ) , Reichsführerin der deutschen und österreichischen Künstlerinnen und Kunstfreundinnen. 5 8 ) Ulrich v. Hassel ( A m k l a m , 1 2 . 1 1 . 1 8 8 5 bis 8 . 9 . 1 9 4 4 , hingerichtet in Berlin), 1909 als Assessor ins Auswärtige A m t , im 1. Weltkrieg als Reserveoffz. schwer verwundet, 1926 Gesandter in Kopenhagen, 1930 in Belgrad, 1932 Botschafter am Quirinal, 4 . 2 . 1 9 3 8 abberufen und zur Disposition gestellt, Angehöriger und Mitarbeiter des Widerstandskreises um D r . Goerdeler. Nach dem 20. 7 . 1 9 4 4 verhaftet. Seine Aufzeichnungen: V o m anderen Deutschland. Aus den nachgelassenen Tagebüchern 1 9 3 8 - 1 9 4 4 , Wien 1948. 5 9 ) D i e Zusammenkunft zwischen Glaise-Horstenau und Hasseil bei B r u c k m a n n wird in den Aufzeichnungen beider Persönlichkeiten nicht angeführt. Vgl. jedoch: Hassell, V o m anderen Deutschland, 5 4 : „ 2 2 . 7 . 1 9 3 9 . V o r einigen Tagen Bruckmanns bei uns. . . . Glaise-Horstenau hat Bruckmanns gesagt, bei einer Volksabstimmung in Österreich würden jetzt nicht mehr 10 Prozent für Hitler s t i m m e n . "

s») Alfred Proksch (Larischau, ö s t . Schlesien, 8 . 3 . 1 8 9 1 bis 3 . 1 . 1 9 8 1 , Wien), Beamter der öst. Staatsbahnen, organisierte im März 1919 die aus den Nachfolgestaaten geflüchteten und ausgewiesenen Eisenbahner, Beamter der Eisenbahndirektion L i n z , 1919 Mitgründer der N S D A P in Österreich, 1 9 2 3 - 1 9 3 2 Linzer Gemeinderat, 1 9 2 8 - 1 9 3 1 stellv. Landesleiter der N S D A P in Österreich, 1 9 3 1 - 1 9 3 3 verantwortlicher Landesleiter, 2 4 . 6 . 1 9 3 3 Flucht nach Deutschland, ab 1936 M d R . , 1938 Reichstreuhänder der Arbeit für das ö s t . , dann auch für das sudetendt. G e b i e t , 20. 8 . 1 9 4 0 für das „Wirtschaftsgebiet O s t m a r k " u. gleichz. Präs. des Landesarbeitsamtes für W i e n , Niederdonau u. O b e r d o n a u .

Vortragsreise nach München

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halb Jahre gedulden. Der interessanteste Mann, der zu mir kam, war Todt, der mir sein großes, wirklich geniales Straßenbauprogramm entwickelte und mich bat, ich möge verhindern, daß sich Österreich auf andere als die seine Lösung festlege. Er trug mir auch Pläne für eine Finanzierung einer Reichsautobahn Salzburg-Wien vor, wobei er daran dachte, die Emigrantenlegion zur Arbeit einzusetzen. [ . . . ] Die Reichsautobahnen, wie schon bemerkt, ein wirklich geniales Werk, gehörten mit in den verworrenen Charakter der Zeit. Sie standen, wie bei der Kostbarkeit des Benzins nicht verwunderlich, bald nach Kriegsausbruch still und mußten getarnt werden, um feindlichen Fliegern nicht als Richtlinie zu dienen. Die Milliarden, die sie kosteten, wären dem Ausbau der Eisenbahnen und dem Binnenwassernetz sehr zugute gekommen. Die Autobahnen ließen sich, da Hitler ja doch mit dem Kriege als einer unvermeidlichen Angelegenheit rechnete, nicht rechtfertigen. Mit dem berühmten „Vaterländer" Hofrat Pronay 6 1 ) des österreichischen K o n sulates kehrte ich auf der schon leicht mit Schnee bedeckten Autobahn nach Salzburg und von dort allein nach Wien zurück. Ich war mit meiner Münchener Reise und speziell mit dem Ergebnis meiner Vorträge, mit denen ich auch dem österreichischen Gedanken gedient zu haben hoffte, recht zufrieden. Dennoch gab es einige Nachspiele. Das Lustigste war, daß sich einige Bayern gekränkt fühlten, weil ich Hitler gleich Derfflinger und Gneisenau für Oberösterreich reklamiert hatte 6 2 ). Sie meinten, das Innviertel mit Braunau sei erst 1779 zu Österreich gekommen, Hitler also nur zufällig in Österreich geboren. Ich konnte lächelnd erwidern, daß, wenn das Innviertel bei Bayern geblieben wäre, eben auch der k. k. Zollbeamte Hitler, der Vater des Führers, nicht nach Braunau versetzt, sondern höchstens bis Lambach gekommen wäre. Schwieriger schon war es, daß ich - wie ich erst nach Wochen durch den Wiener Gesandten Salata erfuhr - durch meinen Vortrag über die österreichische Armee auch wieder den Groll der Italiener und im besonderen sogar Mussolinis erregt hatte 6 3 ). Den Anlaß begriff ich wirklich nicht. Ich wußte im voraus, daß sich bei die-

6 1 ) Stefan v. Prönay de T ö t h - P r o n a et Blatnicza (Trautenau, B ö h m e n , 2 - 1 0 . 1 8 8 1 bis ?), 1902 ins k . u . k . Ministerium des Äußern, Rechnungsrat, 1915 zum Rechnungsdepartement, 20. 6. 1922 Vorstand der Rechnungsabt. B M . f. Ä . , 1923 Regierungsrat, um 1925 H o f r a t , 1 . 8 . 1 9 3 4 dem Generalkonsulat in München zugeteilt.

« ) G e o r g F r h . v. Derfflinger (Neuhofen bei L i n z , 20. 3. 1609 bis 1 4 . 2 . 1 6 9 5 , G u s o w ) , Derfflinger stammt aus einem begüterten Protestantischen Bauerngeschlecht vom H o f Alhaming in N ö , dient von der Muskete auf, zunächst unter T h u m in böhmisch-ständischen Diensten, dann als Hauptmann 1632 im schwedischen, ab 1654 in brandenburgischen Diensten, zuletzt G F M . Entschied als Reiterführer die Schlachten von Warschau (1656) und Fehrbellin (1675). D i e A b k u n f t des preuß. G F M . August Wilhelm A n t o n G r a f Neidhardt v. Gneisenau, geb. 2 7 . 1 0 . 1 7 6 0 in Schildau bei T o r g a u , „ v o n einer Adelsfamilie in U l m oder Schloß Gneisenau in O b e r ö s t e r r e i c h " ist nicht zu beweisen ( N D B . , 6. B d . , 484). Beide Persönlichkeiten wurden während der N S - Z e i t in publizistischen Organen für Oberösterreich oftmals in Anspruch genommen. 6 3 ) U b e r eine damalige Intervention Italiens konnte nichts festgestellt werden. Vgl. jedoch NPA., Kart. 4 9 1 , Liasse Glaise-Horstenau, Amtserinnerung (Hornbostels ?) v. 1 5 . 1 2 . 1 9 3 6 über eine Mitteilung des kgl. ung. Gesandten R u d n a y , die ungarische Regierung „sei darüber b e f r e m d e t " , daß Glaise-

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sem Vortrag der Münchener italienische Generalkonsul als eifriger Zuhörer eingefunden hatte, war aber gerade deshalb besonders vorsichtig und ging sogar so weit, nach Erwähnung der zwölften Isonzoschlacht die Wiedererstarkung des italienischen Heeres t esonders hervorzuheben - obwohl es gar nicht in meine Ausführungen hineinpaßte. Dennoch war, wie mir Salata sagte, Mussolini auf Grund der Konsulatsberichte so bös auf mich, daß er einige für Österreich bestimmte R ü stungszüge auf dem Brenner Halt machen ließ! Ich gab Salata meinen Vortrag samt der Italien gewidmeten Ergänzung-zum Lesen und er bestätigte mir nachher: „Sie haben wirklich recht, wenn Sie sagen, daß Sie nur mehr Themen aus der Zeit vor tausend Jahren wählen können. Ich weiß auch nicht, was an Ihrem Münchener Vortrag schlecht ist." Immerhin kamen wir überein, daß ich Salata einen Brief schrieb, der entsprechende Elogen über die unvergleichliche Tapferkeit des italienischen Heeres enthielt. Ich schäme mich heute, ein derartiges sacrificium intellectus dargebracht zu haben; aber es mußte sein! Ich möchte hier gleich noch ein Wort über meine Beziehungen mit Francesco Salata einschalten. Sie waren während meiner Ministerschaft recht gut. Von der Stoßkraft des Dritten Reiches hatte Salata allerdings keine rechte Vorstellung. Ihm schien das Regime Schuschniggs etwas für die Ewigkeit Bestimmtes zu sein. Eine ganz furchtbare Seeschlange wurde aus den Münchener Vorträgen durch eine äußerst heftige Campagne der Monarchisten gegen mich, wobei sich der greise Generaloberst Freiherr, seit November 1918 Graf, Dankl von Krasnik als unermüdlicher Rufer im Streite erwies. Ich stand seinerzeit als Brigadegeneralstabsoffizier in Salzburg unter Dankls Korpskommando, Dankl hat als junger Leutnant der Sachsendragoner wohl auch meinen Vater durch gemeinsame Garnison in Salzburg gekannt. Im Kriege war ich, Dezember 1914, einige Tage in Benzin (Südostpolen) bei Dankls Armeekommando. Es war eine entsetzliche Behörde, nur gemildert durch die Anwesenheit meiner alten Freunde Hoditz und Ruef. Dankl, offenbar an Basedow leidend, bekam, wenn er Trains sah, mochten sie in Ordnung sein oder nicht, solche Tobsuchtsanfälle, daß man für seine Gesundheit fürchtete und ihn immer abseits der befahrenen Straßen einquartierte. Nach dem Kriege lebte ich zunächst in einem ganz annehmbaren Verhältnis zu ihm. Seine Kampfstellung ging an, als ich zum ersten Wiedersehensfest des Edelweißkorps neben ihm und andere alte Führer der Armee für eine Festnummer der von mir geleiteten Wehrzeitung auch Hindenburg und Ludendorff und überdies den österreichischen Heeresminister Vaugoin zu Beiträgen einlud 6 4 ). Ludendorffs Beitrag war, wie gewöhnlich, etwas überheblich, auch ich war nicht entzückt über ihn. Dagegen verstand ich den unerhörten Gefühlserguß nicht, den Dankl in einem langen, eigenhändig geschrie-

Horstenau im Vortrag über Ungarn und die ungarischen Streitkräfte des Weltkrieges unfreundliche Ä u ßerungen getan habe - laut einem Bericht des ungarischen Generalkonsuls in M ü n c h e n , „ d e r gleichzeitig berichtet habe, daß auch der italienische Genralkonsul wegen analoger Äußerungen . . . über Italien an seine Regierung berichtet h a b e " . H o r n b o s t e l erklärte - auch aufgrund der ausführlichen Pressemeldungen — all dies als unwahrscheinlich. M

) Festnummer „ U n t e r dem E d e l w e i ß " , Ö W Z . v. 1 8 . 5 . 1 9 2 3 .

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benen Briefe gegen das in Vaugoins Beitrag ausgedrückte Bestreben losließ, das Bundesheer mit der Fortführung der altösterreichischen Tradition zu betrauen. Die altösterreichische Soldatenüberlieferung, erörterte Dankl, sänke mit dem letzten altösterreichischen Soldaten ins Grab. Der Gute hat später seine Auffassung von Grund auf geändert. Der nächste Streitpunkt ergab sich aus einem anonymen Artikel zum Zehnjahresgedenken von Karfreit-Tolmein in der Wehrzeitung, in welchem ich die Kampfgemeinschaft aller deutschen Stämme hervorhob. Dankl griff die Wehrzeitung heftig an, worauf ich mich als Autor bekannte und auf die Notwendigkeit einer Synthese zwischen österreichischer und gesamtdeutscher Uberlieferung hinwies. Dankl lehnte diesen Gedanken in einem übrigens nicht unhöflichen Briefe entschieden ab. Ziemlich schäbig benahm sich der alte Recke, als das Kriegsarchiv ihm - wie allen anderen beteiligten Heerführern - das Manuskript über den Herbstfeldzug 1914 zur Durchsicht übersandte. Er war irgendwie persönlich angerührt, da er vor Iwangorod kommandierte, jedoch vor allem empört, weil wir die deutsche Führung angeblich zu glimpflich behandelten. Statt jedoch fürs erste uns seine Bedenken mitzuteilen, zeigte er das Kriegsarchiv direkt beim Heeresminister Vaugoin an. Die Textierung blieb dennoch unverändert. . . . So ging es weiter. Uber den vorübergehenden Versöhnungsversuch Ruefs im Palais Schönburg habe ich andernorts bereits erzählt. Die Herrlichkeit dauerte nur kurze Zeit. Als ich „nationaler" Minister wurde, war dem Faß der Boden ausgestoßen. Keinen geringen Anteil an der Abneigung wider mich hatte bei Dankl seine feindselige Haltung gegen Schönburg, dem er auch verschiedene politische Charakterdefekte vorwarf. Nunmehr kam der Entscheidungskampf im Anschluß an die Münchener Vorträge. Hatte man mir seinerzeit ganz zu Unrecht - das Gegenteil war der Fall: siehe den von mir selbst geschriebenen anonymen Leitartikel in der Wehrzeitung 1. 5. 193 6 65 ) - vorgeworfen, ich hätte bei meinem Berliner Festvortrage zu Ehren des Prinzen Eugen aus dem großen Savoyer einen nationalsozialistischen Helden gemacht, so las man jetzt aus den wirklich nicht sehr gelungenen Referaten der Presse auch etwas heraus, was ich nie getan hatte: daß ich nämlich die Weltkriegsleistungen der nichtdeutschen Völker Altösterreichs bagatellisiert hätte. Neben Dankl stellte sich Weihs-Tihanyi-Mainprugg 66 ), Feldmarschalleutnant der Ruhe in Baden, der jüdische Oberst Schrenzel 67 ) und ein Linzer Schulmeister namens Messenböck 68 ) in die vorderste Reihe der Kämpfer. Messenböck, seines Zeichens Reserveoffizier, mußte ich zu einer „ritterlichen" Austragung zwingen. Weiß-Tihanyis und Schrenzeis „Ich muß schon bitten", wie sich ihre Weherufe gegen mich

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) Von bes. Seite, Nachklänge zur Prinz-Eugen-Feier, in: Ö W Z . v. 1 . 5 . 1 9 3 6 , 1 f. ) Franz R. Weihs-Tihanyi-Mainprugg, Ich m u ß schon bitten!, in: D e r Österreicher, N r . 51 v. 18.12.1936, l f . 6T ) d a z u : O b e r s t d. R. Sigismund v. Schrenzel, e b d t . , N r . 52 v. 2 4 . 1 2 . 1 9 3 6 , 2. 6S ) dazu: H u b e r t Messenböck, k. u. k. O b l t . d. R. IR. 61, ebdt. Weitere Zuschriften v. Berthold Dietrich, ebdt., N r . 1 v. 8 . 1 . 1 9 3 7 , 3 f . ; v. Karl Rodler, ebdt., N r . 1 v. 8 . 1 . 1 9 3 7 , 4; v. Ferdinand Porno v. Weyerthal, O b s t . d . R . , N r . 2 v. 15.1.1937,3. 66

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im „Österreicher", dem Legitimistenblatte, betitelten, ließen mich kalt. Besonders vermied ich es, hier, wie immer, wenn Zeitungen gegen mich etwas hatten, mich einer Konfiskationspraxis zu bedienen, die mir vielleicht, ich sage in meiner besonderen Lage „vielleicht", als Regierungsmitglied zur Verfügung gestanden wäre. Dankls Aufsätze im „Österreicher" riefen auch in der reichsdeutschen Presse eine von mir übrigens gar nicht erbetene Schützenhilfe auf. Sie veranlaßten den alten giftgeschwollenen Herren zu ebenso ungeschickten wie aus der Luft gegriffenen Anklagen gegen mich und auch das Kriegsarchiv, das er geradezu der Preisgabe von Geheimakten bezichtigte, deren Inhalt (es handelte sich um den Verrat des I R . 28 im Karpathenwinter) jedem Kenner der Kriegsliteratur längst bekannt war 6 9 ). Ich entschloß mich nun, an Dankl einen ebenso scharfen, wie hieb- und stichfesten Brief per ,,,Sie', Exzellenz" zu schreiben, dessen Durchschläge ich an zehn prominente Generäle, darunter auch den Feldmarschall Erzherzog Eugen - dazu überdies den Herzog Max von Hohenberg - , sandte 7 0 ). Außerdem umriß ich in einem zusammenfassenden Artikel doch noch einmal meinen Standpunkt in der Frage der Kriegsleistungen der österreichischen Nationen genau, wobei ich mich ausschließlich auf Zitate aus meinen unterschiedlichen Büchern und Aufsätzen stützen konnte. Als „nationaler" Minister mußte ich mich hierbei der Plattform der Wiener Neuesten Nachrichten bedienen 7 1 ). Ich müßte leugnen, wenn ich sagen wollte, daß gerade diese politisch-publizistischen Kämpfe mich besonders freuten. Es war eben doch eine andere Welt, in die mich die hohe Politik hineingerissen hatte, und die Zwiespältigkeit meiner seelischen Einstellung kam mir täglich zum Bewußtsein. Zumal daß ich gegenüber alte Kameraden in Gegensatz geriet, schmerzte mich irgendwie trotz der Verbohrtheit, die diese bei allen Gelegenheiten zeigten. Auch die Trennung von meinem alten Freunde Wiesner war in den paar Monaten meiner Ministerschaft eine vollständige geworden. Wiesners Vater 7 2 ) war der berühmte jüdische Biologe, er selbst machte aber lieber Gebrauch von der mütterlichen Abstammung aus der Familie des hl. Clemens Maria Hofbauer 7 3 ). Er war vor dem ersten Weltkriege zuerst Staatsanwalt und kam dann als juristischer Berater ins Ministerium des Äußeren, wo er 6 9 ) V. Dankl, Mehr Klarheit und Wahrheit, in: Der Österreicher, N r . 1 v. 8 . 1 . 1 9 3 7 , 3 ; N r . 6 v. 1 2 . 2 . 1 9 3 7 , 5 ; N r . 8 v. 2 6 . 2 . 1 9 3 7 , 3 f . ; in N r . 6 wandte sich Dankl gegen einen Artikel: F . J . , Dankl oder Glaise-Horstenau, in: Münchner Neueste Nachrichten v. 1 7 . 1 . 1 9 3 7 . Aufgrund der im Text erwähnten aber irn Original nicht erhalten gebliebenen Gegenäußerungen Glaise-Horstenaus veröffentlichte Dankl einen „Offenen Brief" in: Der Österreich, N r . 10 v. 1 2 . 3 . 1 9 3 7 , 3, der die Kontroverse beenden sollte. 7 0 ) B G H . , Varia, Kart. 2 7 : Zuschrift Alexander Prinz Schönburg an Glaise-Horstenau, Hartenstein, 1 . 2 . 1 9 3 7 , mit der Kopie eines Schreibens an Dankl, 3 1 . 1 . 1 9 3 7 , das Glaise scharf verteidigt; vgl. ferner B G H . 1 9 4 9 / 3 7 : Zuschrift des ehem. k . k . Landesverteidigungsministers Czapp v. Birkenstätten, Wien, 1 2 . 3 . 1 9 3 7 , der seine Vermittlung anbietet. 7 1 ) Der österreichische Soldat im deutschen Schicksal. Zugleich ein W o r t an freundliche Kritiker, in: Wiener Neueste Nachrichten v. 2 5 . 1 2 . 1 9 3 6 , 3. " ) Julius R. v. Wiesner (Tschechen bei Wischau, Mähren, 2 0 . 1 . 1 8 3 8 bis 9 . 1 0 . 1 9 1 6 , Wien), D r . phil., Biologe, Pflanzenforscher, Universitätsprofessor, H o f r a t ; 6 . 1 0 . 1 9 0 9 Ritterstand. 7 3 ) Anna, geb. Skrabl (Oblas bei Klosterbruck, Mähren, 1 . 1 1 . 1 8 4 8 bis 1935, ?); Clemens Maria Hofbauer (Taßwitz bei Znaim, 2 6 . 1 2 . 1 7 5 1 bis 1 5 . 3 . 1 8 2 0 , Wien), Bäckerlehrling in Znaim, Universi-

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bei den Erhebungen über das Sarajewoer Attentat keine ganz glückliche Rolle spielte. Im Kriege wurde er dem Vertreter seines Ministeriums beim Armeeoberkommando (zuerst Giesl, dann T h u m ) als der eigentliche Macher zugeteilt. Er beging dabei den Fehler, statt der Diplomaten-Felduniform das Kleid eines Kaiserschützenreserveoberleutnants anzuziehen, dessen Gockelhahn-Kappenschmuck dem kleinen unscheinbaren Manne einerseits ein etwas komisches Aussehen verlieh, und das andrerseits die „Herreninstinkte" verschiedener Hauptleute und Oberste gegenüber dem verkleideten Vertreter des Außenministeriums herausforderte, diesem geeignetenfalls zuzurufen: „Stehen Sie habt-acht, Herr Oberleutnant!" Als ich zum Armeeoberkommando kam, erkannte ich sehr bald die Klugheit „Uzlschidos", wie man ihn in Anlehnung an einen Geheimkodex nannte, und auch die Einflußmöglichkeiten, die sich aus einem guten Verhältnis zu ihm ergaben. So war ich bald der einzige Generalstabsoffizier, der ihn ernst nahm, und wir „ z o g e n " mancherlei im Interesse der Kriegsführung zusammen „ d u r c h " , wie man heutzutage sagen würde. Als Wiesner dann im Frühjahr 1917 unter Czernin Pressechef wurde, bediente ich ihn mit Nachrichten, den einzigen ernsten, die das Außenministerium erhielt, und trug so wesentlich bei, daß er alsbald die rechte Hand Czernins wurde, der ihn allerdings auch weiterhin nach seiner Gewohnheit hundsmiserabel behandelte. Wiesner revanchierte sich bei mir. Ihm verdanke ich beispielsweise, daß mich Czernin für die Verhandlungen von Brest-Litowsk anforderte (damals schon wegen meiner guten Beziehungen zur deutschen Armee). Auch nach dem Kriege blieben Wiesner und ich Freunde, was mir speziell bei Seipel zustatten kam. Erst 1933 trennten sich unsere Wege und nun, da ich Minister wurde, ging es schon ganz auseinander. Wiesner, ein äußerst scharfer Denker, der in der Politik der Kampfzeit allerdings, von der, wie schon öfter auseinandergesetzt, ganz falschen Premisse ausging, die Großmächte würden die österreichische Selbständigkeit stützen und den habsburgischen Legitimismus ernsthaft fördern, verfolgte während meiner Ministerschaft jeden Schritt, den ich tat, mit Argusaugen, und auch meinen Versuch, im Jahre 1937 den Tod seiner greisen Mutter zur Wiederherstellung eines menschlichen Verhältnisses zu benützen, scheiterte an seinem Starrkopf und seinem fanatischen Haß gegen alles, was aus Deutschland kam. Selbstverständlich spielte hierbei auch seine jüdische Abstammung hinein. Schuschnigg, zu dem übrigens Wiesner immer Zustritt hatte, verfolgte mein Ringen mit den radikalen Legitimisten, wie ich glaube, nicht ohne Schadenfreude. Er selbst war durch und durch Legitimist und hatte auch seine Beziehungen zum Kronprätendenten, wobei ihm Guido Schmidt zweimal, ohne einem seiner Ministerkollegen etwas zu verraten, als Verbindungsoffizier gedient hat 7 4 ), was diesen nicht hinderte, gleichzeitig Waidmann zu werden, um sich auch bei Hermann eintätsstudium, 1785 Priesterweihe, Eintritt in den Redemptoristenorden, 1788 Generalvikar des Ordens diesseits der Alpen, wirkte in Warschau, ab 1808 in Wien. Mittelpunkt und Seelenführer eines Romantikerkreises, Prediger, Gegner der Versuche, eine deutsche Nationalkirche zu gründen, 1888 selig gesprochen, 1909 Schutzpatron von Wien. 7 4 ) Diese Angabe ist insofern unrichtig oder ungenau, als Schmidt den Bundeskanzler nur bei den letzten beiden seiner vier Zusammentreffen mit D r . O t t o v. Habsburg begleitete. Diese Treffen fanden

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z u s c h m e i c h e l n 7 5 ) . Später v o n mir befragt, wie ihm der T h r o n p r ä t e n d e n t gefallen habe, äußerte sich S c h m i d t äußerst abträglich ü b e r ihn. „ J a g d " verdirbt den C h a rakter der Politiker, sagte Hitler einmal z u m i r ; bei S c h m i d t war das nicht mehr bes o n d e r s nötig. W a s S c h u s c h n i g g anlangt, s o w a r sein L e g i t i m i s m u s allerdings v o n der romantischen A r t meines S a l z b u r g e r F r e u n d e s R o b e r t P o h l 7 6 ) ; er w a r v e r k n ü p f t mit T r ä u m e n v o n der W i e d e r e r w e c k u n g eines H e i l i g e n R ö m i s c h e n Reiches D e u t scher N a t i o n u n d selbstverständlich auch mit der katholischen Ideenwelt, der Schus c h n i g g als ehemaliger Feldkircher treu anhing, o h n e deshalb i m m e r an den politisierenden K a p l ä n e n F r e u d e zu haben. E i n m a l , k n a p p v o r Weihnachten, überraschte mich S c h u s c h n i g g mit einer f ü r ihn b e s o n d e r s charakteristischen Idee. E r habe die Synthese zwischen G e s a m t d e u t s c h t u m und L e g i t i m i s m u s g e f u n d e n u n d seinen Plan auch s c h o n Papen mitgeteilt, der seinerseits bereits nach Berlin gereist sei. Ö s t e r r e i c h m ü s s e außenpolitisch und wirtschaftlich völlig mit D e u t s c h l a n d v e r s c h m o l z e n w e r d e n ; auch das B u n d e s h e e r wäre d e m deutschen G e n e r a l s t a b z u unterstellen. D a f ü r wäre O t t o von H a b s b u r g nach Ö s t e r r e i c h z u r ü c k z u r u f e n . E r w ü r d e gleichfalls unter Hitler treten, aber B ü r g e f ü r eine eigenpersönliche innere E n t w i c k l u n g Ö s t e r r e i c h s sein. Ich meinte, daß Hitler f ü r die Wiederkehr eines H a b s b u r g e r s auch in dieser F o r m nie und n i m m e r zu haben sein w e r d e , fragte aber, o b der K a n z l e r wenigstens die W o h l m e i n u n g des jungen H e r r n eingeholt habe. A u f sein N e i n meinte ich, daß eine solche R o l l e kein H a b s b u r g e r , der etwas auf sich halte, nach der r u h m v o l l e n Vergangenheit des G e schlechtes ü b e r n e h m e n k ö n n e . Beinahe b ö s e antwortete S c h u s c h n i g g : , , W a r u m am 15. 5.1934 in Paris, am 9 . 9 . 1 9 3 5 in Mühlhausen im Elsaß, am 13./14. 8.1936 in Genf in der Villa des öst. Gesandten beim Völkerbund, des ehemaligen k . u . k . Generalstabsoffiziers Emmerich v. Pflügl und am 7 . 1 . 1 9 3 7 im Kloster Einsiedeln statt. Vgl. E. Vasari, 182f. u. 192f.; Mosser, 198f., 201 ff., 211 ff. Schmidt traf Dr. O t t o v. Habsburg allein am 2 3 . 9 . 1 9 3 6 in der Schweiz; vgl. Mosser, 240. 7 5 ) Schmidt führte anläßlich eines offiziellen Besuches in Berlin vom 19. bis 2 1 . 1 1 . 1 9 3 6 mit Hitler, Blomberg, Neurath und Göring Besprechungen (Eichstädt, 143-146). Anfang September 1937 reiste Schmidt dann überraschend zu einer Unterredung mit Göring nach Berlin (Eichstädt, 199). U n d vom 4. bis 6. 11.1937 fanden anläßlich eines inoffiziellen Aufenthalts Schmidts in Berlin und Karinhall drei U n terredungen des öst. Staatssekretärs mit Göring statt (Eichstädt, 207, 210f.). Der ehemalige öst. Militärattache in Berlin, G M . Ing. Anton Pohl, hatte schon anläßlich des Schmidt-Prozesses geschildert, daß er im Jänner 1938 in der N ä h e von Karinhall Schmidt und Göring gemeinsam gesehen habe (Schmidt-Prozeß, 125 f.), was Schmidt jedoch als Mißverständnis bezeichnete und bestritt. In einer Unterredung mit dem Herausgeber am 2 . 2 . 1 9 7 9 wiederholte G M . a . D . Ing. Pohl seine Aussage und erklärte auch, daß der Portier der Gesandtschaft Schmidt ein weiteres Mal erkannt hätte. Auch Gesandter Tauschitz, der mit dem Ehepaar Pohl gemeinsam Schmidt erkannt hatte, habe sich noch vor dem Prozeß in dieser Hinsicht geäußert, dies aber dann bei der Gegenüberstellung geleugnet. Vgl. auch ein Erinnerungsmanuskript von Marianne Pohl: „ W a r es ein T r a u m ? " ( K A . , B/1020 nr. 4). 7 6 ) Robert R. v. Pohl (Wien, 8 . 2 . 1 8 7 6 bis 2 4 . 1 2 . 1 9 4 7 , Salzburg), 18.8.1896 aus der Milak, als Lt. zu IR. 102, ab 1.11.1906 im Generalstabskorps, 18.12.1911 Flügeladjutant des Chefs d. Genstabs., 1 . 5 . 1 9 1 2 Mjr. i . G . , 2 1 . 1 2 . 1 9 1 2 Genstabschef 29. I T D . , im Weltkrieg Genstabschef div. K o r p s , 1 . 5 . 1 9 1 7 O b s t . , 15.9.1918 Kmdt. SchR. 9, 1.11.1922 Ruhestand, 7 . 1 . 1 9 2 3 G M . , sodann publizistisch und in der legitimistischen Bewegung tätig. Laut frdl. Auskunft von Herrn Gustav Weihs-Mainprugg v. 18.1.1976 war Pohl seit einer Zusammenkunft im Februar 1938 zwischen Zehner, Jansa und F M L . d. R. Weihs-Tihany-Mainprugg als Kommandant der Frontmilizeinheiten und von Freiwilligeneinheiten bei einem Kampf gegen eindringende deutsche Truppen vorgesehen.

Erzherzog Otto als Reichsstatthalter?

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nicht!" Und erinnerte an die verschiedenen Kaisergeschlechter, die in der Vergangenheit in den Fürsten- und Grafenstand zurückgesunken seien. Die Sache kam natürlich, wie ich voraussagte. Hitler nahm die Vorschläge beinahe mit Begeisterung entgegen und trug Schuschnigg die lebenslängliche Bundespräsidentenschaft und dergleichen an; nur über die Habsburgerfrage ließ er nicht mit sich reden. Ich verifizierte später Schuschniggs Angaben bei Papen und dann auch, am 19. April 1937, beim Führer selbst. Dieser erklärte dezidiert, eine Restauration in Österreich käme für ihn auf keinen Fall, auch im Sinne Schuschniggs nicht, in Betracht: „ D e r junge Herr soll es nur versuchen. Ich würde sofort einrükken und ihn binnen 24 Stunden vertreiben. Und das Chaos in Österreich wäre so groß, daß mich die anderen Mächte, falls ich wieder abrücken sollte, bitten würden zu bleiben!" Schuschnigg kam auf die Angelegenheit mir gegenüber nicht mehr zurück. Dagegen führte der „Ball in der B u r g " anfangs Februar zu neuen Gesprächen mit Schuschnigg über den Legitimismus. Der Ball in der Burg war die große legitimistische Faschingsveranstaltung der Saison. Im Ehrenkomitee war fast die ganze Regierung vertreten. Nur Taucher, Neustädter und ich fehlten. Wir waren gar nicht aufgefordert worden. Das Ehrenprotektorat hatten Erzherzog Anton 7 7 ) und Prinzessin J u liana 7 8 ). Der Umschlag der Balleinladung war schwarz-gelb und trug den Kaiseradler, ein an sich gewiß sympathisches Abzeichen. Alles war aber für eine soi-disant Republik doch seltsam und ich sagte irgendwann gesprächsweise zu Schuschnigg: „Weißt D u , eigentlich dürfte sich niemand wundern, wenn der junge Herr, sobald er diese Einladung mit dem Ehrenkomitee der ganzen Regierung samt dem Regierungschef zu Gesicht bekäme, sich in ein Flugzeug setzen und zwei Stunden später in Aspern landen würde, wohin er die Regierung befehlen könnte." Schuschnigg war ganz böse: „ D a würde ich schon wissen, was ich machen würde!" Er meinte offenbar, daß er O t t o zurückzuschicken versuchen würde. Immerhin ließ er der monarchistischen Bewegung nach wie vor freien Lauf, wobei er höchstens ab und zu durch die Erklärung bremsend wirkte, daß die Restauration zwar ausschließlich eine innenpolitische Frage Österreichs, aber in absehbarer Zeit nicht aktuell sei oder daß er im Gegensatz zur streng legitimistischen Auffassung Wiesners als Vorbedingung einer Restauration eine Volksabstimmung, allerdings nur im Rahmen der V F . , vorsah. Immer und überall Zwiespältigkeit. Der Legitimismus kam bei seiner Propaganda auf die seltsamsten Mittel. Besonders beliebt waren die Ehrenprotektorate des „Kaisers O t t o " . Zahlreiche kleinere Städte, Märkte und Dörfer baten in ganz Österreich - nur die demokratischen Vorarlberger ließen den Unfug nicht zu - den Prätendenten, die Ehrenbürgerschaft anzunehmen, zahlreiche Krieger- und Veteranenvereine wurden durch das Ehrenprotektorat ausgezeichnet. Jedesmal war dieser Vorgang mit einem feierlichen Akt ver7 7 ) Erzherzog Anton (geb. W i e n , 2 0 . 3 . 1 9 0 1 ) , Sohn des Erzherzogs Karl Salvator, Haus Toscana, und der Immakulata, geb. Prinzessin beider Sizilien. 2 6 . 7 . 1 9 3 1 vermählt mit Ileana, geb. Prinzessin v. Rumänien, T o c h t e r Kg. Ferdinands I . , 1954 geschieden. 78

) Prinzessin Juliana (geb. 3 0 . 4 . 1 9 0 9 im Haag), 1 9 4 8 - 1 9 8 0 Königin der Niederlande.

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bunden, der in der Verlesung eines „kaiserlichen Handschreibens" gipfelte. Bei allen irgendwie bedeutenderen Anlässen dieser Art mußte der arme Feldmarschall Erzherzog Eugen, der feinste Prinz des kaiserlichen Hauses, auf Diktat Wiesners seinen Federbusch aufsetzen, ausrücken und die meist recht hochtrabenden Zeilen verlesen. In den Akten der Militärkanzlei liegt ein Verhandlungsgegenstand über eine etwaige Ehrenbürgerverleihung der Stadt Linz an den Erzherzog Johann (später Johann Orth). Der Kaiser hatte entschieden, daß kein Mitglied seines Hauses Ehrenbürgerschaften annehmen dürfe 79 ). Nunmehr wurden solche doch dem Prätendenten verliehen, wobei Wiesner von dem Gedanken ausging, daß sie, wenn man hinter jedem Ehrenbürgerrecht die Einwohnerschaft addierte, etwas wie eine Volksabstimmung werden konnte. Natürlich war dies ein Trugschluß. Dennoch erhielt man noch knapp vor dem Anschluß die Zahl der Ehrenbürgergemeinden vorgerechnet und es ergab sich unter den 3000 österreichischen Gemeinden eine ziemlich große Summe. Allerdings fehlten überall die größten Gemeinden. Ein Kapitel für sich waren die Protektorate bei den Kameradschaftsvereinen. Diese waren vielfach noch mitten in den Wehen des Umsturzes nach 1918 entstanden. Die Erinnerung an das gemeinsame Kriegserleben hatte Anhänger aller möglichen politischen Richtungen in ihnen vereinigt. Das war namentlich gegenüber den proletarischen Mitgliedern von größtem politischen Nutzen, denn es bot sich eine konservative Einflußmöglichkeit, ohne daß die Betroffenen es wahrnahmen. Ich trat daher immer dafür ein, alle politischen Fragen von diesen Vereinigungen fernzuhalten und kam damit frühzeitig zu Dankl in Gegensatz, der es glücklich erreichte, daß sich neben dem Kaiserjägerbund, der Offiziere und Mannschaften umfaßte, ein streng legitimistischer Altkaiserjägerklub auftat. Nunmehr trug die Frage der Ehrenprotektorate diesen Zwiespalt in zahlreiche Kameradschaftsbünde, am Schlüsse sogar in den Verein Alt-Neustadt, wo der Judenstämmling Generalmajor Heller 80 ), sonst ein recht netter Mensch, unbedingt das Ehrenprotektorat durchsetzen wollte. Schließlich kam es zu einer Sezession Hellers mit zwei Dutzend Kameraden, die später wieder zum erheblichen Teile zurückfanden. Mit all diesen Dingen ist viel kostbares Porzellan zerschlagen worden, obgleich es sicher war, daß im 79 ) Uber Johann O r t h vgl. Memoiren 1. Bd., S. 88, Anm. 86. Nachdem Erzherzog Johann Salvator mit 21.9.1887 vom Kdo. der 3. ITD. enthoben worden war, gab es Zeitungsberichte, die bereits Dankschreiben des Erzherzogs aus Southampton an den Bürgermeister von Linz bezüglich der Ernennung des Erzherzogs zum Ehrenbürger publizierten. Franz Joseph I. befahl daraufhin eigenhändig die Vorlage des Entwurfs eines Handschreibens, „worin dem Erzherzog die Annahme der Ehrenbürgerschaft . . . als mit der Stellung eines Mitgliedes der Dynastie unvereinbar, untersagt wird". Der diesbezügliche Entwurf, Eisenerz, 11.10.1887, wurde in leicht korrigierter Form expediert. Vgl. MKSM. 1887:70-1/39-2. eo ) Wolfgang Heller (Wien, 25.10.1870 bis 23.9.1951, Wien), 18.8.1893 aus der Milak. als Lt. zu IR. 18, Genstabslaufbahn, 1.2.1915 Obst. u. Militärattache in Teheran, 1916 von Kosaken entführt, 1918 aus Rußland geflohen, 2.5.1918 Kmdt. des bosnisch-herzegowinischen IR. 2, 1918/19 ital. Kriegsgefangenschaft, 1.9.1919 Ruhestand, 9.10.1919 bis 13.12.1921 Vorsitzender der Kommission zur nachträglichen Erledigung der Belohnungsanträge ( = sogen. Heller-Kommission), 26.11.1921 GM., 1935 Brigadekmdt. im Wiener Heimatschutz, 1936-1938 Kreismilizkmdt. d. Frontmiliz Wien-Ost, führendes Mitglied der legitimistischen Dachorganisation „Eiserner Ring", 5.1.1940 bis 7.7.1940 Schutzhaft. Sein Schriftennachlaß im KA., sign. B/92.

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„Ernstfalle" aus keiner Kameradschaftsvereinigung ein Gömbös hervorgegangen wäre. Seltsamerweise hatte ich selbst trotz dieser vielfältigen Zwischenfälle vorübergehende Beziehungen mit Steenokkerzeel. Eine wurde durch den berühmten Professor Pater W. Schmidt hergestellt, der mir einmal die Botschaft brachte, ich möge im Kabinett bleiben. Später änderte sich die Lage und ich wurde zu einer ausgesprochenen Persona ingrata. Wenn ich schon von geistlichen Beziehungen rede, so möchte ich vor allem Kardinal Innitzer erwähnen, bei dem ich einigemale war. Innitzer war Deutschböhme, jenseits des Baches, an dem er als Sohn armer Eltern geboren wurde, dehnte sich bereits Sachsen aus. Er war ursprünglich ein durchaus nationaler Priester gewesen und nannte sich auch in R o m einen „deutschen" Bischof. Sein erstes öffentliches Auftreten als Kardinal hatte bei einer Gedenkfeier der Katholischen Akademikergemeinschaft, deren Präsident ich damals war, im schönen Saale des Kriegsarchivs stattgefunden; ich begrüßte ihn als des Deutschen Reiches Fürsten. Kienböck und Schmitz 8 1 ) hielten den Gedenkvortrag über Seipel, der einige Wochen zuvor gestorben war. Nunmehr, als Minister, redete ich Innitzer öfter zu, er möge seine Geistlichen stärker aus der Politik herausziehen. Ich hielt es auch aus dem Blickfeld der Kirche für äußerst unzweckmäßig, daß die Kapläne auf dem Land bei der allgemeinen Stimmung ihre Hauptaufgabe in der Propaganda für die V F . und im Verzünden der Nazis an die Polizei sahen. Innitzer gab mir recht, aber es änderte sich nichts. Als meine Mutter im Lainzer Spital lag, hatte der Kardinal die Güte, sie aufzusuchen und ihr den Segen zu erteilen. Sie vermochte die Situation nicht mehr ganz aufzunehmen. Damals war auch Bischof Hefter 8 2 ) im Lainzer Spital zu Besuch gewesen. Auch er erschien im Krankenzimmer meiner Mutter. Nachher gingen wir lange auf dem Gange auf und ab und beredeten die schwierige politische Lage. Leider hat man ihm nach der „Machtergreifung" seinen guten Willen nur schlecht gelohnt - trotz eines sehr freundlichen Empfanges durch Adolf Hitler. Einmal kam im Winter 36/37 auch der streitbare Linzer Bischof Gföllner zu mir ins Büro einen Dankbesuch abstatten. Ich war bei meiner ersten Linzer Reise, Juli 1936, bei ihm gewesen. Damals hatte ihn die freigeistige Richtung in der Heimwehr sehr geärgert. Nunmehr war er auf unsere nationalen Versuche sehr schlecht zu sprechen. „ D e r 11. Juli ist ein schweres Unglü-ck", sagte er und finstere Augen starrten aus seinem roten Gesicht. 8 1 ) Richard Schmitz (Wien, 1 4 . 1 2 . 1 8 8 5 bis 2 7 . 4 . 1 9 5 4 , Wien), christlichsozialer Politiker, D i r e k t o r des katholischen Volksbundes, 3 1 . 5 . 1 9 2 2 bis 2 9 . 1 1 . 1 9 2 4 B M . f. soziale V e r w a l t u n g 2 0 . 1 0 . 1 9 2 6 bis 4 . 5 . 1 9 2 9 B M . f. Unterricht, 3 0 . 9 . 1 9 3 0 bis 4 . 1 2 . 1 9 3 0 Vizekanzler u. B M . f. soiiale Verwaltung,

2 1 . 9 . 1 9 3 3 bis 1 6 . 2 . 1 9 3 4 B M . f. soziale Verwaltung, 1 6 . 2 . 1 9 3 4 bis 1 0 . 7 . 1 9 3 4 B M . ohne Portefeuille, 1 2 . 2 . 1 9 3 4 bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Bundeskommissär bzw. Bürgermeister v. W i e n , K Z - H a f t . Vgl. F . B r a u n , D e r politische Lebensweg des Bürgermeisters Richard Schmitz. Beiträge zur Innenpolitik der Ersten R e p u blik und zur Geschichte der Christlichsozialen Partei, W r . ungedr. Diss. 1968. 8 2 ) Adam H e f t e r (Prien, O b e r b a y e r n , 6 . 1 2 . 1 8 7 1 bis 9 . 1 . 1 9 7 0 , Prien), 2 9 . 1 2 . 1 9 1 4 bis 1939 Fürstbischof von Gurk-Klagenfurt. Mittels einer längeren schriftlichen Darstellung protestierte Hefter gegen die Gewalttaten der SS gegen diözesane Einrichtungen in Kärnten. B G H . 4 2 5 2 / 3 8 .

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Wirkliches Unbehagen empfand ich allerdings, als mich einmal der gleichfalls streitbare Generalsuperintendent von Villach, Heinzelmann 8 3 ), aufsuchte. Bei meiner inneren Abneigung gegen den Protestantismus fühlte ich es wirklich für einen inneren Widerspruch, nun auf einmal als Beschützer der evangelischen Kirche aufgerufen zu werden. Wie ich schon wiederholt in diesen Zeilen bemerkte: Es war eben nicht meine Welt, in die ich mich durch die hohe Politik (und durch meinen Ehrgeiz) gedrängt sah. Recht eindrucksvoll traf mich diese oft gefühlte Erkenntnis, als das alte Kriegspressequartier im Wiener Rathauskeller am 17. Februar 1937 den 70. Geburtstag H o e n s beging. Es war noch die alte buntscheckige Gesellschaft beisammen: Vaterländische, Liberale, Nationale (wenn auch nicht die ganz Radikalen), Christlichsoziale, Juden und so weiter. Auch Roda-Roda hatte sich eingefunden. Mir fiel die Aufgabe zu, die Festansprache zu halten. Sie war besonders deutlich auf Versöhnlichkeit, Zurückstellen politischer Gegensätze im privaten Leben, Toleranz gegenüber anderen Anschauungen etc. abgestellt und hatte gerade bei meiner Position tiefsten Eindruck zurückgelassen. H o e n antwortete bewegt. Er hatte früher bei seinen Reden nie ein gutes Wort für mich gefunden, was so seine Art war, ohne daß er es böse meinte. Diesmal sagte er beiläufig: ,,Glaise befindet sich in einer sehr schweren Lage, aber er ist besonders gescheit und wird auch sie meistern." Er sollte nicht recht behalten. Das selige Kriegspressequartier, das durch mehr als 3 Jahre des ersten Weltkrieges unter meinem Schutz und Schirm stand, war an diesem Abend zum letztenmale zusammengekommen. Die alte Gemeinschaft konnte naturgemäß den 13. März 1938 nicht überdauern. Sie zerstob nach allen Windrichtungen . . . Auch mit dem alten Maxi H o e n , der an Angina pectoris litt, ging es von da an sichtlich bergab. Einmal traf ich ihn vor dem Kriege noch auf dem Semmering. Wolf war dabei. Von dem oft leicht jüdischen Brillantfeuerwerk seines Witzes war kaum mehr eine Spur wahrzunehmen. Als er kurz zuvor erfahren hatte, daß ich mich in der U n i f o r m eines deutschen Generals am Schreibtisch des Kriegsarchivdirektors niedergesetzt hatte, schrieb er mir, nun sei Königgrätz endgültig verloren. Als ich dem O K W zugeteilt wurde, meinte er in einem Briefe skeptisch: , , D u bist also jetzt wieder beim A O K . , hoffentlich geht es besser aus als das erstemal!" D a zwischen konnte er allerdings auch über politische und militärische Erfolge des Dritten Reiches sehr begeistert sein, wie er ja schon 1928 einmal f ü r die Nazis gewählt hatte. Er war eben ein Bohemien durch und durch, von der Mutter her, die ihrem Manne 8 4 ) seinerzeit durch Selbstmord gefolgt war, vielleicht auch jüdischer Blutmischung. D e r Vater war Kurhesse.

83 ) Johannes Heinzelmann (Halberstadt, 15.4.1873 bis 14.1.1946, Linz a.d. Donau), lutherischer Theologe, 1899 Vikar in Görz, 1902-1946 Pfarrer in Villach, 1928 Superintendent der Wiener Diözese, 1934 auch geistlicher Leiter der Gesamtkirche, 1938 dieses Amt niedergelegt. M ) August Hoen (Fulda, 5.9.1835 bis 9.4.1887, Wien), 4.9.1851 als Kadett zu IR. 42, 1859 Oblt., 1864-1867 in kaiserlich-mexikanischen Diensten, 1869 H p t m . , 1.5.1881 Mjr. IR. 4, 1.1.1885 Ruhestand.

Erinnerungen an das Kriegspressequartier

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An einem Septembertag 1940 starb Hoen in einer steirischen Sommerfrische an Gehirnschlag. Seine Frau fuhr sofort nach Wien, um den weißen Generalsgalarock zu holen, in welchem Hoen begraben werden wollte; zum letztenmal hatte er dieses altösterreichische Kleidungsstück bei einem schlaraffischen Ulkfest angehabt. Ganz Hoen. Ich konnte leider nicht zum Begräbnis gehen. Generalleutnant Stümpfl 8 5 ) hielt als Stadtkommandant von Wien eine recht belanglose Rede. Ich schrieb einen Nachruf fürs Neue Wiener Tagblatt 8 6 ); der Redakteur, ein Piefke, strich vor dem Drucke gerade die charakteristischesten Stellen weg, so daß ein gar nicht schöner Torso herauskam. So zum Beispiel den Satz: „ H o e n beliebte vor 1914 zu erinnern, daß er in Mexiko (wo sein Vater Offizier der Armee Kaiser Maximilians gewesen ist) gezeugt, in Fulda geboren, in Budua (Süddalmatien) heimatzuständig sei." Der Zensor hatte für diese altösterreichische Feinheit kein Verständnis. [ . . . ] Mit Hoen war eine zweifellos außerordentlich interessante Persönlichkeit aus dem Leben geschieden, allerdings - wie ich, auch von der Zensur gestrichen, in meinem Nachrufe schrieb - ein Typus, den selbst eine Armee wie die altösterreichische nur in einzelnen Exemplaren ertrug . . . Ich greife auf 1936 zurück. Als das Weihnachtsfest dieses für mich so ereignisreichen Jahres herankam, warf sich plötzlich ein neues, heikles politisches Problem auf. Verschiedene Ausnahmsgesetze, die zum erheblichen Teil noch aus der Aera Dollfuß stammten, verloren mit dem 1. Jänner ihre Kraft oder mußten, wenn man sie beibehalten wollte, verlängert werden. Diese Ausnahmsgesetze hatten fast durchwegs ihre Spitze vor allem gegen die Nazis gerichtet und es fiel mir naturgemäß die Aufgabe zu, zu überprüfen, wie weit sie mit dem Geiste des Juliabkommens vereinbar waren. Die meisten waren es natürlich nicht. Darüber hinaus hatte ich mir aber von Anbeginn zum Ziele gesetzt, mein möglichstes für eine Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen zu tun. In diesem Streben stimmte ich mit den besten Männern Österreichs überein, so mit dem alten Spitzmüller, der mich während meiner Ministerschaft oft und oft (auch wegen seines in Paris atonale Musik betreibenden Sohnes 8 7 )) aufsuchte und mit dem zu sprechen mir immer ein reines Vergnügen war. - Die freundschaftlichen Beziehungen wurden nach dem Anschluß fortgesetzt. Sie rissen leider - hoffentlich nicht für immer - im vierten Kriegsjahr

8 5 ) H e i n r i c h S t ü m p f l ( C i l l i , 1 8 . 1 2 . 1 8 8 4 bis 2 0 . 3 . 1 9 7 2 , W i e n ) , 1902 aus IKSch. M a r b u r g als Kad e t t - O f f i z i e r s s t e l l v e r t r e t e r zu I R . 30, G e n s t a b s l a u f b a h n , 1. 1 . 1 9 1 5 H p t m . i . G . , 1919/1920 G e n s t a b s o f fizier beim G r e n z s c h u t z k m d o . Süd in der S t e i e r m a r k , dann beim 5. B r i g k m d o . in G r a z , 2 5 . 3 . 1 9 2 8 O b s t . , 1 . 4 . 1 9 2 8 bis 1 5 . 6 . 1 9 3 3 Stabschef, 5. B r i g . , 1 6 . 6 . 1 9 3 3 im B M . f. L v . , A b t . 2, 2 0 . 1 . 1 9 3 4 G M . , 1 . 8 . 1 9 3 4 K m d t . 1. B r i g a d e b z w . 1. Division u. M i l k m d t . des B u r g e n l a n d e s , 1 . 8 . 1 9 3 8 S t a d t k m d t . v. W i e n (bis 1 5 . 3 . 1 9 4 4 ) , 1 . 4 . 1 9 3 9 char. G e n l t . , 1 . 6 . 1940 G e n l t . , 3 0 . 6 . 1 9 4 4 Kdr. d. Kriegsgefangenen im W e h r k r e i s X V I I (bis 2 7 . 3 . 1 9 4 5 ) , 1 . 5 . 1 9 4 5 bis 2 7 . 9 . 1 9 4 6 Kriegsgefangenschaft. S t ü m p f l erhielt a m 1 0 . 1 0 . 1 9 7 7 vom B u n d e s p r ä s i d e n t e n p o s t h u m das „ E h r e n z e i c h e n f ü r V e r d i e n s t e u m die B e f r e i u n g Ö s t e r r e i c h s " verliehen. Die Verdienste w a r e n d u r c h S t ü m p f l s aktiven und erfolgreichen Einsatz f ü r politisch verfolgte Ö s t e r r e i c h e r gegeben (frdl. A u s k ü n f t e des Sohnes Prof. Kurt S t ü m p f l , 1 3 . 4 . 1 9 8 1 ) . 8 6 ) V g l . W e r k v e r z e i c h n i s N r . 328. 8 7 ) A l e x a n d e r J u l i u s M a r i a S p i t z m ü l l e r (?, 2 2 . 2 . 1894 bis ?), 1918 O b l t . H R . 3, sodann B a n k b e a m ter, übersiedelte 1928 nach Paris, K o m p o n i s t , nach 1945 A u f f ü h r u n g e n seiner W e r k e in Ö s t e r r e i c h .

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ab. Spitzmüller wollte nämlich seinen voll kriegstauglichen Enkel 8 8 ) als Stammhalter des Geschlechtes immer aus der Front haben. Ich habe verschiedenes versucht, es ist mir nichts geglückt, wie fast selbstverständlich. Er quälte mich weiter. Es hätte nur eine A n t w o r t gegeben, die Erinnerung daran, daß in diesem Kriege leider letzte Söhne viel berühmterer Familien daran glauben mußten; ich habe diese A n t w o r t nicht gegeben, sondern den Briefwechsel eingestellt (13. 11. 1944 geschrieben). Ich schrieb an Schuschnigg einen die Angelegenheit betreffenden Brief, in dem ich auch auf den Eindruck hinwies, den ein bedeutsamer Schritt zum Rechtsstaat zurück auch auf das Ausland machen mußte. Gleichzeitig schlug ich vor, da die Zeit drängte und der ganze Komplex zu verworren war, die Ausnahmsgesetze vorläufig wohl bis Ende Februar zu verlängern, aber unter dem Vorsitz von mir oder von Hülgerth ein Ministerkomitee zu betrauen, das bis zu diesem Termin die ganze Frage zu überprüfen und zu konkreten Abbauvorschlägen zu gelangen hatte. Schuschnigg ging auf den Vorschlag ein, wobei er allerdings Hülgerth mit der Leitung des Komitees betraute. Schon die erste Sitzung dieses Komitees erwies, daß es vor einer wahrlich nicht einfachen legistischen Arbeit stand. Neustädter-Stürmer, dem als Sicherheitsminister die „ F e d e r f ü h r u n g " zufiel, kam mit der Idee der Schaffung eines neuen ,,Staatsschutzgesetzes" - das bisher geltende war, ziemlich scharf, bezeichnenderweise zugleich mit dem Juliabkommen veröffentlicht worden - , in das nicht nur die polizeilichen, sondern auch alle gerichtlichen Materien einzubeziehen wären. N e u städter, der damals schon wesentlich mit seinem „Deutschsozialen V o l k s b u n d " befaßt war, hatte sich und seinem Apparat viel zu viel zugetraut. Die Vorarbeiten führten vor allem zu einer nicht unwesentlichen Überschreitung der Fertigstellungsfrist. Der erste Entwurf ließ aber auch inhaltlich und formal alles zu wünschen übrig und zeigte allen Beteiligten, daß der von Neustädter gewiesene Weg in absehbarer Zeit überhaupt zu keinem Ergebnis führen konnte. N u n m e h r wurde das Sicherheitsressort (schon unter Skubl - siehe weiter unten) mit der unmittelbaren U b e r p r ü f u n g der vorliegenden Ausnahmsgesetzgebung betraut. Die betreffende Sitzung fand in der Karwoche statt. Die Vorschläge, die herauskamen, erwiesen sich im Gegensatz von denen Neustädters als zu eng umgrenzt; sie betrafen n u r einen so geringen Teil der Materie, daß das Ministerkomitee seine Zustimmung neuerlich verweigerte. Inzwischen hatte ich meinen Freund Mannlicher auf die Materie gehetzt. Mannlicher, Senatspräsident im Verwaltungsgerichtshof, seinerzeit von Dollfuß pensioniert, von Schuschnigg wieder eingestellt, war in der Beamtenschaft wegen seines Selbstgefühls und hochfahrenden Wesens sehr unbeliebt, aber sicherlich einer der besten Verwaltungsjuristen im deutschen Räume. Er verfaßte als „juristischer Refer e n t " des Vizekanzlers und meiner Wenigkeit den Entwurf zu einem „ O r d n u n g s schutzgesetz", das sich im Gegensatz zu dem „Staatsschutzgesetz", nur mit der

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) Oktavian Spitzmüller (?).

Das Ordnungsschutzgesetz

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polizeilichen Materie befaßte und dank seinem hervorragenden A u f b a u und Inhalt v o n Skubl bei anerkennenswerter Zurückstellung persönlicher Eitelkeiten in seinen Grundzügen sofort angenommen wurde. Nach eingehender Durchberatung mit dem Sicherheitsressort, das natürlich manche Verschärfung forderte und durchsetzte, war es im Sommer 1 9 3 7 fertig. Schuschnigg, zögernd wie immer, war trotz meines Drängens nicht dafür zu haben, das „Ordnungsschutzgesetz" noch v o r den Sommerferien herauszubringen. Es erblickte am 20. August das Licht der W e l t 8 9 ) und hat sich in der Folge dank der passiven Resistenz des höheren Polizeiapparates nur sehr dürftig durchgesetzt. Ich sehe in ihm dennoch einen der wenigen wirklichen Erfolge meiner traurigen Ministerschaft und bin dem D r . Mannlicher dankbar dafür, daß er seine hervorragenden juristischen Eigenschaften und Kenntnisse in den Dienst dieser guten Sache gestellt hat. O f t und oft dachte ich nach dem A n schluß, wie sich wohl das „Ordnungsschutzgesetz" im Dritten Reich bewährt hätte 9 0 )! Hier möchte ich eine charakteristische Erfahrung über den „elastischen" Geist unserer Universitätslehre einfügen. Unmittelbar nach dem Anschluß hat der U n i versitätsprofessor Freiherr v. Frisch (Jurist der Wiener Universität) ein Buch über das Dollfuß-Schuschnigg-Österreich 9 1 ) herausgegeben, das die schärfste Kritik enthält. U n t e r anderem heißt es dort, in jenem gräßlichen Staat sei es sogar denkbar gewesen, daß jemand entgegen allem Gesetz länger als 2 Tage bei der Polizei ohne V e r h ö r angehalten gewesen sei! U n d noch mehr: Das schaudervolle Österreich habe überhaupt die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und richterlicher G e w a l t , die doch für jeden modernen Staat selbstverständlich sei, völlig vernachläs-

8 9 ) B u n d e s g e s e t z , Bundesgesetzblatt N r . 282/1937 z u m S c h u t z e der öffentlichen R u h e , Ordnung und Sicherheit ( O r d n u n g s s c h u t z g e s e t z - O . G . ) . Der Schöpfer des Gesetzes, Egbert M a n n l i c h e r , hat das G e s e t z k o m m e n t i e r t in: H a n d a u s g a b e österreichischer G e s e t z e u n d V e r o r d n u n g e n N r . 2 6 : Das O r d n u n g s s c h u t z g e s e t z samt den d a m i t z u s a m m e n h ä n g e n d e n V o r s c h r i f t e n , W i e n 1937. Es handelte sich d e m g e m ä ß um eine k o d i f i k a t o r i s c h e Z u s a m m e n f a s s u n g f r ü h e r e r Gesetze und Vorschriften zur B e k ä m p f u n g der die öffentliche R u h e und O r d n u n g g e f ä h r d e n d e n U m t r i e b e ; um M i l d e r u n g e n im Vergleich mit älteren V o r s c h r i f t e n ; um einen A u s d r u c k der R ü c k k e h r z u r N o r m a l i t ä t - bei gleichzeitiger Erzielung einer repressiven und präventiven W i r k u n g bei der T e r r o r b e k ä m p f u n g . Gleichzeitig w u r d e n Vorschriften ü b e r M a ß n a h m e n betreffend öffentliche Bedienstete in einem besonderen G e s e t z novelliert. M a n n l i c h e r n a h m auch ( S t e l l u n g n a h m e 1976) den N a m e n des Gesetzes für sich in A n s p r u c h . V g l . den D u r c h f ü h r u n g s e r l a ß v. 1 9 . 8 . 1 9 3 7 und die d e m Gesetz v o r h e r g e g a n g e n e n E n t w ü r f e in B G H . , Kart. 29. 9 0 ) V g l . B G H . 3322/37, D a n k s c h r e i b e n G l a i s e - H o r s t e n a u s an M a n n l i c h e r , 2 4 . 9 . 1937: „ . . . Von D i r s t a m m t nicht n u r jener E n t w u r f , der - in wesentlichen Teilen im W o r t l a u f - schließlich Gesetz w u r d e , sondern D u hast auch in n i m m e r m ü d e r U n v e r d r o s s e n h e i t Dein g l ä n z e n d e s F a c h w i s s e n und Deine edle M e n s c h l i c h k e i t ein halbes J a h r h i n d u r c h stets aufs neue in den Dienst der guten Sache gestellt. W e n n das neue Gesetz in seiner endgiltigen Fassung auch, w i e nicht anders zu e r w a r t e n w a r , ein K o m p r o m i ß d a r stellt, so kannst D u d e n n o c h mit g r ö ß t e r B e f r i e d i g u n g auf D e i n e so erfolgreiche legistische Arbeit z u r ü c k b l i c k e n , die der langen Kette D e i n e r Leistungen eine n e u e beifügt . . . " . 9 1 ) H a n s R . v. Frisch ( W i e n , 14. 8. 1875 bis ?), Dr. iur. u . o r d e n t l i c h - ö f f e n t l i c h e r Prof. an der T e c h nischen H o c h s c h u l e in W i e n . Sein B u c h : Die G e w a l t h e r r s c h a f t in Ö s t e r r e i c h 1 9 3 3 - 1 9 3 8 . Eine staatsrechtliche U n t e r s u c h u n g , L e i p z i g - W i e n 1938. W e i t e r e W e r k e : L e h r b u c h des österreichischen V e r f a s sungsrechtes. M i t einem A n h a n g : W o r t l a u t des österreichischen B u n d e s v e r f a s s u n g s g e s e t z e s , W i e n 1932; Politische Gestalten aus f r ü h e r e n J a h r h u n d e r t e n , W i e n 1939.

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Minister im Ständestaat 1936 - D e z e m b e r 1937

sigt. Das Buch ist gewidmet - dem Reichskommissar Josef Bürckel! Ebenso erheiternd ist es, bei dem aus einem typischen Liberalen in einen Nazi verwandelten Professor Bibl 9 2 ) (Historiker, Wien) nach wie vor die schärfste Kritik gegen das Metternichsche System vorzufinden, ein System, das nur auf Naderern, dem Interzipieren von Briefen, Polizeischikanen aufgebaut gewesen und daher so besonders verächtlich sei. Daß die Professoren bis zur Dummheit weltfremd sind, ist nicht zu wundern. Daß aber auch die NS-Prüfungsstelle derlei Kritik durchläßt und damit sich selber spottet, ohne zu wissen, wie - gehört in ein besonderes Kapitel völliger Kritiklosigkeit . . . Schon gegen Ende des ersten Halbjahres meiner Ministerschaft mußte ich ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis verzeichnen. Meine Stellung im Kabinett war die eines Einzelgängers. Meine Kollegen erkannten sehr bald die Schwäche dieser Stellung und hielten sich darnach, wohl wissend, daß sie damit den Intentionen des Regierungschefs am besten gerecht werden. Uber die private Kameradschaftlichkeit konnte ich mich allerdings nicht beklagen. Die Leute standen mir ja gesellschaftlich meist viel näher als die, mit denen ich es auf der illegalen Seite zu tun hatte. Mit Schuschnigg stand ich mich äußerlich gleichfalls recht gut. O b er mir wirklich traute, weiß ich nicht. An der politischen Mitteilsamkeit, zu der ihn ein wirkliches Interesse an dem Erfolge meines Wirkens verpflichtet hätte, fehlte es. Schließlich war ich, abgesehen vom Außenstaatssekretär, der einzige wirklich politische Minister, in dessen Interessensgebiet ebenso die Zusammenarbeit mit den anderen Staaten, wie der Legitimismus und dergleichen unbedingt gehörten. Aber ich erfuhr von Schuschnigg weder etwas über die Zusammenkünfte, die er später des öfteren mit dem teschechoslowakischen Ministerpräsidenten H o d z a hatte 9 3 ), noch von Empfängen Wiesners, Hohenbergs und dergleichen. Übrigens hatte Schuschnigg im Kabinett nur zwei Männer, die man als seine Vertrauenspersonen bezeichnen konnte: Schmidt und Zernatto, die „beiden Guidonen", wie Miklas immer grollend sagte, wobei er auf ihren schlechten Einfluß hinwies. 9 2 ) V i k t o r Bibl (Wien, 2 0 . 1 0 . 1 8 7 0 bis 15. 7 . 1 9 4 7 , A t t e r s e e , S a l z b u r g ) , H i s t o r i k e r , 1893 D r . phil., ab 1890 im n ö . L a n d e s d i e n s t , 1906 R u h e s t a n d , 1905 P r i v a t d o z e n t an U n i v . Wien, 1 . 1 0 . 1 9 1 3 ao. U n i v . P r o f . f. allgemeine neuere G e s c h i c h t e , 1938 B e r u f u n g als O r d i n a r i u s nach Prag abgelehnt, 1937 Venia legendi e n t z o g e n , 1 . 5 . 1 9 3 9 Mitglied der N S D A P ; in der B e u r t e i l u n g Metternichs scharfer publizistischer, d a n n auch persönlicher G e g n e r S r b i k s ; w ä h r e n d des 2. Weltkrieges auch V e r f a s s e r p o p u l ä r w i s s e n schaftlicher B i o g r a p h i e n E r z h e r z o g s C a r l s , P r i n z E u g e n s und J o s e p h s II. H a u p t w e r k e : D e r Zerfall Ö s t e r r e i c h s , 2 B d e . , Wien-Berlin 1 9 2 2 - 1 9 2 4 ; Maximilian II. D e r rätselhafte K a i s e r , D r e s d e n 1930; M e t ternich. D e r D ä m o n Ö s t e r r e i c h s , 1. A u f l . W i e n - L e i p z i g 1936, 3. A u f l . 1938. V g l . S. N a s k o , V i k t o r Bibl ( 1 8 7 0 - 1 9 4 7 ) . Studien zu seinem L e b e n und W e r k . W r . u n g e d r . D i s s . 1970. 93) Schuschnigg traf mit d e m t s c h e c h o s l o w a k i s c h e n Ministerpräsidenten u n d A u ß e n m i n i s t e r D r . Milan H o d z a am 1 7 . 1 . 1 9 3 6 in P r a g , a m 9 . 3 . 1 9 3 6 in Wien und am 2 6 . 9 . 1 9 3 7 in B a d e n bei Wien z u s a m m e n . E n t g e g e n den B e s p r e c h u n g s p r o t o k o l l e n und K o m m u n i q u e s , die W i r t s c h a f t s f r a g e n in den V o r d e r g r u n d stellen, w u r d e i m m e r wieder v e r m u t e t , daß die R e s t a u r a t i o n s f r a g e einen wichtigen P u n k t der E r ö r t e r u n g e n gebildet hätte. Vgl. W . H u m m e l b e r g e r , Ö s t e r r e i c h und die Kleine E n t e n t e im F r ü h j a h r u n d S o m m e r 1936, in: D a s J u l i a b k o m m e n v o n 1936 (Wissenschaftliche K o m m i s s i o n des T h e o d o r K ö r n e r - S t i f t u n g s f o n d s und des L e o p o l d K u n s c h a k - P r e i s e s z u r E r f o r s c h u n g der österreichischen G e schichte der J a h r e 1927 bis 1938, B d . 4), 84-103; Vasari, 1 7 0 f . , 1 8 9 f .

Guido Schmidt und Guido Zernatto

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Die beiden Guidonen haben Schuschnigg zweifellos auch stark gegen mich beeinflußt, wobei es dahingestellt bleibe, ob sie stärker mit meiner geringen „Vertrauenswürdigkeit" oder mit der Erfolgslosigkeit meines Wirkens arbeiteten. Ich glaube dabei, daß mehr noch als Zernatto Guido Schmidt meine Stellung zu untergraben bemüht war, wo er konnte - auch bei den Deutschen. Schmidt brachte es zuwege, auf der einen Seite der Intimus Schuschniggs zu sein und einen so stark antinationalsozialistischen und westlich orientierten Mitarbeiter wie D r . Hornbostel 9 4 ) als vertrautesten Gehilfen zu behalten. Berlin setzte es mit der Zeit wohl durch, daß das deutsche Referat aus dem gesamtpolitischen Hornbostels herausgelöst und dem Gesandten Hoffinger 9 S ) übertragen wurde. Hornbostel war übrigens seit langem mein Todfeind, warum, weiß ich nicht - und Versuche, die Schmidt halb spaßweise machte, uns zu versöhnen, scheiterten stets. Schmidt rühmte sich aber andererseits mir gegenüber sehr bald, daß er „viel engere Beziehungen zu den Nazis" habe als ich. Er meinte damit eine Gruppe von Outsidern, deren wesentlichste Exponenten Dr. Kajetan Mühlmann und Dr. Franz Hueber gewesen sind. Mühlmann, persönlich ein netter Kerl, ist ein Salzburger, mußte aber wegen irgendwelcher Unstimmigkeiten seine Vaterstadt zunächst verlassen und erhielt durch Vermittlung Schmidts eine Anstellung in Wien. Hueber, der Gatte Paula Görings, also ein Schwager des damaligen Generalobersten, war Ende 1930 im Krisenkabinett Vaugoin Justizminister, trat aber bald auf Betreiben seiner reichsdeutschen Verwandtschaft aus und amtete seither als Notar in Mattsee. Hueber und Mühlmann standen der Gruppe Seyß-Inquart nahe und versprachen sich von diesem für die Zukunft auch die Erfüllung manchen persönlichen Ehrgeizes, haßten dafür Leopold, der ihnen die gleichen Gefühle zurückgab, und zogen sich daher auch von mir zurück, um sich ganz auf Schmidt zu stützen. Hueber war sehr wahrscheinlich auch Schmidts Wegbereiter bei Hermann, wobei sich - wie schon bemerkt - Schmidt außerdem es nicht verdrießen ließ, das Waidwerk zu lernen und so eine weitere Annäherungsmöglichkeit an den „Eisernen" (Hermann) zu gewinnen. Hueber und Schmidt waren wohl auch bemüht, mich bei Hermann herabzusetzen, was auf keine besonderen Schwierigkeiten stieß. Im übrigen tat Guido Schmidt auch innerhalb der Regierung und gegenüber der Öffentlichkeit sein Möglichstes, mich auszuschalten und damit zugleich zu kom94) Theodor V . H o r n b o s t e l ( W i e n , 9 . 1 . 1 8 8 9 bis 8 . 6 . 1 9 7 3 , G m u n d e n ) , D i p l o m a t , 4 . 1 . 1 9 1 9 bis 2 3 . 6 . 1926 in Budapest, 2 8 . 6 . 1 9 2 6 bis 1 0 . 9 . 1 9 3 0 an der öst. Gesandtschaft in A n k a r a ; ab 1 3 . 4 . 1 9 3 3 als Legationsrat, ab 14. 7 . 1 9 3 7 als ao. Gesandter u. bevollmächtigter Minister Vorstand der (politischen) Abteilung 13 des Bundeskanzleramtes - Auswärtige Angelegenheiten, ab Mitte April 1938 im K Z D a c h au. Seine Nachlaßpapiere finden sich im N P A . u. im Archiv I f Z G . Wien. Vgl. T h . H . , F r e m d e E i n flüsse auf die Politik der 1. Republik Ö s t e r r e i c h , in: Österreich in G e s c h i c h t e und Literatur, 2. J g . (1958), 1 2 9 - 1 3 8 . 9 5 ) M a x R . v. Hoffinger ( W i e n , 1 2 . 4 . 1 8 8 4 bis 8 . 1 2 . 1 9 5 3 , Bad Ischl), ab 1906 im diplomatischen D i e n s t , 1919 Legationsrat, Geschäftsträger in Belgrad, 1925 Gesandter, 1928 Gesandter in B e r n , 1 1 . 1 1 . 1 9 3 2 in Warschau, 1 . 1 . 1 9 3 7 in die Zentrale einberufen, Deutschlandreferent in der polit. A b t e i lung. Vgl. seinen Artikel: H e r r von Papen und St. Augustin, Erinnerungen zu dem Erinnerungsbuch F r a n z v. Papens, in: D i e F u r c h e v. 2 1 . 2 . 1 9 5 3 , 5 f . ; ders., „ W i e war es m ö g l i c h ? " G e d a n k e n zu Arnold Brechts „ V o r s p i e l zum Schweigen - Das E n d e der deutschen R e p u b l i k " , e b d t . , 9 . 4 . 1949, 4 f.

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promittieren. So logisch es gewesen wäre, mich als den Garanten des 11. Juli zu den österreichisch-deutschen Verhandlungen möglichst heranzuziehen, so emsig war er beflissen, mich von diesen Dingen fernzuhalten. Das schadete natürlich meiner Position in Berlin ebenso wie gegenüber den österreichischen Nationalsozialisten ganz empfindlich; mit keinem von beiden war der Sache gedient, wohl aber dem unerschöpflichen Geltungsbedürfnis des jungen Strebers. Guido Schmidt, ein geborener Vorarlberger, dessen Hauptprotektor sein Landsmann Ender gewesen ist, war sicherlich ein begabter, agiler, in allen Sätteln heimischer Mann. Äußerlich und in seinem, sagen wir, etwas largen Benehmen - er hatte zum Beispiel, wenn er bei Verhandlungen saß, grundsätzlich eine Hand ganz oben zwischen den Beinen - erinnerte er stark an gewisse Balkandiplomaten. In der Diskussion war er sehr geschickt, er wußte überzeugend zu sprechen und verblüffte mitunter wohl auch durch seinen Sarkasmus und ein Leichtnehmen der Dinge. Wirklich meisterhaft beherrschte er wirtschaftliche Fragen. Im Ministerrat erwies er sich meistens allen anderen wirtschaftlichen Ressortministern überlegen. Charakterlich war er stark angestochen. Ein schlechter Kamerad nicht gegen jedermann, aber gegen solche, die ihm in seinem Aufwärtstrieb irgendwie hinderlich sein konnten. Zu Zernatto geriet ich durch die Unlösbarkeit des Problems, die Illegalen zur Legalität im Rahmen der VF. zu gewinnen, eine Unlösbarkeit, die, wie schon bemerkt, auf beiden Seiten gegeben war, in einen sachlichen Gegensatz, der auch bei ernsterer Pflichtauffassung Zernattos nicht ausgeblieben wäre. So glich aber auch er in seinem namenlosen Ehrgeiz seinem Taufnamens-Vetter. Außerdem konnte ich Zernatto, der ein Bajazzo war, bei bestem Willen nicht ernst nehmen, was ich ihm auch stets zu fühlen gab. Ein sachlicher Verkehr zwischen uns beiden hörte bald ganz auf. Er suchte ihn nicht und ich als so viel Älterer - im Gegensatz alsbald zu Seyß-Inquart - schon gar nicht. Umso eifriger war Zernatto bestrebt, sonst meine Stellung zu untergraben. Dabei war, wie schon angedeutet, seine Zielsetzung, mit der VF. die „Unabhängigkeit" Österreichs gegenüber Hitler und dem Nationalsozialismus zu behaupten, ebenso vergeblich wie meine, mittels Kompromissen so lange durchzukommen, bis sich für das österreichisch-deutsche Verhältnis eine bessere Grundlage als das Juliabkommen ergeben konnte. Auf Schuschnigg war Zernatto aus meinem Blickfeld (und zeitweilig auch aus dem Schmidts) von schlechtestem Einfluß. War Schuschnigg einmal geneigt, den Nationalen ein im wohlverstandenen Interesse der Beziehungen zu Berlin-München nützliches oder unvermeidliches Zugeständnis zu machen (auf diese Nützlichkeit kam es mir vor allem an) - so rief er ihm in Wien oder in irgendeiner Provinzstadt, was bei dem herrschenden Zwang leicht möglich war, eine „Monstreversammlung" der „Vaterländischen" zusammen und schon war der „schlapp" gewordene Kanzler wieder künstlich „aufgepumpt" und nahm alle nationalen Verheißungen zurück. Zernattos Liebe zu mir kam nach dem Anschluß in seinem Buche „Wahrheit über Österreich" durch verschiedene bissige Bemerkungen zum Ausdruck. Mit Hülgerth, einem lieben alten Herrn, der viel Verständnis für meine Rolle hatte, aber jeder Energie entbehrte, und den Wirtschaftsministern Taucher, Neumayer und Mandorfer verband mich eine gute Kameradschaft, die aber meinen po-

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litischen Bestrebungen wenig nützte. N e u m a y e r , der von der schlagenden Studentenschaft den Weg in die christlichsoziale Finanzverwaltung Wiens gefunden, sich dabei übrigens auch unter den Sozis behauptet hatte, gebärdete sich, wenn ihn niemand sah oder hörte, national, klappte aber sofort zusammen, wenn er ertappt wurde. Gesellschaftlich sehr angenehm war auch der Verkehr mit dem Justizminister Pilz; in seinem Ressort versagte dieser allerdings, was meine „Belange" betrifft, fast völlig. Hinter ihm stand natürlich der Kanzler selbst, der, wie oftmals schwache Menschen, von einer unerhörten Härte des Gemütes sein konnte. Dies zeigte sich in der Frage der Begnadigungen, wiewohl die Bundesregierung um N e u j a h r 1937 stolz zu verlauten wußte, daß seit dem Juliabkommen nahezu 20000 Personen aus den Kerkern und „Anhaltelagern" entlassen worden seien; welche Entlassungen ihr zugegebenerweise nicht leicht gemacht worden sind, da von der anderen Seite ein günstiges Echo nie und nimmer zu vernehmen gewesen war. Was im übrigen Schuschnigg anlangt, so zeigte sich seine mir oft erstaunliche H ä r t e fast noch mehr als auf diesem Gebiet in der Frage der Existenzvernichtungen, bei denen oft auch Unschuldige, Familienmitglieder und dergleichen getroffen wurden, und auf dem Gebiete der Unterrichtsverwaltung, in der er die kleinsten Dummheiten junger Leute mit auch die Eltern treffender äußerster Strenge zu ahnden gewöhnt war. Die Personalpolitik lag wesentlich in den H ä n d e n eines überaus schlauen und hinterhältigen Vorarlbergers, namens Arbogast Fleisch, der es trotz aller Bösartigkeit verstand, zwei Eisen im Feuer zu halten und durch einen besonderen „ L e i b n a z i " sogar mit Leopold in Verbindung zu stehen. Wenn er zu mir kam, verdrehte er stets die Augen und redete sich auf die CVer seines Amtes aus, die, obwohl als Beamte seine Untergebenen, ihren Chef doch „terrorisierten". Im Ministerrate pflegte er ganz anders zu sprechen. Arbogast hat den Anschluß verhältnismäßig gut „ ü b e r s t a n d e n " , ein Beweis dafür, daß er ein geschickter Taktiker gewesen ist. D e r „ L e i b n a z i " wurde für jeden größeren Funktionär alsbald eine wichtige Einrichtung, ähnlich der der einstigen „Regimentsfaktoren" für die altösterreichischen Truppenkörper oder der Leibjuden in den galizischen Garnisonen. Die Unterrichtsverwaltung lag offiziell in den H ä n d e n meines Freundes Pernter, eines persönlich anständigen und verständigen Menschen, der jedoch einerseits von Schuschnigg völlig abhängig war, andererseits von einer CVer-Clique in seinem eigenen Ministerium völlig beherrscht wurde. Ich habe mir damals manchen Gedanken gemacht über die Seelenverfassung dieser Herren, die wöchentlich einmal beichten und kommunizieren gingen, unmittelbar nachher aber nicht davor zurückschreckten, ganze Familien wegen der D u m m h e i t irgendeines unreifen Sprößlings ins Unglück zu stürzen. Sie waren durchwegs besonders geschickte und tatkräftige Widersacher des Juliabkommens, wobei ihnen „Landesreferenten" wie mein Jugendkamerad D r . Schemel v. Kühnritt 9 6 ), H o f r a t bei der salzburgischen Landesregierung, wertvolle Schützenhilfe leisteten. Ich sagte Schuschnigg bei meinen Interventionen oft, daß ich gegen jene Härten auch auftreten würde, wenn es sich um 96

) Adolf Schemel v. K ü h n r i t t , D r . iur., 1936 wirklicher H o f r a t , Vorstand der Abteilung I/a (Kultus- und Schulangelegenheiten, Kunstpflege).

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Delikte von der linken Seite handeln würde. Er blieb meistens unerbittlich. Der arme Pernter hat die Härte seines Chefs nach dem Anschluß schwer gebüßt. Er war viele Monate im K Z , es wurde ihm unmöglich gemacht, die schmale Pension, die seiner Frau 9 7 ) zugesprochen war, durch ein Nebeneinkommen zu erhöhen und schließlich fiel sein einziger Sohn 9 8 ) für das Vaterland, das ihm so hart zusetzte. Er verdiente es nicht. Minister für Landesverteidigung war der Kanzler selbst, dem General der Infanterie Zehner als Staatssekretär zur Seite stand. Zehner, der den größten Teil seiner Dienstzeit bei der Truppe zurückgelegt hatte, war seinerzeit Anfang Juli 1934 durch Dollfuß als Nachfolger Schönburgs gewählt worden. Als ihm der Kanzler von der Berufung Mitteilung machte, soll er vor Schrecken einen Herzanfall bekommen haben. Gesinnungsmäßig war Zehner durch und durch nazifeindlich und überzeugter Legitimist. In mir sah er irgendwie einen Rivalen. Aber er war ein persönlich anständiger Kamerad, den ich in dieser Eigenschaft sehr schätzen lernte. Moralisch weit größeren Einfluß auf Schuschnigg als Zehner hatte in militärischen Fragen der Flügeladjutant des Kanzlers, Major Bartl, Neustädter, leider aber ein menschlich mit größter Vorsicht zu behandelnder Kerl, der auf den Kanzler einen überaus bösartigen Einfluß ausübte und mit seinem sonstigen Leben den Legitimisten, deren kompromißloser Vertreter er war, wenig Ehre machte. Ein ausgesprochener Feind trat mir in dem Bundespressechef Ludwig entgegen, der im Kriegspressequartier noch vor mir habtacht stand, mich später stets als Journalist von Begabung anerkannt hat, dann aber seit 1934 unausgesetzt aus dem Hinterhalt des Blätterwaldes Schuß auf Schuß gegen mich abgab. Auch als Minister wurde ich noch von ihm zensuriert. Nun war er aber - Mitte Oktober 1936 - doch nicht mehr zu halten. Schuschnigg berief meinen alten Jugendfreund Oberst Adam, bisher Chef des österreichischen „Heimatdienstes", an seine Stelle. Ludwig überließ aber weder sein Büro auf dem Ballhausplatze, noch seine Reptilienfonds seinem Nachfolger; er blieb als Präsident der im Werden begriffenen Pressekammer noch immer in Macht und Einfluß. Meine Bekanntschaft mit Adam reicht in die Zeit zurück, da er als Fähnrich von I R . 59 neben dem Gasthof Sigmundstor hauste, während ich in der Neutorstraße 28 wohnte. Später trafen wir uns wieder als Generalstabshauptleute im Armeeoberkommando Teschen und Baden; er war Personalreferent des Generalstabes und dementsprechend „ g r o ß " . Nach dem Krieg wurde er mein Mitarbeiter bei der Wehrzeitung. Seine mit Octavius gezeichneten, offenkundig von Karl Krauß beeinflußten satyrischen Wochenberichte zeigten ihn als glänzenden Stilisten und ideenreichen Schriftsteller. Als er aus dem aktiven Militärdienst austrat, ebnete ich ihm die Wege zur „Reichspost", wo er leider nicht seinen Talenten entsprechend ausgewertet wurde. Allerdings wollte ihm der brave alte Funder eben die Schriftleitung 9 T ) Isabella Pernter, T o c h t e r des ehemaligen Landeshauptmannes von Oberösterreich und zeitweiligen k. k. Ackerbauministers Alfred E b e n h o c h . " ) H e i n z Pernter (1921 bis 1 7 . 1 1 . 1 9 4 3 ) .

Eduard Ludwig und Walter Adam

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übergeben, als ihn 1933 Dollfuß in die VF. berief. Das war einige Tage vor dessen Tod. Als Mai 1936 Zernatto an Adams Stelle das Generalsekretariat der VF. übernahm, wurde Adam Leiter der Propagandastelle Heimatdienst und dann, wie schon geschildert, Pressechef. Trotz vielfacher Meinungsverschiedenheiten hatte die Freundschaft zwischen ihm und mir weder bis dahin noch später gelitten"). „ A d a m u s " , wie ich ihn immer nannte, war seiner Gesinnung nach alter schwarzgelber Offizier, nicht christlichsozial, sondern liberal, begeisterter Österreicher, Feind der Nazi, der wohl auch manches richtige Urteil über die schweren Schattenseiten der Bewegung hatte. Der Anschluß hatte keinen größeren Gegner als ihn, die innere Befriedung schien ihm, wenn überhaupt möglich, so nur auf dem Wege einer völligen Unterwerfung der Nazis und Anschlußanhänger unter die Ziele und Gebote der VF. Bei meinem Pflichtenkreis konnte es so ohne manche Differenz zwischen uns nicht abgehen, was aber, wie bemerkt, auf unser persönliches Verhältnis nicht abfärbte. In der Nacht des Anschlusses unterließ es Adam, leider auch auf meinen Rat, gleich seinem Nachfolger Zernatto die Flucht zu ergreifen. Er kam ins KZ und es kostete manche Anstrengung, an der auch ich mich beteiligte, ihn nach 4 oder 5 Jahren wieder herauszubekommen. Ein fast gebrochener Mann, wurde er nach seiner Freilassung irgendwo im Hessischen Hilfsbeamter bei einer Finanzbehörde. Dieses Dritte Reich hat wahrlich einen Uberfluß an Begabungen, wenn es Leute wie Adam auf ein solches Nebengeleise schieben kann. Als ich kürzlich meine alten Papiere durchsah, fand ich auch eine Ansichtskarte: Leutnant Adam beglückwünschte den Leutnant Glaise zur Aufnahme in die k . u . k . Kriegsschule. W o sind diese Zeiten hingekommen! Eine sphinxartige Persönlichkeit war - auf Vorschlag Schmidts- mit Odo Neustädter-Stürmer ins Kabinett gekommen. Er hatte bis 1918 Marchese Gozani geheißen und war bis dahin in der politischen Verwaltung der Küstenlande verwendet worden. Nach dem Umstürze trat er zur oberösterreichischen Landesregierung über. Da ihm sein italienischer Namen nicht mehr gefiel, nahm er den seiner Mutter, einer geborenen Baronin Neustädter-Stürmer, an. Diese gab, als sich der Minister nach dem Anschluß in der Hinterbrühl erschossen hatte, eine Parte heraus, in der es hieß, daß Marchesa Gozani, geb. Freiin v. Neustädter-Stürmer, den Tod ihres Sohnes Odo Neustädter-Stürmer beklage. Natürlich mußte jeder, der die Lage nicht kannte, glauben, daß die Marchesa ein uneheliches Kind gehabt hatte, dies umsomehr, als dank der Adelsabschaffung im Namen des Sohnes auch der Freiherrntitel nicht erschien. Odo Neustädter-Stürmer war sicherlich eine nicht unbegabte, aber auch sehr ehrgeizige Persönlichkeit. Er wandte sich bald nach 1918 der hohen Politik zu und landete in der Heimwehr, zu deren Exponenten er später, schließlich auch als Arbeitsminister, zählte. Am 25. Juli 1934 spielte er vom Kabinett neben Fey die hervorstechendste Rolle, wobei ihn nachher die öffentliche Meinung weitgehend mit dem bekannten Vorwurf des „Ehrenwortbruches" belastete. Anfangs 1936 Nach" ) Vgl. etwa den Briefwechsel B G H . 687/36 bezüglich der Berichterstattung der „Basler Nachrichten".

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folger meines Freundes Baron Hennet 1 0 0 ) als Gesandter in Budapest, ließ er sich noch anfangs Mai 1936 in einer Führerzusammenkunft der Heimwehr äußerst scharf wider den Nationalsozialismus aus, was ihn jedoch nicht hinderte, nunmehr, nach seiner neuerlichen Berufung in die Regierung, als der Mann aufzutreten, der das große Elixier der nationalen Befriedung in der Tasche hatte. Am Silvesterabend überraschte er in der Linzer „Neuen Zeit" die österreichische Menschheit mit einem Artikel, in der er mir, ohne mich natürlich zu nennen, eigentlich meine Politik vorschrieb. Kurz vorher war er mit dem Plane zur Gründung eines „Deutschsozialen Volksbundes" hervorgetreten 101 ). Schuschnigg war für die Idee zuerst Feuer und Flamme und legte mir vorübergehend sogar nahe, mich an die Spitze des neuen Volksbundes zu stellen, was ich jedoch mit dem Bemerken ablehnte, daß ich als ehrlicher Makler auch weiterhin über den Parteien bleiben wolle. Die Sache fand von Haus aus nicht meinen Beifall, da sie bei der ganzen Staatskonstruktion zu nichts führen konnte. Der „Volksbund" sollte vor der Weltöffentlichkeit ausschließlich kulturelle und soziale Ziele verfolgen. In Wirklichkeit dachte aber auch sein präsumtiver Schöpfer Neustädter daran, ihn als Sammelbecken der Illegalen zu verwenden und nach Festigung auf die politische Ebene übergleiten zu lassen. Nach den Erfahrungen meiner bisherigen Ministerschaft versprach ich mir von solchen Tarnungen und Vernebelungen nichts. Ich besorgte im Gegenteil neue Spannungen und Verwickelungen und hielt mich daher, wie auch das Linzer Volksblatt bei Gelegenheit feststellte, ziemlich zurück, wogegen Neustädter mit tausend Masten lossegelte. Mit der Tarnung sah es alsbald schon dadurch schlecht aus, als sich an die Spitze der 600 vor allem aus intellektuellen und besitzenden Kreisen stammenden Proponenten der kleine ehrgeizige Hauptmann Leopold schwingen wollte, was von den Interessenten wohl oder übel in Kauf genommen werden mußte. Leopold, von besonderem Geltungsbedürfnis erfüllt, machte bei Verfassung der Überreichungsadresse die größten Schwierigkeiten. Auch mancher der Proponenten, zu überwiegendem Teile ernste Männer von Namen und Geltung, fühlte sich nicht sonderlich wohl. Dagegen trat der den Christlichsozialen besonders nahestehende Prähistoriker Professor Menghin umso intensiver für die Sache ein. Natürlich konnte sich am Schlüsse auch Schuschnigg der Warnung seiner engeren Gesinnungsgenossen nicht verschließen, daß unter der Patronanz Neustädters das beste trojanische Pferd zum Eindringen in den Pferch der „Vaterländischen" aufgezäumt wurde. Anfangs Februar teilte mir Schuschnigg in einer Unterredung, die nach einem Ministerrate im Heeresministerium stattfand, ruhig mit, daß es mit dem „Deutschsozialen Volksbund" nichts sein könne. Wohl aber werde er, ähnlich wie sie in der Sozialen Arbeitsgemeinschaft bereits bestanden, in der VF. nationale Referate schaffen, durch

10 °) Leopold Frh. v. H e n n e t (Gaaden, 10.5.1876 bis 2 7 . 3 . 1 9 5 0 , Wien), Jurist, ab 1907 im Staatsdienst, 1914 zugeteilt dem Militärattache bei der Gesandtschaft in Bern, 1917 H o f r a t , 1921-1922 im B M . f. Landwirtschaft, 1922-1932 Sektionschef im BK.A - Auswärtige Angelegenheiten. 1932-1936 G e sandter in Budapest. 101 ) U b e r das Projekt des Deutsch-sozialen Volksbundes bis zur Demission Neustädter-Stürmers am 2 1 . 3 . 1 9 3 7 vgl. Rosar, 108-117.

Um den Deutschsozialen Volksbund

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die der Einbau nationaler Elemente in das öffentliche Leben erleichtert und gefördert werden konnte. Ich nahm die Mitteilung des Kanzlers ohne Erschütterung zur Kenntnis. Ich war längst auf dem besten Wege zu erkennen, daß an eine wirklich befriedigende innerpolitische Lösung nicht mehr gedacht werden konnte und sich die augenblickliche österreichische Politik dem Ende ihres Lateins näherte. Die „Proponenten" hatten nachher manche Unbill auszustehen: neue Anlässe für - mir so ekelhafte - Interventionen. Proponent gewesen zu sein war in der Folge nicht nützlich für den Betreffenden. Für die Verlautbarung der Proponentenliste hatte am 18. Februar NeustädterStürmer in der Linzer „Neuen Zeit" gesorgt 102 ). Alles war über die hervorragenden Namen erstaunt, die sie enthielt. Ein wichtiges Gegenargument für jene, die heute, nach den Enttäuschungen späterer Jahre, den „ersten Stein auf die Sünderin werfen" wollen! Die nächsten Tage waren von Verhandlungen zwischen dem Kanzler und den „Nationalbetonten" ausgefüllt, denen er mich und seltsamerweise auch sein alter ego Schmidt nie beizog. Eine entscheidende Rolle spielte hiebei Menghin, der dem Kanzler als CVer nahestand. Er erreichte es, daß Schuschnigg auch den Arzt Dr. Jury 1 0 3 ) aus St. Pölten empfing, einen alten Nationalsozialisten, der schon geraume Zeit gesessen war. Der Eindruck, den er von seinem Besucher empfing, war, wie er mir telephonierte, recht gut. Dennoch sah er ihn nur noch einmal wieder, obgleich Dr. Jury wie besessen war, seine Besprechungen mit Schuschnigg fortzuführen. Dieser hatte es offenbar wieder mit der Angst bekommen. Vielleicht war daran auch ein zweites Treffen schuld, das am 12. Februar spät abends stattfand. Leopold wurde dem Kanzler vorgeführt. Das Urteil Schuschniggs stimmte mit dem meinigen überein: Bestenfalls ein Burgtheaterstatist. Leopold hielt natürlich nicht dicht und wenige Tage später wußte von seiner Unterredung mit dem Regierungschef die ganze Welt. Die noch von Neustädter und mir entworfenen Verhandlungspunkte- zwischen Schuschnigg und den Nationalen, die durch ein „Siebener Komitee" vertreten waren, bildeten die Arbeit der nächsten Tage 104 ). Schuschnigg erklärte sich bereit, gegen den völligen Verzicht der Nationalen auf den Deutschsozialen Volksbund das Siebener Komitee als eine de facto-Instanz für den Verkehr mit der nationalen O p position anzuerkennen und ähnliche Komitees auch in den Landeshauptstädten zuzulassen. Er stellte neuerlich die Errichtung von Volkspolitischen (das heißt nationalen) Referaten bei der Zentrale und den Landesleitungen der VF. in Aussicht und gab sein Einverständnis zu einer Milderung der Ausnahmegesetzgebung, wie sie das

102

) Rosar, 116. ) Hugo Jury (Mährisch-Rotmühl, 13.7.1887 bis 9.5.1945, Freitod in Zwettl), 1911 Dr. med., 1919-1938 Arzt in St. Pölten, II./1931 Beitritt zur NSDAP, I./1934 Kreisleiter Viertel Ober dem Wienerwald, 1935 Organisationsleiter der illegalen Landesleitung, 1936 Stellvertreter des Landesleiters Leopold, 16.2.1938 Staatsrat, 11.3.1938 BM. f. soziale Verwaltung, 24.5.1938 Gauleiter v. Niederdonau, 1.4.1940 auch Reichsstatthalter, 1.8.1938 SS-Oberführer. ,04 ) Rosar, 113. 103

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Ordnungsschutzgesetz dann wirklich brachte 105 ). Er sicherte Fortsetzung der Amnestie und Wiedergutmachungen im Personal- und im Unterrichtsressort zu, sowie die allmähliche Besetzung von öffentlichen Stellungen auch durch Nationale. Dafür bekannte sich Hauptmann Leopold aus „Gründen realer Gegebenheiten" zur Unabhängigkeit des österreichischen Staates und stellte sich auf dessen Boden, sowie auf den der Verfassung von 1934 und der politischen Totalität der Vaterländischen Front, was er natürlich alles nicht ernst meinte 106 ). Vom Siebener Ausschuß als Garanten der anderen Seite sahen in den Abmachungen vielleicht die nicht parteimäßigen Mitglieder einen Weg aus dem Dickicht. Es waren dies Mannlicher, mein Vertreter, Berghammer 107 ), der Vertreter Neustädters, Wolsegger und Menghin. Sie waren aber Einzelgänger, die gegen die Abgesandten Leopolds: Jury, Tavs und In der Maur stark ins Hintertreffen gerieten und schließlich unter ihrer zwiespältigen Lage nicht wenig litten. Der Siebener Ausschuß tat sofort in einem Hause der Teinfaltstraße 108 ) in zwei Stockwerken ein großes Büro auf, in welchem SA-Männer Ordonnanzdienst, anfänglich sogar in Uniform, machten. Das ganze Unternehmen wurde zu einer kaum mehr getarnten Landesleitung der österreichischen NSDAP, wobei der kleine Leopold die Hauptrolle spielte. In meinem schönen Ministerbüro fanden ab und zu Sitzungen statt, die mich äußerst langweilten, ich aber doch über mich ergehen ließ, um - wie durch verschiedenes andere - die Situation halten zu helfen. Dabei kam es öfter vor, daß Jury mir gegenüber besonders radikale Töne anschlug. Wenn die anderen aber weg waren, kehrte er heimlich um und sagte mir: „Bitte, Sie haben völlig recht, machen Sie die Sache nur nach Ihren Auffassungen." Der Löwe in der Arena pflegte sich in der stillen Klause in ein frommes Lamm zu wandeln. Auch später betätigte Jury eine Haltung, die ihn vor skeptischer Kritik nicht bewahrte. Nachdem er die längste Zeit „Leopoldiner", das heißt Anhänger des Leopold, gewesen war, schwenkte er zu Beginn 1938 plötzlich, ohne daß man sich dessen versah, zu Seyß-Inquart, dem Gegenspieler Leopolds, über, der ihm bald das Du antrug. Diese Schwenkung bewahrte Jury nicht bloß vor dem Exil, das Leopold und seine unmittelbaren Mitarbeiter nach dem 12. Februar 1938 auf sich nehmen mußten, sondern verschaffte ihm auch den Posten eines Reichsstatthalters und Gauleiters von Niederösterreich, auf dem er sich übrigens relativ gut macht. . . . Am 14. Februar 1937 fand wieder einmal ein großer „Frontappell" statt; er war wie immer der Schrei des Kindes, der in den Wald hinein ertönt, weil es seine ,05 ) In einer Rede am 14.2.1937 (vgl. Rosar, 116) und in einem G e d ä c h t n i s p r o t o k o l l über ein Angebot Schuschniggs vom 11.2.1937, das am 15.2.1937 ausgefertigt w u r d e (vgl. Rosar, 118). 106 ) Anläßlich seiner Vorsprache bei Schuschnigg mit In der M a u r , J u r y u n d Menghin am 12.2.1937. Vgl. Rosar, 115. 107 ) Stefan Berghammer (Geinberg, O ö , 2 . 1 0 . 1 9 0 0 bis 26. 5.1966, Utzenaich, O ö ) , 1921-1940 Beamter b z w . Abteilungsleiter der W o l f s e g g - T r a u n t h a l e r - K o h l e n w e r k s - A G . , 1941-1945 D i r e k t o r der H a n d e l s - und Industrie-Gesellschaft in Linz, nach 1945 Angestellter b z w . Ziegelei-Mitbesitzer, 1932-1937 in L a n d e s f ü h r u n g des O ö Heimatschutzes, von diesem als Regierungskommissar der Arbeiterkrankenkasse eingesetzt, 1934-1937 Mitglied des Bundeswirtschaftsrates, 1955-1960 Gemeinderat von Utzenaich für den V d U . 10S ) 1. Bezirk, Teinfaltstraße N r . 4.

Besuch Reichsaußenminister Neurath

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Furcht betäuben will. Neustädter und ich wurden am Abend vorher in die Privatwohnung Schuschniggs gebeten, weil er mit uns die uns interessierenden Stellen seiner Rede durchbesprechen wollte. Neustädter war sehr stark hinter der Stilisierung, ich verhielt mich ziemlich passiv. Wie wenig es zwischen den beiderseitigen Standpunkten irgendeine Brücke gab und alles, was geschah, für alle Beteiligten höchstens ein Kampf um Zeitgewinn für die Entscheidungsschlacht bedeuten konnte, erwies sich schon wenige Tage nach dem Frontappell, bei dem Besuche des Reichsaußenministers v. Neurath vom 22. bis 24. Februar. Ich war fast sicher, daß es zu Kundgebungen kommen werde, schrieb aber dennoch in den „Wiener Neuesten Nachrichten" einen mahnenden Artikel 1 0 9 ), in welchem ich nebenbei auch Gelegenheit fand, gegen einen etwaigen Kulturkampf Stellung zu nehmen. Auch die Nazis schwuren mir bei jeder Gelegenheit, daß ihnen für Österreich jegliche derartige Absicht ferne läge. Einmal war Leopold sogar bei Innitzer, um es ihm zuzusichern. Vielleicht haben es manche unter ihnen ernst gemeint. Nach dem Anschluß brach dennoch der kirchenfeindliche Kurs mit einer Heftigkeit los, die auch im Altreich nie überboten worden war. Am 22. früh holten wir Neurath auf dem Westbahnhof ab. Die Mariahilfer Straße war von einer riesigen Menschenmasse eingesäumt, die sofort stürmische Heil-Hitler- und Sieg-Heil-Rufe losbrausen ließ. Das Auto Neuraths mußte vor dem begeisterten Andrängen der Begrüßer öfters Halt machen. Angeblich oder wirklich hatte Zernatto in der Menge auch eine vaterländische Knüppelgarde verteilt, die auf die Demonstranten einschlug. Ich fuhr als siebentes oder achtes Auto und kam eigentlich immer erst an den Brennpunkten der Kundgebungen an, als diese schon etwas abgeflacht waren. Die Empörung in den „Vaterländischen" Kreisen war außerordentlich; selbst Kienböck verlor irgendwie die Fassung, von Schmitz gar nicht zu reden (mit beiden zusammengekommen zu sein, besinne ich mich dunkel). Vorwurfsvoll waren immer die Augen auf mich gerichtet, als wäre ich der Arrangeur gewesen. Die „ R e i c h s p o s t " mahnte den Freiherrn v. Neurath: „ E r (Neurath) wird aus den Wiener Eindrücken, die er außerhalb der Konferenz sammeln konnte, wahrgenommen haben, wie berechtigt der österreichische Standpunkt ist, daß die Elemente, die sich heute auf der Straße zu Wort gemeldet haben, keine Ermutigungen empfangen dürften." Daß Neurath den ihn umbrausenden Jubel auf seine eigene Volkstümlichkeit bezogen habe, ist nicht anzunehmen. Den Besprechungen außenpolitischer Natur wurde ich - dafür sorgte schon Guido Schmidt - selbstverständlich nicht zugezogen. Ich war doch nur in der inneren Politik eingebaut! Formal durchaus richtig, dennoch hätte ich demissionieren sollen. Persönlich stattete ich Neurath am zweiten Tage seines Aufenthaltes im Imperial einen Besuch ab (zum Protokoll hätte es gehört, daß er mir diesen Besuch machte, aber auch dagegen war sicherlich Schmidt). Neurath stand sehr stark unter 1 0 9 ) Edmund Glaise-Horstenau, Ein willkommener Gast, in: W N N . v. 2 1 . 2 . 1 9 3 7 , l f . Glaise-Horstenau schrieb unter anderem: , , . . . Aber der gute Wille bei beiden Partnern ist da und es kann sich nicht um phantasielose Gleichmacherei handeln, sondern um einen möglichst intensiven Austausch von Kulturgütern, die auf dem gleichen, gemeinsamen Boden heiligen deutschen Volkstums gewachsen sind. . . . "

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dem Eindruck der „legitimistischen Gefahr", offenbar, weil er die bestimmte Absicht seines Herrn und Gebieters kannte, in einem solchen Falle vom Leder zu ziehen, was der Diplomat der alten Schule sicherlich nie und nimmer wollte. In der Tat war der Legitimismus in den letzten Wochen im innenpolitischen Kampfe Österreichs wieder sehr stark hervorgetreten, so daß sich Schuschnigg auf dem Frontappell zu einem kleinen Dämpfer veranlaßt gesehen hatte. Sonst standen im Mittelpunkt der ,,Staatsmänner"-Besprechung die kulturellen und Pressebeziehungen und wie immer, wenn „Großkopferte" nicht wissen, wo sie heraus sollen, wurde die Einsetzung von Ausschüssen beschlossen, die schon in der folgenden Woche tagten und mancherlei vereinbarten, was dann doch nicht erfüllt wurde, weil es eben auf beiden Seiten an der grundsätzlichen Bereitschaft fehlte und fehlen mußte. Einen glänzenden Rahmen für das offizielle Festessen zu Ehren des deutschen Besuchers, an dessen Seite sich auch sein Schwiegersohn v. Mackensen 110 ) samt Gattin befand, bot der herrliche Saal im Belvedere. Ich saß neben der recht netten Frau v. Mackensen, wurde dann später auch mit Neurath, Schuschnigg und Schmidt zusammen photographiert. In der glänzenden Versammlung entbehrte meine Brust eines Crachats, deren ich in den folgenden Jahren eine Menge bekam und wieder - verlor. Diese Zeilen schreibe ich am 20. November 1944 nieder, 2 Tage, nachdem in das herrliche Belvedere ein feindlicher Treffer gefallen ist! Wenn man auf den Ursprung der Dinge zurückgeht, dann kommt man auf eine Menge Gedanken! Als des anderen Tages Neurath abreiste, hatte die VF. ein Spalier zusammengeholt, das Heil-Schuschnigg- und Österreichrufe ausstieß. Haust Du meinen Juden, hau ich Deinen Juden! Neurath, ein kluger Mann, wird sich manches gedacht haben, was nicht unbedingt ins Protokoll gehört 111 ). Kurz nach der Abreise Neuraths ließ sich Mussolinis Leibjournalist Gayda 112 ), es war am 27. Februar, meinem Geburtstage, noch einmal vernehmen: Italien erkenne den Charakter Österreichs als deutscher Staat an; die Wiederherstellung der Monarchie in Österreich sei daher nicht aktuell, von einer Restauration sei weder in den römischen Protokollen noch im Juliabkommen die Rede. Das war eine neue Absage des Duce an die Österreichpolitik, die er gegenüber Dollfuß und auch noch Schuschnigg getrieben und in die er sie beide zuerst fleißig hineingehetzt hat. Ich 110 ) Hans Georg V.Mackensen (Berlin, 26.1.1918 bis 28.9.1947, Konstanz), Sohn des G F M . v. Mackensen, 1902 im 1. Gardergt., zu Fuß, 1911 in die Reserve, Jurastudium, 1918 ins Auswärtige Amt, 1933 Gesandter in Budapest, III./1937 als Nachfolger v. Bülows Staatssekretär im Auswärtigen A m t , 1.4.1938 Botschafter beim Quirinal, 2.8.1943 ins Führerhauptquartier abberufen, IX./1943 zur Disposition gestellt, I./1945 verabschiedet. Verheiratet 1926 mit Winifred, geb. Freiin v. Neurath. ln ) Vgl. über den Besuch vom 22./23.2.1977 die Programme und Communiqués in N P A . , Präsidium, Kart. 1, fol. 155-164. m ) Virginio Gayda (Rom, 12.8.1885 bis 14.3.1944, R o m , anläßlich eines Luftangriffs), Absolvent der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Turin, ab 1908 Reporter bei „ L a Stampa", Reisen, im 1. Weltkrieg Presseattaché in St. Petersburg, 1921 Chefredakteur von „ I i Messaggero" und 1926 von „II Giornale d' Italia", Beiträge im faschistischen Magazin „Gerarchia"; inoffizielles Sprachrohr des ital. Außenministeriums, 25. 7.1943 von der Chefredaktion enthoben.

Der Sturz Neustädter-Stürmers

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erinnere in diesem Zusammenhang an einen Artikel, den - wenn ich nicht irre Mussolini 1935 geschrieben hat und in welchem er unter Berufung auf Katholizismus und starken Einfluß der italienischen Kultur aus Österreich nachgerade ein neues Noricum gemacht hat. In der Serie von Verratsakten, von denen die italienische Geschichte angefüllt ist, ist die Österreich-Politik Mussolinis ein bemerkenswertes Kapitel. Adolf Hitler war selbst noch am 11. März davon überrascht, wie sein Telegramm bewies: ,,Duce, das werde ich Ihnen nie vergessen!" 113 ). In diesen Tagen war auch der alte Geßler aus München in Wien. Es war irgendeine Veranstaltung der Deutsch-Österreichischen Arbeitsgemeinschaft, der ich natürlich beiwohnen mußte. Mir war der alte Herr immer sehr sympathisch. Er sagte unter anderem: „Wissen Sie, ich habe mich während meiner Ministerschaft immer als Prellbock für Seeckt gegenüber den Parteien gefühlt." Im übrigen machte er kein Geheimnis daraus, bayrischer Legitimist zu sein; er wolle in ein blauweißes Tuch gewickelt in den Sarg gelegt werden. Während ich diese Zeilen schreibe, ist er verhaftet. Im März bereitete sich der Sturz Neustädter-Stürmers vor. Die Reichspost schrieb, daß das Ereignis „seit langem erwartet" wurde. Ich erfuhr natürlich bis knapp zur Demission nur gerüchteweise. Ich habe für Neustädter nie viel übrig gehabt. Er hat wohl ganz große politische Zibeben im Kopfe herumgetragen, siehe eben Deutschsozialer Volksbund, dessen Schöpfung auf dem Papiere noch immer nicht aufgegeben war, der aber natürlich nie entstand. Dagegen hat er auf seinem ureigensten Gebiet, wo er im Sinne der Befriedung, des Haltens der Situation und der Wiederherstellung des Rechtes wirklich viel hätte tun können, auf dem des Sicherheitswesens, wirklich nicht das geringste gemacht. Seine Unproduktivität im Bereiche der Ausnahmsgesetzgebung wurde bereits erwähnt. Aber auch auf dem Gebiete der polizeilichen Personalpolitik, auf dem wirklich mancherlei selbst ohne Gefährdung des Systems hätte gemacht werden können, hat er nicht das geringste beigetragen; keiner von den wirklich bösartigen Sicherheitsdirektoren ist abgesägt worden, die Polizeipraxis ist unverändert geblieben. Bitte: es ist aus dem Blickfeld der Erfolgmöglichkeiten des Juliabkommens nachträglich stets die Frage zu stellen, ob das ganze überhaupt einen Sinn gehabt hat. Aber wenn man schon so große Pläne wie Neustädter mitbrachte, die absolut auf positive Ziele im Geiste des Juliabkommens hinausliefen, dann hätte er in seinem Ressort reichlich Gelegenheit zu erfolgversprechender Kleinarbeit gehabt. Er war eben nur ein Ehrgeizling. Dennoch mußte natürlich ein Sturz Neustädters nicht nur der nationalen Politik einen Stoß versetzen, sondern auch meiner persönlichen Position; nur zu leicht 113 ) Vgl. D. Wagner - G. Tomkowitz, Ein Volk, ein Reich, ein Führer! Der Anschluß Österreichs 1938, München 1968, 224f. Diese Passage fiel in einem Telefongespräch zwischen dem Kurier Hitlers, Prinz Philip von Hessen, der am 11.3.1938 mit einem Brief an Mussolini, welcher die Mitteilung vom Entschluß zum Eingreifen in Österreich enthielt, in Rom angelangt war. Nach der Ubergabe des Briefes und der Rückkehr des Prinzen in die deutsche Botschaft, zwischen 22.25 Uhr und 22.29 Uhr, berichtete Philipp v. Hessen kurz sein Gespräch mit Mussolini und daß dieser zuletzt gesagt hätte, Österreich wäre für ihn eine „abgetane Angelegenheit". Darauf antwortete Hitler: „Dann sagen Sie Mussolini bitte, ich werde ihm das nie vergessen." Hessen: „Jawohl." Hitler: „Nie, nie, nie, es kann sein, was sein will. Ich bin jetzt auch bereit, mit ihm in eine ganz andere Abmachung zu gehen." . . .

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kam ich in den Geruch eines Klebers. Hier möchte ich eine Bemerkung einfügen. Der Ministerberuf ist ein sehr schwieriges und meist auch undankbares Geschäft. Aber wenn mir einer meiner Kollegen von damals oder später mit einem tiefen Seufzer erklärte, wie froh er wäre, der schweren Last los zu sein, so nannte ich ihn stets mehr oder minder unverblümt einen Mann, der sich mindestens selbst beschwindeln will. Es ist nämlich nicht nur schön, an der Macht zu sein, sondern auch die äußeren Verhältnisse des Lebens, Auto etc., sind zu angenehm, als daß man sich gerne trennen würde. Die Zahl der Minister, die begeistert von ihrem Amte abtreten, ist sicherlich in der ganzen Weltgeschichte sehr gering. Ich ließ bei Neurath anfragen, ob eine Demission meinerseits im Zuge der gemeinsamen Politik gelegen wäre. Er verneinte es. Dennoch hielt ich es für nötig, Schuschnigg auf die nachteiligen Folgen eines Sturzes von Neustädter für meine Position aufmerksam zu machen und eine Reihe von Forderungen zu stellen, die diesen Nachteil einigermaßen wettmachen sollten. Die Gespräche verliefen zum Teil unerfreulich, manchmal hätte meinerseits ein Tropfen in den Becher genügt, um mein Verbleiben unmöglich zu machen. Übrigens versprach mir Schuschnigg eine Menge, doch hielt er so gut wie nichts. Innerlich begann er sich bereits auf Seyß umzustellen, mit dem er anfangs Februar auf Betreiben Schmidts - ich glaube mich in der Zeit nicht zu irren - eine Unterredung unter vier Augen hatte 114 ). Drei Viertel der gewidmeten Stunde wurden, wie mir Seyß später erzählte, Beethoven eingeräumt, ein Viertel der hohen Politik. Die beiden Charaktere ähnelten einander außerordentlich stark, sie fanden sich weitgehend, wobei allerdings Seyß seinen Partner weit mehr „hineinlegte" als dieser den anderen. In jenen Wochen tauchte auch der Gedanke auf, Seyß die Leitung der volkspolitischen Referate zu übertragen. Als die „Leopoldiner" von dieser Absicht hörten, waren sie fuchsteufelswild, denn niemand wurde von ihnen mehr gehaßt als eben Seyß-Inquart; das dauerte bis zum Ende Österreichs. Knapp vor dem Rücktritt Neustädters fand in Wr. Neustadt eine mit der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht zusammenhängende Ausmusterung statt, an der Zehner, Neustädter (im Zylinder) und ich teilnahmen. Als höchster Repräsentant des Staates erschien der Bundesmikolas in eigener Person feierlich und pathetisch wie immer. Durch die militärischen Reden, die in dieser Zeit offiziell abgehalten wurden, klang immer wieder die Verteidigung der österreichischen Unabhängigkeit durch, wobei als präsumtiver Feind selbstverständlich ausschließlich das Deutschland Hitlers in Betracht kam. Ich habe auch mit Schuschnigg oft über diesen Gegenstand gesprochen und zwar schon um Weihnachten 1934. Erstens erschien mir ein solcher Bruderkampf vom österreichischen Standpunkt aus wenig aussichtsvoll, öfter meinte ich, kein österreichisches Gewehr werde gegen Deutschland losgehen. Zweitens hielt ich die Behauptung einer österreichischen Neutralität für den Fall 114

) Vgl. Rosar, 121. Danach hätte gemäß den Erinnerungen Zernattos die erste Zusammenkunft „im letzten Drittel des Monats März" in dessen Wohnung stattgefunden. Der erste persönliche Kontakt sei nach Rosars Forschungen - am 12.2.1937 zustandegekommen, da Seyß anwesend war, als Jury die Erklärung der Landesleitung über die Akzeptierung der Unabhängigkeit Österreichs abgab.

Der Sturz Neustädter-Stürmers

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mitteleuropäischer Verwicklungen als völlig ausgeschlossen. Drittens brachte ich das idealistische Motiv zur Geltung, daß die Deutschen Österreichs in einem Schicksalskampf der Nation nicht abseits bleiben könnten, wollten sie mit dieser nicht jeden seelischen Zusammenhang verlieren. Ich dachte dabei natürlich an einen nicht von uns vom Zaun gebrochenen Krieg. Auch sonst habe ich seither in mancher Beziehung wesentlich umgelernt. Der Anschluß Österreichs an das Reich, die Schicksalsgemeinschaft mit diesem hatte nur Sinn gegenüber einem Reich, das die österreichische Eigenart zu erhalten geneigt war und ihr Entfaltungsmöglichkeiten nach außen und innen zugunsten der Nation zu bieten vermochte. Das völlige Aufgehen und Verschwinden im Schmelztiegel nationalsozialistischer Unifizierung und Gleichmacherei war für alle Beteiligten von größtem Übel. Schuschnigg, Zehner und der Generalstabschef, mein Jahrgangskamerad aus der Kriegsschule Feldmarschalleutnant Jansa v. Tannenau, der als mehrjähriger Militärattache in Berlin ein sehr hartes Urteil über den Nationalsozialismus heimgebracht hat, dachten nun allerdings bei ihren Verteidigungsplänen wider Deutschland nicht daran, daß Österreich ewig allein auf dem Schlachtfelde bliebe, sondern daß sich Bundesgenossen, vor allem die Tschechoslowakei, dann aber auch die Westmächte einstellen würden, - eine, wie sich später erweisen sollte, absolut falsche Rechnung. Mir war bei meinem Idealismus der Gedanke an einen neuen Bruderkrieg unerträglich - im Gegensatz zu einzelnen Kreisen in Deutschland. Bei Beurteilung der Lage machte ich dabei von Anbeginn einen Gedankenfehler. Ich sah in der Anschlußfrage und allem was damit zusammenhing, eine nationale Frage schlechtweg, die herrschenden Kreise im Reich jedoch eine nationalsozialistische Angelegenheit, bei der jeder, der nicht so dachte, sich auch außerhalb der Nation stellte. Was hatte ich schon für eine Ahnung von der Totalität! Nun zurück zum Sturze Neustädters, der sich am 20. März, für ihn selbst, wie es scheint, völlig überraschend vollzog. Skubl, Polizeipräsident von Wien, um einige Jahre älter als ich, in ferner Jugend aus nationalen Kreisen kommend, wurde unter dem Sicherheitsminister Schuschnigg Staatssekretär für dieses Ressort. Am Tage des Rücktrittes Neustädters hatte ich mit diesem eine sehr unangenehme Auseinandersetzung, die zugleich das letzte Gespräch zwischen uns im Leben war. Neustädter war der bestimmten Meinung, daß im Zusammenhang mit seinem Sturz durch ganz Österreich eine Demissionswelle in allen betont nationalen Positionen gehen werde. An der Spitze hätte natürlich ich zu stehen gehabt. Er war außerordentlich enttäuscht, als ich ihm keine Gefolgschaft leistete, und hielt mit harten Urteilen darüber nicht zurück. Er gehe jede Wette ein: Österreich werde in ein paar Monaten völlig eine Beute des politischen Katholizismus sein! Neustädter und ich hatten bis in jene peinliche Stunde in seinem roten Salon gegen die Herrengasse eigentlich noch nie ein weltanschauliches Gespräch geführt. Umsomehr wunderte ich mich, bei diesem alten Beamten und Sohn einer alten Offiziers- und Beamtenfamilie derart altliberale Begriffe und Sorgen anzutreffen. Wir schieden als Fremde 1 1 5 ). 11S

)

Vgl. dazu Rosar, 116f., 124, 162.

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Neustädters Bekümmernisse hatten sich als unbegründet erwiesen. Er selbst war, wie schon bemerkt, während seiner ersten Ministerschaft in peinlicher Weise in die Geschehnisse vom 25. Juli 1934 verwickelt gewesen und hat den „Kanzlerputschisten" das bekannte Ehrenwort gegeben, das dann die neue Regierung Schuschnigg wegen des Dollfußtodes zurücknahm. Offenbar war es die unberechtigte Furcht vor einer Verhaftung, die ihn im Frühjahr 1938 zum Selbstmord trieb. Ich hatte ihn in meinem Leben nicht mehr gesehen. In den Frühling fiel noch eine eigenartige Begegnung. Eines Tages meldete sich der frühere Vizekanzler Fürst Starhemberg telephonisch 1 1 6 ). Wir verabredeten, uns in seiner Wohnung zu treffen, die sich irgendwo im vierten Bezirk befand. Ich hatte Gelegenheit, die Bücherei des Fürsten zu besichtigen und muß sagen, daß sie dem Ernst und dem Wissensdurst des Besitzers ein recht gutes Zeugnis ausstellte; das spätere Gespräch zeigte mir, daß die Bücher nicht nur in ihren Regalen standen, sondern von ihrem Inhaber auch gelesen wurden. Das Essen wurde mit einer großen Überraschung eingeleitet. Starhemberg sagte mir: „ I c h bin für den Anschluß!" Ich fragte ihn: „Warum hast D u das nicht früher gesagt?" Er hielt mir nun einen Vortrag, wie er für Menschen seiner Art immer charakteristisch ist, die die Dinge so sehen, wie sie sie im Augenblick sehen wollen. Selbständigkeit Österreichs hin, Selbständigkeit her - es gäbe jetzt nur eine Weltgefahr, das sei der Bolschewismus. Dem gegenüber müsse Deutschland so stark gemacht werden, als es ginge. Und dann kam der eigentliche Anlaß der Einladung: O b ich nicht Gelegenheit fände, ihm eine Vorsprache bei Hitler zu verschaffen! So weit war also dieser Recke schon, daß er nun gegenüber dem Manne, den er einmal geschätzt, dann aber nach allen Richtungen vor der breitesten Öffentlichkeit geschmäht hatte, zu Kreuz kriechen wollte. In Wirklichkeit war die Nase Ernst Rüdigers nicht umsonst so lange, sie hatte auch einen guten politischen Geruchsinn. Der Fürst erkannte offenbar, wohin Österreichs Kurs unentrinnbar gelenkt war. Er wollte den „Anschluß" nicht versäumen, bildlich und wortwörtlich gesprochen. Bei meinem Berliner Besuch, der unmittelbar bevorstand, kam ich gegenüber Hitler auf Starhembergs Bitte nicht zu sprechen. Ich hatte vorher bei verschiedenen Persönlichkeiten und nachher auch bei Himmler Fühler ausgestreckt und war überall auf Ablehnung gestoßen. Es wäre doch interessant gewesen, auch mit Hitler über die Sache zu sprechen. Starhemberg war bekanntlich Schlesienkämpfer gewesen und hatte den 9. November 1923 in München beim Bund Oberland mitgemacht; der letzteren Tatsache wegen hätte er Anspruch auf den „ B l u t o r d e n " gehabt, den zum Beispiel alle Angehörigen der Münchener Infanterieschule erhalten hatten. Als er mit mir unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung in Wien beim Deutschmeisterball einzog, stellte er Hitler das wunderbarste Zeugnis aus; nur seine Umgebung sei schlecht. Hitler hat - ich wiederhole mich hier bewußt, - am 10. Juli 1936 auf dem Obersalzberg zu mir gesagt: „ D e r Juli 34 war ein schwerer Fehler" - am 19. April 1 1 6 ) Zu Starhembergs Aktivitäten nach seinem Sturz vgl.: L . Jedlicka, Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg und die politische Entwicklung in Österreich im Frühjahr 1938, in: L . J . , V o m alten zum neuen Österreich. Fallstudien zur österreichischen Zeitgeschichte 1900-1975, St. Pölten 1975, 2 8 9 - 3 1 0 .

Die Haltung Starhembergs 1937

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1937 sagte er dann sogar „schwerster Fehler" - „ich hätte mit Starhemberg oder Dollfuß (bezeichnend die Reihenfolge) einen Ausgleich machen sollen." Auch in der Nacht zum 10. März 1938 blieb in der Reichskanzlei Hitler plötzlich vor mir stehen und meinte: „Was macht eigentlich der Starhemberg?" Ich antwortete nach meiner Überzeugung: „Mein Führer, mit dem Mann kann man in der inneren Politik Österreichs nichts mehr anfangen." Immerhin hatte der Fürst eine Woche zuvor aus der Schweiz an seinen Schwager, den Grafen Rudolf Hoyos 1 1 7 ) (Präsidenten der Bundesversammlung) geschrieben, der Anschluß stünde unmittelbar bevor. Er hätte vielleicht den Unsinn mit der Volksabstimmung nicht begangen. Dennoch gelang es ihm nicht, in die Heimat zurückzukehren. Die Absicht scheiterte an der SS und ihren Führern, die Sympathie Hitlers konnte nicht helfen. Auch die Mutter, Fürstin Fanny, geborene Gräfin Larisch 118 ), eine feine Frau, mit der sich immer gut sprach, mußte ins Exil ins Teschener Ländchen nach Kunschitz. Graf Georg 119 ) allerdings vermochte die Güter irgendwie zu retten - ob auf Dauer, weiß ich nicht. Ernst Rüdiger sah man zu Beginn des Krieges in der Uniform eines britischen Fliegers abgebildet. Er ging dann, so viel ich höre, nach Amerika und schrieb auch ein Buch „Zwischen Hitler und Mussolini" 120 ), das ich leider nicht besitze. Es wäre bei der Elastizität seines Geistes sicherlich nicht uninteressant. „Ernstl" war ein Condottiere mit allen guten und noch viel mehr schlechten Eigenschaften. Seipel hatte irgendwie eine Affenliebe für ihn. Für den April bereitete sich ein großes Ereignis vor. Ich sollte als Gast des Feldmarschalls Blomberg in Potsdam an der Vollendung der Organisation der Heeresarchive teilnehmen und dabei auch sonst verschiedene Besuche etc. abstatten. Natürlich war ich auch bei Hitler angesagt. Als meinen Begleiter nahm ich, zum Schmerze Kramsalls, meinen alten Freund Kiszling als Direktor des österreichischen Kriegsarchivs mit. Die Präludien zu meinem Besuche waren auf dem Gebiete der Innenpolitik nicht gerade großartig. Ein Fall störte den nach dem Neurathbesuch angeblich hergestellten „Pressefrieden". Ein Ehepaar aus Morzg bei Salzburg - der Mann war pensionierter Bundesbahnbeamter - war am 1. November 1936 dabei ertappt worden, als es am Grabe der Eltern Hitlers in Leonding bei Linz einen Kranz niedergelegt hatte. Es war damals mit einer Geldstrafe von S 250,- wegen staatsfeindlicher Demonstrationen belegt worden. Nunmehr wurde der Bundesbahnbeamte am 8. April

117 ) Rudolf Ernst Graf Hoyos-Sprinzenstein (Gutenstein, 4. 7.1884 bis 28.4.1955, Horn), Gutsbesitzer, Angehöriger des nö. Heimatschutzes, 1934-1938 Staatsrat, Präsident des Bundestages, Vorsitzender der Bundesversammlung und des Staatsrates. 118 ) Franziska Fürstin Starhemberg, geb. Gräfin Larisch v. Moennich (Wien, 24.10.1875 bis 27.4.1943, Bad Darkau, Oberschlesien), im 1. Weltkrieg Tätigkeit im Roten Kreuz, ab 1919 Ausschußmitglied der ö s t . Gesellschaft vom Roten Kreuz, ab 1914 Präsidentin der Katholischen Frauenorganisation, 1920-1931 Mitglied des Bundesrates, Mitglied der Landesparteileitung der Christlichsozialen Partei in O ö , 1936 im Führerrat der VF., 1938 vorübergehend verhaftet. Vgl. Heidrun Deutsch, Franziska Fürstin Starhemberg, eine Biographie, Wr. ungedr. Diss. 1967. n9 ) Georg Adam Graf Starhemberg (geb. Eferding, 10.4.1904), Bruder Ernst Fürst Starhembergs. 120 ) Prince Starhemberg, Between Hitler and Mussolini, London 1942.

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1937 seiner Pension für verlustig erklärt. Das war natürlich gegenüber dem Mächtigen eine ganz große Dummheit, die ihn noch persönlich treffen mußte. Ein unerhörter Sturm ging durch den deutschen Blätterwald. Die ganzen, seit dem Juliabkommen zugelassenen reichsdeutschen Zeitungen wurden an einem Tage konfisziert. Die österreichische „Politische Korrespondenz" erklärte das Vorgehen der deutschen Presse für einen „schweren Verstoß" gegen das Juliabkommen; das Handeln der österreichischen Behörden sei richtig und korrekt gewesen und werde von der Bundesregierung voll gedeckt. Ich war in bezug auf diese Deckung nicht gefragt worden, obgleich ich Mitglied dieser Regierung war. Wenn man eine Politik des Juliabkommens machen wollte, dann mußte man auf solche Nadelstiche verzichten. Glücklicherweise hat Adolf Hitler wenig Familiensinn, so daß ihn diese Angelegenheit weniger traf als eine der üblichen Attacken auf das von Reichsdeutschen befehlsgemäß gern zur Schau getragene Hakenkreuz oder wegen des „deutschen Grußes" 1 2 1 ). Eine zweite Angelegenheit fiel, soweit ich mich erinnere, auch noch in diese Zeit. Die Nazi des Siebener Ausschusses hatten sich schon in ihren Büros in der Teinfaltstraße keine übermäßigen Hemmungen hinsichtlich ihres Parteibekenntnisses auferlegt. Aber es genügte nicht. Sie taten in irgendwelchen Hofräumen der Helferstorferstraße noch ein Geheimbüro auf, das eines Tages die Polizei, den Wegen zwischen Teinfalt- und der Helferstorferstraße nachspionierend, aushob 1 2 2 ). Das Material erwies vor allem zahlreiche Zusammenhänge nicht nur mit der Emigration im Reich, sondern auch mit offiziellen reichsdeutschen Parteistellen und sogar mit dem unter der Chiffre R. H . auftretenden Rudolf Heß. Die Angelegenheit war natürlich für den „ G a r a n t e n " des 11. Juli äußerst unangenehm und dieser, meine Wenigkeit, hielt auch mit seinen Auffassungen gegenüber den illegalen Parteigenossen nicht zurück. Besonders gravierend war die reiche materielle Hilfe, die aus dem Reich zur Stützung „subversiver" Bestrebungen zufloß. Das dritte Stimmungselement, mit dem ich in Berlin zumal bei Hitler rechnen mußte, war die in jenen Tagen von Pius X I . verkündete Enzyklika „ M i t brennender Sorge", die natürlich in den antikirchlichen Kreisen Berlins große Aufregung hervorrief 1 2 3 ). Ich war nie illegales Parteimitglied, weil, wie ich nachher einmal dem Innenminister Frick sagte, mir Verschwörertum als altem Offizier nicht lag und ich wirklich ehrlicher Makler bleiben wollte. Deshalb verschmähte ich es auch, mir nach meiner Einreihung in die SA silberne Kampfstreifen aufzunähen, wie es zum Beispiel Franz Hueber oder Fritz Wimmer taten. Zum Parteimitglied wurde ich durch meine Berufung in den Reichstag ernannt, die mir, wie ich gestehen muß, allerdings wegen

1 2 1 ) Vgl. D Ö W . N r . 6134: Glaise-Horstenau an Baar-Baarenfels, Wien, 14.10.1936. Er meinte, er halte in der „ G r u ß f r a g e eine mildere Regelung" für notwendig. Die Begrüßung reichsdeutscher Autos müßte nicht als parteipolitische Äußerung aufgefaßt werden, man könnte in ihr eine Zustimmung zur Politik des 11. Juli, und damit auch des Kanzlers, erblicken. 1 2 2 ) Erst im Mai 1937 wurde im H a u s 1. Bezirk, Helferstorferstraße N r . 2 - 4 ein Büro der Landesleitung der N S D A P ausgehoben und ein umfangreiches Aktenmaterial beschlagnahmt. Vgl. Rosar, 125. 1 2 3 ) Am 14.5.1937 veröffentlicht.

B e s u c h in Berlin A p r i l 1937

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der finanziellen Vorteile angenehm war. Als Junggeselle stand mir nach meiner Pensionierung ein überaus schmales Einkommen bevor. Mitte April startete das mir vom Reich zur Verfügung gestellte Flugzeug auf dem Flugfelde Aspern 1 2 4 ). Von der Regierung war niemand zugegen. Als mein Ehrenkavalier war mir der deutsche Militärattache Generalleutnant Muff zugeteilt, dem sich in Berlin Generalstabsmajor v. Papenheim 1 2 5 ) von der Attacheabteilung zugesellte. Wir erhielten im Hotel Esplanade ein Appartement, das fast ein Stockwerk einnahm. Die Reihenfolge der Besuche und Veranstaltungen ist mir nicht mehr gegenwärtig. Ich werde ihre Tatsache zu rekonstruieren versuchen. Einer der ersten Akte war die Kranzniederlegung beim Ehrenmal. Eine Ehrenkompanie stand „ a u f g e b a u t " samt Musik. Muff zwang mich, meinen Grünen Federbusch aufzusetzen. Es war das letztemal, daß ich es tat. Stadtkommandant war General Seifert 1 2 6 ), den ich noch bei meiner Zuteilung zum O K W 1939 wiedertraf. Sein Nachfolger, Generalleutnant v. Hase 1 2 7 ), wurde nach dem 20. Juli aufgehängt. An Staatsbesuchen machte ich einen bei Frick (da er als Innenminister mein engerer Kollege war). Er erzählte mir mancherlei über die Reichsreform, zu der es nie gekommen ist, und machte auf mich wirklich einen guten Eindruck. Ins Hotel zurückgekehrt, fand ich dort im silbernen Rahmen sein Bild vor. Dieses Bilderschenken ist eine eigenartige Gewohnheit der führenden Nationalsozialisten. Einen Besuch stattete ich Goebbels 1 2 8 ) ab. Ich trat bei ihm mit den Worten ein: „ S i e sehen, ich wage mich sogar in die Höhle des L ö w e n ! " Josef hat bekanntlich gar keinen Sinn für Humor und verstand auch nicht, daß er für einen Österreicher ein besonders gefährliches Tier war. Wir besprachen die Möglichkeiten eines Pressefriedens, wobei ich auf die für Österreich gegebene Notwendigkeit, in kulturpolitischen Fragen in gewisser Freiheit schreiben zu dürfen, hinwies. Ich gedachte dabei besonders der Reichspost. Gleich am ersten Vormittag absolvierte ich die Meldungen bei Blomberg und General der Artillerie v. Fritsch 1 2 9 ). Wir saßen in der Bendlerstraße bei Fritsch an 1 M ) Der inoffizielle Besuch Glaise-Horstenaus in Berlin fand vom 15.4.1937 bis 21.4.1937 statt. Vgl. das Programm in B G H . 3193/37. 1 2 s ) Friedrich Rabe v. Pappenheim (Münster, 5.10.1894 bis ?), 1.8.1914 als Fahnenjunker Eintritt in preuß. Armee, Übernahme in die Reichswehr, div. Genstabsverwendungen, 1.10.1937 Militärattache in Brüssel (bis 10.5.1940), 1.1.1938 Obstlt., 10.6.1940 Kdr. IR. 463, 5.10.1940 Kdr. IR. 436, 1.11.1940 Obst., 1.11.1941 Militärattache Budapest, 1.8.1943 Gen.Mjr., 13.12.1943 Kdr. 97. J g . Div., 1.7.1944 Gen.Lt. 1 2 6 ) Ernst Seifert (Würzen, 15.9.1884 bis 1946, Lazarett Heiligenhofen), Offizier, 1.10.1935 Kdr. IR. 67, 1.1.1937 Gen.Mjr., 1.3.1937 Kmdt. v. Berlin (bis 25.11.1940), 1.8.1938 Gen.Lt., 10.12.1940 bis 2.4.1942 Kdr. 110. I D . , 1.5.1942 bis 8.5.1945 Inspekteur W. E. I. Homburg. 1 2 7 ) Paul v . H a s e (Hannover, 24.7.1885 bis 8.8.1944, hingerichtet in Berlin-Plötzensee), 15.11.1940 bis 20.7.1944 als Gen.Lt. Kmdt. v. Berlin. 1 2 S ) Aus der Sicht eines ehemaligen österreichischen „Katholisch-Nationalen" vgl. zu seiner Person besonders: V. Reimann, Dr. Joseph Goebbels, Wien-München-Zürich 1971. » « ) Werner Frh. v. Fritsch (Benrath, 4.8.1880 bis 22.9.1939 bei Praga), 1898 Eintritt ins Heer als Fahnenjunker, 1.2.1934 bis 4.2.1938 Chef der Heeresleitung, 1.4.1936 Gen.Obst. Vgl. G . Brausch, Der Tod des Generalobersten Werner Freiherr von Fritsch, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Heft 1/1970, 95-112.

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einem runden Tisch. Da leistete sich Kiszling ein gelungenes Stückel. Wir sprachen von Hitler. Da meinte der Wackere ganz ohne Emotion: „Hitler, das ist doch ein Hysteriker!" Muff und ich gaben dem Sprecher je einen Tritt auf das Schienbein und ich beeilte mich, den Eindruck des Ausspruches möglichst rasch zu verwischen. Was sich Fritsch gedacht haben mag, weiß ich nicht. Blomberg war jedenfalls, ohne es zu zeigen, indigniert, er war damals noch gegenüber dem Führer der „ G u m m i l ö w e " oder - nach einem viel gezeigten Film - der „Hitlerjunge Quex". An einem Vormittag spielte sich der Staatsakt ab, dessentwegen ich formell eingeladen war. Wir wurden ins Reichsarchiv in Potsdam entboten, wo sich der neue Chef der Heeresarchive Generalleutnant Dr. h . c . von Rabenau 1 3 0 ) zum erstenmal in seiner neuen Funktion repräsentierte 1 3 1 ). In der ersten Reihe saßen Rabenau, Fritsch, Frick, Blomberg, ich. Ohne eitel zu sein, glaube ich, daß ich mich in meiner alten Generalstabsuniform mit dem Großkreuz des ungarischen Verdienstordens und dem EK I am besten ausgenommen habe. Von der ersten Reihe ist in dem Augenblick, in welchem ich dies schreibe, Rabenau wohl noch eingesperrt - mindestens war er es - Fritsch als Chef seines Regiments im Polenfeldzug gefallen. Blomberg in die Versenkung geraten. Hinter mir saß der erste Präsident des Reichsarchivs, General v. Mertz 1 3 2 ), dessen Sohn am 20. Juli 1944 erschossen worden ist. Wie viel Tragödien doch solch eine dynamische Zeit mit sich bringt! Ich bin für die Statik; das ist vielleicht unhistorisch. Aber wer könnte - selbst auf Befehl - aus seiner Haut! Nach dem Festakt wurde eine Ausstellung besichtigt, deren Clou die schriftliche Zuerkennung des EK I an den ewigen Gefreiten Adolf Hitler, Datum, wenn ich nicht irre, 15. August 1918, war. Bekanntlich gab es während der Kampfzeit eine Polemik gegen das rechtmäßige Tragen dieser Auszeichnung durch den Führer 1 3 3 ).

1 3 0 ) Friedrich v. Rabenau (Berlin, 1 0 . 1 0 . 1 8 8 4 bis 13. oder 1 4 . 4 . 1 9 4 5 , von SS im K Z Flossenbürg erschossen), 1903 Eintritt in die Armee als Fahnenjunker, 1904 Lt., Genstabsdienst im Weltkrieg, Reichswehr, 1 . 1 2 . 1 9 3 2 Kmdt. v. Breslau, dort Vorlesungen an der Univ., 1 . 1 0 . 1 9 3 4 G e n . M j r . , 1 . 1 0 . 1 9 3 4 Insp. WEI. Münster, 1 . 1 . 1 9 3 7 Gen.Lt., 1 . 4 . 1 9 3 7 Chef der Heeresarchive, 1 . 9 . 1 9 3 9 Kdr. 73. ID., 1 . 1 2 . 1 9 3 9 wieder Chef der Heeresarchive, 31. 8 . 1 9 4 3 verabschiedet, Theologiestudium, XI./1943 Licentiat der Theologie, ab 25. 7 . 1 9 4 4 Haft. Zahlreiche Aufsätze, Herausgeber der Erinnerungen Seeckts „ A u s meinem Leben", 1. Bd. 1938, 2. Bd. 1942; Vgl. G . Strutz, Nachruf auf Friedrich v. Rabenau, in: Der Archivar, 9. Jg. 1956, 1 3 3 f f . 1 3 1 ) Rabenau übernahm mit 1 . 4 . 1 9 3 7 das neu geschaffene dem Chef des Generalstabes des Herres direkt unterstellte A m t des Chefs der Heeresarchive. Es unterstanden ihm dabei die Heeresarchive Dresden, München, Potsdam und Stuttgart. Vgl. F . - C h r . Stahl, Die Organisation des Heeresarchivwesens in Deutschland 1 9 3 6 - 1 9 4 5 , in: Aus der Arbeit des Bundesarchivs (Schriften des Bundesarchivs, Bd. 25), Boppard/Rhein 1977, 6 9 - 1 0 1 , bes. 78. Die feierliche Amtseinführung fand am 16. April in Potsdam statt. 1 3 2 ) Hermann R. Mertz v. Quirnheim (Ansbach, 1866 bis 5 . 1 . 1 9 4 7 , Blankenburg im Harz), ab 1889 bayr. Offizier, 1908 Lehrer an der Bayerischen Kriegsakademie, ab 10. 8 . 1 9 1 6 als Oberst Abteilungschef in der D O H L . (Operationen auf dem Balkan und im Orient), wahrscheinlich 1919 Oberquartiermeister für Kriegsgeschichte im Großen Generalstab, Mitarbeiter Hindenburgs bei der Abfassung seiner Lebenserinnerungen, 1919 Präsident des Reichsarchivs, 1920 Gen.Mjr. a . D . , 1925 Dr. h . c . , 1 . 1 1 . 1 9 3 1 Ruhestand. Sein Sohn: Albrecht R. Mertz v. Quirnheim (? bis 20. 7 . 1 9 4 4 , Berlin), Oberst d. G . , Freund und Mitarbeiter sowie Mitverschwörer Claus Graf Schenk v. Stauffenbergs.

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An einem Abend war ich als Gast bei Blomberg auf dem Tirpitzufer. Eingeladen waren noch Neurath und der Generalleutnant Keitel 1 3 4 ), Chef des Truppenamtes, ein Jahr darauf schon Chef des O K W in der neuen Organisation der obersten Kommandobehörden. Die Diskussion verlief angeregt, ohne daß mir besonderes haften geblieben wäre. Nur an eines erinnere ich mich. Bei Tisch kam ich, neben Blomberg sitzend, auf die kürzlich veranstaltete Versöhnung zwischen Hitler und Ludendorff zu sprechen. Ich meinte zu Blomberg: „ H e r r Feldmarschall, ich wette, in einem Jahre ist die ganze Sache wieder in Fetzen gegangen." Blomberg meinte: „Sie können recht haben. Während des entscheidenden Gespräches in Tutzing wartete ich auf den Führer im Vorzimmer. Als ich ihn verabredungsgemäß nach einer Stunde abholte, sagte er: ,Gut, daß Sie gekommen sind, es ist schon wieder hart auf hart gegangen'." 1 3 5 ) Ludendorff starb bekanntlich schon im Dezember darauf. Den Höhepunkt meines Berliner Aufenthaltes bildete naturgemäß die Audienz bei Hitler. Sie fand am 19. April, einen Tag vor seinem 48. Geburtstag, statt. Unter meinen Papieren befindet sich wahrscheinlich auch der Zettel, mit dem ich zum Führer hineinging. Ich will mich bemühen, hier das Wichtigste wiederzugeben von einer Vorsprache, die anderthalb Stunden währte. Die Zwiesprache vollzog sich recht angenehm. Hitler redete wie immer mit Begeisterung, ließ aber auch mir jede Möglichkeit, meine Äußerungen zum Besten zu geben. Ich darf dabei sagen, daß ich trotz mancher heikler Gespräche als durchaus selbstbewußter Österreicher geredet habe. Zuerst gratulierte ich zum Geburtstag und bedankte mich für das , , J o doform-Großkreuz" (Stern vom Roten Kreuz), das mir Blomberg am Vorabend überreicht hatte. Sachlich war ich ehrlich bemüht, der Position Schuschniggs zu helfen. Ich erläuterte, daß sich seine Politik auf drei Säulen stütze. Die ersten zwei seien wohl der Katholizismus und der Legitimismus. Daneben gäbe es aber noch eine durchaus festgefügte Säule, ein Nationalgefühl, das allerdings stark romantisch durchsetzt 1 3 3 ) Hitler wurde am 4 . 8 . 1 9 1 8 mit dem E K I ausgezeichnet. D i e Auszeichnung wurde durch Regimentsbefehl am 8 . 8 . 1 9 1 8 bekanntgegeben. Vgl. über die Umstände und über die sich später entwickelnden Gerüchte, die stark darauf zurückzuführen sind, daß den Vorschlag zur Verleihung der jüdische R e gimentsadjutant gemacht hatte: W . Maser, Adolf Hitler, Legende, M y t h o s , Wirklichkeit, München 1971, 138 ff. 1 3 4 ) Wilhelm Keitel (Helmscherode bei Gandersheim, 2 2 . 9 . 1 8 8 2 bis 1 6 . 1 0 . 1 9 4 8 , hingerichtet in N ü r n b e r g ) , 9 . 3 . 1 9 0 1 nach dem Abitur zum niedersächs. F A R . 4 6 , 1915 als H p t m . in den G r o ß e n G e n stab., div. Ia-Stellungen, 1919 in die Reichswehr, 1 9 2 2 - 1 9 2 5 u. 1 9 2 7 - 1 9 2 9 Truppenkommandos, ansonsten im Reichswehrmin. 1 . 1 0 . 1 9 3 1 O b s t . , 1 9 2 9 - 1 9 3 3 C h e f der Heeresorgabt., 1 . 4 . 1 9 3 4 G e n . M j r . , 1 . 1 0 . 1 9 3 4 K d r . 22. I D . in B r e m e n , 1 . 1 0 . 1 9 3 5 C h e f des Wehrmachtsamtes, 1 . 1 . 1 9 3 6 G e n . L t . , 1 . 8 . 1 9 3 7 G e n . d. A r t . , 4 . 2 . 1 9 3 8 C h e f des O K W , 1 . 1 1 . 1 9 3 8 G e n . O b s t . , 1 9 . 7 . 1 9 4 0 G F M . 1 3 5 ) Anläßlich der Feier des 70 Geburtstages Ludendorffs war es in dessen Haus in Tutzing zu einem schweren Zusammenstoß zwischen ihm und Hitler gekommen. Hitler fuhr vor und wollte Ludendorff eine U r k u n d e mit der Ernennung zum Generalfeldmarschall überreichen, die der General mit brüsken Worten zurückwies. (Vgl. H . F r e n t z , D e r unbekannte Ludendorff. D e r Feldherr in seiner U m w e l t und E p o c h e , Wiesbaden 1972, 285 ff.) Dazu gab es noch weitere Zwischenfälle. I m Frühjahr 1937 kam es zu einer Aussöhnung, nachdem Hitler die Gleichstellung der „ D e u t s c h e n G o t t e s e r k e n n t n i s " mit anderen christlichen Konfessionen zugesagt hatte. Vgl. W . Breucker, D i e Tragik Ludendorffs, Stollhamm, o. J . (1953), 148 f.

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sei, aber doch den Kanzler vor allzu großen Abwegen behüte. Er unterscheide sich darin von vielen Gesinnungsgenossen und sei überhaupt für Deutschland im Augenblick das geringere von den möglichen Übeln. Ich weiß nicht, ob ich mit diesen Erläuterungen dem Führer - ich nannte ihn „Führer", nicht „mein Führer" - eine besondere Freude machte. Sehr interessierte mich bei dem unablässigen Führerstreit in Österreich, wer von den dortigen Leuten eigentlich den Segen Hitlers hatte, Es war doch Leopold, in welchem Hitler zwar keinen großen Staatsmann erblickte, aber einen guten Demagogen, womit er recht hatte. Dagegen konnte er den Namen des Hauptrivalen Seyß-Inquart überhaupt nicht aussprechen; er zeigte sich gegenüber dieser Persönlichkeit noch ziemlich unvertraut. Was wir über den Legitimismus und Schuschniggs Weihnachtsvorschläge sprachen, habe ich schon andernorts erwähnt. Beim Gespräch über den Anschluß hob Hitler selbst die österreichische Eigenart hervor und meinte: „Bayern hat 50 Jahre gebraucht, um ins Reich hineinzuwachsen, ich würde Österreich 80 Jahre einräumen!" Ich bemerkte: „Acht Jahre wären auch ganz schön." 1 3 6 ) In Wirklichkeit waren uns nicht 8 Tage gegönnt. Allerdings stand Hitler unter dem Drucke der sudetendeutschen Krisis, die er in der nächsten Zeit lösen wollte. Dennoch wäre geruhsameres Vorgehen, wie ich oft ausführte, zweckmäßiger gewesen. Wohl im Zusammenhang mit dem Klerikalismus Schuschniggs kamen wir auf die Enzyklika „Mit brennender Sorge" zu sprechen, die bekanntlich eine große Kampfansage des Papstes gegen den Nationalsozialismus gewesen ist. Hitler war erklärlicherweise sehr böse. Er erzählte von den damals eben üblichen Sittlichkeitsprozessen gegen den Klerus, war offenbar überzeugt, daß alles, was die Öffentlichkeit darüber erfuhr, den Tatsachen entsprach, und nannte die Klöster „Buserantenbordelle" oder so ähnlich. Einen sehr gelungenen Ausspruch leistete er sich über die Bischöfe, deren keinen er zum Märtyrer machen werde. „Höchstens schicke ich einen von ihnen im Flugzeug nach Rom und lasse ihn dort mit Fallschirm herunter." Als ich auf die zahlreichen Querschläge aufmerksam machte, die bei meiner Befriedungsarbeit in Österreich von der im Reiche lebenden Emigration unternommen wurden, meinte ich: „Nicht wahr, es ist eine Erfahrung, daß Emigrantenpolitik in der Geschichte immer gegen den Heimatstaat ausschlägt." Er gab mir vollkommen recht und sagte, er habe sein Möglichstes getan, den zahlreichen Emigranten ein gutes Unterkommen zu verschaffen; in den österreichischen Angelegenheiten hätten sie nichts drein zu reden. Als ich weg ging, fiel mir ein, daß - streng genommen - Hitler selbst österreichischer Emigrant war. Denn obgleich bis vor kurzem österreichischer Staatsbürger, durfte er den Boden seiner Heimat nicht betreten . . . 136

) Glaise-Horstenau teilte diese Bemerkung Hitlers schon am Rückflug Kiszling mit (vgl. Ms./KA., nr. 9, fol. 49) und ebenso später Taras v. Borodajkewycz (in Unterredungen mit dem Herausgeber). Anscheinend warb Hitler mit dieser Ansicht für den Anschluß bei den Katholisch-Nationalen, denn auch gegenüber Seyß-Inquart machte er, wahrscheinlich im März oder April 1938, eine sehr ähnliche Bemerkung: vgl. Rosar, 327 u. 366.

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Einige interessante Worte galten dem Verhältnis der Wehrmacht zur Politik. Ich setzte ihm auseinander, daß ich gegen eine Politisierung des österreichischen Bundesheeres sei. Allerdings müsse dieses in Gedanken erzogen sein, daß sein Platz im Ernstfall nur an der Seite der deutschen Wehrmacht sein könne; eine andere Heerespolitik könne es nicht geben. Hitler gab mir damals noch vollkommen recht und erzählte mir Gespräche, die er darüber seinerzeit mit dem Chef der Heeresleitung General Freiherr v. Hammerstein 1 3 7 ) geführt hatte. Hammerstein habe ihm erklärt, es täte ihm sehr leid, wenn ei: auf die Nationalsozialisten schießen müßte; aber im äußersten Notfalle würde er es tun. Von der Außenpolitik wurde vor allem das spanische Problem gestreift. Hitler erzählte, sowohl Italien wie seine Wehrmacht dränge auf stärkere Beteiligung, er wolle jedoch den spanischen Krieg ausschließlich zum Ausproben deutscher Flugzeuge und Waffen verwenden. Stärker wolle er sich nicht engagieren. Er hat es auch in der Folge gehalten. Als wir fertig waren und Hitler sich erhob, bat ich - entgegen dem Zeremoniell meinen Begleiter Kiszling vorstellen zu dürfen. Dieser hatte sich inzwischen im Vorzimmer mit Tauschitz, unserem Gesandten, und dem langen Führeradjutanten Brückner, einem wilden Bayern, in ziemlich drastischer Weise unterhalten 138 ). Er war natürlich sehr erfreut, dem Führer vorgestellt zu werden. Hitler, Meißner 1 3 9 ), Kiszling, Tauschitz und ich wurden am Schlüsse photographiert. Dann kam es zum Abschied - natürlich mit dem deutschen Gruß. (Im Herbst 1936 war ein Fest der deutschen Auslandsorganisation in Wien, bei welchem Gauleiter Bohle 1 4 0 ) sprach. Ich war als Ehrengast geladen, dürfte aber nur unter der Bedingung hingehen, daß ich nicht mit erhobener Hand grüße, was ich getreulich tat. Es war etwas komisch. Beim Essen begrüßte mich Papen irrtümlich als „bayrischen Staatsminister des Innern".) Die folgende Nacht im Hotel war etwas aufregend. Ich wurde von In der Maur aus Wien angerufen, daß aus Anlaß von irgendwelchen Flugblattaktionen der 1 3 7 ) Kurt Gebhard Adolf Frh. v. Hammerstein-Equord (Hinrichshagen, 26.9.1878 bis 24.4.1943, Berlin-Dahlem), 15.3.1898 eingetreten in preuß. 3. Gardergt. z . F . , als Lt. 1907-1910 Kriegsakademie, Kriegsdienst, Übernahme in die Reichswehr, 1929 Gen.Mjr., 1.10.1929 Chef des Truppenamtes ( = Tarnbezeichnung für Genstab), 1.11.1930 Gen. d. Inf. u. Chef der Heeresleitung, 31.1.1934 Abschied als char. Gen.Obst., 10.9.1939 bis 21.9.1939 O B . d. Armeeabteilung A. Uber seine Beziehungen zur Linken vgl. die Erinnerungen der Österreicherin Ruth v. Mayenburg, Blaues Blut und rote Fahnen. Ein Leben unter vielen Namen, Wien-München 1969. 1 3 8 ) Vgl. Kiszling Schilderung in M s . / K A . , N r . 8, fol. 48f. " » ) Otto Meißner (Bischweiler, Elsaß, 13.3.1880 bis 27.5.1953, München), 1901 als Referendar in den Justizdienst des Reichslandes, 1919 ins Auswärtige Amt, IV./1919 ins Büro des Reichspräsidenten Ebert, 1920 Chef des Büros, 1923 Staatssekretär, 1937 Rang eines Reichsministers mit Dienstbezeichnung „ C h e f der Präsidialkanzlei des Führers und Reichskanzlers", nach 1945 Zeuge im Nürnberger Prozeß und Wilhelmstraßen-Prozeß. Seine Erinnerungen: Staatssekretär unter Ebert - Hindenburg - Hitler. Der Schicksalsweg des deutschen Volkes von 1918 bis 1945, wie ich ihn erlebte, Hamburg 1950. 1 4 0 ) Ernst Bohle (Bradford, Großbritannien, 28.7.1903 bis 9.11.1960, Düsseldorf), Diplomkaufmann der Handelshochschule Berlin, Mitglied der N S D A P , seit 1932 Gauinspektor des Gaues „ A u s land" der N S D A P , V./1933 Leiter der Auslandsorganisation der N S D A P , 22.12.1937 Staatssekretär im Auswärtigen Amt, 14.4.1949 zu 5 Jahren Kerker verurteilt.

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Nazis zu Führers Geburtstag und aus anderen Gründen große Festnahmen stattfänden. Ich hielt dies natürlich nicht für sehr zweckmäßig, rief Skubl ans Telephon und erklärte ihm, mich bei der Empfindlichkeit Hitlers des anderen Tages in Berlin nicht mehr werde zeigen können, zumal ich für 8 Uhr früh zum Vorbeimarsch der SS-Leibstandarte Adolf Hitler eingeladen sei. Die Angelegenheit verlief dann irgendwie im Sande. Die Gespräche wurden natürlich fleißig abgehorcht. Am 20. früh fand ich mich in der alten Reichskanzlei ein. Als Hitler mich vom Hofe aus bei einem Fenster des Seitentraktes erblickte, rief er mich herbei und führte mit mir ein kurzes Gespräch. Ich brachte die Sprache auch auf die deutschösterreichischen Truppen und hob die hervorragenden Leistungen des deutschösterreichischen Soldaten im Weltkriege hervor. Er stimmte bei und meinte: Da ließen sich sechs schöne Gebirgsdivisionen aufstellen, die wir ohnehin brauchen. Die Leistungen der deutschösterreichischen Streiter oder - wie man jetzt blöder Weise sagen soll - der Streiter aus den „Donau- und Alpenreichsgauen" (Wohlgemerkt: Reichsgaue! Denn hieße es nur Gaue, so fiele auch der bayrische Traditionsgau unter den Begriff.) in dem jetzigen furchtbaren Ringen haben meinen Feststellungen recht gegeben. Dann rückte, geführt von „Sepp Dietrich" 1 4 1 ), einem biederen Bayern, die Leibgarde Hitlers heran. Hitler stand im Auto, links von ihm nahmen Goebbels und ich Aufstellung. Ich hatte Zivil mit dem EK I an, dazu Überzieher. Tauschitz genoß alle Ehren mit. Die Truppe machte wirklich einen ausgezeichneten Eindruck. Im „Prager Tagblatt" klagte wenige Tage später der Wiener Berichterstatter Hönig 1 4 2 ), ein Jude, daß Minister „Horst-Gleisenau" einer Parade der kirchenfeindlichen Leibstandarte beigewohnt und dadurch das Entsetzen der kirchlichen Kreise Österreichs hervorgerufen habe. Es war nicht gerade glücklich, den Herrn Hönig zum Verfechter kirchlicher Belange aufzurufen. Der Präsident der Pressekammer, Herr Ludwig, pflegte es zu tun. Nachdem das „Familienfest" des Vorbeimarsches der Leibstandarte vorüber war, zog ich mich für die Heeresparade in Uniform um. Ich hatte einen Platz auf der Honoratiorentribüne, Kiszling war in Zylinder bei mir. Ich sprach sehr lange mit Neurath und lernte unter anderem auch Himmler kennen, den ich mit den Worten begrüßte: „Was, Sie sind der Himmler, Sie schauen doch gar nicht so böse aus!" Er hatte einen Tiroler Adjutanten, dem man das Heimweh aus den Augen las. Auch mit Ley 143 ), der mir stark jüdisch vorkam, wurde ich bekannt. Rosenberg und ich 141 ) Sepp Dietrich ( H e r w a n g e n , 2 8 . 5 . 1 8 9 2 bis 2 1 . 4 . 1 9 6 6 , Ludwigsburg), U n t e r o f f i z i e r im 1. Weltkrieg, 1933 Führer des SS-Wachbataillons in Berlin (1936 der Leibstandarte Adolf Hitler), 4 . 7 . 1 9 3 4 S S - O b e r g r u p p e n f ü h r e r , 1944 Befehlshaber des I. SS-Panzerkorps, stellte im S e p t e m b e r / O k t o b e r 1944 die 6. SS-Panzerarmee auf, die bei der Ardennenoffensive und ab Jänner 1945 in U n g a r n , dann in Ö s t e r reich z u m Einsatz kam, 1946-1955 in H a f t . ' « ) Wahrscheinlich Fritz H ö n i g ( B r ü n n , 3 1 . 5 . 1 8 9 0 bis ?), D r . iur., 1910-1928 O b e r p r o k u r i s t der Allgemeinen ö s t e r r e i c h i s c h e n Boden-Credit-Anstalt, dann Aufsichtsrat u. Publizist, u . a . : Österreichs Finanzpolitik im Kriege von 1866, Wien 1937. ,43 ) R o b e r t Ley (Niederbreitenbach, Rheinland, 15.2.1890 bis 2 6 . 1 0 . 1 9 4 5 , N ü r n b e r g , Selbstmord), D r . phil. (Chemie), ab 1924 bei der N S D A P , 1932 Organisationsleiter der N S D A P , 1933 baut er die „ D e u t s c h e A r b e i t s f r o n t " auf. A u f b a u der Organisation „ K r a f t d u r c h F r e u d e " ; Leiter der Parteischulung.

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gingen aneinander vorüber. Die Parade befehligte v. Witzleben 1 4 4 ), der spätere Feldmarschall und Mitverschworene am 20. Juli. Es war wie immer ein schönes Bild. Kiszling und ich stießen uns allerdings an den verschiedenen Steifheiten und militärischen Überspitzungen. Besonders der Musikmeister im Stechschritt mit dem lächerlichen Stäbchen und das Paukenpferd der Kavallerie hatten es uns im kritischen Sinne angetan. Ich erinnere mich bei diesem Anlasse des leisen Schmunzeins, das auf den Gesichtern der Franzosen zu bemerken war, wenn sie in Paris unserer Wachablöse zusahen. Wenn man dabei aufgewachsen ist, fällt einem die Sache allerdings nicht auf, sondern man findet sie schön. Ebenso entbehrten die Märsche einer gewissen Eintönigkeit nicht. Sie sind ausschließlich auf das Schlagwerk abgestimmt. Nach der Parade betätigte sich Kiszling von einem kleinen Podium aus damit, das Abfließen der Ehrengäste zu erleichtern. Er hatte seinen Zylinder auf dem Kopfe und rief mitunter: ,,Buam, schauts daß weiter kummts!" Ich fuhr - glaube ich - mit Cramon weg, der mir über den christenfeindlichen Kurs der SS schwere Klage führte; jeder, der ihr beitrete, müsse aus der Kirche austreten. Cramon brachte für das neue System überhaupt wenig Begeisterung auf. Ich traf ihn bei einem Essen bei Tauschitz wieder. Ich habe mir in diesem Zusammenhang eine kleine Charakterlosigkeit zuschulden kommen lassen. Als Tauschitz mich noch in Wien telephonisch fragte, wen ich als Gäste wünschte, nannte ich auch meinen alten Freunde Cramon. Nachher fiel mir ein, daß die österreichischen Legitimisten seit dem Buch „Unser österreichischer Bundesgenosse im Weltkrieg" auf Cramon einen ganz besonderen Zorn hatte. Ich wollte daher telephonisch die Einladung zurückziehen, kam aber schon zu spät. Diese Telephongespräche hatte Göring abhören lassen, der ob ihrer sehr böse war. Ohne den Gesprächspartner in Wien zu nennen, der ihm natürlich bekannt war, gab er seiner Entrüstung bei meinem Besuche in seiner Villa im Luftfahrtministerium lebhaften Ausdruck. Dabei erklärte er mir zuerst, er könne Cramon nicht leiden, da er - was Göring nach der Machtergreifung übrigens auch noch gewesen ist - ein Legitimist sei. Ich meinte: „Was wollen Sie von dem alten Mann - er sähe natürlich Wilhelm II. lieber an der Spitze des Reiches als Adolf Hitler!" Die Unterredung mit dem Generalobersten verlief überhaupt nicht sehr angenehm. Der unvermeidliche Hueber, der dabei war, redete mir beim Eintritt zu, ich möge gegen Leopold sprechen und seine Enthebung beantragen. Ich tat es nicht, weil bestimmt nichts Besseres nachkam und weil ich für dieses Hintenherum nicht eingenommen war. Politische Interessen an Österreich und seinen inneren Verhältnissen äußerte Göring so gut wie gar nicht. Er war nur wirtschaftlich und fliegerisch interessiert, in welchen Dingen wieder ich keine besondere Figur spielte. Ich wußte nämlich weder von den Schätzen des Erzberges bei Donawitz viel, noch 1 4 4 ) Erwin v. Witzleben (Berlin, 4 . 1 2 . 1 8 8 1 bis 1 8 . 8 . 1 9 4 4 , hingerichtet in Berlin-Plötzensee), 1901 L t . in der preuß. Armee, 1 . 1 0 . 1 9 3 5 Kdi. General I I I . A K . , 1 . 1 0 . 1 9 3 6 G e n . L t . , 1 0 . 1 1 . 1 9 3 8 Befehlshaber G r u p p e n k d o . 2, 1 . 1 0 . 1 9 3 9 der 1. Armee, 1 . 1 1 . 1 9 3 9 G e n . O b s t . , 1 9 . 7 . 1 9 4 0 G F M . , 2 6 . 1 0 . 1 9 4 0 Oberbefehlshaber Heeresgruppe D , 1 . 5 . 1 9 4 1 Oberbefehlshaber West, 2 8 . 2 . 1 9 4 2 verabschiedet, seit 1939 führendes Mitglied der deutschen Militäropposition.

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hatte ich ausreichende Kenntnis über den Ausbau unserer Luftwaffe. Göring befand sich mit seinen Gedanken ausschließlich im „Vierjahresplan". Wenn wir unsere Wirtschaft in diesen eingefügt hätten, hätte ihn damals der ganze Anschluß nicht mehr interessiert. Hueber war mit der Unterredung nicht sehr zufrieden und ist sicherlich noch mehr Seyßianer geworden. Ich trug, entgegen meinen sonstigen Besuchen, bei Hermann österreichische G e neralstabsuniform. Bei der Verachtung für alles österreichische, die ihm eigen war, hat ihn wahrscheinlich auch das nicht gefreut. Ich habe nicht gewußt, daß man sich mit dieser Uniform, die ich immer als die alte k . u . k . mit Freude und Stolz trug, weder bei Göring noch bei Hitler selbst beliebt machte. Zwei Tage unseres sehr interessanten Berliner Aufenthaltes waren rein militärischen Veranstaltungen gewidmet. An einem Tage führte uns Cochenhausen, damals Fliegergeneral, durch die Luftakademie Gatow und verschiedene bemerkenswerte Anstalten der neuen Luftwaffe. Der zweite Tag galt einer Besichtigung der Infanterieschule im olympischen Dorfe - wohl der schönsten Kaserne Europas - und einer darauf folgenden Übung einer Kompanie mit allen möglichen Spezialwaffen. Ich trug Bluse mit der Eisernen Krone und dem E K I, Muff war über dieses „Kleidungsstück" entzückt. Der Übungsleiter war der einarmige Oberst H u b e 1 4 5 ) , der mich selbst in seinem geländegängigen Wagen in rasendem Tempo herumführte. Es war der spätere Generaloberst und ruhmreiche Führer von Tripolis und Tarnopol, der sich zuletzt leider auf dem Salzburger Exerzierplatz mit dem Flugzeug erschlug. Bei der Übung wurde scharf geschossen. Die Kugeln pfiffen über unsere Köpfe hinweg, was ich, ohne mit einer Wimper zu zucken, hinnahm. An einem der beiden Tage war ein Essen, bei dem ich zwischen Fritsch und dem Chef des Generalstabes General der Artillerie Beck saß. Letzterer gefiel mir ausgezeichnet, er schien mir irgendwie ein Typus aus der Zeit des großen Moltke zu sein. Im Sommer 1938 hat er sich den Kriegsplänen Hitlers widersetzt und war zunächst auf das Nebengeleise eines Armeeinspekteurs gesetzt worden, um dann ganz in Versenkung und Ungnade unterzugehen. Becks Ende ist bekannt. Während Beck ein allerdings preußisch erzogener Hesse war, war Fritsch der gute Typus des preußischen Offiziers. Engere Anknüpfungspunkte fanden sich nicht. Wie mir Muff später mitteilte, war Fritsch ein entschiedener Gegner des Anschlusses, er wollte, daß die Altreichsdeutschen und Preußen-Deutschland unter sich blieben. . . . Neben den offiziellen Veranstaltungen gab es auch zahlreiche Privatbesuche auswärts und bei mir. Einmal war ich bei Clodius 1 4 6 ) eingeladen, der damals noch 1 4 s ) Hans Valentin Hube (Neumburg/Saale, 2 9 . 1 0 . 1 8 9 0 bis 2 1 . 4 . 1 9 4 4 , Flugzeugabsturz bei Salzburg), 1909 Eintritt in die Armee, 1 . 1 . 1 9 3 5 Kdr. Infanterieschule, 1 . 8 . 1 9 3 6 O b s t . , 1 8 . 1 0 . 1 9 3 9 bis 4 . 5 . 1 9 4 0 Kdr. IR. 3, 1 . 6 . 1 9 4 0 Gen.Mjr., u. Kdi. 16. P z . D i v . , 1 . 4 . 1 9 4 2 G e n . L t . , 1 5 . 9 . 1 9 4 2 bis 3 0 . 1 0 . 1 9 4 2 Kdi. Gen. X I V . P z . K . , 1 . 1 0 . 1 9 4 2 Gen. d. P z . T r . , 2 9 . 1 0 . 1 9 4 3 O B . l . P z . A r m e e , 2 0 . 4 . 1944 Gen.Obst. 1 4 6 ) Carl August Clodius (Bremen, 9 . 2 . 1 8 9 7 bis ?), D r . rer. pol., ab 1921 im Auswärtigen A m t , 1926 Legationssekretär, V . / 1 9 3 1 Gesandtschaftsrat in Wien, versuchte 1932 die Annahme des Lausanner Protokolls durch Österreich zu verhindern, 5. 8 . 1 9 3 2 nach Sofia, später Rückberufung ins Auswärtige Amt und Verwendung als Sondergesandter für Wirtschaftsfragen, schloß Wirtschaftsverträge mit Italien.

B e s u c h in Berlin A p r i l 1937

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seine erste Frau hatte. Es war auch Staatssekretär Stuckart 1 4 7 ) des Innenministeriums anwesend, der mir jedoch weder in dieser Eigenschaft noch in der eines SSBrigadeführers besonderen Respekt einflößte. Dr. Megerle nahm mir ein Interview für die Börsenzeitung ab, das an Zurückhaltung nicht zu übertreffen war, dennoch von dem eifersüchtigen Guido Schmidt als Kompetenzüberschreitung aufgefaßt worden ist. Nach sechstätigem Aufenthalt in der Reichshauptstadt erhoben wir uns in dem durch den General der Flieger Milch zur Verfügung gestellten Vogel, einer ausgewachsenen J u : Muff, Kiszling, ein Kurier und ich. Muff war die ganze Reise über traurig, daß er seine in Deutschland zurückgebliebene Frau in seinem Wiener Heim nicht antreffen werde. Kiszling und mir, den beiden Junggesellen, fehlte für diesen Schmerz das Verständnis, zumal wir das Objekt nur zu gut kannten. Ich konnte mich über den Empfang und die Gastlichkeit Berlins wahrlich nicht beklagen. Auf der Heimreise sagte ich jedoch zu Muff: „Lieber Muff, alles ist sehr schön gewesen, nur zwei Dinge steigen mit stagelgrün auf: die vielen Stiefel, die man zu sehen bekam, und der Begriff des ,alten Kämpfers'!" Im Unterbewußtsein hatte ich kaum besonders große Sehnsucht, in diesen ausschließlich militaristischen und rein preußischen Apparat hineinzukommen, wenn ich mir's auch nicht eingestand 1 4 8 ). Wenn ich nicht irre, so traf ich bei meiner Rückkehr Schuschnigg nicht mehr in Wien an. Er war in diesen Tagen gemeinsam mit seinem Intimus Guido Schmidt und mit Hornbostel (?) nach Venedig gefahren, um dort den Duce zu besuchen 1 4 9 ). Ich möchte hier einfügen, daß die Regierung im allgemeinen und ich im besonderen von jeglicher Außenpolitik mit äußerster Sorgfalt ferngehalten worden sind. Leider muß ich mich auch selbst anklagen, mich um diese Dinge zu wenig gekümmert zu haben. O b Salata viel wußte, ist mir nicht bekannt. Gewiß war Puaux 1 5 0 ), der französische Gesandte, gut unterrichtet. Bei ihm war ich leider nur einmal. Ein wenig schuld war die mangelnde Sprachkenntnis, die ich überhaupt als das größte Manko 1 4 7 ) Wilhelm Stuckart (Wiesbaden, 16.11.1902 bis 15.11.1953, bei Hannover verunglückt), Beamter im preußischen Justizdienst, 1932 aus dem Staatsdienst ausgetreten und Organisator der SA und SS in Pommern, 30.6.1933 Staatssekretär im preußischen Kultusministerium, 11.3.1933 Staatssekretär im Reichsministerium des Innern (Leiter der Abteilung 1/ Verfassung und Gesetzgebung), 30.1.1944 SSObergruppenführer, 14.4.1949 zu 3 Jahren Kerker verurteilt. 148) N P A . , Kart. 491, Liasse Glaise-Horstenau, Bericht Tauschitz an Schmidt, Berlin 21.4.1937: „ M e i n Eindruck über den Besuch war, . . . daß er zum gegenseitigen Verständnis und zur Klärung beigetragen hat. Bemerkenswert ist jedoch die Äußerung des Herrn Ministers am Ende seines achttägigen Aufenthaltes, daß er neuerdings zu der Überzeugung gekommen sei, es wäre hier manches schön und gut, man solle mit Deutschland außerpolitisch in engster Fühlung und Zusammenarbeit leben, man solle die wirtschaftlichen Beziehungen so gut als nur möglich ausbauen und ausgestalten, aber innerpolitisch und kulturell sollen sie uns vollkommen in Ruhe und nach unserer Façon selig werden lassen. Der preußische Kürassierstiefel wäre halt doch nichts für einen Österreicher. . . . " . 1 4 9 ) Vom 21. bis 23. April 1937 fand in Venedig ein Treffen zwischen Schuschnigg, Schmidt, Mussolini und Ciano statt. Vgl. dazu Schuschnigg, Ein Requiem in Rot-Weiß-Rot, Wien 1978, 247 f. 1 5 °) Gabriel Puaux (Paris, 1883-?), franz. Diplomat, 1907 Kabinettschef des Generalresidenten in Tunesien, . . . 1926 Gesandter in Litauen, 1928 in Rumänien, 1933 in Österreich, 1939—1940 Hochkommissar in Syrien, 1943-1946 Generalresident in Marokko. Seine Erinnerungen: Mort et transfiguration de l'Autriche 1933-1955, Paris 1966; Deux Années au Levant 1939-1940, Paris 1951.

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meiner Erziehung immer aufs neue beklage, ihre Ursache aber auch im Fehlen jeglichen Sprachtalentes hat. Doch auch eine gewisse Rücksicht auf Deutschland hinderte mich, einen Verkehr auf der französischen Botschaft zu pflegen. Mit dem Briten Selby 1 5 1 ) ritt ich wohl manchmal gemeinsam mit Kienböck, es war aber sonst nichts zu machen mit ihm. So hatte ich eigentlich kein anderes Fenster in die Weltöffentlichkeit als das sehr blinde in der Metternichgasse 1 5 2 ). In der Tat hatte sich in den letzten Monaten die außenpolitische Lage Österreichs überaus verschlechtert - ein Grund mehr für Schuschnigg, auf mich zu hören und zu trachten, mit der Politik der kleinen Mittel weiterzukommen, wenn schon große nicht gingen. Dies hätte sich jeder, der weniger stur war wie er, zumal nach der eben zur Schilderung gelangenden Venediger Entrevue, sagen müssen. Es konnte nach allem, was Mussolini, vor allem aber Ciano, sprachen, kein Zweifel darüber bestehen, daß Österreich in den Augen der führenden Männer Italiens unendlich weit gegenüber der seit der Abessinienkrise aktuell gewordenen „Achsenpolitik" in den Hintergrund getreten war. Diese Tatsache wurde den österreichischen Besuchern in der Markusstadt auch optisch vorgeführt. Während Schuschnigg vor dem Denkmal des unbekannten Soldaten den Manen italienischer Krieger huldigte, ausgerechnet in dieser Stunde hatte Mussolini nichts Wichtigeres zu tun, als das neue wirklich herrliche Passagierschiff der Hapag, die Milwaukee, die im Hafen lag, zu besichtigen. Auch sonst taten sich Ciano und der gleichfalls anwesende Propagandaminister Alfieri 1 5 3 ) (nachmals Botschafter in Berlin und einer der Oppositionellen im Faschistenrat vom 25. Juli 1943) nicht genug in der Betonung der deutsch-italienischen Freundschaft und die Presse echote in gleicher Weise. N u r der Duce persönlich scheint den ungünstigen, ja niederschmetternden Eindruck, den Schuschnigg empfangen hatte, etwas verwischt zu haben. Angeblich erklärte er dem österreichischen Kanzler, er würde sich bei einer Wiederholung der Lage vom 24. Juli 1934 (Dollfußkatastrophe) genau so benehmen wie damals. Wie ernst er es mit diesem Versprechen meinte, hat man am 12. März 1938 gesehen. Im übrigen riet er jedoch Schuschnigg, die Existenz der , , A x e " nicht zu vergessen und kleine nicht präjudizierende Gesten zugunsten der österreichischen Nazis zu machen. Wohl im Hinblick auf die besondere Axenbegeisterung Cianos und Alfieris, die natürlich auch ihren antiösterreichischen Komplex im Herzen trugen wie wir den antiitalienischen, soll der Duce am Schlüsse seiner Unterredungen mit Schuschnigg bemerkt haben: „Sie sollen nie vergessen, daß ich allein es bin, der die Linien der italienischen Außenpolitik festlegt." 1 5 1 ) Sir Walford Selby (?), vor 1914 assistant Private Secretary von Sir Edward Grey und sodann fünf weiterer britischer Außenminister 1 9 2 4 - 1 9 3 2 , V I I . / 1 9 3 3 - 1 9 3 7 Gesandter in Wien, X I I . / 1 9 3 7 bis X I I . / 1 9 4 0 Botschafter in Lissabon. Vgl. seine Erinnerungen: Diplomatie Twilight 1 9 3 0 - 1 9 4 0 , London 1953. , 5 2 ) Deutsche Gesandtschaft, Wien, 3. Bezirk, Metternichgasse 3. 1 5 3 ) Dino Alfieri (Bologna, 8 . 7 . 1 8 8 6 bis 2 . 1 . 1 9 6 6 , Mailand), Jurist, seit 1922 Mitglied der faschistischen Partei, 1 9 2 9 - 1 9 3 2 Unterstaatssekretär im Korporationsministerium, 2 1 . 8 . 1 9 3 5 Unterstaatssekretär im Ministerium für Volksbildung, 1936 Minister, 7 . 1 1 . 1 9 3 9 ital. Botschafter beim Hl. Stuhl, 1940 Botschafter in Berlin, V . / 1 9 4 2 auch Mitglied des Großen Faschistischen Rates, 2 3 . / 2 4 . 1 0 . 1 9 4 3 Flucht in die Schweiz. Seine Erinnerungen: Due dittatori di fronte (1948).

Verhältnis zu Italien

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Hatten sonach Schuschnigg und seine Begleiter keinen Grund, in besonders begeisterter Stimmung nach Hause zu kommen, so sollte ihnen auf der Reise ein neuer Dolchstoß versetzt werden. Der Leibjournalist Mussolinis verkündete im „Giornale d'Italia" vom 23. 4., daß die Nationalen in Österreich demnächst zur Mitarbeit an der V F . aufgerufen würden, womit der erste Schritt zu einer unmittelbaren Teilnahme an der Regierung getan sein werde 1 5 4 ). Zu den Februarerklärungen Gaydas soll sich Mussolini dahin geäußert haben, daß sie mit seiner Kenntnis herausgekommen seien; sozusagen habe er dadurch Schuschniggs Stellung gegenüber seinen radikalen „Vaterländischen" stärken wollen. Auch diesmal hat Gayda zweifellos nicht ohne Vorwissen seines Herrn und Meisters geschrieben; seine Äußerungen waren an den nördlichen Axenpartner gerichtet, dessen Empfindsamkeit in österreichischen Dingen er sehr wohl kannte. Allerdings soll der Duce kurz darauf dem in Rom (natürlich in prachtvollem Extrazug) erscheinenden Göring versichert haben, die Unabhängigkeit Österreichs sei ihm nach wie vor heilig; es müsse beim Juliabkommen bleiben. Göring habe geantwortet, er selber sei auch unbedingt für das Juliabkommen, dieses werde aber von Österreich nicht gehalten 1 5 5 ). Alles in allem waren nach diesen Entwicklungen die römischen Protokolle für Österreich fast wertlos geworden. Da von den Westmächten Frankreich lediglich der Tschechoslowakei einen Garantievertrag zugestanden hatte (dessen Bedeutung man später kennen lernen sollte), England jedoch zwischen Paris und R o m hinund herverhandelte und sich von Donaueuropa zusehends distanzierte, war „ D o l l fußösterreich" schon Ende April 1937 ziemlich vereinsamt in der Welt dem gewaltigen Riesen ausgeliefert, der im Nordwesten bereits seine Faust erhoben hatte. Dagegen nutzte auch die mit erheblichen finanziellen Opfern versuchte österreichische Aufrüstung nichts, der - doppelzüngig wie immer - in Venedig Mussolini besonders das Wort geredet hatte. Im Kabinett erfuhren wir von all diesen Dingen, wie gesagt, kein Sterbenswort. Schuschnigg hatte sich nach seinen größeren Vorbildern angewöhnt, die Minister ausschließlich als Hilfsbeamte zu betrachten. Einigermaßen eingeweiht wurde neben Schmidt höchstens Zernatto, der aber viel zu frivol war, Konsequenzen aus seinen Kenntnissen zu ziehen. In den wöchentlichen Ministerräten, die seit dem 25. Juli 1934 in der Regel im Kriegsministerium, nur ausnahmsweise im Bundeskanzleramt, stattfanden, hieß es immer: „ I c h begrüße die Herren. Punkt 1 Auszeichnungsanträge . . . " Ich muß noch nachtragen, daß sich der Kanzler nach seiner Rückkehr aus R o m beeilte, im Artikel Gaydas die Berufung auf einen „sachlichen Zusammenhang mit ) Vgl. Schuschnigg, R e q u i e m , 249. ) D e r Besuch Görings fand am 1 6 . 1 . 1 9 3 7 statt. Dabei bot G ö r i n g eine O p f e r u n g des „ D e u t s c h tums in Südtirol" an „ f ü r den Fall einer fest begründeten deutsch-italienischen Freundschaft". A m 2 3 . 1 . 1 9 3 7 hatte Mussolini dann eine längere Aussprache mit dem österreichischen Militärattache O b e r s t i . G . D r . L i e b i t z k y , in der er sich über die unfreundliche Stimmung in Österreich gegenüber Italien beklagte, aber versprach, Österreich wie bisher zu unterstützen, falls es die Unabhängigkeit weiter wahren wolle. Vgl. Jedlicka, V o m alten zum neuen Österreich, 3 3 2 , 3 6 3 f f . ; A D A P . , Serie D , B d . 1, N r . 199 (Aufzeichnung Hassells, R o m , 1 6 . 1 . 1 9 3 7 ) . 154

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den Besprechungen in Venedig als irreführend" zu bezeichnen und ebenso festzustellen, daß Gayda mit seinen Vermutungen über die nächste österreichische Innenpolitik „in die Irre" gehe. Immerhin paradierte er wieder mit dem volkspolitischen Frontreferat, das demnächst von einer nationalen, das Vertrauen des Frontführers genießenden Persönlichkeit - geplant war Seyß-Inquart - besetzt werden werde. Am Sonntag den 25. April wohnte ich bei sehr großer Kälte einer Parade des Bundesheeres in Wien bei. Ich trug Uniform und mußte infolgedessen ohne Mantel erscheinen, wobei mich trotz dicker Unterwäsche sehr fror. Der Staatssekretär für Landesverteidigung war etwas ungnädig mit mir, weil ich mich in Berlin wie ein österreichischer Kriegsminister hätte feiern lassen. Man rächte sich sehr rasch. Einige Tage später war der ungarische Kriegsminister, mein alter Kamerad General der Infanterie Röder 1S6 ), zu Besuch in Wien 157 ). Abends gab es im Belvedere ein großes Essen und nachher einen Empfang. Zu letzterem lud man mich ein, zu ersterem nicht, obgleich zum Beispiel Staatssekretär Skubl und Ministerialrat Chavanne anwesend waren. Kiszling und ich erschienen zunächst zum Empfang. Als sich die Tore vom Essen öffneten, empfing ich Schuschnigg und Zehner mit den Worten: „Natürlich, um als österreichischer Minister, der gleichzeitig alter Offizier ist, anständig behandelt zu werden, muß man nach Berlin fahren." Dann verließ ich in dramatischer Haltung das Haus, Die anderen werden sich nicht besonders geärgert haben. Das sind so kleine Episoden aus dem Froschmäusekrieg, der dem ganz großen, entsetzlichen Krieg vorausging. . . . Die letzten Tage des April waren noch durch kleine Aufregungen erfüllt wegen einer braun gedruckten Einladung irgendeines Vereines. Am 1. Mai arrangierte Bürgermeister Schmitz einen großen Festzug, der viele Stunden dauerte. Die Regierung nahm auf der Ehrentribüne teil. Als ich die Leute vorüberziehen sah, dachte ich daran, wie genau die gleichen noch im Jahre 1932 unter dem sozialdemokratischen Regime vor dem Bürgermeister Seitz vorüberzogen. Gleichzeitig packte mich der Gedanke, den ich auch meinem Nachbarn Taucher gegenüber aussprach - wie lange es noch dauern werde, bis die gleichen Leute, die schon rot waren und nun rot-weiß-rot, braun vor einem nationalsozialistischen Bürgermeister vorüberziehen würden. Daß es so bald geschehen werde, ahnte ich allerdings nicht! Das Bild war übrigens für den aufmerksamen Beobachter sehr lehrreich. Gewiß gab es Begeisterte. Aber noch mehr sah man Kommandierte, mochten sie nun rot oder braun gewesen sein. Bei den vorüberziehenden Schulen sah man ganze Klassen mit ostentativ weggewandtem Kopf. Das waren natürlich Nazis. Alles was sich in diesem unglückseligen Staate, der - rückschauend betrachtet - so schön und anständig gewesen ist, begab, war eben ein großer Krampf, nichts war eine wirkliche I56 ) Wilhelm (Vilmos) Röder (Fünfkirchen, 11.1.1881 bis 13.12.1969, Budapest), 18. 8.1899 aus der Ludovikaakademie als Lt. zu k. u. L1R. 18, Genstabslaufbahn, 1.8.1914 Mjr. i. G., im Weltkrieg zuletzt II./1917 bis XI./1918 Genstabschef XXIV. Korps, Übernahme in die Honved, 26.5.1930 (getarnter) Genstabschef der Honved als FML., 16.1.1935 pensioniert, 12.10.1936 bis 13.5.1938 Honvedminister. ,sr ) Der Besuch Röders fand vom 27.4. bis 29.4.1937 statt, das Souper im Belvedere am 28.4.1937. Aufzeichnungen über militärpolitische Gespräche haben sich auf österreichischer Seite nicht erhalten.

Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit

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Äußerung politischer Kräfte, alles wurde überschattet durch den großen, immer mächtiger werdenden Gegner! Ich habe hier verschiedenes Wirtschaftliches nachzuholen. Österreich lebte seit seiner Gründung 1918 in einer fast ständigen Wirtschaftskrise. Selbst die Konjunktur Ende der zwanziger Jahre streifte nur das schwer verschuldete Land in günstiger Weise. Kaum war sie wieder vorüber, fiel der erste Schatten durch die Katastrophen der Bodencredit- und der Creditanstalt auf uns 1 5 8 ). Das letztere Finanzereignis leitete optisch nachgerade die Weltwirtschaftskrise ein, es bildete den Ausgangspunkt zu unterschiedlichen Devalvierungen und dergleichen mehr. Die österreichische Währung hielt allerdings als Finanzminister und nachher als Bankpräsident Kienböck eisern fest. Der Schilling hieß am Schlüsse mit Recht „Alpendollar", er zählte zu den sichersten Währungen der Welt und war durch fremde Valuten aufs Gründlichste untermauert 1 5 9 ). (Unmittelbar nach dem Anschluß schlug sich Göring gegenüber einem Besucher, auf die Beschlagnahme der österreichischen Nationalbankvaluten zu sprechen kommend, frohlockend auf den rechten Blusensack mit dem Ausruf: „ D a s tut w o h l . " So viel fremde Devisen hatte der Mann des Vier jahresplanes seit geraumer Zeit nicht gesehen!) Die Arbeitslosigkeit nahm aber wieder von Jahr zu Jahr zu und umfaßte schließlich in den letzten Jahren vor dem Anschluß, wenn man die betroffenen Familienmitglieder mitrechnete, ein Sechstel der gesamten Bevölkerung. Die unmittelbaren Zahlen schwankten um 400000 1 6 0 ). Unsere „ F r e u n d e " im Westen halfen uns auch da nicht, ja geradezu am allerwenigsten. Ich denke nur an das Erdölvorkommen in Zistersdorf, dessen sich das britisch-amerikanische Kapital bemächtigt hatte, damit es nicht ausgebeutet wurde (!). Dabei waren wir die bravsten Schuldenzahler der Welt, wofür gleichfalls Kienböck sorgte. Aber Fleiß und gute Aufführung werden in der Regel in diesem irdischen Jammertal wenig belohnt. 1 5 8 ) Als Auswirkung der Weltwirtschaftskrise brach im Oktober 1929 eine der größten österreichischen Investitionsbanken, die österreichische Bodencreditanstalt, zusammen. Sie wurde unter starkem Regierungsdruck von der österreichischen Creditanstalt übernommen. Dadurch entstand ein Defizit von 400 Millionen Schilling in der Bilanz von 1930, das im Mai 1931 publik wurde. Zur Sanierung der Creditanstalt wurden vom Staat, der Nationalbank und dem H a u s Rothschild erhebliche Mittel beigesteuert. „ V o n diesem Schock hatte sich die Wirtschaft Österreichs bis 1938 nicht mehr erholt" ( N . Schausberger, Der Griff nach Österreich. Der Anschluß, Wien-München 1978, 174ff.). Vgl. auch: K . Ausch, Als die Banken fielen. Zur Soziologie der politischen Konzeption, Wien-Frankfurt 1968, 3 0 7 f f . , 335ff. 1 5 9 ) Vgl. Schausberger, 461 ff. Die Deutsche Reichsbank hatte an Gold- und Devisenbeständen im Jänner 1933 921,2 Mill. R M und im Dezember 1936 188,6 Mill. R M . Die Oesterreichische Nationalbank besaß im Jänner 1933 solche Bestände im Wert von 71,9 Mill. R M und im Dezember 1936 von 343,8 Mill. R M . Die G o l d - und Devisenreserven in Österreich betrugen als Folge der deflationistischen Wirtschaftspolitik der Regierung 1938 460 Mill. Schilling (ca. 230 Mill. R M ) . 160) Vgl. Schausberger, 471: „ I m Januar 1938 betrug die Zahl der statistisch erfaßten Arbeitslosen 401 000 gegenüber 478000 im Januar 1933. In Wirklichkeit lag jedoch die Arbeitslosigkeit erheblich über den von der Statistik erfaßten Zahlen. Das österreichische Institut für Konjunkturforschung hat die .unsichtbare' Arbeitslosigkeit für Ende 1937 auf etwa 300000 geschätzt. Insgesamt dürfte die Gesamtzahl der Arbeitslosen Ende Januar 1938 also über 700000, d . h . mehr als 2 0 % der Erwerbspersonen überhaupt betragen h a b e n . "

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Gleichzeitig begann nach der Machtergreifung im Reich die große, allerdings auf den zwei bedenklichen Säulen der Aufrüstung und der nationalen Autarkie aufgerichtete große Konjunktur. Während bei uns „ausstudierte" Söhne ihren Vätern noch mit 35 Jahren beschäftigungslos im Sacke hingen und man beim Ausreiten im Prater in der Früh blühende Leute herumfaulenzen sah, die mit 28 Jahren noch nie nennenswert in der Arbeit gestanden waren, kam jeder, der als politischer Flüchtling ins Reich überwechselte, sofort zu einem Monatseinkommen von einigen hundert Mark, die, nach dem Normalschlüssel ohne Rücksicht auf Teuerungsverhältnisse, ein kleines Vermögen an Schillingen ausmachten. Wenn man sich nachträglich über die Ursachen der ungeheuren Einwirkung der nationalsozialistischen Propaganda auf die österreichische Jugend fragt, dann darf man die eben geschilderten Verhältnisse nicht vergessen. Sie wurden, österreichisch besehen, nicht besser, sondern, wie noch zu streifen sein wird, eher schlechter. Daß auch die Blüte in Deutschland ihre Schattenseiten hatte, bemerkten bei uns nur die wenigsten. Ebenso blieb uns - offenbar waren wir zu faul, es zu studieren - das reichsdeutsche Steuersystem mit seinen unerhörten Fußangeln verborgen. Mitten in die Arbeits- und Absatzkrise fiel im Mai 1933 die sogenannte Tausendmarksperre. Aus Vorwänden, die natürlich nicht den Kern der Sache trafen, wurde deutscherseits an jede Einreisebewilligung reichsdeutscher Bürger nach Österreich der Erlag von Reichsmark 1000 geknüpft. Es war eine in der Geschichte einzig dastehende Maßnahme, deren Zweckmäßigkeit im damaligen nationalen Kampfe nicht einheitlich anerkannt wurde. Die Wirkung blieb dennoch nicht aus. Die paar großen Hotels Österreichs, die über internationales Reisepublikum verfügten, litten natürlich weniger. Umsomehr aber die mittleren und kleinen Gaststätten, die fast überall auf die „Rucksacktouristen" angewiesen waren, deren Hauptkontingent eine nicht gerade erfreuliche, aber immerhin zahlende Gesellschaft, die Reichsdeutschen beistellten. Die öde Leere dieser Wirtshäuser, Pensionen, Privatunterkünfte wirkte wirtschaftlich natürlich auf die ganze Umgebung, Kaufleute, Bauern, Arbeiter. Es war eine drakonische Strafe, die Adolf Hitler über seine Heimat verhängt hatte und die höchstens dem System insofern zugute kam, als sie ihm die Ankunft mancher politischer Propagandisten ersparte - wobei auch dieser Vorzug fraglich war. In der Folge ergaben die freien Grenzen manches „ P r o b l e m " . Die reichsdeutschen Auto- und Radfahrer waren von ihrer Regierung verhalten, überall das für Österreicher verpönte Hoheitszeichen zu zeigen und mit dem deutschen Gruß zu grüßen. Das gab natürlich bei den Österreichern viel Anlaß zu Begeisterung und Strafen, mitunter aber auch zu Entrüstungskundgebungen und diplomatischen Zwischenfällen. Einmal kam der Erzabt von St. Peter 1 6 1 ) zu mir und beklagte sich, daß man ihn von vaterländischer Seite quäle; als guter Geschäftsmann hatte er über dem Eingang zum Peterskeller neben den Fahnen der verschiedensten Staaten auch das ifii) Petrus Klotz (Kaltem bei Bozen, 9 . 4 . 1 8 7 8 bis X . / 1 9 6 7 , Wien), 1901 Priesterweihe, Eintritt in die Benediktinerabtei St. Peter, 1919 D r . phil., 1922 Abt, XII./1931 resigniert, Mitbegründer der Salzburger Hochschulwochen; zahlreiche Publikationen zur Völkerkunde.

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Hakenkreuz gehißt. Er war polizeilich im Recht. Wenn ein Wirt die Hakenkreuzfahne hissen wollte, mußte er allerdings noch eine bestimmte Anzahl anderer Fahnen hintun. Das war bei St. Peter der Fall. Natürlich erhielten von der Gestapo Einreise in Österreich nur zuverlässige Anhänger des Regimes. U m s o größer war die Zahl von Vereinigungen, die nach Österreich kamen und stets den Gegenstand „spontaner" jubelnder Begrüßungen mit natürlich verbotenen Grußformen bildeten. Einer der ersten war unter dem Namen eines Autoklubs eine Kolonne des N S K K unter dem Kommando Hühnleins 1 6 2 ). Dabei kam es zu mir nicht mehr erinnerlichen Komplikationen. Diese Schwierigkeiten erstreckten sich bis zu winterlichen Schiwettläufen und in die höchsten Alpenhütten hinauf. Der Deutsch-Österreichische Alpenverein, eine schon sehr alte Gründung, kam mehrfach ins Wanken, erhielt sich aber, bis er nach dem Anschluß unter Seyß-Inquart den Namen „Deutscher Alpenverein" annehmen konnte! Im übrigen hatte es mit dem Sport überhaupt seine Schwierigkeiten. Ende Mai fand im Prater ein Handballspiel statt, nach welchem es zu großen nationalen Demonstrationen in der Hauptallee und so weiter kam. Daraufhin wurde auf Betreiben der VF. eine deutsch-österreichische Kanufahrt, die Mitte Juli auf der Donau hätte stattfinden sollen, untersagt. Aus dem ursprünglich überschätzten Goldsegen, der aus der Aufhebung der Tausendmarksperre entstand, ergab sich somit auch manche politische Sorge. Es gab in Österreich schlechterdings nichts, was nicht irgendwie auf den innenpolitischen Streit zurückwirkte. Wirtschaftsverhandlungen waren im Juliabkommen bekanntlich späteren Gelegenheiten vorbehalten. Sie kehrten immer wieder, ohne daß ich Anteil hatte oder einer der anderen Minister unterrichtet wurde. Wie ich schon zu meinem Besuche bei Hermann berichtete, war es zumal der deutschen Holz- und der Stahlindustrie besonders darum zu tun, Österreich in das Gehege ihrer gewaltigen Rüstungsbetriebe hineinzubekommen. Es fehlte hinten und vorn an Rohmaterialien, über die Österreich doch noch verfügte. Die Verhandlungen gingen immer schwieriger, weil sich sehr bald eine ziemlich große „ S p i t z e " zugunsten, das heißt eigentlich zum Nachteil, Österreichs ergab. Einmal im Mai oder Juni war auch Schacht 1 6 3 ) als Gast Kienböcks in Wien. Wir aßen auf dem Kahlenberg. Schacht setzte Kienböck etwas zu, er möge dem Beispiel der deutschen „Krediterweiterung" folgen, kam dabei aber, ebenso wie bei Schuschnigg und Miklas, an den Unrechten. Hier eine kleine Einfügung über das einzige Fronleichnamsfest in Wien, das ich als Regierungsmitglied mitmachte. Die Teilnahme an diesem Feste bereitete mir seit frühester Jugend (schon in Salzburg) immer ein Vergnügen, das mich die Klugheit des Festkults der Gegenreformation stets verstehen ließ. Natürlich hieß es früh an-

' « ) Adolf Hühnlein (Neustädtlein, 12.11.1881 bis ?), Freikorpskämpfer, 1930 Mitglied der Obersten SA-Führung, 1933 M d R . , 1934 Korpsführer des neugegliederten Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps ( N S K K ) . 1 6 3 ) Hjalmar Schacht (Tingleff, Schleswig-Holstein, 22.1.1877 bis 3.6.1970, München), XII./1923 bis 1930 u. 1933-1939 Reichsbankpräsident, VII./1933 bis 1937 zugleich (kommissarisch) Reichswirtschaftsminister, 1944/45 KZ-Aufenthalt, 1946 im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß freigesprochen.

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fangen. Denn schon um 7 U h r begann das vom Kardinal zelebrierte Pontifikalamt, dem man als Regierungsmitglied wie immer im Chorgestühl der Evangelienseite beiwohnte. Nachher erfolgte der Auszug, wobei die Regierung unmittelbar hinter dem gemessen einherschreitenden Bundesmiklas dem Himmel folgte. Es war ein herrlicher Tag. In feierlichem Zuge gings durch die Kärntnerstraße, die Augustinerstraße, über den Michaelerplatz, Kohlmarkt, Graben zum Stephansplatz zurück. Militär und Offizierskorps waren, wie es sich für den christlichen Kurs geziemte, sehr reich vertreten. Bei jedem Altar wurde „Generaldecharge" abgegeben. Nach dem letzten Altar bei der Pestsäule auf dem Graben sprach mich plötzlich der Bürgermeister Schmitz an, mit dem mich ganz annehmbare Beziehungen verknüpften. Er sprudelte ziemlich unvermittelt eine Haßorgie gegen Adolf Hitler hervor, den er kurzweg einen , , N a r r e n " nannte. Schmitz war in seiner Politik viel zielbewußter als etwa Schuschnigg, der zwischen den Extremen hin- und herbaumelte. Er war ausgesprochen westlich, vor allem französisch eingestellt und hielt namentlich zu den französischen Katholiken besonders enge Beziehungen. Dagegen traute er den Italienern nicht über den Weg. Natürlich lag auch dem Gedanken, Österreich mit Hilfe der Westmächte vor der Umarmung des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches zu bewahren, ein schwerer Rechenfehler zugrunde: die Westmächte waren nicht geneigt, jene Hilfe zu leisten. Immerhin brachte die Sorge vor dem Anschluß Schmitz, den seinerzeitigen größten Hasser der Sozialdemokraten, dazu, Fühlung mit den Linkselementen zu suchen. Doch konnten auch diese die von Schmitz so gefürchtete Entwicklung nicht aufhalten. . . . Unter dem Geläute der großen Pummerin und unzähliger anderer Glocken und unter den Klängen der Militärmusik kehrte der feierliche Zug bei herrlichstem Sonnenschein in die düsteren Hallen von St. Stephan zurück. Es war der letzte Fronleichnamszug, dessen Abhaltung im Freien zugelassen war. Nächstes Jahr hatte sie das nationalsozialistische Regime in Stadt und Land verboten. Wiedererlebt hatte ich den „ U m z u g " in Zagreb, wo es mir leider versagt war, in der Prozession mitzugehen. [ . . . ] Die innenpolitischen Verhältnisse in Österreich und damit die Beziehungen zum Reich hatten sich inzwischen zusehends verschlechtert. Auch die Ernennung D r . Pembaurs 1 6 4 ) (17. Juni), des ehemaligen deutschfreisinnigen Vizebürgermeisters von Innsbruck, der von den Nazis übrigens weitgehend abgelehnt wurde, zum „volkspolitischen Referenten" der V F . hatte daran nichts geändert. Als Garant des Juliabkommens wurde ich durch Zernatto erst einige Stunden vor Vollzug der Ernennung verständigt. Seyß wurde mit der allgemeinen Aufgabe betraut, für den

1 6 4 ) Walter Pembaur (Innsbruck, 2 1 . 9 . 1 8 8 6 bis um 1950, ?), Kriegsteilnehmer, nach 1918 Redakteur bei der Zeitung „Alpenland", Rechtsanwaltsanwärter, 1919 Innsbrucker Gemeinderat der deutschfreiheitlichen Partei, später im Vorstand der Großdeutschen Volkspartei in Tirol, V I . / 1 9 2 9 2. Vizebürgermeister von Innsbruck, Mitglied zahlreicher Gemeinderatsausschüsse, Theaterreferent, 1 2 . 3 . 1 9 3 2 Gemeinderatsmandat niedergelegt, Abgeordneter zum Tiroler Landtag, 1 9 3 4 - 1 9 3 6 Konsulent der Stadtgemeinde in Theaterangelegenheiten, 1 7 . 6 . 1 9 3 7 bis I I I . / 1 9 3 8 Volkspolitischer Referent im Generalsekretariat der V F . Vgl. seine Erinnerungen 1 9 3 7 / 3 8 : Im letzten Kampf um Österreich, Wien-Leipzig 1939.

Fronleichnamsprozession 1937

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Einbau Nationaler zur Mitarbeit an der politischen Willensbildung in der V F . zu sorgen und erhielt ein Staatsratsmandat. Pembaur ließ sich Zeit, sich bei mir vorzustellen. Er hat mir dann allerdings das Zeugnis ausgestellt, ich hätte auf ihn immer mehr den Eindruck „einer geistig und menschlich hochstehenden Persönlichkeit" gemacht 1 6 5 ). Der Juni brachte mir einige äußere Ehrungen. Unter anderem wurde ich von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften zum Ehrenmitglied ernannt. Am 15. Juni erhielt ich (natürlich nach Guido Schmidt, worauf dieser besonders achtete) das Großkreuz des österreichischen Verdienstordens. Es war eine recht geschmackvolle Auszeichnung, der ich mich jedoch nur kurze Zeit erfreuen konnte. Nach dem Anschlüsse wurde sie verboten. Bezeichnend war, daß noch in den ersten Tagen nach dem 11. März Seyß mit mir über Verleihungen des Ordens sprach und weder er noch ich daran dachten, daß er abgeschafft würde. Übrigens gab es unter den österreichischen Radikalinskis auch Leute, die sogar die Abschaffung der altösterreichischen Kriegsauszeichnungen forderten!! Es war vor allem Hubert Klausner zu danken, daß uns diese Schweinerei erspart blieb. Am 26. Juni fand im Allgemeinen Krankenhaus auf dem Aisergrund die Enthüllung eines Denkmals für die gefallenen Militärärzte statt. Die Regierung war durch Zehner und mich vertreten. Miklas war gleichfalls da. Die besondere Zierde der Gesellschaft war Feldmarschall Erzherzog Eugen. Als ich im Hofe stand, ahnte ich nicht, daß ich in 6 Jahren in den gleichen Tagen vor meiner Kropfoperation als Patient die Anlage durchschreiten sollte. Die Festrede hielt Burghard Breitner 1 6 6 ), der große Menschenfreund und Helfer unserer sibirischen Gefangenen. Anfang Juli war wieder einmal eine deutsche Friedensdelegation in Wien, die sich diesmal, wenn ich mich richtig besinne, vor allem mit der „endgültigen" Wiederherstellung des Pressefriedens befaßte 1 6 7 ). Ich gab um den 10. herum, um die erste 1 6 s ) Pembaur, 3 5 : „ D e r erste Besuch galt Minister Dr. Glaise-Horstenau. D a ich unmittelbar vor einer Ministerratssitzung vorgelassen wurde, dauerte die Aussprache nicht lange. Aber auch die wenigen Augenblicke dieses Besuches waren für mich überaus stärkend, aufmunternd. Die freundliche, im weiteren fast freundschaftliche Art des Ministers war gewinnend und kräftigend. ,Sie haben eine sehr schwere Aufgabe übernommen. Aber es muß gelingen, im Rahmen des Juliabkommens zu einer wirklichen Verständigung durchzudringen. Sonst wird das Abkommen hinfällig.' Er erwähnt kurz seine eigenen Bemühungen, betont die Notwendigkeit unserer Zusammenarbeit und fordert mich auf, bald zu einer eingehenden mehrstündigen Besprechung gemeinsam mit Staatsrat Seyß-Inquart zu ihm zu kommen. Damit war die erste kurze Begegnung vorbei, der später viele andere folgten, die den tiefen Eindruck einer geistig und menschlich hochstehenden Persönlichkeit verstärkten." 1 6 6 ) Burghard Breitner (Mattsee, 1 0 . 6 . 1 8 8 4 bis 2 8 . 3 . 1 9 5 6 , Innsbruck), Betreuer der Kriegsgefangenen in Sibirien bis 1920, 1928 Univ.-Prof. in Innsbruck. Präsident der Gesellschaft vom Roten Kreuz, 1951 Kandidat des Verbandes der Unabhängigen bei der Wahl des Bundespräsidenten; z . T . unter dem Pseudonym Bruno Sturm Verfasser von Dramen und Romanen, autobiographischer Aufzeichnungen: Sibirisches Tagebuch ( 1 9 2 1 ) ; zahlreiche medizinische Arbeiten. 1 6 7 ) Gemeint sind die zwischenstaatlichen kulturellen Ausschüsse, die im Juliabkommen vorgesehen waren und im November 1936 in Berlin, dann im Februar 1937 in Wien getagt hatten. V o m 6. bis 9. Juli fanden wieder Tagungen in Wien statt. Von österreichischer Seite nahmen Schmidt, Glaise-Horstenau, Z e m a t t o und Seyß-Inquart, von deutscher Seite Weizsäcker, Keppler und Papen daran teil. A m 9. Juli kam es zu einer Aussprache beim Bundeskanzler. Als Ergebnis wurde die Bejahung des Juli-Abkom-

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Jahreswende meiner Ministerschaft, bei Manhart in Grinzing einen Heurigenabend, an dem auch Hornbostl und Adam teilnahmen, selbstverständlich auch Papen. Weibliches Publikum war bloß durch die blonde, mit riesigen Zöpfen ausgestattete Wirtin vertreten. Der naive Pembaur schreibt in seinem Buche, man habe auf die Frage nach Papens Lieblingslied das Horst-Wessellied genannt. Ahnungsloser! Zum 11. Juli habe ich mich in „Eichingers Zeitungsdienst" geäußert. Einige Sätze daraus seien hier wiederholt. „Wären Österreich und Deutschland nicht Staaten gemeinsamen Blutes, hätten sie keine tausendjährige gemeinsame Geschichte, stellten sie nicht in vielen Belangen kommunizierende Röhren, allerdings verschiedenen Durchmessers, dar - vieles wäre für den Augenblick leichter. So aber ist jede Frage, die zwischen den beiden deutschen Staaten auftaucht, immer auch für beide eine innenpolitische Angelegenheit oft brennenden Interesses. Das war auch früher schon so, macht sich aber bei den Herrschaftssystemen der Gegenwart noch fühlbarer . . . " . Dann weiter unten: „ M ö g e jeder von uns beiden sein eigenes Haus nach Bedarf und Gefallen zimmern - im breiten Strom des gemeinsamen nationalen Schicksals werden wir uns immer wieder finden und finden müssen, wie wir uns trotz religiösen, weltanschaulichen, dynastischen und Vorherrschaftskämpfen immer wieder gefunden haben die tausend Jahre hindurch, die hinter uns liegen . . . " Zu Beginn meiner Ausführungen beklagte ich, daß mancher „Rauhreif auf die Blütenträume des vergangenen Sommers gefallen" sei. Zu Pfingsten waren Familie Muff, ich und - wenn ich nicht irre, der damalige Major Speidel 1 6 8 ), Abwehroffizier und Stammesgenosse Muffs - über Klosterneuburg auf den Tulbinger Kogel gefahren. In Klosterneuburg besuchten wir die Kirche. Ich bemerkte, daß mich der Weihrauchgeruch leerer Kirchen immer feierlich stimme. Muff sagte, bei ihm sei das Gegenteil der Fall, was wohl mit der Erinnerung an die Gegenreformation etc. zusammenhänge. Auf der Fahrt zum Tulbinger Kogel, auf der sich Hofbauer selbstverständlich verirrte, erfuhr ich von Muff, daß in Berlin gegenüber Österreich Einmarschabsichten in der Luft lägen. Ich war sehr betroffen und beschwor Muff, auf Blomberg im entgegengesetzten Sinne einzuwirken. Die Mitteilungen Muffs bestätigten die Besorgnisse, von denen ich längst erfüllt war. Ohne den Kanzler durch die Weitergabe der Mitteilungen Muffs zu beunruhigen, ließ ich in den Gesprächen mit ihm doch keinen Zweifel bestehen, daß mir die Lage weitgehend verfahren scheine. Zu Pembaur habe ich (nach seinem Buche) bei Gelegenheit gesagt, die Weste vom 11. Juli sei falsch zugeknöpft, sie müsse wieder m e n s , die N i c h t e i n m i s c h u n g in die innerösterreichischen Verhältnisse und die H e r a n z i e h u n g der nationalen O p p o s i t i o n z u r Mitarbeit in der V F . festgehalten, w o r ü b e r S e y ß - I n q u a r t ein P r o g r a m m entwickelte. Weiters w u r d e über die A u s n a h m e g e s e t z e und die A m n e s t i e verhandelt. 1 6 8 ) H a n s Speidel ( g e b . M e t z i n g e n , W ü r t t e m b e r g , 2 8 . 1 0 . 1 8 9 7 ) , 3 0 . 1 1 . 1 9 1 4 als F a h n e n j u n k e r Eintritt in die A r m e e , . . . 1 . 1 0 . 1 9 3 6 Leiter der A b t e i l u n g F r e m d e H e e r e West im G e n s t a b des H e e r e s , 1 . 1 0 . 1 9 3 7 I a der 33. I D . , 1 . 1 . 1 9 3 9 O b s t l t . , 1 5 . 1 0 . 1 9 3 9 I a I X . A K . , 5 . 6 . 1 9 4 0 I a H g r . B , 1 4 . 6 . 1 9 4 0 C h e f d. G e n s t a b e s Militärbefehlshaber F r a n k r e i c h . . . , 1 . 2 . 1 9 4 1 O b s t . , 1 . 1 . 1 9 4 3 G e n . M j r . , . . . , 1 5 . 8 . 1 9 4 3 C h e f d. G e n s t b . 8. A r m e e , 1 . 4 . 1 9 4 4 G e n . L t . , 1 5 . 4 . 1 9 4 4 C h e f G e n s t . H g r . B , 5 . 9 . 1 9 4 4 inhaftiert, nach 1945 am W i e d e r a u f b a u eines H e e r w e s e n s in W e s t d e u t s c h l a n d beteiligt, 1955 G e n . L t . der B u n d e s w e h r , 1957 G e n e r a l .

Die Volkspolitischen Referenten

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vollkommen aufgeknöpft werden 1 6 9 ). Ähnlich äußerte ich mich Schuschnigg gegenüber. Dieser versuchte mich immer wieder mit dem Hinweis auf die schon erwähnte, damals noch bevorstehende österreichisch-deutsche Kommission zu beruhigen. Ich erklärte, solche Beamtenkommissionen seien höchstens geeignet, das störende Kleinzeug vom Schreibtisch wegzuräumen. Die entscheidende Klärung könne aber nur von den beiden Staatsführern kommen, die sich endlich zu einer persönlichen Entrevue entschließen müßten. Natürlich müßte eine solche Entrevue gut vorbereitet, das heißt in den wichtigsten Verhandlungsgegenständen im voraus bindend festgelegt sein; ohne eine solche diplomatische Vorbereitung könnte - zumal beim Temperament Hitlers - das Gegenteil des Gewünschten erzielt werden. Wie sehr ich mit dieser Auffassung recht hatte, bewies der 12. Februar 1938. Als Grundlage solcher Verhandlungen bezeichnete ich nach wie vor: möglichste Zugeständnisse in den zwischenstaatlichen Beziehungen und dadurch Behauptung eines Mindestmaßes innenpolitischer Entwicklungsfreiheit für Österreich. Allerdings unterließ ich es schon damals nicht, auf die gefühlsmäßige Verbundenheit Hitlers mit den österreichischen Nationalsozialisten zu verweisen, die kein papierener Vertrag aus der Welt schaffen könne. O b ich schon den Vergleich mit dem Propheten Mohammed gebrauchte, der nicht zusehen könne, wie die österreichischen Moslims diskriminiert und eingesperrt würden - dessen besinne ich mich nicht mehr. Ich glaube beinahe, daß ich es schon tat. Schuschnigg hatte offenbar Hemmungen, den von mir vorgeschlagenen Weg zu beschreiten und dem Gewaltigen in eigener Person gegenüberzutreten. Seine taktische Situation wäre, wenn die Initiative von ihm ausgegangen wäre, zweifellos besser gewesen als im Februar nächsten Jahres. Er zog jedoch bürokratische Verhandlungen vor und blieb im übrigen weiterhin in einer ziemlich unfruchtbaren Kampfstellung, wobei ich ihn immer wieder warnte, als kleiner David dem Riesen Goliath mit den gleichen oder ähnlichen Kampfmitteln beikommen zu wollen, wie dieser sie hatte. Im Verlaufe dieser Begebenheiten kam es einmal zu einem recht interessanten Duell, das der Kanzler mit dem deutschen Sonderbeauftragten Keppler 1 7 0 ) in G e genwart von Weizsäcker 1 7 1 ), dem späteren Staatssekretär und jetzigen Botschafter, 1 6 9 ) Laut Pembaur, 120, im J ä n n e r 1938; als er sich gegenüber Glaise-Horstenau über Zeitungsartikel der volkspolitischen Referenten Reitter und Dadieu äußerte. D a z u Glaise, nachdem er festgestellt hatte, Leopold sei der Führer der Partei: „ D a s A b k o m m e n vom Juli 1936 muß von G r u n d auf erneuert werden; wenn eine Weste falsch zugeknöpft ist, muß sie zuerst wieder von oben bis unten aufgemacht werden. D i e Verhandlungen müssen neu geführt werden; Verhandlungen mit dem Führer. Das ist meine feste U b e r z e u g u n g . " 1 7 0 ) Wilhelm Keppler (Heidelberg, 1 4 . 1 2 . 1 8 8 1 bis 1 3 . 6 . 1 9 6 0 , Friedrichshafen), Industrieller, V I I . / 1 9 3 3 Beauftragter für Wirtschaftsfragen in der Reichskanzlei, dann persönlicher Berater Görings, 2 0 . 3 . 1 9 3 8 Reichsbeauftragter für Österreich u. Staatssekretär für besondere Verwendung im Auswärtigen A m t . m ) Ernst F r h . v. Weizsäcker (Stuttgart, 1 2 . 5 . 1 8 8 2 bis 4 . 8 . 1 9 5 1 , ?), ab 1920 im diplomatischen Dienst, 1934 ao. Gesandter und bevollm. Minister in B e r n , 1 9 3 6 - 1 9 3 8 Leiter der pol. A b t . des Auswärtigen Amtes, 1937 Ministerialdirektor, 1 9 3 8 - 1 9 4 3 Staatssekretär im Auswärtigen A m t , 1 9 4 3 - 1 9 4 5 D e u t scher Botschafter beim Vatikan.

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dann von Papen, Guido Schmidt und meiner Wenigkeit auszutragen hatte. Einzelheiten sind mir leider nicht mehr in Erinnerung. An eins erinnere ich mich: daß Keppler beleidigt war, als Schuschnigg Hitler mit Bismarck verglich, worauf Schuschnigg sofort entschuldigend bemerkte, es falle ihm nicht bei, einen solchen Vergleich zu machen. Natürlich war der Kanzler seinem reichsdeutschen Gesprächspartner in der Wechselrede turmhoch überlegen und das Augsburger Religionsgespräch endete mit einer ausgesprochenen Niederlage Kepplers. Wir anderen vier hatten wohlweislich geschwiegen 1 7 2 ). Als Ergänzung zu meinen literarischen Kämpfen mit Dankl möchte ich hier einfügen, was am 16. Juli der alte Feldmarschalleutnant Gerabek 1 7 3 ) in der Wehrzeitung über ein Vorwort schrieb, das ich Nitsches Buch über „Altösterreichs Heer im deutschen Schicksal" vorausgestellt hatte: 1 7 4 ) „ M a n kann für die alte Armee nicht freudiger, nicht überzeugter und überzeugender eintreten als es hier" (durch meine Wenigkeit) geschah. Ich war Gerabek für diese Worte sehr dankbar. Ein besonderes Ereignis bildete in der nächsten Zeit der „Welser Soldatentag", der seit geraumer Zeit seine Schatten vorauswarf 1 7 5 ). Unter der Devise „Schulter an Schulter" sollten sich Weltkriegskämpfer aus Deutschland und Österreich in der alten oberösterreichischen Handelsstadt treffen. Die Regierung Schuschniggs hatte natürlich an der Sache nach allen Erfahrungen, die sie mit dergleichen Veranstaltungen gemacht hatte, keine besondere Freude. Das Fest wurde zuerst einigemale verschoben und dann auf den 18. Juli festgesetzt. Ich befand mich an diesem Tage, einem Sonntage, bereits in Salzburg auf Urlaub. Papen holte mich in aller Früh auf dem Exerzierplatz mit Flugzeug ab, das uns nach Wels brachte. Natürlich war er schon bei der Einfahrt in die Stadt Gegenstand demonstrativer Huldigungen, von denen ein ganz klein wenig auch ich abbekam. Auf dem Festplatz war eine Ehrentribüne aufgerichtet, auf der Papen, Muff mit m ) Vgl. dazu E. V . W e i z s ä c k e r , Erinnerungen, Leipzig-Freiburg i. Br. 1950, 134 f. u. Leonidas E. Hill (Hg.), Die Weizsäcker-Papiere 1 9 3 3 - 1 9 5 0 , Berlin-Frankfurt-Wien 1974, 1 1 7 : 1 6 . 7 . 1 9 3 7 , , . . . Es ging besser als gedacht. W e n n österreichische Schwüre ernst zu nehmen sind, konnte man sogar sagen sehr gut. Immerhin hat es etwas eigentümliches, im Hause am Ballhausplatz, w o der Krieg organisiert wurde, sich Vorhaltungen darüber machen lassen zu müssen, daß wir Österreichs Selbständigkeit stören. Von Militär und Detektiven ist man gut bewacht, und im Arbeitszimmer von Herrn Schuschnigg, einem geschulten Feldkirchner, ist ein Sims mit Kruzifix, zwei Leuchtern und der Totenmaske von D o l l f u ß . " Vgl. jedoch A D A P . , N r . 234, 235, 2 3 7 : Vermerk und Aufzeichnungen Weizsäckers v. 7 . 7 . , 8 . 7 . u. 1 0 . 7 . 1 9 3 7 über die Besprechungen. A l s Schmidt die Frage eines engeren Kontaktes zwischen den Heeresverwaltungen anschnitt, meinte Weizsäcker, daß, solange Jansa und Zehner im A m t seien, keine Vertrauensbasis gegeben sei. 1 7 3 ) Karl v. Gerabek (Wien, 2 8 . 1 1 . 1 8 6 7 bis 3 0 . 7 . 1 9 4 2 , Wien), 1887 aus Milak. als Lt. zu IR. 72, Genstabslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 0 Obst. i . G . , 2 6 . 4 . 1 9 1 3 Vorstand 1. A b t . im K M . , 2 7 . 8 . 1 9 1 4 K m d t . 72. I Erig., 7 . 1 0 . 1 9 1 4 Genstabschef 5. Armee, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 G M . , 1 . 1 1 . 1 9 1 7 F M L . , Divisionär, 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert, Mitarbeiter der Ö W Z . m ) Georg Nitsche, österreichisches Soldatentum im Rahmen deutscher Geschichte, Berlin-Leipzig 1937. Mit einer Einführung „Alt-Österreichs Heer im deutschen Schicksal" von Glaise-Horstenau, 9 - 2 4 . Geleitwort von Friedrich von Cochenhausen. In einem Teil der Ausgabe wurde laut A n m . S. 292 von G . Nitsche, der „Geburtstag Großdeutschlands nachträglich aufgenommen". 1 7 S ) Das Frontsoldatentreffen „Schulter an Schulter" fand am 17. und 18. 7 . 1 9 3 7 in Wels statt. Nach den Unruhen kam es zu 22 Festnahmen.

Welser Soldatentag

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vielen Orden, Landeshauptmann Gleissner, Landessicherheitsdirektor Graf Reverterá und meine Wenigkeit (letzterer in der salzburgischen Landestracht mit E K O und E K I) nebst vielen Würdenträgern und auch einer Menge Offiziere des Bundesheeres Platz genommen haben. Der Auftakt der Feier vollzog sich ohne Turbulenz. Es sprachen Gleissner, Papen und ich. Ich frei wie gewöhnlich, gut österreichisch und gut deutsch - nicht weil unten der Adjutant Schuschniggs, der unsympathische Major Bartl mit Argusaugen und ,,-ohren" stand (der übrigens dem Kanzler ausnahmsweise gut über mich referierte), sondern weil es meine Überzeugung war. „ I c h bin für österreichisches Selbstbewußtsein!" hatte ich Hitler noch am 28. Februar 1938, 14 Tage vor dem Anschluß, gesagt, als wir im Münchener Führerbau die breite Prunktreppe hinabstiegen. Seyß, obgleich „nationaler" Staatsrat, hatte sich von der brenzlichen Sache wohlweislich ferngehalten. Beim Abmarsch kam es bereits zu großen nationalsozialistischen Kundgebungen, die sich immer mehr ausbreiteten. Ganz Wels war in einen Trubel gestürzt. Niedergeschmettert, wie ich nie gedacht hätte, war der aus dem letzten Krieg mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille geschmückte Gleissner. Er ließ gegen meinen Rat einen eben angesetzten Vorbeimarsch sofort abstellen. Ich habe ihn am übrigen Tag nicht mehr gesehen. Ich wandelte als „Kaiser J o s e p h " auf dem Welser Hauptplatz durch die Menge und nahm später an einem Essen in dem altbekannten Hotel Greif teil, wobei mir unter den Teilnehmern nur mehr einer in Erinnerung ist, der sehr nette, einarmige Adjutant Epps, der in Zivil gekommen war und mit dem sich gut reden ließ. U m etwa 3 Uhr holte mich von Salzburg her meine Mutter mit Auto ab, wir fuhren über die Seen nach Hause. Die aktiven Teilnehmer am Welser Soldatentag wurden auf etwa 3000 Mann geschätzt. Darunter waren 500 Reichsdeutsche, denen die offizielle Berichterstattung ein Wohlverhaltungszeugnis ausstellte. Allerdings spielte irgendeine Flugschriftenschmuggelei in Passau eine Rolle, bei der auch der Bürgermeister dieser Stadt mittat. Landeshauptmann Gleissner, früher ein warmer Vertreter des Versöhnungskurses, aber schon am 29. Juli v . J . aus dem Häuschen, hatte jede Fassung verloren. Er veranstaltete eine Woche später gleichfalls in Wels eine 'Gegenkundgebung der V F . 1 7 6 ) , in der er gegen verschiedene, nationale Vereine seinen Bannfluch schleuderte, mit einer schwarzen Liste gegen nationale Welser Geschäftsleute drohte und schließlich über die Stadt eine eigenartige Strafe verhing: Binnen Jahresfrist sollte sie ein besonders schönes Dollfußdenkmal erhalten! Diese Erbitterung grenzte schon an Lächerlichkeit, zumal wenn man die tatsächlichen zwischenstaatlichen Kraftverhältnisse in Rechnung zieht 1 7 7 ). Von der Dollfußfeier am 25. Juli konnte ich mich natürlich nicht völlig fernhalten. Ich erschien beim Hochamt im Stephansdom, wo nicht weit von mir die ) Gegenkundgebung der V F . mit 25000 Teilnehmern am 2 5 . 7 . 1 9 3 7 . ) I f Z G . , Wien, Tagebuch Czermak, 2. Teil, S. 121: „ 2 0 . 7.1937 . . . Hartnäckig behauptet sich das Gerücht, daß Glaise-Horstenau nach Berlin als Gesandter kommt. Dies würde allerdings eine wesentlich größere Bedeutung haben als irgendein Ministeraustausch . . . " . 176 177

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Witwe Dollfuß Platz nahm. Dann waren verschiedene andere Festanlässe, denen ich nur zum Teil beiwohnte: Grundsteinlegungen zu einem Dollfußdenkmal und zu einem Haus der VF. beiderseits des Ballhauspalais, Kranzniederlegung am Sarge des toten Kanzlers, Grundsteinlegung zu einem VF. Jugendheim oder dergleichen hinter dem Fasangarten in Schönbrunn, wo sich ein Jahr später die SS breitmachen sollte. Die Sensation des Tages war es wohl, daß zum erstenmal Zernatto in der schwarzen Uniform des SK., das heißt des „Sturmkorps" der VF. erschien 178 ). Ich ließ es mir nicht nehmen, ihn wegen.der Ähnlichkeit mit der SS anzuöden. Das SK. wurde - natürlich auch wieder ohne Verständigung meiner Wenigkeit - ins Leben gerufen und hatte sich bereits in Kärnten zweifelshafte Lorbeeren geholt, bei deren Erringung es zum Teil mit Militärabteilungen zusammenstieß, zum Teil durch solche aus unmöglichen Lagen befreit werden mußte. Es bestand aus richtigen Rowdys und wurde von einem dunklen Subjekt, einem gewissen Alexander 179 ), befehligt. Seine Aufgabe war, als Prügelgarde der VF. zu dienen. Schuschnigg war geschmacklos genug, sich im Garten seiner Wohnung mit Alexander bei einem Handschlag photographieren zu lassen. Natürlich wurden diese Dinge im nationalsozialistischen Drittten Reich entsprechend notiert. Das Ende Juli, anfangs August abgehaltene Breslauer Sängerfest 180 ) gab der armen österreichischen Regierung neue Rätsel auf. Ich war müde und mischte mich nicht mehr hinein. Den nach Deutschland gelassenen, schon etwas gesiebten Sängern aus Österreich wurden sehr viele weise Lehren mitgegeben und auch an Drohungen fehlte es nicht; die VF. drohte mit Spitzeln! Dennoch kam es beim Vorbeimarsch an der Führertribüne zu stürmischen Kundgebungen, denen sich Adolf Hitler keineswegs entzog, sondern die er mit offensichtlicher Begeisterung und Rührung hinnahm. Sagten sie ihm doch, daß er nicht bloß Führer des Reichsvolkes, sondern der ganzen Nation sei! Die vaterländische Presse war sehr bös, Einzelverfolgungen fanden aber, so viel ich mich erinnere, nicht statt. Wenn ich hier von Einzelverfolgungen rede, so möchte ich auch die Frage der Gmundener Ärztetagung streifen. Für den 1. Mai 1937 hatte Dr. Jury, der spätere Reichsstatthalter und Gauleiter von Niederösterreich, über ein Dutzend nationaler Ärzte nach Gmunden zu einer Tagung entboten. Daß diese Tagung wirklich rein wissenschaftlich und nicht politisch gemeint war, glaubte natürlich kein Mensch. Aber die Leutchen kamen gar nicht dazu, sich „subversiv" zu betätigen; denn die 178

) Das „Sturmkorps", zunächst eine Truppe von 120 Mann, sollte Träger „eines besonderen Aktivismus in der VF." sein, eine kämpferische Elite. Aufgenommen wurden Männer vom vollendeten 18. bis zum 35. Lebensjahr, Mindestgröße 1,70 m. Die Assentierungen erfolgten zunächst im August und September 1937. Bis März 1938 dürfte das Sturmkorps eine Stärke von 900-1000 Mann erreicht haben. Es war als Gegengewicht gegen die Terroraktionen der Nationalsozialisten gedacht und wirkte zunächst durch Propagandaaufmärsche, Präsenz bei Gedenkfeiern und Versammlungsschutz. Vgl. E. Bachl, Das Sturmkorps der Vaterländischen Front, Maschinschr. Seminararbeit am IfZG., Sommersemester 1966 (IfZG., sign. SE 399). 179 ) Dr. Richard Alexander (?), Angehöriger des Studentenfreikorps; bei seiner Verhaftung 1938 mißhandelt und in ein Konzentrationslager gebracht. 180 ) Von österreichischen Teilnehmern war Hitler in Breslau und anläßlich einer anschließenden Deutschlandreise als „ F ü h r e r " gefeiert worden.

Steigender Einfluß Seyß-Inquarts

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Polizei fiel ihnen schon vorher in den Arm, das heißt sie nahm einige vorübergehend in Haft und verbot die Zusammenkunft. Meinem Eingreifen war es wohl geglückt, eine weitere polizeiliche Verfolgung des Falles hintanzuhalten. Aber es ging nun jedes Bundesland daran, sich auf seine Weise an den Ärzten auszuleben. Man versuchte, ihnen Anstellungen in Krankenhäusern zu nehmen, ihnen, was gleichfalls einer Existenzvernichtung gleichkam, die Krankenkassenpraxis abzusprechen und dergleichen mehr. Das gab bei den paar Menschen unendlich viele Briefe, Telephongespräche, Interventionen - bis endlich der 11. März 1938 der ganzen Sache ein jähes Ende bereitete. Der Fall der „Gmundener Ärzte" zeigte klar, daß das totalitäre Regime in Österreich die „ F o r m " mehr wahrte als etwa jenes im Reich, wo die Gmundener Ärzte samt und sonders mindestens ins KZ gewandert wären, daß es aber auf verschiedenen Umwegen doch zur schwersten und vielfach dümmsten Strafe zu gelangen vermochte, der der Existenzvernichtung. Zu alldem mußte man überdies nach der allgemeinen Lage sagen: Quod licet Jovi . . . Als einer der Ergebnisse der Kultur- und Presse-Ausschußsitzungen ist zu melden, daß dem Drängen der Deutschen die Zulassung von Hitlers „Mein Kampf" im österreichischen Buchhandel glückte. Es kam natürlich zu einigen kleineren Zwischenfällen in der Provinz. Seyß hatte sich gegenüber Keppler als den gepriesen, dessen Einfluß jenes Entgegenkommen zuzuschreiben gewesen sei. Da ich die Vorgeschichte kannte, fragte ich Schuschnigg, ob diese Äußerungen der Wahrheit entsprächen. Schuschnigg stellte die Richtigkeit brüsk in Abrede. Der schlaue Seyß wußte sehr genau, daß man sich mit einer solchen Sache, die sicherlich zum Ohre Hitlers kam, bei diesem ausgezeichnet „einweimberln" konnte 1 8 1 ). Die nun folgenden Urlaubswochen waren durch ein bei meiner Mutter aufgetretenes Leiden, eine Phlegmone auf einer Zehe, sehr getrübt. Sie litt nicht nur physisch schwer, sondern in der Furcht, gleich ihrer Mutter den Fuß zu verlieren - eine Furcht, die im vorliegenden Falle nicht unbegründet war - auch seelisch außerordentlich. Ich ließ den Primarius Rauchenbichler vom Kajetanerspital kommen. Leider brachte ich nicht die Energie auf, die alte Frau zur Uberführung in dieses Spital zu zwingen, damit sie sich dort einer richtigen Operation unterziehe. So wurde sie täglich in ihrem bescheidenen Sommerquartier im Kreuzbrückl von Dr. Rauchenbichler namenlos gemartert und sie verlangte, daß ich anwesend sei, da es ihr ihr Schicksal erleichterte. Sie hat bei diesem Leiden wirklich gebüßt, was sie früher an ihrer Umgebung und an sich durch ein unerträgliches Temperament gesündigt hatte. Natürlich kam dadurch meine Politik zu kurz, in der sich manches abspielte, was mich hätte nachdenklich machen müssen. Vor allem entwickelte Seyß auf einmal eine unerhörte Rührigkeit, wobei er seine Tätigkeit zum Teil nach Mattsee, zum 1 8 1 ) Vgl. A D A P . , D/I, nr. 242: Bericht Papens an Hitler, Wien, 14.7.1937, über die Zulassung von „ M e i n Kampf". Der Bericht erfolgte nach einer Aussprache mit Seyß-Inquart. Vgl. auch Rosar, 140. Am 17.6.1937 hatte Seyß-Inquart den Sonderauftrag zur „Heranziehung der nationalen Opposition" in Österreich zur politischen Verantwortung übernommen und sich auch als erstes bereit erklärt, an den bevorstehenden zwischenstaatslichen Kommissionsverhandlungen teilzunehmen. A m 2 5 . 6 . 1 9 3 7 fand seine „Beeidigung" zum Staatsrat statt.

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größeren aber nach Kärnten verlegte, wo er vor allem an einer Veranstaltung des Deutschen Turnerbundes besonders dezidiert teilnahm. Mich hatte Schuschnigg auf meine Anfrage hin gebeten, mich von der Sache fernzuhalten. Gleichzeitig schloß Seyß, wie man nachträglich erkennen kann, mit Hilfe von dem immer wieder erscheinenden Keppler sein Bündnis mit der SS, indes die SA-Gruppe Leopold und auch ich fallen gelassen wurden. Sehr stark waren dabei die Kärntner mit Friedl Rainer, Globocnik und Klausner eingeschaltet. Keppler erwies mir allerdings ab und zu die Ehre, auch mich in meinem bescheidenen Kreuzbrückl zu besuchen, das natürlich in seiner Einfachheit gar nicht zu den Vorstellungen eines SS-Gruppenführers vom Milieu eines Ministers entsprach und mir in reichsdeutschen Augen gewiß eher schadete als nützte. Einmal war er auch mein Gast in dem seither leider abgebrannten Gaisberg-Restaurant. Er erklärte dabei apodiktisch, bis 1942 werde der Anschluß vollzogen sein. Vielleicht war die Anwesenheit dieses wenig sympathischen und imponierenden Repräsentanten der neuen in Deutschland herrschenden Mächte schuld daran, daß mich diese Kunde nicht sonderlich freute. Mein Blick streifte die vor uns ausgebreitete Ebene samt Salzburg, irgendeine unklare Besorgnis kam über mich; denke ich heute an alles, was seither in meiner lieben Heimat zertrümmert ist, so muß ich meine Besorgnis sehr ahnungsvoll finden. Die Sondertouren Seyß-Inquarts veranlaßten mich nach der Rückkehr zu einer Synode in der Wohnung Peter Czernins. Leopold war durch Jury vertreten. Ich forderte eine geradlinige Politik im nationalen Lager. Seyß gab alle Zusicherungen natürlich ohne die Absicht, sie zu halten. Einmal brachte mich während des Urlaubs Czernin auch mit Henlein 1 8 2 ) zusammen. Wir trafen uns im Hotel Axelmannstein zu Reichenhall. Das Gespräch war nicht uninteressant für mich, haften ist jedoch nichts geblieben. Ich hatte seit Beginn meiner Ministerschaft lockere Beziehungen zu den Sudetendeutschen. Frank 1 8 3 ), der nachmalige Allgewaltige in Böhmen-Mähren, machte keinen Eindruck auf mich; weit mehr Rutha 1 8 4 ), der wirklich ein gebildeter Mann war, sich jedoch noch vor dem Anschluß in einem tschechischen Kerker erhängte, in den er wegen Verstößen gegen den reichsdeutschen § 175 geworfen worden war. 1 8 2 ) Konrad Henlein (Maffersdorf bei Reichenberg, Böhmen, 6 . 5 . 1 8 9 8 bis 10. 5 . 1 9 4 5 , Selbstmord in Pilsen), 1916/17 Kriegsdienst, 1 . 7 . 1 9 1 7 Fhr. i . d . Res. IR. 27, 1 8 . 1 1 . 1 9 1 7 bis I V . / 1 9 1 9 ital. Kriegsgefangenschaft, Bankbeamter, ab 1925 Turnlehrer beim Turnverein Asch, 1928 mit Rutha und Schülern O t h m a r Spanns Gründung des Kameradschaftsbundes, 1931 Führer des Deutschen Turnerverbandes in der t S R . , 1 . 1 0 . 1 9 3 3 Gründung der Sudetendeutschen Heimatfront, 1935 umbenannt in Sudetendeutsche Partei, nach dem Münchner Abkommen Gauleiter u. Reichsstatthalter im Reichsgau Sudetenland. 1 8 3 ) Karl Hermann Frank (Karlsbad, 2 4 . 1 . 1 8 9 8 bis 2 2 . 5 . 1 9 4 6 , hingerichtet in Prag), Buchhändler, sudetendeutscher Politiker, seit 1933 Propagandachef der Sudetendeutschen Partei, 1935 Abgeordneter, 1937 Stellvertreter Henleins, 1938 Stellv. Gauleiter im Sudetengau, 1 9 . 3 . 1 9 3 9 Staatssekretär beim Reichsprotektor in Böhmen u. Mähren, 20. 8 . 1 9 4 3 Staatsminister für Böhmen und Mähren, SS-Obergruppenführer, zugleich höherer SS- und Polizeiführer. 1 8 4 ) Heinrich Rutha (Bad Kunnersdorf, Böhmen, 2 0 . 4 . 1 8 9 7 bis ?), E F . bei F A R . 21 in Budweis, F h r . , Architekt, ab 1923 enger Mitarbeiter Henleins, 1934/35 Initiator des freiwilligen sudetendeutschen Arbeitsdienstes, seit 1935 Fachreferent für Nationalitäten- und Völkerbundfragen der Sudetendeutschen Partei, Funktionär des sudetendeutschen Turnerverbandes.

Steigender Einfluß Seyß-Inquarts

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Peter Czernin, der ehrgeizige Sohn seines ehrgeizigen Vaters und Bräutigam der Melly Fritsch, die ich ganz gern hatte, plätscherte aber nicht nur im nationalsozialistischen Gewässer. Er hatte es verstanden, sich auch Schuschnigg zu nähern. Dabei half ihm seine Kusine Vera Fugger, geborene Czernin-Morzin. Vera Fugger, Gattin des Grafen Leopold und Mutter von vier Kindern, genoß in der Aristokratie - ob mit Recht oder Unrecht - keinen besonders guten Ruf. Schuschnigg, der schon seiner ersten Frau manchen Kummer gemacht haben soll und nach Mitteilung von Freunden über ein Temperament verfügte, das zu seiner äußerlichen Kühle in einem gewissen Gegensatz stand, verliebte sich unsterblich in die gewiß mit sex appeal ausgestattete Frau, trieb mit ihr seine heißgeliebte Musik und widmete ihr jede freie Stunde. Er leitete die Ungültigkeitserklärung der Ehe mit Fugger bei den kirchlichen Ehebehörden ein. Grund: Zwang zur Ehe ähnlich wie kurz vorher bei Starhemberg, der nach seiner ersten Gattin ordnungsmäßig die hübsche Burgschauspielerin Nora Gregor geheiratet hatte 1 8 5 ). Besonderer Förderer der Absichten Schuschniggs war der Theologieprofessor Dr. Hollnsteiner. Ich war aus den Zeiten der Katholischen Akademikergemeinschaft mit ihm in einem näheren Verhältnis, er besuchte mich noch einige Wochen vor dem Anschluß und versicherte mir, daß die Beziehungen Kurt-Vera durchaus platonisch seien. Ich weiß nicht, ob ein Beichtvater so etwas sagen darf. Von der Außenwelt dachte jeder, der von der Sache wußte, daß Vera nur den Bundeskanzler oder künftigen Bundespräsidenten heiraten wolle, nicht den einfachen Kurt Schuschnigg. Wer kennt sich auch bei den Weibern aus! Vera teilte unmittelbar nach dem 11. März die Internierung Kurts in seinem bescheidenen Heim hinter dem Belvedere, heiratete ihn, folgte ihm später auch ins N o b e l - K Z und schenkte ihm ein Mädchen, das den bezeichnenden Namen Maria Dolores 1 8 6 ) erhielt. Das geschah alles in Zeiten unserer Siege. Durch Vera Fugger, auf die übrigens ihre Schwiegermutter, die Fürstin Nora, schlecht zu sprechen war, erhielt Peter Czernin Beziehung zu Schuschnigg, die sich zunächst dahin auswirkte, daß Schuschnigg jenen empfing und mir dann sagte: „ D e m Peter müssen wir doch irgendeine Anstellung zukommen lassen!" Er bekam sie aber nicht mehr, ging dafür jedoch immer mehr ins Lager G l o b o c n i k - S e y ß über 1 8 7 ). 1 8 5 ) N o r a Fürstin Starhemberg ( G ö r z , 3 . 2 . 1 9 0 1 bis 2 0 . 1 . 1 9 4 9 , Santiago de Chile), geb. G r e g o r , 1 9 3 3 - 1 9 3 7 Schauspielerin am Burgtheater, 1937 Kammerschauspielerin, 2 . 1 2 . 1 9 3 7 verehelicht mit Ernst Rüdiger Fst. Starhemberg. Starhemberg war in erster E h e verheiratet mit Marie Elisabeth, geb. Altgräfin zu Salm-Reifferscheidt-Raitz. Die E h e wurde annulliert, Salzburg, 2 2 . 3 . 1 9 3 7 . 186

) Maria Dolores Elisabeth Schuschnigg (geb. München, 2 3 . 3 . 1 9 4 1 ) .

) D a z u Czernin bei einer Befragung durch Wolfgang R o s a r , 2 5 . 2 . 1 9 6 7 , Baden b. Wien und in einem Exposé September 1966: Bei meinem ersten Gespräch mit Schuschnigg, im F r ü h s o m m e r 1937, waren seine Beziehungen zu Glaise schon ziemlich eingeschlafen. Dies war eines der Motive, aus denen ich Kontakt mit Schuschnigg suchte. , , . . . Ich entwickelte meine T h e o r i e : D e r Nationalsozialismus k o m m e bestimmt. Seine, Schuschniggs, Sache sei es, durch kluge Politik zu verhindern, daß er als ,eiserne Walze' von außen käme. E r möge daher der gemäßigten evolutionären Richtung Chancen geben und sie dadurch in ihren eigenen Reihen stärken und die Radikalen und Revolutionäre schwächen. W i r stimmten im Grundsätzlichen darin vollkommen überein. Ich war jedoch dadurch gehemmt, daß jedes Befürwor187

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Am 14. August aß ich mit dem Kanzler im Hotel Bristol zu zweien, nachdem wir vorher einer Aufführung im Festspielhaus beigewohnt hatten. Er fragte vor allem, wie oft ich schon beim „Allgewaltigen" gewesen sei, und war äußerst erstaunt, als ich antwortete, daß ich eine solche Tour nie ohne vorherige Verständigung des Regierungschefs unternehmen würde. Im Grunde genommen habe ich mich Schuschnigg gegenüber doch anständiger benommen als er sich zu mir. Nachher waren wir, schon durch Schmidt und Zernatto begleitet, im Café Bazar 188 ). Einmal ging ich im Mirabellgarte.n mit Starhemberg und Zernatto spazieren. N u r Gepappel. Um den 22. August verließ ich den durch die Krankheit meiner Mutter sehr leidvoll gewordenen Salzburger Aufenthalt. Es war das elfte- und letztemal, daß ich im Kreuzbrückl meinen Sommersejour verbracht hatte. Noch die letzten 24 Stunden verliefen einigermaßen mit Aufregungen, da ich von einem Ausflug, den ich mit Beaten nach Gastein gemacht hatte, sehr verspätet zurückkam und meine Mutter so stark aus dem Häuschen war, daß die alte Frau Regierungsrat Huemer ernsthaft an eine Geisteskrankheit glaubte. Am Morgen unserer Abfahrt trat wieder Beruhigung ein, meine Mutter wurde so ins Auto gebettet, daß ihr schlechtes Bein auf dem Klappsitz lag. So gings, mit einem Mittagessen in Wels, über Linz auf kürzestem Wege nach Wien. Einige Tage später rief ich Professor Schönbauer zu der Armen, er forderte ungesäumte Uberführung ins Lainzer Spital, wo sie sich bis zu ihrer am 17. November erfolgten Heimfahrt drei Operationen mit Ätherrausch unterziehen mußte, was den Kräften des seit 87 Jahren schlagenden Herzens wohl den Todesstoß gab. Trotzdem ist ihr Gangräne erspart geblieben. Die Mutter war im Spital todunglücklich, sie lebte von einem Weinkrampf zum anderen und quälte mich und ihre Umgebung ganz entsetzlich. Allerdings waren auch Zeichen zunehmender Gehirnverkalkung offenkundig, so daß ich die Stunde der Erlösung für uns alle, auch für sie, herbeisehnte. Zu Beginn September fanden bei Groß-Gerungs im Waldviertel größer angelegte Manöver des Bundesheeres statt 189 ). Mein Jahrgangskamerad Jansa, wie schon bemerkt zur Zeit Generalstabschef des Bundesheeres, seit seiner Attachézeit in Berlin grimmiger Hasser des Nationalsozialismus, dessen Schattenseiten er sicherlich richtig beurteilte 190 ), leitete unter der Führung Sigmund Schilhawskys die Übung. Die Anlage entsprach durchaus der Auffassung Jansas, daß das österreichische Bundes-

ten der Evolutionäre gleichzeitig die Seyß-Inquarts war, dessen Lauterkeit ich wegen seiner Politik m i ß traute; und daß ich dadurch den von mir geschätzten Glaise nicht m e h r ins Rennen bringen k o n n t e . " 188 ) Vgl. das P h o t o : Glaise-Horstenau, Schmidt und Schuschnigg im G a r t e n des Café Bazar, in: N W T . , 1 9 . 8 . 1 9 3 7 , 5. ,89 ) Die größeren T r u p p e n ü b u n g e n 1937 w u r d e n u n t e r Leitung des Generaltruppeninspektors G . d. I. Schilhawsky im R a u m Z w e t t l - G r o ß Gerungs-Liebenau in der Zeit v o m 1. bis 3. 9.1937 abgehalten. D i e oberösterreichisch-niederösterreichische Landesgrenze bildete die Staatsgrenze, die „ r o t e " 4. Division erhielt den A u f t r a g , am 2. September einzufallen und über G r o ß G e r u n g s den R a u m Zwettl zu gewinnen. 19 °) K A . , B/655, nr. 4 (Erinnerungen Jansas), 57: „ A l s ich ihn ( d . i . Glaise-Horstenau) nach meiner H e i m k e h r aus Berlin im Kriegsarchiv besucht und bei meiner Schilderung der in Berlin üblichen Gesta-

Bundesheermanöver 1937

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heer vor allem berufen sei, einen Angriff Deutschlands so lange abzuwehren, bis ihm Hilfe von dritter Seite zuteil werden konnte. Ich war natürlich ein Gegner dieser offenkundig zur Schau getragenen Heerespolitik, die erstens bei der allgemeinen politischen Gestaltung Europas jeder Fundierung entbehrte und zweitens von Hitler, dem sie natürlich nicht unbekannt blieb, als Herausforderung betrachtet werden mußte, und drittens den natürlichen Empfindungen widersprach, da Königgrätz längst hinter uns lag. Eine starke Partei kam geschlossen aus dem oberösterreichischen Mühlviertel „der Gegner" rückte in zwei getrennten Gruppen im Waldviertel von Osten nach Westen vor. Ich erschien mit Kiszling auf dem Manöverfeld, der damals eben bei Zehner wegen seiner nationalen Gesinnung stark in Ungnade war. Einquartiert war ich ziemlich unbequem in einem Nebengebäude des Klosters Zwettl zusammen mit Rudi Hoyos. Im Stifte selbst wohnte der Bundespräsident Miklas mit einigen Würdenträgern. Noch am Abend hatten wir eine Fahrt zu den Truppen unternommen, dann gab es ein nahrhaftes Prälatenessen; ich unterhielt mich ziemlich lang mit dem recht klugen Abt. Des anderen Tages fand ich mich, als Oberst verkleidet, auf dem Kommandeurhügel ein, wo ich neben Muff auch meinen alten Freund Gusti Denk, damals Honvedoberkommandant-Stellvertreter, antraf. Es war ein sehr nettes Wiedersehen. Die Übung verlief recht hübsch, natürlich siegte der Ostgegner - wie denn auch nicht! Ich machte einige Spässe 191 ), auch Schuschnigg gegenüber. Die Manöver endeten mit einer Defilierung in Groß-Gerungs vor dem feierlich dastehenden Bundesmiklas. Ich suchte ehestens das Weite und fuhr durch den schönen niederösterreichischen Herbst nach Wien zurück. Natürlich fehlte auch bei diesem Anlaß der schon übliche „nationale" Zwischenfall nicht. Der Nationalsozialistische Soldatenring veranstaltete während der Übung eine ziemlich ausgebreitete Flugzettelaktion gegen die Regierung. Muff hatte, ohne je darüber mehr als Andeutungen zu machen, zu dieser Organisation Beziehungen. Ich lehnte derlei entschieden ab und sagte auch nach den Zwettler Manövern zu Leopold, daß ich als Landesverteidigungsminister den NS-Soldatenring 192 ) schärfstens verfolgen würde; der einzelne Soldat habe keine Politik zu betreiben, wohl aber sei es Aufgabe einer klugen Heerespolitik, gesamtdeutsch eingestellt zu sein. An der Spitze der Organisation stand, wie ich erst am 11. März erfuhr, der Gene-

p o m e t h o d e n ihn ganz befremdet dreinblicken u n d diese gewissermaßen entschuldigen gesehen hatte, da war mein Bild fertig." 191 ) E b d t . , S. 7 7 f . : In Abwesenheit des Bundeskanzlers u n d des Staatssekretärs hatte Jansa auf einen vom Bundespräsidenten ausgebrachten Toast zu a n t w o r t e n . Er meinte, H e e r u n d Miliz k ö n n t e n jederzeit zur Verteidigung der H e i m a t aufgerufen werden - hiefür hätte der Generalstab in den letzten Jahren gründliche Arbeit geleistet. Viele Anwesende hätten zugestimmt. Eine A u s n a h m e machte n u r der Minister Glaise, der mir über den Tisch zurief: „ A b e r es greift ja niemand Österreich an!" Ich rief ihm ebenso laut z u r ü c k : „ N o c h nicht, sonst säßen wir nicht da!" 192 ) D e r Nationalsozialistische Soldatenring ( N S R . ) war der 1936 gegründete geheime Z u s a m menschluß nationalsozialistisch eingestellter Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften des Bundesheeres.

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ralstabsoberst Angelis 1 9 3 ), Hauptmacher waren Ringel 1 9 4 ), Sinzinger 1 9 5 ) und andere. Angelis wurde, nachdem er schon bei Narvik unter Dietl 1 9 6 ) das Ritterkreuz erworben hatte, im Kriege im Jahre 1944 Armeeführer auf dem Balkan, Ringel erhielt als Gebirgsdivisionär für Kreta das Eichenlaub, er wie Sinzinger wurden auch mit dem Goldenen Parteiabzeichen ausgezeichnet. Sinzinger hatte am 20. Juli 1944 als Stadtkommandant von Wien das Pech, den Polizeipräsidenten 197 ) auf Grund der falschen Befehle zu verhaften. Er wurde nach altösterreichischer Nomenklatur Militärpensionist. Natürlich bereiteten die Manöverflugzettel in Kreisen der Heeresleitung große Aufregung.

m ) Maximilian de Angelis (Budapest, 2 . 1 0 . 1 8 8 9 bis 6 . 1 2 . 1 9 7 4 , Graz), 18. 8.1910 aus T M A . als Lt. zu FKR. 42, 1 . 5 . 1 9 1 7 Hptm., 5 . 8 . 1 9 1 7 zugeteilt d. Glstb., ital. Kgf., Übernahme ins O B H . , Dienst bei Artrgt., ab 1927 bei der Heeresschule eingeteilt, 15.5.1929 Obstlt., ab 1933 bei der Mil. Fachprüfungskommission ( = getarnte Genstabsausbildung), nur 1934/35 in Abt. 1 ( = Operationsabt.) des B M . f. Lv., 2 8 . 6 . 1 9 3 3 Obst., 12.3.1938 Staatssekretär u. Leiter des B M . f. Lv., 1.4.1938 G M ; 1.9.1937 zur N S D A P , Ringleiter des N S R . ; 1.9.1938 Kdr. 76. ID., 10.11.1938 Artilleriekdr. Jena, 1.6.1940 Gen.Lt., 2 6 . 1 . 1 9 4 2 mit der Führung des X X X X I V . A K . beauftragt, 1.3.1942 G e n . d . A r t . u. Kdi. Gen., 4 . 4 . 1 9 4 4 OB. A O K . 6, 2 3 . 7 . 1 9 4 4 OB. 2. Pzarmee, V./1945 bis III./1949 amerikanische u. III./1949 bis 12.10.1955 russische Kgf. Seine Mitteilungen wurden verarbeitet bei: P. Gschaider, Das österreichische Bundesheer 1938 und seine Uberführung in die deutsche Wehrmacht, Wr. ungedr. Diss. 1967. 1 9 4 ) Julius Ringel (Völkermarkt, Kärnten, 16.11.1889 bis 11.12.1967, Bayrisch Gmain), 18.8.1909 aus LwKSch. als Fhr. zu LIR. 27, 1.11.1911 Lt., 1.11.1917 Hptm., 1918/1919 ital. Kgf., Übernahme in Volkswehr u. Ö B H . , ab 1930 Genstabsdienstleistungen, ab 15.2.1935 bei Brigade- bzw. Divkmdo. 5 (Steiermark), 17.12.1934 Obstlt., 1938 zur 3. Geb. D., 1.2.1939 Obst., 1.9.1939 I a der 268. ID., . . . 14.6.1940 Kdr. 3. Geb.D., 1.11.1940 Gen.Mjr. u. Kdr. 5. Geb.D., 1.12.1942 Gen.Lt., 1.4.1944 Kdi.Gen. LXIX. Geb.K., 1.6.1944 Gen. d. Gebtr., 2 4 . 6 . 1 9 4 4 Stellv. Kdi.Gen. XVIII. Geb.K.., II./1945 Kdi.Gen. Korps Ringel. Seine Erinnerungen 1941-1944: J. Ringel, Hurra die Gams. Ein Gedenkbuch für die Soldaten der 5. Gebirgsdivision; geschrieben von Fritz Weber, Graz-Göttingen 1956. 1 9 5 ) Adolf Sinzinger (Suben, O ö , 29.1.1891 bis 15.6.1974, Wels. 1910 aus IKSch. Wien Als Kadett-Offiziersstellvertreter zu 2. T K J R . , 1.11.1918 H p t m . , Übernahme in Volkswehr u. Ö B H . , 1919/20 Adjutant des Landesbefehlshabers Innsbruck. Truppenoffizier bei Tiroler Alpenjägerrgt. 12, 1924 zur NSDAP, ab 1928 in Genstabsverwendung (Gehilfe der Führung bei Brigaden), ab 1.9.1935 beim Kmdo. 4. Division eingeteilt, Zusammenarbeit mit der Abwehrstelle München, zog am 12. März bei der 4. Division kurz das Kommando an sich, dann bei diversen Einheiten eingeteilt 12.2.1942 Kdr. 83. ID., 1.4.1942 Gen.Mjr., 14.12.1942 Kdr. 377. ID., 1.1.1943 Gen.Lt., 15.3.1944 bis 29.7.1944 Kmdt. v. Wien, dann nach Norddeutschland versetzt. 3 1 . 1 . 1 9 4 5 verabschiedet. Vgl. über ihn: L. JedIicka, Der 20. Juli 1944 in Österreich, Wien-München 1965 (s. Reg.); M . Klaus, Der deutsche militärische Geheimdienst und seine Tätigkeit gegen Österreich in den Jahren zwischen 1934 und 1938 (ungedr. militärwissenschaftliche Prüfungsarbeit f . d . 5. Genstabskurs), Wien 1969, 57f.; H . Trauttenberg, Die Abwehrvorbereitungen gegen einen deutschen Angriff im Bereich der 4. Division in den Jahren 1936-1938 (ungedr. militärwissenschaftliche Prüfungsarbeit f . d . 6. Genstabskurs), Linz 1972. 1 9 6 ) Eduard Dietl (Aibling, 2 1 . 7 . 1 8 9 0 bis 2 3 . 6 . 1 9 4 4 , Flugzeugabsturz bei Hartberg, Stmk.), 1.10.1909 Eintritt als Fahnenjunker in die bayr. Armee, Reichswehr, . . . 15.10.1935 Kdr. G e b . J g . R . 99, 1.4.1938 Gen.Mjr., 1.5.1938 Kdr. 3. Geb.D., 1.4.1940 Gen.Lt., 14.6.1940 Kdi.Gen.Geb. K. Norwegen, 19.7.1940 Gen. d. Gebtr., 15.1.1942 OB. 20. Geb.Armee, 1.6.1942 Gen.Obst. 1 9 7 ) Vgl. L. Jedlicka, Der 20. Juli 1944 in Österreich (Das einsame Gewissen, Bd. II), Wien-München 1965, 57. Das Fernschreiben aus Berlin, das die Verhaftungen anordnete, deckte jedoch der Stellv. Befehlshaber im Wehrkreis XVII Gen. d. PzTr. Hans Karl Frh. v. Esebeck.

Vortragsreise nach Schweden

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Einige Tage nach den Manövern flog ich auf Einladung meines schwedischen Freundes Böök 198 ) nach Lund, um dort einen Vortrag - wieder über das Jahr 1000 - zu halten 199 ). Ich aß zu Mittag auf dem herzigen Asperner Flugplatz, nahm den Jausenkaffee in Berlin zusammen mit Papen beim Gesandten Tauschitz ein und war abends in Kopenhagen. Auf dem Abflug über Berlin sah ich die Massenaufzüge aus Anlaß des Besuches von Mussolini 200 ); es war ein unerhörtes Aufgebot von Menschen, das natürlich auf den für derlei empfänglichen Duce Eindruck machen mußte. Bekanntlich hielt er aus diesem Anlaß eine deutsche Rede. Wenn ich nicht irre, kreuzten wir dann auch über dem Schauplatz der großen deutschen Manöver, der bis an die Küste reichte. Bald verdüsterte sich jedoch das Wetter und über dem Meere waren wir in beinahe beängstigende Regenböen eingehüllt. Ich hätte von Kopenhagen noch den Sund nach Malmö überqueren sollen. In Lund harrte meiner ein Abendessen, an dem auch der schwedische Prinz Karl 201 ) teilnahm. Leider weigerte sich das Flugzeug in Kopenhagen, weiterzufliegen. Ich mußte in der dänischen Hauptstadt übernachten und tat es in dem ganz modern gebauten Hotel Viktoria, dessen Fremdenzimmern bei allem Raffinement der Einrichtung durchwegs einer Schiffskajüte glichen. Des anderen Tages kam ich bei bestem Wetter nach Malmö und Lund, um nach 24 Stunden wieder zurückzufliegen. Es war zum zweitenmal, daß ich in Schweden weilte 202 ); die Leute waren überaus nett zu mir, aber man konnte schwer warm werden. Ein Jahr später sah ich Professor Böök in Wien wieder. Böök hat sich meine besondere Dankbarkeit dadurch erworben, daß er in einem viel zitierten Artikel des „Svenska Tagebladet" mein Buch „Die Katastrophe" als das beste und lehrreichste Buch der Weltkriegsliteratur pries. An einem Sonntagnachmittag waren Fliegervorführungen in Aspern. Ich hatte Germaine Senni, meine schöne Freundin, geborene Griechin, verheiratet mit einem Arzt der Stambuler italienischen Botschaft, durch zahlreiche preußische Freundschaften (Moltke, Pogrell etc.) selbst halbe Preußin geworden und von mir darob viel „gefrozzelt", ausgeführt und mit ihr ziemliches Aufsehen erregt. Auf der Plattform des Ölag-Gebäudes hatte sich Feldmarschall Erzherzog Eugen als Mittelpunkt eingefunden, der mich wie immer sehr gnädig begrüßte. Lohr hat bei den Produktionen Leistungen gezeigt, die sich überall sehen lassen konnten. Leider mußten wir Österreicher immer mit Wasser kochen.

19S ) Fredrik Böök (Kristianstad, 12. 5.1883 bis ?), D o z e n t und ab 1920 Professor an der Univ. L u n d f ü r Literaturgeschichte, Kulturkritiker u. Schriftsteller, ab 1922 Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften. 199 ) Glaise-Horstenau traf am 2 9 . 9 . 1 9 3 7 in L u n d ein u n d kehrte am 1.10. 1937 von M a l m ö aus nach Österreich z u r ü c k . Vgl. den Bericht des Gesandten Sommaruga, Stockholm, 2 . 1 0 . 1 9 3 6 , in: N P A . , Kart. 491, Liasse Glaise-Horstenau. 200 ) Dieser fand vom 25. bis 2 8 . 9 . 1 9 3 7 in Berlin statt. 201 ) Karl Prinz v . S c h w e d e n H z g . v. Södermannland (Schloß T u l l g a m , 17.6.1884 bis 5 . 6 . 1 9 6 5 , Stenhammer bei Flen), Zweitältester Sohn Kg. Gustav V. v. Schweden. 202 ) Die erste Reise hatte 1931 stattgefunden u n d O s l o , S t o c k h o l m , Upsala u n d G ö t e b o r g b e r ü h r t (vgl. KA. 686/1931).

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Am 10. Oktober wurde durch den Bundesmiklas die unter mannigfachen Schwierigkeiten zustande gekommene neue Reichsbrücke, ein recht hübsches Bauwerk, feierlich eröffnet. Das ganze Kabinett fand sich am südlichen Brückenkopf in einer Festhalle ein. Der Bundesmiklas ging, nachdem er das berühmte Band vorschriftsmäßig durchschnitten hatte, mit dem Kanzler und einem oder zwei Ministern als erster über die Brücke. Nachher fand ein von Zernatto veranstalteter V F . Festzug statt, dessen Einzelheiten mir nicht mehr erinnerlich sind. Zernatto blies sich wie immer auf, gleich einem Pfau. Der Besuch Mussolinis in Deutschland hatte natürlich im Regierungsmilieu, beziehungsweise dem der V F . , einige neue Unruhe hervorgerufen. Schuschnigg hielt Mitte September in Innsbruck vor einer unschwer zusammengetriebenen großen VF.-Versammlung eine belanglose Rede, deren gesucht volkstümlicher T o n besonders auffällig bewies, wie wenig diesem Uberintellektuellen dergleichen lag. Innerlich war er sicherlich nicht mehr so siegessicher, als er offiziell tat. In ruhigen Stunden der ungünstigen Lage Österreichs im politischen Kampffeld der Großmächte bewußt, suchte er nun Anlehnung im Donauraum und zwar nicht nur bei den U n garn, sondern auch bei der Tschechoslowakei. Besonderes Aufsehen erregte es in Deutschland, als in jenen Wochen bekannt wurde, daß sich der Bundeskanzler in Baden bei Wien mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Hodza getroffen habe. Hodza hatte bekanntlich in jungen Jahren dem Mitarbeiterkreise Franz Ferdinands angehört; ihm lagen daher donauföderalistische Ideen auch jetzt nicht ganz ferne und es ist sicher, daß sich die zwei Männer gut miteinander sprachen. Der „Völkische Beobachter" reagierte auf die geheime Staatsmänner-Entrevue mit einem außerordentlich heftigen Angriff, dessen tiefsten Beweggrund man erst erkennt, seit man weiß, daß sich Adolf Hitler zweifellos schon damals mit dem Gedanken einer Liquidierung des Masarykstaates befaßte. Ein Flirt zwischen Wien und Prag mußte ihn daher neuerlich gegen den in ersterem herrschenden Kurse erbittern. Schuschnigg seinerseits war nicht bloß um die Selbständigkeit Österreichs besorgt, sondern fast noch mehr, weil er - nicht zu Unrecht, wie sich leider zeigen sollte, - die Gefahr eines neuen, furchtbaren Krieges heraufziehen sah. Nach wie vor war es sein heißestes Bestreben, Österreich möglichst aus einem solchen blutigen Abenteuer herauszuhalten 2 0 3 ). Im Jänner 1938 sprach er sich in diesem Sinne auch ge2 0 3 ) Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. 1, Nr. 264: Bericht des Deutschen Geschäftsträgers v. Stein an das AA über eine Unterredung mit Glaise-Horstenau, Wien, 22.10.1937. Dieser sagte „vertraulich, er habe einen erschütternden Einblick in die politische Mentalität des Bundeskanzlers in den letzten Tagen erhalten. Der Bundeskanzler habe erklärt, außen- wie innerpolitisch sei der Nationalsozialismus der Feind für eine ruhige Entwicklung Österreichs. Das Juliabkommen habe nicht seine Erwartungen erfüllt, die dahin gegangen seien, außenpolitisch eine verhältnismäßig enge Zusammenarbeit mit dem Reich herzustellen, dagegen innerpolitisch volle Freiheit für eine völlig selbständige österreichische - lies klerikal-legitimistische - Politik zu erhalten. Der Bundeskanzler habe sich nunmehr verhältnismäßig offen dahin geäußert, daß nach der Enttäuschung, die ihm das Abkommen vom 11.7.1936 gebracht habe, er sich außenpolitisch zwar nicht gegen das Reich wenden wolle, aber für Österreich eine engere Verbindung mit den Nachfolgestaaten der Donau-Monarchie einschließlich Polen anstreben werde, durch eine solche vom Reiche unabhängige Einstellung nach außen werde ihm auch der Kampf gegen die nationalsozialistische Bewegung im Innern erleichtert. Als der Minister von Glaise-Horstenau gegen diese Pläne des

Uber Alfred Krauss

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genüber dem ungarischen Außenminister Känya aus 204 ). Dieser meinte. Ungarn werde sich bemühen, abseits zu bleiben, er sei aber selbst da nicht sicher, daß es gelingen werde; für Österreich werde es unmöglich sein. Daß das zusehends immer enger geknüpfte Band zwischen den beiden „Habenichtsen" Deutschland und Italien Kriegsgefahren heraufbeschwor, wurde auch in anderen österreichischen Kreisen schwer befürchtet. Besonders unumwunden gab dem ein Artikel des Linzer Volksblattes, der Zeitung des streitbaren Bischofs Gföllner, Ausdruck. Wieder entfaltete der Legitimismus besondere Rührigkeit. Wiesner wurde bei Gelegenheit im Völkischen Beobachter „Zuhälter französisch-tschechisch-jüdischer Umtriebe" geheißen. Einiges Aufsehen erregte es auch, als Erzherzog Felix 205 ), der Zweitälteste Bruder des Kronprätendenten, in die Neustädter Militärakademie aufgenommen wurde. Derlei Dinge gingen hinter dem Rücken der Minister vor sich. Als „nationaler" Minister erfuhr ich auch nur aus der Zeitung, daß ein im Konzerthaus geplanter Vortrag des Generals Alfred Krauss zum Gedenktag von Flitsch-Tolmein (24. Oktober) polizeilich untersagt wurde. Ich war übrigens froh, daß ich nicht gefragt worden bin. Denn ich hätte trotz meiner Abneigung gegen Krauss das Gesicht irgendwie wahren müssen. Alfred Krauss, von den österreichischen Nationalsozialisten zum Nationalhelden emporgehoben, war alles eher denn eine gewinnende Persönlichkeit. Uber seine Kriegsleistungen zu sprechen, soll anderen Aufzeichnungen vorbehalten bleiben. Die erste Auflage seines Buches „Die Ursachen unserer Niederlage" hatte er mir noch in einem Widmungsexemplar zukommen lassen. Es war ein unernstes, vielfach auf Tratsch aufgebautes Buch, diktiert von gekränkter Eitelkeit und sudetendeutscher Politikasterei. N u r in einzelnen Abschnitten, wie dort, wo er über das Verhältnis zwischen Politik und Kriegsführung schreibt, erhebt es sich in würdige Höhen. „Politik und Kriegführung sind eine einheitliche Handlung." Mit diesem Ausspruch hat Alfred Krauss das Wesen der totalen Kriegführung weit klarer umrissen als Clausewitz mit seinem, allerdings nur auf kurze Kriege angewandten: „Krieg ist die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln." Zu seinem 60. Geburtstag schrieb ich über Alfred Krauss ein kleines Entrefilet in unserer Wehrzeitung 206 ). Ich drückte irgendwie das Bedauern aus, daß es ihm leBundeskanzlers schwerste Bedenken geäußert habe, habe er als Antwort erhalten, daß die geplante neue Linie keinesfalls gegen das Reich gerichtet sein werde, vielleicht werde es sogar nach dem Zustandekommen einer solchen Konföderation leichter sein, mit dem Reiche zu einem Ausgleich im Sinne der Vorkriegsverhältnisse zu gelangen. Herr von Glaise-Horstenau fügte bei, wie man in Berlin wisse, hänge er nicht an seinem Posten und würde ihn lieber heute als morgen niederlegen. Ich bat ihn, um der Sache willen auszuhalten, nur so könne er noch vielleicht einigen Einfluß luf den Gang dieser Dinge nehmen und wenigstens uns im Laufenden über die etwa kommenden Vorgänge halten." Neurath fügte handschriftlich bei: „Hassell zur inhalt(lichen) Mitteilung an Mussollini." 204 ) Während der Konferenz der Staaten der Römischen Protokolle, die vom 9. bis 12.1.1938 in Budapest tagte. 205 ) Erzherzog Felix Friedrich August (geb. Wien-Schönbrunn, 31.5.1916) lebt in Mexiko. Vgl. seine autobiographische Skizze in: Kaiserin Zita-Legende und Wahrheit, hg. v. E. Feigl, 2. Aufl. Wien 1978, 223-229. 20 «) Vgl. Werkverzeichnis Nr. 87.

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diglich gegeben sei, sehr enge steile Pfade zu gehen, auf denen man ihm schwer folgen könne. Er schrieb mir einen sechs Seiten langen eigenhändigen Brief zurück, der für sein Denken charakteristisch war; der Brief befindet sich in meinen Papieren 2 0 7 ). Nachher kam es zu allerlei Konflikten, deren schwerster sich um das Serbienmanuskript 1914 unseres Generalstabswerkes, verfaßt von Stöller, Mayern 2 0 8 ) und Hoen, drehte 2 0 9 ). Schließlich war es so weit, daß ich es begrüßte, wenn Alfred Krauss auf mich böse war; wenigstens ließ er mich mit seinem Querulieren in Ruhe. Mehrmals kam es allerdings zu Aussprachen. In einer, der frühesten, erklärte er mir stolz, mit seinen „Ursachen unserer Niederlage" dem Andenken des alten Heeres einen besonderen Dienst erwiesen zu haben. Ich erwiderte: „Exzellenz irren, kein Buch hat dem k . u . k . Heere in der Literatur über den Weltkrieg so schweren Schaden zugefügt!" Er nahm diese Replik hin, ärgerte sich aber im Heimlichen doch. Ein andermal fügte er seinen Klagen über die Kritik in dem schon erwähnten Manuskript Mayerns die Bemerkung bei: „Solch ein junger Herr erlaubt sich derartiges zu schreiben." Mayern war damals 47 Jahre alt. Ich erinnerte Krauss, wie ich in der Kriegsschule manchmal im Forschersaal des Kriegsarchivs gearbeitet und dort einen damals auch 47jährigen Mann an seinem berühmten Buche „ D e r Feldzug von U l m " arbeiten gesehen hätte. Dieser 47jährige sei der Generalstabsoberst Alfred Krauss gewesen und niemand habe gefunden, daß er für seine höchst kritische Studie zu jung gewesen sei. Wieder einmal beklagte er sich über die drei Divisionäre, die - auf Betreiben Pohls - eine Gegenschrift zu „ D a s Wunder von Flitsch" von Krauss verfaßt hatten 2 1 0 ). Er meinte, es seien doch seltsame Vorstellungen von Disziplin, aus denen heraus drei Generäle gegenüber ihrem ehemaligen Korpskommandanten so etwas machen könnten. Ich mußte den alten Herren an die äußerst scharfen Kritiken erinnern, die er in seinen Schriften an Boroevic, Conrad und besonders am jungen Kaiser geübt hat, die doch auch alle zeitweilig seine Vorgesetzten gewesen seien. So egozentrisch war Alfred Krauss zu allen Dingen eingestellt.

) Nicht erhalten. ) Karl Mayern (Radautz, Bukowina, 8 . 1 1 . 1 8 8 4 bis 8. 8 . 1 9 4 9 , Wien), 18. 8 . 1 9 0 5 aus der Milak. als Lt. zu 4. T K J R . , ab 1912 in Genstabsverwendung, 23. 8 . 1 9 1 4 schwer verwundet und seither beide Beine gelähmt, ab 1 . 5 . 1 9 1 8 im K A . tätig, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 H p t m . i. G . , 1 . 1 . 1 9 2 0 Mjr., 1922 Titular-Obstl., 3 1 . 1 2 . 1 9 2 2 aus dem K A . ausgeschieden, jedoch als Mitarbeiter am Generalstabswerk weiterhin militärwissenschaftlich tätig. Verfasser der Maschinschrift-Erinnerungen an G e n . L t . Minister a . D . Dr. h . c . Edmund Glaise v. Horstenau, 9 S., Wien, 2 0 . 1 0 . 1 9 4 6 . 207

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2 0 9 ) Die Polemik, die sich vor allem um die Vernichtung der serbischen Timok-Division drehte, in den Nachlässen Mayern ( B / 2 3 , nr. 1) und Krauss ( B / 6 0 , nr. 76): Zum Archivwerk „Österreich-Ungarns letzter Krieg" mit Zuschriften vom 2 0 . 1 . 1 9 3 0 , 2 6 . 3 . 1 9 3 0 u. 1 8 . 5 . 1 9 3 1 . 2 1 0 ) Rudolf Müller - Richard Müller - Heinrich Wieden Edler v. Alpenbach, Bei Flitsch und am Grappa. Die Möglichkeiten größerer Erfolge da und dort. Notwendige Klarstellungen der beteiligten Divisionäre und des Generalstabschefs der Heeresgruppe F M . v. Conrad, Wien 1927. Darauf antwortete Krauss mit einer Denkschrift: B / 6 0 , nr. 4 : Bemerkungen zu der Denkschrift der Divisionäre des k . u . k . I. Korps und des F M L . Richard Müller, Wien, 2 5 . 7 . 1 9 2 7 , 59 S., Masch. Anlagen.

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Während meiner Ministerschaft ruhte jeder Verkehr mit ihm 2 1 1 ). Er wurde auch nachher völlig in formellen Grenzen aufgenommen. Der Führer hielt auf Krauss ganz große Stücke. Dieser war eben durch und durch Alldeutscher, auch in seinen religiösen und konfessionellen Auffassungen. Mich wundert, daß sein zweites Buch über „Irrwege des deutschen Königt u m s " 2 1 2 ) , das von der ganzen Wissenschaft entschieden abgelehnt worden ist, auch in der Parteiliteratur ganz in der Versenkung verschwand. An einem Septembertage des Jahres 1938 begruben wir Alfred Krauss in Goisern, wo er stets den Sommer verbrachte. Als Katholik geboren, wurde er vom protestantischen Pfarrer eingesegnet. Ich entwarf, auf Ersuchen, dem General der Infanterie List, nachmaligem Feldmarschall, eine Rede, in der ich noch einmal ganz kurz das psychologische Problem Alfred Krauss aufrollte. Die Rede wurde natürlich nicht gehalten. Der Führer bedauerte, als ich ihn am 15. Oktober 1938 im „Palais E p p " traf, daß Krauss die Heimkehr seiner engeren Heimat, des Sudetenlandes, nicht mehr erlebt hatte. Ich hatte es schon auf der Zunge, ihn mit einigen Worten über die Persönlichkeit des Toten aufzuklären, unterließ es aber . . . Rückkehrend, möchte ich noch einiges aus meiner engeren Tätigkeit in den ersten Herbstmonaten 1937 nachtragen. Da liegt ein Brief Schuschniggs vom 30. 8. an mich vor, in welchem er sich beklagt, die Grazer Polizei sei einer intensiven finanziellen Unterstützung der österreichischen Partei durch die reichsdeutsche N S D A P daraufgekommen. „ E s bedarf keines eigenen Hinweises darauf, daß dies allen Abmachungen sowie dem Grundsatz von Treu und Glauben ins Gesicht schlägt." Uber die Tatsache der Unterstützung war ich nicht erstaunt; ohne je „eingeschaltet" gewesen zu sein, war sie mir eine Selbstverständlichkeit. N u r daß Schuschnigg die Mitteilung der Grazer Polizei noch immer als Offenbarung nahm, wunderte mich ehrlich. Ich hatte, da mir eine Verbindung zur reichsdeutschen Partei nicht zur Verfügung stand und ich sie auch nie gesucht hatte, nur den Weg zu Papen, bei dem die Sache natürlich wahrscheinlich stecken blieb. Einen weiteren Punkt meines fortlaufenden Meinungsaustausches mit Schuschnigg bildete die geplante Sperre der Vaterländischen Front. Auch diese, die Politik vom 11. Juli entscheidend berührende Absicht erfuhr ich erst aus der Zeitung, das heißt aus einer dort veröffentlichten Rede des Kanzlers oder Zernattos 2 1 3 ). Der

2 n ) Vgl. jedoch B / 6 0 , nr. 14a „ B e r i c h t Sr. Exzellenz G . d . I. A . Krauss über seine Bemühungen zur Herbeiführung einer Befriedung zwischen Österreich und dem Deutschen R e i c h , Masch. o . D . , 3 S. Danach hätte Krauss im Auftrag „hochstehender deutscher K r e i s e " im Herbst 1934 einen Vermittlungsversuch unternehmen sollen. Krauss wandte sich an Glaise, der ihn am 1 5 . 1 1 . 1 9 3 4 in seiner W o h n u n g besuchte. Glaise hätte sich sehr zögernd dazu bereit erklärt, den K o n t a k t zu Schuschnigg herzustellen, hätte dann aber weitere Zusammenkünfte hinausgeschoben und sich schließlich am Telephon verleugnen lassen. 2 1 2 ) Vgl. M e m o i r e n , 1. B d . , 5 4 1 , A n m . 82. 2 1 3 ) Vgl. Rosar, 166. A m 9 . 1 0 . 1 9 3 7 hielt Zernatto eine Rundfunkrede, in der für 1 . 1 1 . 1 9 3 7 eine Mitgliedersperre für die V F . angekündigt wurde. Sie sollte - den im J u l i - A b k o m m e n zugesagten - Einbau nationalsozialistischer Funktionäre in Grenzen halten b z w . verhindern. Zernatto erklärte interpre-

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Kerngedanke des Juliabkommens war die Mitarbeit nationaler (in Wirklichkeit nationalsozialistisch gesinnter) Menschen am Staate im Wege ihrer Zugehörigkeit zur V F . , da eine andere Art von Mitarbeit nach dem Staatsaufbau unmöglich war. Nun wäre es unter normalen Verhältnissen durchaus begreiflich gewesen, wenn Schuschnigg die Geduld verloren und der ohnehin völlig unfruchtbar gebliebenen Möglichkeit zur Mitarbeit, die gar nicht gesucht wurde, im Bestreben einer stärkeren Konzentrierung der „vaterländischen Kräfte" abgeschnitten hätte. Aber die allgemeine Lage, zumal die Beziehungen zum Reiche, ließen meiner Auffassung nach eine solche Maßnahme nicht ratsam erscheinen, denn sie mußte nur den Groll Hitlers noch mehr herausfordern. Seyß allerdings war anderer Ansicht. Mit besonders krassen Sophismen begrüßte er mir gegenüber sogar den Plan Schuschniggs, wobei mir die äußerst komplizierte Begründung nicht mehr einfällt. Wie ich damals die Lage beurteilte, geht aus einem Schreiben hervor, das ich am 21. 9. an den Kanzler richtete. In diesem hieß es zunächst: „ D a ß die allgemeine Situation nichts weniger als erfreulich ist, kann wohl nicht geleugnet werden. Wenn wir dabei speziell die Politik um den 11. Juli betrachten, so müssen wir vor allem feststellen, daß unser Verhältnis zu Deutschland sehr, sehr viel zu wünschen übrig läßt. Daran mag auch ein etwaiger befriedigender Verlauf der Unterredung Schmidt-Göring - ich kenne ihren Inhalt nicht - kaum etwas ändern. Der Reichskanzler persönlich ist seit der Welser Geschichte von steigendem Groll erfüllt. Zwar ist es für den Augenblick gewiß nicht sein Wunsch, mit Österreich neue ,Scherereien* zu haben. Aber jene Kräfte, die irgendwie die Lösung der österreichischen Frage von außen her betreiben, gewinnen im Reich wieder zusehends an Boden. Von einem solchen Zustand zur offenen Gegnerschaft ist nach allem nur ein kleiner Schritt und hinter diesem Schritt lauern Gefahren, die zu bannen ja doch mit Zweck und Sinn unserer Politik seit dem 11. Juli gewesen sind." Was ich unter den „lauernden Gefahren" verstand, bedarf keiner Erklärung. Weiter hieß es in dem Briefe: „ I m Innern führte der Sommer zu einer erheblichen Radikalisierung der äußeren Flügel beider Fronten (der vaterländischen und der nationalen). Wenn bei Gelegenheit, statt der staatlichen Exekutive, der vaterländische Flügel gegen Ausschreitungen des nationalen zur ,Selbsthilfe' schreitet, so kann ich dies nur mit Bangen mitansehen; denn das ist Wiederanfachung der Bürgerkriegsatmosphäre. Grundsätzlich ist zu sagen, daß sich die beiden Flügel im Kampf wider die Politik des 11. Juli in die Hände arbeiten. Die Radikalisierung auf der nationalen Seite ist für jedermann feststellbar. Die Radikalisierung auf der vaterländischen Seite bekomme ich persönlich mit zunehmender Deutlichkeit zu fühlen. Frontereignisse, die den mir von Dir übertragenen Aufgabenkreis so stark tangieren wie die Aufstellung des Sturmkorps oder die Aufnahmssperre, erfahre ich grundsätzlich nur mehr aus der Zeitung. Der Erfolg meiner pflichtgemäßen Interventionstätigkeit nähert sich dem Nullpunkt. O f t nimmt man sich gar nicht mehr die Mühe, meine persönlichen Briefe zu beantworten. Jeder kleine Hofrat einer nachgeordneten Behörde wird, wenn er nur den schärferen Kurs vertritt, weit eher angehört als ich. Üppige Erfolge hat die mir aufgetragenen Interventionstätigkeit nie gezeitigt, so sehr ich in ihren Möglichkei-

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ten eines der wesentlichsten Mittel erblickt hätte, Politik des 11. Juli zu machen, ohne den Kurs zu gefährden. Aber die jetzige Erfolglosigkeit ist doch ein zu deutliches Symptom für die derzeitige Stimmung jener Kreise, die sich als Träger des Systems fühlen. Das neue Ordnungsschutzgesetz hat gewiß Erleichterungen geschaffen, ganz abgesehen davon, daß es ein Schritt zurück zum Rechtsstaat war. Aber gerade auf dem so wichtigen Gebiete der Existenzvernichtungen wird immer wieder getrachtet, um die Milderungen, die das neue Gesetz enthält, auf andere Weise herumzukommen. Die Dir wohlbekannte Geschichte der „Gmundener Ärzte" ist nur ein Beweis unter vielen . . . Auf was es mir mit diesen hingeworfenen Worten . . . ankommt, ist . . . die Feststellung, daß wir uns in einer politischen Krise befinden, und ist die mich natürlich auch persönlich besonders berührende Frage, ob an eine Fortführung der Politik vom 11. Juli überhaupt noch gedacht werden kann. Manchmal dünkt es mich, daß diese Frage mit Nein zu beantworten wäre; betreff der inneren Politik wenigstens sagtest auch Du in Innsbruck, die Zeit sei um . . . " Daß solche Briefe auf den ohnehin schon an jedem Erfolge seiner Politik zweifelnden und manchmal verzweifelnden Kanzler keinen besonderen Eindruck machten, kann ich im nachhinein begreifen. Sie lagen dennoch in meiner Linie, die doch die Absicht verfolgte, direkte Konfliktsanlässe mit dem Dritten Reich möglichst abzubauen. Dabei wurde mir und meinem Freunde Wolf in den Gesprächen, die wir oft und oft führten, allerdings immer klarer, daß die Anschlußfrage für Berlin keine nationale Angelegenheit schlechtweg war, sondern im Sinne des Totalitätsgedankens eine nationalsozialistische. Daran scheiterte von Anbeginn auch die Politik des 11. Juli, die sich höchstens auf der nationalen, nie aber auf der Ebene der nationalsozialistischen Totalität hätte austragen lassen. Tatsächlich wurde nach Vollzug des Anschlusses vom Reichsleiter Bormann, dem Chef der Führerkanzlei, die Weisung ausgegeben, der Anschluß dürfe nach außen nur als Erfolg der nationalsozialistischen Politik hingestellt werden. Daher verschwanden zum Beispiel die Minister, die das Anschlußgesetz unterschrieben hatten - das vielleicht bis dahin das bedeutsamste Gesetz seit der Machtergreifung 1933 gewesen ist - nicht nur, durch die Aufteilung Österreichs in „Reichsgaue", fachgemäß sehr rasch von der Bildfläche. Sie wurden völlig unbedankt entlassen und bei keiner Erinnerungsfeier oder dergleichen je mehr herausgestellt. Abgesehen davon, daß keiner außer Seyß das Goldene Parteiabzeichen bekommen hat, mußten sich Männer wie Wilhelm Wolf sofort alle möglichen Unbequemlichkeiten gefallen lassen und Neumayer, der Finanzminister des Kabinetts Seyß, erlebte noch im Sommer 1944 (!) die ihn charakteristischerweise noch immer schwer treffende Enttäuschung, daß seine Aufnahme in die Partei abgelehnt wurde. Wolf und ich sahen, wie bemerkt, all dies voraus und gaben uns keiner Täuschung über den „ L o h n " hin, der unser erwarten würde. Dennoch fand Wolf einige Wochen vor seinem tragischen Tode die Formel: „Lieber Freund, in der Idee haben wir uns geirrt, aber die Taktik war trotz dieses Irrtums die einzig mögliche." Im Laufe des Oktober 1937 wurden nach äußerst schweren Geburtswehen in den Ländern die „Volkspolitischen", das heißt nationalen Referenten ins Leben ge-

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s e t z t 2 1 4 ) . In Wien kam D r . Miltschinsky 2 1 5 ), in Salzburg Albert Reitter, in G r a z D r . Dadieu, in Klagenfurt der Dichter P e r k o n i g 2 1 6 ) . A m 2 9 . O k t o b e r 1 9 3 7 2 1 7 ) war eine Führertagung der V F . , zu der ausnahmsweise auch ich eingeladen war. Seyß trat zum erstenmale als Betreuer der Nationalen in der F r o n t auf und hielt eine ganz geschickte Rede, auf deren Inhalt ich mich allerdings nicht mehr besinne. Sehr scharfe legitimistische Erklärungen gab der auch zum Führerrat gehörende Prinz Karl Emil F ü r s t e n b e r g 2 1 8 ) , letzter k . u . k . Botschafter in Madrid, ab. Zernatto und Schuschnigg halfen sich wie immer aus der Affäre nach dem Rezept, wer vieles gibt, kann jedem etwas g e b e n 2 1 9 ) . Anfang N o v e m b e r fand irgendwo in Simmering ein Fest des Deutschen Turnerbundes statt. Ich wurde dazu eingeladen und hielt im Gegensatz zu dem gleichfalls anwesenden Seyß, den ich als Kaiserjägerkameraden apostrophierte, eine Rede, in der ich das Arrangement vom 11. Juli (ein Volk - zwei Staaten) als die Ausgangslage der politischen Situation auch für den Turnerbund bezeichnete, daran allerdings die Bemerkung knüpfte, „ d a ß gegenüber den neuen F o r m e n der Geist der alte bleibe." Ich meinte natürlich nur das großdeutsche nationale Zusammengehö-

tierend „ d a ß die Konsolidierung des status quo die Aktivierung der Verfassung, den berufsständischen Aufbau, erleichtern s o l l t e " . 2 1 4 ) D i e Liste der Volkspolitischen Landesreferenten wurde in der Wiener Zeitung am 17.10.1937 veröffentlicht. U b e r die Vorgänge vgl. Bärnthaler, 1 4 1 - 1 4 7 , u. Rosar, 1 4 9 - 1 5 2 . 2 1 5 ) V i k t o r Miltschinsky (Feistritz/Rosental, 9. 8 . 1 8 8 7 bis 6. 3 . 1 9 7 4 , Wien), Linguist, Mittelschullehrer, Volkstumspolitiker, Stenograph im Kärntner Landtag und im Reichsrat, nach 1918 tätig in der Staatskanzlei in der „Schutzstelle für die deutschen öffentlichen Angestellten aus den Nationalstaaten", Mitwirkung an der Kärntner und der ö d e n b u r g e r Volksabstimmung, 1919 auch Gründungsmitglied der Nationaldemokratischen Partei, sodann in der Wiener Organisation der Großdeutschen Volkspartei tätig, 1937/38 Volkspolitischer Referent in der Wiener Landesführung der V F . , 1949 O b m a n n der Wiener Organisation des V d U . Seine wichtigsten Schriften: Das Verbrechen von ö d e n b u r g , Wien 1922; Kärntens hunderjähriger Grenzlandkampf, Wien 1937; Kärnten wehrt sich. Südkärntens Grenzlandkampf (Eckartschriften, Heft N r . 9), Wien 1962. 2 1 S ) J o s e f Friedrich Perkonig (Ferlach, 3 . 8 . 1 8 9 0 bis 8 . 2 . 1 9 5 9 , Klagenfurt), Romancier, schildert in seinen Werken das Gebirgs- und Grenzland und dessen Menschen; die Begegnung der heidnischen mit der christlichen W e h ; zahlreiche Kärntner Heimatbücher. Hauptwerke: Heimat in N o t ( 1 9 2 1 ) ; Nikolaus Tschinderle, Räuberhauptmann (1936); Autobiographie: I m Morgenlicht (1948). 217) Glaise schrieb irrtümlich „ 2 8 . O k t o b e r 1 9 4 4 " : Ein interessanter Hinweis auf die Zeit der A b fassung des Manuskripts - und wahrscheinlich auf dem ihm geläufigen Tag der Unabhängigkeitserklärung des tschechoslowakischen Staates. 2 1 8 ) Karl Emil Prinz Fürstenberg (Prag, 1 6 . 2 . 1 8 6 7 bis 2 1 . 2 . 1 9 4 5 , Strobl am Wolfgangsee), k.u.k. Geheimer R a t , war während des Ersten Weltkrieges als Botschafter in Madrid in die Versuche der A n bahnung von Friedensverhandlungen, bei welchen Alphons X I I I . von Spanien gegenüber den U S A vermittelte, eingeschaltet. 2 1 9 ) R o s a r , 169: „ B e i der . . . Führertagung der V F . ging zwar Schuschnigg nicht auf die angeführten Detailfragen ein, fand aber immerhin „einige feste W o r t e ' für sein Bekenntnis zum deutschen Kurs. Seyß-Inquart stieß sofort nach und verlangte die Erfüllung des J u l i - A b k o m m e n s durch einen weiteren Ausbau des Volkspolitischen Referates. Als daraufhin ein Vertreter der Monarchisten ein Forderungsprogramm verlas, das im Drängen auf ein Traditionsreferat analog zum Volkspolitischen Referat gipfelte, soll Schuschnigg wörtlich geantwortet haben: ,Ich bitte die Herren von der legitimistischen Seite, nicht so oft und so viele Fragen an mich zu stellen, denn es könnte sein, daß ich diese Fragen mit Nein beantworten m ü ß t e ' . "

Militärhistorische Vorträge

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rigkeitsgefühl. Dennoch haben sich das Linzer Volksblatt und andere Zeitungen, darunter natürlich auch das Prager Tagblatt, auf meinen Ausspruch gestürzt und ihn entsprechend zerzaust. Ich habe mir nicht viel daraus gemacht. Daß ich mich indes im Milieu des Deutschen Turnerbundes besonders warm gefühlt hätte, müßte ich leugnen. Es war doch wieder eine ganz andere Welt als die meinige. W e n n ich schon bei meinen Reden bin, so sollen zwei Vorträge anmerkungsweise angeführt sein. Der eine fand am 21. N o v e m b e r 1937, also am 85. Geburtstag C o n rads, über diesen im Militärkasino statt. E r hielt sich beiläufig in dem Rahmen, der meine späteren Aufsätze in den „ R o t e n H e f t e n " 2 2 0 ) und im Sammelwerk „ G r o ß e Deutsche M ä n n e r " 2 2 1 ) umschließt 2 2 2 ). Die „ ö s t e r r e i c h i s c h e Soldatenfront", eine mit den Kriegerbünden stets im Kampfe stehende Organisation der Altsoldaten in der V F . , veranstaltete einen Gegenvortrag, zu dem sie Feldmarschalleutnant v. U r banski (seinerzeit Chef des Evidenzbüros des Generalstabes) g e w a n n 2 2 3 ) . Urbanski, mit dem ich persönlich ganz gut w a r 2 2 4 ) , hatte eben ein dickes B u c h über Conrad abgeschlossen 2 2 5 ) und machte aus dem verewigten Marschall einen Dollfußianer, dem keine Ideale heiliger waren als die des tragisch umgekommenen Kanzlers. Das war natürlich für jeden, der Conrads Einstellung zu den nationalen und kulturellen Fragen kannte, ein Unfug ersten Ranges. Selbst Schuschnigg, der eines meiner Manuskripte kannte, machte sich über Urbanski nachher lustig 2 2 6 ).

) Werkverzeichnis N r . 296. ) Werkverzeichnis N r . 297. 222) Vgl. den Schriftverkehr dazu in B G H . 3 3 4 0 / 3 7 . Glaise hatte zunächst zugesagt, den Vortrag vor dem österreichisch-deutschen Volksbund zu halten. 2J0

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2 2 3 ) Vgl. den Schriftverkehr und das Manuskript in Urbanskis Nachlaß, sign. B / 5 8 , nr. 14. D e r V o r trag fand am 2 3 . 1 1 . 1 9 3 7 statt. 2 2 4 ) Vgl. B G H . 3 1 0 1 / 3 7 : Mit Schreiben vom 1 8 . 3 . 1 9 3 8 (sie!) hatte der Ulrich Moser-Verlag G r a z ein „ U r t e i l " über Urbanskis B u c h erbeten und angefragt, o b er zu diesem Zweck die Druckbogen schicken könnte. Das W e r k sollte „ i n etwa 14 T a g e n " erscheinen. Glaises A n t w o r t ist nicht vorhanden oder nicht erfolgt. 2 2 5 ) August Urbañski v. O s t r y m i e c z , Conrad von H ö t z e n d o r f - Soldat und Mensch, G r a z - W i e n Leipzig, erschien in 1. Auflage 1938 mit einem V o r w o r t des Verfassers, Frühjahr 1938 (S. 1 1 - 1 4 ) , einem „ G e l e i t w o r t des Generaloberst G r a f D a n k l " (S. 1 5 - 1 8 ) und einem Geleitwort des General-Feldmarschall von Mackensen (S. 1 9 f . ) . D i e zweite, durchgesehene Auflage 1939 enthielt anstelle des Vorworts Dankls ein V o r w o r t des Verfassers zur zweiten Auflage, in welchem Urbañski aus einem Brief Conrads an Glaise-Horstenau über das „ I d e a l " des „endgültigen Zusammenschlusses zu einem mächtigen Reich deutscher Z u n g e " zitiert. Dazu schreibt Urbañski in seinen Memoiren ( B / 5 8 , nr. 4 b , S. 121): Meine in Potsdam beim maßgebenden Referenten persönlich vorgebrachten Argumente blieben unbeachtet; das Buch wurde über höhere Weisung in den Kreisen der deutschen Wehrmacht boykottiert, und die führenden militärischen Fachschriften in Berlin und Wien erhielten die Weisung, von mir künftig keine Beiträge anzunehmen. In der zweiten Auflage hatte der Verlag das Geleitwort Dankls nicht aufgenommen und überdies im V o r w o r t eine Verbeugung vor dem Führer des Deutschen Reiches einschalten müssen. N u n wurde das Buch gestattet und sogar empfohlen, eine weitere Auflage jedoch durch „Papiermangel" unmöglich gemacht . . . 2 2 6 ) D i e Bemerkungen Glaise-Horstenaus sind wohl auch darauf zurückzuführen, daß er damals selbst an die Verfassung einer Conrad-Biographie dachte. Dies teilte jedenfalls R . Kiszling um den 2 1 . 1 . 1 9 3 8 an den Inhaber des Wilhelm Andermann-Verlages mit, als der Verleger mit einem solchen Projekt an ihn herantrat. N a c h Verhandlungen im Februar und anfangs März 1938, über die Kiszling

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Entsprechend der eben geschilderten Einstellung hatte Urbanski für sein Buch ein entsprechendes Vorwort Dankls erbeten und auch erhalten. Zum Glück für ihn war der dicke Wälzer beim Anschluß noch nicht völlig ausgedruckt, so daß er sein eigenes Vorwort um 180 Grade wenden und auch noch eine Einbegleitung durch Feldmarschall v. Mackensen einfügen konnte. Es geht nichts über historische Uberzeugungen! Am 15. Dezember sprach ich vor dem Österreichisch-Deutschen Volksbund wieder einmal über mein relativ ungefährliches Thema „Das Jahr 1000 als Schicksalsjahr der Deutschen" 2 2 7 ). Auf dieses Thema, das wirklich irgendwie interessant war, brachten mich meine Salzburger Vorträge im Sommer 1936. Das Auditorium war recht gut, unter anderem saßen Srbik, Hirsch und Bittner in den vorderen Reihen, was mich etwas einschüchterte. Aber Bittner erteilte mir nachher eine vorzügliche Zensur, wodurch ich wieder beruhigt war. Den Vorsitz der Versammlung führte Seyß-Inquart. Er feierte mich in seinem längeren, wohl vorbereiteten Schlußwort als den Minister vom 11. Juli und sagte auch sonst mancherlei Gescheites, was nachher, beim Nachtmahl in der „Linde", Frau Seyß 2 2 8 ) zu Verzückungen über das Rednertalent ihres Gatten veranlaßte. A m 14. Dezember 1937 beging Schuschnigg seinen 40. Geburtstag, das heißt er vollendete das 40. Lebensjahr. Wir Minister spendeten jeder S 100,-, um ihm ein Gemälde, das er liebte, als Angebinde zu überreichen. Ein Fest fand nicht statt. Was waren wir doch für bescheidene Leute! Der Kanzler selbst hatte sich ein Geburtstagsgeschenk mit der Herausgabe seines Buches „Dreimal Österreich" 2 2 9 ) gemacht. Er hat an diesem Buche in aller Heimlichkeit geschrieben. Nur Adam und Zernatto wußten davon, nicht einmal Guido Schmidt, der auch deshalb beleidigt war, weil von allen Mitarbeitern Schuschniggs nur Pernter genannt ist, er nicht. Ich bin einmal etwas aufmerksam geworden, als er mir sagte: „Ich habe jetzt oft Deine ,Katastrophe' zur H a n d . " Schuschniggs Buch wurde in alle Sprachen übersetzt. Im deutschen Sprachgebiet - mit Ausnahme der Schweiz - wurde es durch den Anschluß verschlungen. In der angelsächsischen Welt soll es trotz seiner echt Schuschniggschen Verschwommenheit und Verklausulierung gut gegangen sein, was dem Armen nach dem Krieg vielleicht in Form von gutvalutarischen Honoraren nützlich werden kann. Aufzeichnungen und Korrespondenzen führte, kam zwischen 5 . 3 . und 8 . 3 . 1 9 3 8 ein Vertrag zustande. Glaise-Horstenau und Kiszling wollten die Biographie gemeinsam verfassen, wobei Glaise-Horstenau die Jugendzeit und Dienstzeit bis 1906 sowie den Weltkrieg, Kiszling die Tätigkeit als Chef des Generalstabes im Frieden verfassen sollte, beide also auf ihre früheren eigenen Publikationen aufbauen konnten. Kiszling scheint seinen Teil, der im Manuskript vorhanden ist, bereits 1938/39 fertiggestellt zu haben, Glaise-Horstenau jedoch nie damit begonnen zu haben. A m 2 . 1 1 . 1 9 3 9 fragte Andermann diesbezüglich das letzte Mal bei Kiszling an. Vgl. B/800 ( = Nl. Kiszling), nr. 115. Das Manuskript Kiszlings: B/800, Nr. 1 1 4 . 2 2 7 ) Manuskript in B/67, nr. 8 in zwei Fassungen (17 S. u. 7 S. Maschinschrift). Kurzer Auszug im Werkverzeichnis Nr. 303. Vgl. auch B G H . 3385/37. 2 2 8 ) Gertrud Seyß-Inquart, geb. Maschka (geb. Wien, 2 3 . 1 1 . 1 8 9 4 ) . 2 2 9 ) Dreimal Österreich, Wien 1937 (mindestens vier Auflagen 1937 u. 1938); englische Fassung: Farewell Austria, London 1939.

Stiftungsjubiläum der Militärakademie

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Mit dem Geburtstag Schuschniggs fiel auch das alljährlich gefeierte Stiftungsjubiläum der Neustädter Militärakademie zusammen. Der Akademiekommandant Generalmajor Towarek 2 3 0 ), mein einstiger „Benjamin", hatte mir eine Einladung geschickt. Als unverändert begeisterter Anhänger der Alma mater nahm ich sie an, nachdem ich Schuschnigg gefragt hatte, ob es ihm recht sei, daß ich als einzig anwesender Minister erschiene und damit die Parade abnähme etc. Nun ergaben sich allerdings aus der Zugehörigkeit des Erzherzogs Felix zur Akademie und daraus, daß die Erzherzogin Adelheid 2 3 1 ), die älteste Schwester des Prätendenten, die sich seit einem Jahre in Österreich in der legitimistischen Propaganda betätigte, auch die Einladung angenommen hatten, bei meinem Sondercharakter als Minister vom 11. Juli gewisse nicht leugbare Schwierigkeiten und Bedenken, die offenbar nach meiner Anfrage und vielleicht auf Anregung von dritter Seite auch Schuschnigg gekommen sind, was ich ihm nie verübelt hätte. Was aber charakteristisch für die ganze Art des Kanzlers war, ist die Tatsache, daß er mir von seinen nachträglichen, durch Legitimisten angeregten Bedenken nichts sagte, sondern daß er heimlich den Vizekanzler Hülgerth nach Neustadt dirigiert hat und ich mich dort plötzlich bei der schon vorbereiteten Abnahme der Parade einem Höheren gegenübergesehen hätte - auch zum Staunen der anderen Festteilnehmer. Ich erfuhr nur durch die Anständigkeit Zehners von der Sache noch in letzter Stunde und sagte natürlich in Neustadt sofort ab. Gleichzeitig schrieb ich Schuschnigg einen ziemlich scharfen Brief. Der Kanzler leugnete seine Beweggründe nicht, trachtete aber sein Vorgehen durch alle möglichen Vorspiegelungen zu entschuldigen. Der Kanzler trug mir als Genugtuung die Verleihung des Generalstitels an. Ich lehnte aus Vorliebe für den flaschengrünen Rock ab. Mit Großkreuzen geschmückt, kam ich mir immer wie der alte Beck vor, was mir Behagen bereitete 2 3 2 ). Als 4 Monate später, am 31. März 1938, schon 14 Tage nach dem Anschlüsse, die letzte traditionelle Ausmusterung aus der Akademie stattfand und ich dabei als Reichsstatthalter-Stellvertreter die Regierung zu vertreten hatte, überlegte ich vor meiner Rede einen Augenblick, ob ich nicht auf den eben geschilderten Zwischenfall mit ein paar Worten zurückkommen sollte - Schuschnigg war bereits in seinem Heim im Belvederegarten konfiniert aber ich tat es nicht und sprach lieber ein Wort mehr über die große Überlieferung des Hauses. Heute, im 6. Kriegsjahr, nehmen sich Zwischenfälle der geschilderten Art sehr, sehr klein und lächerlich aus. Im Mikrokosmos Deutschösterreichs waren 2 3 0 ) Rudolf Towarek (Krakau, 9 . 6 . 1 8 8 5 bis 29.11.1959, Linz), 18.8.1905 aus Milak. als Lt. zu IR. 9, Genstabsdienstleistungen im 1. W k g . , 1.11.1914 Hptm. zug. Glstb., übernommen in Volkswehr u. Ö B H . , 1.3.1926 Stabschef 4. Brigkmdo., 15.10.1933 Kmdt. d. Heeresschule bzw. Milak., 2 6 . 5 . 1 9 3 4 G M . , 15.3.1938 Ruhestand. 2 3 1 ) Erzherzogin Adelheid Maria Josepha (Wien-Hetzendorf, 3 . 1 . 1 9 1 4 bis 3 . 1 0 . 1 9 7 1 , Pöcking), Dr. sc. pol. et soc., Kurzbiographie in: Feigl, Kaiserin Zita, 157f. 2 3 2 ) Schuschnigg bestätigte diese Darstellung: Zu den „Troupiers" ( z . B . General Zehner, FMLt. Hülgerth etc.) hatte er nach meiner Meinung keine Beziehungen. Eine militärische Rangerhöhung . . . lehnte er - trotz ausdrücklichen Angebots - ab. Ebenso weigerte er sich, als Regierungsvertreter bei einer Feier der Theresianischen Militärakademie (1937) teilzunehmen, wenn er nur in Begleitung des Vizekanzlers Hülgerth und nicht als alleiniger Vertreter aufscheinen würde. Seine Begründung: - er war selbst Alt-Neustädter; daher fühlte er sich berechtigt, eine „ z w e i t e Rolle" abzulehnen!

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sie jedoch bezeichnend und zwar besonders für die Zwiespältigkeit, in die mich meine politische Aufgabe versetzt hatte. Ich habe hier noch eine kleine Erinnerung nachzutragen. Im Herbst 1937 reisten Cramon und Fleck durch Wien durch. Ersterer war von Horthy eingeladen, letzterer befand sich auf der Heimreise von Gastein. Ich trieb ein paar Mitglieder des ehemaligen k . u . k . A O K . im Rathaus zu einem Frühstück zusammen. Cramon ließ seine Unzufriedenheit mit den im Reiche herrschenden Verhältnissen erkennen und kam auch auf Kaiser Karl zu sprechen. Er meinte: „Wissen Sie, der Kaiser war doch ein wirklich guter Mensch, und eigentlich hatte er von seinem Standpunkt aus r e c h t 2 3 3 ) ! " Ich war erstaunt, solches aus diesem Munde zu vernehmen, und darf im übrigen auf meine Darstellung im Buche „ D i e Katastrophe" verweisen, von der ich nichts wegzunehmen und der ich nichts zuzufügen habe. Das Buch, nur in 6 0 0 0 Exemplaren gedruckt, hatte sich bis heute (Neujahr 1945) eine seltsame Lebensfähigkeit bewahrt. Es ist, ein besonders gutes Zeichen für ein Literaturprodukt, in keinem Antiquariat zu erhalten. Direktor J o h a m 2 3 4 ) hat es in einer Anzahl von Exemplaren photographieren lassen. An mich trat oft und oft die Frage einer Neuauflage heran 2 3 5 ). Als ich noch Kriegsarchivdirektor war, ging ich an die Aufgabe heran, kam aber über die wirklich änderungsbedürftige Einleitung nicht hinaus. Dann wurde ich Minister. Neuerlich bedrängt, einen unveränderten Abdruck zuzulassen, fragte ich Schuschnigg, ob er die Anschlußbekenntnisse in der Einleitung und am Schlüsse mit meinem Charakter als Minister des dreimal selbständigen Österreichs für vereinbar fände. Er erklärte entschieden: Nein! Nachher kam der Anschluß und ich konnte nun das Buch umso weniger neu auflegen, als seine Stellungnahme zur Habsburgerfrage und zu Ludendorff durch die Zensur der N S D A P nie durchgelassen worden wäre, ich aber in diesen Punkten keinerlei Zugeständnisse machen hätte können. Übrigens ist mein Anschlußbekenntnis im Vorwort durch eine Bemerkung 2 3 3 ) Vgl. L. Jedlicka, Kaiser Karl in neuer Sicht, in: ders., Vom alten zum neuen Österreich, 6 1 - 8 4 , bes. 6 9 f . Danach erklärte Cramon brieflich gegenüber Moritz v. Auffenberg-Komaröw am 1 5 . 4 . 1 9 2 2 : , , . . . Eure Exzellenz wissen ja, daß ich zu den scharfen Anklägern des Kaisers gehört habe, leider gehören mußte, umso mehr glaube ich, nun, da er die Augen geschlossen, alle Gehässigkeit bei Seite lassen zu sollen und ihm als Menschen meine Teilnahme nicht zu versagen. . . . Daß der unglückliche Kaiser eine tragische Figur gewesen ist, der nur allzusehr unter dem Einfluß der hohen Frauen stand, ist leider klar, aber gerade deshalb muß der Kampf gegen ihn nun . . . aufhören". 2 3 4 ) Josef Joham (Kleinkirchheim, Kärnten, 2 1 . 2 . 1 8 8 9 bis 7 . 4 . 1 9 5 9 , Wien), 1913 D r . iur., Universität Graz, ab 1914 im Bankwesen, 1 9 1 6 - 1 9 3 1 bei der Bank für Tirol und Vorarlberg, zuletzt als Direktor, ab 1 7 . 7 . 1 9 3 1 im Vorstand der Creditanstalt-Bankverein, 3 . 6 . 1 9 3 6 bis I V . / 1 9 3 8 u. ab 2 6 . 2 . 1 9 4 8 deren Generaldirektor. 2 3 s ) Dazu Karl Mayern in seinen Erinnerungen (vgl. A n m . 2 0 8 ) : „Glaise widmete mir Anfang 1929 ein Exemplar des Buches ,Die Katastrophe'. Als ich ihm bei seinem nächsten Besuch für den Genuß dankte, den mir die Lektüre des Buches bereitet hatte, stellte er mir eine .verbesserte Fortsetzung' in Aussicht. E r trage eine Disposition zur eingehenderen Schilderung der Jahre nach 1918 ,schon fertig im Kopf spazieren'. Die Geschäfte der Direktionsführung, vor allem die Redaktion des offiziellen Kriegswerkes ließen ihn aber zu einer so umfangreichen Arbeit wohl noch längere Zeit nicht kommen; ein Aufschub könne der Arbeit aber nur nützen, denn umso mehr der immer zahlreicher erscheinenden Quellenwerke konnten dann verwertet werden. E r habe so viel erlebt und so viele schriftstellerische Pläne, daß ihm vor Langeweile in seiner Pensionszeit wahrlich nicht zu bangen brauche. E r freue sich schon auf ganz ungestörte schriftstellerische Tätigkeit in seinen alten T a g e n . "

Neuauflage der „Katastrophe"?

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des seither längst verstorbenen Ministerpräsidenten Freiherrn v. Hussarek provoziert worden. Die „Katastrophe" lag gerade in den Bürstenabzügen vor, als Hussarek mich bat, ihm diese zur Verfassung eines Aufsatzes über Kaiser Karl zur Verfügung zu stellen. Er kam einige Tage später mit den Bürstenabzügen zurück und meinte: ,,Na, in Deutschland wird man über Ihre Darstellung keine besondere Freude haben!" Dies veranlaßte mich, auch zur „Abschirmung" den betreffenden Passus ins Vorwort aufzunehmen 2 3 6 ). Der Ausklang des Jahres 1937 war innenpolitisch durch neuerliche starke Regsamkeit der Legitimisten gekennzeichnet. Besonderes Aufsehen erregte ein Rechnungskunststück Wiesners, der durch Zusammenzählung aller Einwohner der „Kaisergemeinden" und aller Mitglieder der unter dem Protektorat des Prätendenten stehenden Vereine (wobei natürlich der größte Teil der in Betracht kommenden Personen doppelt, dreifach und noch öfter gezählt, andererseits in den „Kaisergemeinden" die wohl eine Majorität ausmachende Zahl der an der „Ehrenbürgerschaft" völlig unbeteiligten Einwohner in toto zugerechnet wurden) fast eine Mehrheit monarchistischer Deutschösterreicher herausrechnete. Wiesners Berechnungen wurden auch durch christlichsoziale Blätter zerzaust. Mit dieser Erinnerung an den deutschösterreichischen Froschmäusekrieg nähere ich mich dem Ende des vorliegenden Kapitels. Was das Jahr 1938 brachte, wurde gesondert dargestellt. Wenn ich die Seiten, die ich hiermit abschließe, überblättere, so überkommt mich das beschämende Gefühl, damit für die Geschichtsschreibung so gut wie nichts beigetragen zu haben. Es ist lauter lächerliches Kleinzeug, das ich in diesen Zeilen zusammentrug - weit entfernt selbst davon, einen nennenswerten Beitrag zur Vorgeschichte jenes Ereignisses zu geben, das ja doch in weiter Sicht 2 3 6 ) Gemeint ist wohl der Passus in „ D i e K a t a s t r o p h e " , S. 6 : „ I c h bin, wenn man von fernen französischen Vorfahren absieht, deutscher Herkunft und deutschen Fühlens, hing, wie General C r a m o n in seinem B u c h e bestätigt, mit jeder Faser des Herzens am deutschen Bündnisse und stehe auch für die Z u kunft zu der Uberzeugung, daß es für mein jetziges deutschösterreichisches Vaterland nur einen W e g ins Freie geben wird, die Heimkehr ins Reich. Dessenungeachtet durfte dieses B u c h nicht aus dem G e sichtswinkel des deutschen Bündnisses und der Interessen Preußen-Deutschlands geschrieben werden, und es konnte, wenn es sich um das Problem der Rettung Österreich-Ungarns handelte, nicht einmal so harte Möglichkeiten aus dem Kreise der Betrachtung ausschließen, wie sie'Friedrich der G r o ß e und Bismarck in ihren Rezepten über die beschränkte Dauerhaftigkeit politischer Bündnisse andeuteten. Ebenso durfte die Darstellung nicht davor zurückschrecken, in der Politik des Bundesgenossen alles das aufzuzeigen, was den Interessen des Donaureiches entgegenstand. . . . " Vielleicht wurde diese Passage angeregt durch ein Erlebnis Glaise-Horstenaus, das O b e r s t Gustav v. H u b k a in einem Brief an General Emil Ratzenhofer, 1 6 . 2 . 1 9 4 4 , beschreibt ( B / 6 9 1 , nr. 3 0 ) : „ A l s Glaise-Horstenau auf Einladung der D e u t schen Gesellschaft für Erforschung der Kriegsursachen einen längeren Vortrag in Berlin hielt, eröffnete der Gesandte a. D . Raschdau (war in jungen Jahren eine Zeitlang Sekretär Bismarcks) die Diskussion über den Vortrag mit dem Hinweis auf den bekannten Ausspruch Bismarcks, daß Bündnisse nicht für die Ewigkeit geschlossen werden, also gekündigt werden müssen, wenn man ihrer nicht mehr bedarf oder die Verhältnisse sich geändert haben. Letzteres sei auch 1941 der Fall gewesen, folglich hätte D(eutschland) besser getan, den casus foederis - analog Italien - nicht als gegeben zu betrachten, d. h. auf die Waffenhilfe ,in schimmernder W e h r ' zu verzichten. Glaise vermochte, sichtlich betroffen, nur zu erwidern, daß dies doch nicht gut möglich gewesen wäre, aber die Meinung Raschdaus blieb von den Anwesenden unwidersprochen. F ü r die dem Vortrag beiwohnenden österreichischen Offiziere (ich hatte für eine größere Anzahl Einladungen erwirkt) ist es eine recht peinliche Situation g e w e s e n . "

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Minister im Ständestaat 1936 - Dezember 1937

den Auftakt zu dem großen zweiten Weltkrieg bildete, dessen Ausgang im Augenblick nicht abzusehen ist, der aber bestimmt einen Trümmerhaufen zurücklassen wird: zur Vorgeschichte der Landnahme Österreichs durch das Dritte Reich. Denn diese war die erste, tiefe, nie mehr auszufüllende Bresche in das allerdings sehr fragliche Friedensgebäude von Versailles und St. Germain. Aber sie war keine Frage zwischen Österreich und Deutschland, wie es in diesen Zeilen manchmal den A n schein hat, sondern zwischen dem Dritten Reich einerseits und Italien, Frankreich und England andrerseits. Daß Italiens Diktator sich anschickte, in das Lager Adolf Hitlers abzuschwenken, gab den Anstoß zum Experiment des ,,11. Juli", dessen Trauergeschichte hier in einigen Streiflichtern wiedergegeben ist. Und daß England und damit auch Frankreich Österreich spätestens im Herbst 1937 „abgeschrieben" haben, ist eine heute bekannte Tatsache, die damals in Österreich die wenigsten erkannten. Wohl sagte Hitler am 10. Juli 1936 in Berchtesgaden, als ich der Meinung Ausdruck lieh, der Anschluß würde den Weltkrieg bedeuten: „Kein Finger wird sich rühren!" Ich persönlich besorgte trotzdem noch am 11. März 1938 vormittags, als ich, von Berlin kommend, Schuschnigg gegenübersaß, einen durch das Eingreifen der Westmächte gegen den Anschluß entstehenden Weltbrand. Es ist damals noch nicht zu einem solchen gekommen. Selbst die Tschechoslowakei, den rocher de bronce der Friedensdiktate in Mittel- und Osteuropa, opferten Paris und London, ohne mit einer Wimper zu zucken. Erst die Polenfrage brachte die furchtbare Lawine ins Rollen. Angesichts dieser Vorgänge im nebelverhangenen O l y m p der großen Weltpolitik nehmen sich im nachhinein kleine Handlungen und Geschehnisse, wie sie hier dargestellt sind, winzig aus. Aber zur Geistesgeschichte der Zeit könnte ihre Darstellung doch ein, wenn auch höchst bescheidener, Beitrag sein. Das tröstet mich über die Dürftigkeit der hier niedergelegten Geistesprodukte. Semmering, am Neujahrstag 1945.

III. BERCHTESGADENER ABKOMMEN UND „ANSCHLUSS" Geschrieben in Agram, Frühjahr 1942 Da man in diesen Zeiten nicht weiß, ob man den morgigen Tag noch erleben wird, fühle ich mich doch gedrängt, aus meinen vielfältigen Lebenserinnerungen im Augenblick vor allem die vorliegenden zu Papier zu bringen. Immer die Wahrheit, wie ich sie sehe und erlebe, und nur diese niederzuschreiben, fällt mir nach allem, was seither geschah, nicht leicht. Irgendwie tue ich es mit dem Gefühle, vor den Trümmern des eigenen bescheidenen Lebenswerkes zu stehen. Ist doch alles so ganz anders gekommen, als ich es erwartete, ersehnte und erhoffte, wobei ich mich eines guten Stückes Naivität anklagen muß . . . Ich hätte weit auszuholen: wie aus dem Knaben, der die unproblematische Haltung seines Elternhauses in Erinnerung an 1866 übernommen und beispielsweise den Tod Bismarcks als freudiges Ereignis begrüßt hatte, über den allerdings schon volksbewußten Offizier des weiteren Franz-Ferdinand-Kreises (Torresani, Danzers Armee-Zeitung), der Minister vom 11. Juli und schließlich der „Verräter" Österreichs wurde, jenes Österreichs, das er über alles geliebt hat und bis heute über alles liebt, noch mehr liebt als früher. Aber ich muß mich darauf beschränken, das zunächst Wichtigste zu Papier zu bringen, die ersten 3 Monate des Jahres 1938. Schon im Sommer 1937 hatte ich das Gefühl (und nicht ich allein), daß sich die Politik des ,,11. J u l i " leergelaufen hatte. Ich machte in jenen Wochen auch Schuschnigg immer wieder darauf aufmerksam und redete einer persönlichen Zusammenkunft des Kanzlers mit Hitler das Wort. Schuschnigg zog sich. Er wies auf die unmittelbar bevorstehende Zusammenkunft der im Protokoll vom 11. Juli vorgesehenen Kommissionen hin. Ich betonte dem gegenüber, daß diese Kommissionen nur in der Lage seien, das Kleinzeug der politischen Schwierigkeiten hinwegzuräumen. Der Gegensatz sei aber nach wie vor grundsätzlicher Natur und könne nur zwischen den beiden Staatsführern bereinigt werden. Ich glaube, daß Schuschnigg, wenn er damals aus eigener Initiative zu Hitler gegangen wäre, eine unvergleichlich bessere Situation als später im Februar 1938 vorgefunden hätte. Mich erfüllte bei meinen Ratschlägen immer die Sorge, Österreich könne eines Tages „verschlungen" werden und es müsse zusehen, lieber freiwillig zu geben, was es geben konnte. Aber Schuschnigg fürchtete sich vor Hitler wie ein Schulbub vor dem gestrengen Oberlehrer und ließ so den letzten Augenblick, der noch eine evolutionäre L ö sung des österreichisch-deutschen Problems ermöglichen mochte, ungenutzt vor-

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übergehen. Der gegenwärtige Krieg hat all diesen Fragen das praktische Interesse genommen. Aus dem Blickfeld vom Sommer 1939 besehen, hatte Schuschnigg meiner Ansicht nach mit seinem damaligen Zögern die historische Schuld auf sich geladen, daß er den Versuch unterließ, zu retten, was noch zu retten war. Statt einer konstruktiven Politik griff er zu kleinen Mittelchen, wobei sein Prinzip: ein Schritt vor, zwei Schritte zurück! wahre Orgien feierte. Während er auf der einen Seite, von Zernatto unglücklich beraten, lächerliche antinationalsozialistische Kampforganisationen wie das schwarz gekleidete „ S c h u t z k o r p s " (SK.) aufzog, versuchte er es andrerseits mit dem „volkspolitischen Referat", wobei ihm Seyß-Inquart ein artverwandter willkommener Helfer zu sein schien. Ende 1937 wurde Seyß in den Staatsrat berufen. Er zog es jedoch vor, aus einem nicht allzu tragischen kämpferischen Grunde sehr bald auf Urlaub zu gehen, den er zu erheblichem Teil in Gesellschaft führender Nationalsozialisten in Garmisch-Partenkirchen verbrachte 1 ). Seine Beziehungen zu Himmler reichten wohl schon in den Sommer 1937 zurück; sie sind durch Keppler angeknüpft worden. Mir sagte er von all diesen Dingen so gut wie nichts, während ich ihn in Fragen der nationalen Politik peinlich auf dem laufenden hielt. Im Jänner 1938 fanden wir noch einmal Gelegenheit, uns gemeinsam dem Volke zu zeigen. Ich apostrophierte Seyß bei einer Hauptversammlung des Deutschen Turnerbundes als „Kaiserjägerkameraden". Die paar nationalen Worte, die ich damals sprach, trugen mir heftige Angriffe der klerikalen Presse in Vorarlberg und Linz ein. Sonst unterließ es Seyß bis zum 12. Februar, sich wesentlich zu exponieren. Die Weihnachten waren die letzten, die ich mit meiner Mutter verbrachte. Allerdings lebte sie, von drei Phlegmone-Operationen tödlich geschwächt, in einem durch Pantobon erzielten Traumzustand, der ihr und der Umgebung nützlich war. N u r einmal, als ich, gar nicht zu meiner Freude, am 28. Dezember zu einem Konzert des Männergesangsvereins gehen mußte, erwachte sie und bekam die gewohnten Erregungszustände, da sie es ungeheuerlich fand, daß ich ohne sie ausging. Die Zeiten waren politisch schon sehr gespannt. Es war nun Papen, der auf meine alte Idee zurückkam, eine Zusammenkunft zwischen Hitler und Schuschnigg zu veranstalten. Schon in den ersten Tagen 1938 war das grundsätzliche Einvernehmen erzielt. D a platzte ein Interview, das der Kanzler einer katholischen belgischen Zeitung gegeben hatte, wie eine Bombe hinein 2 ). Schuschnigg erklärte darin

*) Vgl. Rosar, 191: Seyß-Inquart war vom Reichssportführer Hans v. Tschammer und Osten bereits im Dezember 1937 eingeladen worden. Er hielt sich in Garmisch mit Globocnik und Rainer auf und traf auch am 2 9 . 1 . 1 9 3 8 mit Papen zusammen. Es sollen dort Belange des Turnerbundes und des Alpenvereines b'.-sprochen worden sein, auch die Überlegungen über die Grundlagen für ein Treffen Schuschnigg — Hitler waren bereits im Gange. 2 ) Auszüge aus diesem Interview, das dem holländischen Journalisten Kees van H o e k für den „ D a i l y Telegraph" am 5 . 1 . 1 9 3 8 gegeben wurde, in N F P . v. 5 . 1 . 1 9 3 8 , Abendausgabe, 1. und bei Pembauer, 115. Die Kernsätze waren: „ W i r wollen den Status quo! Wir wollen kein zweites Bayern werden und nicht zum Rang einer Provinz herabsinken! Wir wollen keinen Anschluß! Wir wollen selbständig bleiben! S o wollen wir sein und leben. Denn: ein Abgrund trennt Österreich vom Nationalsozialismus! Laut B/67, nr. 35, ist dieses Interview auch im „Intransingeant" erschienen. Eine Erklärung von öster-

Schuschniggs Haltung anfangs 1938

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kurz und bündig, daß Österreich vom Nationalsozialismus durch eine Welt getrennt sei. Nach seiner beschönigenden Erklärung war zwar die Kundgebung schon seit Monaten im Besitze der erwähnten Zeitung und diese hatte sie nur zu dem jetzigen ungünstigen Zeitpunkt hervorgezogen. In Wirklichkeit entsprach aber seine Äußerung durchaus der seelischen Einstellung, in die er in den letzten Monaten hineingewachsen war. Schuschnigg hatte, das habe ich auch dem Führer wiederholt gesagt, ein beträchtliches Maß nationales Empfinden. Neben Katholizismus und Legitimismus gehörte das Bekenntnis zur Nation zu den drei Säulen, auf denen das Weltanschauungsgebäude dieses Romantikers aufgebaut war. „ W e n n ich das Wilhelminische Deutschland vor mir hätte, wären wir schon ganz wo anders," stieß er in jener letzten Epoche einmal mir gegenüber hervor und meinte damit wohl, daß er sehr wahrscheinlich bereits den Anschluß gemacht haben würde. Aber im N a tionalsozialismus sah er immer mehr eine Pest, eine tödliche Gefährdung der deutschen und abendländischen Kultur, einen verderblichen Widersacher der Religion, und Österreich erschien ihm als das letzte deutsche Bollwerk dagegen. Zudem drückte ihn die Sorge schwer, daß die Politik Hitlers zwangsläufig zu einem Weltbrande führen müsse, wobei er allerdings die in früheren Jahren gehegte Hoffnung, Österreich herauszuhalten, mehr oder minder aufgegeben hatte. Uber diesen Meinungen und Erkenntnissen vergaß er ganz die realpolitische Seite des Problems: daß er einem gigantischen, keine Hemmung kennenden Gegner gegenüberstand, der von einer Stunde auf die andere zum Äußersten entschlossen sein konnte und dann das kleine Österreich, gegebenenfalls auch um den Preis eines Weltkrieges, zu zermalmen vermochte. Schuschnigg erlebte in sich im Gegenteil den seelischen Prozeß, den Diktatoren fast immer mitmachen. Wohl pflegte er sich über den K o thurn, auf dem sich Hitler bewegte, mitunter ein wenig lustig zu machen; er selbst habe nicht die Neigung, gottähnlich zu werden, sondern wolle manchmal gemütlich ins Kaffeehaus gehen. In Wirklichkeit lebte er sich dennoch immer mehr in den mystischen Gedanken hinein, Träger einer von Gott auf seine unzulänglichen Schultern gelegten Mission zu sein und diese Mission bis zur Erfüllung durchstehen zu müssen. Auch ich riß mich nach meiner ganzen Vergangenheit keineswegs darnach, daß Österreich möglichst rasch mit Deutschland gleichgeschaltet werden möge. Ich sah aber, wie schon bemerkt, realpolitisch umsomehr die Notwendigkeit gegeben, uns ein Mindestmaß innenpolitischen Eigenlebens dadurch zu sichern, daß wir den G e gebenheiten im Wesen der beiden deutschen Staaten freiwillig Rechnung trugen, so weit wir konnten. Letztlich stand in dieser Zeit das Problem für den grundsätzlichen Anschlußgegner nicht anders als für den dem Nationalsozialismus selbst kritisch gegenüberstehenden Anschlußfreund. Allein wirtschaftlich hatte sich Deutschland allmählich schon so schwer auf das kleine schwache Österreich gelegt, reichischer Seite stellte fest, das Interview sei unrichtig wiedergegeben und bereits „ v o r mehr als Jahresfrist" gegeben worden. Vgl. zur publizistischen Auswertung dieses Interviews durch die N S - P r o p a g a n da: R . R . K ö r n e r , So haben sie es damals gemacht. D i e Propagandavorbereitungen zum Österreichanschluß durch das Hitlerregime 1 9 3 3 - 1 9 3 8 , Wien 1958, 2 6 1 .

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

daß dieses erdrückt werden mußte. Die Konjunktur, die man in Deutschland - vielleicht muß man es als Scheinkonjunktur bezeichnen - durch Aufrüstung und schärfste Autarkie erzielt hatte, war bei der Verfilzung Österreichs mit der internationalen Hautefinance auch ohne die Kienböcksche Deflationspolitik bei uns zu keinem Bruchteil zu erreichen. Die Arbeitslosigkeit allein trieb unentrinnbar zum Dritten Reich. Mindestens 1200000 Österreicher waren irgendwie in den traurigen Wirbel der Arbeitslosigkeit hineingezogen, wenn man die Familienmitglieder dazu rechnet. Intellektuelle mit 35 Jahren lagen den Eltern trotz vielfachen Studiums noch in den Taschen; Handarbeiter mit 28 Jahren waren noch nie im Arbeitsprozeß eingeschaltet gewesen. Sie alle erfuhren es täglich, daß die unter ihnen, die den Mut fanden, die Brücken zü ihrem kleinen Vaterland abzubrechen und nach Deutschland auszuwandern, von einer Stunde auf die andere den Ziffern nach glänzend bezahlte Arbeitsplätze bekamen. Ich erinnere mich einer nachdenklichen Stunde, die ich in jenen Wochen im herrlichen Eugenpalais bei dem ängstlichen gut christlichsozialen Finanzminister Neumayer verbrachte. „Wir werden," meinte er beiläufig, „den Druck Deutschlands nicht mehr lange aushalten, wir müssen ins deutsche Wirtschaftsgebiet hinein." Der Zwischenfall mit dem Schuschnigg-Interview führte zu einer Zurückstellung der Einladung durch Hitler. Grundsätzlich blieb sie jedoch aufrecht. Und Seyß war, insofern er sich in Wien aufhielt, eifrig bemüht, in Besprechungen mit dem ihm sehr wohlgesinnten Zernatto, denen ich nur ab und zu zugezogen wurde, zu irgendwelchen Formulierungen zu gelangen. Gewiß stellte Seyß manche Forderung, deren Annahme durch Zernatto einen Fortschritt auf dem Wege der so berühmten Befriedung bedeuten konnte. Leider hatte ich die Unart, in das Gemäuer dieser Luftschlösser, wenn ich bei den Besprechungen anwesend war, immer rauher Hand hineinzulangen, indem ich grausam stets die unangenehmsten, von den anderen gern verschwiegenen Diskussionspunkte hervorzog. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, daß hier sehr viel Scheinarbeit geleistet wurde, bei der man auf beiden Seiten um den Kern der Probleme herumkommen wollte. Wie zwiespältig, den Meister weit übertreffend, Zernattos Politik dabei selbst war, zeigte eine Polemik, die er in diesen Wochen gegen einen von Albert Reitter, dem „volkspolitischen Referenten" in Salzburg, geschriebenen Artikel abführte 3 ). Er berief eine VF.-Versammlung im Salzburger Festspielhause ein und hielt dort eine Rede, die so ziemlich alles desavouierte, was er einige Stunden zuvor Seyß im Hause der VF. auf der Freyung versprochen hatte. Ein kleiner Rückzieher war bei diesen Zusammenhängen unvermeidlich. Unterdessen ging rundum mein schönes Büro in der Herrengasse, in dem durch zwei Menschenalter die österreichischen Ministerpräsidenten ihren Sitz aufgeschlagen hatten, der undankbare Kleinkrieg weiter, den ich, von Tag zu Tag in den Hin3 ) Albert Reitter (Salzburg) u n d A r m i n Dadieu (Steiermark) hatten sich als volkspolitische Referenten der VF. in „ N e u j a h r s a r t i k e l n " in versteckter F o r m zur N S D A P bekannt. Vgl. Rosar, 187 u. P e m bauer, 109ff. D a r a u f h i n erschien: Z u r Vermeidung von Mißverständnissen. Von bes. Seite, in: W Z . v. 6 . 1 . 1 9 3 8 , 1.

Tod der Mutter

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tergrund gedrängt, weiterzuführen hatte. Zuhause rüstete meine Mutter zum Heimgang. Einige Tage vor dem 17. Jänner wurde es mir zur sicheren Uberzeugung, daß sie ihren Hochzeitstag nicht überleben werde. Pater Bruno 4 ) kam, ihr noch einmal die letzte Wegzehrung zu geben; sie hat es kaum mehr verstanden. Am Sonntag den 16. kam die übliche Lungenentzündung. Schon zu Mittag vermochte sie nichts mehr einzunehmen. Gegen Abend trat die Agonie ein, die den Montag über mit Unterbrechungen durch flüchtige Wiederbesinnung andauerte. Abends gegen 18.30 Uhr tat sie, nachdem sie bereits einige Stunden geröchelt hatte, einen kurzen Schlucklaut - dann war alles vorüber. Der T o d , den sie 10 Jahre und länger wie eine zur Hinrichtung Verurteilte gefürchtet hatte, war an sie herangetreten, ohne daß sie es wußte. Der liebe Gott hat ihr auch im Sterben wohl gewollt, in der milden Gnade, mit der er sie abberief, und vor allem dadurch, daß er sie gerade noch im richtigen Augenblicke in die ewigen Gefilde holte. Aus uralter niederbayrischer kleinbürgerlicher Familie stammend war sie eine fanatische Österreicherin geworden, die durch den Anschluß und unter der Auslöschung Österreichs unerhört gelitten hätte, gar nicht zu reden von den psychischen Konsequenzen, die mein nun bald einsetzendes Reiseleben gehabt hätte. Bei ihrem letzten Atemzuge war nur meine Kusine Olga Prager anwesend. Ich hätte jede andere Person eher gewünscht. Gusti schrie auf: Die gnädige Frau ist tot. Ich hatte mich im Speisezimmer befunden und trat nun, offen gestanden ohne tiefere Erschütterung, an die Tote heran, um ihr ein Kreuz auf die Stirne zu zeichnen. Kurze Zeit darauf erschien, während ich bereits mit Behördenvertretern beschäftigt war, der liebe Schönbauer und machte der Toten gleichfalls ein Kreuz. Es war ein ergreifendes Bild. Den Abend verbrachte ich mit Beate bei Schönbauer, wo ich auch ein Nachtquartier erhielt. Des anderen Tages früh nahm ich von meiner Mutter für immer Abschied. Während sie, mit einem Bilde auf der Brust, eine wirklich schöne Tote, in den Sarg gelegt wurde, war Ministerrat, der ausschließlich politischen Fragen gewidmet sein sollte und dem keine Schriftführer zugezogen waren. Schuschnigg erklärte, diese Maßnahme zu einer ständigen werden zu lassen. Der Kanzler hatte mir als erster, wie ich glaube noch am Abend, schriftlich kondoliert. Ich drückte 4 ) P. B r u n o (Rudolf) Spitzl O . S . B . (Tepl, B ö h m e n , 1 2 . 4 . 1 8 8 7 bis 7 . 2 . 1 9 6 2 , Maria Piain bei Salzburg), 3 . 9 . 1 9 0 5 Eintritt ins Stift St. Peter in Salzburg, 2 9 . 8 . 1 9 0 8 Priesterweihe, 1910 K o o p e r a t o r in Abtenau, 1914 Konviktspräfekt im Stift, 1 . 1 1 . 1 9 1 4 Feldkurat bei I R . 59 (bis S o m m e r 1918), sodann Stiftskämmerer, 1924 Sekretär der Konföderation der Benediktinerabteien deutscher Zunge, 1926 Geistlicher R a t , 1930 Pfarrvikar von R u ß b a c h , 1 . 5 . 1 9 3 1 bis 1 . 9 . 1 9 5 4 Pfarrvikar in W i e n - D o r n b a c h (in dieser Funktion Kontakte zu Seyß-Inquart), 1945 auch Stadtdechant des V . Stadtdekanats; 1937 Geistlicher Rat der Erzdiözese W i e n , 1951 Konsistorialrat, 1954 Wallfahrtspriester in Maria Piain. Verfasser v o n : D i e Rainer. Als Feldkurat bei I R . 59, Salzburg 1938; Neuauflage 1952. Das im K A . vorhandene E x e m plar der Auflage 1938, die noch vor den Märzereignissen erschien, ist Glaise-Horstenau gewidmet. P . B r u n o hatte in Wien bis 1945 und dann 1945/46 in Nürnberg engere Beziehungen zu Glaise; in seinem Nachlaß fanden sich diverse kleinere Schriften Glaises aus Nürnberg sowie letztwillige Verfügungen. U b e r P . Brunos Kontakte zu Seyß-Inquart, der 1938 den Verkehr mit ihm abbrach, aber 1945/46 wieder mit ihm korrespondierte, vgl. H . J . N e u m a n n , Arthur Seyß-Inquart, G r a z et al. 1970, 4 0 f . , 9 1 , 1 1 2 f . , 1 2 0 f . , 3 5 0 f . Vgl. P. Spitzls Brief an Seyß-Inquart vom 3 0 . 1 2 . 1 9 3 8 , in: I f Z G . , Mappe 13/4.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

nun den einzelnen Kollegen stumm die Hand und meldete mich nach kurzer Wechselrede der anderen zu etwa 3U Stunden währenden Ausführungen, die in der Feststellung gipfelten, daß das ganze Verhältnis zu Deutschland aus der Anschlußfrage zu einem Problem des Nationalsozialismus geworden sei. Diese Formulierung kennzeichnete die Zuspitzung, die die Situation seit dem Sommer 1937 gefunden hatte. Ich habe die Dinge bei anderer Gelegenheit Schuschnigg gegenüber so charakterisiert: „Hitler ist nicht nur Staatsmann eines an uns brennend interessierten Nachbarstaates, er ist auch Religionsstifter und Prophet, der unmöglich zwischenstaatlich Freund sein könne, wenn bei uns die Moslims dieses Mohammed schikaniert und verfolgt werden." Diese Äußerung hat offenbar zu den Worten geführt, die laut Zernatto Schuschnigg bei der Heimkunft aus Berchtesgaden zu diesem gesagt hat 5 ). Hitler selbst hatte in seiner Reichstagsrede vom 30. Jänner 1939 gemeint: ,,Es gibt Leute, die behaupten, daß ich ein Prophet sei; ich will jetzt etwas prophezeien - daß wir einem sehr langen Frieden entgegengehen werden." Hitler hat sich mit diesem Ausspruch als schlechter Prophet erwiesen. . . . Unmittelbar nach Mittag fand in meiner Wohnung die Aussegnung meiner Mutter durch den Pater Bruno und den Pfarrer von Maria Lourdes (Meidling) statt. Ich hatte von Haus aus beschlossen, alles möglichst in der Stille abzutun. Der Sarg der Mutter stand in ihrem Sterbezimmer auf zwei Sesseln. Außer mir war nur noch Gusti anwesend, die die Heimgegangene treu gepflegt hatte. Wenige Minuten später sahen wir den Leichenwagen die Straße neben der Schloßmauer dahin fahren, einen Weg, den die Lebende, immer begeisterte Autofahrerin, so oft genommen hat. Die Vergänglichkeit alles Irdischen! Des anderen Tages fuhren Kramsall, Gusti und ich nach Salzburg nach. Beate und die beiden Müffe hätten sich gerne angeschlossen, aber ich wollte kein Aufsehen. Auf dem Wege begegneten wir dem leeren Leichenwagen. Ich bezog zum erstenmal Quartier in der Residenz, die paar Hofzimmer, die im dritten Stock stets Miklas bewohnt hatte. Abends noch trat ich auf dem Maxglaner Friedhof an den in einer Kammer eingestellten Sarg und strich mit der Hand wehmütig darüber. Die Beisetzung fand des anderen Tages, leider bei schlechtem Wetter, statt. Zuerst wurden rund um den Sarg im schlichten, uralten Maxglaner Barockkirchlein drei Messen gelesen, am Hauptaltar durch den Erzabt von St. Peter, der auch die Einsegnung am Grabe vornahm. Trotz der Geheimhaltung der Stunde hatte sich doch eine kleine Trauergemeinde alter Freunde eingefunden: Gussetti, Pohl, Reitter, Gina Schilhawsky, etliche Maxglaner. Die Feier war stimmungsvoll wie nur möglich. Als ich dann, neben dem mit der weißen Mitra geschmückten Prälaten, an das

5 ) L a u t Z e r n a t t o , 2 1 0 , lud S c h u s c h n i g g S c h m i d t u n d ihn nach der B a h n f a h r t z u m F r ü h s t ü c k ein: „ W ä h r e n d wir in den T a s s e n h e r u m r ü h r t e n , erzählten die H e r r e n , w a s sich in B e r c h t e s g a d e n begeben hat. Minister G l a i s e - H o r s t e n a u hatte einmal zu S c h u s c h n i g g g e s a g t , H i t l e r sei kein Politiker, er sei ein P r o p h e t . E r wollte damit s a g e n , daß sich H i t l e r viel mehr als F ü h r e r einer weltanschaulichen B e w e g u n g , als R e l i g i o n s g r ü n d e r , fühle, denn als Politiker in der gebräuchlichen B e d e u t u n g des W o r t e s . D r . S c h u s c h n i g g leitete seinen Bericht damit ein, daß er sagte: , J e t z t weiß ich endlich, was sich G l a i s e unter ein e m P r o p h e t e n vorstellt!' . . . " .

Der „Tavs-Plan"

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offene Grab hintrat und zugleich das so oft gehörte Glöcklein vom Kirchturm ertönte, überkam mich ein Gefühl, das weit eher Ausgeglichenheit und Versöhnung denn Trauer bedeutete. Ich dankte Gott für die Verbundenheit mit diesem Fleck Erde, der auch mich einst umschließen soll. In den nächsten Tagen wählte ich gemeinsam mit dem Pfarrer das Plätzchen neben dem Kirchtor aus, das mein Erbbegräbnis werden soll. An einem der nächsten Abende führte mich der Erzbischof Waitz in die Domkirche, um mir die neue elektrische Beleuchtung vorzudemonstrieren. Er meinte etwas gekränkt, daß er die Einsegnung der Mutter auch selbst gerne vorgenommen hätte. Ich hatte ihn aus politischen Gründen nicht gebeten. Als ich nun an jenem Jännerabend in die weihevollen Hallen des Domes eintrat, mit dem mich seit der Kindheit so viele Erinnerungen verknüpften, und die prachtvollen Gewölbe im hellen Lichte erstrahlen sah, da packte mich mit einemmale tiefste Rührung. Ich kniete in einer Bank nieder und vermochte für einen Augenblick die Tränen nicht zurückzudämmen. Wenn ich nicht irre, kehrte ich am 24. in meine Wiener Wohnung zurück. Um 3 Uhr früh kam plötzlich Gusti in meine Schlafkammer: zwei Geheimpolizisten seien da und bäten mich, sofort zum Polizeipräsidenten Skubl zu kommen. Aufklärung des seltsamen Vorganges wurde mir erst, als das Polizeiauto beim Bundeskanzleramt vorfuhr und ich mich vor dem Kanzler befand, wo sich bereits SeyßInquart, Guido Schmidt, Zernatto und Skubl eingefunden hatten. Man hatte tags zuvor in der Teinfaltstraße beim berühmten „Siebenerkomitee" eine Hausdurchsuchung vorgenommen und dabei neben anderen kompromittierenden Papieren einen von Dr. Tavs stammenden „Revolutionsplan" gefunden 6 ). Ein nationalsozialistischer Umsturz unter Führung des Hauptmannes Leopold sollte ein Eingreifen Deutschlands zur Folge haben und zu einem nationalsozialistischen Regime in Österreich führen 7 ). Mir kam die Sache nicht ernst vor und ich habe sie daher auch in dem Rumpfministerrat, der da zusammengetreten war, stark bagatellisiert als lächerliche Hirngespinste. Seyß hielt sich, wie immer, zurück und asistierte mir lediglich, als ich einer Verhaftung Leopolds (Tavs war schon verhaftet) widerriet. Auch der Auflösung des „Siebenerkomitees", das in Wirklichkeit längst nur mehr aus den vier nationalsozialistischen Mitgliedern (Leopold, Tavs, In der Maur und Jury, letzterem nur bedingt) bestand und eine Art illegaler Parteileitung darstellte,

6

) In der Nacht vom 25. auf den 26.1.1938. Eine Photokopie dieses eineinhalb Maschinschreibseiten starken Schriftstücks „Aktionsprogramm 1938" in N P A . , Kart. 309, fol. 230f.; Druck bei Schausberger, Griff, 508ff. Es geht vom Daily-Telegraph-Interview Schuschniggs aus, beurteilt die europäische Weltlage als günstig und fordert, das Deutsche Reich sollte durch eine befristete Demarche die „integrale Erfüllung" des Juliabkommens verlangen und möglichst eine Regierungskrise herbeiführen, die ein „Übergangskabinett" zur Folge hätte. Um dieses Verlangen zu unterstützen, sollten „Fliegerformationen" und Panzerdivisionen in die Nähe der österreichischen Grenze verlegt werden. Dieses Programm wurde im Schreibtisch Leopold Tavs, des Vertrauten Leopolds, gefunden und ist mit R. H . gezeichnet, was als „Rudolf H e ß " interpretiert wurde. Vgl. Rosar, 188 f.

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widerrieten wir aus Zweckmäßigkeitsgründen, wobei allerdings Seyß, dessen Gegner im Komitee saßen, nur zögernd folgte. Hier muß ich den prinzipiellen Gegensatz zwischen der Politik Seyß-Rainer einerseits und der meinigen andrerseits einschalten. Ich habe mich bereits 1932 in der Wehrzeitung für Neuwahlen eingesetzt, weil ich in ihnen die einzige Möglichkeit einer evolutionären Entwicklung in Österreich erblickte. Aus dem Blickfeld der österreichischen Abwehrpolitik betrachtet, wäre es gar nicht ausgeschlossen gewesen, daß der dann legal auftretende österreichische Nationalsozialismus die ganzen Krisen des deutschen nicht durchgehalten hätte. Als wir im Juli 1936 das Abkommen abschlössen, hielt ich dieses von Anbeginn für einen frommen Selbstbetrug des österreichischen Regimes. Es war, zumal bei der ,,religionsstifterischen" Einstellung Hitlers, undenkbar, mit Hilfe eines diplomatischen Abkommens die nationalsozialistische Bewegung in Österreich auszuradieren; wer es glaubte, war ein Phantast. Wie ich schon Ende August 1936 dem damaligen Vizekanzler Baar von Baarenfels schrieb, konnte das Problem nicht lauten, den Nationalsozialismus umbringen, wozu wir gegenüber dem gewaltigen Schatten Deutschlands zu schwach waren, sondern nur ihn irgendwie legalisieren, wobei ich an eine Art von Henleinbewegung dachte, wie es sie im Sudetenland gab. Die Gegenkräfte in Österreich konnten dann zeigen, was sie vermochten. N u r die Legalisierung in irgendeiner Form machte eine praktische Realpolitik möglich, jede andere Lösung war unaufrichtig. Demgegenüber vertraten Seyß und sein geistiger Mentor, der kleine brotlose Notariatssubstitut aus Kärnten, Friedel Rainer, die Auffassung, daß es nicht auf eine Organisation ankäme, sondern auf „Ideenträger", die als Einzelpersonen die ihnen gebührenden Machtpositionen im Staate zu erobern hätten 8 ). Dieser Ideologie setzte ich die Auffassung entgegen, daß Ideen trägerei wohl eine Angelegenheit weniger Intellektueller sein könne, nicht aber der Masse, die Schulteranlehnung an Gleichgesinnte bedürfe und ohne diese erst wieder in die Illegalität gedrängt würde. Im übrigen muß ich beifügen, daß weder Seyß noch ich an eine sklavische Gleichschaltung dachten oder sie auch nur wünschten. Dazu war schon die Partei in Österreich absolut unfähig, ganz abgesehen von unserer Uberzeugung, daß der Nationalsozialismus preußisch-bayrischer Prägung uns für Österreich unbrauchbar erschien. All diese Spintisierereien setzten natürlich eins voraus, was in Wirklichkeit von reichsdeutscher Seite nicht zu erwarten war: Verständnis für die österreichische Eigenart und Respekt vor ihr. Als ich am 19. April 1937 bei Hitler weilte, sagte er zu mir: „ I c h verstehe es durchaus - Bayern hat 50 Jahre gebraucht, bis es ins Reich hineingewachsen ist, Österreich würde 80 bekommen müssen." Im Jahre 1938 bekam es nicht 50 Tage, woran allerdings Schuschnigg mitschuldig war. der alles tat, Hitlers Mißtrauen gegen Österreich als einem etwaigen Ausgangspunkt separatistischer, reichsfeindlicher Bestrebungen zu stärken.

8 ) Zur näheren Ausführung von Seyß-Inquarts Ansichten um diese Zeit vgl. die Zusammenfassung bei Rosar, 215 f.

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Der „Tavs-Plan"

Den „Leopoldinern" war - darin trafen sie sich übrigens mit ihrem Todfeind Seyß - der Anschluß ziemlich Nebensache; das Wesentliche war ihnen die Machteroberung, verbunden mit Gleichschaltung, ohne die jene ja undenkbar gewesen wäre. Insofern war der Operationsplan des Dr. Tavs doch nicht so von der Hand zu weisen. Wie ich später erfuhr, wurde rund um Leopold der Plan erwogen, im Westen Österreichs, etwa in Salzburg, eine nationalsozialistische Gegenregierung auszurufen, bei welchen Plänen auch der Name meines alten Neustädter Kameraden Feurstein fiel, der damals Divisionär in Innsbruck gewesen ist. Vom Westen her sollte dann auch Wien erobert werden. Die Portefeuilles wurden fleißig aufgeteilt: Leopold Bundeskanzler, Tavs Inneres, In der Maur Äußeres, Karl Anton Rohan Gesandter in Rom und so weiter. Ich war natürlich ausgeschifft, was mich nicht weiter in Erstaunen setzte. Ich erinnere mich noch, wie ich in jenen Wochen einmal mit Wolf vom Ballhausplatz durch die Augustinerstraße zum Café Sacher ging, wo uns Kiszling und Beate erwarteten. Wir waren beide eines Sinnes, daß uns unser nationales Wirken im Falle eines Anschlusses keinerlei Dank einbringen werde; es handelte sich uns aber auch nicht darum, sondern ausschließlich um die Sache. Daß wir auch in diesem Punkte schwere Enttäuschungen erleben sollten, unter deren Eindruck wir uns im Sommer 1939 im Schloß Albrechtsberg für immer trennten, gehört auf ein anderes Blatt. Wir waren wohl auch reine Toren, wenn ich mich auch von persönlichem Ehrgeiz nicht frei sprechen kann . . . Der nächtliche Rumpfministerrat nach der Beisetzung meiner Mutter verlief, abgesehen davon, daß Tavs in Haft blieb, meines Erinnerns ohne wesentliche politische Folgen. Unter den sonstigen Episoden jener Tage besinne ich mich noch, daß plötzlich, ohne mich zu fragen, auf Initiative des Landeshauptmannes des Burgenlandes 9 ) der Sicherheitsstaatssekretär Skubl wieder die ,,Putzscharen" unseligen Andenkens ins Leben rief und zwar unter Berufung auf das von Mannlicher und mir entworfene „Ordnungsschutzgesetz", zu dessen wesentlichsten Errungenschaften es gehörte, daß niemand für Verfehlungen haftbar gemacht werden durfte, an denen er nicht persönlich als Täter, Anstifter oder Mitschuldiger mitgetan hatte. Ich protestierte (wieder ohne Seyß, der sich neuerlich in Garmisch aufhielt), aber die Geschichte ging über den Sturm im Wasserglas hinweg. Am 4. Februar platzte die Nachricht vom Sturze Blombergs, Fritschens und anderthalb Dutzend anderer führender Generale wie eine Bombe auch in das öffentliche Leben Österreichs hinein 1 0 ). Muff, mit dem ich wie immer im Café Casa piccola zusammentraf, erzählte mir von den Versuchen Himmlers, das Heft an sich zu reißen, und betrachtete die Berufung von Brauchitsch als einen Sieg der konservativen Armeepolitik. Persönlich tat ihm um Blomberg leid, der ihm sehr gewogen war und dem er die Wiederausgrabung und den schönen Wiener Posten verdankte. Das

») Hans Sylvester (Nickelsdorf, Westungarn, 3 0 . 1 1 . 1 8 9 7 bis 1 9 . 1 . 1 9 3 9 , K Z Dachau), Ingenieur, Kammeramtsdirektor, 2 2 . 2 . 1 9 3 4 bis 1 1 . 3 . 1 9 3 8 Landeshauptmann des Burgenlandes, dann K Z - A u f e n t halt. , 0 ) Vgl. H . C . Deutsch, Das Komplott oder Die Entmachtung der Generale. Fritsch-Krise. Hitlers Weg zum Krieg, Zürich 1974.

Blomberg-

und

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

zweite sensationelle Ereignis war die Abberufung des „Sonderbotschafters" Papen, deren Grund durchaus schleierhaft war 1 1 ). Rückschauend vermute ich, daß Hitler den „evolutionären" Kurs in der österreichischen Politik aufgeben wollte und darin von der SS bestärkt wurde. Als Nachfolger wurde SA-Obergruppenführer Generalstabsmajor a . D . Kriebel 12 ) genannt, der als militärischer Arrangeur des 9. November beim Gedächtnismarsch zur Feldherrnhalle in der ersten Reihe marschieren durfte und nach der Machtergreifung einige Jahre Generalkonsul in Schanghai war, von wo man ihn wegen seiner chinesenfreundlichen Politik abberief, - neben ihm aber auch der Gauleiter Bürckel aus der Saarpfalz. Papen, der mir vor einigen Wochen das Du angetragen hatte (leider tat er es auch gegenüber Guido Schmidt), war über seine plötzliche Abberufung umsomehr indigniert, als er inzwischen neuerlich, offenbar im Einverständnis mit dem Führer, den Besuch Schuschniggs intensiv betrieben hatte. Ich wurde durch Papen und dann auch durch Wolf, der immer mehr zum engsten Vertrauten Guido Schmidts wurde, genau fortlaufend unterrichtet. Schmidt selbst war in seinem grenzenlosen Ehrgeiz eifrigst bestrebt, mich unorientiert zu lassen, und rühmte sich noch am 11. abends bei der Wegfahrt auf dem Westbahnhof Wolf gegenüber: „Diesmal hat der Glaise nichts erfahren!" Es geht nichts über gute Kameradschaft. An der Urheberschaft des Protokollentwurfes beteiligten sich Seyß, Papen und Schmidt 13 ). Daß nunmehr Seyß mich als „nationaler Vertrauensmann" ablösen werde, war seit einiger Zeit klar. Als Papen mir mitteilte, für mich sei das Landes-

n ) Papen erfuhr seine Abberufung am 4 . 2 . 1 9 3 8 abends durch ein Telefonat Lammers und teilte sie am 5 . 2 . 1 9 3 8 durch eine N o t e der österreichischen Regierung mit. A m 5 . 2 . 1 9 3 8 reiste Papen auch zu Hitler auf den Berghof und erhielt nach seinem Vortrag den Auftrag, Schuschnigg die Einladung zu der geplanten Zusammenkunft zu überreichen und wenigstens bis zu dieser die Leitung der Gesandtschaft noch beizubehalten. Zu den Vorgängen und ihren Erklärungsversuchen vgl. Eichstädt, 2 7 4 f . ; Rosar, 194f. 1 2 ) Hermann Kriebel (?, 2 0 . 1 . 1 8 7 6 bis 1 7 . 2 . 1 9 4 1 , ?), Berufsoffizier, M a j o r im Genstab oder O b s t l . , 1 . 1 0 . 1 9 1 9 Landesstabsleiter des bayrischen Einwohnerwehrverbandes; nach dessen Auflösung 1920 Führer des Schwarz-weiß-roten Kampfbundes, einer militanten Rechtsorganisation, 1923 militärischer Führer eines gemeinsamen Komitees der Rechtsverbände, der „Arbeitsgemeinschaft der Vaterländischen Kampfverbände", nach der Niederschlagung des Novemberputsches 1923 Festungshaft mit Hitler in Landshut; zugleich mit diesem enthaftet; 1 9 2 8 - 1 9 3 0 Berater Tschiang-Kai-Scheks, dann in der Obersten S A - F ü h r u n g , 1 9 3 4 - 1 9 3 7 Generalkonsul in Schanghai, sodann im Rang eines Botschafters Leiter der Personalabt. des Auswärtigen Amtes. 13) Über die Forderungen im Protokollentwurf vgl. Rosar, 1 8 0 - 2 1 4 . Seyß-Inquart hatte am 1 8 . 1 2 . 1 9 3 7 der öst. Regierung seine „ V o r s c h l ä g e " überreicht und akzeptierte auch, nachdem die Verhandlungen mit der Regierung festgefahren waren, den „ K l a u s n e r - P l a n " (Vorgehen zur Erlangung der Beteiligung an der Regierung). N a c h Kontakten der Kärntner Gruppe mit Papen, die Ketteier herstellte, trafen sich um den 2 2 . 1 . 1 9 3 8 Rainer und G l o b o c n i k mit Keppler. Dieser kehrte mit den „ A n r e g u n g e n " Seyß-Inquarts und dem „ K l a u s n e r - P l a n " nach Berlin zurück und entwarf den „ K e p p l e r - P l a n " . In den Verhandlungen zwischen Seyß-Inquart und Zernatto, die erst am Nachmittag des 1 1 . 2 . 1 9 3 8 zum A b schluß gelangten, ist die Forderung, Glaise zum Bundesminister für Landesverteidigung zu berufen, nicht enthalten, auch nicht in dem zwischen Papen und Schmidt ausgehandelten Wortlaut des zu veröffentlichenden Kommuniques und des Zusatzprotokolls. D o c h waren in Punkt II A b s . 1 des K o m m u n i ques „ B e d i n g u n g e n " offengelassen worden, die in einer noch zu formulierenden „Beilage B " festzulegen wären, um die „innere Befriedung Österreichs zur vollen Auswirkung gelangen" zu lassen. Damit war für den „ K e p p l e r - P l a n " Platz gelassen, zu dem Schuschnigg genötigt werden konnte, als die D e u t -

U m das Landesverteidigungsministerium

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Verteidigungsportefeuille in Aussicht genommen, sagte ich ihm geradewegs, man werde dies bei Schuschnigg nie und nimmer durchdrücken. Seltsam war die Behandlung des Hauptakteurs dieser Haupt- und Staatsaktion: des Kanzlers. Vielerlei Anzeichen sprachen dafür, daß man ihn über den eigentlichen Inhalt des geplanten Abkommens auch in dem von Papen und Schmidt geplanten Ausmaße im Unklaren ließ und ihm vorgab, es handle sich lediglich um eine neue Durchberatung des Juliabkommens 14 ). Auch sonst war die diplomatische Vorbereitung eigener Art und warf ein besonderes Licht vor allem auf Guido Schmidt. Als ich seinerzeit im vergangenen Sommer dem Kanzler eine Zusammenkunft mit Hitler riet, meinte ich, daß schon vorher im diplomatischen Verkehr die Übereinstimmung in allen wesentlichen Punkten hergestellt werden müßte, so daß die Besprechung der beiden Staatsführer in einer Atmosphäre gegenseitigen Verstehens stattfände. Jede andere Lösung wäre von Übel. Diesmal geschah so ziemlich nichts in solchem Sinne. Alle wichtigen Punkte blieben offen, waren vielleicht sogar, wie ich schon bemerkte, Schuschnigg gar nicht oder nur andeutungsweise bekannt. Am 10. Februar fand in den Sälen der alten Kaiserburg ein Ball der VF. statt, irgendwie ein Totentanz, bei dem sich der hohle Zernatto noch einmal gründlich aufblähte. Er und leider auch der Kanzler trugen, dieser wohl zum ersten- und zum letztenmal, die dunkelblaue Uniform des „Schutzkorps" (Abkürzung nach bewährtem Muster: SK). Die Trauer um meine Mutter machte es mir möglich, dem „Feste" fernzubleiben. Wenn ich nicht irre, ist es durch ein paar Stinkphiolen verschönt worden. Am nächsten Tage, dem 10. vormittags, erschien ich bei Schuschnigg, um ihn wegen seiner Hinterhältigkeit mir gegenüber zur Rede zu stellen. Ich leitete mein Gespräch mit den Worten ein: „Ich wäre ein schlechter Politiker, wenn ich nicht das bevorstehende Berchtesgadener Geheimnis längst wüßte, wo es bereits auf allen Dächern gepfiffen werde." Auch wisse ich, daß der französische Gesandte Puaux bereits tagszuvor eingeweiht worden sei. Schuschnigg, hinterhältig wie so oft, entschuldigte sich damit, daß er die Absicht gehabt habe, mich und Seyß für heute 6 Uhr abends zu sich zu bestellen, um uns beide zu unterrichten. Ich antwortete, er werde sich auch gegenüber Seyß keine besondere Mühe mehr zu geben haben, auch der wisse schon alles. In weiterer Folge kam ich auf den Plan zu sprechen, mich zum Landesverteidigungsminister zu machen und erklärte wahrheitsgetreu, daß ich mich um diesen Posten keineswegs beworben hätte, wie es überhaupt nicht meine Absicht sei, hintenherum für mich etwas herauszuhauen 15 ). Dann fühlte ich mich sehen über Seyß-Inquart von den „Punktationen" zwischen Seyß-Inquart und Zernatto unterrichtet wurden und die Konzessionsbereitschaft Schuschniggs kannten. Ribbentrop hatte Hitler den „Keppler-Plan" nahegebracht, und einen neuen Protokoll-Entwurf formuliert. In Punkt 8 dieses Protokollentwurfs über die militärischen Beziehungen heißt es dann, daß sie gesichert werden: A) Durch Ernennung des BM. Glaise von Horstenau zum BM. für die Wehrmacht . . . " (Rosar, 210). 14 ) Zu dem Problem, wie weit Schuschnigg informiert war, vgl. die Erwägungen und Kombinationen bei Rosar, 206 f. ,5 ) Vgl. auch die Aussage Schmidts in GSP., 341 f: „ . . . doch hat mir Glaise erzählt, er sei am 11. beim Kanzler gewesen und habe ihm aus einer Art Loyalitätsbedürfnis mitgeteilt, daß von gewisser Seite

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

doch angesichts der offenkundigen Hilflosigkeit, in der sich der Kanzler befand, verpflichtet, ihm ein kleines Privatissimum über den Umgang mit Hitler zu halten. Ich erzählte ihm unter anderem den Auftakt meiner eigenen Berchtesgadener U n terredung, den ich ihm bisher, um ihn gegen Hitler nicht noch mehr einzunehmen, verschwiegen hatte, und schilderte ihm auch, wie ich die Stimmung einigermaßen hergestellt hätte. Als ich am Schlüsse Schuschnigg alles Gute wünschte, dankte er traurig mit den Worten: „ E s wird die schwerste Stunde meines Lebens sein." Von Rechts wegen wäre ich natürlich der Berchtesgadener Unterredung als Minister des Juliabkommens zuzuziehen gewesen. Aber solches erlaubten schon die beiden „ G u i d o n e n " , wie Miklas manchmal Schmidt und Zernatto grollend und gröhlend nannte, mitnichten. Schuschnigg fuhr, begleitet von Schmidt, Baron Frölichsthal und - wenn ich nicht irre - Bartl, dem üblen Subjekt, das sein Flügeladjutant war, abends im Sonderwagen (Sonderzüge kannte man damals offenbar noch nicht) nach Salzburg, wo er mit Schmidt allein im Auto den Weg nach Berchtesgaden fortsetzte. Wie mir Schmidt später erzählte, habe Schuschnigg das betretene Schweigen auf der Fahrt plötzlich durch eine jähzornig hervorgestoßene Bemerkung unterbrochen: „ A u f diesen Platz gehöre eigentlich nicht ich, sondern gehört Wagner-Jauregg!" Der berühmte Wiener Psychiater starb 1941 an gebrochenem Herzen wegen der Irrentötung. Die Unterredung zwischen Hitler und Schuschnigg 1 6 ) dauerte vom Vormittag bis in den Abend hinein. Die Salzburger Garnison war den ganzen Tag über alarmiert und als gegen Spätnachmittag der Kanzler noch immer nicht zurückkehrte, dachte man in der alten Bischofstadt schon daran, zu einer Befreiungsaktion (!!!) ins Berchtesgadener Land vorzustoßen. Als Schuschnigg in den Vorraum des Hauses auf dem Salzberg eintrat, begrüßten ihn dort mehr oder minder freundlich die Generäle Keitel, Sperrle 1 7 ) und, wenn ich nicht irre - man kanns nach den Zeitungen überprüfen - Reichenau 1 8 ). Die monokelbewehrten Gesichter der beiden letzteren projektiert sei, ihm (Glaise) das Heeresministerium zu übertragen. Was dabei er nicht gesagt. . . . In Nürnberg hat Glaise, wie ich hörte, diese Behauptung wähnung seitens Schuschnigg selbst hierüber kann ich mich nicht erinnern . . . " konnte sich laut seiner Aussage an die Unterredung nicht erinnern und hielt es lich", daß Glaise „ v o n seiner von irgendeiner Seite verlangten oder angeregten minister gesprochen hätte."

herausgekommen ist, hat wiederholt. An eine ErSchuschnigg, ebdt., 612, für „ s e h r unwahrscheinErnennung zum Heeres-

1 6 ) Schilderungen von der Seite Schuschniggs in: Requiem, 3 7 - 5 2 , Im Kampf gegen Hitler, 2 3 3 - 2 4 4 ; einige weitere Einzelheiten bei D . Irving, Hitlers Weg zum Krieg, München-Berlin 1978, 155-160. 1 7 ) H u g o Sperrle (Ludwigsburg, 7 . 2 . 1 8 8 5 bis 2 . 4 . 1 9 5 3 , ?), 1903 ins Heer eingetreten, im 1. Weltkrieg zuletzt Fliegerführer 4. Armee. 1919 Fliegerführer des Freikorps Lüttwitz, 1920 als Mjr. in die Reichswehr, 1925 ins Reichswehrmin., 1933 nach Truppenkmdo. ins Reichsschiffahrtsmin., 1935 G e n . M j r . und Befehlshaber im Luftgau V (München), 1936/37 Befehlshaber der Legion C o n d o r , 1937 als G e n . L t . abgelöst, 1 . 7 . 1 9 3 8 Chef der Luftflotte 3, 19.7.1940 G F M . , 2 3 . 8 . 1 9 4 4 verabschiedet. 1 S ) Walter v. Reichenau (Karlsruhe, 8 . 1 0 . 1 8 8 4 bis 1 7 . 1 . 1 9 4 2 am Transport in die Heimat), 1903 Eintritt als Fahnenjunker ins Heer, Übernahme in die Reichswehr, 1 . 2 . 1 9 3 4 G e n . M j r . u. Chef des Ministeramtes, 1 . 7 . 1 9 3 5 Chef des Wehrmachtsamtes, 1 . 1 0 . 1 9 3 5 K o m . G e n . VII. A K . (München), 1.3.1938 Chef G r . K m d o . 4, 1 . 9 . 1 9 3 9 O B . 10. Armee, 1.10.1939 G e n . O b e r s t , 20. 10. 1939 O B . 6. Armee, 19.7.1940 G F M . , 3 . 1 2 . 1 9 4 1 O B . H G r . Süd.

Die Berchtesgadener Zusammenkunft

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genügten, die „militärische Demonstration" voll zu machen. Der Empfang Schuschniggs durch den Führer war frostig wie nur möglich, der Ton, den dieser gegen jenen anschlug, vielfach der gegenüber einem besserungsbedürftigen Gymnasiasten. Immer wieder klang es schneidig gegenüber dem adelsstolzen Österreicher: „ H e r r Schuschnigg . . . " . Mehreremale wies Hitler seinem Besucher nachgerade die Türe, um sich mit seinen Generalen zu „beraten". Als er auf die vom General Jansa, dem Chef des österreichischen Generalstabes, an der österreichisch-deutschen Grenze errichteten Tanksperren zu sprechen kam, schmetterte er zornig: „Wenn diese lächerlichen Einrichtungen nicht sofort weggeschafft werden, schicke ich ein paar Pionierbataillone aus." Der hochfahrende, solchen Ausfällen aber doch nicht gewachsene Kanzler rächte sich, so viel man mir erzählte, damit, daß er unablässig Zigaretten rauchte - gegenüber dem rauchfeindlichen Führer gewiß eine arge Sache. Das Frühstück, das die streitenden Parteien zusammen einnahmen, war wohl die unangenehmste Mahlzeit, die Schuschnigg bis dahin in seinem ganzen Leben zu sich genommen hatte. Daß Schuschnigg diese Behandlung ertrug, ist mir noch heute unbegreiflich und läßt sich nur daraus erklären, daß er sich auf seinem Posten für unentbehrlich und unersetzbar hielt. Jeder andere hätte an seiner Stelle zu Hitler gesagt: „ H e r r Reichskanzler, ich bin nicht in der Lage, länger hier zu stehen, sondern werde meinen Bundespräsidenten bitten, ihnen einen anderen Verhandlungspartner entgegenzustellen." Gewiß fiel in dem vielstündigen Ringen auch eine oder die andere Forderung Hitlers 1 9 ). Die wesentlichste war wohl die meiner Berufung auf den Stubenring. Es ist so gut wie sicher, daß es Schuschnigg, um diesen Posten für Zehner, das heißt für sich, zu erhalten, nicht an kleinen Rufmorden mir gegenüber fehlen ließ 2 0 ): ich hätte einen großen Teil des Krieges bei der Heeresleitung verbracht, sei mehr Wissenschaftler als praktischer Soldat und anderes mehr. Auch drohte er, wie man mir erzählte, mit sofortiger Abreise, wenn Hitler auf meiner Kandidatur beharrte. Diese fiel, wie ich vorausgesehen hatte. Statt meiner wurde als Garant einer deutschfreundlichen österreichischen Heerespolitik General Böhme 2 1 ), bisher Leiter des Kundschaftsdienstes, als Generalstabschef in das Protokoll eingebaut, der es 1 9 ) Vgl. die Aufstellung Schuschniggs über die Forderungen Hitlers, die abgeschwächt oder zurückgewiesen werden konnten, in: Im Kampf gegen Hitler, 240. Vgl. das endgültige Protokoll ebendort, 414ff. Bei der ebendort, 415, A n m . 1, aufgestellten Behauptung, daß nicht G M . Böhme sondern F M L . Beyer den F M L . Jansa als Chef des Generalstabes ersetzen sollte, handelt es sich um einen Irrtum Schuschniggs, der offenbar erst durch die Nachkriegsliteratur entstanden ist. Jansa trat am 16. Februar von seinem Amt zurück und es wurde ihm bis zur vorgesehenen Pensionierung mit 1.4.1938 erlaubt, einen Urlaub anzutreten. Da Böhme in Ungarn bei Generalstabsbesprechungen war, wurde Beyer „mit der Führung der Agenden des Chefs des Generalstabes betraut". A m 4 . 3 . wurde dann amtlich verlautbart, daß Böhme mit 1.4.1938 Chef des Generalstabes werden sollte ( z . B . NFP. v. 5 . 3 . 1 9 3 8 , 14) und er erhielt bereits in großer Zahl die üblichen Glückwünsche, als die Märzereignisse eintraten. Vgl. B/556, nr. 130. 2 0 ) Vgl. Rosar, 201: Laut Schuschniggs Befragung am 6 . 1 0 . 1 9 6 6 hätte Seyß-Inquart bemerkt, Glaise-Horstenau habe „keine politische Resonanz" und wurde , , - abgesehen von seinem engeren Fachgebiet - nicht sehr ernst genommen." 2 1 ) Vgl. die biographischen Daten in Memoiren 1. Bd., 192, Anm. 185.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

später im Kriege bei aller Bescheidenheit in Begabung zum Korpskommandanten und Ritterkreuzträger brachte. Ebenso wurde Wolf als Kulturreferent für das Außenministerium und Fischböck 2 2 ), der bisher ausschließlich durch Kienböck geförderte Busenfreund Seyß-Inquarts, als Wirtschaftsberater der Regierung in die Niederschrift aufgenommen. Die große Kanone des Abkommens wurde natürlich Seyß-Inquart selbst, der zum Führer und Treuhänder der nationalsozialistischen Politik auserkoren und zum Sicherheitsminister designiert wurde. Seine Gruppe (Rainer, Globocnik und ihre Mitläufer Hueber, Mühlmann etc.) siegte auch ideell, indem neuerlich und gegenüber dem 11. Juli 1936 in verstärkter Form die Auflösung der NSDAP in Österreich und ihrer Gliederungen zum Postulat erhoben und dafür die nationalsozialistischen ,, Ideen träger" zur Mitarbeit am Staate in allen Sparten aufgerufen wurden! Einen persönlichen Sieg errangen Seyß, Schuschnigg und Guido Schmidt gemeinsam, indem der Führer die Verweisung von Leopold, Tavs, In der Maur und Rüdegger 2 3 ) aus Österreich befahl. Ein bezeichnendes Intermezzo ergab sich, als Papen bei einer besonders kritischen Unterbrechung den Führer fragte: „Wollen Sie vielleicht zur Information einen österreichischen Nationalsozialisten hören? Unten in Berchtesgaden ist zufällig einer." Als Hitler nickte, wurde nach dem Nationalsozialisten geschickt und siehe - wer erschien? Kai Mühlmann kam als Deus ex machina 2 4 )! Die waschechten österreichischen Nazi haben sich natürlich über diesen Experten, den fast keiner den ihrigen zuzählte, sehr geärgert. Weniger Guido Schmidt und wahrscheinlich auch Seyß, die beide oder mindestens deren erster die zufällige Anwesenheit Mühlmann in Berchtesgaden arrangiert haben. Das war, abgesehen von einer engen Freundschaft mit Dr. Todt, der entscheidende Markstein auf Mühlmanns politischer Laufbahn, die allerdings auch nur ein Zwischenstadium zur weit bedeutsameren Position eines „Kunsthändlers" für Hermann bedeutete. Schuschnigg kam spät abends nach Salzburg zurück und besuchte, völlig niedergeschmettert, noch den klugen geschickten Landeshauptmann Rehrl in seinem Büro " ) Hans Fischböck (Geras, N ö , 2 4 . 1 . 1 8 9 5 bis ?), Dr. iur., Bankfachmann, 1920 als Prokurist in die Verkehrsbank eingetreten, später in die Bodenkreditanstalt, dann in die Creditanstalt-Bankverein übergewechselt, 1936 Direktor der ö s t . Versicherungs-A. G . , 1 8 . 2 . 1 9 3 8 zum Staatsrat ernannt und mit der Behandlung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich betraut, 1 1 . 3 . 1 9 3 8 BM. f. Handel u. Verkehr, 25. 5 . 1 9 3 8 auch öst. Finanzminister, IV./38 Mitglied des Reichstages, V./1939 Vorsitzender des Vorstandes der Creditanstalt-Bankverein, 1 0 . 1 1 . 1 9 3 9 Präsident der Industrie- und Handelskammer Wien, V./1940 Generalkommissar für Finanzen und Wirtschaft in den besetzten niederländischen Gebieten, 1 5 . 1 . 1 9 4 2 bis 1945 Staatssekretär u. Reichskommissar für die Preisbildung. Seit 1930 Mitglied des Deutschen Klubs, persönlicher Freund Seyß-Inquarts. 2 3 ) Heinrich Rüdegger (Znaim/Alt Schallersdorf, 3 0 . 9 . 1 9 0 6 bis 6 . 9 . 1 9 7 1 , Wien), 6 . 2 . 1 9 3 1 Abschluß der Diplomprüfung für Chemische Technologie an der Technischen Hochschule Wien, 1 9 3 1 - 1 9 3 6 Beamter des Deutschen Akademischen Fürsorgeinstituts an der Universität Wien, Assistent an der Technischen Hochschule bis 1934, V./1938 bis VII./1939 Angestellter bei „Semperit", ab ca. 1938 Angehöriger der Dt. Wehrmacht, nach 1945 Privatangestellter. Mitglied der Landesleitung der N S D A P , zuständig für Kontakte zur Industrie, Vertrauter Leopolds, ab 1934 insgesamt achtmal verhaftet und insgesamt 5 Jahre inhaftiert, zuletzt 1942/43, da Rüdegger Juden versteckte, und 1945/47 im Internierungslager Glasenbach. 24)

Über die wichtige Rolle Mühlmanns vgl. Rosar, 2 1 1 ff.

Die Berchtesgadener Zusammenkunft

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im Chiemseehof. Es charakterisiert seine völlig verfehlte Einschätzung der Kraftverhältnisse, daß er sich sowohl diesem gegenüber wie später in einem Briefe an den Tiroler Sicherheitsdirektor Morl 2 5 ) damit tröstete, nun eine Atempause für die Fortführung des Kampfes zu gewinnen. Daß er auf der Nachtfahrt besonders gut geschlafen habe, möchte ich dennoch bezweifeln. Auf dem Westbahnhof holte ihn selbstverständlich nur Zernatto ab. Der erste Besuch Schuschniggs galt dem Bundespräsidenten, der die Mitteilung seines Kanzlers mit allen Zeichen der ihm eigenen Entrüstung entgegennahm 2 6 ). Während er seine schielenden Augen hin- und herrollte, stieß er - nach Mitteilung von absolut verläßlicher Seite - die Drohung aus: „ W i r werden den Hitler sofort aus Österreich ausbürgern." Während Zernatto schon mit Seyß konferierte, traf ich mich um Mittag im Kaffee Vindobona mit Muff, der mir die wichtigsten Ergebnisse der Berchtesgadener Konferenz mitteilte 2 7 ). Ich war über meine völlige Ubergehung doch einigermaßen indigniert. Muff wußte mir keinen Trost. Am 12. mittags brachten die Zeitungen die Nachricht von der Berchtesgadener Unterredung, die eben im Gange war. Die Mitteilung wirkte sensationell und bildete auch auf dem Tee, den nachmittags der Nuntius 2 8 ) gab, fast den einzigen Gesprächsstoff. Dabei ergab sich ein heiteres Intermezzo. Wir standen in einer Gruppe und ich sagte im österreichischen Dialekt: „Bin neugierig, was außerkumman w i r d . " Darauf antwortete der überchristlichsoziale Justizminister Dr. Pilz: „I waß scho, was außerkumma wird, i wer außerkumma, nämlich ausm Kabinett." Er sollte mit dieser Weissagung recht behalten. An diesem Abend führte ich auch mit dem eben installierten tschechoslowakischen Gesandten Künzl-Jizersky, meinem Regiments- und Kriegsschulkameraden, das letzte politische Gespräch meines Lebens. Am Montag vormittag rief mich der Kanzler zu sich. Er begrüßte mich mit den Worten: „ D u hast natürlich in allem recht behalten." Ganz genau wußte ich nicht, was er damit meinte. Dann erzählte er mir etwas beschönigt, aber noch immer deutlich genug den Hergang, um mir schließlich mitzuteilen, daß er leider, um Skubl als Staatssekretär für Sicherheitswesen erhalten zu können, Seyß zum Innen2 5 ) Anton Morl v. Pfalzen zu Mühlen und Sichelburg (Brixen, 30.1.1883 bis ?), Redakteur der „Reichspost", 1914 Dr. iur., Dienst in der Innsbrucker Statthalterei, ab 1915 Adjutant des Innsbrucker Standschützenbataillons; im öffentlichen Dienst bei den Bezirkshauptmannschaften Riva (1918), Brixen (1919) und Schwaz (1920-1933), ab September 1933 Bezirkshauptmann in Reutte, XII./1933 bis III./1938 Sicherheitsdirektor von Tirol, ab 13.3.1938 Polizeigewahrsam bzw. KZ-Aufenthalte in den Lagern Dachau und Flossenbürg, 5 . 9 . 1 9 4 0 entlassen. Vgl.: A. Morl, Erinnerungen aus bewegter Zeit Tirols 1932-1945 (Schlern-Schriften, Bd. 143), Innsbruck 1955. Verfasser weiterer wissenschaftsgeschichtlicher und militärgeschichtlicher Werke, darunter: Die Standschützen im Weltkrieg, Innsbruck 1934. 2 6 ) Vergleiche dazu im Zusammenhang mit einer Würdigung Miklas: Requiem, 53 f. 2 7 ) Laut dem Publizisten Eugène Lennhoff sei Glaise-Horstenau an diesem Abend auch von SeyßInquart im Café Zentral über die Ergebnisse von Berchtesgaden informiert worden: vgl. Rosar, 214. 2 8 ) Gaetano Cicognani (Brisighella, 26. 11.1881 bis 6 . 2 . 1 9 6 2 , Rom), 1936-1938 apostolischer N u n tius in Österreich, sodann Nuntius in Spanien, später Kardinal. Vgl. seine Würdigung in: L'Osservatore Romano, Nr. 61 v. 6 . 2 . 1963, 2 u. 6.

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plus Sicherheitsminister ernennen, das heißt mir mein ohnehin nicht sehr üppiges Innenressort nehmen müsse. Gleichzeitig bat er mich, auch weiterhin im Kabinett zu verbleiben, was ich nur unter der Bedingung anzunehmen erklärte, daß mir ein entsprechendes Arbeitsgebiet eingeräumt werde. Ich ging nicht mehr in mein Büro in der Herrengasse, sondern ins Kriegsarchiv, dessen Leitung ich ja noch innehatte, und ließ Guido Schmidt wissen, daß ich kaum mehr daran denke, in der Regierung zu verbleiben. Als ich Gleiches am anderen Morgen Papen mitteilte und dieser aufgeregt Schuschnigg anrief, soll dieser, nach dem Buche Zernattos, eine ebenso aufgeregte Antwort von Schuschnigg erhalten haben, wobei er sich unter anderem auf Hermanns Äußerung gegenüber Guido Schmidt, ich sei ein „Weihnachtsmann", berief. Schmidt leugnete ein Jahr später ab, daß Göring so über mich geurteilt habe, ich halte es für möglich, denn der spätere Reichsmarschall und ich haben nie einen inneren Kontakt gefunden und er fühlte wohl, daß ich seine Forschheit nicht besonders zu lieben vermochte. Dagegen ist die sonstige Darstellung Zernattos falsch 2 9 ). Ich habe mich nicht nur nicht um ein Verbleiben im Kabinett beworben, sondern es ist im Gegenteil zuerst Guido Schmidt und nach ihm Kienböck bei mir im Archiv erschienen, beide um mich zu beschwören, ich möge mich in dieser schweren Stunde nicht separieren. Ich erklärte, es sei am Kanzler, mir über ein mich befriedigendes Arbeitsgebiet Vorschläge zu machen. Davon werde mein endgültiger Entschluß abhängen 3 0 ). Bei meinem Gespräch mit Kienböck kamen wir auf „Berchtesgaden" zu sprechen und ich vermochte mich Kienböck gegenüber nicht zurückzuhalten, sondern gab meinem Erstaunen Ausdruck, wie es Guido Schmidt darauf ankommen lassen konnte, den Kanzler in eine so schwierige Situation wie Berchtesgaden zu versetzen; die Unterredung hätte doch diplomatisch ganz anders vorbereitet sein müssen. Kienböck beeilte sich, diese Äußerung an Schmidt weiterzugeben, der natürlich fuchsteufelswild war . . . Am gleichen Vormittag erschienen zwei Nazi-Gauleiter, darunter Christoph 3 1 ) aus Tirol. Leopold hatte am Sonntag 2 9 ) Zernatto, 258: „Minister Glaise-Horstenau, der dem neuen Kabinett als Minister ohne Portefeuille angehören sollte, bemühte sich noch in letzter Stunde, irgend ein Referat zu erhaschen. Glaise war ein williges Werkzeug der deutschen Gesandtschaft ohne viel eigene Initiative. Er spielte außerordentlich gerne eine Rolle. Deshalb veranlaßte er auch noch am Tage der Regierungsumbildung Herrn v. Papen, den Bundeskanzler anzurufen und um ein Amt für ihn zu bitten. Schuschnigg lehnte diese Intervention brüsk ab. Er erinnerte daran, daß Ministerpräsident Göring, D r . Schmidt gegenüber, Herrn Glaise einen Weihnachtsmann genannt hatte und fragte Papen, wie sich das nun zusammenreime, daß er für diesen Weihnachtsmann ein Referat verlange." U n d 229: ,, Ich hatte schon lange vorher gesagt, daß eine Berufung des D r . Seyß in die Regierung richtig gewesen wäre. Statt Minister Glaise-Horstenau, der lediglich Interventionen verfaßte und als Briefkasten fungierte, in den die Regierung die Briefe steckte, die sie an die Nationalen gelangen lassen wollte und umgekehrt, einen verantwortlichen Nationalen im Kabinett zu haben, dessen eigenes Wort band - schien mir unter den gegebenen Verhältnissen immer noch richtig zu sein . . . " . Vgl. auch Rosar, 222. Veesenmeyer, der Adjutant Kepplers, berichtete am 18.2., es bestehe „ d i e Wahrscheinlichkeit, daß er (Glaise) vorläufig bei der Stange hält". 3 0 ) Vgl. Schuschnigg, Requiem, 54: „ D e n bisherigen .nationalen' Minister von Glaise-Horstenau brachte ich aus freien Stücken wieder in Vorschlag. Ich wußte nicht, daß er rebus sie stantibus an die bisherige Loyalität sich kaum weiter gebunden hielt." 3 1 ) Edmund Christoph (Bad Ischl, 2 5 . 2 . 1 9 0 1 bis ?), 1922-1934 Lehrer in Landeck und Innsbruck, VII./1934 aus politischen Gründen entlassen; Mitglied des Deutschen Turnerbundes, seit 1933 Gauor-

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einen „Reichstag" einberufen und die beiden Königsboten waren zu dem Zwecke gekommen, um mir zu versichern, daß ich und nur ich allein das volle Vertrauen der versammelten Würdenträger besäße. Ich überraschte die Herren mit der Mitteilung, daß gerade der, auf den sich im negativen Sinne das „ n u r " bezog, nämlich Seyß-Inquart, nunmehr ins Rampenlicht treten werde. Einen Tag später erhielten Leopold und Genossen ihre Ausweisung. Abends war ich bei dem zur Ubersiedlung nach Berlin rüstenden bulgarischen Gesandten Draganoff eingeladen. Eben hatte ich ein Salzstangerl gegessen, als ich vom Kanzleramt aufgerufen wurde: die Minister seien auf den Ballhausplatz berufen. Ich verabschiedete mich von dem liebenswürdigen Hausherrn und eilte in Frack und Orden fort. In den vertrauten Räumen der einstigen Staatskanzlei fand ich, wie einen Bienenschwarm aufgerüttelt, meine gesamte Kollegenschaft und auch einige andere Herren. Man sah traurige und siegesfrohe Gesichter. Die beiden „Guidonen" waren natürlich besonders geschäftig. Schmidt ließ sich in Eile vom Staatssekretär zum Minister des Äußeren befördern, Zernatto gleichfalls zum Minister bei gleichzeitiger Verwandlung vom Generalsekretär der VF. in ihren Bundesführerstellvertreter. Seyß trat mir den größeren Teil des Innenressorts wieder ab, zudem wurde vorübergehend meine Betrauung mit der Leitung der Sport- und Turnfront, eine politisch bedeutsame Sache, erwogen, was aber schließlich Guido Schmidt mit dem Hinweis abbog, daß der bisherige Leiter Starhemberg dadurch zu sehr verstimmt werden könnte. Schmidt war eben doch der Mann der verschiedenen Eisen. Schuschnigg seinerseits faselte von der Möglichkeit, mir nach einiger Zeit an Stelle des schon sehr bejahrten Feldmarschalleutnants Hülgerth die Vizekanzlerschaft zu verleihen. N u r im Augenblick könne er dies im Hinblick auf die Erschütterung der anderen Seite noch nicht. Als das neue Kabinett zum erstenmale zusammentrat 32 ), überkam mich wirklich ein gelindes Grauen. 18 Mitglieder aller Färbungen bis zum Sozi von Gestern 33 ) das war wirklich ein Zeichen völliger Kopflosigkeit und dabei - politisch besehen eine glatte Unmöglichkeit. Da wir nur einen einzigen Ministerrat hatten, sind mir die Namen nicht mehr völlig in Erinnerung. Die nationale Richtung war durch Seyß und auch mich vertreten, wobei jener absolut als enfant gâté behandelt wurde. Von den sonstigen „Persönlichkeiten" war nur Adamovich 34 ) irgendwie bemerganisationsleiter des Gaues Tirol, VIII./1935 Gauleiter (bis 1938), 11.3.1938 kommissarischer Landeshauptmann von Tirol, sodann Gauwahlleiter für Tirol, 10.4.1938 Mitglied des Reichstages, stellvertretender Gauleiter von Tirol, 1938 auch Landesschulinspekteur für Tirol, 11.3.1939 Bürgermeister von Innsbruck, 1943 SS-Standartenführer. " ) In der Nacht vom 15./16.2.1938. " ) Gemeint ist Adolf Watzek (Wien, 4.4.1881 bis 12.1.1950, Wien), Metallarbeiter, 1923 Leiter des Arbeitsamtes für Metallarbeiter in Wien, sozialdemokratischer Funktionär der Freien Gewerkschaften, 16.2.1938 bis 11.3.1938 Staatssekretär im Sozialministerium für Angelegenheiten des gesetzlichen Schutzes der Arbeiter und Angestellten, 1938 ins KZ Dachau, nach 1945 (bis 31.12.1949) Leiter des Arbeitsamtes Wien. 34 ) Ludwig Adamovich (Esseg, 30.4.1890 bis 23.9.1955, Wien), Dr. iur., Universitätsprofessor in Prag, Graz, Wien, 1934-1938 Staatsrat, 16.2.1938 bis 11.3.1938 BM. f. Justiz, 1945-1947 Rektor der Universität Wien, 1946 bis 23.9.1955 Präsident des Verfassungsgerichtshofes; juridischer Publizist.

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kenswert, der an Stelle des armen Pilz Kronjurist wurde und nachher allerdings das Pech haben sollte, die Volksabstimmungspläne Schuschniggs als staatsrechtlich tragbar zu erklären; er ist ein anständiger Mensch. Mein alter Freund Stepski, der mich im Jahre 1919 einer nicht genügend starken nationalen Gesinnung bezichtigt hatte, trat als enragierter Vertreter des VF.-Kurses mit dem Range eines Staatssekretärs in das Handelsministerium ein, das der ziemlich links stehende christliche Gewerkschaftler Raab übernommen hatte 3 5 ). Zehner begrüßte mich beim ersten Ministerrat als seinen baldigen Nachfolger. Neumayer war Finanzminister geblieben. Skubl war in der Nacht auf den 15. eine Verkörperung tiefsten Unglücks, da er als früherer „reichsunmittelbarer" Staatssekretär nunmehr einen Minister über sich hatte; er wurde zum Trost außerdem zum „Generalinspektor der Bundespolizei" ernannt. Sehr stark war mit Raab, Rott etc. das Linkselement vertreten. Ich glaube, daß hinter dieser Austarierung der Einfluß des Bürgermeisters Schmitz steckte, der einzigen stärken und bedeutenden Persönlichkeit im gegnerischen Lager. Hitler hatte sich um diese ganzen Dinge kaum mehr ernsthaft gekümmert, denn sein Plan stand fest. Im Gegenfall hätte er das neue Kabinett wohl als ungeschickte Demonstration gegen den 12. Februar auffassen müssen, was ich in einem Telephongespräch gegenüber Guido Schmidt andeutete, worauf mich dieser wegen Miesmacherei verwarnte. Im übrigen hatte sich Guido Schmidt beeilt, am 15. mittags durch die Amtliche Nachrichtenstelle die neue Ministerliste zu verkünden. Staatsrechtlich wäre ich unmittelbar hinter dem Vizekanzler zu nennen gewesen. Statt meiner hat Schmidt seinen Namen eingesetzt, wobei er sich, auch gegen alles Staatsrecht, zum „Minister des Äußeren" ernannte, wiewohl er . . . nein, das ist alles zu langweilig, niederzuschreiben. Genug damit, daß er mich selbst unter den drei Ministern ohne Portefeuille (in Wirlichkeit gehörten auch er und Seyß zu diesen) als letzten oder vorletzten aufführte, indes ich unmittelbar hinter dem Vizekanzler zu nennen gewesen wäre, da ich der älteste aller Minister war. Das waren so kleine Bosheiten und große Eitelkeiten, in denen sich die beiden „ G u i d o n e n " gegenseitig übertrafen. Wenn ich auf mich etwas gehalten und mich nicht das Ministerauto etc. gereizt hätten, hätte ich zurücktreten sollen. Bei der völligen Unabhängigkeit, in der ich mich seit dem Tode meiner Mutter befand, wäre es ohne weiteres möglich gewesen. Ich hätte mir manches erspart, allerdings auch geschichtlich überaus Interessantes versäumt. Am 15. nachmittags 3 6 ) rief mich Schuschnigg in das Haus der V F . 3 7 ) , um mit mir einige Fragen über Ressortabgrenzung, Verwendung Mannlichers etc. zu besprechen. Bei meinem Eintritt entschuldigte er sich lächelnd, daß er mich statt auf den Ballhausplatz in dieses mir so unsympathische Haus gebeten habe. Ich antwortete,

3 5 ) Raab war nicht Gewerkschafter, sondern führender Funktionär des österreichischen Gewerbebundes und Angehöriger des Bundeswirtschaftsrates. 3 6 ) Es ist wahrscheinlich, daß der 16. Februar nachmittags gemeint war. 37) Am Hof N r . 6. Hier befand sich 1934-1938 die Zentrale der Vaterländischen Front. A m 12.3.1938 wurde dort die Gauleitung der N S D A P eingerichtet.

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schon zweimal hier gewesen zu sein. Wir kamen noch einmal auf Berchtesgaden zu sprechen. Ich meinte: „Eigentlich habe ich in den letzten Tagen oft bedauert, daß ich Dir gegenüber mit meinen Forderungen und Vorschlägen nicht penetranter gewesen bin; ich hätte Dir damit sehr unangenehme Stunden erspart." Bezeichnenderweise antwortete er mir: „ E s hätte nichts genutzt, denn ich konnte so was nur unter dem Drucke von außen machen." Im übrigen zeigte er sich wesentlich zuversichtlicher, was wohl teilweise nur Maske war. Seyß begann inzwischen, sich in seinem neuen Sattel zurechtzusetzen. Er bezog die Räume, die Neustädter-Stürmer in der Herrengasse innehatte, wir wurden solcherart Nachbarn. Er war sehr freundlich mit mir, wenn auch schon manches hinter meinem Rücken geschah. Am 17. Februar machte er in Berlin seine Aufwartung bei Hitler 3 8 ). Er wurde bezeichnenderweise von Kaltenbrunner 3 9 ) aus Linz, dem illegalen SS-Führer in Österreich, begleitet und auf dem Flugplatze - noch mehr bezeichnenderweise - von Himmler empfangen. Adolf Hitler sah seinen neuen legalen Vertrauensmann aus Österreich zum erstenmal im Leben. N o c h im April v . J . hatte ich ihm mühsam seinen Namen beigebracht, aber selbst am 12. Februar fiel es ihm noch schwer, diesen auszusprechen. Seyß kehrte glückstrahlend aus Berlin zurück. Es habe hinsichtlich der Evolution, die durch das Abkommen von Berchtesgaden angebahnt sei, volles Einverständnis geherrscht. Schuschnigg freute sich noch besonders von Seyß zu hören, daß sich dieser dem Führer gegenüber als praktizierender Katholik bekannt habe. . . . Eine einigermaßen übersichtliche Schilderung der nun folgenden 3 Wochen zu geben ist außerordentlich schwer. Der „ W e g der Evolution" tat sich mir besonders kund, als sich in diesen Tagen, geführt durch Peter Czernin, Major Klausner, der Nachfolger Leopolds, bei mir meldete. Er sei nicht mehr nationalsozialistischer Landesleiter von Österreich, sondern nur mehr Führer der österreichischen Nationalsozialisten! Ich hatte ihn schon bei früheren Zusammenkünften als altösterreichischen Offizier mit D u angesprochen. Als ich von ihm die gleiche Anrede forderte, erkundigte er sich bei Czernin, ob er ein solches Anbot von einem Minister doch annehmen dürfe. Einen Monat später hat er solche Sorgen nicht mehr gehabt. Eine besondere Institution wurde in diesen Tagen das „Volkspolitische Referat", das sich in einem Bankgebäude der Seitzergasse aufgetan hatte. Seyß trat als Leiter dieses Referates in die V F . ein; sein Stellvertreter wurde, gleichfalls als VF.-Mit-

) Vgl. Seyß-Inquarts Schilderung bei Rosar, 220. ) Ernst Kaltenbrunner (Ried im Innkreis, O ö , 4 . 1 0 . 1 9 0 3 bis 16.10.1946, gehenkt in Nürnberg), 1926 Dr. iur., Rechtsanwaltsanwärter, bis 1933 Gauredner und Rechtsberater des SS-Abschnitts VII, ab 1933 Führer der SS-Standarte 37, später des SS-Abschnitts VIII, mehrmals in Anhaltelagern und in Polizeigewahrsam, I./1937 Führer der österreichischen SS, 12.3.1938 SS-Brigadeführer sowie Staatssekretär für das Sicherheitswesen, 2 5 . 5 . 1 9 3 8 mit der Leitung des gesamten Polizeiwesens in Österreich beauftragt, 11.9.1938 SS-Gruppenführer und Führer des SS-Oberabschnittes D o n a u , 1.4.1941 G e n . L t . der Polizei, Dienst als Führer des SS-Oberabschnitts Donau und höherer SS- und Polizeiführer bei den Reichsstatthaltern in Wien, Niederdonau u. Oberdonau, 2 9 . 1 . 1 9 4 3 SS-Obergruppenführer, Chef der Sicherheitspolizei und des S D ; 1945/46 Angeklagter im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß und zum T o d e verurteilt. 38 39

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glied, D r . Jury, der rechtzeitig aus dem leopoldinischen Lager in das des Seyß übergegangen war und mir in jenen Tagen gerührter Stimme die beglückende Neuigkeit mitteilte, daß ihm Seyß das Duwort angetragen habe. An einem dieser Tage wurde ich, dank der Beihilfe Czernins, zu einer Gauleiterversammlung in die „Seitzergasse" gerufen. Am Honoratiorentisch hatten Seyß, Fischböck, Jury, ich und Keppler Platz genommen. Worüber beraten wurde, erinnere ich mich nicht mehr. Das aber weiß ich, daß mir gar nicht sonderlich wohl zumute war. Mit einemmale erkannte ich, daß ich in eine Welt geraten war, die meiner bisherigen durchaus ferne lag, ja ihr vielleicht entgegengesetzt war. Die knarrende Stimme des schwerhörigen, im Grunde genommen durchaus gutmütigen Keppler, brachte mir irgendwie die heraufziehende „Fremdherrschaft" zum Bewußtsein, das Gefühl, daß in Hinkunft nicht mehr wir allein unser Schicksal bestimmen würden, sondern daß es Leute tun werden, die innerlich wenig mit uns gemein haben. Und als gar am Schlüsse Hubert Klausner mit allem mir bis dahin unbekannten Zeremoniell das Führer-Heil ausbrachte, da würgte es mich in der Kehle: ich war für all dies zu alt, meine Zeit war um! Für Seyß war das Abkommen vom 12. Februar so recht das Element, in dem er sich wohl fühlte. Während er bei abgeschlossenen Zusammenkünften wie der eben geschilderten den hundertprozentigen Nazi mimte, ließ er sich anderwärts vernehmen, daß man den Gruß „ H e i l Hitler!" im besten Falle im Herbst werde zulassen können und bei einer Rede gegenüber den „Volkspolitischen Referenten" sprach er über die Evolutionsmöglichkeiten unter Schuschnigg so aufgeschlossen, daß ich nachher Albert Reitter zur Seite nahm und ihn fragte, ob er wähne, daß Seyß all dies eben Gesagte auch glaube 4 0 ). Reitter schüttelte den Kopf und lachte. Daß trotzdem das Brodeln in der Provinz von Seyß viel diplomatisches und agitatorisches Geschick forderte, soll nicht geleugnet werden. Dieses Brodeln zeigte allerdings auch die großen Schwierigkeiten, die das Berchtesgadener Abkommen Hitler und seinem österreichischen Beauftragten bringen konnte. Als sich Klausner, wie schon bemerkt, bei mir als Führer der österreichischen Nazi meldete, sagte er feierlich, seine vornehmste Aufgabe im Sinne des Abkommens sei die Auflösung aller Parteiorganisationen und ihrer Gliederungen, also auch der SA und der SS; er habe die ersten Weisungen dieses Sinnes bereits erlassen. O b in der Partei irgendwer solchen dem Geiste Rainers entsprossenen Befehlen zu folgen geneigt war, ist mehr als zweifelhaft. Ich glaube, nicht einmal der Führer dachte ernsthaft daran; ebenso wenig wie nach dem 11. Juli, nach welchem er sofort SA-Brigadeführer und andere führende Parteigenossen aus Österreich empfing. Für Seyß konnte ein Widerstand der SA gegen die befohlene Auflösung allerdings eine schwere Alternative bedeuten; entweder selbst Revolution gegen Schuschnigg und auch das Februarabkommen zu machen - ein Beginnen, das niemandem ferner lag als ihm - oder die von ihm geleitete Polizei gegen die Nazis aufzubieten. Für Schuschnigg lagen, mochte er sich noch so bedrängt fühlen, in diesen Möglichkeiten zweifellos einige Chancen; mindestens hätte er seine Gegner aus dem Blickfeld des Februarabkommens als 40

) Am 2 6 . 2 . 1 9 3 8 . Vgl. Rosar, 234.

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Vertragsbrüchige ins Unrecht manövrieren können. Es gebrach ihm schon an den Nerven hiezu. Schuschnigg war in der Beurteilung Seyß-Inquarts anfangs Wonne und Grießschmarrn. Er glaubte- in ihm den Mann gefunden zu haben, der ihm ohne endgültige Aufgabe der Grundposition über die zur Zeit vorhandenen Klippen hinweghelfen konnte. Als ich am 15. bei Schuschnigg war, fragte mich dieser ein wenig ängstlich: „Kannst D u mir sagen, ob Seyß Mitglied der N S D A P , ist?" Ich konnte es mit Recht verneinen. Allerdings war Seyß mehr, er war geheimes Mitglied der SS; das wußte ich nicht. In der dritten Februardekade jedoch wurde er nachdenklich und mißtrauisch. Der neue Helfer war doch nicht so fügsam und ungefährlich, als er vor seiner Berufung in den langen meist musikalischen Gesprächen zu sein schien. Persönlich habe ich mich von der Politik stark distanziert oder, besser gesagt, ich habe mich betont in den Schatten gestellt. Meine ganze Situation als Halbgestürzter war nicht sehr angenehm. Ich nahm mir vor, nunmehr auf Reisen zu gehen, Urlaub zu nehmen, wieder zu schreiben, und war daher erfreut, als mich das Auslandsinstitut in Stuttgart zur Abhaltung eines Vortrages für den 7. März einlud. Daran sollte ein Besuch in Landau und nachher ein mehrwöchiger Salzburger Urlaub angeschlossen werden. Mochten sich die anderen ihren „ D r e c k alleene" machen. Die große Rede, die Adolf Hitler statt am 30. Jänner am 20. Februar vor dem deutschen Reichstage hielt 4 1 ) - ich mochte nicht im entferntesten zu ahnen, daß ich die nächste Reichstagssitzung schon persönlich mitmachen würde - hörte ich im Südbahnhotel in der Wohnung Metzgers. Anwesend war neben dem Hausherrnpaar das Ehepaar Jakoncig, der alte Feldmarschalleutnant v. Heimerich und - als „ T a r r o l e r " verkleidet mit nackten Knien - Präsident Fall 4 2 )! Das bedeutsamste in den Ausführungen Hitlers war wohl die Ankündigung, daß er in diesem Jahre das Schicksal der zehn Millionen Deutschen an den Südostgrenzen des Reiches seiner Entscheidung zuführen werde. Während Frau Jakoncig namenlos begeistert war und der alte Fall Beifall heuchelte, war Heimerich über das Deutschlandlied beglückt, das ihn an das „ G o t t erhalte" erinnerte. Die Naivität des alten Mannes ergriff mich beinahe. Wie weit war er von der Wirklichkeit entfernt! Am 24. gab Schuschnigg vor der zum letztenmal zusammentretenden Bundesversammlung die Antwort 4 3 ). Das Bild war seltsam krisenhaft. Der Bürgermeister Schmitz erschien unter den Landeshauptleuten in der Frontuniform mit „Wehrgehäng". Logen und Galerien waren dicht besetzt. In der Mittelloge saß noch immer der längst abberufene Papen, daneben mit maliziösem Gesicht der nicht sehr sympathische Geschäftsträger v. Stein 4 4 ), ein bayrischer Generalssohn, der mangelnde 4 1 ) Vgl. den Auszug bei H. L. Mikoletzky, österreichische Zeitgeschichte, Wien 1962, 364f.; NFP. v. 21.2.1938, Montagausgabe, 2 - 4 . 4 2 ) Gustav Heinrich Fall (?), Generaldirektor der, Donau-Save-Adria-Eisenbahngesellschaft; Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte. « ) Auszug bei Mikoletzky, 3 6 6 - 3 6 9 ; NFP. v. 25.2.1938, Morgenblatt, 1 - 5 . **) Otto Frh. v. Stein (München, 23.9.1886 bis ?), Sohn des bayerischen Gen, d. Art. Hermann Frh. v. Stein, 1910 Absolvent der Universität München, Rechtspraktikant, 1.5.1914 Eintritt in den diplomatischen Dienst als Ministerialpraktikant, 1914-1918 Kriegsdienst, 1918 Legationssekretär, 1919-1927 in

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Vergangenheit durch Obernazitum zu überdecken suchte, was ihm aber nichts nützen sollte. Die Regierungsbank war so dicht besetzt, daß man sich kaum rühren konnte, Rechts von mir saß Zernatto. Ich konnte verfolgen, wie die bereit gestellte Claque auf seinen Wink funktionierte. Auch er selbst überbot sich an Beifallsklatschen, wiewohl ich ihm zuflüsterte, daß Regierungsmitglieder doch nicht ihrer eigenen „Erklärung" Beifall spenden könnten. Daß es unter den Klatschern auch ehrlich Begeisterte gab, ist sicherlich nicht zu leugnen. Besonders erinnere ich mich des gutmütigen Uberösterreichers Baron Zessner, der sich in einer wahren Ekstase befand. Der Arme ist wenige Monate später in einem KZ gestorben. Zernatto schreibt in seinem Buche, ich hätte Schuschnigg nach seiner Rede meine Anerkennung ausgesprochen. So arg wars nicht; immerhin sagte ich, als er mich fragte, ob ich recht böse sei, so leichthin, daß es gar nicht so arg gewesen sei 45 ). Das war eine facon de parier und auch ein wenig Ausdruck jenes esprit d'escalier, der mir nun einmal leider - um einen Ausdruck des Erzherzogs Albrecht zu gebrauchen - eigen ist und mich sehr oft beim Weggehen auf der Treppe erst die richtige Erkenntnis werden läßt. Denn in Wirklichkeit war die Rede Schuschniggs eine Dummheit sondergleichen, ein Ausfluß schwerer persönlicher Kränkung, die er an sich bei der Behandlung, die ihm zuteil ward, begreiflich - seit Berchtesgaden in sich herumtrug und er sich nun von der Leber wegredete. Voll Bitterkeit verstieg er sich als kleiner David gegenüber dem Riesen Goliath, mit dem er es zu tun hatte, zu Äußerungen, die man gut österreichisch nur als Frozzelei Hitlers bezeichnen konnte. Als er mit ,,Rot-weiß-rot bis in den Tod!" schloß, lag in diesem Ausklang ein wenig Schmierenpathos, der nichtsdestoweniger mit unerhörtem Beifall bedankt wurde. Außerhalb des Hauses war ganz Wien auf die Beine gebracht, zum Teil durch Richard Schmitz, zum Teil durch seine Gegner. Ich traf mich in den Abendstunden mit meinen Freunden von der Industrie und so weiter. Der Kreis war über die Kanzlerrede außerordentlich aufgeregt. Die ganze Stadt war ein Trubel, ohne daß es zu Zusammenstößen kam. Auch in den Landeshauptstädten gab es in den nächsten Tagen große Demonstrationen, wobei die Nationalsozialisten zusehends die Oberhand gewannen. War es Seyß gelungen, die Linzer zu einer Verschiebung des von ihnen für den 27. angesagten „Tag des Volkes" zu bewegen, so legten sich Graz 46 ) und Salzburg 47 ) kaum

den dt. Vertretungen bei der Waffenstillstandskomm. u. der Reparationskomm., . . . 1934-1936 Botschaftsrat bzw. Geschäftsträger in Prag, 1936 Botschaftsrat in Wien, 1938 Geschäftsträger, 1938-1941 Vortragender Legationsrat bzw. Geheimrat und Leiter der Nebenstelle Wien des AA., 29.5.1941 Entlassung aus dem Dienst; 1937 zur NSDAP, 1941 Parteiausschluß. Seine Erinnerungen Bd. II (verfaßt als Gegenschrift gegen Schuschnigg Im Kampf gegen Hitler) in Kopie im IfZG. sign. Do-41-Mm-31. 45 ) Zernatto, 259. Zernatto bezeichnete Glaise-Horstenau nur als einen der Gratulanten nach der Rede. Laut Skubl beurteilte Glaise-Horstenau ihm gegenüber die Rede als „ein starkes Stück": Guido Schmidt-Prozeß, 326. 46 ) Nach der Reichstagsrede Hitlers, 20.2.1938, begannen in Graz Tumulte, die auch durch ein Versammlungsverbot vom 21.2.1938 nicht eingedämmt wurden. Man trug Hakenkreuze und Dadieu hielt

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Begegnung mit Hitler, 28. Februar 1 9 3 8

m e h r e i n e n Z w a n g a u f . In G r a z w u r d e v o r ü b e r g e h e n d die H e r r s c h a f t d e r N a z i a u s gerufen. D i e eigenartige B e h a n d l u n g d u r c h Schuschnigg u n d die G u i d o n e n hatte i n z w i schen d o c h m e i n e n G r o l l gesteigert. Ich arrangierte m i r d a h e r d u r c h P a p e n einen Empfang beim Führer. A m Samstag den 26., dem V o r a b e n d meines Geburtstages, v e r s t ä n d i g t e m i c h P a p e n , i c h m ü s s e s p ä t e s t e n s a m 2 8 . v o r m i t t a g s in M ü n c h e n s e i n . I c h b e g a b m i c h s o f o r t in d i e O p e r , u m S c h u s c h n i g g i m S a l o n s e i n e r L o g e a u f z u l a u ern u n d i h m die E i n l a d u n g d u r c h H i t l e r m i t z u t e i l e n , w o b e i ich allerdings das V o r spiel v e r s c h w i e g . Schuschnigg w a r sehr a u f g e b r a c h t . „ D e r k o m m a n d i e r t s c h o n mit m e i n e n M i n i s t e r n h e r u m , als h ä t t e e r n u r m e h r a l l e i n h i e r z u r e d e n ! " I c h e r k l ä r t e , d e m i s s i o n i e r e n z u m ü s s e n , w e n n ich d i e E i n l a d u n g a b s c h l a g e n m ü s s e . S c h u s c h n i g g begütigte mich und verlangte Geheimhaltung,

d i e i c h v e r s p r a c h ; s o l l t e sie n i c h t

g l ü c k e n , d a n n w ü r d e i c h g e h e n . W i e d e r m e i n t e S c h u s c h n i g g , s o a r g sei es n u n d o c h n i c h t . A b e r e r w a r d o c h s o b ö s e , d a ß e r , an d e r L o g e n b r ü s t u n g mich kaum

platznehmend,

verabschiedete48).

eine Rede. Während der Übertragung der Rede Schuschniggs wurde der Grazer Bürgermeister gezwungen, am Rathaus die österreichische Fahne einzuholen und die Hakenkreuzfahne zu hissen. Weitere Demonstrationen waren für den 27.2.1938 geplant, sodaß Bundesheereinheiten nach Graz verlegt werden mußten, um dem Versammlungsverbot zur Geltung zu verhelfen. Die Verlegung von zwei Kraftfahrjägerbataillonen und von Artillerie in die Steiermark beeinträchtigten die Abwehrplanungen gegen Deutschland. Vgl. W . Hochfellner, Der politische Umbruch im Frühjahr 1938 in Österreich unter Berücksichtigung der Vorgänge in der Steiermark im Spiegel der österreichischen Presse, Grazer ungedr. Diss. 1971, 88 ff. 4 7 ) Auch in Salzburg setzten am 2 1 . 2 . 1 9 3 8 mit einem Fackelzug Demonstrationen der Nationalsozialisten ein, welchen die Vaterländische Front am 2 5 . 2 . 1 9 3 8 ebenfalls mit einem Fackelzug beantwortete. Die Lage blieb aber, was das öffentliche Auftreten betrifft, bis zum 10. März unter der Kontrolle der Landesregierung. Vgl. E. Hanisch, 1938 in Salzburg, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 118. Jg. 1978, 2 5 7 - 3 0 9 , bes. 260 f. 4 8 ) In seiner Äußerung gegenüber dem KA. vom 19.1.1974 nimmt Schuschnigg diese - für die Haltung Glaise-Horstenaus letztlich bedeutungsvolle - Episode für den 6 . 3 . 1 9 3 8 in Anspruch: „Meine letzte persönliche Erinnerung an v. Glaise geht auf eine von der US-Anklagebehörde verfügte Gegenüberstellung im Untersuchungsverfahren der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse zurück. Die Konfrontierung erfolgte in Anwesenheit von Col. Williams. Glaise (damals in Untersuchungshaft) trug deutsche Generalsuniform und war in sichtlich angegriffener Verfassung. Es handelte sich um seine Rolle am 10. u. 11. 3. 1938. Ich erwähnte meinen Versuch, ihn von seiner Vortragsreise nach Deutschland in den kritischen Märztagen (6.3.1938) abzuhalten unter Verweis auf die dringliche Notwendigkeit der Anwesenheit aller Kabinettsmitglieder in Wien. Das Gespräch fand in einem Salon der Oper statt. Glaise berief sich auf eine Einladung Haushofers und die Unmöglichkeit einer Absage. Im Falle einer Weigerung meinerseits sehe er sich genötigt zu demissionieren. V. Glaise, bestätigte den geschilderten Ablauf der damaligen Unterredung. Er sagte schließlich: ,Du hast recht gehabt; ich habe mich g e i r r t . ' " Bereits vorher hatte Schuschnigg, Requiem, 6 4 f . , festgestellt, mehrere Tage vor dem 9. M ä r z hätte er „unter Hinweis auf eine bevorstehende wichtige Entscheidung" die Kabinettsmitglieder gebeten in Wien zu bleiben. Zehner hätte den Besuch in Berlin daraufhin abgesagt, Glaise-Horstenau aber sein Portefeuille zur Verfügung gestellt, „falls er eine angeblich unaufschiebbare Vortragsreise nicht antreten könnte. Sein Rücktritt war mir im Augenblick unerwünscht. A u s Gründen der politischen Optik ließ ich es daher dabei bewenden." Nach Meinung des Herausgebers dürfte es jedoch unwahrscheinlich sein, daß Glaise diese Rücktrittsdrohung wegen des Vortrags in Stuttgart und der Fahrt nach Landau, und nicht, wie er oben schildert, wegen der ihm wohl wesentlich wichtiger erscheinenden Fahrt zu Hitler ausgesprochen

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

Am anderen Tage abends fuhr ich mit dem Schlafwagen nach München. Hier kam ich um 8 U h r früh an, frühstückte beim Luitpold, ging dann zum Friseur gegenüber und traf pünktlich um 10 Uhr im Führerhaus ein, woselbst mich Hitler bereits erwartete. Er führte mich nach freundlicher, meinerseits nicht ganz kommentmäßig erwiderter Begrüßung in sein Schreibzimmer und nahm unter einem Bismarck Lenbachs (Bismarck als Kürassier) meinen Bericht entgegen. Aus der Ruhe, mit der er die seltsame Zusammensetzung des neuen österreichischen Kabinetts und die Rede Schuschniggs beurteilte, empfing ich irgendwie im Unterbewußtsein das Gefühl, daß er sich für die Stürme im österreichischen Wasserglase nur mehr wenig interessiere; sein Entschluß schien festzustehen. Nur in einem Punkte verstand er keinen Spaß: „Sagen Sie dem Herrn Schuschnigg, daß ich, wenn in Österreich geschossen wird, unbedingt einmarschieren werde!" Dann erging er sich in sehr eingehende und mit Feuer vorgetragene Betrachtungen über die geringe Stärke des österreichischen Bundesheeres, das er - wenn ich nicht irre - mit 12 Divisionen leicht zu überwältigen gedachte. Er hatte natürlich recht, N u r lief mir bei dem Gedanken an einen neuen Bruderkampf kalt über den Rücken und ich bemerkte schüchtern: „Mein Führer, wir Österreicher möchten lieber nicht erobert werden, sondern uns freiwillig geben." Er nahm aber von dieser Zwischenbemerkung keine Notiz, sondern tat unter anderem den charakteristischen Ausspruch: „ I c h habe jetzt das Bleigewicht jener Generäle abgeschüttelt, die sich meiner Politik immer hemmend in den Weg stellten." Als das Gespräch auf Italien kam, meinte ich, in den heimischen Dialekt verfallend: „Sie wissen, mein Führer, mia Österreicher halten nöt viel von die Katzeimacher; ich besorge, daß der Faschismus stark eine heroische Phrase ist." Er antwortete: „Was das Volk im allgemeinen anlangt, mögen Sie recht haben; aber solange Mussolini da ist, können wir mit Italien unter allen Verhältnissen rechnen." Nicht ganz schön handelte ich an Zehner, dessen Besuch in Berlin, durch Muffs Rührigkeit betrieben, unmittelbar bevorstand und in der Woche nach dem 7. März stattfinden sollte. Aber es kränkte mich doch, daß - nach meiner Ablehnung in Berchtesgaden - ausgerechnet dieser grundsätzliche Gegner einer vernünftigen Annäherung an Deutschland im Reiche ausgezeichnet und geehrt werden sollte. Ich sagte dies auch dem Führer und riet, den ersten Deutschen Adler doch wenigstens nicht an Zehner, sondern an Seyß zu verleihen. Hitler grollte, es werde ihm nicht einfallen, Zehner besondere Ehren zu erweisen. Zehner jagte sich kurz nach dem Anschluß, als ihn eines Tages um Mitternacht Polizei heimsuchte, eine Kugel durch hätte. Auch der Vorwand einer Zusammenkunft mit Haushofer - Glaise erwähnt ihn nicht, gibt aber zu, das „ V o r s p i e l " verschwiegen zu haben - war nur mit Bezug auf München plausibel. Aufgrund aller Hinweise wurde Glaise von der Volksabstimmungsankündigung Schuschniggs am 9 . 3 . völlig überrascht. Es erscheint sehr unwahrscheinlich, daß er - schon bei seinem Drange, bei wichtigen politischen Vorgängen wenn auch nur als Zuschauer anwesend zu sein - die Vortragsreise vom 6 . 3 . nach Stuttgart angetreten hätte, wenn er durch noch so unbestimmte Andeutungen Schuschniggs der Ansicht gewesen wäre, etwas zu versäumen. Auch ein Opernbesuch Schuschniggs um den 6. März scheint unwahrscheinlich. Ebenso spricht für Glaise, daß er Zehners Besuch in Berlin noch für termingemäß bevorstehend annahm und - anscheinend - sich nochmals ums Landesverteidigungsministerium bemühte.

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den Kopf 4 9 ). Ich war wohl der einzige Minister, der seiner Frau 50 ), der ersten Gattin Hubert Klausners, kondolierte. Sie schrieb zurück, daß ihr gerade das Beileid von mir besonders wohlgetan habe. Dagegen bemühte ich mich, noch eine Lanze für Schuschnigg zu brechen Zweimal bemerkte ich, Schuschnigg sei im Grunde genommen kein Deutschenfeind, sein Gegensatz fuße lediglich im Kulturpolitischen. Nicht ohne Absicht sagte ich: „ E r denkt immer, in Deutschland werden täglich Bischöfe gespießt oder geröstet; das verträgt er nicht." Ich hoffte, von Hitler irgendeine Äußerung zum Kulturkampf herauszubekommen, er verhielt sich diesmal jedoch schweigend. Beim Weggehen zeigte er mir die ganzen Räume, die ihm dienen. Ich muß gestehen, daß mich plötzlich eine gewisse Schüchternheit überfallen hat, die mir sonst ihm gegenüber nicht eigen ist. Als wir jedoch die breite Treppe hinabschritten und auf Österreich zu sprechen kamen, sagte ich im Wortlaut, den ich zuverlässig behalten habe: „Ich bin für österreichisches Selbstbewußtsein, wir Österreicher haben der deutschen Nation unendlich viel gegeben." Wir erörterten dann kurz das Thema, das er mit der lächelnden Bemerkung schloß: „ U n d schließlich hat Österreich dem deutschen Volke auch seinen Führer gegeben." Ich meinte ebenso lächelnd: „Jessas, das hätte ich beinahe vergessen." Am untersten Treppenabsatz verabschiedete mich Hitler mit den Worten: „ G r ü ßen Sie mir Seyß-Inquart und . . . auch den Bundeskanzler Schuschnigg." [ . . . ] . . . Ich verbrachte die bis zu meiner Abreise fehlenden Stunden mit K.A. von Müller, mit dem ich auch in einer Weinstube nahe der Liebfrauenkirche zu Mittag aß. Während ich mich vor dem Bahnhofe von Müller verabschiedete, trat ein kleines Männchen auf mich zu: Leopold, der mit seinen Getreuen Tavs und Rüdegger zu kurzem Ubersiedlungsurlaub nach Wien zurückkehren durfte. Der Führer hatte sie bei der Gedenkfeier vom 24. Februar mit besonderer Auszeichnung behandelt. Wir standen bis Salzburg auf dem Waggongang dritter Klasse, die drei Musketiere waren relativ guter Laune und meinten: „ H e r r Minister, in zwei Monaten sind wir wieder zurück." Sie hatten recht. Inzwischen wurde ihnen aber das für sie gewiß sehr schmerzlich Erlebnis, den Einzug Hitlers in Österreich in einer kleinen Berliner Hotelpension am Rundfunk zu erleben. Leopold, mit einem guten Tropfen Bauernschlauheit und auch Bauernverschlagenheit begabt, sehr rührig und ehrgeizig, kein schlechter Demagoge, aber nach Geistigkeit und Bildung minder bemittelt, hatte bei meiner ersten Begegnung mit ihm, April 1935, einen niederschmetternden Eindruck auf mich gemacht. Als er sich mir später, im Sommer 1936, als der vom Führer ernannte und von diesem 49 ) Nach neueren kriminologischen Erkenntnissen und Zeugenaussagen dürfte jedoch feststehen, daß Zehner nicht Selbstmord begangen hat, sondern ermordet wurde. Vgl. die Materialien in H H S T A . , Nachlaß Funder , Kart. 5, Mappe Zehner; Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, 421; Heeresgeschichtliches Museum, 1918-1968. Die Streitkräfte der Republik Österreich. Katalog zur Sonderausstellung . . . Wien. 1968, 277ff., 296f. 50 ) Marianne Zehner, geb. Krasnitzer (St. Michael, Bez. Villach, 17. 8.1896 bis ?), 18.9.1918 verehelicht mit Hubert Klausner in Klagenfurt, 26.7.1924 die Ehe aufgelöst, 18.6.1925 kirchlich annulliert, 3.8.1925 geehelicht Wilhelm Zehner in Klagenfurt.

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Berchtesgadener A b k o m m e n und „ A n s c h l u ß "

auch nachher mehrfach bestätigte Landesleiter präsentierte, bemühte ich mich ehrlich, mit ihm zu arbeiten. Wir verabredeten, daß er mich von illegalen Unternehmungen fern zu halten habe, und er bewies mir innerhalb dieser Vorbehalte eine gewisse Freundschaft. Bei der Gegengruppe hatte meine Zusammenarbeit mit Leopold, zu der ich nach meinem Auftrag vom 11. Juli verpflichtet war, viel Gegnerschaft eingetragen, die sich auch auf Hermann erstreckte. Innerlich habe ich an der Gesellschaft nicht allzuviel Freude gehabt. Nach dem Anschluß bemühte sich Leopold vergeblich, seinen Stammgau „Niederdonau" zu bekommen, er fiel durch und wurde „Reichsinspekteur" bei der Münchener Parteileitung, ohne von dieser Funktion je Gebrauch machen zu können. Bezeichnenderweise sahen in Österreich und zumal in Wien auch kluge Leute in dem kleinen Demagogen weiterhin eine Art von Messias - gar nicht zu reden von Anton Schalk, der ihm eine abgöttische Verehrung entgegenbrachte und allerdings auch an den schweren politischen Fehlern Leopolds erheblichen Anteil hatte. Zu Kriegsbeginn ist Leopold eingerückt und während des Russenfeldzuges schien dem Schwergekränkten doch noch plötzlich die Sonne zu leuchten: Er war zum Generalkommissar der Krim ausersehen, des meistbegehrten Bezirkes von ganz Rußland. Da zerriß ihn irgendwo in der Ukraine eine Granate . . . Wehmütig sah ich, als wir bei der Saalachbrücke österreichischen Boden betraten, auf die geliebten Gefilde hinaus, mit denen mich so viel Kindheits-, Jugendund Lebenserinnerungen verknüpften; in stiller Besinnlichkeit, aber leider wieder nicht ohne das Gefühl der Befreiung, auf den nadelscharfen Kirchturm von Maxglan, zu dessen Füßen ein frischer Grabhügel aufgeworfen war. Auf der Strecke Salzburg-Wien stiegen Beate und Kramsall zu mir ein, sie waren auf den Verlauf der Entrevue sehr begierig. Gegenüber dem Ballhausplatz stellte ich mich den ganzen Montag über „ t o t " . Die Behandlung, die mir Schuschnigg am Samstag abends in der Oper angedeihen hatte lassen, hatte mich doch gekränkt. Da ließ mich Dienstag vormittags der Kanzler selbst zu sich bitten. Ich teilte ihm das Wichtigste meiner Unterredung mit Hitler mit und warnte ihn noch einmal davor, den wilden Mann zu reizen. Es war vor dem entscheidungsvollen Freitag vormittags das letzte Mal, daß ich Schuschnigg sah. Am Samstag den 5. rief ich ihn bloß telephonisch an 5 1 ), meldete ihm die schon bewilligte Stuttgarter Reise 5 2 ) und bat ihn um einen vierzehntägigen Erholungsurlaub nach Salzburg. Er stimmte zu und wünschte mir alles Gute. Zur sel-

s l ) Vgl. oben Anm. 48. Auch in: Glaise-Horstenau, Persönliche Erinnerungen an die Märztage 1938, in: N W T . , 12.3.1939, 3, heißt es: „Schon vor Monaten war aus Stuttgart an mich eine Einladung zu einem Vortrag ergangen. Am Samstag, den 5. März, meldete ich mich telephonisch bei Schuschnigg ab. . . . Der Bundeskanzler wünschte mir gute Reise, verriet aber nichts von dem wohl seit längerem gefaßten Plan, nach Wochenfrist eine .Volksabstimmung' zu veranstalten. Er hatte wohl meine Einstellung zu dieser Absicht im voraus erraten." S 2 ) Vgl. den umfangreichen Schriftverkehr unter B G H . 3 6 2 2 - 3 8 . Glaise war vom Deutschen Auslands-Institut Stuttgart, Haus des Deutschtums, am 17.12.1937 zu einem Vortrag ähnlich dem vor dem Österreichisch-Deutschen Volksbund eingeladen worden. Er gab am 31.12.1937 die Zusage für „Ende Feber, anfangs März" und wollte Mitte Jänner die genaue Terminfixierung vornehmen. Am 8.2.1938 schlug Glaise den Termin „um den 4. März" vor, am 11.2.1938 wurde von Stuttgart aus der 7.3.1938

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ben Stunde ergingen seine telegraphischen Einladungen an seine Landeshauptleute, sich in ihrer Eigenschaft als Landesleiter der V F . am Montag in Wien einzufinden; die „Abstimmungswürfel" waren gefallen. Am Sonntag abends bestieg ich, diesmal mit dem getreuen Kramsall, den Stuttgarter Schlafwagen. Vorher sprach ich auf der Bahn noch mit Seyß-Inquart, der eben von Linz gekommen war, wo er am Vorabend eine viel bemerkte, offenbar von Friedl Rainer entworfene, Rede gehalten hatte 5 3 ). Diese sollte für die Politik der nächsten Monate wegweisend sein und enthielt unter anderem den bezeichnenden Passus, daß es in Österreich weder eine legitimistische noch eine nationalsozialistische Heerespolitik geben werde. Der Ton der Rede war sehr egozentrisch abgestimmt, so daß ich Seyß, während wir vor dem Westbahnhof auf- und abschritten, aufmerksam machte, es gäbe neben ihm im Kabinett noch einen zweiten nationalen Minister, eben mich 5 4 ). Im übrigen erwies sich am geöffneten Hofwartesalon, dessen ich mich als Minister nie bedient hatte, und an dem ehrfürchtigen Empfang durch Skubl und Genossen, daß Seyß doch auch einem anderen Lebensstil nicht abgeneigter war als dem, den er bis zuletzt immer als sein Ideal bezeichnete: in Dornbach endlich seine Kartoffel in Ruhe bauen zu können. Am Montag den 7. gegen 11 Uhr vormittags kamen wir in Stuttgart an. Auf dem Bahnhof großer Empfang unter Führung des liebenswürdigen hochanständigen Oberbürgermeisters Dr. Stroelin 5 5 ), eines ehemaligen Offiziers und späteren Spannschülers, nachher Fahrt ins Hotel Zeppelin, wo ich fürstliche Appartements bezog. Ich mußte mich natürlich sofort an die Schreibmaschine setzen, um Auszüge für die Presse anzufertigen. Als mich Stroelin später abholte und er dabei erfuhr, daß mein abendlicher Vortrag nur die Ereignisse bis zum Jahre 1000 n. Chr. umfassen werde, sagte er: ,,Das ist nach den Geschehnissen in Österreich und zum Beispiel der Linzer Rede des Seyß unmöglich." Ich beschloß daher, in der zweiten halben Stunde meines Vortrages einen kühnen Sprung aus dem Jahre 1000 bis 1938 zu machen und damit die Neugierde der Stuttgarter zu befriedigen. Mit Stroelin begab ich mich um Mittag ins Rathaus, woselbst die feierliche durch Photos verewigte Einzeichnung ins Goldene Buch stattfand. Ansprachen wurden hier und

vorgeschlagen und von Glaise-Horstenau akzeptiert. Damit dürfte Rosars Vermutung, S. 258 seines B u ches, Glaise wollte einen V o r w a n d , um Bürckel zu treffen, hinfällig sein. 5 3 ) Seyß-Inquart hielt am 6. März vor Vertrauensmännern der österreichischen Nationalsozialisten eine Rede, die abends von 2 2 . 2 5 U h r bis 2 3 . 3 0 U h r auch im Rundfunk übertragen wurde. U b e r ihren Inhalt und die Stimmung vgl. Rosar, 241 ff. 5 4 ) Laut Glaise-Horstenau, Persönliche Erinnerungen an die Märztage 1938, in: N W T . , 12.3.1939, 3, meinte er auch: „ F ü r mich liegt das Problem Österreich schon recht einfach: entweder wirst du Reichsstatthalter oder der H e r r X (eine Persönlichkeit aus dem Altreich). Andere Erwägungen sind nicht mehr anzustellen." N u r über die N ä h e der Stunde, in der diese Entscheidung fiel, hegte ich noch Zweifel. D e r mir noch unbekannte Abstimmungsplan des Regierungschefs sorgte für eine rasche Lösung. (Mit diesem Herrn X wird wohl Keppler gemeint gewesen sein.) 5 5 ) Karl Stroelin (Berlin, 2 1 . 1 0 . 1 8 9 0 bis 2 1 . 1 . 1 9 6 3 , Stuttgart), D r . rer. p o l . , 1931 Kandidat der N S D A P bei den Bürgermeisterwahlen in Stuttgart, 3 . 7 . 1 9 3 3 Oberbürgermeister, unterzeichnete 1943 eine Denkschrift gegen Rassen- und Religionsverfolgung, 1944 gemaßregelt und Kontakte zur Widerstandsbewegung, 1953 Landes Vorsitzender des Kyffhäuserbundes.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

beim Essen gewechselt, wobei ich immer wieder zu meiner Beschämung feststellen mußte, daß ich im Zeremoniell des Dritten Reiches noch immer nicht zuhause war. Der Vortrag verlief abends recht gut, besonders die Improvisation wirkte. Als ich - eigentlich im Geiste Seipels - am Schlüsse erklärte, Großdeutschland bestehe in Geist und Kultur unbekümmert um die staatlichen Grenzen, ging ein Jubel durch den Saal. Noch größer wäre dieser Jubel gewesen, wenn ich, wie beabsichtigt, mit „Deutschland, Deutschland über alles!" geendet hätte. Aber mein lieber Beschwichtigungshofrat Kramsall hat mich davor zurückgehalten. Der 8. März verlief mit Besichtigungen, darunter auch einer solchen der viel gerühmten Weltkriegsbücherei in einem Pavillon des königlichen Schloßgartens. Ich hatte mich bisher stets nur vorübergehend, am Bahnhof, in Stuttgart aufgehalten und bewunderte nun, im ersten Frühling, herzlich die herrlich gelegene Stadt. Bei einem Besuche eines HJ-Heimes meinte Kramsall unter Hinweis auf die dort gehißte rot-weiß-rote Fahne mit Hakenkreuz: „Das wird die künftige österreichische Staatsflagge sein". 56 ) A m 9. März, einem der größten Schicksalstage meines Daseins, fuhren wir frühmorgens in einem Auto des Oberbürgermeisters dem Schwarzwald zu. Als ich im Jahre 1936 Minister wurde, hat ein anonymer Anzeiger - seinen Namen sollt Ihr nie erfahren, ich habe allen Grund, Dr. Heigl 57 ) für den Verfasser des schönen Dokumentes zu halten - unter anderem behauptet, ich sei Judenstämmling, hätte früher Glaser geheißen und sei erst 1912 durch den damaligen Prager Korpskommandanten General von Horstenau, den es nie gegeben hat (!), adoptiert worden. So lächerlich die Sache war (das Schreiben liegt unter meinen Papieren), so hat es mich doch angeeifert, mich nunmehr der Ahnenforschung zuzuwenden, das heißt meinen alten Freund Fritz Hof 5 8 ), Major und Archivar im Kriegsarchiv, mit dieser

5 6 ) Vgl. die Meldung in N W T . , 10.3.1938 (Dokumentation der Arbeiterkammer für Wien): „Vor seiner Abreise . . . machte der Minister einige Mitteilungen über die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich. Durch das Berchtesgadner Abkommen - so sagte er - seien alle Voraussetzungen geschaffen, daß alle noch schwebenden innerpolitischen oder zwischenstaatlichen Fragen in einer für beide Teile förderlichen Weise gelöst werden könnten. Der Minister erwarte besonders auch günstige Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Beziehungen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, sagte er, auf der gewonnenen festen Basis weiterzuarbeiten. Österreich als Fremdenverkehrsland hofft weiter auch auf eine Belebung des Fremdenverkehrs. Es würde sich freuen, auch Rucksacktouristen wieder begrüßen zu können . . . " 5 7 ) Paul Heigl (Marburg an der Drau, 2 9 . 4 . 1 8 8 7 bis 7 . 4 . 1 9 4 5 , wahrscheinlich Selbstmord in Wien), Historiker, 1910 Dr. phil., Assistent am Institut für österreichische Geschichtsforschung, später Bibliothekar in Wien und Greifswald, verließ 1935 aus politischen Gründen Wien und wurde an der Staatsbibliothek in Berlin angestellt. 16.3.1938 Generaldirektor der österreichischen Nationalbibliothek. Vgl. J . Stummvoll, Die Präfekten der Bibliotheca Palatina Vindobonensis, der früheren Hof- und jetzigen österreichischen Nationalbibliothek, in: Die österreichische Nationalbibliothek, Festschrift hg. zum 25jähr. Dienstjubiläum des Generaldirektors Univ.-Prof. Dr. Josef Bick, Wien 1948, 3 - 2 1 . 5 8 ) Fritz Hof (Wien, 25.11.1881 bis 23.10.1973, Wien), 18. 8.1901 als Kadett-Offiziersstellvertreter aus Wiener IKSch. zu IR. 76, 1.11.1902 Lt., 1.8.1913 zugeteilt dem Kriegsarchiv, 1914-1916 bei Etappenstationskommanden, ab 15.12.1916 wieder im Kriegsarchiv, 1.11.1919 Hptm. d . R . , später Mjr. a . D . , 1918/1919 unter dem Pseudonym „Fritz W e h r " in der Zeitschrift „Die Republik" tätig; 6 . 6 . 1 9 4 5 aufgrund des „Verbotsgesetzes" als Regierungsrat (bzw. Oberheeresarchivrat) entlassen.

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Aufgabe zu betrauen. Schon vor dem Kriege 1914 hatte ich begonnen, blieb jedoch damals bei dem angeblichen Geburtsort meines Urgroßvaters Landau im Elsaß hängen, von wo mir der Pfarrer mitteilte, es habe keinen Täufling dieses Namens gegeben. Nun brachte H o f aber Landau in der Pfalz heraus, das im Jahre 1750, dem Geburtsjahr meines Großvaters, französisch war 5 9 ). Es ergab einen Briefwechsel zwischen mir und meiner „Urgroßvaterstadt"; außerdem erfuhr ich, daß noch ein Zweiglein meiner Familie, allerdings einer geheimnisvollen illegitimen Verbindung einer Urgroßvaterschwester entstammend, in dem pfälzischen Städtchen blühte. Er schrieb sich noch provencalisch „ G l e i z e s " , welche Schreibweise auch noch im Salzburger Taufschein meiner Tante Elvira wiederkehrt. Kurz und gut: Ich wurde von meiner „Urgroßvaterstadt" zu einem Besuche eingeladen, der nun, am 9. März 1938, stattfinden sollte 6 0 ). Die Fahrt durch den kaum aus dem Winterschlaf erwachten Schwarzwald und durch die zahlreichen alemannischen Städte und Örtchen machte Kramsall und mir ein aufrichtiges Vergnügen. In Baden-Baden nahmen wir ein, soweit ich mich erinnere, nicht sehr wunderbares Frühstück ein. Dann ging es in die Rheinebene hinab, durch Rastatt hindurch und jene vielen anderen Plätze, deren keiner nicht eine Erinnerung an Altösterreich und seine Armee in sich trägt. Des öfteren fuhr ich später, talauf, talab, die gleiche Straße und immer wieder werde ich an Radetzkys berühmtes Wort gemahnt, daß es in Deutschland keine Quadratmeile gäbe, um die nicht österreichisches Blut geflossen sei! Karlsruhe rechts liegen lassend, fuhren wir über den Rhein, wo ich, seit 1927 wieder zum erstenmal, das heitere Pfälzer Ländchen betrat. Es war schon hoch gegen Mittag und ich besorgte, daß wir nicht zu der verabredeten Stunde - ein Uhr eintreffen könnten. Aber wir kamen auf die Minute genau. V o r dem Rathause harrten meiner bereits die Ratsherren mit dem Bürgermeister, der mir in einem schönen Römer einen Willkommenschluck perlenden Pfälzer Weines reichte. Nachher trat ein schmächtiges Männchen auf mich zu und begrüßte mich als Vetter A. Gleizes. Dieser Vetter war damals noch in einer guten Position bei einer Antwerpener Exportfirma, aber die große Weltkrise warf bereits ihre Schatten auch auf den kleinen Wirkungskreis des deutschen Prokuristen. Eben hatte ich einige Worte gewechselt, da hieß es: „ H e r r Minister, hinauf zum Telephon, Wien ruft". Mir schwante nichts Gutes. Auf der anderen Seite meldete sich Peter Czernin: „Lieber Freund, der Jury läßt Dich bitten, D u mögest sofort nach Wien zurückkommen. Schuschnigg will eine Volksabstimmung über die Selbständigkeit Österreichs oder so etwas abhalten!" 6 1 ) 5 9 ) Vgl. Memoiren 1. Bd., 67, Anm. 3 u. K. Lutz, Edmund Glaise v. Horstenau. Ein Soldat des Großdeutschen Reiches, in: Westmark, 5. Jg. 1938/39, 4 2 1 - 4 2 7 . w ) Vgl. den Briefwechsel mit Albert Gleizes in B G H . 3640/38. Auch der Besuch in Landau wurde bereits 1937 vorgesehen. Vgl. die Reportage über den Ablauf des Besuches in Landau: K. Lutz, Der österreichische Bundesminister Glaise von Horstenau in Landau, Saarpfalz, 21. J g . , Nr. 6 v. 1 5 . 3 . 1 9 3 8 , 134-136 u. Nr. 6 v. 1 . 4 . 1 9 3 8 , 157-159. 6 1 ) Laut einer Aktennotiz Muffs v. 8 . 3 . 1 9 3 8 (ADAP. Ser. D, Nr. 338) sei in einer Besprechung Schuschnigg - Schmitz - Zernatto - Pernter - Stockinger am 4. März beschlossen worden, „sobald als

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Ich war, als ich diese Worte hörte, wie vor den Kopf geschlagen, stellte noch einige Fragen, wobei ich, so viel ich mich erinnere, von der für den Abend bevorstehenden Innsbrucker Rede Schuschniggs erfuhr 6 2 ). Wie durch eine Nebelwand getrennt, erlebte ich die nächsten Stunden: die feierliche Begrüßung oben im Rathaus mit gleichzeitiger Überreichung eines Bildes von Landau, das gemeinsame Essen, wobei der Bürgermeister rechts von mir, Gleizes links saß, den Hinweis auf den im Hintergrund aufgespannten, neuösterreichischen Doppeladler, der eigens für meine Anwesenheit und für zukünftige Besuche angefertigt war . . . hörte ich die verschiedenen wohlgemeinten Ansprachen, hielt ich, manchmal stockend, meine Dankesrede . . . Schließlich tröstete ich mich: Peter Czernin war manchmal ein bißchen Gerüchtemacher, es ist vielleicht alles doch nicht so wahr. Die Angelegenheiten der Bearbeitung einer Volksabstimmung gehörten in meinen Wirkungsbereich. Ich war daher der hiefür zuständige Minister und hätte von einem solchen Vorhaben unterrichtet sein müssen. Ich hielt daher ein Mißverständnis für wahrscheinlich, da ich aber seit Sonntag abends von Wien weg war, wollte ich doch klar sehen, ich wußte ja nicht, was in der Zwischenzeit geschehen sein konnte und ließ von Kramsall den mir unterstellten Leiter der zuständigen Sektion möglich Wahlen . . . abzuhalten". Ein Exposé über die notwendigen Vorarbeiten hätte Schmitz bis zum 8 . 3 . in Auftrag gegeben. Einen Entschluß zur Volksabstimmung soll laut den Angaben Schuschniggs und den Forschungen Rosars Schuschnigg am 6. März erstmals Zernatto mitgeteilt haben. An diesem Abend fand bereits unter Vorsitz Zernattos eine Beratung zur organisatorischen Vorbereitung statt, die meisten Minister erfuhren vom Plan und am 7. März die Landesführer der VF. bei einer Tagung unter Vorsitz Schuschniggs. Eine Diskrepanz zwischen Schuschnigg und Rosar besteht darin, ob bereits an diesem Abend - wie Schuschnigg, Im Kampf gegen Hitler, 302 (aufgrund von Rosar anscheinend unbekannten, aber nicht auf ein bestimmtes Datum hinweisenden Dokumenten, IfZG., Personalmappe Kaltenbrunner) annimmt, - oder erst am 8 . 3 . 1 9 3 8 , wie Rosar, 247, angibt, bei einer neuerlichen abendlichen Frontführertagung, der Abstimmungsplan durch einen von einer verräterischen anwesenden Sekretärin aus der Tagung herausgeschmuggelten Zettel an die N S D A P , J u r y , weitergegeben worden ist. Am Nachmittag des 8. März war Seyß-Inquart unter Verpflichtung zum Stillschweigen von Zernatto informiert worden. Als die versammelte NSDAP-Landesleitung Seyß-Inquart am 9. M ä r z vormittags befragte - J u r y hatte ihn schon am 8. März nachts informiert - gab er sein Wissen von der Seite der Regierung indirekt zu. Mit Hilfe Mannlichers wurde eine ablehnende juristische Stellungnahme an Zernatto formuliert und mit einem Durchschlag dieser Stellungnahme flog Globocnik am 9 . 3 . mittags nach Berlin. Laut D. Wagner - G. Tomkowitz, Ein Volk, ein Reich, ein Führer!: Der Anschluß Österreichs, München 1968, 32, hätte Rainer telephonisch Keppler in Berlin informiert, dieser hätte sich bei SeyßInquart telephonisch zur Sicherheit erkundigt und dann Hitler in der Reichskanzlei informiert und auf die bevorstehende Ankunft Globocniks hingewiesen. Der Herausgeber neigt der Datierung Rosars zu, da irgendwelche aktenkundige Reaktionen von der Seite der österreichischen N S D A P und der deutschen Seite vor dem Vormittag des 9 . 3 . 1 9 3 8 nicht nachweisbar sind - sieht man von der Aufzeichnung Muffs ab, die anscheinend nicht beschleunigt weitergeleitet wurde. Schuschnigg Datierung wäre nur damit zu erklären, daß zunächst das nahe Datum der Abstimmung nicht bekannt war und daher auch nicht sofortige Reaktionen hervorrief. 6 r ) Wie bereits angedeutet hält es Rosar, 258, - allerdings ohne irgendwelche Quellen oder Indizien beizubringen - für möglich, daß Glaise bereits in der Absicht, mit Gauleiter Bürckel als Spezialisten für Abstimmungen zu sprechen, „ u m politisch ins Geschäft zu kommen", nach Landau gekommen sei. Abgesehen davon, daß die langfristigen Vorbereitungen dagegen sprechen: Es wäre vielleicht verständlich, daß Glaise 1942 diese Absicht nicht mehr schriftlich niederlegte, doch hat er sich auch in den früheren Zeitungsartikeln und Interviews nie darauf berufen.

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im Bundeskanzleramt, Sektionschef Ruber 63 ), anrufen. Ruber wurde telephonisch zu Hause erreicht und erklärte, von einer Volksabstimmung nichts zu wissen, bemerkte dann aber im Laufe des Gespräches, der Kanzler sei morgens nach Innsbruck gefahren und soll dort in einer Versammlung sprechen. Später klärte sich die Angelegenheit auf. Es war nämlich nicht an eine Volksabstimmung im Sinne der Bundesverfassung gedacht, sondern an eine Volksabstimmung von der VF. Nachmittags besuchte ich meine neu entdeckten Verwandten. Während wir im Garten photographiert wurden, kam die Meldung: Gauleiter Bürckel ist da und will den Herrn Minister begrüßen. Mit einemmale kam mir der Gedanke, daß es eigentlich ungezogen gewesen ist, mich vor meinem Besuche in der Pfalz nicht beim Landesfürsten angesagt zu haben. Er trug mir aber nichts nach, sondern lud mich zu einer Rundfahrt ein, die in der - wie er sagte - „schlichten Villa" Bürckels zu Neustadt a. d. Weinstraße enden sollte. Natürlich fuhren wir die von Bürckel angelegte „Weinstraße" entlang und ihr Erbauer erzählte mir mit Stolz, daß bereits 2000 O b jekte in der Pfalz ihm ihre Entstehung verdankten. Die Nachricht von der Volksabstimmung in Österreich bestätigte mir Bürckel. Er habe sie vom Österreich-Korrespondenten seiner „NS.-Rheinfront", dem mir wohlbekannten Petwaidic 64 ), erfahren. Der Abend würde Näheres bringen. Bürckel chauffierte selbst, um, wie er sagte, mit mir vertraulicher reden zu können. Ich holte ihn wegen seiner Kandidatur für den Wiener Gesandtenposten aus und erfuhr, daß auch er mit dieser Berufung rechnete. Später hörte ich, er habe bereits seit 4. Februar irgendein Dokument verheißungsvollen Inhaltes in der Hand gehabt. Als wir meinen Vetter verlassen hatten, hatte mir dieser ins O h r geflüstert, der Gauleiter sei ein sehr radikaler Herr, zumal in der Kirchenfrage ginge er in sehr bedauerlicher Weise ins Zeug. Ich sprach daher auf der Fahrt mit Bürckel über den österreichischen Katholizismus. Ich selbst sei mit Ausnahme meines festen Glaubens an einen Gott, der mit der pantheistischen Gottheit nichts gemein habe, leider von unendlich vielen Zweifeln erfüllt; müsse mich aber ausdrücklich zum friderizianischen Grundsatz wirklicher Toleranz bekennen und vor allem hervorheben, daß die nationalgesinnten österreichischen Katholiken zu den wertvollsten Nationalen zählten. Bürckel gab mir recht. In angeregtem Gespräch kamen wir bis zum Weinturm bei Schweigern an der französischen Grenze. Ein paar hundert Schritte noch und das Zollhaus war da, während sich dahinter der historische Geißberg erhob. Wir tranken zusammen manches Gläschen Pfälzer und ich sah die Welt wesentlich lichter als noch einige Stunden zuvor. Es konnte doch noch alles gut gehen. 63 ) Ignaz Ruber (Brünn, 14.10.1876 bis 25.2.1943, Wien), ab 1901 als Konzeptspraktikant bei der krainischen Landesregierung in Laibach im öffentlichen Dienst, ab 1907 im Min. d. Innern, 19.10.1918 Sektionsrat, 22.12.1920 Ministerialrat, 21.12.1932 betraut mit der Leitung der Sektion III des BKA. u. Sektionschef, 16.4.1937 aus Staatskommissär der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, 4.7.1938 Ruhestand. M ) Walter Petwaidic-Fredericia (auch Petwaiditsch) (Wien, 9. 5.1904 bis VIII./1978, Düsseldorf), ab 1925 in der Redaktion der Deutsch-österreichischen Tageszeitung, dann der Wiener Neuesten Nachrichten, 1928-1931 deren Korrespondent in Belgrad, 1931-1934 und ab 1938 Hauptschriftleiter dieser Zeitung, 1934-1938 u.a. für den Scherl-Verlag tätig; nach 1945 Mitarbeiter der „Zeit" und des „Rheinischen Merkur".

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Schon bei sinkender Sonne trafen wir - Kramsall war uns in einem zweiten Auto gefolgt - in Neustadt ein. Die berühmte „bescheidene Villa" erschien mir für einen Volksschullehrer ganz behaglich, von dem Aussehen der weniger bescheidenen Behausungen unserer Bonzen hatte ich noch keine richtige Vorstellung. Gleizes war erschienen, um die Abendtafel sammelten sich etwa 20 Personen. Wir drehten das Radio auf, ich hörte die wohlbekannte Stimme Schuschniggs, eine Schallplattenaufnahme der Rede, die er eine Stunde zuvor in den mir aus der Leutnantszeit in Erinnerung stehenden Innsbrucker Stadtsälen gehalten hatte und die mit dem berühmten Schlachtruf von 1809 endete: „Mander, s'ischt Z e i t ! " 6 5 ) Wann immer Schuschnigg volkstümlich sein wollte, klang es gemacht und unwahr. Als ich ihn diesmal hörte, wurde ich mit jedem Worte, das er sprach, entsetzter. Das war alles heller Wahnsinn und konnte für den Mann nicht gut enden. Nach dem Abklingen des Beifalls, der auf der Schallplatte gezollt wurde, nahm ich Bürckel auf die Seite 6 6 ) und sagte: „Lieber Gauleiter, ich fahre sofort nachhause, um zu demissionieren; es ist mir unmöglich, dies alles mitzumachen. Bitte, verschaffen Sie mir für morgen früh ein Flugzeug nach Stuttgart, wohin ich ohnehin noch heute zurückkehren muß." Bürckel bat mich noch zu bleiben, er habe telephonisch mit der Reichskanzlei (Schaub) 6 7 ) gesprochen, von meiner Anwesenheit Mitteilung gemacht und erwarte nun Antwort. Er meinte, ob ich nicht nach Berlin fliegen möchte, sein Flugzeug stehe in . . . (Mannheim?) zur Verfügung. Ich hatte Bedenken, lehnte ab. Da kam er neuerlich vom Telephon, nahm mich bei Seite, führte mich in ein Nebenzimmer und sagte: , , . . . Der Führer will unbedingt Sie sprechen. Er läßt Sie ersuchen, sofort mit mir zusammen im Flugzeug nach Berlin zu kommen; das Flugzeug wird uns auf dem Frankfurter Flugplatz erwarten." Auf alles andere war ich eher gefaßt. Die Lage war nicht leicht für mich. Schließlich war ich österreichischer Bundesminister, als solcher auf die Verfassung und auf die durch den Kanzler geführte Politik vereidigt. Ich erbat mir einige Minuten Bedenkzeit. Mein junger Freund Kramsall sagte: „ H e r r Minister können das nicht t u n . " Ich erwog einen Augenblick lang, Schuschnigg, den ich mit Recht auf der Rückfahrt nach Wien wähnte, in Wörgl oder sonstwo ans Telephon zu rufen. Aber was konnte bei dem Geisteszustand, in welchem sich Schuschnigg befand, herauskommen! Ganz bestimmt ein entschiedenes Nein, das die sicherlich schon äußerst bedenkliche Lage zwischen Wien und Berlin noch verschärfen mußte. Gewiß war es, wenn der Staat Österreich noch et-

6 5 ) Vgl. die Auszüge der Rede bei Mikoletzky, Zeitgeschichte, 3 7 7 f . ; vgl. die Augenzeugenberichte bei Wagner - Tomkowitz, 4 4 - 4 8 . 6 6 ) W o r a u f die Angabe bei Wagner - Tomkowitz, 44 u. 62, beruht, Glaise-Horstenau hätte eine Einladung Bürckels ins Landauer Hotel „ G e i s t " , das Bürckels Schwester gehörte, angenommen und dort wäre der Abend verbracht worden, ist unerfindlich. 6 7 ) Julius Schaub (München, 20. 8 . 1 8 9 8 bis 1968, ?), Drogist, 1 9 1 7 - 1 9 2 0 Angehöriger der bayerischen Armee, dann bald ständiger Begleiter Hitlers, 1923 Teilnehmer am „ M a r s c h zur Feldherrnhalle", seit 1924 Adjutant Hitlers, 1933 „persönlicher Adjutant", in der Reichskanzlei nur dem „Chefadjutanten" Brückner nachgeordnet, ab 1939 auch M d R . , SS-Obergruppenführer; von der 1948 erhobenen Mordanklage 1949 wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Drogist in München.

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was auf sich hielt, ein gewagtes Beginnen, dem Rufe Hitlers zu folgen und wenn später immer wieder viel von der „Einsatzbereitschaft" der Illegalen gesprochen wurde, so habe ich in diesem Augenblick als Nie-Illegaler wahrlich nicht wenig riskiert. Aber war es nicht zweckmäßiger, den Gewaltigen nicht noch mehr zu reizen, und war es nicht politisch klüger - wir hatten Mittwoch und die Volksabstimmung sollte erst am Sonntag sein - die Stimmung in Berlin, an der entscheidendsten Stelle, zu erkunden und damit in zwölfter Stunde noch zu retten, was zu retten war! Ohne über die Konsequenzen dessen, was kommen konnte, irgendeinen festen Gedanken zu haben, sagte ich zu Bürckel, dem es nicht anders ging wie mir: „Gauleiter - Theresienorden - ich gehe nach Berlin!" Was ich mit dem Theresienorden meinte - eine Tat ohne und wider den Befehl 68 ) - mochte der gute Bürckel kaum ahnen. Seine Mu-atta war, wie er später einmal deklamierte, keine We-anerin. Daß er sich der Schwierigkeit meines Entschlusses aber bewußt war, bewies ein Kramsall und mir gleich darauf unter sechs Augen gegebener Handschlag: „Sollte den Herren in der Heimat etwas widerfahren, so werden Sie, das verspreche ich Ihnen in die Hand, in der Pfalz immer ein würdiges dauerndes Obdach finden." Die Gesellschaft kam nicht mehr zur Ruhe. Eine Stunde später rollte unser Auto über die Reichsautobahn hinweg zwischen den mächtigen Kieferwäldern, die zwischen Mannheim und Frankfurt die Rheinebene bedeckten. Bürckel döste neben mir, er war wohl schon ein wenig „blau", ein bei ihm nicht gerade seltener Zustand. Bei mir hatte sich aller Alkohol verflüchtigt. In Gedanken versunken, sah ich Kilometer um Kilometer hinter uns verschwinden, während mein Blick rechts ab und zu die Umrisse des Odenwaldes suchte. Was werden die nächsten Stunden bringen? Schließlich erreichten wir die Vorstädte Frankfurts 69 ). Meine Nachdenklichkeit wich einem gewissen Galgenhumor. Als wir die Wartehalle des Flugplatzes erreicht hatten und das Sonderflugzeug noch nicht da war, versuchte ich es bei Bürckel mit einigen Witzen. Aber er stierte gehend oder sitzend vor sich hin. Ich empfing die erste Probe der generellen Humorlosigkeit, die die Führer des Dritten Deutschlands nun einmal fast allgemein auszeichnet - sehr zum Unterschied von A. Hitler,

68

) Diese saloppe Ausdrucksweise, die die Statuten des Militär-Maria Theresien-Ordens völlig falsch interpretiert, hat schon zu zahlreichen Mißverständnissen geführt. In der Neufassung der Ordensstatuten vom 18.6.1757, gegeben 1878, heißt es: „ D i e von den Ordenskapiteln bisher mit besonderem Nachdruck festgehaltene Anschauung, daß sich die Tat des Ordensaspiranten, wenn sie als ordenswürdig anerkannt werden soll, als aus eigener Initiative und ohne Befehl vollführt darstellen müsse, ist nur insofern richtig und zulässig, als sie mit den reglementarischen Bestimmungen in Einklang gebracht werden kann; diese Bestimmungen zählen jene wenigen Fälle auf, wo ein Kommandant abweichend von den ihm erteilten Befehlen, stets aber nur im Geiste der ihm gestellten Aufgabe und bekannten Dispositionen, bei voller Verantwortlichkeit selbständig vorgehen darf. Wo sich die Selbständigkeit und eigene Initiative als eine vorbedachte Mißachtung und Nichtbefolgung erhaltener Befehle herausstellt, da kann von einem anerkennenswerten Verdienste keine Rede sein, da vermag selbst eine nach dem Erfolge glänzende Waffentat die Ordenswürdigkeit nicht zu begründen." 69 ) Die Angabe bei Wagner - Tomkowitz, 62, Glaise sei mit Bürckel vom Flughafen Lachen-Speyerdorf bei Neustadt abgeflogen, dürfte nur Kombination sein.

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der für einen zur rechten Zeit angebrachten guten Witz durchaus empfänglich ist, aber aus seiner Umgebung heraus nur wenig Gelegenheit zum Lachen gewinnt. Endlich zeigte sich ein Lichtfunke am sternenhellen Himmel und bald senkte sich das von Stuttgart herangebrauste Flugzeug, eine Ju, vor unseren Augen zu Boden, um uns aufzunehmen. Ich versank erstaunlich rasch in einen tiefen Schlaf, indes Bürckel ein wenig seekrank wurde. Es war 2 Uhr, da beschrieb unser Vogel einen weiten Kreis über dem Tempelhofer Feld und eine Viertelstunde später stand ich, noch in der alten Reichskanzlei, in dem mir schon vom April 1937 her wohlbekannten Büro des Führers vor dem Gewaltigen. Er begrüßte mich freundlich und führte mich sofort zu einem Tisch, auf dem der Durchschlag eines von Seyß an Zernatto gerichteten die Wahlfrage behandelnden Schreibens lag. Globocnik hatte es in der Nacht mit Flugzeug (!) herangebracht . . . so etwas war zu dieser Zeit in Österreich schon möglich. Wie ich später erfuhr, haben die Minister erst von Dienstag nachmittags an, Zernatto natürlich bestimmt und Guido Schmidt sehr wahrscheinlich ausgenommen, von Schuschnigg über dessen Pläne Kenntnis erhalten 7 0 ). Im Gegensatz zu mir, der auf die Nachricht hin sofort an die Demission dachte, soll sich Seyß fürs erste gar nicht unbedingt ablehnend verhalten haben 7 1 ). Selbst sein Brief an Zernatto, geschrieben am Dienstag abends, war noch durchaus positiv zum Abstimmungsgedanken - allerdings so klug und wohlüberlegt, daß ich dem Führer gegenüber meine Anerkennung nicht vorzuenthalten vermochte 7 2 ). Der Einladung Hitlers folgend, setzte ich mich in die eine Ecke des langen Diwans, indes in der anderen, ohne überhaupt ein Wort von sich zu geben, nach wie vor starr vor sich hinblikkend, Bürckel Platz nahm. Der sachliche Teil der Unterredung befaßte sich mit der Frage des Verhaltens der österreichischen Nationalsozialisten zum Abstimmungsgedanken: ob dieser überhaupt anzunehmen sei, ob Stimmenthaltung erwägbar wäre, daß eine andere als eine verbürgt geheime Abstimmung in keinem Falle in Frage komme. Das war aber alles weniger interessant. Viel interessanter war das Ergehen Hitlers in seine allgemeinen Betrachtungen. Während ich, zusammengekauert und doch ein wenig eingeschüchtert, auf dem Sofa saß, schritt er vor mir laut denkend auf und ab, mir nur ab und zu eine Frage wie einen Gummiball zuwerfend. Manchmal wurde die Unterredung durch eintretende Persönlichkeiten unterbrochen. Bodenschatz 7 3 ) kam, um mir mitzuteilen, daß ich im Hause Görings als dessen Gast wohnen würde. U m

70) 71)

Laut Aussage Eduard Ludwigs bereits am Montag, den 7 . 3 . 1 9 3 8 . Vgl. Rosar, 246.

Vgl. dagegen die Aussage Seyß-Inquarts, die den Erinnerungen Zernattos widerspricht. Texte bei Rosar, 246 f. 72 ) Rainer erklärte 1942, der Brief sei erst am 9 . 3 . vormittags geschrieben worden. Text bei Rosar, 248 f. 7 3 ) Karl Bodenschatz (Reham, Oberfranken, 1 0 . 1 2 . 1 8 9 0 bis ?), 1914 Leutnant, Adjutant Richthofens und Görings im 1. Weltkrieg, 1918/19 in die Reichswehr übernommen, 1932 Major, 1933 persönlicher Adjutant Görings, 1938 Gen.Mjr. und Chef des Ministeramtes im Reichsluftfahrtministerium, 1942 Gen. d. Flieger, 2 0 . 7 . 1 9 4 4 schwer verletzt. Sein Erinnerungsbuch: Jagd in Flanderns Himmel, München 1935.

Die Nacht vom 9./10. März 1938 in der Reichskanzlei

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etwa 3 Uhr erschien auch Goebbels, von einer Abendveranstaltung kommend, in Smoking gekleidet. Mit geringer Freude konnte ich beobachten, wie dieser große Poseur mit dem Führer sprach. Es war für ihn ein Gottesdienst. Er rollte in Verzückung die Augen und ließ das Wort „Mein Führer" wie ein inbrünstiges Gebet vibrierend über seine Zunge rollen. Blitzschnell kam mir der Gedanke: Also so muß mans oder kann mans auch machen! Ich habe über diese aufregungsvollen 2V2 Stunden keine Aufzeichnung niedergelegt 74 ). Aber einiges prägte sich mir so in die Seele, als ob es heute gew esen wäre. Das, was Hitler wirklich tun wollte, verriet er nicht oder wußte er - fast möchte ich das letztere glauben - selbst noch nicht genau. Eine gewaltsame Lösung lag aber schon stark im Bereich seiner Erwägungen. Von Bombengeschwadern über Wien hörte ich in dieser Nacht und auch die nächsten 12 Stunden mehr als einmal sprechen. Mitunter äußerte man auch Zweifel, ob es nicht zunächst Flugzeuge mit Propagandaschriften täten. Wie vor 14 Tagen in München schwelgte Hitler auch diesmal in Zahlen und in Begeisterung über die treffliche Ausrüstung, die er - ja wirklich ein Wunder - in 3 Jahren seinem Heere gegeben hatte. Dabei fiel allerdings ein Wort, das mich erschauern machte: „Ist es denn nicht überhaupt sündhaft, eine solche Armee ungenützt stehen zu lassen!" Er war, darüber konnte kein Zweifel bestehen, schon jetzt zum Äußersten entschlossen - auch gegenüber seiner Heimat, der gegenüber ihn die historische Haßliebe des Emigranten erfüllte. Neben dieser Robustheit des grandiosen Gewalttäters lag aber in die Seele des Mannes sofort wieder Mystik und Romantizismus gebettet. Goebbels kam auf die Iden des März zu sprechen und meinte in Erinnerung an die Rheinlandbesetzung und den Aufrüstungsbeschluß, die beide in diesen Monat fielen: „Mein Fü-ü-ührer, der März war in Ihrem Wirken immer ein besonderer Glücksmonat." Hitler: „Sie haben recht soll ich diesmal diesen glücklichen Monat wirklich untätig vorübergehen lassen?" Nebenher beschäftigte ihn offenbar auch die Führerfrage in Österreich. Daß Schuschnigg nicht mehr in Betracht kam, war klar. Denn die Fragenstellung für die Volksabstimmung, wie sie sich aus dem Briefe Seyß-Inquarts ergab, war vielleicht

74

) Glaise-Horstenau schrieb in N ü r n b e r g eine A r t letzte Rechtfertigung f ü r die Zeit bis 13.3.1938 in der F o r m der B e a n t w o r t u n g einer Reihe von zwölf Fragen in zwei Fassungen (sign. B/67, nr. 33 u. 34) und einer Ergänzung zu bestimmten Fragen (sign. B/67, nr. 35). Diese übermittelte er als Anlage zu einem Brief, der im Durchschlag vorliegt, N ü r n b e r g , am Karfreitag den 19. April 1946, an den Verteidiger Seyß-Inquarts D r . Steinbauer (sign. B/67, nr. 28). In diesem Brief f ü h r t Glaise aus: , , . . . Hitler kannte mich von meiner letzten U n t e r r e d u n g mit ihm als G e g n e r jeder gewaltsamen Lösung. Wie ich erst in den allerletzten W o c h e n aus Mitteilungen seines früheren A d j u t a n t e n Julius Schaub (Zeugen D r . H ö t t l u n d der ehem. Reichsleiter A m a n n ) entnehmen k o n n t e , hat er mich am 9. März abends von meinem privaten Aufenthalt in der Pfalz nach Berlin nicht aus Interesse f ü r meinen Standpunkt gebeten, sondern er äußerte sich in seinem Kreise im Gegenteil dahin, daß ich für die nächste Zeit nicht nach Österreich zurückgelassen werden dürfe, u m seine Pläne nicht d u r c h Erzielung eines friedlichen A r r a n gements zu d u r c h k r e u z e n . " In B/67, nr. 34, S. 20 schreibt Glaise: „ E r s t seit einem halben Jahr weiß ich von verläßlichen Zeugen, daß H i t l e r seit dem Bekanntwerden der österreichischen Plebiszitabsichten u n ter allen U m s t ä n d e n z u m Einmarsch in Österreich entschlossen war und z w a r f ü r den 12., den Vorabend der geplanten V o l k s b e f r a g u n g . " Vgl. die Schilderung von Hitlers Reaktion am 9. M ä r z abends (allerdings o h n e Belegstellen) bei D . Irving, Hitlers Weg z u m Krieg, München-Berlin 1979, 168f.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

nicht dem Buchstaben, aber dem Sinne nach eine Entgegnung auf das Berchtesgadener Abkommen, der Versuch, es ad absurdum zu führen durch das Volk, und mußte damit - das wußte ich um 1 Uhr mittags in Landau - von dem, wie wir seither alle wissen, in solchen Dingen besonders empfindlichen Hitler als Herausforderung empfunden werden. An irgendein Zusammengehen der beiden war nicht mehr zu denken. Das sagte sich wohl auch Hitler, als er während seines Hin- und Hergehens plötzlich vor mir stehen blieb und mich fragte: „Was macht eigentlich der Starhemberg?" Starhemberg hatte als Mitglied des Bundes Oberland den 9. N o vember in München miterlebt und wäre daher Träger des Blutordens geworden. Als er sich später von Hitler lossagte, bewahrte ihm dieser noch immer eine gewisse Schwäche. Trotz dieser Neigung für den fürstlichen Condottieri mußte ich in der Nacht auf den 10. März Hitler antworten: „Mein Führer, mit Starhemberg ist in der inneren Politik Österreichs nichts mehr anzufangen." (Ernst Rüdiger Starhemberg weilte seit einiger Zeit mit seiner jungen Frau Nora Gregor in der Schweiz und schrieb zu Anfang März seinem Vetter Rudolf Hoyos, dem damaligen Präsidenten des Staatsrates, der Anschluß sei wohl nur mehr eine Sache von Wochen. Der politische Sinn, der dem Manne manchmal eigen war, hatte sich auch in dieser Bemerkung erwiesen 75 ).) Gegen Ende der nächtlichen Unterredung, an der Bürckel, der künftige und wohl schon designierte Diktator Österreichs, nicht mit einem Worte teilnahm, wurde festgestellt, daß endgültige Entschlüsse wohl erst gefaßt werden könnten, bis man ein genaueres Bild über die Augenblickslage in Österreich gewänne. Der Führer hatte am Vortag Keppler nach Wien geschickt; seine Rückkehr wurde für den kommenden Vormittag erwartet. Es zeugt vielleicht für geringen politischen Sinn, wenn ich bekenne, daß ich noch immer den Eindruck hatte, es handle sich nicht um den Anschluß, sondern um eine verläßlichere Gestaltung der österreichisch-deutschen Beziehungen im Zusammenhang mit der richtigen Stellungnahme der österreichischen Nationalsozialisten zur Abstimmungsfrage. Während wir uns gegen 4.30 Uhr früh zum Aufbruch anschickten, warf irgendwer die Frage auf, ob es nicht zweckmäßig wäre, wenn Hitler den neuen, zur Verabschiedung in London weilenden Außenminister v. Ribbentrop telegraphisch herbeiriefe. Der Führer antwortete in auffallender Kürze: „Nein, den brauche ich nicht - ich werde mir den ruhigen, überlegten Schwaben Neurath kommen lassen." 76 ) Mich verhieß er für 11 Uhr rufen zu lassen, damit ich möglichst rasch nach Wien zurückkäme. 75 ) Vgl. L. Jedlicka, Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg und die politische Entwicklung in Österreich im Frühjahr 1938, in: L. J., Vom alten zum neuen Österreich, St. Pölten 1975, 289-310. 76 ) Vgl. Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn, Akten der Dienststelle Ribbentrop, 1/1, Bd. 1, fol. 28926f.: Vertrauliche Aufzeichnung des persönlichen Referenten Ribbentrops, Rudolf Likus, Leiter seines Nachrichtendienstes, über eine „mehrstündige Unterredung" mit Glaise-Horstenau, am 20.4.1938, die offenbar herbeigeführt worden war, um auf diese Weise für Ribbentrop über die Erlebnisse Glaise-Horstenaus am 10./11.3.1938 und speziell über die Rolle Neuraths Informationen zu verschaffen. Glaise-Horstenau gab damals den Ausspruch Hitlers ebenfalls wieder. Weiter heißt es: „ A m Donnerstag den 10. März empfing der Führer in Stuttgart den Reichsminister Freiherrn von Neurath, der sich laut Aussage Horstenaus für ein schnelles Zugreifen ausgesprochen habe. Die Tatsache dieses

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Bodenschatz hatte mir unmittelbar nach der Ankunft mitgeteilt, daß ich bei Göring zu Gast weilen würde. Da ich nichts sonst, als was ich am Leibe hatte, mitführte, ließ er um 3 Uhr früh aus einem zwangsweise geöffneten Parfümerieladen Zahnbürste und Zahnpasta für mich holen. Aus seinen eigenen Beständen lieh er mir ein nagelneues Nachthemd, das beziehungsreich in meiner Lieblingsfarbe violett gehalten war. Die Unterkunft im Wohnhaus Hermanns im Garten des Luftfahrtministeriums war prachtvoll, das Badezimmer zeichnete sich durch besondere Schönheit aus und war so groß wie meine ganze Wiener Wohnung. Ich schlief einen ziemlich kurzen und unruhigen Schlaf. Für 10 Uhr war ich beim frisch gebackenen Feldmarschall - seine Ernennung war nach der Blombergkrisis erfolgt - zur Meldung angesagt. Dieser hatte eben gefrühstückt, war aber schon seit 7 Uhr früh am Schreibtisch gesessen. Er trug die Uniform mit dem Marschallstab und der großen Ordensschnalle. Ausgerechnet für diese Tage war das von ihm präsidierte Kriegsgericht anberaumt, das der anfangs Februar gleichfalls weggeschickte Generaloberst Freiherr v. Fritsch wegen infamer gegen ihn erhobener Anschuldigungen erbeten hatte. (Die Drahtzieher der Krisis in ihren Weiterungen hatten Fritsch verschiedener Verfehlungen gegen den § 175 bezichtigt und auch ein käufliches Subjekt als Belastungszeugen gefunden, der aber am Ende doch nicht „durchhielt". Fritsch wurde freigesprochen und erhielt ein Artillerieregiment, in dessen Reihen er im Herbst 1939 in Polen den Heldentod fand.) Wie immer mußte ich auch in diesem kurzen Gespräch mit Hermann wahrnehmen, daß wir keine innere Brücke zueinander fanden. Gewiß habe ich oft auch Hitler keineswegs nach dem Munde gesprochen und innerlich trennte uns eine Welt. Aber der Kontakt war doch meist wieder herstellbar. Mit Hermann gelang es mir nie; schon nicht, als wir uns im Oktober 1936 vor der Beisetzung von Gömbös im

Besuches hatte ich bereits am Samstag, den 13. M ä r z , dem Reichsaußenminister nach dessen R ü c k k e h r aus L o n d o n mitgeteilt, R i b b e n t r o p war von dieser Tatsache sichtlich unangenehm b e r ü h r t , da er nicht wissen k o n n t e , was zwischen dem F ü h r e r und H e r r n von N e u r a t h besprochen w o r d e n war. Als ich nun am 20. April nach einem Gespräch mit Glaise-Horstenau H e r r n von R i b b e n t r o p die oben geschilderten Z u s a m m e n h ä n g e erzählte, zeigte er sich sichtlich befriedigt. . . . " Glaise-Horstenau erklärte in diesem Z u s a m m e n h a n g auch gegenüber Likus, er hätte „sich als österreichischer Minister einerseits seinem Lande verpflichtet" (ge)fühlt, „andererseits aber auch dem F ü h r e r gegenüber eine Gewissenspflicht in sich (ge)fühlt . . . U m sich über den inneren Konflikt hinwegzuhelfen, ließ er sich von Generalfeldmarschall G ö r i n g 36 Stunden lang in Karinhall internieren." Bezüglich der Rolle N e u r a t h s vgl. die Tagebuchaufzeichnung Weizsäckers vom 10.3.1938 bei Hill, Weizsäcker-Papiere, 122f: „ D e r A b s t i m mungsplan Schuschniggs ist eine schlechte Kopie deutscher Abstimmungsvorgänge. H a t Mussolini dazu geraten? Ich bin der Ansicht, man sollte in Österreich die Volksseele kochen lassen, im Reiche keine Stellung n e h m e n und schließlich sich von Österreich bitten lassen, ihm die H a n d zi reichen. In der Reichskanzlei, w o in Abwesenheit des in L o n d o n befindlichen R i b b e n t r o p plötzlich N e u r a t h - zu dessen kindlicher Begeisterung - wieder in G n a d e n ist und geholt wird, besteht o f f e n b a r in A u f l e h n u n g gegen Schuschniggs „ V e r r a t " (ich glaube es ist die vom Beichtvater stammende Reue wegen der Berchtesgadener Abrede) die Absicht der Liquidierung im G r o ß e n , d. h. Einmarsch. 6.30 U h r abends erfahre ich von N e u r a t h , daß am 12.3. einmarschiert werden soll. Wir besprechen alle diplomatischen M a ß n a h m e n . Vor allem dränge ich darauf, die innerösterreichischen Vorgänge so zu gestalten, daß wir d o r t gebeten werden zu k o m m e n , um den historisch richtigen Ansatz zu erhalten. Diese Idee, welche N e u r a t h und der Reichskanzlei neu zu sein scheint, will N . noch in letzterer absetzen."

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

Hause des Gesandtschaftsrates v. Heinz (Rainerpalais) trafen und dann auch nicht im April 1937. Ganz besonders schlecht sollte der bevorstehende Tag, der 10. März 1938, verlaufen. Der Inhalt unseres Gespräches am Vormittag ist mir nicht mehr in Erinnerung. Nur so viel weiß ich noch, daß mir Hermann den Anschluß auch durch den Hinweis auf die viel bessere Bezahlung im Reiche schmackhaft machen wollte. Was seien wir österreichischen Minister doch für arme Schlucker! Er verfüge über eine sechsziffrige Einkommenszahl, wobei er die Frage, ob monatlich oder jährlich, offen ließ. Ich bin seither leider nicht mehr in die Lage gekommen, dieses Gespräch mit Hermann nochmals aufzunehmen. Ich hätte ihm sonst sagen müssen, daß ich als deutscher Minister samt der steuerfreien Dienstaufwandentschädigung nach Kaufkraft weniger hatte als vor 15 Jahren als schlichter Direktor des Kriegsarchivs und ohne Dienstaufwandentschädigung weniger als 1914 als k . u . k . Hauptmann des Generalstabes. Von Hermann allein gelassen, harrte ich der für 11 U h r angesagten Berufung zum Führer. Aber als ich den in der Reichskanzlei weilenden Bodenschatz aufrief, sagte mir dieser, daß sich die Sache ziehen werde, da bisher wohl Neurath, aber noch nicht Keppler bei Hitler erschienen sei. Letzterer warte im Vorzimmer. Ich sprach auch mit ihm ein paar Worte, ohne mehr erfahren zu können, als daß unter der österreichischen Arbeiterschaft ziemlich viel antinationalsozialistischer Wirbel gemacht werde. Inzwischen hatte ich auch den in Stuttgart verbliebenen Kramsall erreicht und ihm aufgetragen, mit meinem Koffer nach Wien zurückzufahren - hoffend, daß ich mit Flugzeug doch noch wesentlich früher daheim sein werde. G e genüber Wien stellte ich mich noch eine Zeitlang tot. Erst am späteren Nachmittag rief ich Beate an, um Seyß über Muff Mitteilung von meinem Abstecher zukommen zu lassen. Selbstverständlich hat es damit auch die Wiener Polizei erfahren. Zu Mittag aß ich mit Hermann, der sich bei mir entschuldigte, nur in einem gewissen Anzug: einer grauen Hose und einem sweaterartigen Oberkleid, gemütlich essen zu können. Als Dritter hatte sich am Tisch Franzi Hueber eingefunden, der plötzlich wie ein deus ex machina aufgetaucht war 7 7 ). Ich glaube, Hermann hat ihn gleich zu Beginn der Verschärfung der Krisis herbeigerufen. Der gute Hueber, der nichts zu riskieren und zu verantworten hatte, gefiel sich in außerordentlich radikalen Phrasen, was seinem Schwager sichtlich gefiel; er sah offenbar den ersehnten Ministersessel vor sich. Hermann hatte einen hervorragenden Appetit, saugte am Schlüsse mindestens ein halbes Dutzend „Apfelsinen" aus und nahm dann ein Pulverl, das offenbar der Entfettung dienen sollte. Mit dem Gespräch ging es mir nicht besser als am Vormittag. Einmal wurde er aus Karinhall ans Telephon gerufen. Aus

" ) H u e b e r war bei Starhemberg in der Schweiz gewesen, um mit diesem, dem Leiter der ö s t e r r e i chischen T u r n - und Sportfront, darüber zu verhandeln, wie er, H u e b e r , als nationaler Vertrauensmann in diese Organisation eingebaut werden könnte. Laut H u e b e r , Mitschrift Peter B r o u c e k seines Vortrages am 2 4 . 4 . 1 9 7 8 im „ N e u e n K l u b " , hätte Starhemberg damals die Ansicht geäußert, der Anschluß wäre unvermeidlich, hätte aber gleichzeitig seine Loyalität gegenüber Schuschnigg betont. Vgl. auch R o s a r , 262.

D e r 10. M ä r z bei Göring und Hitler

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dem wilden Löwen wurde sofort ein gezähmtes Lämmchen, das sich nicht genug in zärtlichen Fragen und Antworten ergehen konnte. Mein Hausarrest dauerte weiter. Bodenschatz sagte durchs Telephon, der Führer diktiere fleißig, er sinne doch noch immer auf eine friedliche Lösung. Diese mehrfache Bemerkung des braven Bodenschatz beeinflußte mein Urteil einigermaßen und ließ mich übersehen, daß es nachmittags rund um Hermanns herrliches Büro wie in einem Kriegshauptquartier aussah. Auch Heinrich Himmler begegnete ich, wobei ich mit einem Blick auf die mächtigen Kartenrollen, die er trug, lächelnd die Bemerkung wagte: „Ist das der Operationsplan für die Eroberung Österreichs?" 7 8 ) Der Nachmittag verlief recht langweilig. Gegen 7 Uhr nahmen Hueber und ich zusammen Kaffee und Kuchen ein, und zwar in ziemlichen Mengen, da das lange Warten Hunger bereitet hatte. Endlich um 8 Uhr abends erschienen Hermann, Hueber und ich beim Führer. Es war eine ziemliche Bewegung in den Räumen Hitlers; unzählige Personen kamen und gingen. Wir vier - die Anwesenheit Huebers war mir gar nicht angenehm - zogen uns in eine Ecke zurück und Hitler entfaltete zwei Schriftstücke. Es waren Entwürfe, an denen er nachmittags über gedoktert hatte und die vor allem für Seyß und mich bestimmt waren. Sie gingen von der Annahme aus, daß Schuschnigg bis zu der ihm von Hitler gestellten Frist - morgen 12 Uhr mittags - die Volksabstimmung nicht zurückziehen werde. Für diesen Fall hatten wir und die neun volkspolitischen Referenten beim Bundespräsidenten unsere Demission zu geben. Der Wortlaut war uns im ersten der beiden Schriftstücke Hitlers vorgeschrieben. Schon daß die volkspolitischen Referenten ins Demissionsanbot miteinbezogen waren, war eine verfassungsrechtliche Unmöglichkeit, da diese Personen ja gar nicht vom Staatsoberhaupt bestellt waren. Auch sonst entsprach für den Kenner Österreichs das Konzept in vielen Einzelheiten nicht den Gegebenheiten, so daß jeder, der es las, erkennen mußte, daß es von einer mindestens formal uniformierten Persönlichkeit entworfen war - womit der noch immer bestehende Wunsch Hitlers nach Geheimhaltung seines Eingreifens durchkreuzt worden wäre. Noch weniger glücklich war das zweite Schriftstück abgefaßt, das nicht mehr und nicht weniger enthielt als einen revolutionären Aufruf, den Seyß, ich und die volkspolitischen Referenten von Wien aus durch Zeitungen und Radio erlassen sollten! Wie, war nicht gesagt. Ich wagte denn auch, auf diese Mängel der beiden Entwürfe ziemlich freimütig hinzuweisen. Außerdem meinte ich, man könne angesichts des raschen Verlaufes der Begebenheiten in Österreich nicht schon heute ein Minutenprogramm für das entwerfen, was 12 und 18 Stunden später geschehen werde. Ich habe ziemlich offen gesprochen und gestehe, daß mir's noch heute kalt über den Rücken läuft, wenn ich daran denke, was ich mir damals noch herauszunehmen wagte. Ohne es einzubekennen, habe ich mit der Bitte, Hitler möge uns in der von uns zu wählenden Taktik freie Hand lassen, im Unterbewußtsein wohl auch die Hoffnung gehegt, doch noch zu einer evolutionären Lö78 ) Zu den deutschen militärischen Vorbereitungen vgl. F. Fritz, Der deutsche Einmarsch in Österreich 1938 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 8), Wien 1968, 9ff.; Wagner - Tomkowitz, 8 4 - 9 0 u. 100-102; Irving, 170f.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

sung des Konfliktes gelangen zu können. Der Führer war über meine Einsprache sichtlich böse und schnitt sie mit den Worten ab: „Ich habe das alles genauestens durchgedacht, ich trage die volle Verantwortung." Auch gegenüber Hermann gab es einen Meinungsstreit. Es wurde verabredet, daß Hueber und ich morgen 6 Uhr früh mit Sonderflugzeug nach Wien abgehen sollten. Ich warf die Frage des Transportes der beiden Schriftstücke auf. Daß Hueber oder ich sie bei sich hätten, hielt ich aus polizeilichen Gründen für unzweckmäßig. War doch die ganze Aktion so angelegt, daß Berlin offiziell aus dem Spiele blieb - was ich auch deshalb gut hieß, weil uns diese Taktik in Wien größere Freiheit sicherte! Es war aber nicht ausgeschlossen, daß uns die Polizei bei der Ankunft in Aspern irgendwie stellte - da war es schon zweckmäßig, die Schriftstücke lieber einem Kurier anzuvertrauen. Hermann wollte dies aber bei seiner Robustheit absolut nicht begreifen, so daß ich schon ungeduldig entgegnete: , , J a , verstehen Sie, Herr Marschall, mich denn wirklich nicht?" Was er neuerlich verneinte. Hueber gefiel sich auch bei diesen sehr bedeutsamen und schwierigen Unterredungen, bei denen mir wahrlich nicht sehr wohl war, in einem lächerlichen, nichts riskierenden Radikalismus, so daß ich schon ärgerlich wurde. Inzwischen ging das Gewoge in der Reichskanzlei weiter; ein Teil der Anwesenden sammelte sich um das kalte Büffet, das aufgestellt war. Plötzlich erschien Globocnik und ich sah alsbald ein Bild, das sich mir tief einprägte, da es für mich Bände sprach. Hitler hakte sich in den rechten Arm Globocniks ein und ging in der Saalreihe mehrmals in eifrigem Gespräche mit ihm auf und ab. Ich sagte mir in diesen kurzen Augenblicken, wie nahe ihm dieser „alte Kämpfer" im Vergleiche zu mir doch stand. Vieles spricht auch dafür, daß er seinem alten Anhänger, der noch dazu bei Himmler besonders verankert war, viel, viel mehr von seinen nächsten Zukunftsplänen mitteilte als mir. Wie es denn auch bezeichnend ist, daß man Hueber und mir sagte, ein Nachtflug nach Wien könne nicht in Frage kommen - indes „Globus" doch noch vor Mitternacht aufstieg und bereits um 1 Uhr früh in Wien mit Seyß und den volkspolitischen Referenten eine Beratung abhalten konnte. U m etwa 10 Uhr abends verabschiedete ich mich vom Führer, der - von mehreren Leuten umgeben - wie einstmals Christus zu mir sagte: „ W i r werden uns erst in ein paar Tagen wiedersehen." Ich blickte ihn groß an, war aber innerlich doch so aufgewirbelt, daß ich mir auf den Ausspruch Hitlers eigentlich keinen Reim zu machen wußte. Zum Nachtmahl war ich wieder bei Göring. Er hatte wieder sein seltsames Essenskostüm angezogen und entwickelte abermals einen glänzenden Appetit. Von mir konnte ich nicht das Gleiche sagen, da ich nach dem ausgiebigen Kaffee um 18.30 Uhr noch in der Reichskanzlei einige Brötchen zu mir genommen hatte. Schon die mir dadurch aufgezwungene Enthaltsamkeit legte Hermann als Schwachherzigkeit aus. Zu allem Unglück gab es gleich zu Anfang mächtige Portionen Kaviar, den ich nie esse und daher auch diesmal zurückwies - was bei Hermann dem Faß den Boden ausstieß. Wenn ich in dieser Stunde keinen Kaviar aß, so fand er nur eine Begründung dafür: daß mir eben das Herz völlig in die Hose gesunken war. Hueber dagegen sprach den verschiedenen Genüssen fröhlich zu und erwarb

Der 10. März bei Göring und Hitler

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damit offenbar endgültig den Anspruch auf einen Ministerfauteuil, den er schon einmal im Ubergangskabinett Vaugoin (1930) innegehabt hatte. Der Abschied von Hermann war ziemlich kühl. Ich zog mich in meine Gemächer zurück und stieg in das fürstliche Bad, als es mehrmals an die Tür klopfte. Ein dienstbarer Geist rief mich, ich solle, wie ich war, zum Marschall hinunter kommen. Ich schlüpfte ins violette Nachthemd Bodenschatzens und zog in Ermangelung von Hausschuhen meine Halbschuhe über den nackten Fuß. An Stelle eines gleichfalls fehlenden Schlafrockes ließ ich mir meinen Mantel, den ich im Vorraum Hermanns gelassen hatte, herbeibringen und hüllte mich in ihn. So gekleidet erschien ich vor dem Vielgestrengen, der mich etwas belustigt ansah. Ich schrieb es im allgemeinen meinem etwas wenig hoffähigem Aufzug zu und ahnte nicht, daß mir der Kammerdiener statt meines Uberrockes den des ungleich kleineren Generalobersten Milch gebracht hatte, der, während ich gerufen wurde, bei Hermann war. Erst später wurde ich des Irrtums gewahr und Milch und ich tauschten unsere Mäntel einige Wochen später bei einem Wiener Besuch des ersteren. Aber an jenem ereignisreichen 10. März gegen Mitternacht muß ich mit meinen behaarten nackten Beinen und dem kurzen Mäntelchen wirklich komisch ausgesehen haben. Göring wies mir zu den mir schon bekannten zwei Konzepten im „Auftrage des Führers und Neuraths" ein drittes vor für einen telegraphischen Hilferuf, den Seyß, ich und die volkspolitischen Referenten nach Deutschland senden sollten, falls Schuschnigg nicht nachgab oder es sonst nicht ging, und in welchem es beiläufig hieß, daß die dem Bürgerkrieg zutreibende Lage in Österreich unbedingt das Eingreifen deutscher Truppen fordere. Ich überschätzte in all diesen Stunden die innere Kraft Österreichs noch unerhört und dachte: Ein solches Telegramm wird wohl nie durchgelassen, wohl aber die Belangung aller in den Schritt Verwickelten wegen Hochverrates zur Folge haben. Ich erlaubte mir eine Bemerkung dieses Sinnes und warnte Hermann davor, die Anhänger Deutschlands in Österreich so sitzen zu lassen, wie es im Juli 1934 geschehen war. Hermann fuhr mich an: „ I c h mache Sie aufmerksam, es geschieht alles unter der vollen Verantwortlichkeit des Führers." Ich zog mich ziemlich betroffen zurück. Am anderen Morgen, nach einer ziemlich schlaflosen Nacht, stieg ich um 6 Uhr früh mit einer Sonder-Ju in die Lüfte auf. Außer mir befanden sich im Flugzeug noch Franzi Hueber mit aufreizend triumphierendem Gesicht und der Kurier, der die drei mehrfach erwähnten Konzepte mitführte 7 9 ). Immer wieder tauchte später in der feindlichen Literatur und in den feindlichen Sendern die Mitteilung auf, ich hätte damals das „Ultimatum" an Schuschnigg nach Wien gebracht. Von einem Ul7 9 ) Rosar, 2 6 5 , rekonstruierte jedoch aufgrund diverser Quellen fünf Schriftstücke, die dann am nächsten Tag von einem Kurier nach Wien gebracht wurden: D e n von Glaise-Horstenau erwähnten Briefentwurf für ihn und Seyß-Inquart mit der Demissionsandrohung; eine Anweisung an die Parteiorganisation, die Machtergreifung in F o r m einer provisorischen Regierungsbildung zu vollziehen; die W e i sung an die Landesleitung, die Machtübernahme durch die Mobilisierung der Formationen zu unterstütz e n ; der Entwurf einer Radiorede Seyß-Inquarts mit dem Aufruf zu Ruhe und O r d n u n g ; der Entwurf eines Telegramms mit der Bitte um Einmarsch deutscher Truppen. D e r von Glaise-Horstenau angeführte „revolutionäre" Aufruf ist also anscheinend darunter nicht enthalten.

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

timatum konnte höchstens in dem Sinne gesprochen werden, daß es für mich den Anschein hatte, als käme es dem Führer noch immer doch vor allem auf den Widerruf der Volksabstimmungspläne durch Schuschnigg an. In diesem Punkte war ich aber schon in der Pfalz klug genug, um zu wissen, daß sich Hitler dieses unsinnige Plebiszit nie gefallen lassen werde. Unser Vogel mußte, da er nicht fahrplanmäßig war, den Weg über Bayern nehmen. Ich müßte lügen, wollte ich behaupten, daß ich frohgemut in die Landschaft hinabgesehen hatte. Als wir bei Passau donauabwärts einbogen und ich in trüber Färbung die wohlvertraute österreichische Gegend vor mir ausgebreitet sah, da krampfte sich mir irgendwie das Herz zusammen in dem Bangen, daß dieses mir so teure Land einem neuen unbestimmten Schicksal entgegengehe. Daß man dieses Stück deutscher Erde bald nicht mehr Österreich werde nennen dürfen (wie es seit fast 1000 Jahren hieß), vermochte ich freilich in meinen bittersten Ahnungen nicht zu denken. Nach 9 Uhr landeten wir in Aspern. Vor der , , ö l a g " harrte meiner Hofbauer mit dem Ministerauto. Seyß war, nachdem er seinen Dienstwagen zur „Täuschung des Gegners" in der Seitzergasse stehen gelassen, in einem Taxi herausgekommen. Dem Kurier gaben wir uns in keiner Weise zu erkennen. Irgendwo im dritten Bezirk gingen Seyß und ich auf und ab, während Hueber die vom Kurier in die deutsche Gesandtschaft gebrachten drei Konzepte abholen sollte. Seyß war im Gesicht ganz rot und offenkundig außerordentlich innerlich erregt. Wie ich nachher erfuhr, hatte er nach wenigen Stunden Nachtruhe um 6.30 Uhr früh in der Dornbacher Pfarrkirche die Messe besucht. Mein Freund Pater Bruno sah ihn ganz allein in der zweiten Bank über dem Missale von Schott knien und war so tief ergriffen, daß er die Messe dem stillen Beter aufopferte. Man kann nachträglich hier wirklich sagen, daß Paris eine Messe wert gewesen ist. Niemand hat Seyß seither wieder in einer Kirche gesehen 8 0 ). Seyß war für 10 Uhr zu Schuschnigg bestimmt; wir kamen überein, daß ich mitkommen solle. Hueber brachte uns die drei Konzepte und wir fuhren ins Kanzleramt. Schuschnigg empfing uns kühl und voll innerer Erregung. Seyß wies auf die großen innenpolitischen Gefahren hin, die bei Aufrechterhaltung der Abstimmungsidee drohten, und erklärte - wohl als Folge der nächtlichen Konferenz - die Nationalsozialisten würden in diesem Falle spätestens um 3 Uhr auf die Straße gehen. Irgendwie kam zwischen Seyß und Schuschnigg auch eine etwaige Abänderung der Abstimmungsparole zur Sprache, wobei Seyß seine Forderungen schon stark auf das Problem „ F ü r oder gegen Schuschnigg" zuspitzte. Ebenso wurde die Möglichkeit, ob Seyß die Bürgschaft für ein Ruhigbleiben der Nationalsozialisten übernehmen könne, eingehend erörtert 8 1 ).

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) Vgl. diesbezüglich: Rosar, 2 6 4 ; Neumann, 91.

) Vgl. die Erinnerungen Schuschniggs und Seyß-Inquarts bei Rosar, 2 6 7 ; Schuschnigg, Requiem, 6 9 ; Wagner - Tomkowitz, 154f. Glaise selbst steuerte in seinem. Interview im Völkischen Beobachter, 1 7 . 4 . 1 9 3 8 , 2, noch ein bisher unbekanntes Detail bei: „ D e r Bundeskanzler blieb unbelehrbar. Zumal die Erregung, die sein Verhalten im Zusammenhang mit Berchtesgaden in Berlin hervorrufen mußte, 81

Der 11. März im Bundeskanzleramt

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Ich warf mich auf die Außenpolitik und leitete meine Ausführungen mit dem Schuschnigg wohl kaum überraschenden Geständnis ein: „ I c h komme von Hitler." Wenn ich auch Einzelheiten verschwieg, so ließ ich gegenüber dem Kanzler keinen Zweifel offen, daß Hitler meiner Beobachtung nach zum Äußersten entschlossen sei. Ich beschwor Schuschnigg zitternder Stimme, einem Weinkrampf nahe, er möge doch klug sein und auf die unsinnige Abstimmung verzichten. „ H i e r hast D u das Telephon vor D i r ! " rief ich in unwillkürlich gesteigertem T o n , „rufe Hitler persönlich an und sage ihm, Du hast es nicht so gemeint, D u nimmst alles zurück, es war nichts!" Mit großer Geste meinte Schuschnigg, mit Berlin werde ohnehin vom Außenamt gesprochen. Wir kamen dann auf die Möglichkeit einer fremden Hilfe für Österreich zu sprechen. Schuschnigg meinte, der Hilfe Frankreichs und Englands so gut wie sicher zu sein. Und als ich das Wort Italien einwarf, da sagte er beiläufig, während ich zweifelnd den Kopf schüttelte, daß er auch von dort gute Zusicherungen habe. „ D u willst also," warf ich ein, „auch das kleine Österreich zum Ausgangspunkt eines Weltkrieges machen, wie es das große getan hat, allerdings mit dem Unterschied, daß es damals um ein unerhört wertvolles, ehrwürdiges Staatswesen ging, während es sich jetzt lediglich um die Behauptung eines Systems handelt, über dessen Wert man mindestens Zweifel hegen k a n n . " Tatsächlich scheint man vom Ballhausplatz aus in den Morgenstunden Anknüpfungsversuche zu England und Frankreich unternommen zu haben. Ich kann Schuschnigg nicht einmal der Verbohrtheit zeihen, wenn er annahm, daß ihm von diesen Seiten Hilfe werden werde. Auch ich besorgte in jener aufregenden Freitagsstunde eine europäische Konflagration noch immer. Nur an Italien zweifelte ich - selbstverständlich mit Recht. Wie ich nachher erfuhr, war am Montag den 7. März der österreichische Militärattache Oberst Liebitzky 8 2 ) im Auftrage Schuschniggs beim Duce gewesen. Dieser sagte, wie mir Salata, der frühere italienische Gesandte in Wien, ein halbes Jahr nachher in Gastein bestätigte, beiläufig: „Diktatoren können wollte er nicht verstehen. E r erklärte sich auf den Vorbehalt Seyß-Inquarts, daß die Regierung in der nationalen Öffentlichkeit jedes Ansehen verloren habe, lediglich bereit, zweierlei Stimmzettel zuzulassen, einen ,für Österreich mit Schuschnigg und einen für Österreich ohne Schuschnigg". Mit diesem Zugeständnis waren wir selbstverständlich nicht zufrieden." 8 2 ) Emil Liebitzky ( D u x , B ö h m e n , 5 . 1 0 . 1 8 9 2 bis 1 2 . 4 . 1 9 6 1 , Wien), 18. 8 . 1 9 1 3 als Lt. aus T M A . zu F e s t u n g s - A R . 1, Batteriekmdt. im Weltkrieg, 1917 Kriegsschulaspirantenkurs, ab 1 . 8 . 1 9 1 8 Dienst als Genstabsoffz., 1918 ins Staatsamt f. Heerwesen, 1 . 1 . 1 9 2 1 H p t m . , 1 0 . 7 . 1 9 2 3 D r . rer. p o l . , nach T r u p pendienstleistung ab 1927 der Adjutantur des B M . f. Heerwesen zugeteilt, 2 7 . 1 0 . 1 9 2 7 M j r . , 1 5 . 1 . 1 9 2 9 O b s t l . , 1 . 3 . 1 9 3 0 1. Adjutant des Ministers, 1 . 6 . 1 9 3 3 Militärattache für Italien, 2 8 . 6 . 1 9 3 3 O b e r s t , 3 0 . 9 . 1 9 3 8 Ruhestand; 1 9 3 8 - 1 9 4 5 in der Privatwirtschaft tätig; ab 1942 in der ö s t . Widerstandsbewegung, 1945/46 in der Staatskanzlei - Heeresamt, 8 . 1 . 1 9 4 6 enthoben und ins Bundeskanzleramt als w. H o f r a t einberufen, 1 8 . 4 . 1 9 4 6 G M . d . R . , 1 7 . 7 . 1 9 4 7 in die Pensionsabt. A des B M . f. Finanzen und dort für den Wiederaufbau eines öst. Heerwesens tätig; Aufbau der B - G e n d a r m e r i e ; 1955 Leiter des Amtes für Landesverteidigung im B K A . , 26. 7 . 1 9 5 6 G e n . d. Art. und Leiter der Sektion I (Präsidialsektion) im B M . f. L v . , 3 1 . 1 2 . 1 9 5 8 Ruhestand. Liebitzky kann als der führende österreichische Militärdiplomat 1 9 3 3 - 1 9 3 8 , Bindeglied zwischen Schuschnigg und Mussolini, und milit. Schöpfer des ( 2 . ) Österreich. Bundesheeres gelten. Sein Nachlaß: B / 1 0 3 0 . V g l . : L . Jedlicka, Ein österreichischer Militärdiplomat in R o m 1 9 3 3 - 1 9 3 8 O b e r s t des Generalstabes D r . Emil Liebitzky, in: V o m alten zum neuen Ö s t e r reich, St. Pölten 1975, 3 3 7 - 3 7 7 .

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Berchtesgadener Abkommen und „Anschluß"

sich Abstimmungen nur erlauben, wenn sie mindestens 90 v. H . der Stimmen des Volkes sicher sind. 60 v. H . wäre gleichbedeutend mit einer schweren Niederlage. Sagen Sie dies Ihrem Kanzler, warnen Sie ihn, teilen Sie ihm aber auch mit, daß in der nächsten Woche der Große Faschistenrat sich ausdrücklich zur Fortführung der bisherigen österreichischen Politik im Sinne der Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Landes bekennen wird." Wenn Mussolini später etwas von einer Bombe in Schuschniggs Händen gefaselt haben will, so ist das nicht wahr 8 3 ). Seyß und ich gingen schließlich von Schuschnigg ziemlich unverrichteter Dinge weg. Im Vorzimmer traf ich neben anderen Persönlichkeiten, die ich nicht mehr in Erinnerung habe, auch den Bürgermeister Schmitz, der käsebleich da stand. Schmitz war der unerbittlichste Feind Hitlers, dem er einen wahrhaft infernalischen Haß entgegenbrachte. Bei der letzten Fronleichnamsprozession bezeichnete er mir den Führer als einen Tollhäusler. Er, einst der größte und meistgehaßte Gegner der Sozialdemokraten, war seit einiger Zeit die Seele der Bestrebungen, R o t und Schwarz zum gemeinsamen Kampf wider Braun zusammenzufassen, und vertrat in der Außenpolitik die Idee, die österreichische Unabhängigkeitspolitik ausschließlich auf der Orientierung nach dem Westen aufzubauen. Zumal das zweite sollte sich als schwerer Fehlschluß erweisen. Frankreich und England unterließen es in der Folge nicht nur, für Österreich auch nur einen Finger zu rühren - sie opferten im September 1938 und im März 1939 auch die Tschechoslowakei, den letzten Pfeiler der Versailler Politik in Mitteleuropa, ohne mit einer Wimper zu zucken. Insofern beging Schmitz einen grundlegenden Irrtum. Aber rein geschichtlich betrachtet waren seine Gedankengänge noch immer logischer als die Schuschniggs, der sich weder zu dem einen, noch zu dem anderen Wege zu entschließen vermochte, sondern einen Zickzackkurs versuchte, der unbedingt den Keim des Mißlingens in sich trug. Auch persönlich war Schmitz ein ganzer Mann, nicht immer in den Mitteln wählerisch, aber entschieden und entschlossen, dabei ein ausgezeichneter Verwalter, der die Gemeinde Wien glänzend in Ordnung hielt. Seiner ganzen Persönlichkeit soll auch das Verhalten entsprechen, das er, seit dem Anschluß im K Z , in diesem an den Tag legt. Seyß führte mich in die österreichische Versicherungs-AG. (ehemals Phönix) in die Kanzlei seines Freundes Fischböck. Auf dem Wege trafen wir Skubl, der uns nicht, wie ich annahm, verhaftete, sondern im Gegenteil mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit behandelte und ein Stück begleitete. Skubl stammte, ein geborener Kärntner, aus der nationalen Studentenbewegung, geriet aber als Polizeipräsident des Regimes Dollfuß-Schuschnigg stark ins Zwielicht und betrachtete, bei aller äußerlichen und vielleicht sogar innerlichen Freundschaft, zum Beispiel auch den „Minister vom 11. J u l i " die ganze Zeit über das Polizeiproblem; das konnte ich

B ) Diese Versprechung bezüglich des Großen Faschistischen Rates dürfte von den Aussagen Schuschniggs (Requiem, 63 f.) und Liebitzkys (Guido Schmidt-Prozeß, 223) her bisher unbekannt sein. Die Äußerung über die „ B o m b e " dürfte von Seyß-Inquart weitergegeben worden sein und nicht von Liebitzky stammen. Vgl. Neumann, 85; Schuschnigg, Requiem, 6 3 f . ; G. Brook-Shepherd, Der Anschluß, Graz et al. 1963, 164 f.

Der 11. März im Bundeskanzleramt

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nach dem Anschluß aus verschiedenen Akten und den Mitteilungen einzelner, mich begegnender Polizeibeamten entnehmen. Er hat auch sonst mancherlei hinter meinem Rücken gemacht. Nun, am 11. März mittags, witterte er offenkundig eine bevorstehende Wandlung der Dinge, daher seine betonte Freundlichkeit. Übrigens hatte er sich auch mit Seyß sehr angefreundet, der ihn ziemlich schätzte. In der Kanzlei Fischböcks Am H o f sah es bereits wie ein Revolutionslager aus. Rainer, Globocnik, Klausner, der unvermeidliche Kai Mühlmann und alle möglichen anderen Nationalsozialisten waren da, es ging wie in einem Bienenschwarm zu. Ich trat einen Augenblick ans Fenster und sah auf den historischen Platz hinunter, der unter anderem am 6. Oktober 1848 auch die Tragödie des Feldzeugmeister Grafen Latour 8 4 ) erlebt hatte. Ein häßlicher Sturm, mehr herbstlich als frühlingshaft, wehte über das Pflaster hinweg und wirbelte große Staubwolken auf und auch die Massen von Flugzetteln, die zugunsten der Volksabstimmung nach dem Geheiß des Rathauses ausgestreut worden waren. Immer neue Lastautos sausten vorüber, besetzt von Gestalten, wie man sie im November 1918 gesehen hatte oder am 15. Juli 1927. Geballte Fäuste reckten sich in die Luft und mancher linksrevolutionäre Ausruf mischte sich in die gebrüllten Österreichbekenntnisse. Inwieweit es darüber hinaus zutraf, daß Schmitz irgendwo Arbeiter bewaffnen ließ, habe ich nicht mehr feststellen können 8 5 ). Das Ganze war jedenfalls nicht schön und verriet, wie sehr diese Stadt wieder einmal gegen ihre innerste Anlage in die Esse turbulenter Ereignisse hineingeraten war. Ich besinne mich auch nicht mehr, was in unserem Versammlungsraum gesprochen wurde. Daß sich vieles vorbereitete, von dem ich noch wenig oder nichts wußte, war mir klar. Seyß und ich zogen uns alsbald zurück und diktierten ein Schreiben an Schuschnigg, in welchem wir für den Fall, als bis 2 Uhr nachmittags die Volksabstimmung nicht abgesagt war, unser beider Demission gaben. Die volkspolitischen Referenten waren natürlich nicht mitinbegriffen. Ebenso mußten wir entgegen dem Wunsche Hitlers die Frist von 12 Uhr auf 14 Uhr erstrecken. Auch

M ) T h e o d o r G r a f Baillet de Latour ( L i n z , 1 5 . 6 . 1 7 7 0 bis 6 . 1 0 . 1 8 4 8 , Wien), einer belgischen Adelsfamilie entstammend, k . k . Feldzeugmeister, 1848 letzter Hofkriegsratspräsident bzw. erster Kriegsminister; vom Wiener Pöbel auf besonders grausame Weise ermordet. Dieser revolutionäre A k t war einer der zündenden F u n k e n , die zum K a m p f um Wien im O k t o b e r 1848 führten: H . G r ö ß i n g , D e r K a m p f um Wien im O k t o b e r 1848 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 23), Wien 1973. 8 S ) Schmitz plante die Bewaffnung der Arbeiterschaft. Vgl. seine Aussage, Guido-Schmidt-Prozeß, 193. Vgl. die Monographien und Erinnerungswerke: T h . Heinisch, Österreichs Arbeiter für die U n a b hängigkeit 1 9 3 4 - 1 9 4 5 , Wien-Frankfurt-Zürich 1968; F . Hillegeist, Mein Leben im Wandel der Zeiten, Wien 1974. F M L . Jansa hatte eine Besprechung mit K o m m u n i s t e n , ir der er erklärte, er halte einen W i derstand von 24 Stunden für möglich, wenn die Arbeiterschaft die Sicherung des Hinterlandes übernehm e ; dafür stellte er Waffen in Aussicht: E . Fischer, Erinnerungen und Reflexionen, H a m b u r g 1969, 3 2 1 . Staatssekretär Zehner verhandelte ebenfalls mit den Kommunisten: vgl. die Aussage O t t o H o r n in G u i d o - S c h m i d t - P r o z e ß , 2 2 8 f . Vgl. ferner die Augenzeugenberichte bei Wagner - T o m k o w i t z , 5 0 f f . , 151 f., 1 5 9 f . , 1 9 7 f . A u c h mit militärischen Führern der Legitimisten hatten Zehner und Jansa Gespräche über eine bewaffnete Unterstützung der Regierung geführt: Führende Persönlichkeiten waren F M L . d . R . Weihs-Tihany-Mainprugg und O b s t . d . R . R o b e r t v. Pohl. Frdl. Auskünfte v. Gustav W e i h s - T i h a n y Mainprugg an den Herausgeber.

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sonst hielt sich unser Brief keineswegs völlig an das Diktat Hitlers. Bald brachte man aus der in der Nähe befindlichen Kanzlei Seyß-Inquarts die Reinschrift und ich setzte ruhig und gelassen, innerlich wieder gesammelt, meine Unterschrift neben die meines Ministerkollegen 8 6 ). Kramsall trug, wenn ich nicht irre, den Brief ins Kanzleramt. Seyß und ich begaben uns ins Café Herrenhof 8 7 ), das in unserer politischen Tätigkeit in der letzten Zeit eine hervorragende Rolle gespielt hatte. Auf dem Wege fragte ich Seyß, wo die zwei anderen Konzepte Hitlers seien; er meinte verschmitzt lächelnd: auf dem Wege in einen Schrebergarten. Klausner hatte sie dahin mitgenommen. Ich sah keines der beiden Schriftstücke jemals wieder. Ich nahm eine gute Nudelsuppe und Äpfel zu mir, Seyß, wenn ich nicht irre, nur von den letzteren. Plötzlich eilte Kramsall herbei und meldete atemlos: U m 2 Uhr Ministerrat. Wir brachen ungesäumt auf und begaben uns auf den Ballhausplatz, wo wir im Ministerratszimmer jedoch nur Zernatto und Guido Schmidt fanden. Beide versuchten im Auftrage Schuschniggs, uns zu einem Kompromiß zu überreden, das die Abhaltung der Abstimmung doch noch ermöglichte. Da diese Vermittlung gerade von den zwei Ministern unternommen wurde, die die Hauptbeteiligten an meinem Sturze am 12. Februar gewesen sind, verhielt ich mich außerordentlich kühl. Ich mischte mich nicht in die Debatte, die sie mit Seyß führten, und erklärte, mit Seyß, den doch auch der Kanzler und die beiden Guidonen mit ihrem Vertrauen und der Führung der nationalen Politik betraut hatten, im voraus einverstanden zu sein. Lediglich als Zernatto mich fragte, ob Hitler einmarschieren werde, erklärte ich ihm, es nicht für ausgeschlossen zu halten. Nach etwa halbstündiger Unterredung kehrten die beiden Vermittler unverrichteter Dinge zum Kanzler zurück. Kurz darauf ließ er uns in die Säulenhalle rufen, trat mit bleichem Gesichte auf uns zu und erklärte wortwörtlich: „ I c h weiche dem Drucke Deutschlands und sage die Volksabstimmung a b . " Gleichzeitig forderte er von Seyß Bürgschaften dafür, daß Parteidemonstrationen abgeblasen würden. Ich besinne mich nicht mehr, wie weit Seyß diese Bürgschaften übernahm und zu übernehmen vermochte 8 8 ). Inzwischen hatte Franzi Hueber, offenbar in der hochdiplomatischen Rolle eines Beauftragten seines Schwagers, wiederholt telephonisch angefragt, ob denn noch immer keine Entscheidung gefallen sei. Seyß beeilte sich nun, zum Telephon zu kommen, und es war bezeichnend für den Zerfall des Regimes, daß ohne Schwierigkeit die direkte Verbindung mit der Reichskanzlei in Berlin aufgenommen wurde. Am anderen Ende des Drahtes befand sich Hermann, neben ihm saßen der " ) Die Mitteilungen an Schuschnigg bestanden aus einem Schreiben Seyß-Inquarts an den Bundeskanzler, in welchem unter Hinweis auf die vorhergegangene Besprechung eine Entscheidung bis 14 U h r verlangt wurde, widrigenfalls er und Glaise-Horstenau demissionieren würden. Dieses kurze Schreiben war jedoch nur eine Einbegleitung für das längere Schreiben, das bereits in Berlin zumindest in einer ersten Fassung konzipiert wurde und die Forderungen bezüglich der „ W a h l " enthielt. Vgl. die Texte bei Rosar, 2 6 8 f. 87 8S

) Augenzeugenbericht bei Wagner - Tomkowitz, ) U m ca. 14.45 U h r .

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Führer und Franzi Papen. Seyß weilte einige Augenblicke in der Telephonzelle neben dem Ministerratszimmer, dann kam er, einen zerknüllten Zettel in der Hand, mit rotem Kopf zurück. Hitler gab sich mit der Absage der Volksabstimmung nicht mehr zufrieden, er verlangte den Rücktritt Schuschniggs und die Betrauung SeyßInquarts mit der Kanzlerschaft. Seyß hatte sich mit Bleistift stenographisch ein paar Notizen gemacht. Wir kamen überein, daß nun er allein, ohne mich, zu Schuschnigg gehen sollte, da wir den Kanzler schonen wollten. Er blieb höchstens einige Minuten im Kanzlerzimmer nördlich der Säulenhalle, dann kam er, noch immer gerötet, dabei mit Tränen in den Augen und sichtlich gerührt, zu mir zurück. Ich war paff über die seelische Verfassung Seyß-Inquarts, denn ich hatte diesen kalten Nur-Verstandesmenschen solcher sentimentaler Regungen nicht für fähig gehalten 89 ). Später hat Seyß in der Presse seiner Unterredung mit Schuschnigg eine besonders revolutionäre Note verliehen. Ich glaube nicht an diese Angaben. So viel ich hörte, sei Schuschnigg nach ein paar Worten aufgesprungen mit der Bemerkung, er werde die Entscheidung des Bundespräsidenten anrufen. Für die richtige Reihenfolge der nächsten Ereignisse und vor allem für meine Zeitangaben kann ich keine Bürgschaft übernehmen; vieles ist dem Gedächtnis entwischt. Unvergeßlich ist mir das plötzliche Erscheinen Mühlmanns 90 ) und Friedel Rainers in den geheiligten Hallen des Bundeskanzleramtes. Also so weit sind wir schon, dachte ich. Seyß und ich sprachen in der nächsten halben Stunde über die weitere Entwicklung. Ich glaube, er wollte damals noch, soweit es überhaupt in seiner Art war, ehrlich mit mir zusammen arbeiten. Er entwickelte mir sein Programm: „Gemeinsame Außenpolitik, Wehrmacht, Wirtschaft sind jetzt natürlich Selbstverständlichkeiten. Dafür werde ich aber für die Innenpolitik vom Reich ein Stillhalteabkommen auf mindestens 5 Jahre fordern müssen." Ich erklärte, für diese Idee begeistert zu sein, und meinte, Seyß müsse sich sofort in ein Flugzeug setzen und in Berlin die entsprechenden Verabredungen treffen. Auch zur Innenpolitik äußerte sich der präsumtive Kanzler: „Die Nazi müssen wir natürlich jetzt zulassen. Wir werden sie mit den katholisch-nationalen Elementen zu einer Dachorganisation zusammenschließen, mit der wir dann regieren werden." Auch über die künftige Ministerliste sprachen wir. Mir trug Seyß die Vizekanzlerschaft und das Landesverteidigungsministerium an. Seine Nazivertrauten Klaus-

" ) Diese Gespräche fanden um ca. 15.00 Uhr statt. Daß Seyß-Inquart zunächst allein zu Schuschnigg ging, ist bezeugt. Glaise-Horstenau dürfte jedoch bald einem weiteren Gespräc'.i beigezogen worden sein. Darüber schreibt Schuschnigg, Requiem, 72: „Seyß kann vor Erregung nicht sprechen, Tränen stehen ihm in den Augen; Glaise scheint nicht minder erschüttert; schließlich sagt er: ,Man weiß nicht, ob man als anständiger Mensch unter diesen Umständen überhaupt noch mitmachen kann." Der andere widerspricht nicht." ®°) Zu Mühlmann äußerte sich Glaise-Horstenau etwas später laut dessen Aussage, Guido-SchmidtProzeß, 252: „ I s scho a Leich." Ich fragte: „ W e r ? " Er antwortete: „ D e r Schuschnigg. Hat schon kapituliert. Ich habe es ihm immer gesagt, mach Deine Wahlen nicht; die werden marschieren; und der macht die Wahlen doch. Jetzt ist er a Leich."

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ner und Genossen zog er in keiner Weise in Kombination. Skubl sollte Sicherheitsstaatssekretär werden, Wolf Außenminister. Als ich den Namen Hueber nannte, machte Seyß eine wegwerfende Gebärde: „Höchstens Sport- und Turnfront!" Dieses ganze Zwischenspiel beweist, daß Seyß ebenso wenig wie ich eine annähernde Vermutung darüber hatte, wohin die Ereignisse wirklich trieben. Da klingelte neuerlich das Telephon und entweder Seyß oder sonstwer erhielt von Hermann einen neuen Befehl: „ E s ist sofort ein neues Kabinett zu bilden, dessen Mehrheit aus Nationalsozialisten zu bestehen hat . . . D r . Hueber ist mit einem Portefeuille zu beteilen!" 9 1 ) Dieser Befehl öffnete mir weitgehend die Augen. Ich wußte nun, wohin das lecke Staatsschiff Restösterreichs trieb . . . das dickste Ende ahnte ich allerdings noch immer nicht. Neuer Telephonanruf. Muff teilt mir mit, daß um 5 Uhr nachmittags Keppler auf dem Flugplatz eintreffen werde. Da ich annehme, daß der Träger wichtiger Detailnachrichten aus Berlin ist, schlage ich Seyß vor, ob ich ihn nicht abholen solle. Seyß meinte: „ D a s machen wir nicht, wir wollen von Haus alle Einmischungen abwehren. Keppler ist für uns ein Fremder von Distinktion, nicht m e h r . " Ich dachte mir im heimlichen: Wenn D u nur durchhältst! 2 Tage später saß Keppler als Diktator in spe im Zimmer Schuschniggs, wobei Seyß versicherte, es sei besser, ihn so in der Nähe zu haben. Lange dauerte aber die Herrlichkeit nicht, SS-Obergruppenführer Keppler wurde alsbald durch Bürckel hinausgedrängt . . . 9 2 ) Inzwischen kamen aus den entlegenen Räumen des guten Mikolasch immer wieder Nachrichten, daß er lieber auf den Trümmern des Ballhausplatzes fallen wolle, ehe er der Berufung Seyßens zustimmte. Er war geneigt, Schuschnigg fallen zu lassen, den er nie sonderlich liebte; aber er dachte an einen Kandidaten eigener Wahl, etwa an Ender oder dergleichen. Zunächst bemühte sich Guido Schmidt, den alten Herrn herumzubekommen. Man war schon recht aufgeregt. Ich kannte aber die „Zähigkeit" des „Parterreakrobaten" und meinte beruhigend, der ganze Widerstand sei lediglich eine Frage der Zeit: ob er eine Stunde früher oder später aufhören werde. Auf allgemeines Betreiben ging auch ich schließlich zum Bundesmiklas 9 1 ) In einem kurzen Telephongespräch Seyß-Inquarts mit Göring um 15.45 U h r , in dem dieser die Betrauung Seyß-Inquarts als Forderung Deutschlands bezeichnete, war die Betrauung Huebers mit einem Kabinettsposten noch nicht enthalten. Es dürfte sich um eine Verwechslung dieses Gesprächs mit Gesprächen mit Globocnik in der deutschen Gesandtschaft, 17.00 U h r , oder mit Hueber, 17.20 U h r , handeln. Gemäß diesen verlangte Göring für Hueber das Justizressort und - vorläufig - auch das Außenministerium. Vgl. Guido-Schmidt-Prozeß, 4 6 0 f . 9 1 ) Keppler wurde am 2 0 . 3 . 1 9 3 8 vom Reichsinnenminister und vom Beauftragten für den Vierjahresplan, Göring, als ihr gemeinsames Exekutivorgan „Reichsbeauftragter für Österreich" bestimmt und nahm seine Tätigkeit am 2 2 . 3 . 1 9 3 8 auf. E r diente der Befehlsübermittlung seiner Chefs an Seyß-Inquart. A m 2 3 . 4 . 1 9 3 8 ernannte Hitler den bisherigen „Beauftragten des Führers für die Volksabstimm u n g " , Gauleiter Bürckel, zum „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen R e i c h " . Damit konnte Bürckel an Seyß-Inquart und die anderen „österreichischen" Behörden - ausgenommen die Wehrmacht - auch in grundsätzlichen Fragen Weisungen erteilen. Keppler wurde ihm angegliedert. Vgl. G . B o t z , Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 2. Aufl., Linz 1976, 54 ff.

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hinüber. Er empfing mich mit sehr rollenden Augen und sprang mich an, weil ich in meinem Stuttgarter Vortrag gesagt hatte, das neue Österreich sei 1918 als Strandgut zurückgeblieben. Wir debattierten ein wenig über diese Formulierung, die ich nicht zum ersten Mal gebraucht habe und auch heute noch für absolut richtig und zutreffend halte. Schließlich ging ich auf die aktuelle Lage über und hielt Miklas vor, ob er einen deutschen Einmarsch riskieren wollte. Miklas war noch immer ganz groß und rief die Welt in Schranken. Ich zog unverrichteter Dinge ab. In dem Vorraum zum „roten Saal", der gegen die Hinterfront der Herrengasse gerichtet ist, diesem Schauplatz vieler Geschehnisse, ging unterdessen die „Revolution" weiter. Seyß hatte, nicht ganz zu seiner Freude, durch Rundfunk bekanntgeben lassen, daß die SA und die SS (die nach dem Abkommen von Berchtesgaden eigentlich schon hätten aufgelöst sein sollen) mit der Polizei gemeinsam den Sicherungsdienst zu versehen hätten 93 ). Da wir anderen Minister alle im Zustand der Demission waren, verkörperte er in seiner Person die geschäftsführende Regierung. Ein bemerkenswerter Akt fiel in dieser Zeit. Am Dienstag hatte Schuschnigg einen oder zwei Reservejahrgänge unter die Waffen rufen lassen 94 ); am selben Tage sagte Zehner seinen Besuch in Berlin ab. Nunmehr entschloß sich am Freitag zu früher 9 3 ) Erst nach der Abschiedsrede Schuschniggs hatte Seyß-Inquart um etwa 2 0 . 3 0 U h r eine kurze R a dioansprache gehalten. E r stellte fest, „als Innen- und Sicherheitsminister nach wie vor im A m t " zu sein, wandte sich an die „ O r d n u n g s - und Sicherheitsformationen der Nationalsozialisten, dafür zu sorgen, daß überall R u h e und O r d n u n g bewahrt w i r d . " „Irgendein Widerstand gegen das allfällig einrükkende deutsche H e e r " k o m m e „ u n t e r keinen Umständen in F r a g e . " Vgl. Rosar, 289. 9 4 ) A m 10. März hatte G . d . I . Zehner die Konsignierung aller Garnisonen ab 12. März 14.00 U h r und die Aufbietung der Frontmiliz befohlen, doch wurden diese Maßnahmen noch am selben Tag auf den 11. März, 7 . 3 0 U h r , vorverlegt. A m 10. M ä r z wurde auch mit einigen Truppenverlegungen und B e reitstellungen wegen gemeldeter größerer nationalsozialistischer Kundgebungen begonnen. Durch Aufruf im Rundfunk wurde am 1 1 . 3 . 1 9 3 8 (also nicht am 8 . 3 . ) , 10.00 U h r , erstmals eine Kundmachung des Bundeskanzlers verlautbart: „ U m am Tage der Volksbefragung die volle R u h e und Ordnung zu gewährleisten, werden gemäß § 9, Abs. 2 der zweiten Verordnung zum Bundesdienstpflichtgesetz die Reservisten des Geburtsjahrganges 1915, soferne sie mindestens 10 Monate Präsenzdienst geleistet haben und ledig sind, zu einer Waffenübung einberufen. Sie haben sofort zu ihren Evidenztruppenkörpern einzurücken . . . " . U m 10.30 U h r erging der Befehl, die „ G r e n z b e o b a c h t u n g Deutsches Reich - ohne Sperrm a ß n a h m e n " , also den unmittelbaren Beobachtungs- und Meldedienst der Frontmiliz und des Bundesheeres, einzurichten, der bis etwa 17.00 U h r vollständig durchgeführt war. Etwa um 11.00 U h r erhielt das Kraftfahrjägerbataillon N r . 1 den Befehl, sechs Straßenpanzerwagen in Richtung Linz in Marsch zu setzen. Bezüglich der Einberufung des Jahrganges 1915 mußte es zu Friktionen k o m m e n , da im M o b i l machungsplan eine Teilmobilmachung wohl nach Truppenkörpern, aber nicht nach Altersklassen vorgesehen war und so die Aufstellung der Mobeinheiten nicht möglich war. D i e am 11. März durchgeführten Maßnahmen sind insgesamt nur als Bereitstellung gegen innere Unruhen und als Demonstration gegen das Deutsche Reich, keinesfalls als mehr, zu werten. Das Operationsbüro des Generalstabes wurde in die Maßnahmen nicht eingeschaltet. Vgl. E . Steinbock, Mobilmachung und Aufmarsch 1938, in: Truppendienst, J g . 1978, 2 3 8 - 2 4 2 , 4 3 3 - 5 2 1 ; K . Peball, Die militärische Situation in Wien im März 1938, in: Wien 1938 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, B d . 2), Wien 1978, 5 0 - 5 9 ; P. B r o u c e k , D i e militärpolitische Situation Österreichs 1938 und die Entstehung der Pläne zur Landesverteidigung, in: Anschluß 1938. Protokoll des Symposiums in Wien am 14. und 1 5 . 3 . 1 9 7 8 . (Veröffentlichungen Band 7 der Wissenschaftlichen Kommission des T h e o d o r Körner-Stiftungsfonds und des L e o pold Kunschak-Preises zur Erforschung der österreichischen Geschichte der J a h r e 1918 bis 1938), 135-163.

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Nachmittagsstunde Schuschnigg, den Oberbefehl über das Bundesheer, den er als Landesverteidigungsminister führte, in die Hände meines alten Freundes Sigismund v. Schilhawsky, des Heeresinspektors, zu legen 9 5 ). Schilhawsky war als Akademiker, als Leutnant bei den 4er Kaiserjägern und auch später ein lieber Kerl gewesen. Der Krieg führte uns wieder in der Operationsabteilung des A O K . zusammen, wo Schilhawsky einen hervorragenden Anteil am Zustandekommen der 12. Isonzoschlacht haben sollte. Die „Piaveoffensive" brach dem Armen zum ersten Mal das Rückgrat. Er war fürderhin unablässig von der Zwangsvorstellung erfüllt, mit einem Rucksack durch den Wienerwald vor der zusammenbrechenden Armee nach Salzburg flüchten zu müssen. In der sogenannten Kampfzeit trieb ihn Tradition, Angst vor Pensionierung und vor allem seine unglückliche, unausgesetzt Paramente stickende Frau immer mehr in die Arme des „vaterländischen Kurses", zu dessen prominentesten Repräsentanten er schließlich zählte. In den nun folgenden 24 Stunden (11. - 12. März) rechnete er es sich zu besonderem Verdienst, daß er den nicht ganz klaren Befehl Schuschniggs über einen etwaigen Waffengebrauch gegen die Deutschen zugunsten einer friedlichen Lösung ausgelegt und durchgeführt hatte. Im Vorraum zum roten Zimmer tauchten von Minute zu Minute bis dahin dort nie gesehene Größen auf. SA und SS meldeten sich mit herausfordernder Miene, irgendwie ist mir noch die lange Gestalt Kaltenbrunners, des österreichischen SSFührers, in Erinnerung. Alles trug Hakenkreuzarmbinden. Das Bundeskanzleramt wurde von der SS besetzt. Rainer, Globocnik, Mühlmann waren da, Heiterer-Schaller 96 ) und andere Ministerialbeamte, die sich Mühe nahmen, noch rechtzeitig den Anschluß an die neue Zeit zu finden. Zwischen ihnen seltsamerweise auch zum Beispiel Alexander, einer der größten Hetzer und Stabschef des Sturmkorps der VF., das in dieser Stunde seine kurze Rolle entgültig ausgespielt haben sollte. N u n erschien plötzlich Muff, um dem Bundespräsidenten die strikte Forderung, Seyß zu ernennen, zu bringen, widrigenfalls das deutsche Heer einrücken werde. Ich führte Muff zu dem Vielgestrengen hinein, der aber noch immer unerbittlich blieb 9 7 ). 9 5 ) Schilhawsky war zunächst gegen 18.00 Uhr gefragt worden, ob er das A m t des Regierungschefs übernehmen würde. Er lehnte unter Hinweis auf seine politische Unerfahrenheit und sein Alter ab. (Vgl. Schuschnigg, Requiem, 76). N a c h einer Überprüfung der militärischen Lage übertrug Schuschnigg mit Zustimmung Miklas' den Befehl über das Bundesheer an Schilhawsky und gab dies in seiner letzten direkt übertragenen Radioansprache um 19.00 Uhr bekannt. Gegen 19.30 Uhr erging der Befehl an die österreichischen Truppen: „ W e n n deutsche Truppen die Grenze überschreiten, haben sich die Truppen des Bundesheeres in die allgemeine Richtung Osten zurückzuziehen. E s darf kein Schuß abgegeben werden!" 9 6 ) Paul Heiterer-Schaller (Brünn, 19.12.1885 bis 2 . 8 . 1 9 6 8 , Wien), D r . iur., 1938 Ministerialrat, Stellvertreter des Bundeskommissärs für Personalangelegenheiten, nach 1945 Sektionschef, 1951 bis 3 1 . 1 2 . 1 9 5 5 Präsident des Verwaltungsgerichtshofes. 9 7 ) U m etwa 17.45 U h r hatte Göring in einem Gespräch mit Seyß-Inquart verlangt, als er erfuhr, daß sich Miklas noch immer weigere, ihn mit der Regierungsbildung zu beauftragen, er möge mit Muff zum Bundespräsident gehen und ihm erklären, wenn er „nicht unverzüglich die Forderungen" annehme,

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U m etwa 6 U h r erschien K e p p l e r 9 8 ) . N u n begann die eigentliche Regierungsbildung, wobei Seyß den „ F r e m d e n von D i s t i n k t i o n " schon die erste Rolle spielen ließ. D i e beiden zogen sich zunächst in einen abseitigen R a u m zurück. Bald darauf kam Keppler wieder und setzte sich an den Tisch im V o r z i m m e r der einstigen Chavannekanzlei. Er schwitzte bei Z u s a m m e n s e t z u n g der Ministerliste sehr stark, besonders, als er mir mitteilte, daß es Wunsch des Führers sei, daß Seyß als Bundeskanzler Sicherheit und Heer in seiner H a n d vereinige. Ich könne daher nicht Landesverteidigungsminister w e r d e n " ) , sondern man werde nur einen Staatssekretär bestellen und zwar in der Person des Generalstabsobersten Angelis 1 0 0 ), der in der letzten Zeit der geheime Führer des Nationalsozialistischen Soldatenbundes war. D i e Sache war natürlich hinter den Parteikulissen längst abgekartet. [ . . . ] Meine A u s s c h i f f u n g als ewig verhinderter Landesverteidigungsminister setzte mich keineswegs in Erstaunen und ich distanzierte mich in weiterem Verlaufe von der Königsmacherei Kepplers. Miklas war noch immer nicht zu bewegen, der Ernennung von Seyß zuzustimmen. Man setzte sich daher hin, u m nach bewährtem Muster (siehe erstes Kabinett Seidler im Jahre 1917) eine Regierung von „ L e i t e r n " zu ernennen. In dem Vorraum, in dem sich dieser Staatsakt vollzog - von der Wand sah gleichmütig Kaiser Ferdinand herab - war unter anderem auch eine Schreibmaschine aufgestellt. Eini-

„ d a n n erfolgt heute nachts der Einmarsch der bereits an der Grenze aufmarschierten . . . Truppen . . . und die Existenz Österreichs ist v o r b e i . " Seyß-lnquart ließ jedoch Muff allein zu Miklas gehen. 9 8 ) Zernatto, 316: „ I c h hatte meine engsten Mitarbeiter kurz über die Lage aufgeklärt und stand auf der Hauptstiege, als Herr Keppler in Begleitung von Dr. Veesenmeyer heraufkam. Keppler zog sich mit Seyß und Glaise und den Mitarbeitern des D r . Seyß in einen R a u m zurück, um die Instruktion, die er mitgebracht hatte, zu erläutern und das neue Kabinett nach den Berliner Wünschen zu konstituieren. Inzwischen hatte ich gemeinsam mit Dr. Schmidt die Möglichkeit, noch eine Aussprache mit Glaise zu pflegen, in der wir ihn fragten, ob er die Gewähr für die Sicherheit der Person Dr. Schuschniggs zu übernehmen bereit sei. Wir hielten es für richtig, daß sich der Kanzler ins Ausland begebe, weil er im Lande weder für seine Idee noch für seine Mitarbeiter wirken konnte. Glaise sagte uns seine persönliche Garantie zu und versprach dafür zu sorgen, daß der Kanzler unbehindert ins Ausland gelangen könne. D r . Schuschnigg weigerte sich indessen, das Land zu verlassen." " ) Die Frage des Ministeramtes Glaises war beim Telephongespräch, däs Keppler von der deutschen Gesandtschaft aus mit Göring führte, geregelt worden: Vgl. Rosar, 2 7 8 f . : „ G ö r i n g . . . Passen Sie auf, weiter - die Kabinettsbildung. Der Seyß soll das Heeresministerium selbst übernehmen zunächst. Dann sehen Sie, daß der Glaise-Horstenau so Minister ohne Portefeuille wird. Keppler: Geben wir ihm vielleicht das Innere? Göring: Aber die Sicherheit muß der Kaltenbrunner bekommen. Das Innere ist auch nicht gut, das hat jetzt wichtige Aufgaben. N u r wenn er so reine Formalien hat, dann ist es wurscht, nicht. . . . Göring: Klausner wird Vizekanzler und Inneres. Keppler: Jawohl. G ö r i n g : U n d der Glaise, der Glaise am besten Minister ohne Portefeuille oder was gibts da noch? Keppler: Staatssekretär beim Heer. Göring: N e e , nee, nee, nur nicht beim Heer, beim Heer darf er gar nicht auftauchen . . . Wir wollen den Horstenau sehr ehren, weil er ja ein sehr anständiger, feiner Mann ist, aber wir wollen nicht - er ist jetzt etwas nervös gewesen, in letzter Zeit, daß er so beansprucht wird. . . . " . 1 0 °) Wahrscheinlich ist die Angabe Schuschniggs, Requiem, 82, daß Generalmajor Emmerich N a g y auf der Liste der neuen Regierung Seyß-lnquart gestanden sei, ein Irrtum. Immerhin wäre es jedoch möglich, daß dieser General, der 1935 die Agenden eines Chefs der Operationsabteilung des Generalstabes bekleidete, der Weitergabe militärischer Informationen an General Muff überführt und sogleich pensioniert wurde, zunächst als Staatssekretär vorgesehen war.

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gemale schrieb Friedel Rainer darauf. Dann setzte sich aber auch ein blonder junger Mann von Anfang vierzig dazu. Alle rundherum, zumal die alten Parteigenossen, fragten mich neugierig: „ W e r ist d a s ? " Ich sagte: „ D e n kennen Sie nicht? Das ist der D r . Wimmer aus der Verfassungsabteilung." Besonders verdient um uns machte sich, es ging inzwischen reichlich auf 8 oder 9 Uhr zu, der der deutschen Gesandtschaft zugeteilte Dr. Haushofer 1 0 1 ), Sohn des berühmten Geopolitikers. Er ließ in einem mächtigen Korb belegte Brote herbeischaffen, die wir mit Heißhunger-verzehrten. Unterdessen warfen auch die Ereignisse in der Provinz ihre Schatten in das Kaunitzpalais. Aus Salzburg rief mich der Landeshauptmann Rehrl an. Er habe sich vor den Wogen der Revolution unter den Schutz der Bajonette geflüchtet, das heißt in die Brigadekanzlei. Als er mir dies sagte, schwebten meine Gedanken irrtümlicherweise in die trauten Parterrezimmer des Mirabellschlosses, in denen vor 70 Jahren der brave Haspinger seinen Geist ausgehaucht und in dessen Mauern ich manche schöne erinnerungsvolle Stunde als Brigadegeneralstabsoffizier des Generalmajor Gelb v. Siegesstern verbracht hatte. In Wirklichkeit war jetzt das Brigadekommando im Stockei der Franz-Josefs-Kaserne untergebracht. Als mich Rehrl fragte, ob er abdanken solle, antwortete ich - wenn ich nicht irre, mit Zustimmung von Seyß: „Vorläufig nicht!" N o c h immer war in meinem dummen Kopf der Gedanke nicht aufgekommen, daß wir mitten in einer tief greifenden Revolution standen, die in ihren Ergebnissen weitgehender war als die von 1918/19, wo die Sozialdemokraten, von ihrem Blickfeld aus besehen, dumm genug waren, die ältesten Hofräte in ihren Lehnstühlen sitzen zu lassen. Ebenso meinte ich zu Zernatto, als er mich, allerdings etwas früher, frug, ob er flüchten solle, es sei meiner Ansicht nach nicht notwendig 1 0 2 ). Stockinger hatte längst geschickterweise das Weite gesucht 1 0 3 ). Für Zernatto ließ Wolf als letzter Leiter der österreichischen Außenpolitik telephonisch (!) durch den Preßburger Konsul v. Troll ein Paßvisum ausstellen, das Zernatto die Flucht nach Paris ermöglichte. Diese Tat hat dem guten Wolf - das Gespräch war natürlich abgehorcht worden - manchen Vorwurf, zumal Hermanns, eingetragen. Vor der endgültigen Wahl Wolfs ist irgendwie noch von der Kandidatur Schmidts für das Außenamt gesprochen worden. Er hat sich gebrüstet, den Ruf nicht angenommen zu haben. Er wäre wohl auch endgültig nicht an ihn ergangen. Bezeichnenderweise hat in diesen Stunden Hornbostel, Schmidts Hauptvertrauensmann im Außenamt, nochmals versucht 1 0 4 ), den Gesandten Vollgruber 1 0 5 ) in ) Heinz Haushofer (geb. 1906), D r . , Diplomlandwirt, Agrarhistoriker. ) Zernatto, 318, schreibt, er hätte Seyß, Glaise und zwei weiteren Herren der neuen Regierung mitgeteilt, daß er ins Ausland abreise. Vgl. die Augenzeugenberichte über seine Flucht bei Wagner - T o m k o w i t z , 178, 2 0 2 f . , 273, 333. , 0 3 ) Vgl. Wagner - T o m k o w i t z , 166. , 0 4 ) Vgl. Wagner - T o m k o w i t z , 166f., 181, 221, 243. 1 0 s ) Alois Vollgruber (Josefstadt, 17.8.1890 bis 2 9 . 1 1 . 1 9 7 6 , Wien), Sohn eines k . u . k . G M . , nach Absolvierung der Konsularakademie in den diplomatischen Dienst, 1914-1917 Kriegsdienstleistung, ab 1919 Legationssekretär in Prag, Bukarest, R o m , 1933 ao. Gesandter u. bevollm. Minister in Bukarest, 101 102

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Paris mit Interventionsvorschlägen anzurufen. Er wurde sozusagen vom Amtstelephon weg verhaftet. Hornbostel war der Klügste im ganzen Außenamt, mit allen Salben geschmiert. Unsere Gegnerschaft, die ursprünglich durchaus einseitig war, das heißt nur er fühlte, ging weit zurück. Er war der schwerste Hasser Deutschlands, hielt ein ganzes Netz von antideutschen Fäden in der Hand und haßte daher auch mich. Dieser Haß wurde mir deutlich offenbar, als ich Ende Oktober/Anfang November 1933 den Konflikt mit den Italienern wegen meines Caporetto-Vortrages hatte. Für Guido Schmidt, der sich übrigens selbst bei Gelegenheit der besonderen Freundschaft Edens 1 0 6 ) rühmte, war er der Fuß ins Ententelager, eine Art Rückversicherung. Bei einer Veranstaltung im Rathause 1937 führte er mich mit Hornbostel zusammen und meinte: ,,Na, sprecht Euch doch einmal aus!" Hornbostel sitzt seit dem 11. März 1938 im KZ und er wird, wenn keine allgemeinen Änderungen in Deutschland eintreten sollten, kaum je herauskommen. Neurath hielt übrigens auch Guido Schmidt für eine Art von Levantiner . . . Während der Zusammenstellung des „Leiter-Kabinetts" trat Keppler an mich mit der Frage heran: „Wollen Sie wirklich nicht mehr mittun?" Mein Ehrgeiz ließ mich antworten: „Wenn Sie mir eine entsprechende Position geben - ja!" Ich sollte mit den Funktionen eines Vizekanzlers betraut werden und beiläufig das Innenressort samt den Beamtenfragen erhalten. Letzteres war mit ein Impuls, mich doch noch einmal einfangen zu lassen; denn ich wähnte, daß meine alten Kollegen in den nächsten Wochen und Monaten einer Stütze bedürftig sein würden. Endlich gegen 10 Uhr war auch Miklas mürbe geworden. Er enthob Schuschnigg und ernannte Seyß zum Bundeskanzler. Nunmehr stand auch der Bildung eines „definitiven" Kabinetts nichts mehr im Wege, in welchem ich Vizekanzler wurde der letzte Vizekanzler des Österreichs von St. Germain! Damals sprach ich noch einmal mit Schuschnigg, der mich bat, ihm die Möglichkeit zur Heimfahrt zu schaffen. Wir kamen überein, daß er das Türchen auf dem Minoritenplatz benützen sollte. Ich eilte hinaus und verabredete mit der dort im Absperrungsdienst stehenden SA das Nötige. Schuschnigg bekam Gelgenheit, in einer würdigen Radiokundgebung von seinem Volke Abschied zu nehmen. Er schloß mit dem Rufe: „Gott schütze Österreich!" 1 0 7 ) Von der durch mich geöffneten Rückzugsmöglichkeit machte er keinen Gebrauch. Vorübergehend erwog er, sich auf den neutralen Boden der nahen ungarischen Gesandtschaft zu flüchten; doch winkte man von dort ab. Schließlich verließ er um 1 Uhr, von Seyß geleitet, der auf dem Klappsitz vor 1934-1936 in Rom, 1936-1938 in Paris; 1945 Bevollmächtigter der öst. Regierung in Prag, 1947 Gesandter in Paris, 1950 Generalsekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten, 1953 Botschafter in Paris, 1955 Ruhestand. 1 0 6 ) Sir Anthony Eden Earl of Avon (Windlestone, 12.6.1897 bis 14.1.1977, Alvediston), britischer konservativer Politiker und Staatsmann, u . a . 2 2 . 1 2 . 1 9 3 5 bis 2 1 . 3 . 1 9 3 8 , 2 3 . 1 2 . 1 9 4 0 bis 2 7 . 7 . 1 9 4 5 u. 2 7 . 1 0 . 1 9 5 1 bis 5 . 4 . 1 9 5 5 Außenminister, 6 . 7 . 1 9 5 5 bis 9 . 1 . 1 9 5 7 Premierminister. 1 0 7 ) Text etwa bei Rosar, 287. Dazu die Aussage von Hans Hammerstein-Equord, Guido-SchmidtProzeß, 290: „Ich ging darauf in höchster Erregung auf Minister Glaise-Horstenau zu, hinter dem Seyß-Inquart stand, und sagte zu ihm sehr laut: , J a , das ist das Ende Österreichs, aber Du kannst gewiß sein, das ist auch das Ende Deutschlands', worauf weder er noch Seyß-Inquart etwas erwiderten."

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ihm saß, das Kanzleramt, um seine Wohnung hinter dem Belvedere aufzusuchen 1 0 8 ). E r sollte sie im Mai als politischer Gefangener verlassen . . . Ich selbst blieb auch in diesem Ereignis meinem Grundsatz getreu und begab mich ohne Rücksicht auf die brausende Revolution um 10.30 U h r abends in dem von Hofbauer geführten Auto nach Hause. Beklommenen Herzens legte ich mich in den Räumen, die ich seit dem 19. August 1913 bewohne, zu Bette. Meine Mittermeier'schen Ahnen sahen gespenstig auf mich herab. In der Stadt herrschte noch turbulentes Leben, ohne daß Ausschreitungen bekannt geworden wären 1 0 9 ). N u r als vom Balkon des Ballhausplatzes das neue Kabinett verkündet wurde, kam es bei der Nennung Skubls als Staatssekretär für Sicherheit zu gewaltigen Pfuirufen. Auch sonst entsprach natürlich das Kabinett nicht mehr dem Gebot der Stunde, da außer dem braven Bauernführer Toni Reinthaller 1 1 0 ) und dem neuen Wohlfahrtsminister D r . J u r y kein geeichter Nazi Mitglied war. Erst Wimmer, der am Sonntag vormittags seinen brennenden Ehrgeiz durch Seyß mit einem Staatssekretärsposten befriedigen ließ, besserte als „alter Illegaler" etwas das Bild. Das heißt, er hätte es bessern müssen, aber man wußte von seinem Kämpfertum in der breiteren Öffentlichkeit nicht viel. Dagegen erklärte Klausner, im Inneren fuchsteufelswild, daß er sich mit der Rolle eines nicht ministeriellen Garanten der Parteipolitik begnüge. E r

1 0 8 ) Gesandter Hoffinger gab im Guido-Schmidt-Prozeß, 141, an, Glaise-Horstenau hätte ihn nach Hause geführt. Hoffinger schilderte aber, wie Seyß-Inquart um 2 Uhr früh Schuschnigg in seine Wohnung brachte. 1 0 9 ) Generalmajor i . R . Karl Bornemann, 1938 Infanteriebrigadier der Division N r . 2 und für die Inspizierung des gesamten Bewachungs- und Sicherungsdienstes der Truppen der Garnison Wien zuständig, berichtet gegenüber dem Herausgeber und in seinem Manuskript: „Das Geschehen des März 1938 in der Sicht eines Soldaten des (1.) österreichischen Bundesheeres", Wien 1968, 7f. (sign. B/1041, nr. 53): Er sei um 5 Uhr früh des 12. März vom Kommando der Wache des Gardebataillons bei der Wache des zurückgetretenen Bundeskanzlers Schuschnigg telephonisch verständigt worden, „daß eine bewaffnete Abteilung von etwa 3 0 - 4 0 Mann in der Uniform der SA unter Führung eines ehemaligen, wegen illegaler parteipolitischer nationalsozialistischer Betätigung aus dem Bundesheer entlassenen Majors Jäger (er selbst in Bundesheer-Uniform) unter Mitwirkung von etwa zehn Polizeibeamten mit Hakenkreuz-Armbinde den Wohnsitz . . . auf etwa 50 Schritten im Umkreis umstellt hätte und anscheinend irgendeine Aktion unternehmen wolle. Die Wache sei jedenfalls bereit. Ich suchte darauf wegen sofortiger Abstellung dieser Aktion den neuen Vizekanzler General Glaise auf, der mich bat - da er ganz ohne Organe und Verkehrsmittel sei - daß ich den Kanzler Seyß-Inquart aufsuche, damit dieser solches Geschehen sofort abstelle, da jede Gewalttat für die neue Bundesregierung unerwünscht sei. Seyß-Inquart, in Dornbach von mir persönlich erreicht, über den Anschlag sichtlich unwillig, erreichte durch mich über die Schuschnigg-Wache den Major Jäger telephonisch und gab ihm den Befehl zum Abrücken, den Jäger aber nicht befolgte, sondern bis zum Abend des 12.2. in etwas größerem Abstand von der Gardewache stehen blieb." 1 1 0 ) Anton Reinthaller (Mettmach, Oberösterreich, 14.4.1895 bis 6 . 3 . 1 9 5 8 , ebendort), Bauernsohn, 1914 EF. im F H R . 2, 1.8.1915 Fhr. i.d. Res., 1916-1918 russische Kriegsgefangenschaft und Flucht, 1922 Dipl.-Ing., Forsttechniker, ab 1923 Mitglied d. N S D A P , diverse Parteifunktionen, blieb 1933 in Österreich (als einziges Mitglied d. öst. Landesleitung) und verhandelte bis 1936 immer wieder mit der Regierung, initiierte die „Aktion Reinthaller" und die „Nationale Aktion", 11.3.1938 bis 3 0 . 4 . 1 9 3 9 Minister f. Land- und Forstwirtschaft, 1940 Unterstaatssekretär im Reichsmin. f. Ernährung und Landwirtschaft, 1942 Landesbauernführer von Niederdonau, SS-Brigadeführer, 1950 zu 3 Jahren Kerker verurteilt, 1956 Bundesparteiobmann der F P Ö .

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wurde erst am Montag, nach dem Anschlüsse, durch Seyß völlig verfassungswidrig zum Minister ernannt und sein Namen nachträglich unter das Anschlußgesetz hineingeschwindelt, damit neben Jury und Reinthaller auch der von Hitler bestellte Führer der österreichischen Nationalsozialisten darauf stand 1 1 1 ). Unter gleichen unrechtmäßigen Begleitumständen erfolgte nach einer Palastrevolution die Ernennung von Globocnik, Rainer und Mühlmann zu Staatssekretären 112 ). In der Tat waren es Rainer und Globocnik gewesen, die in den gleichen Stunden, da sich auf dem Ballhausplatz die Hauptstaatsaktion der Regierungsbildung vollzog, zusammen mit Dr. Veesenmayer in der Provinz die Revolution gemacht hatten. Uberall übernahmen die Gauleiter die Landeshauptmannschaft und auch die anderen Parteifunktionäre waren zur Stelle. Von irgendwelchen „Koalitionsabsichten" im Sinne Seyß-Inquart und den meinigen war nirgends mehr die Rede gewesen. Die Machtergreifung vollzog sich allenthalben ohne den geringsten ernsthafteren Versuch der Gegenpartei, sie zu hindern oder zu stören. Zu dem berühmten Hilferuf, dessen Konzept uns mitgegeben worden war, bestand sonach kaum ein Grund 1 1 3 ). Wie mir Seyß später ausdrücklich versicherte, ist er nicht abgesendet l n ) Klausner ist bereits am 1 2 . 3 . 1 9 3 8 auf Vorschlag Seyß-Inquarts zum „Bundesminister nach Artikel 91 Absatz 3 der Verfassung 1 9 3 4 " ernannt worden. E r wird im Ministerratsprotokoll N r . 1071 vom 1 3 . 3 . 1 9 3 8 als anwesend geführt, nicht aber als Unterzeichner des Anschlußgesetzes. Auch im Bundesgesetzblatt, 25. Stück v. 1 3 . 3 . 1 9 3 8 , ist der N a m e Klausners als Unterzeichner des Anschlußgesetzes nicht genannt. m ) Vgl. Rosar, 321. Danach ernannte zwar Seyß-Inquart am 15. März Rainer, G l o b o c n i k und Mühlmann zu Staatssekretären der österreichischen Landesregierung. Das Reichsministerium des Innern verhinderte jedoch die Durchführung der Ernennung unter Hinweis auf § 5 des Reichsstatthaltergesetzes, wonach - auf Vorschlag des Reichsstatthalters - der Führer und Reichskanzler die Mitglieder der Landesregierung ernenne. 1 1 3 ) U m 2 0 . 4 5 U h r gab Hitler in der Weisung N r . 2 für das Unternehmen O t t o schriftlich den Einmarschbefehl: „ 1 . Die Forderungen des deutschen Ultimatums an die österreichische Regierung sind nicht erfüllt worden. 2. Die österreichische Wehrmacht hat Befehl, sich vor dem Einmarsch deutscher Truppen zurückzuziehen und dem Kampf auszuweichen. Die österreichische Regierung hat sich ihres Amtes suspendiert. 3. Z u r Vermeidung weiteren Blutvergießens in österreichischen Städten wird der Vormarsch nach Weisung N u m m e r 1 angetreten . . . " Bereits um 15.55 U h r hatte G ö r i n g in einem Telefonat mit Seyß-Inquart die Absendung des an Glaise-Horstenau übergebenen Telegramms urgiert. U m 17.30 U h r verlangte Göring dann von Seyß-Inquart, er solle mit G e n . L t . M u f f zum Bundespräsidenten gehen und die Kanzlerschaft verlangen, widrigenfalls der Einmarsch erfolge. Dieses Ultimatum sei bis 19.30 U h r befristet. N a c h mehreren Drohungen in den folgenden Telefonaten, den Einmarschbefehl zu geben, nachdem die in Demission befindliche Regierung Schuschnigg von Skubl die - unrichtige - Meldung erhalten hatte, der Einmarsch finde bereits statt und Schuschnigg daraufhin um 19.50 U h r seine Abschiedsrede gehalten hatte, erklärte G ö r i n g an Seyß-Inquart zwischen 19.57 und 2 0 . 0 3 U h r , er gebe jetzt den Einmarschbefehl. Dieser erfolgte dann wie erwähnt ab 2 0 . 4 5 U h r und G ö r i n g wollte nun die österreichische Autorität, die dies decke. Zwischen 2 0 . 4 8 und 2 0 . 5 4 U h r gab er daher an Keppler neuerlich einen Telegrammtext durch (Rosar, 290), in dem die provisorische österreichische Regierung „ u m baldmöglichste Entsendung deutscher T r u p p e n " bitte. G ö r i n g drängte: „ E r braucht das Telegramm ja gar nicht zu schicken, er braucht nur zu sagen: Einverstanden." Daraufhin erklärte Seyß-Inquart an Keppler - nach deren späteren Aussagen - er solle machen was er wolle. U m 2 1 . 4 5 U h r wurde dann das Telegramm telefonisch urgiert und Keppler sprach nun mit General Bodenschatz oder Reichspressechef Dietrich (diesbezüglich eine, laut Eichstädt, 527, nicht zu klärende Differenz zwischen den Quellen, der

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worden. Aber in den Akten des Auswärtigen Amtes soll das Telegramm aus Wien verwahrt sein. Prompt am frühen Morgen des 12. März marschierten auf breiter Front zwischen Passau und Bregenz die deutschen Truppen mit schwer geladenen Waffen ein. N u r in Vorarlberg soll - auch nur vorübergehend - die Gefahr eines Zusammenstoßes bestanden haben 1 1 4 ). Sonst wurden die deutschen Regimenter überall statt mit Gewehrsalven mit jubelnder Begeisterung empfangen. Die Truppen des Bundesheeres wichen an der Grenze ein paar Kilometer aus, unterstellten sich dann aber den deutschen Kommandeuren. Eine ergreifende Szene erzählte mir Dr. Gebert aus Salzburg, ein berühmter Illegaler, der dennoch Direktor der Handels- und Gewerbekammer geblieben war. A m Tage nach dem Einmarsch, Sonntags in aller Früh, trafen sich auf der Feste Hohensalzburg beim Rainerdenkmal, dessen Text ich einst gedichtet hatte, je eine Patrouille des Bundesheeres und der Reichstruppen, um den Manen der gefallenen Salzburger und Innviertier zu huldigen. ,,Es war nicht leicht," erzählte Gebert als Augenzeuge, „ d i e Gewehrgriffe in Einklang zu bringen; aber guter Wille auf beiden Seiten überwand die formalen Hindernisse und jeder hatte das Gefühl, daß sich in diesem uralten Mauerwinkel ein großes geschichtliches Ereignis in einer einfachen Handlung symbolisierte." 1 1 5 ) Leider, setze ich 5 Jahre später hinzu, brachte dieses große geschichtliche Ereignis, um das es sich zweifellos handelte, für die eine Seite, die österreichische, vorderhand nur völliges Versinken in den Orkus der Vergangenheit . . . bis zum letzten Uniformknopf und zum letzten Trompetenton . . . Veesenmayer, Kaltenbrunner und ein paar SS-Leute fuhren um Mitternacht auf den Flugplatz Aspern, um den für diese Stunde angesagten Reichsführer Himmler zu empfangen. Dieser kam aber erst um 5 Uhr früh mit mehreren Flugzeugen an. Wie man mir nachher erzählte, sprangen MG-Schützen aus den Apparaten und besetzten die Landungsstelle wie in Feindesland. D a trat Kaltenbrunner lächelnd auf Himmler zu und meldete sich bei ihm als Polizeichef. An diesem Österreich war wirklich kein Erobererruhm zu verdienen. Ich traf Himmler am 12. um 9 Uhr vormittags im Bundeskanzleramt. Er nahm mich zur Seite und sagte: „ S i e müssen Skubl zum Rücktritt bringen, er ist völlig auch Details des Wortlauts betrifft). N a c h Heinz Holldack, Was wirklich geschah, München 1949, 323, lautete das Gespräch: „Dietrich: Ich brauche dringend das Telegramm. Keppler: Sagen Sie dem Generalfeldmarschall, daß Seyß-Inquart einverstanden wäre. Dietrich: Das ist hervorragend. Ich danke Ihnen. . . . Dietrich: Also Seyß-Inquart ist einverstanden. Keppler: J a w o h l , " Eine direkte Absendung des Telegramms ist nicht erfolgt, doch wurde eine bereits vorbereitete oder rasch angefertigte Fälschung eines aufgenommenen Telegramms von Neurath abgezeichnet: „ Z u den Akten des A A . zu nehmen v. N . 1 2 / 3 . " Dieses Schriftstück trägt jedoch die Absendezeit 21.10 U h r (Faksimile bei Wagner - T o m k o witz, 366). 1 1 4 ) Vgl. M . Schönherr, Vorarlberg 1938. Die Eingliederung Vorarlbergs in das Deutsche Reich 1938/39, Dornbirn 1981, 50f. Danach standen in Feldkirch um etwa 21.30 U h r Teile der alarmierten Frontmiliz und SA-Männer einander gegenüber. Die Angehörigen der Frontmiliz unter dem K o m mando des Hauptmannes Baldessari gingen in Stellung, als sie, die vom Rücktritt Schuschniggs noch nichts wußten, zum Niederlegen der Waffen aufgefordert wurden. Dabei löste sich aus Versehen ein Schuß. Die S A zog sich daraufhin zurück. Die Gendarmerie entwaffnete später die Frontmiliz. 1 1 5 ) Glaise-Horstenau hat diese Episode in mehrere seiner Aufsätze eingebaut. Vgl. Werkverzeichnis N r . 302, 307, 315, 316.

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untragbar; Seyß kann es schwerer machen." Eben sammelte sich das neue Kabinett zur Vereidigung durch den Bundespräsidenten. Ich sprach mit Klausner, der nur als Gast anwesend war, über die Einführung der alten Offiziere in die neuen Verhältnisse. Klausner meinte, daß wohl Alfred Krauss der richtige Mann sei. Ich antwortete: „ U m Gottes Willen, alle, nur den nicht!" und schlug Bardolff vor. Als ich Skubl erspähte, trat ich auf ihn zu und teilte ihm den Wunsch Himmlers mit. Er bat, noch an der Vereidigung teilnehmen zu dürfen; unmittelbar nachher werde er zurücktreten. Himmler war einverstanden. Blaß wie eine Mauer nahm Skubl meine Mitteilung entgegen 1 1 6 ). Nun marschierten wir, mit Seyß an der Spitze, ich als frisch gebackener Vizekanzler, zu Miklas hinein. Noch einmal erlebte ich das durch die kleinbürgerliche Feierlichkeit des Bundespräsidenten etwas an Ernst leidende Zeremoniell der Ministervereidigung. Wir stellten uns vor dem mit einem violetten, schwarz aussehenden Tuch überzogenen Tischchen auf, auf welchem zwischen zwei brennenden Kerzen das silberne Kruzifix stand. Unwillkürlich erinnerte dieses Arrangement an eine Aufbahrung. In der kurzen Ansprache, die uns der Bundesmiklas hielt, klang noch das Grollen ob der an ihm verübten Vergewaltigung durch. Seyß sprach, wenn ich mich erinnere, einige belanglose Worte. Kurz nach Mittag flogen Seyß, Hueber und ich nach Linz, um dort - Adolf Hitler zu empfangen! Er hatte am Vormittag ausgerechnet in seinem Geburtsort Braunau österreichischen Boden betreten. Als vor fast 40 Jahren in Gegenwart des Kaisers Franz Joseph zwischen einem Spalier meines Regiments die neue Eisenbahnbrücke eröffnet wurde, über die nun Hitlers wuchtige Kraftwagen hinweggesaust waren, hätte es niemand für möglich gehalten, daß ein ähnlicher Akt je bald kommen werde. Nicht ohne Wehmut streifte mein Blick, als wir dahinflogen, das Donautal, die Wachau, Persenbeug, Schloß Artstetten, Maria Taferl . . . Noch beim letzten österreichischen Städtetag hatte ich unter Hinweis auf diese Landschaft unsere Pflicht hervorgehoben, diese in einen prachtvollen Rahmen gegossene gewaltige Tradition zu wahren und zu sichern. Ich hoffte, daß über kurz oder lang das ganze Deutschland der Treuhänder dieses Uberlieferungsschatzes sein werde. Das Gegenteil ist gekommen. Man wirft diesen Schatz in die Gosse und leider sind es sehr oft gerade Söhne Österreichs, die vom unglücklichen Geiste Schönerers verdorben, mit dem schlechten Beispiel vorangehen. Ich komme immer wieder darauf zurück: Im Jahre 996 kommt in einer Urkunde zum erstenmal der heilige Name Ostarrichi vor 1 1 7 ); fast 1000 Jahre später wurde er mit einem Federstrich getilgt. N u r die Feinde Deutschlands nehmen ihn noch in den Mund . . . 1 1 6 ) Dazu Skubls Zeugenaussage im Guido-Schmidt-Prozeß, 327: „Als ich am Vormittag (nach der Ankunft Himmlers) auf den Ballhausplatz ging, teilte mir Glaise-Horstenau mit, daß Himmler meinen Rücktritt verlange. Ich sagte, den könne er sehr billig haben, ich werde denselben Seyß sogleich unterbreiten." Da Seyß jedoch zunächst erklärte, er lasse sich von draußen nicht diktieren und Skubl riet, zunächst auf Urlaub zu gehen, wiederholte Skubl sein Demissionsgesuch erst am nächsten Tag schriftlich. 1 1 7 ) Vgl. Santifaller, Uber die „Ostarrichi-Urkunde" vom 1. November 996, Wien 1948; A. M. Drabek, Die Ostarrichi-Urkunde vom 1. November 996, in: Ostarrichi-Gedenkstätte Neuhofen/Ybbs, Bad Vöslau-Baden 1980, 12-14.

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Linz war bis zum letzten Kind auf den Beinen 1 1 8 ). Wir begaben uns zunächst ins Rathaus, da der Führer schon eintreffen sollte. Vom Balkon wurden zum Franz-Josephs-Platz hinab (er hieß Hauptplatz, Freiheitsplatz, Dollfußplatz und heißt jetzt selbstverständlich Hitler-Platz), wo Kopf an Kopf stand, Reden gehalten. Plötzlich trat jemand auf mich zu und bat auch mich, eine Ansprache loszulassen. Ich trat hinaus und erinnerte in ein paar markigen Worten an die große Soldatentradition der Oberösterreicher, die stets zugleich deutsche Tradition gewesen sei und nun mit der des Reiches in eins zusammenfließe. Die stark österreichische Note hat nicht bei allen Hörern uneingeschränkte Freude erweckt. Als Ende Oktober 1918 der Anschluß vor der Türe zu stehen schien, sagte ich zu Cramon: „ J e t z t sind wir so weit; aber von morgen an werde ich der ärgste Partikularist sein." An diesen Ausspruch hatte ich mich während meiner Linzer Rede erinnert . . . wobei natürlich „Partikularist" nicht mit „Separatist" verwechselt werden durfte. Ich bin seither noch viel mehr Partikularist geworden, da ich erlebe, welche Folgen der wider die Österreicher eingeschlagene Weg stürmischer Unifizierung und Schabionisierung gezeitigt hat. Nur ein Gegner wirklicher deutscher Einigung konnte dergleichen ersinnen. Plötzlich kam die Nachricht, der Führer habe Wels noch nicht erreicht. Nunmehr fuhren wir Mitglieder der österreichischen Bundesregierung ihm auf der Welser Straße entgegen. Wir hatten nur offene Pionierautos zur Verfügung, fuhren ich mit Franzi Hueber - in rasender Geschwindigkeit ohne Mantel dahin und bekamen den eisig kalten Märzsturm in allen Gliedern zu spüren. Ich holte mir eine Verkühlung, die 3 Wochen anhielt. Am Südausgang des kleinen Dorfes Neuhaus, wo jetzt eine Gedenktafel angebracht ist, pflanzten wir uns auf. Aber noch immer dauerte es gut eine Stunde, bis Hitler kam. Er begrüßte uns mit kurzem Händedruck und fuhr dann weiter, wir ihm nach. In Linz wurde er unter unsagbaren Kundgebungen ins Rathaus geleitet, wo er vom Balkon aus ein paar Begrüßungsworte sprach. Er sei glücklich, seine engere Heimat von dort aus nach langer Zeit wieder begrüßen zu können, von wo aus er sie verlassen habe. Als er nachher den Saal durchschritt und an mir vorüberkam, sagte ich etwas despektierlich, an das Berliner Nachtgespräch erinnernd: „Mein Führer, der März is doch a guater M o n a t . " Er meinte: „ H a b e ich nicht recht gehabt?" Abends waren Seyß, Himmler und ich noch gut zwei Stunden im Hotel Weninger - ehemals Erzherzog Karl - im Zimmer des Führers. Er war unerhört aufgeschlossen. Das Gespräch drehte sich vor allem um die außenpolitische Lage. Hitler sprach mit besonderer Dankbarkeit von Mussolini, der nicht nur keine Verwahrung gegen das Vorgehen Deutschlands einlegte, sondern sogar vorbehaltlos zustimmte. Als ich nach dem Anschluß in Frankfurt einen Vortrag hielt, traf ich dabei den Prinzen Philipp von Hessen 1 1 9 ), Oberpräsidenten von Kassel, einen sehr feinen netten Herrn, der bekanntlich mit Mafalda, der Tochter des italienischen Königs na) Vgl g . Botz, Hitlers Aufenthalt in Linz im März 1938 und der „Anschluß", in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz., Jg. 1970, 1 8 5 - 2 1 4 ; Wagner - Tomkowitz, 2 8 7 - 2 9 1 , 294ff., 298f., 307ff., 311 f., 319f., 326f., 332f.

Hitler in Linz

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verheiratet ist und von Hitler seit längerer Zeit als „Achsenschmierer" verwendet wird. Er begrüßte mich mit den Worten: „Sie wissen es nicht, aber wir schliefen in einer sehr schicksalsvollen Nacht Mauer an Mauer im Hause G ö r i n g . " Ich meinte, es sei dies sicherlich vom 10. auf den 11. März gewesen. Er stimmte zu und teilte mir die mir schon bekannte Tatsache mit, daß ihn der Führer am 11. März zu Mussolini geschickt hatte, um dort das Terrain für den Anschluß vorzubereiten. Es gelang dies, wie schon bemerkt, vortrefflich. Als die Woche nach dem 13. der Große Faschistenrat zusammentrat, war das Liebitzky mitgeteilte Programm längst verworfen; man billigte vollinhaltlich die deutsche Politik. Hitler revanchierte sich, indem er neuerlich die Brennergrenze als unabänderlich und für ewig geltend anerkannte 1 2 0 ). Er sagte uns dies im Linzer Hotel. Ich habe seither Gelegenheit gehabt, in die österreichischen Akten 1933 bis 1938 Einblick zu nehmen und kann nur sagen, daß in der Geschichte italienischer Verrätereien das Sitzenlassen des Regimes Dollfuß-Schuschnigg beinahe den Gipfelpunkt darstellt. Es geht zur Evidenz hervor, daß in der ganzen Welt kein zweiter so starken Anteil an dem Entstehen und der Stützung des anschlußgegnerischen Kurses in Wien hat wie Mussolini. Er war nicht nur derjenige, der in den Julitagen, 3 W o chen nach der völlig mißglückten Zusammenkunft mit Hitler in Strä, durch seinen Aufmarsch auf dem Brenner den nationalsozialistischen Putsch zum Scheitern brachte, sondern er lieferte auch immer wieder durch Erinnerung an das römische Noricum, an die Katholizität Österreichs und so weiter geistiges Rüstzeug in Massen. Sogar ein entschiedenes Bekenntnis zum habsburgischen Legitimismus für Österreich konnte man aus seinem Munde vernehmen, wobei er diesen als Voraussetzung für die Behauptung der von ihm so hoch eingeschätzten österreichischen Selbständigkeit betrachtete. Als jedoch das abessinische Abenteuer ausbrach, wendete sich von Sekunde zu Sekunde das Blatt um 180 Grad. Und der Besuch Mussolinis in Berlin September 1937 bedeutete den endgültigen Schlußpunkt unter die Stützung des Schuschniggkurses durch den Duce. [ . . . ] Die Geschichte mit dem Fluge des Prinzen von Hessen am 11. März beweist neben vielem anderen, daß Hitler, mochte kommen was wolle, entschlossen war, das österreichische Problem total zu lösen. O b es die führenden österreichischen Parteigenossen schon vorher erfahren hatten, weiß ich nicht. Seyß und ich waren ganz bestimmt nicht eingeweiht, eher der primitive Franzi Hueber, der von seinem Schwager manches erfahren haben mag, was ihn gar so „ m u t i g " machte . . . Ich kehre in den schäbigen Salon des vernachlässigten Hotels Weninger am Linzer Donau-Kai zurück. Es war wohl schon Mitternacht, als wir den Führer verließen. Ich bestieg mit einem halben Dutzend anderer Leute das an sich recht breite Auto Himmlers, das uns samt seinem Besitzer nach Wien entführte. Die nächtliche Fahrt war nicht sehr angenehm. Ich saß im Fonds des Wagens, zwischen mir und , 1 9 ) Philipp Landgraf v. Hessen (geb. Rumpenheim bei Offenbach, 6 . 1 1 . 1 8 9 6 ) , vermählt Racconigi, 2 3 . 9 . 1 9 2 5 mit Mafalda Prinzessin v. Savoyen (Rom, 19.11.1902 bis 2 7 . 8 . 1 9 4 4 , KZ Buchenwald bei Weimar), Tochter König Viktor Emanuels III. und der Königin Helena v. Italien. 1 2 0 ) Hitler hatte dies in seinem Brief an Mussolini vom 11.3.1938 getan. Vgl. Eichstädt, 381, 441 ff.

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einem dritten Mitfahrer reckte sich der knochige halbwüchsige Bube Seyß-Inquarts, [ . . . ] . Litt schon unter den spitzen Knochen dieses jungen Mannes der Schlaf, so wurde er auch immer wieder von dem singenden Signal unterbrochen, das Polizeiautos eigen ist. In Enns machten wir gegen 3 Uhr früh Halt und ließen uns ein Gasthaus aufsperren, wo wir einen Imbiß nahmen. An der unbeschränkten Verehrung, die die Ennser Spießer dem Reichsführer SS entgegenbrachten, bekam ich zu spüren, wie uninteressant ich seit 24 Stünden geworden bin. A m Sonntag den 13. bei anhebendem Tagesgrauen langte ich vor meiner Wiener Wohnung ein. Indes hatte sich in dieser Nacht das Schicksal Österreichs endgültig entschieden. N o c h am Vorabend hatte Hitler nur daran gedacht, Deutschösterreich in die „Schutzgemeinschaft des Reiches" eintreten zu lassen, im übrigen aber ihm ein gewisses Maß innerpolitischer Evolution zuzubilligen. D a wollte es das Verhängnis, daß inzwischen von Berlin aus Diplomatengespräche abgehört worden waren, darunter eines, das wahrscheinlich von Francois-Poncet 1 2 1 ) geführt wurde, und in welchem der Vorschlag gemacht wurde, in der deutschösterreichischen Frage eine ähnliche Abstimmung unter Aufsicht durch internationale Polizei herbeizuführen, wie sie seinerzeit im Saargebiet vorgenommen worden ist. Diese Mitteilung, durch ein Flugzeug nach Linz gebracht, veranlaßte Hitler zu entschiedenem Handeln 1 2 2 ). Die Einzelheiten des 13. vormittags weiß ich nicht mehr. So viel ist sicher, daß der Führer in Linz zusammen mit dem Staatssekretär des Innenministeriums SS-Brigadeführer Dr. Stuckart das Anschlußgesetz vorbereiten ließ 1 2 3 ). Und ebenso wurde Wimmer am späten Vormittag zu Miklas gesandt, um ihn zu freiwilliger Abdankung zu bewegen. Das Geschäft war nicht schlecht. Miklas erhielt steuerfrei bis zum Lebensende volle Gebührnisse, Wohnung, Auto, Theaterloge etc. zugesichert. Er tat sich Gewalt an und ging 1 2 4 ). Nach der Bundesverfassung trat bis zur Wahl 121) André F r a n c o i s - P o n c e t ( P r o v i n s , 1 3 . 6 . 1 8 8 7 bis ?), G e r m a n i s t , A b g e o r d n e t e r , 1 9 2 8 - 1 9 3 1 m e h r m a l s U n t e r s t a a t s s e k r e t ä r , 1931 bis X . / 1 9 3 8 f r a n z ö s i s c h e r B o t s c h a f t e r in Berlin, 1 9 3 8 - 1 9 4 0 in R o m , V I . / 1 9 4 9 H o c h k o m m i s s a r in D e u t s c h l a n d , 1 9 5 3 - 1 9 5 5 f r a n z . B o t s c h a f t e r in B o n n . V g l . seine E r i n n e r u n g s w e r k e : Als B o t s c h a f t e r in Berlin 1 9 3 1 - 1 9 3 8 (1947) u. B o t s c h a f t e r in R o m 1 9 3 8 - 1 9 4 0 (1962). 1 2 2 ) D i e s e r U m s t a n d scheint bisher in keiner D a r s t e l l u n g auf. Vgl. ansonsten z u r f r a n z ö s i s c h e n H a l t u n g : A . T . K o m j a t h y , T h e C r i s i s of F r a n c e ' s E a s t C e n t r a l E u r o p e a n D i p l o m a c y 1 9 3 3 - 1 9 3 8 ( E a s t E u r o p e a n M o n o g r a p h e s no. X X I ) , N e w Y o r k 1976, 202 ff. 1 2 3 ) Ü b e r die W a n d l u n g der A b s i c h t e n Hitlers v o m P e r s o n a l u n i o n s p l a n z u r V e r e i n i g u n g durch rezip r o k e G e s e t z e beider Staaten vgl. R o s a r , 3 0 5 - 3 1 2 ; G . B o t z , D i e E i n g l i e d e r u n g Ö s t e r r e i c h s in das D e u t sche R e i c h . P l a n u n g u n d V e r w i r k l i c h u n g des politisch-administrativen A n s c h l u s s e s ( 1 9 3 8 - 1 9 4 0 ) , 2. A u f l . L i n z 1976, 3 2 f f . 1 2 4 ) Vgl. L . J e d l i c k a , B u n d e s p r ä s i d e n t Wilhelm M i k l a s a m 1 3 . 3 . 1 9 3 8 , in: M i ö G . , 71. B d . (1963) 4 9 2 - 4 9 8 ; L a n g , M i k l a s , 1 9 9 f f . B e i d e z o g e n mehrere n o c h 1938 verfaßte D a r s t e l l u n g e n M i k l a s ' u n d seine A u s s a g e n nach 1945 heran. E i n e weitere v o n ihnen anscheinend nicht b e n ü t z t e D a r s t e l l u n g : A l t b u n d e s p r ä s i d e n t M i k l a s z u m M ä r z 1938. N i e d e r s c h r i f t v o m 1 2 . 5 . 1 9 3 8 , in: N e u e O r d n u n g , 1 5 . 4 . 1 9 6 8 , 1 0 f . , weicht v o n den anderen N i e d e r s c h r i f t e n M i k l a s ' inhaltlich nicht ab. M i k l a s selbst wies W i m m e r auf die M ö g l i c h k e i t hin, g e m ä ß Artikel 77, P u n k t 1, der V e r f a s s u n g 1934 infolge V e r h i n d e r u n g in der A u s ü b u n g der F u n k t i o n des B u n d e s p r ä s i d e n t e n diese F u n k t i o n d e m B u n d e s k a n z l e r zu übertragen. W i m m e r bezeichnete diesen W e g f ü r g a n g b a r . In G e g e n w a r t S e y ß - I n q u a r t s s o w i e der Minister M e n g h i n u n d Wolf verfaßte Miklas ein Schreiben an S e y ß - I n q u a r t , in d e m er v o n seinen F u n k t i o n e n als B u n d e s p r ä s i -

Hitler in Linz

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eines neuen Präsidenten der Bundeskanzler, also Seyß, in dessen Rechte. Vorübergehend hatte Hitler, so viel ich mich erinnere, die Absicht gehabt, sich selbst zum Bundespräsidenten wählen zu lassen. Früher schon hatte er des öfteren mit dem Gedanken gespielt, mit Schuschnigg bei einer Konkurrenzabstimmung in die Schranken zu treten. Am Sonntag den 13. März 1938 um 4 Uhr nachmittags kam das letzte österreichische Kabinett, nachdem es sich hatte photographieren lassen, zu seiner ersten und letzten Sitzung zusammen. Als einziger Punkt der Tagesordnung lag auf dem grünen Tisch unter dem Bildnis Kaiser Franz Josephs, der betrübt auf uns niedersah, das „Bundesgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich." 125 ) Es begann mit dem Artikel 1: „Österreich ist ein Land des Deutschen Reiches." So war es uns aus Linz kostenlos geliefert worden - in einem gewissen Widerspruch zu der Volksabstimmung, die für den 10. April in Aussicht genommen war und ja erst das Votum zum Anschlußwillen Deutschösterreichs kundgeben sollte. Wir alle waren uns der Größe der Stunde bewußt. Feierlich setzen wir unsere Unterschrift unter das Dokument, Seyß tat es zweimal, da er als stellvertretender Bundespräsident die Vollziehung zu bestätigen hatte. Der Namenszug Hubert Klausners, des Führers der österreichischen Nationalsozialisten, wurde, wie schon bekannt, erst nachträglich beigefügt. Sonst aber hatte sich, nach Hitlers ausdrücklichem Wunsch, alles nach dem Buchstaben der Dollfuß'schen Bundesverfassung vollzogen, die nun knapp vor ihrem endgültigen Verschwinden und, nachdem sie 4 Jahre lang von den österreichischen Nazis zu Recht als Verfassungsbruch bekämpft worden war, vom Dritten Reich anerkannt worden ist. Seyß flog nach dem feierlichen Akt wieder zum Führer nach Linz. Mir fiel die Aufgabe zu, gegen Abend die ersten in Wien einziehenden reichsdeutschen Truppen zu empfangen. Bei sinkendem Tag stand ich vor dem Hotel Bristol auf einer kleinen Tribüne neben General der Infanterie v. Bock 126 ), dem nachherigen Feldmarschall, um als Vertreter der österreichischen Regierung dem Vorbeimarsch beizuwohnen. Die Begeisterung der Menge war nicht zu übertreffen. Am Montag in der Früh wurde ich durch ein eigentümliches Zeitungskommunique überrascht. Der neue Staatssekretär Wimmer wurde in allen Ressortangelegendent zurücktrat. Das Anschlußgesetz als letzte Regierungshandlung zu unterzeichnen weigerte er sich, da er seinen „Eid . . . dem deutschösterreichischen Volke für einen unabhängigen Staat Österreich geleistet" habe. Vgl. neueste Funde von Darstellungen Miklas' bei: R. Neck, Wilhelm Miklas und der „ A n schluß" 1938, in: H . Konrad - W. Neugebauer (Hg.),' Arbeiterbewegung - Faschismus - Nationalbewußtsein. Festschrift zum 20jährigen Bestand des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und zum 60. Geburtstag von Herbert Steiner, Wien et al. 1983, 99-113. 125 ) Text etwa bei Rosar, 312 f. 126 ) Fedor v. Bock (Küstrin, 3.12.1880 bis 3.5.1945, auf der Flucht in Schleswig-Holstein), 1898 Eintritt in die Armee als Lt. beim 5. Gardergt. zu Fuß, Übernahme in die Reichswehr, führte an der Spitze der 8. Armee im März 1938 den Einmarsch in Österreich und im Oktober im Sudetenland durch, 1.3.1938 Gen.Obst., 10.11.1938 OB. Heeresgruppenkdo. I., 26.8.1939 OB. Heeresgruppe Nord (Polenfeldzug), 3. 10.1939 OB. Heeresgruppe B, X./1940 OB. der Armeen an der deutsch-sowjetischen Interessensgrenze, 1.4.1941 OB. Heeresgruppe Mitte (Feldzug gegen die Sowjetunion), 19.12.1941 in die Führerreserve O K H , 16.1.1942 OB. Heeresgruppe Süd, 15.7.1942 Rücktritt.

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heiten, die mir zugedacht waren, zum Vertreter des Bundeskanzlers erklärt. Der stürmische Ehrgeizling hatte sich diese Kompetenzen, die praktisch meine Entthronung bedeuten mußten, hintenherum herausgedrückt. Die Kundgebung wurde auf meinen Anruf zu meinen Gunsten interpretiert, was aber für die weitere Folge keine Bedeutung mehr hatte. Ich verließ mein liebes Büro in der Herrengasse und bezog für den Rest meiner Ministerschaft den roten Salon auf dem Ballhausplatz, mit dem Blick auf die Gründe hinter dem einstigen Ministerpräsidium 1 2 7 ). Jeden Tag konnte ich beim Anblick dieses noch von der Stadtregulierung gebliebenen Grundstückes die Vergänglichkeit alles Irdischen ermessen: nach 1918 wurde es zum „Rennerpark", dann zerbrachen sich Kretschmayr, Bittner und ich den Kopf über ein neues Zentralarchiv, das auf Kosten Bösels 1 2 8 ) und Betreiben des „Ersparungskommissärs" Hornik hier angelegt werden sollte; dann erhoben sich die Grundmauern zum babylonischen Turm des Baues für die V F . und als ich im roten Salon saß, stritten sich die Berliner Archivverwaltung und die Reichsbauernschaft um die Ruinen. Das Modena-Palais in der Herrengasse, nunmehr Sitz der SS, habe ich seither nicht mehr betreten. Ich fürchtete mich vor dem Heerlager, das wilde Burschen im „ O k t o g o n " und im Rokokoraum dahinter an ihren Schreibtischen bezogen hatten. Am Montag bei strahlender Nachmittagssonne hielt Adolf Hitler seinen Einzug in Wien. Das Ereignis ist in den Blättern jener Tage festgehalten und kann nicht panegyrischer geschildert sein, als es wirklich vor sich gegangen war. Der Jubel der Massen kannte keine Grenzen. Seyß und ich fuhren bis Hütteldorf entgegen, er wurde ins Führerauto aufgenommen, während ich in einem anderen Platz fand. Es ging durch die Mariahilferstraße und über den Ring. Von seinen Salons im Imperial aus mußte sich der Führer immer wieder der ekstatischen Menge zeigen. Einmal trat er auch mit Muff auf den Balkon, wohl um damit der deutschen Wehrmacht zu huldigen. Nur mit größter Mühe war er dazu zu bewegen gewesen, auch die Front der vom Bundesheer aufgestellten Ehrenkompagnie abzuschreiten. Freund Muff erlebte die letzte große Stunde seines Lebens. Im Salon hatten sich - neben dem Gefolge des Führers - auch die österreichischen Regierungsmitglieder versammelt. Neben ihnen war, als Präsident der Bundesversammlung, Rudi Hoyos anwesend. Er sollte schon wenige Wochen später die Luft des K Z atmen. Am Dienstag fand, ebenfalls unter herrlichem blauen Himmel, die große Anschlußkundgebung vor dem Führer statt. Auf der Terrasse vor der Neuen Hofburg war eine Rednerkanzel errichtet, von der aus zunächst Seyß bedeutungsvolle Worte 1 2 T ) Es handelt sich um das Areal, das seit dem 16. Jahrhundert vom Kaiserspital und ab dem 18. Jahrhundert vom Ballhaus eingenommen wurde. Dieses wurde 1903 demoliert und seither wurden bis heute die verschiedensten Pläne für die Verbauung des Platzes gegenüber dem Bundeskanzleramt erwogen. 1 J 8 ) Siegmund Bösel (Wien, 1893 bis ?), Heereslieferant im Ersten Weltkrieg, galt um 1922 als reichster Mann Österreichs, 1923 Präsident der Unionsbank, X I . / 1 9 2 6 Rücktritt, 2 . 7 . 1 9 3 6 von der öst. Wirtschaftspolizei verhaftet, 17. 7.1937 wegen betrügerischer Krida zu 18 Monaten schweren Kerkers verurteilt; er soll, als er im Febr. 1942 nach Riga gebracht wurde, von SS-Angehörigen getötet worden sein.

Proklamierung des „ A n s c h l u ß "

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sprach. Er erinnerte unter anderem an die Nachbarschaft der Reichskleinodien, die seit den Franzosenkriegen - nicht gerade besonders würdig, wie leider eingestanden werden muß - in der kaiserlichen Schatzkammer ausgestellt waren. [ . . . ] Nach Seyß redete Hitler selbst 1 2 9 ). Es war ihm zu glauben, daß er glücklich war. Auf einer oft reproduzierten Photographie sieht man mich nahe hinter der Rednerkanzel stehen. Mein Gesicht sah nichts weniger als freudig drein. Gleiches gilt von den Bildern der ersten Reichstagssitzung, die die österreichische Regierung - noch auf der Regierungsbank links neben dem Führer - mitmachte 1 3 0 ). Durch Jahre habe ich diese Stunde als eine Stunde der Erfüllung gedacht und auch heute bekenne ich mich noch uneingeschränkt zu dem Gedanken, daß die deutsche Nation, wenn sie überhaupt fortzubestehen verdient, nur als Einheit weiterleben kann. Zu dieser Einheit gehört Deutschösterreich - da nun einmal das alte kaiserliche Österreich für immer versunken ist. Ich bekenne mich in der Erinnerung zu diesem alten Österreich, dessen unvergleichlichen Wert man erst nach seinem Ende zu begreifen begann und dessen leichtsinnige herostratische Vernichtung im Kriege 1939 - ? furchtbare Vergeltung fand. Und ich bekenne mich auch zum Ideal der großdeutschen Einheit. Aber ich habe mir das Ereignis ganz anders erträumt und auch den Zusammenschluß meiner Heimat mit einem ganz, ganz anderen Deutschland. Diese Erkenntnis überkam mich nicht erst im März 1938, sondern schon einige Zeit früher - aber sie nahm mich nun, wohl meist im Unterbewußtsein, voll in Besitz. Trübe Ahnungen erfaßten mich, die leider von der bitteren Wirklichkeit noch übertroffen werden sollten . . . Am 16. früh besuchte mich Seyß in meinem Büro; es war das letztemal, daß er mir diese Ehre erwies. Er bat mich, die Vereidigung der Beamten des ehemaligen Bundeskanzleramtes, der nunmehrigen Reichsstatthalterei - der Führer hatte Seyß am Tage seiner Ankunft zum Reichsstatthalter von Österreich ernannt, womit auch meine Vizekanzlerschaft ein rasches Ende gefunden - in Eid zu nehmen. Ich stellte mir in Eile eine im Auszug für die Presse bestimmte Rede zusammen und ließ mir von dem alten Nationalsozialisten Wimmer die Zeremonie des Führerheils erklären. Also gewappnet trat ich vor die in zwei Raten schwörenden Kollegen hin. Alte, vertraute Gesichter begrüßten mich. Ich war naiv genug, zu hoffen, daß ich der Beamtendurchsiebung, die sicherlich bevorstand, vor der Öffentlichkeit vernünftige Grenzen ziehen könnte, und erklärte in diesem Sinne, daß niemand etwas zu fürchten haben werde außer der Beamte, der entweder durch sein Wirken offen dem Ansehen und der Geltung Deutschlands Schaden zugefügt oder in der ihm berufsmäßig aufgetragenen Bekämpfung des Nationalsozialismus über das Maß der gesetzlich gebotenen Pflichten hinausgegangen sei 1 3 1 ). Himmler hat diese Ausführungen in der Zeitung gelesen und sie gegenüber dritter Personen gut geheißen; sie schlössen vor allem Gesinnungsdelikte aus. Hätte man nach ihnen gehandelt, so wäre die Zahl der Gemaßregelten auf einen Bruchteil derer herabgesunken, die es später " * ) Vgl. den Text der Reden bei Rosar, 315 ff. ) A m 18.3.1938. Vgl. die Rede Hitlers in: Keesings Archiv der Gegenwart, J g . 1938, 3477. 1 3 1 ) Vgl. den Text der Presseaussendung in B G H . 3795/38.

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wirklich gab. Aber bald erschien der SS-Oberführer Wächter 1 3 2 ), der Anführer des Juliaufstandes, mit einem Schüppel von Emigranten und trat sein Werk im Sinne der Berufsbeamtenverordnung an. Unzählige brave Menschen wurden schwer getroffen, selbst solche, die aufrichtig deutsch gesinnt waren und mir, wie etwa Minister Kerber 1 3 3 ), während meiner Ministerschaft die wertvollsten Dienste geleistet hatten. Auch sonst ergoß sich alsbald die nationalsozialistische Revolution in einem wilden Strome über mein Heimatland'. [ . . . ] Meine Zeit war vorüber . . . eine Welt, die bei ehrlichstem Einfühlungswollen nie und nimmer die meinige sein konnte, war an die Stelle jener getreten, in der ich groß und alt geworden war. Gott segne Deutschland und meine österreichische Heimat . . .

13J) Otto Gustav F r h . v. Wächter (Wien, 8 . 7 . 1 9 0 1 bis ?), D r . iur., 1 9 2 4 - 1 9 3 4 Gerichts- und Rechtsanwaltspraxis in W i e n , 1923 in die Studentenkompanie der Wiener S A u. 1930 in die N S D A P eingetreten, ab 1932 Mitglied der Wiener Gauleitung, am Juli-Putsch 1934 führend beteiligt, 1934 Flucht nach Deutschland, 2 3 . 3 . 1 9 3 8 als Staatskommissar für Personalangelegenheiten in die öst. Landesregierung, 2 5 . 5 . 1 9 3 8 mit der Leitung der Angelegenheiten der inneren Verwaltung betraut, I X . / 1 9 3 9 G o u verneur des Distrikts Krakau, I . / 1 9 4 2 Gouverneur des Distrikts Galizien, stellte 1943 die SS-Freiwilligen-Division „ G a l i z i e n " auf, 1944 G e n . L t . d. Waffen-SS. 1 3 3 ) Vgl. B G H . 4 0 0 1 / 3 8 Glaise-Horstenau an Wächter, 3 1 . 1 0 . 1 9 3 8 , Durchschlag. Glaise erklärte Wächter, daß ihn die Enthebung Kerbers „ t i e f getroffen" habe. Kerber wäre ,,in der Zeit meiner Ministerschaft . . . unter den wenigen, überhaupt in Betracht kommenden Beamten jener (gewesen), der mir in der Politik vom 11. Juli weitaus die größte und wertvollste Unterstützung zuteil werden ließ. E r hat mich über alles, was sich in seinem Ressort an für mich Interessantem und Wissenswertem begab, rechtzeitig unterrichtet, half mir, wenn ich mich - leider mit meist sehr geringem Erfolge - bemühte, Unrecht zu verhüten oder gutzumachen, in vorbildlicher Sachlichkeit und Unerschrockenheit . . . W i r sind ja heute überhaupt viel zu leicht geneigt, alles Vergangene aus der Schau zu beurteilen, die sich aus dem Wunder vom 11. M ä r z ergibt. W e r im 11. März, ganz unhistorisch, das Selbstverständliche und N o r male und nicht das Außergewöhnliche und glanzvoll Unverhoffte erblickt, der müßte eigentlich jeden der sich - oft recht entsagungsvoll - der Politik vom 11. Juli und vom 12. Februar zur Verfügung stellte, von G r u n d auf verurteilen . . . Kerber war . . . einer der wenigen Aktivposten auf der Linie jener letztlich erfolglos gebliebenen, aber doch notwendig gewesenen Politik . . . " .

IV. MINISTER EINER „ÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG" [Jänner - Februar 1945] Ich will nun noch versuchen, fast nur aus dem Gedächtnis das Wesentlichste aus dem Jahre 1938 niederzuschreiben. Die ersten 2Vz Monate sind einigermaßen in meinen „Bekenntnissen" über den Anschluß enthalten. Einige Tage nach dem Einzug Hitlers in Wien mußte das Kabinett Seyß nach Berlin fahren, um dort der Reichstagssitzung beizuwohnen. Wir wurden auf dem Flugplatz durch irgendwen empfangen, Seyß trug bereits die SS-Uniform, das Geschäft mit Himmler war also schon frühzeitig gemacht. Von dem Empfang existiert ein Bild 1 ). Auch die Reichstagssitzung ist mehrfach im Bilde festgehalten. Wir österreichischen Minister wurden wie wilde, aber wohlgezähmte Tiere in der ersten Reihe der Ministerbänke (links vom Führerpult) vorgeführt. Obgleich ich als Reichsstatthalter-Stellvertreter (eigentlich noch Vizekanzler) neben Seyß hätte sitzen müssen, habe ich Hubert Klausner als dem Vertreter der Partei gern und freiwillig diesen Platz überlassen. Ich trug dunklen Cut mit dem E K I und dem Bändchen der Eisernen Krone. Fühlte mich alles eher denn wohl. Die Führerrede kann man in den Zeitungen nachlesen. Einmal waren wir auch bei Hitler zum Essen eingeladen. Ich saß links von G ö ring, der sich aber sehr wenig mit mir, sondern fast ausschließlich mit seinem rechten Nachbarn befaßte und nicht sehr kultiviert benahm. Ich erinnere mich nur an ein Gespräch. Ich hatte, als ich am 10. März bei ihm zum Nachtmahl war, den Kaviar verschmäht. Er hatte mir das als Mattherzigkeit ausgelegt und wollte auch jetzt nicht begreifen, daß es einen Menschen gäbe, der Kaviar nicht essen kann. Außerdem lud er mich nach Karinhall ein, es kam aber bis heute nicht dazu. Wohl aber hatte sich Guido Schmidt am 14. März, einen Tag nach dem Anschluß, sechs Stunden in vertrautem Umgang mit Hermann auf Karinhall aufgehalten 2 )! Als ich bei dem eben genannten Essen ein paar gute Worte für Schmidt einlegte, in der Meinung, ihn vor ernsteren Bedrohungen schützen zu müssen, stieß ich auf besonders erfreutes Entgegenkommen seinerseits. „ W i r werden ihn in den Reichstag neh*) Reproduktion bei Rosar, 429. ) Vgl. Wagner - Tomkowitz, 344, 348.

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

men," erklärte der Marschall. Es kam dazu offenbar wegen des Widerstandes der österreichischen Partei nicht. Nach dem Essen hielt Hitler in einem dichten Gedränge Cercle. Auch ich fand mich kurze Zeit in seiner Umgebung ein, wobei mir seine Worte haften blieben: „Mussolini, das ist ein ganzer Kerl, mit dem zusammen könnte ich Pferde stehlen." „ A b e r , " fügte er wohlgefällig bei, „ich bin auch ein Kerl!" Die Pferde, die die zwei in den Jahren 1940 bis 1943 zusammen gestohlen haben, erwiesen sich nicht als besonders widerstandsfähig. Sie waren Blender. Daß ich nicht vergesse! Nach der Reichstagssitzung kam SA-Obergruppenführer Reschny 3 ), zur Zeit Führer der österreichischen Legion, zu mir und trug mir feierlich die Würde eines SA-Brigadeführers an, wobei er entschuldigend bemerkte, ich würde selbstverständlich in höhere Dienstgrade avancieren 4 ). Ich wußte die Höhe der Auszeichnung nicht zu bewerten, auch das nicht, daß ich endgültig aufs Nebengeleise geschoben war, da man mir sonst einen SS-Grad angetragen hätte (was glücklicherweise nicht geschah), nahm sie aber mit geziemendem Danke an. Von den Ministern erhielt nur Franzi Hueber den gleichen Rang, indes beispielsweise Wilhelm Wolf leer ausging. Letzterer hatte sogar nach der geschilderten Abendtafel eine Auseinandersetzung mit Hermann, der ihm übel nahm, daß er als neuer A u ßenminister Zernatto nach Preßburg entkommen ließ, indem er ihm ein Visum gab. Ich hätte das Gleiche getan. Übrigens bezeichnete Hermann das wirklich außerordentlich aufgeplusterte österreichische Ministerium als einen Unfug. Tatsächlich waren nach der ursprünglichen Besetzung noch Hubert Klausner (zunächst als Minister für Weltanschau3 ) Hermann Reschny (Stammersdorf, N ö , 15.6.1898 bis ?), Lehrer, ab X./1916 im Felde, 1.1.1918 Lt. Sch.R. 31, dann Volkswehrbaon 1, 3 1 . 3 . 1 9 1 9 pensioniert als Oblt., 1919-1933 Volksschullehrer, 1920 zur N S D A P , IV./1932 bis XII./1932 Abg. zum nö. Landtag, VII./1932 bis VI./1933 Abgeordneter zum Bundesrat, seit 1925 Führer der öst. SA, 1931-1933 Führer der Gruppe Österreich, 20.4.1933 SA-Obergruppenführer, 1933-1938 Führer der ö s t . Legion,14.3.1938 bis 3 1 . 5 . 1 9 3 8 Führer der Gruppe Österreich, dann der Gruppe Donau, 1.2.1942 Inspekteur der Nachrichten-SA, ab Kriegsbeginn H p t m . d. Dt. Wehrmacht, 1944/45 als Mjr. im Wehrkreis XVII mit Agenden der wehrgeistigen Erziehung betraut, 2 0 . 1 1 . 1 9 4 8 zu 16 Jahren Haft verurteilt, 1957 amnestiert. *) Glaise wurde mit 12.3.1938 zum SA-Brigadeführer „ f ü r seine Verdienste um die nationale Bewegung in der Ostmark" und mit 30.1.1942 oder 14.3.1942 zum SA-Gruppenführer ernannt (SA-Gruppe Donau). Er war ab 1.5.1938 Mitglied der N S D A P . Wahrscheinlich ist um diesen Zeitpunkt ein undatiertes politisches Gutachten der Gauleitung der N S D A P in Wien angefertigt worden, das abschriftlich im Akt des Verfahrens vor dem Volksgerichtshof 1950 Vg. l e Vr 493/46 Hv. 324/50, fol. 211 erhalten blieb: „Politisch ist er einwandfrei. Unter dem Regime Schuschnigg war er einer derjenigen, die das J u liabkommen förderten und wurde dann auch von Schuschnigg in die Regierung berufen. Er tat, was in seiner Macht war, um das Verhältnis des Regimes zum Nationalsozialismus zu bessern, hat sich auch oft und oft für Nationalsozialisten eingesetzt. Daß er nicht mehr erreichte, liegt nicht an ihm, sondern an der Hinterhältigkeit der übrigen Regierungsmitglieder, die alles taten, um seinen Einfluß möglichst zu schwächen. Er wußte selbst sehr gut, daß er nicht viel ausrichten konnte, ist aber auf seinem Posten ausgeharrt, um wenigstens ein wenig helfen zu können. Es ist ganz zweifellos, daß er sich für den Nationalsozialismus in Österreich große Verdienste erworben hat . . . " . In Nürnberg verfaßte Glaise 1945/46 eine zweiseitige Maschinschrift „Ehrenführer" (KA., B/67, nr. 36), in welcher er darauf hinwies, daß die Träger derartiger Ehrenränge keinerlei Einfluß auf die Aktivitäten der jeweiligen Parteigliederungen hatten.

Erste Reichstagssitzung März 1938

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ung), dann die „Staatssekretäre" Friedl Rainer, Globocnik und Mühlmann, alles gute Freunde von Seyß, von denen jedoch Rainer und Globus schon jetzt eine große Wut auf ihn hatten, zugewachsen. [ . . . ] In den nächsten Tagen war in der Krolloper an einem Nachmittag eine Versammlung für die Wahlredner veranstaltet, bei der Hitler höchstpersönlich sprach. Diese ganze Wahl mit ihrer Grundparole, ob der Anschluß Österreichs ans Reich gebilligt oder abgelehnt werden sollte, hatte im Zusammenhang mit dem Anschlußgesetz etwas Unlogisches an sich. Entweder war das Gesetz, das sowohl von Wien, wie vom Reichsministerium erlassen worden war, gültig, dann hatte die nachträgliche Volksbefragung wenig Witz. Oder die Volksbefragung war ernst gemeint, dann durfte man ihr Ergebnis nicht durch ein feierlich verkündetes Gesetz präjudizieren. Denn was wäre gewesen, wenn - was theoretisch zu denken erlaubt war - der Anschluß in Österreich oder im Reich keine Mehrheit gewonnen hätte? Praktisch hatte die Frage natürlich keine Bedeutung, denn über die Mehrheit bei der Abstimmung konnte nach der Lage kein Zweifel vorherrschen. Hitler hielt vor den Propagandisten eine ziemlich lange Rede, die in mancher Hinsicht Interessantes und für ihn Bezeichnendes enthielt. Mir ist ein Satz haften geblieben: „Manche sagen, ich bin ein Preuße geworden; ich bin mehr als Preuße, ich bin ein Überpreuße!" Dabei verstehe er unter Preußentum nicht einen Stamm, sondern eine bestimmte menschliche Haltung. Offenbar wollte er seiner alten U m gebung die Beruhigung zuteil werden lassen, daß nach dem Anschluß der österreichische Einfluß nicht überwuchern werde; die Sorge war, wie sich zeigen sollte, völlig unbegründet. Uber diese Dinge hinaus war aber der Satz doch auch symptomatisch für die gesamte Geistesströmung, die das Reich beherrschte. Nach meiner Rückkehr in die Heimat meldete sich bei mir ein junger blonder SS-Mann [vom?] Polizeipräsident in Kassel, Herrmann 4 *), den ich bis vor wenigen Wochen (geschrieben Jänner 1945) für einen Doktor gehalten habe. Ein blonder recht netter Kerl, der mir offenbar als Aufsichtsorgan beigegeben worden war, dann aber in den alsbald ausbrechenden Interventionen zugunsten von Katholen, Legitimisten und so weiter wertvolle Dienste leistete. Ich sah ihn einige Wochen später mit Bedauern ziehen. Neben Herrmann meldete sich noch ein zweiter Adjutant bei mir, SA- oder NSKK-Sturmbannführer Baron Müller-Klingspor 5 ), der in

**) Wahrscheinlich: Walter Herrmann (?, 2 9 . 5 . 1 8 9 5 bis ?), SS-Angehöriger, 2 0 . 4 . 1 9 3 7 Hauptsturmführer, 1938 beim Stab SS-Oberabschnitt D o n a u , 1 1 . 9 . 1 9 3 8 Sturmbannführer. 5 ) Eginhardt (Egon) F r h . Müller v. Klingspor (geb. ö d e n b u r g , 1 1 . 1 1 . 1 9 0 7 ) , 1918 Eintritt in die M U R . Straß, sodann in der Staatserziehungsanstalt Wiener Neustadt, 4 Semester Studium an der H o c h schule für Welthandel in W i e n , dann in der Privatwirtschaft tätig. Führer in der „ D e u t s c h e n Jungenschaft" und im „ W a n d e r v o g e l " , Mitglied der „Akademischen Gildenschaft G r e i f zu W i e n " , 1 9 2 8 - 1 9 3 1 Mitglied des „ F r e i k o r p s O b e r l a n d " , 1931 Angehöriger der SA-Standarte 9 9 , zunächst Scharführer, zuletzt SA-Standartenführer, V I I I . / 1 9 3 4 Führer der SA-Brigade 2, I I I . / 1 9 3 5 verhaftet, zu Kerkerhaft verurteilt, durch Amnestie im Juli 1936 frei, sodann im Reichsnährstand tätig, vor 1 2 . 3 . 1 9 3 8 nach Ö s t e r reich, im Stab von Lukesch tätig. Ratsherr der Stadt W i e n , ab 3 0 . 1 2 . 1 9 4 2 bei D t . Wehrmacht, 1 9 4 3 - 1 9 4 5 bei Fallschirmjäger Ers. u. Ausbildungs-Rgt. 3, I I . / 1 9 4 5 L t . , 1 9 4 5 - 1 9 4 8 britischer Kriegsgefangenschaft, sodann Entnazifizierungsverfahren in Österreich.

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einem SA-Prozeß unter Schuschnigg eine große Rolle gespielt hatte. Auch er blieb nur einige Wochen bei mir, ohne sich abzubrechen, und ist seither schwarzgelber Anschlußlegitimist geworden 6 ). Kramsall, mein Ministersekretär, war natürlich unglücklich über diese Einschübe, hatte aber speziell Herrmann bald als nützlich schätzen gelernt. Denn er, der früher überall in den Ministerien seine „Spezis" hatte, fühlte sich plötzlich sehr vereinsamt, all diese Freunde waren binnen weniger Tage verschwunden und illegale Grottenmolche an ihre Stelle getreten. Mit der Zeit ergab es sich, daß Kramsall bei den diversen offiziellen Gelegenheiten der einzige Zivilist weit und breit gewesen ist, ich sagte immer: der einzige Zivilist des Großdeutschen Reiches. Er hat erst im Kriege als Beamter des Generalgouvernements seine erste Uniform bekommen. N u n trägt er, durch mich nach Zagreb geschmuggelt, das schmucke Kleid eines „Militärverwaltungs-Oberrates" und läßt sich gerne von allen Unwissenden Oberstleutnant nennen. Die Wochen vor der Abstimmung waren weitgehend durch Besuche von Reichsministern und verwandten Würdenträgern ausgefüllt. Ich lernte dabei erst das Zeremoniell des Dritten Reiches so recht kennen und war doch etwas indigniert, als man zum Beispiel insbesondere den hinkenden „nachgedunkelten Schrumpfgermanen" Goebbels buchstäblich wie ein gekröntes Haupt empfing. Unsere österreichischen Nazis überschlugen sich natürlich an Begeisterung und Bewunderung. Mehrere Male mußte ich bei Festessen und dergleichen Seyß vertreten, was ich mit der mir eigenen Grazie tat. Als einmal Lammers 7 ) und Brauchitsch 8 ) gleichzeitig da waren und sich die Leute über den Rang den Kopf zerbrachen, begab ich mich zu Lammers und fragte ganz einfach: „Sagen Sie, Herr Reichsminister, wer ist von Ihnen beiden der Rangältere?" Damit war der heikle Fall erledigt. Großadmiral Raeder 9 ), auch einer der Besucher von damals, war mir schon aus Berlin gut bekannt. Am 24. März sandte mich Seyß zum Empfange Hermanns nach Passau. Ich fuhr in den Abendstunden die Straße Linz-Schärding, die noch voll von deutschen militärischen Autokolonnen war. Hofbauer bewährte sich als Fahrer. Spät abends kamen wir nach Schärding, wo Kramsall und ich in einem Gasthof nächtigten, wäh6 ) Lt. frdl. Mitteilung Herrn Müller-Klingspors hat er sich immer zur Tätigkeit seiner Vorfahren im Dienste der Monarchie und zu einem „Zusammenschluß des Deutschen Reiches mit Österreich" bekannt, aber nicht als Träger legitimistischen oder monarchistischen Gedankengutes. Hans Heinrich Lammers (Lublinitz, Oberschlesien, 27. 3.1879 bis 4.1.1962, Düsseldorf), 1920 als Beamter ins Reichsministerium des Innern, 1932 zur N S D A P , 30.1.1933 Staatssekretär und Chef der Reichskanzlei, 1940 SS-Obergruppenführer, 1949 zu 20 Jahren Haft verurteilt. 8 ) Walter v. Brauchitsch (Berlin, 4.10.1881 bis 18.10.1948, Hamburg), 1900 als Lt. zum GardeGrenadierregt. 3 eingetreten, Generalstabsdienstleistung im 1. Weltkrieg, 1921 Übernahme als Mjr. in die Reichswehr, 1.4.1937 als G e n d . d . A r t . OB. Gruppenkdo. IV, 4.2.1938 Gen.Obst. u. OB. des Heeres, 19.7.1940 GFM., 19.12.1941 Rücktritt. ») Erich Raeder (Wandsbek bei Hamburg, 24.4.1876 bis 6.11.1960, Kiel), 1894 als Seekadett in die Kriegsmarine, 1918 als Fregattenkpt. Kmdt. d. kleinen Kreuzers „ K ö l n " , X./1928 bis 30.1.1943 Chef der Marineleitung bzw. OB. d. Kriegsmarine, 1.4.1939 Großadmiral, I./1943 bis IV./1945 Admiralinspekteur der Kriegsmarine, 1946 in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt, 26.9.1955 aus Gesundheitsgründen entlassen. Seine Erinnerungen: Mein Leben, 2 Bde., Tübingen 1956 u. 1957.

Erste Reichstagssitzung März 1938

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rend Hofbauer zu seinen Eltern ging. In der Früh fuhren wir nach Passau, wo wir beim Einfahren des prachtvollen Sonderzuges Hermanns „aufgebaut" waren. Hermann behandelte mich wieder hundsmiserabel, kaum, daß er mir die Hand gab. Im übrigen überwies er uns dem braven Bodenschatz, der uns mit einem prachtvollen Frühstück betreute. Hermann hatte angeblich viel zu arbeiten. Natürlich hätte es sich gehört, daß er mich an seinen Tisch geladen hätte. Dazu war ich zu wenig für diesen typischen Parvenü. In Wels fand ein unerhört feierlicher Empfang statt, die Begeisterung der ahnungslosen Menge fand wirklich keine Grenzen. Auch das rührselige Zwischenspiel fehlte nicht, indem Franzi Hueber sein Töchterchen mitbrachte, das der vorbildliche Nationalsozialist und angehende Vater mit Innigkeit in die Arme schloß. Ich fuhr in meinem Auto nach Wien zurück. Besonders feierlich ging es natürlich bei dem Einzug Hermanns ab, der auf der neuen Reichsbrücke stattfand. Seyß fragte mich damals, ob Prinz Eugen der letzte Reichsmarschall gewesen sei. Er wollte auf diese Weise - obgleich Hermann nur erst Feldmarschall war - einen Zusammenhang zwischen diesem und dem Sieger von Zenta herstellen. Leider mußte ich mitteilen, daß zum Beispiel auch Erzherzog Karl noch die Würde eines Reichsmarschalls innegehabt habe. Ich benützte den Empfang auf der Reichsbrücke, um bei dem gleichfalls anwesenden Chef der G e stapo SS-Obergruppenführer Heydrich 1 0 ) die Freigabe des armen k. k. Ministers Homann 1 1 ), den man eingesperrt hatte, zu erwirken. In späteren Zeiten habe ich es vermieden, mit Heydrich, dem eigentlichen Schöpfer des furchtbaren Systems, irgendwelche Beziehungen aufrechtzuerhalten. Selbst einem Händedruck ging ich aus dem Wege. Himmler hat ihm beim Staatsakt der Beisetzung unter anderem das rühmende Zeugnis ausgestellt, daß er durch sofortige Verhaftung von 8000 Leuten den Anschluß Österreichs so reibungslos gestaltet habe. Heydrich ist in Begleitung D r . Wächters, des Arrangeurs des Juliputsches 1934, gekommen. Wächter, Sohn des gleichnamigen Generals und Theresienritters 1 2 ), hatte sich damals im Hause Muffs verborgen und war dann als Schiffsarbeiter auf dem Donauwege entkommen. Nunmehr wurde er Staatskommissar für das Berufs1 0 ) Reinhard Heydrich (Halle/Saale, 7 . 3 . 1 9 0 4 bis 4 . 6 . 1 9 4 2 , ermordet in Prag), 1922 Eintritt in die Kriegsmarine, 1931 als O b l t . ausgeschieden und Eintritt in die SS - mit Aufbau eines Nachrichtendienstes beauftragt. 19. 7 . 1 9 3 2 Leiter des S D , I I I . / 1 9 3 3 Leiter der Bayerischen Politischen Polizei, 2 0 . 4 . 1 9 3 4 Leiter des Preußischen Geheimen Staatspolizeiamtes, 3 0 . 6 . 1 9 3 4 SS-Gruppenführer, 2 0 . 5 . 1 9 3 6 C h e f der Sicherheitspolizei und des S D , 2 7 . 9 . 1 9 3 9 C h e f des Reichssicherheitshauptamtes, I X . / 1 9 4 1 Stellvertretender Reichsprotektor v. B ö h m e n u. Mähren, 3 1 . 7 . 1 9 4 1 mit der Gesamtplanung der Lösung der J u denfrage beauftragt. Vgl. G . Deschner, Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen M a c h t , Essling e n / N e c k a r 1977. n ) Vgl. B G H . 3 8 3 5 / 3 8 : C h e f der Sicherheitspolizei teilt mit, daß auf Glaises Intervention hin die Enthaftung des Ministers a . D . H o m a n n angeordnet wurde, Berlin, 2 6 . 3 . 1 9 3 8 . 1 2 ) J o s e f v. Wächter ( H a w r a n , B e z . B r ü x , 2 9 . 1 2 . 1 8 6 6 bis 3 1 . 1 0 . 1949, Wien), 2 9 . 1 . 1 8 8 3 als E F . zu F J B . 2, 1 . 3 . 1 8 8 9 Berufsoffz., 1 . 1 1 . 1 9 1 2 M j r . I R . 88, 1 . 5 . 1 9 1 5 O b s t l t . u. R g t s k m d t . , 1 . 1 0 . 1 9 1 7 O b s t . , 3 0 . 7 . 1 9 1 8 Ritter des M M T O . für die Kämpfe bei Brzezany ( 3 . 9 . 1 9 1 6 ) und den K a m p f bei K o n i u c k y ( 1 . 7 . 1 9 1 7 ) , 1 . 1 . 1 9 1 9 pensioniert, 7 . 1 0 . 1 9 2 1 vom Nationalrat zum B M . f. Lv. gewählt, 3 1 . 5 . 1 9 2 2 enthoben und T i t u l a r - G M . , 1939 char. G e n . L t . a . D .

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beamtengesetz, wobei er sich sofort mit einer Kolonie von Emigranten, Diplomkaufleuten und dergleichen umgab. N u r ein einziger Ministerialbeamter, der kleine ausgewachsene Dr. Licht 1 3 ), trat zu ihm. Er war der Böseste von allen. Aber auch die- anderen ließen an Schärfe nichts zu wünschen übrig. U n d als ich einmal Seyß deshalb Vorstellungen machte, meinte dieser mit besorgtem Antlitz: „ D i e Wächterleute haben recht, wir werden es in Österreich nicht zulassen, daß Saboteure des Systems wie im Reich in wichtigeren Beamtenstellungen bleiben." Ich habe bei Wächter mancherlei für alte Kameraden versucht, kam aber in den seltensten Fällen durch. Selbst mein Kramsall war einmal schwer bedroht, weil man in seinen Personalakten aus dem Jahre 1932 (?) eine Karte des Kardinals Piffl vorfand. Dabei hatten die Emigranten, die spätestens seit 1934 draußen waren, von den tatsächlichen Verhältnissen in der Beamtenschaft keine Ahnung. Eine Menge Beamte erhielten jeweils am letzten Monatstage einen gedruckten Zettel mit der gleichfalls gedruckten Unterschrift Seyß-Inquart, der besagte, daß sie vom nächsten Tage nach dem § 4 der Berufsbeamten-Verordnung, das heißt ohne Pension, weggeschickt seien. Es gehörte mit zu den Segnungen des Anschlusses, daß die österreichische Beamtenschaft durch die Berufsbeamten-Verordnung zehnmal so schlecht behandelt wurde als vordem die reichsdeutsche, wo Monarchisten und „Reaktionäre" unbehindert (mit Recht) auf ihrem Sessel blieben. Die Nachwirkungen der Tätigkeit von Wächter und Genossen dauerten tief in den Krieg hinein. So wurde es denen, die von Wächters Schwert getroffen oder gestreift waren, unmöglich, eine Nebenbeschäftigung zu bekommen. Bei Verheirateten erhielt die Frau immerhin die Witwenpension, Ledige wurden ganz auf die Straße geworfen. Hermann hielt in der Halle des Nordwestbahnhofes auch eine Wahlrede 1 4 ). Ich trat bei diesem Anlasse zum ersten Male als SA-Brigadeführer auf, wobei allerdings der Schneider Splinar trotz seiner gut nationalsozialistischen Gesinnung auf den schönen neuen Mantel, den ich jetzt dem Volksopfer opfern werde, nur die Distinktion eines Oberführers aufgenäht hatte, was mir nicht weiter auffiel. Hermann erschien im SA-Hemd, feist und ungeschlacht, nur den Pour le merite um den Hals, mit wehender Mähne und hielt eine sehr geschickte demagogische Rede. Zwei Stellen sind mir in der Erinnerung geblieben, eine, in der er verächtlich vom „ l ä cherlichen Knaben" Otto sprach, und eine, in der er die hervorragenden Verdienste von Seyß und die unblutige Eroberung Österreichs besonders hervorhob. Wieder fühlte ich mich in der ersten Reihe recht unangebracht und die Zeremonie des Fahnenein- und -ausmarsches bereitete mir wegen ihrer so ganz unösterreichischen Art wie immer ein unangenehmes Gefühl. Auch mein Bizeps war noch nicht an den lang anhaltenden Deutschen Gruß gewöhnt. Mich hat Hermann wie immer schlecht behandelt. Ich gewöhnte mich daran.

1 3 ) Wahrscheinlich D r . tion I des B M . f. soziale 1 4 ) A m 26. März. Vgl. sche Priester wandte, in: Wien-München 1978, 41.

Karl Licht, 1938 Hofrat, Leiter des Büros des Kleinrentnerfonds in der SekVerwaltung. die Auszüge der Rede, in der er sich besonders gegen politisierende katholiF. M. Rebhann, Wien war die Schule (Das Einsame Gewissen, Bd. VIII),

„Landnahme" in Salzburg

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In jenen Tagen machte ich, im Konzerthaussaal, auch eine Gedächtnisfeier für die Juliputschisten mit. Es war eine formidable altgermanische Trauerfeier in einem Wald aus Tannenzweigen mit Sprechchor, düstren Gesängen und Hier-Rufen für alle in die Standarte Horst Wessel Eingerückten. Ich muß es wiederholen: eine fremde, mich unheimlich berührende Welt, aus der ich am liebsten geflohen wäre. Nach den Aufzeichnungen meines Fahrers Hofbauer am 3. April fand in Neustadt die letzte Ausmusterung alten Stiles statt 1 5 ), wenn ich nicht irre, schon in Gegenwart des Generals der Infanterie List, des neuen Heeresgruppenoberbefehlshabers in Wien, und auch von Alfred Krauss, den zu sehen schon ein unbehagliches Gefühl bereitete. N o c h einmal erlebten wir auf dem Schwurhügel die Feldmesse, bei der Konsistorialrat Allmer 1 6 ) eine recht nette Predigt hielt (es war im Dritten Reich eine unerhörte, wohl nur List zu verdankende Konzession, die kirchliche Feier), noch einmal spielte sich auf dem Theresienplatz die wundervolle Zeremonie des Säbelzusammenschlagens und so weiter ab, noch einmal fand im Turnsaal, der seither niedergerissen ist, das berühmte gemeinsame Essen statt, bei dem ich als Stellvertreter des Reichsstatthalters eine Rede zu halten hatte. Schilhawsky als Heeresinspektor war, wenn ich nicht irre, noch zugegen, dagegen hatte Generalmajor Towarek als besonders prononzierter Legitimist schon das Weite suchen müssen. An seiner Stelle führte der lange Generalmajor Moyses 1 7 ), alter Linzer Pionier aus meiner Salzburger Brigadezeit, das Kommando. Natürlich dachte kein Mensch daran, die Akademie in der jetzigen Form zu erhalten, die vielleicht wegen Überbürdung mit Lehrstoff auch nicht mehr ganz zeitgemäß war - sie ging wie alles Altösterreichische den Weg alles Irdischen. In tiefer Besinnlichkeit fuhr ich nach Hause. Am 6. April war Hitler, nachdem er die anderen Landeshauptstädte bereist hatte, in Salzburg 1 8 ). Ich fuhr auch dahin 19 ) und machte die feierliche „ L a n d n a h m e " in der Residenz mit, bei der Albert Reitter die Rede hielt und nachher der alte Pflanzl 2 0 ) ein Gstanzl aufsagte. Auch der letztere war, wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr, ein Illegaler. Der Führer erhielt irgendein Gemälde als Andenken. An einem im österreichischen Hof veranstalteten Abendessen nahm der Führer wegen Heiserkeit entgegen der ursprünglichen Absicht nicht teil. Himmler präsidierte. Unter den Anwesenden befand sich auch der komische SS-Gruppenführer Lol s ) Vgl. Th. Rossiwall, Die alte Burg zu Wiener Neustadt. Ein Wahrzeichen in Österreichs Geschichte, St. Pölten 1976, 202 f. * 6 ) Anton Allmer (?), 1938 Militär-Provikar des österreichischen Bundesheeres, Geistlicher Rat. 1 7 ) Karl Moyses (Gresten, N ö , 3 . 1 0 . 1 8 8 2 bis VI./1960, Zell bei Waidhofen a . d . Ybbs, N ö ) , 1902 aus Pionierkadettenschule Hainburg zu Pibaon. 13, Kompaniekmdt. im Weltkrieg, Übernahme ins Bundesheer ( 1 . 1 . 1 9 2 0 Mjr.), 2 5 . 6 . 1 9 3 4 O b s t . , 1 . 4 . 1 9 3 7 Stellvertreter des Kindt, d. Milak., 1.1.1938 G M . , III./1938 betraut mit dem K m d o . d. Milak., 1.8.1938 zur Wehrersatzinspektion Wien, 3 0 . 9 . 1 9 3 8 Ruhestand, 10.11.1938 Wehrersatzinspektion Köslin, 1 . 2 . 1 9 4 1 Genlt., 3 1 . 1 2 . 1 9 4 3 ausgeschieden. 1 8 ) Vgl. Hanisch, Salzburg, 279. 1 9 ) Vgl. über die Reisen nach Salzburg, Essen und Leipzig bis zum Wiedereintreffen in Wien am 4.4. die vom Büro Glaise-Horstenaus herausgegebene Pressenotiz: B G H . 3889/38. 2 0 ) O t t o Pflanzl (Urfahr, 17.8.1865 bis 2 3 . 9 . 1 9 4 3 , Salzburg), ab 1898 Brauereibeamter in Salzburg, Mundartdichter, Gedichtesammlungen: Auf der Ofenbank (1904), Auf der Hausbank (1904), Salzburger Nockerl (1911).

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renz 2 1 ), eine besondere Blüte des Dritten Reiches, mit der ich später mancherlei zu tun hatte. V o r dem Nachtmahl hatte Hitler, wenn ich nicht irre, im Festspielhaus eine Rede gehalten. Es war mir gar nicht sehr angenehm, mich meinen engeren Landsleuten im offenen Auto in der frischen SA-Uniform zu präsentieren. Eine umso größere Freude hatte Franzi Hueber, der auch alle Hitler zugedachten Ovationen auf sich bezog und im Kraftwagen fortwährend aufstand, um sich für die ihm dargebrachten Huldigungen zu bedanken. Am nächsten Tage fand auf dem Walserberg die Eröffnung der Reichsautobahn Salzburg-Wien durch Hitler statt. Seyß hielt eine von tiefster Begeisterung getragene Rede. Mir tat es leid zu hören, daß die Bahn erst im Jahre 1940 fertig werden sollte! Sie wird es in absehbarer Zeit wohl überhaupt nicht werden. Uber dem genialen Schöpfer der Reichsautobahnen, dem späteren Reichsminister Todt, hat sich seither der Rasen geschlossen . . . Bei der Fahrt auf den Walserberg lernte ich, indem ich sie in mein Auto aufnahm, Hilde Reitter kennen. Sie hatte bisher seit einigen Jahren mit Albert Reitter im gemeinsamen Haushalt gelebt und konnte ihn als geschiedene Frau nunmehr nach deutschem Eherecht heiraten. Unmittelbar nach der Feier bestieg ich auf dem Salzburger Exerzierplatz gemeinsam mit Kramsall und Müller-Klingspor eine große für mich zur Verfügung gestellte J u , die mich in wenigen Stunden nach Essen im Ruhrgebiet brachte. Ich hatte dort meine erste „Wahlrede" zu halten. Aus der einen Rede wurden zwei in verschiedenen Hallen. Ich glaube nicht, daß ich mich als Volksredner bewährt habe. Zwischen den beiden Reden meinte Müller-Klingspor, ich solle doch um Gottes Willen mehr über Schuschnigg losziehen. Ich konnte mich leider nicht an diesen Rat halten, da er meinen Auffassungen widersprach 2 2 ). Am anderen Morgen führte mich der Kreisleiter durch Essen, wo mir besonders die Trennung zwischen Industrie- und Wohnstadt gefiel. Wir machten auch sonst eine kleine Rundfahrt, die ein Bild von dem ungeheuren Industriegebiet bot, in welchem ich mich befand. Es ist eigentlich eine ununterbrochene Stadt von zusammenhängenden, in Rauch und Kohlenruß gehüllten Ortschaften. Der Kreisleiter er2 1 ) Werner L o r e n z ( G r ü n h o f bei Stolp, P o m m e r n , 2 . 1 0 . 1 8 9 1 bis ?), Angehöriger des Kadettenkorps in Koslin, ab 1915 Offizier, Kampfflieger, 1919 verabschiedet, Domänenverwalter, stieß 1930 zur SS, u . a . Führer des SS-Oberabschnittes N o r d o s t in Königsberg, 9 . 1 1 . 1 9 3 6 SS-Obergruppenführer, 1 . 3 . 1 9 3 7 Leiter der Volksdt. Mittelstelle; Bevollmächtigter des Beauftragten für außenpolitische Fragen der N S D A P , 1940 mit der Aussiedlung der Volksdeutschen aus der Dobrudscha beauftragt, General der Polizei. 2 2 ) L t . frdl. Mitteilung von Herrn Eginhardt Müller-Klingspor (Tonbandinterview, 1 4 . 5 . 1 9 8 1 ) hielt Glaise-Horstenau seine Rede vornehmlich vor Emigranten aus Österreich, die um Essen und B o c h u m angesiedelt worden waren. U n t e r diesen entstand eine gewisse Unruhe, als Glaise-Horstenau im ersten Teil seiner Rede erwähnte: , , . . . und da kam ich mit meinem Freund Schuschnigg zusammen . . . " . Müller-Klingspor flüsterte nun in der Pause Glaise-Horstenau zu, er möge darauf Bezug nehmen, daß das freundschaftliche Verhältnis und das D u - W o r t auf die gemeinsame Dienstleistung in der k. u. k. Armee zurückgehe und daß auch Schuschnigg grundsätzlich großdeutsch eingestellt gewesen sei. G l a i s e - H o r stenau äußerte sich im zweiten Teil seiner Rede in ähnlicher Weise.

„Wahlreden" in Essen und Leibnitz

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zählte mir mancherlei aus der „Kampfzeit", in der es viele blutige Kämpfe mit den Kommunisten gegeben hatte. Zu Mittag bestieg ich wieder das Flugzeug. Das Ziel war ausgerechnet Leibnitz an der damaligen jugoslawischen Grenze, wo ich die zweite und letzte Wahlrede halten sollte. Während wir flogen, wurde das Wetter zunehmend schlechter, über Österreich sahen wir schon so gut wie nichts mehr. Der Vogel schaukelte entsetzlich, so daß Kramsall käsebleich wurde. Uber Wien erklärte der Flugzeugführer, nur mehr bis Wiener Neustadt fliegen zu können, nicht bis Graz. Ich hatte nichts dagegen, weil ich hoffte, mir die Leibnitzer Rede ersparen zu können. Ich telephonierte von Neustadt an das Wiener Propaganda-Amt. Man war aber unerbittlich. Während Müller-Klingspor in einem Auto der Akademie nach Wien zurückfuhr, jagten Kramsall und ich über den Semmering und kamen gegen 7 Uhr abends auf dem wunderbar dekorierten Hauptplatz von Leibnitz an. Meine Rede war ebenso unzulänglich wie die früheren. Interessant war für mich, daß vor mir der Pfarrer von Leibnitz als überzeugter Nazi gesprochen hatte. Er machte aus Adolf Hitler einen ausgezeichneten bekenntnistreuen Katholiken. In Graz übernachtete ich. Des anderen Tages fuhren wir nach Wien zurück. Es war der Tag, an welchem Hitler von Wien aus, ohne das Abstimmungsergebnis abzuwarten, neuerlich das G r o ß deutsche Reich verkündete 2 3 ). Im Rathaus fand die berühmte Versammlung statt, bei der er die höchst aktuellen Worte sprach: „Diese Stadt ist in meinen Augen eine Perle! Ich werde sie in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig ist." 6 Jahre später haben britische und amerikanische Flieger dafür gesorgt, die Verheißung des Führers in ihrer Art wahr zu machen. Ich hatte es nicht eilig, zu diesem Feste zurecht zu kommen. Erstens wäre es nicht leicht zu bewerkstelligen gewesen. Zweitens ließen mich auch Eitelkeit oder Selbstbewußtsein bald nach dem Anschlüsse solche Festiviitäten nicht mehr lieben. Ich lernte nämlich mit einemmale erkennen, wie wenig ich gegenüber den „alten Kämpfern" galt und sah mich überall zurückgedrängt. Besonders eindringlich fiel es mir zum erstenmal bei einer Festvorstellung in der Oper auf. Ich hatte den in Wien mit General der Infanterie Bock eingerückten Nürnberger Korpskommandanten General der Kavalerie Frh. v. Weichs 2 4 ) zu schapronieren. Was mußte ich sehen? In der Festloge waren alle Plätze von Parteibonzen besetzt, in deren Mitte der Reichskommissar für die Abstimmung in Österreich Gauleiter Bürckel mit ver-

2 3 ) D e r 9 . 4 . 1 9 3 8 , der Vorabend der „ V o l k s a b s t i m m u n g " , wurde zum „ T a g des Großdeutschen R e i c h e s " deklariert. Hitler wurde im Festsaal des Rathauses empfangen. Man wollte auch einen wirkungsvollen Platz für seine R e d e schaffen, in der dann der Ausspruch, daß Wien eine Perle sei, fiel. Deshalb war eine steinerne Galerie am Rathausturm halbkreisförmig ausgebaut worden. Vgl. Rebhann, Wien war die Schule, 43. 2 *) Maximilian Lamoral F r h . von und zu Weichs (Dessau, 1 2 . 1 1 . 1 8 8 1 bis 2 7 . 9 . 1 9 5 4 , Burg Rösberg bei K ö l n ) , 1 5 . 7 . 1 9 0 0 als Fahnenjunker in die bayer. Armee, 1 2 . 3 . 1 9 0 2 als L t . beim bayer. 2. schweren Reiterregt., Generalstabsdienstleistung im Weltkrieg, Reichswehr, 1933 K d r . 3. K a v . D i v . , 1 . 4 . 1 9 3 5 G e n . L t . , 1 . 1 0 . 1 9 3 5 K d r . 1. P z . D i v . , 1 . 1 0 . 1 9 3 6 G e n . d. Kav., 1 . 1 0 . 1 9 3 7 K d i . G e n . Generalkmdo. X I I I . A K . in N ü r n b e r g , 2 0 . 1 0 . 1 9 3 9 O B . 2. Armee, 1 9 . 7 . 1 9 4 0 G e n . O b e r s t , 1 5 . 7 . 1 9 4 2 bis 1 0 . 7 . 1 9 4 3 O B . H g r . B , 2 2 . 8 . 1 9 4 3 bis 2 5 . 3 . 1 9 4 5 O B . H g r . F und O B . Südost.

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soffenen Augen saß. Der Höchstanwesende der Wehrmacht mußte jedoch mit einem Platz in der linken Proszeniumsloge vorlieb nehmen! Ich wußte damals noch wenig von der Rangordnung „Partei, Staat und Wehrmacht". Seither habe ich sie gründlich kennengelernt. Auch dienstlich lernte ich nur zu bald erkennen, daß man auf meine Arbeit nicht mehr rechnete. Seyß hatte mich unmittelbar nach dem Anschluß noch einmal in meinem Büro, dem „roten Salon" mit den Bildern Aehrenthals und Ficquelmonts, besucht - dann nie mehr wieder. In Hinkunft mußte ich mich stets um eine Audienz bei ihm bewerben und ich wurde gnädig in den Räumen empfangen, die einstmals der Bundesmiklas innehatte. Dabei war er sicherlich starken Anfechtungen wegen der ersten Zusammensetzung seines Kabinetts ausgesetzt. So fühlte ich mich denn anfangs April veranlaßt, Seyß in einem Briefe mein dürftiges Portefeuille zur Verfügung zu stellen 25 ). Dabei stellte ich allerdings einige Bedingungen, deren 2 S ) D a r ü b e r zwei Briefe im A k t des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Volksgericht, Geschäftszahl Vg/1 e / V r / 4 9 3 / 4 6 / H v . 3 2 4 / 5 0 , fol. 2 2 4 - 2 2 6 ( X e r o x k o p i e im K.A., B / 6 7 , nr. 105). GlaiseHorstenau an Seyß-Inquart, 2 4 . 4 . 1 9 3 8 , Abschrift eines Durchschlag, 4 S. Maschinschrift. Glaise bezog sich auf einen Brief an Seyß-Inquart vom 5. April, in dem er die „ F r a g e meines Ausscheidens aus der R e g i e r u n g " vorlegte, denn er wollte einer Verkleinerung des Kabinetts nicht im Wege stehen. E r habe in Berlin nun mit „maßgebenden Stellen" gesprochen. N u n habe sich das Bild geändert. „ D e r Einbau der alten Kämpfer und ihres Nachwuchses erscheint danach im wesentlichen - gleich vielem anderen - in die Sphäre der Länder verlegt, womit auch die Neuformung der gesamtösterreichischen Landesregierung . . . einen von meiner ursprünglichen Auffassung verschiedenen Charakter gewinnt. Zugleich damit gewinnt auch mein Ausscheiden in dem Augenblick, da das hehre Ziel, dem ich meine Lebenslinie in maßgebendster Art geweiht habe, einen Beigeschmack, der mich berechtigterweise tief verstimmen m u ß . " E r verstehe die Verkleinerung der Regierung. „ A b e r es ist doch so, daß man auch in den Landesregierungen des Altreichs neben der maßgebend schaffenden Persönlichkeit, wie D u es sein sollst, mitunter wenigstens für einige Zeit einen zweiten M a n n , der sich in der zurückliegenden Kampfzeit einiges V e r dienst und damit auch Vertrauen und Resonanz in der Öffentlichkeit erworben hat, in einer Regierungsposition belassen hat . . . " . Glaise verweist nun auf seine Verdienste um die „deutsche Schicksalsgemeinschaft ab 1917, seine Publikationen und Radiovorträge", die Abneigung D o l l f u ß ' , auf seine Tätigkeit im „legalen V o r f e l d " , weshalb er „ n i c h t gestatten" könne, mit anderen . . . Ministerkollegen, die jetzt zugleich . . . ausscheiden sollen, in eine Reihe gestellt zu werden". Seine Tätigkeit in der Regierung Schuschnigg „ w a r K a m p f um Z e i t g e w i n n " , den er als ehrlicher Soldat geführt habe. „ N u r der entschlossene D r u c k Deutschlands, den ich immer wieder gefordert habe, konnte, wie sich schließlich zur Evidenz erwies, Rettung b r i n g e n . " Glaise interpretiert auch sein Verhalten in den Märztagen in diesem Sinne und meint, er sei erbittert, nun, knapp nach dem Anschluß und unter Umständen, die ihm am 5. April noch nicht bekannt waren, „ z u s t ü r z e n " . Er könne wahrscheinlich auch nicht ins Kriegsarchiv zurück, da er in Hinblick auf sein Alter dem Reichstagsmandat den Vorzug geben müsse. E r glaube als Minister ohne Geschäftsbereich noch sachliche Dienste leisten zu k ö n n e n , „Sicherlich wird Österreich auf der deutschen Karte immer mehr verblassen und es muß sein Schicksal sein, allmählich auszulöschen. Dieses O p f e r muß dargebracht werden angesichts der säkulären Aufgabe, die sich der Führer gestellt hat und die nur dieser größte Mann der deutschen Geschichte erfüllen kann: es muß dargebracht werden im Interesse der Nationswerdung. A b e r im Augenblick erwachsen der österreichischen Landesregierung doch immer noch nicht nur in Wien und in den Kleinländern, sondern - da es in der obersten Sphäre des Reiches an prononcierten Österreichern noch fehlt - auch im Altreich eine Menge Pflichten, die irgendwie mit dem besonderen deutschen Traditionsgut unseres Landes zusammenhängen." Glaise verwies auf Einladungen zu Reden und Artikeln für seine Person. D o c h die Regierung müsse dahin wirken, daß die Uberlieferung in die „gesamtdeutsche T r a d i t i o n " einmünde. Er erinnerte auch „ a n unsere kulturelle Sendung gegenüber dem Südostdeutschtum des Auslandes", wofür noch mancherlei praktische Arbeit

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Erfüllung mir einen behaglichen Lebensabend sichern sollte. Ich hatte recht damit. Ahnte ich doch noch gar nicht, was es heißt, im Dritten Reich Junggesellensteuer entrichten zu müssen. Unter anderem forderte ich meine Einberufung in den Reichstag, vor allem wegen der Freikarte auf den Bahnen. Ich muß diese Schwächen eingestehen. Seyß meinte bei Gelegenheit wegen des Reichstages: Die Mandate seien vor allem den durch die Systemregierung zum Tode verurteilt Gewesenen vorbehalten. In Wirklichkeit bildete diese Verurteilung später ein wichtiges Kriterium für den Beruf eines Volksvertreters. Die große Abstimmung am 10. April ging wie vorauszusehen aus. Billigerweise muß man aber doch sagen, daß Wahlschwindeleien kaum viel vorgekommen sind und die überragendste Zahl der 99,73% mindestens mit der Uberzeugung abgegeben wurde, daß ein entweder begrüßenswerter oder unvermeidlicher geschichtlicher Prozeß besiegelt werden mußte. In einer großen Versammlung in den Konzerthaussälen teilte Bürckel mittels eines Mikrophons dem Führer in Berlin das Abstimmungsergebnis mit. Als zweiter und letzter aus Wien sprach der Iglauer Seyß-Inquart über diese doch wesentlich österreichische Angelegenheit, worauf der Führer sich vernehmen ließ, daß er „so glücklich" sei. Noch einmal bekam man aus seinem Munde das Wort Österreich, allerdings verbrämt mit dem Epitheton „Deutsch", zu hören. So hatte denn das Anschlußgesetz auch durch die Volksabstimmung seine Bestätigung erfahren 26 ). Ich habe später öfter den Witz gemacht: Das Gesetz wäre sehr schön, nur sollte der § 1 nicht heißen „Österreich ist ein Land des Deutschen Reiches", sondern umgekehrt „Deutschland ist ein Bundesland des Bundesstaates Österreich". In diesem Scherzwort liegt bei aller Komik viel Ernst, der in den folgenden Jahren tausendmal erhärtet worden ist. Bald nach der Abstimmung, zu Führers Geburtstag, fuhr ich mit Seyß, Klausner, Wimmer wieder nach Berlin. Ich hatte von meinem Kriegsarchivoffizial Gerlich auf Pergament die Anschlußurkunde schreiben lassen, die die beteiligten Minister alle inklusive Hubert Klausner - eigenhändig unterfertigten. Diese Urkunde brachten wir dem Führer zum Geschenk. Die ganze Gratulationsaufwartung stand - zum ersten und letzten Male - im Zeichen Österreichs und des Anschlusses. Das Haus zu leisten sei. Er glaube, auf diesem Gebiet wirken zu können, auch wenn sein Stempel nur den „Stempel des Provisoriums trägt." In einem weiteren Schreiben vom 29.4.1938, 2 S. Masch., wiederholt Glaise-Horstenau sein Anliegen. Das mindeste wäre, so wird er nun deutlicher, daß er „ f ü r eine gewiß begrenzte Frist noch über den allgemeinen Kehraus hinaus als Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett" bliebe. Er könnte „in den Fragen des geistigen und moralischen Einbaues Österreichs noch nützliche Arbeit leisten. Wenn ich dieses letztere erwähne, kommt mir freilich zugleich der Gedanke daran, wie schwach wir Österreicher (siehe das Gefolge des Führers auf der italienischen Reise) in der Berliner Sphäre vertreten sind und ob sich nicht gerade hier für einen Menschen meiner Art eine - gewiß auch durchaus zeitlich begrenzte - Verwendung ergeben könnte . . . " . Seyß-Inquart möge dafür sorgen, daß sein Fall dem Führer unterbreitet wird. 26 ) Vgl. die Untersuchung der Vorbereitung, der Durchführung und des Ergebnisses der „Volksabstimmung" in Wien bei G. Botz, Wien vom „Anschluß" zum Krieg. Nationalsozialistische Machtübernahme und politisch-soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/39, Wien-München 1978, 113-189.

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war voll von Tirolern, Steirern und Tirolerinnen und Steirerinnen. Ich trug die Felduniform eines österreichischen Generalstabsobersten, womit ich Hitler, wie sich aus der späteren Schilderung ergeben wird, kaum eine Freude bereitet habe. Dennoch entwickelte sich, während die anderen herumstanden, zwischen Hitler und mir ein geschichtlich nicht uninteressantes Gespräch, dessen wesentlichster Teil mir haften blieb. Hitler: 49 Jahre, das ist doch schon viel!" Ich: „ A b e r , mein Führer, schauen Sie mich an, ich bin schon 56 und doch noch ein ganz fescher Bursche." Hitler: ,,Ja, aber 39 wäre mir lieber, denn ich habe noch sehr viel vor m i r ! " Die Sorge, er könne wegen frühzeitigen Todes sein „ P e n s u m " nicht erledigen, äußerte er auch sonst des öfteren gegenüber allen möglichen Personen. Es wäre besser gewesen, er hätte das Pensum Pensum sein lassen. Wimmer, der Ehrgeizige, war gelb und grün vor Neid, daß Hitler vor allem mit mir sprach. Dennoch mußte ich kurz darauf erkennen, wie vergänglich im Dritten Reich noch mehr als anderswo, außer man gehört, wie schon bemerkt, zu den „alten Kämpfern", irdischer Ruhm und höhere Gunst ist. Während ich zur nachfolgenden Parade voriges Jahr durch zwei Ehrenkavaliere (Muff und Rabe v. Papenheim) geleitet wurde, hatte ich es diesmal ausschließlich dem mir auch sonst freundschaftlich gesinnten Reichsinnenminister D r . Frick zu danken, daß ich überhaupt einen Platz auf der Honoratiorentribüne erhielt. Oben war man allerdings recht freundlich mit mir. Zumal der SA-Stabschef Lutze 2 7 ) unterhielt sich sehr intensiv mit mir. Aus den Schilderungen seines Lebensstandards erfuhr ich, welche Anforderungen ein allerdings sehr hoher - Würdenträger des Dritten Reiches (Lutze war Nachfolger Röhms) an sein Dasein stellte. Ein kleiner Rennstall war das geringste. Lutze kam im Weltkrieg bei einer Autofahrt um, die ihn von seinem westfälischen Gute nach Berlin zurückbringen sollte. Geboren 1890 war er vor dem ersten Weltkriege Postbeamter, im Krieg Reserveoffizier. Er verlor ein Auge und trug statt dessen eines aus Glas, das man normal kaum bemerkte. Wenn er jedoch, bis 3 Uhr früh, viel zu viel „hinter die Binde gegossen" hatte, was bei ihm sehr häufig vorkam, pflegte er sein Glasauge inmitten der Gesellschaft vor sich auf den Tisch zu legen, was meist keine ganz appetitliche Angelegenheit war . . . Nun aber der Vorbeimarsch. Irgendwer kam auf die Idee, der Parade auch ein Bataillon des österreichischen Bundesheeres beizuziehen, das offiziell schon dem deutschen Reichsheer einverleibt war. Hitler wehrte sich ursprünglich gegen den Gedanken. Der geborene Braunauer meinte, es sei doch unmöglich, in Berlin österreichische Uniformen zu zeigen! Schließlich gab er aber doch nach und man kam auf den Gedanken, ein Bataillon des Linzer Infanterieregiments, der Nachfolgetruppe von Hesseninfanterie N r . 14, nach Berlin zu beordern, wobei gewiß niemand daran dachte, daß dieses Regiment schon einmal, 1864, als Teil der berühm2 7 ) Viktor Lutze (Bevergern, 2 8 . 1 2 . 1 8 9 0 bis 7 . 5 . 1 9 4 3 , tödlich verunglückt infolge Autounfall), 1925 Führer der SA im Ruhrgebiet, 1930 M . d . R . , 3 0 . 6 . 1 9 3 4 Stabschef der SA, 1933-1941 Oberpräsident von Hannover.

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ten „schwarzgelben" Brigade, durch die Linden gezogen ist. Das herbeigeholte Bataillon wurde an die Spitze des Vorbeimarsches gestellt. Den scheußlichen preußischen Parademarsch konnte es natürlich nicht. Seltsamerweise wurde ihm jedoch verwehrt, im schönen österreichischen Parademarsch vorüberzuziehen, sondern es mußte „ k o m m o d " marschieren, was dadurch besonders salopp aussah, da die preußische Marschmusik in viel langsamerem Tempo spielt, als es die österreichische tat. Es war kein Vorbeimarschieren, sondern ein Vorbeischleichen - ein äußerst betrübliches Bild, das unsere Armee nicht auszeichnete, sondern kompromittierte. Es wäre besser gewesen, man hätte die Linzer zu Hause gelassen. Sonst war die Führerparade wieder eine große kriegerische Demonstration, die verglichen mit früheren Veranstaltungen - vor allem dem Auslande den Grad der deutschen Aufrüstung zeigen sollte. Daß dies erwünscht war, sollten schon die nächsten Monate beweisen. Die nächsten Tage über hatte der Führer mit Bürckel - auch ohne Zuziehung von Seyß - über die Neugestaltung in Österreich verhandelt. Als Frick von der geplanten Selbständigmachung der kleinen Bundesländer zu Reichsgauen hörte, war er, wie er mir zu erkennen gab, entsetzt. Ich verstand die Sache im ersten Augenblicke nicht, sondern meinte nur, daß es sich um eine stärkere Verlagerung der österreichischen Zentralverwaltung in die Länder handeln werde. Auch Frick hatte offenbar noch eine solche Vorstellung. Seyß verhielt sich bei einem Essen, bei dem selbst Wimmer für die Aufrechterhaltung der österreichischen Zentralverwaltung eintrat, ärgerniserregend passiv. Hatte er vielleicht seine Heimat schon um das Linsengericht der Reichsministerschaft verkauft? Ahnte er schon etwas davon? Am 23. April fand ein Konzert der Wiener Philharmoniker in Berlin statt. Ich hatte Seyß in der Führerloge zu vertreten und saß neben Hitler. Furtwängler dirigierte. Hitler meinte bei der ersten Piece, die Berliner Philharmoniker seien doch besser. Bei der zweiten verwandelte sich dieses zurückhaltende Urteil in helle Begeisterung für die Wiener. Tatsächlich scheint das Orchester beim ersten Stück irgendwie gehemmt gewesen zu sein. Ich benützte die Pause, um ein Wort über die österreichischen Pläne fallen zu lassen. Ich tat es natürlich mit Vorsicht: Es sei interessant für mich, zu hören, wie auch der Führer bei der: künftigen Verfassung Österreichs das Schwergewicht stärker in die „historischen Individualitäten" zu verlegen gedenke. Ich erhielt keine aufklärende Antwort. Wohl aber entwickelte sich ein Gespräch über Geschichtsauffassung, aus dem mir in Erinnerung blieb, daß Hitler seltsamerweise auch nichts dagegen hatte, den Habsburgern ihren Platz in der deutschen Geschichte zu lassen. N u r müsse es im gesamtdeutschen Sinne geschehen. Ich sprach über dynastische, Staaten- und Volkstumsgeschichte und erwähnte den Namen Srbik, der Hitler offenbar sehr wenig - wenn überhaupt etwas - sagte. Nach unserer Rückkehr in die Heimat enthüllten sich die Pläne, die man mit Österreich hatte. Bürckel rief Ende April das ganze, noch immer sehr große Kabinett Seyß im Parlament - jetzt „Gauhaus" - zusammen, kündigte uns in seiner forschen Art an, daß es mit uns bald ein Ende haben werde und erklärte unter anderem, daß man sich aus gesamtdeutschen Gründen auch von Begriffen trennen

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werde müssen, die man gewohnheitsmäßig gern habe. Welche Begriffe darunter gemeint waren, erfuhr ich alsbald. In denselben Tagen kam das Handschreiben des Führers heraus, das die Auflösung Deutschösterreichs binnen Jahresfrist verkündete 2 8 ). Bürckel, bisher Kommissar für die Volksabstimmung, wurde zum Reichskommissar für Österreich ernannt. Neben ihm blieb Seyß noch bis zum ersten Mai 1939 (!) Reichsstatthalter, eine unmögliche Situation, die sich der also beglückte durch die einzig dastehende Verheißung, nach Ablauf eines Jahres Reichsminister zu werden, lohnen ließ 29 ). Der zweiköpfige Adler Seyß-Bürckel bereitete beiden Adlerköpfen ein Jahr lang viel Ärger; sie regierten völlig nebeneinander und sahen sich oft wochenlang nicht. Repräsentationsfeste, bei denen beide anwesend waren, gab es überhaupt nicht wegen der Rangfrage, die im Dritten Reich ja immer und überall eine besonders große Rolle spielte und keineswegs so wunderbar gelöst war wie im spanischen Hofzeremoniell. Es kam wohl einige Zeit hindurch in Abständen eine Rangordnung der Würdenträger heraus. Bald nach Kriegsausbruch wurde jedoch auch dies aufgegeben, da Zweifel über die Rangierung der Funktionäre der Gliederungen entstanden waren und nicht gelöst werden konnten. Im allgemeinen rangierten beispielsweise bei einer Parteiveranstaltung die Reichsleiter vor den Reichsministern, die Gauleiter vor den Reichsstatthaltern, bei den staatlichen Anlässen war es umgekehrt, bei solchen von Partei und Staat galt das Ernennungsalter. Eine etwas komplizierte Maschine. Hinter dem Führer kam unter allen Verhältnissen Hermann, dann Heß, so lange er nicht weggeflogen war, nachher Ribbentrop und dann erst die Feldmarschälle, nach ihnen die Reichsminister. Die Ministerpräsidenten der Länder und die Landes-Minister verschwanden allmählich aus der Aufzählung, unbekümmert darum, daß sich die bayerische Staatsregierung noch knapp vor Kriegsausbruch ein großartiges Gebäude der „bayerischen Zentralregierung" errichtete. Dieses ist seither von feindlichen Bombern umgelegt worden. Ich komme auf Seyß zurück. Er hat sich mir gegenüber, wie gegen jedermann, als schlechter Kamerad erwiesen. Ehrgeiz und Ichsucht hinderten ihn, anders zu handeln. Ich verzeihe es ihm jedoch. Was ich ihm aber nicht verzeihe, ist sein Verhalten in der österreichischen Frage. Der reibungslose Anschluß, den ebenso der 2 8 ) Hitler bestellte am 2 3 . 4 . 1 9 3 8 Bürckel, bisher „Beauftragter des Führers für die Volksabstimm u n g " , gleichzeitig kommissarischer Leiter der österreichischen N S D A P , zum „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen R e i c h " . Bürckel war mit umfassenden Vollmachten ausgestattet und konnte den Dienststellen des Reiches im „ L a n d e Österreich", ausgenommen die Wehrmacht, sowie dem Reichsstatthalter Seyß-Inquart Weisungen erteilen, ohne den Reichsminister des Innern zu fragen. Dieser jedoch mußte bei allen Maßnahmen das Einvernehmen mit dem Reichskommissar herstellen. Keppler, der „Reichsbeauftragte", legte am 4. Juni auch formell sein A m t nieder. Ebenfalls am 23. April kündigte Hitler in einem Schreiben an Seyß-Inquart an, er werde ihn binnen Jahresfrist als Reichsstatthalter entheben und zum Reichsminister ernennen, damit er „ d a n n an dieser Stelle weiter für Österreich im Großdeutschen Reich wirken" könne (Text bei Rosar, 326). 2 9 ) Uber den Machtkampf Seyß-Inquart gegen Bürckel, der zugleich als ein Kampf der SS um ein Territorium in Großdeutschland und - in zweiter Linie, jedoch in mancher Weise damit verquickt - eine Auseinandersetzung um den Versuch, für das „ L a n d Österreich" ein gewisses Eigengewicht zu erhalten, war: vgl. Rosar, 2 9 9 - 3 6 9 .

Auslöschung Österreichs

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Portier vom Ballhausplatz hätte in gleicher Weise bewerkstelligen können, hat ihm weit über sein Verdienst bei Hitler und allen führenden Männern des Dritten Reiches eine Position verschafft, auf die gestützt er für Österreich trotz aller feindseliger Stimmung, die fast überall in diesen Kreisen herrschte, und trotz des Mißtrauens Hitlers vergleichsweise außerordentlich viel erreichen hätte können. Das Linsengericht des „Reichsministers in spe" ließ ihn auf solchen Ruhm restlos verzichten. Vielleicht sprach auch der Sudetendeutsche in ihm mit. Als ich mich einmal in Salzburg wegen der Uberführung der Reichskleinodien, das anderemal in Nürnberg auf dem Parteitage wegen der Auslöschung Österreichs bei ihm beklagte, belächelte er meine Gefühle beidemale mit der Bemerkung, ich möge mich nicht unzeitgemäßen Sentiments hingeben. Dieser Mann war - neben dem Saarländer Proleten Bürckel - der einzige, der in den Monaten nach dem Anschluß in der österreichischen Frage Hitler gegenüber zu Worte kam. In den nächsten Wochen wurden rund um Bürckel alle mit der Auslöschung Österreichs entstehenden Ämter ausgehandelt. Was mit Österreich geschah, zeichnete sich alsbald ab. Der Name Österreich sollte schon nach einer Presseanweisung, die wenige Tage nach dem Anschluß herausgegeben worden war, möglichst durch die unklare und verschwommene Bezeichnung Ostmark ersetzt werden. Der Name Ostmark hatte sich nach der Lechfeldschlacht nur auf den Landstreifen zwischen der Enns und dem Wiener Becken bezogen und auch das nur für einige Dezennien 30 ). Denn schon 996 hieß dieses Gebiet in einer Urkunde „Ostarrichi". Immerhin mochte man gegen die Bezeichnung Österreich vorbringen, was früher mancher vorgebracht hat. Österreich bezog sich wohl lange Zeit beiläufig auf das Gebiet des gewesenen Bundesstaates, spätestens seit Maximilian wurde aber die Bezeichnung auch auf das Haus angewendet und als zum Beispiel die Spanischen Niederlande nach dem spanischen Erbfolgekrieg an die deutsche Linie des Hauses Österreich fielen, bekamen auch sie den Namen „österreichische Niederlande". 1804 bis 1867 gab es überdies ein Kaisertum Österreich, nachdem schon früher viel von der österreichischen Monarchie gesprochen worden war. Der einst für die bescheidene Grenzmark geltende Name war nach Inhalt und Bedeutung weit über das Ursprüngliche hinausgewachsen, wie es denn auch störte, daß man in der DollfußSchuschnigg-Zeit bei Nennung des ehrwürdigen Namens sehr oft absichtlich oder unabsichtlich nicht zu erkennen gab, ob man Kleinösterreich von 1919 oder das Prinz Eugen'sche Österreich meinte. Was aber ungeheuerlich und ein reiner Bosheitsakt war, war die Einführung der beiden Bezeichnungen Nieder- und Oberdonau. Vor allem waren diese Bezeichnungen geographisch unrichtig, denn die obere Donau reicht bis Passau, während 30

) Für diesen Zeitraum nach der Schlacht am Lechfeld ist der N a m e „ m a r c h i a orientalis" überliefert und im deutschen Sprachgebrauch der N a m e Ostarrichi o d e r Osterriche. Die deutsche Bezeichnung ist in der sogenannten O s t a r r i c h i - U r k u n d e von 996 Kaiser O t t o s III. erstmals nachweisbar. Die Bezeichn u n g „ O s t m a r k " ist n u r eine spätere Ü b e r s e t z u n g von „ m a r c h i a orientalis". Vgl. E. Zöllner, Perioden der österreichischen Geschichte u n d Wandlungen des Österreich-Begriffes bis z u m E n d e der H a b s b u r germonarchie, in: Die H a b s b u r g e r m o n a r c h i e 1848-1918, Bd. III: Die Völker des Reiches, Wien 1980, 1-32.

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die untere Donau zwischen Bulgarien und Rumänien fließt. Auch sprachlich eignen sich Flußnamen im Deutschen wenig zu Gebietsbezeichnungen. Eine Ausnahme macht vielleicht der Rhein, obgleich man auch zwar von rheinisch, nicht aber von Rheinern, sondern Rheinländern spricht (wobei nach dem Ursinn auch eigentlich Länder am Rhein und nicht Menschen vom Rhein zu verstehen waren). An der Elbe hat man sich mit der übrigens unrichtigen Latinisierung „ O s t e l b i e r " geholfen. Eine donauische Regierung und ein Donauer Bauer beleidigen sprachlich jedoch das Ohr. Aber Sprachgefühl ist die starke Seite von NS-Deutschland nicht. Man kann im Gegenteil sagen, daß das Jahrzehnt seit der Machtergreifung ein solches der Sprachverwilderung geworden ist. Ich denke etwa an die Unmöglichkeit eines „Trägers des goldenen Eichenlaubes in Brillanten mit den Schwertern des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes", zu dem kürzlich der Fliegeroberst Rudel 3 1 ) ernannt wurde, oder an das unerhörte Uberwuchern der Akü-Sprache, gegen die der brave deutsche Sprachverein 70 Jahre lang mit Recht gewettert hat und auch General Jodl 3 2 ), allerdings vergeblich, zu wettern versuchte. Was aber nun Ober- und Niederdonau anbetrifft, so äußert sich in diesen beiden Ausdrücken vor allem ein namenloser politischer Sadismus, der nur von dem in „ M e i n K a m p f " zum Ausdruck gelangenden Haß gegen Altösterreich herkommen kann. Das kleinste Dreckland im Altreich hat seinen Namen behalten, ein Gau bei Berlin erhielt just damals den „historischen" Namen Kurmark wieder. Nieder- und Oberösterreich jedoch, an deren Boden der ehrwürdige N a m e Österreich seit beinahe einem Jahrtausend geknüpft war (wie bei kaum einem zweiten deutschen Lande), wurden mit lächerlichen Bezeichnungen umgetauft, wobei noch Kerle wie der Gauleiter Eigruber von Oberösterreich (genannt Eileiter Gaugruber) besonders stolz darauf sind. Ich habe mich bei Frick und Lammers bemüht, diesen Unsinn zu vereiteln, habe verschiedene Denkschriften verfaßt und so weiter. Dabei ist das Gelungene, daß sich Hitler selbst der von ihm erfundenen Bezeichnungen nicht bedient. So hörte ich ihn von tapferen „oberösterreichischen" Regimentern reden und sich gegenüber dem Poglavnik und dem kroatischen Kriegsminister Navratil einen „Österreicher" nennen. Wozu also das ganze Theater, das dann dennoch unter beifälligem Lächeln von Seyß-Inquart aufgeführt wurde? Während des Krieges hat dann Hitler noch den Namen Ostmark verboten 3 3 ). D a sich aber doch, zumal im Gesetzeswesen, die Notwendigkeit ergab, die ehemaligen 3 1 ) H a n s U l r i c h R u d e l ( K o n r a d s w a l d a u , Schlesien, 2 . 7 . 1 9 1 6 bis 1 8 . 1 2 . 1 9 8 2 , ?), 4 . 1 2 . 1 9 3 6 als F a h nenjunker zur L u f t w a f f e , 1 . 1 . 1 9 3 9 L t . , Sturzkampfflieger, 1 . 3 . 1 9 4 4 Mjr., 1 . 9 . 1 9 4 4 Obstlt., 2 9 . 1 2 . 1 9 4 4 bei B e f ö r d e r u n g z u m O b e r s t Verleihung des G o l d e n e n E i c h e n l a u b s mit Schwertern und Brillanten z u m R i t t e r k r e u z des Eisernen K r e u z e s als erstem und e i n z i g e m Soldaten der D e u t s c h e n W e h r m a c h t nach über 2 4 0 0 F e i n d f l ü g e n . 3 2 ) A l f r e d J o d l ( W ü r z b u r g , 1 0 . 5 . 1 8 9 0 bis 1 6 . 1 0 . 1 9 4 6 , gehenkt in N ü r n b e r g ) , 1910 Eintritt in die b a y r i s c h e A r m e e als F h r . bei 4. F A R . , Ü b e r n a h m e in die R e i c h s w e h r , 1932 versetzt ins T r u p p e n a m t , R e i c h s w e h r m i n . , 1 . 7 . 1 9 3 5 Leiter der A b t e i l u n g L a n d e s v e r t e i d i g u n g im R e i c h s k r i e g s m i n i s t e r i u m , 1 . 1 0 . 1 9 3 8 Artillerieführer 44, 2 3 . 8 . 1 9 3 9 bis K r i e g s e n d e C h e f des Wehrmachtsführungsamtes, 1 9 . 7 . 1 9 4 0 G e n . d. A r t . , 3 0 . 1 . 1 9 4 4 G e n . O b s t . , schloß a m 7 . 5 . 1 9 4 5 in R e i m s die K a p i t u l a t i o n s v e r h a n d lungen a b . Vgl. das E r i n n e r u n g s w e r k : L . J o d l , J e n s e i t s des E n d e s . L e b e n u n d Sterben des G e n e r a l o b e r s t A l f r e d J o d l , W i e n - M ü n c h e n - Z ü r i c h 1976.

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deutschen Erblande unter einen gemeinsamen Begriff zusammenzufassen und sich dadurch die Aufzählung der einzelnen Zwerggaue zu ersparen, kam ein besonders erfindungsreicher Kopf auf die Bezeichnung „ D o n a u - und Alpenreichsgaue", wobei das Epitheton „ R e i c h s - " ja nicht unterdrückt werden darf, weil sonst auch der „Traditionsgau" München mitinbegriffen wäre. Das O K W half sich später notgedrungen, in seinen Berichten doch von „ostmärkischen Gebirgsdivisionen" zu sprechen. Allerdings nannte man Ostmark auch die Bayrische Ostmark und selbst das Gebiet um Frankfurt an der Oder, so daß zum Beispiel am Parteitag 1938 unausgesetzt „ O s t m ä r k e r " vorüberzogen, die nicht aus Österreich stammten. Inzwischen hatte auch sonst die Unifizierungs- und Zentralisierungsmaschine preußischer Prägung unausgesetzt über die Fluren meiner geliebten Heimat hinweggestampft. Alles, aber schon alles mußte daran glauben. V o r allem natürlich die Steuergesetzgebung, der in vielen Dingen Rückwirkung zugesprochen wurde; man kam erst langsam darauf, was sie bedeutete: Kanonen statt Butter! Die Nationalbank wurde sofort in eine Filiale der Reichsbank verwandelt 3 4 ), an sich selbstverständlich. Aber die schönen Devisen, die Kienböck gesammelt und aufgespeichert hatte! Nicht ohne Grund hatte sich Hermann Guido Schmidt gegenüber auf die Blusentasche geklopft, als dieser nach dem Anschlüsse bei ihm war: „Das tut w o h l ! " So viel fremdländisches Geld hatte der Gute seit Jahren nicht gesehen. Möglichst rasch verschwand der Schilling, der „Alpendollar" seligen Angedenkens, und an seine Stelle trat in der Relation 1 :1,5 (meines Erinnerns schon vor der A b stimmung) die Mark. Schacht wollte im Interesse Österreichs - ich verstehe es nicht, aber ich glaube, wegen der in Wirklichkeit recht schlechten deutschen Gehälter - die Relation 1 : 2 . Aber Hitler war für die erstere Lösung, aus Rücksicht auf die Stimmung. Tatsächlich stand ich mich als österreichischer Minister bei Abzug der Steuern auf beiläufig S 2 0 0 0 , - monatlich, mein Nettogehalt als reichsdeutscher Minister der österreichischen Landesregierung, wie es dann hieß, belief sich - ich erfuhr es allerdings erst allmählich durch die verschiedenen Steuermandate - nur auf rund R M 9 0 0 , - bei erheblich geringerer Kaufkraft als sie der seinerzeitige Schillingbetrag hatte. Ich war, seit ich Direktor des Kriegsarchivs wurde, immer erheblich besser bezahlt. Als General der Infanterie erhielt ich später gleich viel wie als Landesminister. In größter Eile wurde auch die Verwaltung der preußisch-deutschen „angeglichen". Im Gegensatz zu Bayern, wo noch immer der Amtmann seines Amtes waltet, wurde der Bezirkshauptmann sofort in einen preußischen Landrat verwandelt und die altehrwürdige Bezirkshauptmannschaft in einen Kreis, wo selbstverständlich auch der Kreisleiter zweigeleisig seinen nicht kleinen Apparat aufzog. Die Län3 3 ) D u r c h Weisung des Reichsministers des Innern, 1 4 . 6 . 1 9 3 9 , wurde bei den Behörden die B e zeichnung „ Ö s t e r r e i c h " durch „ O s t m a r k " ersetzt, Im April 1940 verfügt die Reichskanzlei die A b l ö sung der Bezeichnung „ O s t m a r k " durch „Reichsgaue der O s t m a r k " . U n d am 1 9 . 1 . 1 9 4 2 wies Lammers alle Reichsministerien an, die Verwendung des Terminus „ O s t m a r k " zu vermeiden. A m 8 . 4 . 1 9 4 2 folgte die Anordnung der Reichskanzlei, die Bezeichnung „ A l p e n - und D o n a u - R e i c h s g a u e " zu verwenden, wenn eine Aufzählung nicht möglich sei. Vgl. Luza, 253.

" ) A m 1 7 . 3 . 1 9 3 8 . Vgl. L u z a , 1 2 7 f f . , 2 7 8 f f .

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der wurden in Reichsgaue, das heißt kleine Duodezfürstentümer, verwandelt 3 5 ), die direkt vom Reichsinnenministerium, die Reichsstatthalter selbst sogar vom Führer, das heißt vom Chef der Führerkanzlei Martin Bormann, abhingen. Jeder Reichsstätthalter bekam, teilweise in Personalunion, einen Regierungspräsidenten und einen Gauhauptmann zugeteilt 3 6 ). Im Patent der Reichsstatthalterei hieß es, daß sie direkt unter dem „Schutze des Führers" stünden. Das war eine ganz große Sache. Die überhastete Umgestaltung der Verwaltung wurde später vielfach als Fehler erkannt. Wie überhaupt die ärgsten Nazis sehr bald wahrnahmen, um wie vieles besser die alte österreichische Verwaltung als die preußische war. Von den Staatsbetrieben blieb, auch dies lediglich auf unmittelbaren Befehl Hitlers, die Postsparkasse bestehen; sie wurde, mit dem Zentralsitz in Wien, auf das ganze Reich ausgedehnt. Daß sich hier die Beamtenzahl ungeheuer vermehrte, ist verständlich. Daß aber zum Beispiel die Finanzbeamtenschaft verdreifacht und vervierfacht wurde, und zwar in ganz Österreich, zeugt nur für die Schwerfälligkeit des neuen Apparates. Die Tabakregie wurde in einen Privatbetrieb verwandelt, bei dem allerdings das Reichsfinanzministerium 1 0 0 % des Aktienkapitals innehatte; ich wurde Aufsichtsrat (Jahreseinnahme netto etwa R M 7 0 0 , - ) 3 7 ) . Hitler war nachher über die Aufhebung des österreichischen Monopols sehr böse. Er wollte es auf das ganze Reich erstreckt haben, um nach dem Kriege den Rauchern den ,,Hahn allmählich abdrehen" zu können. Reichsfinanzminister Graf Schwerin-Krosigk 3 8 ), der - offenbar wegen seiner 9 bis 11 Kinder - immer so traurig dreinschaut, hatte die durchgeführte Lösung gewählt, weil die Ablösung der privaten reichsdeutschen Tabakfirmen zu viel Geld gekostet hätte und rechnungsmäßig die Steuern mehr eintrugen als ein immer teurer arbeitender Monopolbetrieb. Die Beamten wurden äußerst schlecht behandelt. Die Berufsbeamten-Verordnung wurde - wie schon bemerkt - zehnmal härter gehandhabt als im Reiche; daran hatten ausschließlich Österreicher schuld, wie ja überhaupt die österreichischen Nazis unerhört viel Unheil anrichteten. Auch die Uberführung in den reichsdeut3 5 ) Durch Anordnung des Reichskommissars Bürckel v. 3 1 . 5 . 1 9 3 8 . Vgl. Botz, Eingliederung, 102 f. Vgl. die diesbezüglichen Verhandlungen bei Botz, Eingliederung, 82 ff. u. Luza, 65ff. 3 6 ) Vgl. K. Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich, 3. Aufl. St. Pölten 1973, 519: „ I n der Landesverwaltung wurde die alte Zweiteilung, wie sie vor 1925 bestanden hatte, wiederum eingeführt. An der Spitze der staatlichen Verwaltung stand der Regierungspräsident, an der Spitze der autonomen Landesverwaltung der Gauhauptmann. Beide Verwaltungszweige wurden durch den übergeordneten Gauleiter zusammengefaßt." 3 7 ) Glaise-Horstenau war 1942 stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates von österreichische Georg Schicht A G . u. Erste Donau-Dampfschiffahrtsges. E r war Mitglied des Aufsichtsrates von A u stria Tabakwerke A G . und Hypotheken- und Credit-Institut-AG., alle Unternehmen mit dem Sitz in Wien. 3 8 ) Johann Ludwig Graf Schwerin v. Krosigk (Rathmannsdorf, Anhalt, 22. 8 . 1 8 8 7 bis 4. 3 . 1 9 7 7 , Essen), Sohn des anhaltischen Kammerherrn Erich v. Krosigk, 1925 adoptiert von Alfred Grf. v. Schwerin; Beamter des preußischen Justizdienstes, ab 1909 Referendar, 1924 M R . im Reichsfinanzmin., 2 . 6 . 1 9 3 2 - 1 9 4 5 Reichsfinanzmin., stellte sich am 2 1 . 4 . 1 9 4 5 Dönitz zur Verfügung. I V . / 1 9 4 5 bis V . / 1 9 4 5 „ m i t der Gesamtleitung der Geschäftsführenden Reichsregierung beauftragt". Memoiren: Es geschah in Deutschland, Tübingen-Stuttgart 1952; Persönliche Erinnerungen, 3 Bde., Essen, o . J . (1974).

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sehen Status erfolgte unter schwerster Zurücksetzung. Daß ein Ministerialrat ( G e neral) eines schönen Tages als Regierungsrat (Major) aufwachte, war nichts Außergewöhnliches. Mein Nachfolger im Kriegsarchiv Generalstaatsarchivar Kiszling zum Beispiel wäre beinahe zum Oberstleutnant degradiert worden, er erhielt ausnahmsweise Rang und Gebühren eines Obersten (Archivdirektors) und nachher ohne zugehörigen Titel (!) das Recht, die Uniform eines Generals der Heeresbeamten zu tragen, eine eigentlich ganz unmögliche Lösung, die naturgemäß dazu führte, daß Kiszling sich hochstaplerisch General nennt, weil er - außer dem Generalstaatsarchivar - keinen seiner Uniform entsprechenden Titel besitzt 3 9 ). Von den Beamten des Außenamtes wurde keiner der auf Außenposten befindlichen Prononcierteren übernommen: mehrere, wie Berger-Waldenegg in R o m und Vollgruber in Paris, verzichteten auf die Rückkehr ins neue Großdeutsche Vaterland. Hornbostel, der nazifeindliche erste Berater und Intimus Guido Schmidts, wanderte sofort ins K Z , wo er bis 1944 verblieb. Viele seiner jüngeren Kollegen fielen dem Schwerte Wächters zum Opfer. Man schnüffelte selbstverständlich besonders den verschiedenen Gesandtschaftsberichten nach, berücksichtigte nie, daß die damalige Dienststellung den Verfassern gewisse Verpflichtungen auferlegt hatte, und drehte ihnen aus jedem einzelnen Wort nach Möglichkeit einen Strick. So wurde unter anderem auch Tauschitz auf halbe Pension gesetzt (übrigens im Vergleich zu anderen noch eine äußerst gnädige Lösung); doch wurde diese Maßregel auf Intervention Meißners von Hitler aufgehoben. Nicht so gut hatte es der Generalkonsul Jordan, der sich um 10. März 1938, 24 Stunden vor dem Einmarsch, vermaß, pflichtgemäß die Versammlung deutscher Truppen an der bayrisch-österreichischen Grenze zu melden. Jordan wurde pensionslos entlassen. Irgendeine ethische ritterliche Einstellung zu diesen Fragen war grundsätzlich zu vermissen. Ein besonders überzeugter begeisterter illegaler Kämpfer, allerdings aus dem österreichischen Adel, sagte mir einmal traurig: „ N u r einmal einen Akt der Ritterlichkeit! Aber das erlebt man nicht!" In der Kommission Wächter hatte man auch über den Ton meiner Briefe an Schuschnigg zeitweilig sehr den Kopf geschüttelt. Der „liebe Freund" und das „ D u " hatte es ihnen angetan. Der Gedanke etwa, daß man selbst mit einem politischen Gegner auf gesellschaftlichem Boden freundschaftlich verkehren könnte, war dieser neuzeitlichen Dynamik vollkommen unverständlich und ist es noch immer. Dabei ist nichts langweiliger, als fortwährend mit Gleichgesinnten zu sprechen besonders wenn ihre Gesinnung nicht der Ausfluß eigener Erkenntnis, sondern eingedrillt ist. Gerade was das Auswärtige anlangt, war es natürlich unbändig dumm, das österreichische Element völlig auszuschließen. Denn dieses allein war von allem Deutschen gegenüber fremden Völkern aufgeschlossen, konnte mit ihnen verkehren (ließ 3 9 ) Vgl. K A . , Manuskripte zur Geschichte des Kriegsarchivs, nr. 16/111, 2 4 : Kiszling, der in Ö s t e r reich einen Dienstposten der I I . Dienstklasse (Generalstaatsarchivar), der dem Generalmajor entsprach, innegehabt hatte, wurde zunächst als Oberstleutnant ( A 2 b) eingestuft und erst 1939 in die deutsche Dienstklasse A 1 a ( O b e r s t höherer G e b ü h r ) verbessert. E r erhielt den Titel „ H e e r e s a r c h i v d i r e k t o r " und das R e c h t , die U n i f o r m mit Rang- und Dienstgradabzeichen eines Generalmajors anzulegen.

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sich auch nicht täuschen, was den primitiven Preußen oft widerfährt) und durfte sich irgendwie einer vertrauensvollen Aufnahme erfreuen. Doch die guten Pr-e-ußen können eben alles besser. Immerhin trug sich Ribbentrop vorübergehend mit dem Gedanken, die Konsularakademie in der Boltzmanngasse zu einer Diplomatenschule des Reiches auszugestalten. Doch kam er auch davon rasch ab, vielleicht aus Eifersucht gegenüber Seyß, der sich sofort einschalten wollte. Ähnlich ging es anfangs 1939 mit der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft. Ihr Präsidium sollte für das ganze Deutsche Reich zunächst in Wien sein. Aber auch da wurde im Hinblick auf die zentrale Zusammenfassung in Berlin zurückgepfiffen. Bei allem ging es darum, Österreich und alles österreichische auszutilgen. Der Urheber dieses Strebens war zweifellos Hitler selbst, der diesen Gedanken gewiß schon vor der Landnahme im Herzen trug, aber wohlweislich niemandem von uns etwas verriet; nicht einmal vor der Abstimmung tat er es. Erst unmittelbar nachher prasselte das Ungewitter auf uns nieder. Ursache: Haßliebe des Vertriebenen von einst, dabei die Furcht des Diktators, in diesem verfluchten Österreich, das ihn durch zwei Jahrzehnte so herausgefordert hatte und zeitweilig geradezu der Scheinwerfer aller nazifeindlichen Bestrebungen in der Welt gewesen ist, könnte sich ein neues Widerstandzentrum gegen ihn herauskristallisieren 40 )! Auch beim Militär wurde möglichst rasch alles durcheinander gerüttelt 4 1 ). Nicht nur unter den Offizieren, wo es bis zu einem gewissen Grad erklärlich, wenn auch nicht selbstverständlich war; sondern auch bei der Mannschaft, die zu Ausbildungskursen überall hinkam, nur nicht nach österreichischen Garnisonen. Wie radikal man war, beweist Hitlers Befehl, daß nach Neustadt in die an Stelle der Akademie getretene Kriegsschule kein Österreicher kommen durfte. Emigrantenpolitik! Dreimal ja - unselige Emigrantenpolitik! Bei der Mannschaft war es natürlich auch eine Magenfrage. Während „ N o r d i s c h e " , die nach Graz und Salzburg kamen, die gesalzenen Kartoffel, die bei diesen wilden Völkern, seit sie sich den Kannibalismus abgewöhnt haben, zum wichtigsten Nahrungsmittel geworden sind, nicht entbehren können und ihnen vor dem in der Fahrküche erzeugten Gulasch graut, ist es bei den Österreichern umgekehrt. Dazu rückte das Wort vom „Scheißostmärker" mindestens in alle Wörterbücher der Unteroffiziere ein und in manchem Offizierskorps ließ man ähnliche Gefühle auch die österreichischen Offizierskameraden empfinden. Selbst ein Mann wie Oberst Seiinger - in der Systemzeit (übrigens unschuldig) eingesperrt - hatte bald genug. Außerdem entsprachen Bräuche wie das namenlose Brüllen bei Tag und das noch namenlosere Saufen zur Nachtzeit wenig den altösterreichischen Gewohnheiten. Zudem sagte sich jeder Offizier des ehemaligen österreichischen Bundesheeres und des alten k. u. k. Generalstabs sehr bald im heimlichen, daß sie es auch so gut, wenn nicht besser konnten. Kurzum, die Sache

4 0 ) Vgl. E. Kandl, Hitlers Österreichbild, Wr. ungedr. Diss. 1963; K. R . Stadler, Provinzstadt im Dritten Reich, in: G . Botz, Wien vom „Anschluß" zum Krieg, Wien-München 1978, 1 3 - 2 7 . 4 1 ) Vgl. P. Gschaider, Das österreichische Bundesheer 1938 und seine Überführung in die deutsche Wehrmacht, Wr. ungedr. Diss. 1967; O . Tuider, Die Wehrkreise X V I I und X V I I I 1938 - 1 9 4 5 (Militärhistorische Schriftenreihe, Heft 30), Wien 1975.

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ging nicht ohne Geburtswehen schwerster A r t vor sich und meine Prophezeiung, daß die Zentralisierung und Gleichmacherei eher zu einer Stärkung jeglichen Partikularismus denn zu einer Schwächung führen werde, hatte sich alsbald als richtig erwiesen. Generaloberst List bemühte sich, das muß man sagen, die Härten möglichst zu mildern. Die Übernahme des österreichischen Offizierskorps 4 2 ) in das der deutschen Wehrmacht lenkte dessen Adjutant Günter v. R o s t 4 3 ) , der mit mir vielfach zusammenarbeitete. Leider kann nicht verschwiegen werden, daß die Gesinnungsschnüffelei, die seit 1933 in Österreich sowohl im aktiven wie im nichtaktiven Offizierskorps betrieben worden war, nicht ohne Folgen blieb 4 4 ). A u c h mein alter Kriegsschulkamerad Beyer, der Kommandierender in Salzburg geworden war, machte die gleichen Erfahrungen. Neid, Dennunziantentum und dergleichen üble Erscheinungen schössen stark in die Halme. O f t wurde dies gar nicht mehr so empfunden. So hatte ein alter Freund und Regimentskamerad, dem man unter anderem seine Zugehörigkeit zu den „katholischen Edelleuten" ankreidete, in seine Rechtfertigungsschrift hineingeschrieben, auch der Minister Glaise habe dieser Vereinigung angehört. Ziemlich viele alte Offiziere verbrachten einige W o c h e n auf der P o lizei oder im K Z , bei ersterer unter anderen auch mein alter Freund Robert R . v. Pohl, für 4 Tage auch einmal Zsiga Schilhawsky, der letzte österreichische Heeresinspektor. Ich hatte viel zu intervenieren 4 5 ), in einzelnen Fällen erfreulicherweise mit E r f o l g 4 6 ) . Dieses Kapitel, über das sich ein dickes W e r k mit mehreren Bänden schreiben ließe, wäre völlig lückenhaft, würde nicht kurz die Überschwemmung mit Reichs4 2 ) Vgl. K A . sign. B / 1 0 3 0 , nr. 74: E . Liebitzky, Zur Geschichte der Behandlung des Offizierskorps des ehem. Bundesheeres nach der deutschen Besetzung 1938, Maschinschrift, Wien 1949, S. 4 : Danach wurden in drei Wellen (nämlich sogleich am 1 5 . 3 . 1 9 3 8 , bis 1 . 5 . 1 9 3 8 und anfangs Juni 1938 - verfügt für 3 1 . 1 0 . 1 9 3 8 ) von 1 2 3 0 Offizieren des Bundesheeres (Stäbe und Truppen, ohne Luftstreitkräfte und ohne Sonderoffiziere) 2 0 7 Offiziere ( = 1 7 % ) und 12 Offiziere des Sanitätsdienstes ( = etwa 1 8 % ) ausgeschieden: U n d zwar 21 Generäle ( = 5 5 % ) , 31 O b e r s t e ( 4 0 % ) sowie 155 weitere Stabs- und O b e r o f f i ziere ( = 1 4 % ) . Einzelpensionierungen erfolgten auch später aufgrund von Anzeigen und aus „rassis c h e n " Gründen. D i e Zahlen bei den Luftstreitkräften konnten infolge des Fehlens von Aktenmaterial nicht festgelegt werden. Weitere 2 1 6 Offiziere des Bundesheeres ( = 1 8 % ) sowie 80 Offiziere der S o n derdienste wurden zu sogenannten , , E - O f f i z i e r e n " , als Offiziere in mindergewerteten Verwendungen, im Ergänzungswesen, übersetzt. 4 3 ) H a n s - G ü n t h e r v. R o s t ( H a n n o v e r , 1 5 . 1 1 . 1894 bis 2 3 . 3 . 1 9 4 5 , gefallen bei Stuhlweißenburg); trat 1914 in die preuß. Armee ein, Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, 1 . 3 . 1 9 3 7 O b s t l t . , 1 . 4 . 1 9 3 8 Adjutant beim G r . K d o . 5, 1 . 8 . 1 9 3 9 O b s t . , 1 . 1 0 . 1 9 3 9 bis 4 . 3 . 1 9 4 2 K d r . A R . 13, 6 . 7 . 1 9 4 2 Stellv. Befehlshaber in den Niederlanden, 1 . 3 . 1 9 4 3 G e n . M j r . u, C h e f d. G e n . S t . des Stellvertr. I I I . A K . , 1 . 5 . 1 9 4 4 G e n . L t . , 1 . 6 . 1 9 4 4 Kdr. 3. P z . G r . D . , 2 5 . 6 . 1 9 4 4 Kdr. 44. I D . 4 4 ) N a c h dem Einmarsch wurde beim Heeresgruppenkommando 5 eine „Personalgruppe" bestellt, die G e n . Lt. M u f f als Leiter, O b s t l t . R o s t als Personalreferenten und unter anderen den ehemaligen G M . des Bundesheeres Nagy als wichtigstes österreichisches Mitglied umfaßte. Vgl. die Protokolle und Beurteilungslisten ( „ v e r k e h r t mit J u d e n " , „katholischer S t u d e n t " , „soll minderen Charakters s e i n " , „soll Schwein s e i n " ) in K A . , Akten des Bundesheeres/ Akten des Heeresgruppenkommandos 5, Fasz. 6 . 4 5 ) Für Pohl mußte Glaise-Horstenau im M ä r z 1938 mehrmals intervenieren, bis er am 2 8 . 3 . 1 9 3 8 aus der Haft entlassen wurde. Vgl. B G H . 3 8 3 9 / 3 8 .

" ) Vgl. Kapitel V I I , A n m . 16.

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deutschen gestreift werden, die in der Staatsverwaltung und in der Wirtschaft vom ersten Tage der Landnahme eintrat 47 ). Was da geschah, war geradezu grotesk. Daß in die Reichsstatthalterei entgegen dem Wunsche Seyß-Inquarts, der gerne seinen SS-Freund und -gönner Wächter dorthin gebracht hätte, als leitender Beamter zuerst der liebenswürdige und anständige v. Burgsdorff 4 9 ), ein Sachse, und nach dessen Entsendung ins Protektorat der ebenso nette und verständige Ministerialdirektor Dill 5 0 ) aus dem württembergischen Innenministerium kamen, war bei der Unifizierungssucht verständlich und sogar notwendig. Daß aber sofort die Wiener Reichsstatthalterei und alle neuen Gauverwaltungen mit preußischen Beamten überflutet wurden, war wahrlich nicht notwendig. Allerdings mußten gleichzeitig auch Österreicher abgehen, so mein ehemaliger Ministersekretär v. Bareck nach Oppeln. Sie waren zumeist tief unglücklich. Noch ärger wurde die Überfremdung in der Wirtschaft. W o es irgendeinen schönen Posten gab, spitzten schon „Wirtschaftsführer" aus dem Altreich darauf. Allerdings hatte auch an dieser Überfremdung die österreichische Partei ein vollgerütteltes Maß von Mitschuld. Es fand sich nämlich fast nie ein engerer Landsmann, bei dem nicht aus der Kampfzeit irgendein Haar in der Suppe schwamm. Durch eine Reihe von Ablehnungen österreichischer Anwärter ergab sich für Berlin sehr oft die günstige Gelegenheit, einen der ihrigen hinzusetzen. Ein besonderes Beispiel wurde

4 7 ) Was die Überfremdung Österreichs in der Verwaltungsbürokratie betrifft, so wird auch in der modernen Literatur zugegeben, daß Bürckel eine größere Anzahl seiner Mitarbeiter aus der Pfalz, dem Saarland und dem Braunen Haus geholt hat. Dies wurde auch bald, nachdem die Zeit der „ U b e r l e i t u n g " vorbei war, von reichsdeutscher und von österreichischer Seite kritisiert, dauerte aber bis 1940, bis zum Abgang Bürckels, an (vgl. Luza, 63 f., 250). Was die Verwaltung der einzelnen Gaue nach der „ V o l k s a b s t i m m u n g " und der Konsolidierung der Macht der N S D A P betrifft, so versucht J . A . Bernbaum, „ T h e N e w E l i t e " : N a z i Leadership in A u s t r i a , - 1 9 3 8 - 1 9 4 5 , in: Austrian H i s t o r y Y e a r b o o k , vol. X I V (1978), 1 4 5 - 1 5 8 , zu beweisen, daß vor allem einheimische Nationalsozialisten in Staats- und Parteiverwaltung zum Zuge kamen und daß Österreicher nach 1939/40 auch in Polen und in den Niederlanden in der Spitze der Verwaltung verwendet wurden. Bezüglich der Deutschen Wehrmacht weist auch N . v. Preradovich auf die Österreicher als Kommandeure der Wehrkreise X V I I und X V I I I hin. Demgegenüber haben H . Steibner und vor allem G . B o t z , Austrian H i s t o r y Y e a r b o o k . X I V . , 161 ff. u. 1 7 5 - 1 8 2 , darauf hingewiesen, daß Bürckel und - in zweiter Linie - die mit ihm verbündete „ K ä r n t n e r G r u p p e " lange Zeit übermächtig waren und die österreichischen „alten K ä m p f e r " ausgeschaltet hätten, was ihre starke Unpopularität hervorgerufen habe. Ebenso wichtig war jedoch der starke und zahlenmäßig festlegbare Einsatz an Beamten der Polizei und Sicherheitspolizei aus dem „ A l t r e i c h " , die großen B e w e gungen im Offizierskorps (Entlassungen, Versetzungen) und die Überwachung und Abhängigkeit der „österreichischen W i r t s c h a f t " . Vgl. auch über die Stimmung in der Bevölkerung 1 9 3 8 / 3 9 : M . Williams, T h e Aftermath of A n s c h l u ß : Disillusioned Germans or Büdding Austrian Patriots? in: Austrian H i s t o r y Y e a r b o o k , vol. X I V , 1978, 1 2 9 - 1 4 4 und G . B o t z , D e r ambivalente „ A n s c h l u ß " 1 9 3 8 / 3 9 , in: Zeitgeschichte 6 . J g . (1978), 9 1 - 1 0 9 .

) Entfällt. ) Kurt v. Burgsdorff ( C h e m n i t z , 1 6 . 1 2 . 1 8 8 6 bis ?), D r . iur., Referendarlaufbahn in Dresden und Leipzig, 1933 (und neuerlich ab 1937) Kreishauptmann in Leipzig, V I I I . / 1 9 3 3 Ministerialdirektor im M . d . I . , I I I . / 1 9 3 8 Leiter des Amtes des Reichsstatthalters in Wien, I I I . / 1 9 3 9 Regierungspräsident beim Reichsprotektor in B ö h m e n und Mähren, 2 5 . 4 . 1 9 3 9 Unterstaatssekretär, 3 0 . 1 . 1 9 4 1 SA-Brigadeführer, ab 1 . 4 . 1 9 4 2 Kriegsdienst ( M j r . d . R ) , X I . / 1 9 4 3 Gouverneur des Distrikts Krakau. 4S

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) K o n n t e nicht näher identifiziert werden.

D i s k r i m i n i e r u n g des O f f i z i e r s - u n d B e a m t e n k o r p s

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in der Folge der Fall Malzacher 5 1 ), der, weil er dem Eileiter Gaugruber nicht gefiel, schließlich als bester Bergingenieur Großdeutschlands von den Alpinen abwandern mußte, wohin ich den ehrlich nationalen Mann während meiner Ministerschaft gebracht hatte. Unter den altreichsdeutschen Beamten und Wirtschaftsführern, die uns beglückten, befanden sich viele, die der strengen gegen Österreicher geübten Gesinnungsprüfung in keiner Weise standgehalten hätten. Das machte aber nichts. Seyß und Bürckel waren jeden Augenblick auf dem Obersalzberg, um dort an der österreichischen Suppe unter völligem Ausschluß der Öffentlichkeit weiterzubrauen; wir gewöhnlichen Sterblichen wurden nie zu Rate gezogen und erfuhren von den Beschlüssen immer erst, wenn sie schon vollzogen wurden. Die „Ministerräte" waren lächerliche Quatschereien, in denen nie etwas Gescheites herauskam. Eine Nummer für sich bildete der von Göring besonders protegierte Wirtschaftsminister Dr. Fischböck, der bis zum 12. Februar alles, was er war, Kienböck verdankte, dann aber im Protokoll von Berchtesgaden als Wirtschaftsberater der künftigen österreichischen Regierung erschien (er war Intimus von Seyß) und sich nun an Radikalismus nicht genug tun konnte. Er schlug in den Ministerräten die antisemitischeste Note an, die sich denken ließ, und vertrat in einem Vortrag vor Parteibonzen die Abschaffung des Kapitalzinses, was in der Debatte sogar dem Seyß zu dumm wurde, gar nicht zu reden von Neubacher, der Fischböck gründlich um die Erde haute. Dabei war er in der Partei als „Liberaler" verdächtig, bis es Seyß in der holländischen Zeit gelang, ihn mit Hilfe von Mühlmann etc. zum Reichspreiskommissar emporzuschwindeln und gleichzeitig in die SS zu bringen. Bei einem Besuche in Zagreb erwies sich Fischböck ganz vernünftig. Für mich gab es in diesem Apparat so gut wie nichts zu tun, abgesehen von den Interventionen für alte Beamte, Katholen, Monarchisten und so weiter, die sich unerhört häuften. Ich fühlte mich verpflichtet, zumal für die Beamten einzutreten, die sonst niemanden hatten. In Einzelfällen hatte ich Erfolg, meistens leider nicht. Im übrigen war ich der reine „ A d a b e i " geworden. Am 26. April feierte Alfred Krauss seinen 77. Geburtstag S 2 ). Im Konzerthaus fand eine große Huldigung statt. Es wurden Reden gehalten, die den Jubilar ausschließlich als den „nationalen" Mann feierten. Schließlich kam ich daran. Zum letztenmal im Waffenrock des Generalstabsobersten, den ich so gerne getragen

S 1 ) Hans Malzacher (Traisen, N ö , 14.10.1896 bis 15.10.1974, Villach), D r . mont., Dr. techn., Dipl.-Ing., ab 1920 Gießereiassistent, Konstrukteur, Betriebsleiter in Traisen, Schaffhausen, Ternitz, Wien, ab 1929 leitende Stellungen, 1936 Generaldirektor der Simmering-Graz-Pauker-AG., ab 15.2.1938 Generaldirektor der ö s t . Alpine-Montan-Gesellschaft; plante nach Göring, Keppler usw. die Errichtung der Hütte Linz durch die Reichswerke Hermann Göring, 3.4.1939 stellvertr. Vorsitzender des Vorstandes der Alpine-Montan, 1942-1945 Generaldirektor der Berg- und Hüttenwerksges. im Teschen, gegen Kriegsende Rüstungsbevollmächtigter für den Südosten, 1945-1947 in Haft, sodann wieder in zahlreichen Aufsichtsräten (u.a. Tiroler Röhren- und Metallwerke-AG.), 1957 ao. Hochschulprofessor für Hütten-, Betriebs- und Wirtschaftslehre in Leoben. " ) Reportage bei N F P . v. 26.4.1938, 5. u. N W T . , 26.4.1938, 10. Ebendort auch: E. Caesar Conte Corti, Unter General Krauß in Schule und Leben.

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habe, nahm ich die Gelegenheit wahr, hervorzuheben, daß A. Krauss nicht bloß nationale, sondern auch einige militärische Verdienste habe. Allerdings ließ ich nicht die Gelegenheit vorübergehen, an meinen Artikel zum 60. Geburtstag Krauss mit dem ,,allzu schmalen Pfade", auf dem ihm die wenigsten zu folgen vermöchten, zu erinnern. Ich erklärte mich besiegt und meinte, es sei eben das Zeitalter der Unentwegten und Kompromißlosen angebrochen. O b zum Glück der Menschheit - diese Frage ließ ich offen. Das Ganze war leider doch ein leichtes Pater peccavi, bei dem mich nur tröstete, den General der Infanterie Wiesinger 5 3 ), ehemaligen Vertrauensmann Vaugoins und militärischen Oberbefehlshaber der kirchlichen Türkenbefreiungsfeiern vor mir in der ersten Reihe sitzen zu sehen. Es gab also auch andere Konjunkturisten! Ich glaube mich nicht zu irren, daß es Anfang Mai war, als Reichsminister Lammers nach Wien kam. Ich meldete mich, nachdem er mit Bürckel ein Privatissimum gehabt hatte, bei ihm in der Halle des Hotels Imperial. Da meine Weiterexistenz als Minister damals schon äußerst fraglich war, tröstete er mich mit der Bemerkung, man werde über einen so guten Kenner Österreichs gewiß nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich meinte in diesem Gespräch, daß mich alles, was ich bisher über den Anschluß erlebt hätte, gar nicht befriedige. Wenn man es mit Österreich so dumm mache, dann könnte man sich noch abfinden; mag auch die eine Generation verhaut sein, so werde doch die nächste ins Reich hineinwachsen und den Platz erringen, der ihr gebühre. Aber mit Schrecken dächte ich daran, daß man ähnliche Staatskünste auch an anderen in unseren Bereich gravitierenden Völkern anwenden könne. So etwas müßte katastrophal enden. Heute, 1945, fühle ich mich bei der Erinnerung an diese Worte als weltweiser Prophet. Es ist alles so gekommen, wie ich befürchtete, nur noch viel ärger. Auf Einladung von Lammers nahm ich in den nächsten Tagen an einer vom Gauleiter Hofer veranstalteten Reise durch Tirol teil. Wir fuhren alte und neue Wege, Erinnerungen sonder Zahl tauchten in mir auf. Einen Abend verbrachten wir irgendwo auf der Hungerburg. Gauleiter Hofer, eine der übelsten Erscheinungen unter den neuen Größen, aber persona gratissima an höchster Stelle, konnte von der Höhe aus nicht genug über seine großen „Bauvorhaben " berichten. Das ganze Bahnhofgelände sollte weiß Gott wohin verlegt werden und dergleichen mehr. J e der der neuen Machthaber fühlte sich schon vom ersten Tag an für verpflichtet, mit einem möglichst gigantischen „Bauvorhaben" aufzuwarten. Der bisherige Innsbrucker Bahnhof, übrigens seit dem letzten Kriege ganz modern ausgestaltet, ist nun wirklich von seiner bisherigen Stelle verschwunden. Aber nicht der Gauleiter, sondern die feindlichen Bomben haben dafür gesorgt.

S 3 ) O t t o Wiesinger (Pettau, 1 3 . 7 . 1 8 7 9 bis 6 . 4 . 1 9 6 2 , Wien), 1897 aus I K S c h . Karlstadt als KadettOffiziersstellv. zu I R . 91 ausgemustert, Genstabslaufbahn, 1 . 1 1 . 1 9 1 2 zum Genstab. 47. I T D . , 2 0 . 1 2 . 1 9 1 7 Genstabschef 50. I D . , 1 . 5 . 1 9 1 8 O b s t l t . i. G . , 1920 ins B M . f. Lv. A b t . f. Sachdemobilisierung, 1 . 1 . 1 9 2 1 O b s t . , 1923 Gruppenleiter in A b t . 6, 1 8 . 5 . 1 9 2 5 zugeteilter O f f z . beim 2. B r i g k d o . , 2 9 . 1 0 . 1 9 2 5 G M . , 1 . 8 . 1 9 2 6 K m d t . 2 . Brig. u. Stadtkmdt. v. Wien, 2 3 . 2 . 1 9 3 1 als G . d . I . pensioniert, sodann als militärischer Fachschriftsteller tätig. Vgl. seinen Schriftennachlaß: K A . , sign. B / 7 7 .

Begleitung für deutsche Prominenz

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Lammers war sehr nett mit mir, er ist mir der sympathischeste von allen Bonzen. Weniger Freunde hat mir Stuckart, Staatssekretär im Innenministerium, bereitet, in dessen Auto ich auf den Fahrten eingeteilt war. Ich saß neben dem Chauffeur, einem netten jungen Tiroler in SS-Uniform, mit dem ich mich stets gut unterhielt. Inzwischen führte Stuckart schleimige Reden wie die auf ein an einem Hang arbeitendes Bauernweib: „ A c h diese Söhne und Töchter des Volkes, die so schwere Arbeit verrichten, sie sind die eigentlichen Stützen der Nation . . . " und so weiter. Meinen biederen Tiroler Fahrer hatte der Herr Unterstaatssekretär jedoch während der ganzen Fahrt nicht mit einem Auge angeschaut. U m s o entschiedener reichte ich ihm bei jeder Gelegenheit kameradschaftlich die Hand und lud ihn wohl auch zum Essen an unseren Tisch. Die schönste Volksgemeinschaft war doch im k . u . k . Dienstreglement erster Teil vorgesehen. Dort hat mans gelernt, wie es wirklich sein muß. Einmal hatte ich auch Hermann durch die niederösterreichischen Lande zu begleiten 54 ). Ich meldete mich gemeinsam mit Lohr in Enzesfeld bei ihm, wo er in seinem Sonderzug genächtigt hatte. Da die Fraglichkeit meiner weiteren Ministerschaft auch an ihn herangetragen worden war, teilte er mir bei der Meldung - ich war in Generalstabsfelduniform - mit, ich bliebe Minister. Nachher bestiegen wir das Auto, er vorn neben dem Chauffeur, im Fond rechts ich, links der zum Generalleutnant beförderte brave Lohr. Wir besichtigten zuerst das Gelände bei Kottingbrunn, wo der größte Flugplatz der Welt eingerichtet werden sollte; dazu hätte die Reichsstraße um etliche Kilometer gegen Osten verlegt werden sollen. Dann besuchten wir bei Baden eine wirklich traurige Siedlung. Wie froh wären unzählige Volksgenossen heute, wenn sie über solche Behausungen verfügen könnten! Hermann ließ Banknoten mit vollen Händen streuen. Auf der Fahrt war Hermann ganz gut aufgelegt. Nach der Besichtigung des Bades von Vöslau erzählte er sogar Witze. Seine Frau habe bei Gelegenheit ein Heim lediger Mütter besucht, wo die Kindesvaterschaft fast durchwegs der Luftwaffe zugeschrieben wurde. Er, Hermann, habe daraufhin die nächste Gelegenheit benützt, einer Fliegertruppe zu sagen: ,,Ich habe Euch gesagt, Ihr sollt fliegen wie die Vögel, aber nicht v . . . wie die Fliegen!" Von Baden aus fuhren wir querfeldein gegen Schwechat, wo zum neuen Fliegerhorst der Grundstein gelegt wurde. Hermann hatte schon vor einigen Tagen in Linz uns Deutschösterreicher faul geheißen. N u n sprach er in seiner Rede zu Schwechat auch von der berühmten österreichischen Schlamperei, mit der es ein

M ) Göring hatte am 13. Mai Linz besucht und dort den Spatenstich für die Hütte Linz vorgenommen. A m 14. Mai erfolgte, bereits mit Glaise-Horstenau in seiner Begleitung, der Spatenstich für eine Kasernenanlage am Küniglberg bei Wien und am 16. Mai der Spatenstich zu dem geplanten Kraftwerksbau bei Kaprun. Die Wiener Zeitung vom 14.5.1938, 1, berichtete bereits über Görings Rede in Linz unter der Überschrift „Übertriebene Gemütlichkeit ist ein Stück Faulheit" und gab Auszüge wieder: „Bildet euch nicht ein, daß wir aus dem Altreich gekommen sind, um euch das Bett zu bereiten, in das ihr euch hineinlegen könnt. . . . Gemütlichkeit nach der Arbeit ist sehr schön - Gemütlichkeit während der Arbeit aber ist Faulheit. . . . Ihr müßt die Gemütlichkeit auf einige Jahre zurückstellen."

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Ende haben müsse. Die Rede enthielt übrigens auch angesichts der Senke von Theben recht scharfe Töne gegen die Tschechoslowakei. Große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Als wir gegen Schwechat weiterfuhren, sagte ich ganz laut zu Lohr, der Beifall nickte: „ D i e Rede war natürlich ausgezeichnet wie immer, aber eins kränkt mich, die Zensuren, die wir Österreicher fortwährend abbekommen. Ich für meine Person denke, wenn ich die Thebener Pforte vor mir sehe, nicht so sehr an die österreichische Schlamperei, als vielmehr an die große geschichtliche Tatsache, daß es zehn Millionen Deutsche gab, die durch mehr als drei Jahrhunderte fünfmal so viele Fremdvölker auf ihre Schultern genommen und dabei unerhörte deutsche Leistungen vollbracht haben." Hermann wandte sich um, mischte sich ins Gespräch und gab mir irgendwie recht. In Schwechat neuer Empfang durch die politischen Leiter und in einer kleinen Jagdausstellung ein Geschenk für den hohen Gast. Kein Erzherzog ließ sich je so feiern, wie diese Parteigrößen das immer taten. Das Ende der Fahrt führte uns auf den Küniglberg, wo wieder ein Grundstein, diesmal für die neue Flakkaserne, gelegt wurde. Wieder bestieg Hermann die Rednertribüne und brachte plötzlich im Verlaufe seiner Ansprache den gleichen Satz, den ich ihm auf der Fahrt über die geschichtliche Rolle der Deutschösterreicher vorgesagt habe. Der Eindruck war offenkundig, Bardolff kam zu mir und gröhlte: „ A l s o , was sagst D u ? " Weniger befriedigend verlief für verschiedene Beteiligte die nachher folgende Fahrt Hermanns zum ersten Spatenstich für die Tauernwerke bei Kaprun (zu deren Bau es nicht mehr kam). Ich fuhr mit Beate im Auto von Wien über Lienz nach Radstatt, wo wir am 15. Mai nächtigten und am anderen Tage zunächst nach Zell am See, wo ich mich dem Gefolge Hermanns anzuschließen hatte. Hermann hatte selbst irgendwie gegenüber dem damaligen Gauleiter Wintersteiger 55 ) den Wunsch laut werden lassen, nicht zu viel „ s p o n t a n " herbeieilendes Publikum zu versammeln. Man begnügte sich, wenn ich nicht irre, mit einem Extrazug von Begeisterten. Die waren aber in der großartigen Umwelt dem Hermann nun doch viel zu wenig und er wurde gleich so grantig, daß er unmittelbar nachher entschied, Wintersteiger könne nicht definitiver Gauleiter werden. Nach dem ziemlich stimmungslosen ersten Spatenstich, dem kein zweiter mehr folgen sollte, fuhren wir ein Stück die Tauernstraße 56 ) hinan. Auf der ersten berühmten Rast - mir fällt der Name nicht ein - machten wir mitten zwischen gewaltigen Schneewächten Halt. Hohnlachend nahm in diesem Augenblick Hermann die Nachricht entgegen, daß der frühere Landeshauptmann Rehrl, der Erbauer der Tauernstraße, verhaftet worden sei.

5 5 ) Anton Wintersteiger (Salzburg, 3 0 . 4 . 1 9 0 0 bis ?), Diplomingenieur, 1926-1930 im Flußbauamt der Kärntner Landesregierung, 1928-1934 im Gemeindebauamt Bad Gastein, 1938 Gauleiter von Salzburg und ab März 1938 „kommissarischer Landeshauptmann" bzw. Gauwahlleiter, ab 22. 5.1938 Stellvertretender Gauleiter, Wehrkreisbeauftragter für den Wehrkreis X V I I I . 5 6 ) Die Bezeichnung Tauernstraße ist ungewöhnlich. Gemeint ist die Großglockner-Hochalpenstraße. Lt. frdl. Hinweis von Univ.-Prof. Ernst Hanisch, Salzburg, wird die geschilderte Episode auch in den unpublizierten Erinnerungen Anton Wintersteigers erwähnt.

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Mich ergriff der Kontrast zwischen dem Schicksal dieses gewiß nicht unanfechtbaren Mannes und seinem Werk und murmelte ein paar Worte. Göring stellte mich zur Rede: „ M i r scheint, Sie sind ein Verfechter des alten Regimes!" Ich antwortete: „ N e i n , aber des deutschösterreichischen Volkes, das auf solche Leistungen wie diese blicken k a n n . " Er stieß mir den Marschallstab halb freundlich, halb ärgerlich in den Bauch. Ein Essen am Ufer des Zeller Sees bereitete den Festivitäten ein Ende. Ich saß neben einer der Schwestern Görings, ich glaube, der Frau Rigele 57 ), mit der sich ganz gut sprechen ließ. Dann fuhr ich heimlich ab, um über Salzburg - hier N ä c h tigung - nach Wien zurückzukehren. Denn schon winkte eine neue Reise: nach Breslau zur Tagung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Ich wohnte im Hotel Monopol (?), hielt bei Gelegenheit eine ganz nette Rede, in der ich der alten k. u. k. Armee einen Lorbeerkranz aufs Grab legte, und wohnte unter anderem einem großen Zapfenstreich bei, der unter dem K o m m a n d o des Generals der Infanterie Busch 5 8 ), des nachmaligen Feldmarschalls, abgeführt wurde; ich kann dieses Theater nicht leiden. Sehr interessant war eine Führung durch Alt-Breslau. Immer und überall guckte die österreichische Herrschaft aus allen Winkeln, unser liebes Barock. Besonderen Eindruck machte auf mich der Festsaal der Universität im Jesuitenstil. Ich habe hier 6 Jahre später bei der G r ü n d u n g der deutschungarischen Filiale den genius loci vor der interessierten Versammlung besonders hervorgehoben, wobei ich auch den Magyaren eins ans Zeug flickte. Weniger begeistert hat mich bei der Kriegsgräbertagung ein friderizianisches Flötenkonzert. Unter den Anwesenden erfreute mich besonders der alte Admiral von Trotha 5 9 ), der, obwohl schon schwer leidend, noch immer voll von Witzen war. Er erzählte mir unter anderem auch den berühmten Kladderadatschwitz vom Prometheus und Sche-u-s-Pre-uß. Die Heimfahrt war sehr interessant. Alle Bahnhöfe in der Tschechoslowakei waren voll von Einberufenen, die die Prager Regierung gegen Deutschland aufgeboten hatte. Die anwesenden Volksdeutschen machten aus ihrem Widerwillen gegen die

" ) Olga Rigele, Gattin des: Hermann Rigele (Sarajewo, 16.9.1891 bis 18.10.1982, Wien), 17.6.1909 als Seekadett aus der Marineakad. ausgemustert, 1.5.1912 Fregattenlt., 1913-1915 Einschiffungen auf Torpedobooten, dann auf U-Booten, ab 5.12.1916 U-Boot-Kmdt., 11.3.1918 bis 1.11.1918 Kindt. U 31, für die Torpedierung eines brit. Kreuzers vor Durazzo am 7.10.1918 Ritter des M M T O . , ab 1921 als Seemann und Kaufmann tätig, 1930-1940 Sekretär bei der Generaldirektion der SchichtA G . , ab VIII./1940 Dt. Kriegsmarine, Kmdt. v. U-Booten u. Kmdt. v. U-Boot-Stützpunkten, III./1945 bis IV./1945 Hafenkmdt. v. Triest, 1.9.1942 Fregkpt. z. V. 58 ) Ernst Busch (Essen-Steele, 6.7.1885 bis 17.7.1945 in brit. Kriegsgefangenschaft), 1904 als Lt. in die preuß. Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1.2.1938 G . d . I . , 4.2.1938 Kdi.Gen. VIII. AK., 19.7.1940 Gen.Obst., II./1940 OB. 16. Armee, 1.2.1943 GFM., 12.10.1943 (bis 27.6.1944) OB. Hgr. Mitte, 20.3.1945 bis 23.3.1945 OB. Hgr. Nordwest, dann Kriegsgefangenschaft. 59 ) Adolf v.Trotha (Koblenz, 1.3.1868 bis 11. 10.1940, Berlin), 1886 in die Kais. Marine eingetreten, 1916-1918 Chef des Stabes der Hochseeflotte, III./1919 Chef der Admiralität, X./1920 ausgeschieden, 1934 Führer des „Reichsbundes deutscher Seegeltung". Verfasser von: Großdeutsches Wollen (1924), Volkstum und Staatsführung (1928), Großadmiral v. Tirpitz (1932).

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Einrückung kein Hehl. Soviel ich mich erinnere, haben wir irgendwie den Schwanz einziehen müssen, was Herrn Benes nicht gut bekommen sollte 6 0 ). Ein eigenartiges Erlebnis hatten wir beim Aussteigen. Ein mitfahrender SS-Mann forderte uns plötzlich auf, auf dem Ostbahnhof mit ihm zur SS-Wache zu gehen. Mein Protest nutzte gar nichts. D a Kramsall und ich im Abteil etwas gemeckert hatten, war unser Gewissen nicht ganz rein. Sonst wäre ich energischer gewesen. Schließlich stellte sich heraus, daß wir als Zeugen wegen eines verdächtigen Reisegefährten gebraucht wurden. Immerhin kam mir der Vergleich zwischen dem Einst, an welchem ich im Hofwartesalon empfangen wurde, und dem Jetzt, zu welchem ich froh sein mußte, nicht von der Gestapo zurückbehalten zu werden, zu schmerzlichem Bewußtsein. Schließlich war ich noch aktiver Minister und Reichsstatthalterstellvertreter ! Schon am nächten oder zweitnächsten Tag ging es nach Leoben, wo ich in der „ H ü t t e " einen Vortrag über die Großdeutsche Frage halten sollte. Knapp vorher teilte mir Kramsall mit, er habe in der Reichsstatthalterei eine neue Ministerliste gesehen, „auf der ich nicht mehr oben" sei. Mich ließ die Sache kalt. Ich las auf der Fahrt Srbiks „Deutsche Einheit" erster Band, um mir Stoff für den Vortrag gegenwärtig zu machen; dabei kam mir wieder der unerhört schwierige Stil des illustren Verfassers zum Bewußtsein. Der Vortrag ging gut vorüber. Nachher kam ich bei Bruck mitten ins Überschwemmungsgebiet. Ich hatte mit meinen langen Hosen größte Mühe, nicht pritschnaß weiterzufahren. Kramsall und ich übernachteten im Südbahnhotel und kamen des anderen Tages nach Wien zurück. Unterdessen hatte rundum Bürckel das große Hakelziehen um die Minister- und neuen Gauleiterposten seinen Höhepunkt erreicht 61 ). Die alten „leopoldinischen" Gauleiter wurden alle abserviert, Leopold selbst erhielt das otium cum dignitate eines „Reichsinspekteurs", der nichts zu tun hatte. N u r Jury rettete sich unter den schon geschilderten Umständen ins neue Lager hinüber. Er erhielt den Gau Niederösterreich, während Wien dem Gangster Globocnik verliehen wurde, der, ein gebürtiger windischer Kärntner, seine Eignung für ein Wirken auf Wiener Boden in der illegalen Zeit durch die Handgranate erwiesen hatte, die er dem Juden Futterweit in seinen Juwelierladen hineinzuschmeißen vermocht hatte. Nach Steiermark kam der ekelhafte Uiberreither 6 2 ), nach Kärnten selbstverständlich Hubert Klaus-

6 0 ) D i e t s c h e c h o s l o w a k i s c h e R e g i e r u n g hatte a m 20. Mai a u f g r u n d v o n G e r ü c h t e n über deutsche T r u p p e n k o n z e n t r a t i o n e n eine T e i l m o b i l i s i e r u n g a n g e o r d n e t und ließ die grenznahen B e f e s t i g u n g s a n l a gen b e s e t z e n . D i e s e M a ß n a h m e verlief f ü r den A u g e n b l i c k erfolgreich u n d brachte der T s c h e c h o s l o w a kei einen Prestigeerfolg. 6 1 ) Vgl. d a z u das K a p i t e l „ D i e B e s e t z u n g der G a u l e i t e r s t e l l e n " bei B o t z , E i n g l i e d e r u n g , 92 ff. und die entscheidenden V o r s c h l ä g e des stellvertretenden Leiters des P e r s o n a l a m t e s beim R e i c h s k o m m i s s a r B ü r c k e l , C h r i s t i a n O p d e n h o f f , e b e n d o r t , 145 ff. D i e E r n e n n u n g der G a u l e i t e r erfolgte mit V e r f ü g u n g v o m 22. M a i 1938. « ) Siegfried Uiberreither ( g e b . S a l z b u r g , 2 9 . 3 . 1 9 0 8 ) , D r . iur., ab X . / 1 9 3 7 S A - B r i g a d e f ü h r e r , I I . / 1 9 3 8 S A - G r u p p e n f ü h r e r , F u n k t i o n ä r der illegalen G a u l e i t u n g der S t e i e r m a r k , I I I . / 1 9 3 8 k o m m i s s a r i scher P o l i z e i p r ä s i d e n t v o n G r a z , 2 5 . 5 . 1 9 3 8 G a u l e i t e r der S t e i e r m a r k , 1939/40 K r i e g s d i e n s t , 1 7 . 4 . 1 9 4 0 Reichsstatthalter, 1 4 . 4 . 1 9 4 1 auch C h e f der Zivilverwaltung in der U n t e r s t e i e r m a r k , 9 . 1 1 . 1 9 4 3 S A -

Biirckels „Österreich-Referent"?

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ner, nach Oberösterreich der schon erwähnte Gauleiter Eigruber, ein Arbeiter aus Steyr, nach Salzburg Friedl Rainer. Einen Emigranten mußte nur ein Land über sich ergehen lassen, das arme Tirol mit Josef Hofer, einem, wie schon wiederholt berührt, höchst zweifelhaften Manne. Natürlich waren diese Entscheidungen nicht ohne schwere Kämpfe hinter den Kulissen vor sich gegangen. Den Rebbach hatte jedenfalls die Kärntner Gruppe. Bemerkenswerterweise hatte mich Globocnik vor seiner Berufung, die ihm allerdings wenig Freude bereiten sollte, ins Café Lehmann gebeten, um mir auseinanderzusetzen, wie schön es sei, kein öffentliches Amt mehr anzunehmen. Auch er sei im Begriffe, diesem Beispiele zu folgen. Ich bemerkte natürlich sofort, woher der Wind wehte, und war nicht erstaunt, als ich tags darauf in meinem Büro auf dem Ballhausplatz ein zwanzig Zeilen langes Telegramm des nebenan im Parlament hausenden Bürckel vorfand, in welchem er mit Bedauern meinen Entschluß, mich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, zur Kenntnis nahm, aber nicht den Versuch wagte, mich zurückzuhalten 6 3 ); er bitte mich, in den nächsten Tagen mit ihm über die Modalitäten meines Abganges Fühlung zu nehmen. Am Samstag den 29. ging ich zu Bürckel, dem ich meinen Wunschzettel überreichte. Er gipfelte in der Behauptung des Autos, was damals im Dritten Reiche kein außergewöhnlicher Wunsch war. Gleichzeitig unterließ ich es nicht, dem Herrn Reichskommissar mein Herz über die namenlos dumme Behandlung des österreichischen Problems auszuschütten, wobei ich ihn auch über die schwere Mitschuld der österreichischen Partei nicht im Zweifel ließ. „ S i e müssen sich, lieber Gauleiter," sagte ich im Wortlaut, „klar darüber sein, daß sich Österreich wie eine eroberte Kolonie fühlt!" Bürckel hielt einen Augenblick inne und sagte dann: „ I c h werde mich sofort an den Führer und den Feldmarschall wenden, damit er mir sie als besonderen ö s t e r reich-Referenten beigebe." Ich hatte über diese Aussichten keine besondere Freude, da ich einerseits wußte, daß die Kuh in den wichtigsten Dingen längst aus dem Stalle war, und mir andrerseits sagte, daß ich auf die einhellige Gegnerschaft der österreichischen Partei stoßen würde. Kaum saß ich an meinem Schreibtisch im Roten Salon, da klingelte das Telephon und Bürckel sagte: „ I c h habe soeben mit dem Feldmarschall (Göring) gespröchen, er ist vollkommen einverstanden. Sie treten aus dem Kabinett aus und werden dem Reichskommissar persönlich zugeteilt."

Obergruppenführer. Uiberreither flüchtete nach 1945. Er war mit Käthe Wegener, Tocher des Polarforschers, vermählt. Laut „ D i e Presse", 10.12.1971, soll er „ u m diese Zeit in Bolivien gestorben" sein. 6 3 ) Dies war offenbar die Reaktion auf einen Brief Glaises: B/67, nr. 105, Xeroxkopie des Gerichtsaktes, fol. 126: Glaise-Horstenau an Seyß-Inquart, 2 5 . 5 . 1 9 3 8 , Abschrift. In diesem übersendet Glaise „ d i e Wunschliste, die ich dem Herrn Gauleiter unterbreiten m ö c h t e . " Wieder verweist Glaise auf seine Betätigung 1933-1938. „ D i e Frage, ob man meine Kenntnisse und Fähigkeiten noch in Berlin verwerten könnte, statt mich Spazierengehen zu lassen, möchte ich mit dem Herrn Gauleiter persönlich erörtern. Ich habe meine Gedanken, die ich ihm in aller Ruhe, frei von jeder persönlichen Verstimmung, vortragen möchte . . . " .

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Da ich anderen Tags nach Mariazell fahren wollte, fragte ich, wann ich zurück sein müsse. Bürckel meinte, unbedingt Dienstag früh. Bis dorthin sei in allen Sparten die personelle Neuregelung getroffen. Seit diesem Gespräch habe ich von meiner mir vom Feldmarschall und von Bürckel zugedachten Mission nichts mehr gehört. Seyß und Hubert Klausner, die sich beide natürlich in ihrem Einfluß unerhört bedroht fühlten, hatten Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, die Sache abzubiegen, was ihnen auch gelang. Am Montag waren Reichsinnenminister Frick und sein Staatssekretär Pfundtner 6 4 ) (letzterer ein Firmian-Salzburger) 6 5 ) in Wien eingetroffen, am Abend dieses Tages erfuhr ich, daß ich Minister ohne Geschäftsbereich geblieben sei. Frick tröstete mich des anderen Tages, es sei vielleicht sehr nützlich, wenn ich auf diese Art einen durch bestimmt umgrenzte Dienstgeschäfte nicht beengten Beobachtungsposten bezöge. Ich hatte längst jede Scham verloren und nahm mir vor, möglichst viel herumzufahren und mich der Welt zu erfreuen. Wie lange es dauern mochte, wußte man ohnehin nicht. Auch der Fortbesitz eines Büros war mir bei der Beengtheit meiner Privatwohnung angenehm. Warum sollte ich den anderen die Freude machen, auf all diese Vorteile zu verzichten? Am Dienstag machten wir mit Frick einen Ausflug in den Wienerwald. In G u tenstein hielten wir Mittagspause. Ich habe mich mit Frick immer gut verstanden. Aber gewisse antiklerikale und vor allem auch antihabsburgische Komplexe beherrschten ihn, der nach Abstammung Pfälzer war, doch sehr stark. Noch bei einem Empfang der ungarischen Gesandtschaft in Berlin, 1941 oder 1942, war seine stereotype Rede: „ W i r müssen eben friderizianisch denken und handeln!" Beim Mittagsmahl kam das Gespräch auf die beiden verhafteten Hohenbergs, die Söhne Franz Ferdinands. Dem jüngeren 6 6 ) trug man nach, daß er - noch in der Systemzeit - in benebeltem Zustand ein Hakenkreuzschild beim sogenannten Deutschen Eck in der Kärntnerstraße zu nachtschlafender Stunde mit dem Spazierstock zerschlagen hatte. Vom älteren, dem Herzog Max, erzählte Frick, er habe während des Schuschniggregimes mit der Polizei ein Abkommen gehabt, wonach er immer zur Polizei geholt worden sei, wenn diese Nazis mit glühenden Nadeln gemartert habe! Er habe ein sadistisches Vergnügen daran gefunden, zuzusehen. Ich stellte die

M ) Hans Pfundtner (Gumbinnen, 1 5 . 7 . 1 8 8 1 bis ?), Hauptmann d . R . , als Regierungsrat nach 1918 ins Reichsamt des Innern, dann ins Reichswirtschaftsministerium, 1925 ausgeschieden, Funktionär der Deutschnationalen Volkspartei, 1932 zur N S D A P , 3 . 2 . 1 9 3 3 Staatssekretär im Reichsmin. d. Innern, 2 4 . 8 . 1 9 4 3 in den Wartestand. Mitherausgeber verwaltungsrechtlicher Werke ( z . B . „ D a s neue deutsche Reichsrecht"). 6 5 ) Damit ist gemeint, daß er aus einer Salzburger protestantischen Familie stammt, die 1731/32 von Erzbischof Leopold Anton Frh. v. Firmian zur Auswanderung gezwungen wurde.

« ) U b e r Ernst Fst. v. Hohenberg vgl. Memoiren 1. Bd., 219, Anm. 269. Vgl. auch D Z A . , Bestand 0 9 . 0 2 , Politische Berichte Papens, Bd. 3: Chiffrentelegramm Papens an Auswärtiges Amt, Wien, 2 0 . 1 . 1 9 3 8 , Konzept: Ernst Hohenberg sei soeben erschienen, um sein „tiefes Bedauern zur Kenntnis zu bringen." „ E r habe in einem unbeherrschten Augenblick gehandelt und seine Tat sei keineswegs als Demonstration aufzufassen. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder halte er sich von Politik fern." Papen erklärte, er werde berichten und halte die Angelegenheit für abgeschlossen.

„Angleichung" an das „Reich"

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Möglichkeit eines solchen Vorganges entschieden in Abrede und fragte Frick, woher er dies wisse. Er antwortete: „ V o m Führer!" Herzog Max kam, offenbar, nachdem seine Unschuld doch zutage gekommen war, bald aus dem K Z heraus. Artstetten wurde ihm konfisziert, doch verwaltete er es. Ich habe ihn im Herbst im Kaufmännischen Krankenhaus kurz wiedergesehen; er ließ sich nichts ankennen. Sein Bruder Ernst dagegen blieb jahrelang in dem furchtbaren K Z von Mauthausen. Er, wie Niemöller und Schuschnigg, waren Privatgefangene Hitlers. Nunmehr vollzog sich die „Angleichung" an das Reich und seine äußerst komplizierte Gesetzgebung in Riesenschritten. Die Herren aus Berlin überschlugen sich, jedes Ressort hoffte, auf Grund des Anschlusses neue Schreibtische aufstellen zu können. Besonders eilig hatte man es mit den Gesetzesverschlechterungen. Dagegen wurden Gesetze, die in Deutschland angenehmer waren, nur langsam oder gar nicht „angeglichen". Hierher gehörte zum Beispiel das Adelsgesetz. Während nach der reichsdeutschen Gesetzgebung Adelstitel und -grad einen Bestandteil des Namens bildeten, daher in der Praxis fortgeführt werden konnten, wobei freilich die Fürstinnen als Gattinnen des Fürsten so und so sich eigentlich hätten Fürst nennen müssen und ein Erbprinz für sich und seine Familie zeitlebens Erbprinz geblieben wäre - war in Österreich der Adel grundsätzlich abgeschafft. Diese Unterlassung der deutschen Gesetzgebungsmaschine hatte allerdings ihre besonderen Gründe. Hitler trägt sich für die Zeit nach dem Kriege ganz offenbar mit dem Gedanken, den alten Adel überhaupt abzuschaffen und einen neuen einzuführen. Das kommt sogar in verschiedenen Entscheidungen zum Ausdruck. Nach verschiedenen Mitteilungen hatte man nach der Machtergreifung daran gedacht, den Gauleitern den Titel „ H e r z o g " zukommen zu lassen. Auch über die Wiedereinführung des „Exzellenz" sei gesprochen worden. Gegenüber diesen Plänen legte wohl Hitler sein Veto ein. Daß er den alten Adel nicht leiden kann, ist ebenso sicher, obgleich sich unter seinen Anhängern und Wählern genug Angehörige dieses Standes befunden hatten. Deshalb unterblieb auch nach Anschluß des Sudetengaues eine Angleichung der Adelsgesetzgebung. Die Sache wurde weniger von den hochadeligen Geschlechtern unangenehm empfunden als von den Familien „Lammatsch von Waffenstein" und „Kadich von Pferd", denen natürlich das blaue Blut nicht so offenkundig durch die Haut schimmerte. Eine Offiziersfamilie Kadich von Pferd gab es in der alten k. u. k. Armee wirklich. Die Regierungsgeschäfte in der Reichsstatthalterei gingen unterdessen, im N e bengeleise zum „Parlament", wo Bürckel saß, knarrend weiter. Ich nahm kaum daran teil. Man riß sich auch um diese Mitarbeit nicht sehr. Meine Erinnerungen über Juni und Juli sind dementsprechend auch recht dürftig. Hofbauers Fahrtenbuch enthält lediglich zahlreiche Fahrten, die meistens zum Vergnügen unternommen wurden und mich die Schönheiten meiner Heimat besonders genießen ließen. Der schönste Aufenthalt war immer das Südbahnhotel am Semmering, wo ich stets auch angeregte Stunden mit meinem späteren getreuen Adjutanten Metzger, dem Hoteldirektor, verbrachte. Einigemal taucht in Hofbauers „Aufzeichnungen" auch München auf. Das hatte folgende Bewandtnis. Als Alfred Krauss das Recht erhal-

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ten hatte, die Uniform der deutschen Wehrmacht zu tragen - er sah darin noch professoraler als in der österreichischen aus - sagte ich Muff, daß ich aus verschiedenen Gründen auch gerne dieses Recht erhielte. Muff erreichte daraufhin - trotz meiner Abmahnung - bei List, daß dieser mich für den Charakter eines Generals eingab 67 ). Die Ernennung erfolgte, ohne daß ich bis heute ein Dekret in der Hand habe, Anfang Juli. Es hieß nun, sich eine entsprechende Uniform bauen zu lassen, was ich ungeschickterweise in München machte, da ich den Wiener Schneidern die genaue Kenntnis der Vorschriften nicht zutraute. Als ich die Uniform anzog, um mich bei List zu melden, führte mich mein erster Weg selbstverständlich ins Kriegsarchiv. Hoen hat mit diesem Akt, dem Erscheinen des Archivdirektors in der reichsdeutschen, eigentlich preußischen Uniform, das Bonmot verknüpft: „Nun ist Königgrätz endgiltig verloren!" Tatsächlich war ich, wie sich aus den Vorschriften herausstellte, mindestens seit Anfang Juni, vielleicht schon seit dem 13. März, nicht mehr Direktor des Kriegsarchivs 68 ). Denn im Gegensatz zu den österreichischen Vorschriften, nach denen ei-

6T ) Laut K.A., B M . f. Lv. ZI. 13.960-Pers./1938: 22-17/2, wurde Giaise-Horstenau mit 10.6.1938 der Charakter eines Generalmajors verliehen. 6 8 ) Der Leiter des Kriegsarchivs, Generalstaatsarchivar Rudolf Kiszling, stellte am 18. M ä r z an das A O K . 8 den Antrag auf Übernahme des Archivs in die Heeresverwaltung, ( K A . , R . Kiszling, Die Übernahme des Kriegsarchivs in die Deutsche Wehrmacht, Manuskripte zur Geschichte des Kriegsarchivs, nr. 12). Giaise-Horstenau telegraphierte einen Tag später an Gen.Lt. Rabenau, er hoffe, daß das Archiv unter seine, Rabenaus, Oberleitung trete ( B G H . 3780/38). Beim ersten Besuch Rabenaus am 4. April im Archiv wurde er von Giaise-Horstenau gemeinsam mit Kiszling vom Bahnhof abgeholt und führte die ersten Besprechungen über die „Uberleitung des Archivs" gemeinsam mit Glaise. A m 1. Juni sagte Rabenau Glaise zu, er werde seine Bitte berücksichtigen, „sich die Entscheidung über den Rücktritt in das Kriegsarchiv noch vorzubehalten" ( B G H . 4167/38; vgl. dazu auch R. Kiszling, Beitrag zur Chronik, 67ff.). Diese Absicht Glaise-Horstenaus, sich den Rückzug ins Kriegsarchiv offen zu halten, rief bei Kiszling Erbitterung und Besorgnis hervor, die sich in lange anhaltenden Urlauben und Kuraufenthalten niederschlugen. Dann aber scheint Glaise am 8. August doch seine Absicht kundgetan zu haben, von der Direktion zu scheiden, was Rabenau in einem Antwortbrief „bedauerte", gleichzeitig aber dafür Verständnis äußerte, daß Glaise in der Landesregierung bleiben wolle ( B G H . 4510/39). Rabenau beantragte daraufhin beim Chef des Generalstabes des Heeres, dies dem Reichsminister des Innern mitzuteilen, um eine Regelung herbeizuführen. Schließlich erklärte Giaise-Horstenau am 20.11.1938 in zwei fast gleichlautenden Briefen an Rabenau und Gen.Lt. Erfurth, Oberquartiermeister des Generalstabs des Heeres ( B G H . 4667/38 u.4668/38 bzw. B A - M A , Chef der Heeresarchive, R H 18/v,91), er wolle nicht, daß Kiszling bei der Uberleitung Schaden erleide. „ W i e sich nachträglich herausstellt, bin ich schon seit dem 17. M ä r z d. J . nicht mehr Direktor des Wiener Kriegsarchivs, da an diesem Tage die Bestimmungen über die Reichsminister auf die Mitglieder der österreichischen Landesregierung ausgedehnt wurden und ich als Zivilbeamter, der ich damals war, automatisch aus dem Beamtenstande und damit auch von meinem Posten in dem damals eben auch noch der Zivilverwaltung unterstehenden Kriegsarchiv scheiden mußte. Damit ist auch klargestellt, daß die Leitung des Wiener Heeresarchivs definitiv neu zu besetzen ist." Das Scheiden tue ihm, Glaise, leid, doch wolle er nicht, was er als Wehrmachtbeamter tun müßte, auf das Reichstagsmandat verzichten, „ w a s ich wohl zugunsten eines Offiziers-, aber nicht eines Beamtenpostens tun möchte". Er wolle für die Zeit nach dem 1.5.1939 auf den Posten verzichten, obwohl er nicht wisse, was dann mit ihm geschehe. Glaise dürfte nicht gewußt haben, daß 2 Tage vor Abgabe dieser Erklärung, am 18.11.1938, der Reichsinnenminister - Staatssekretär Pfundtner in seiner Vertretung - an den Oberbefehlshaber des Heeres eine Zuschrift gerichtet hatte, daß Glaises Tätigkeit in der österreichischen Landesregierung „ i m Frühjahr 1939" voraussichtlich beendet

Zerteilung des Kriegsarchivs

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nem Beamten, der Minister wurde, sein Beamtenposten gewahrt blieb, verlor ihn der deutsche Reichs- oder Landesminister sofort. Persönlich habe ich schon im April dem Chef der Heeresarchive, meinem Freunde Generalleutnant v. Rabenau, das „berühmteste Militärarchiv Europas" zu Füßen gelegt. Er hat dem Wortlaut dieser Huldigung beigestimmt. Leider hat sich auch an diesem ehrwürdigen Institut, dessen Blütezeit, wie ich bei aller Bescheidenheit sagen darf, in meine Aera fiel, sofort die preußische Unifizierungswut ausgelassen. Es wurde in vier Bestandteile Herresarchiv, Marinearchiv, Luftarchiv, Heeresbücherei - aufgelöst, deren jeder gleich einem anderen Obervorgesetzten unterstand. Es geht eben nichts über preußische Ordnung! Daß wissenschaftliche Institute wachsen wie ein lebender Organismus und es nicht gut ist, sie einfach von einer Stunde auf die andere zu zerlegen, begreifen diese Schematiker nicht, die auch die europäische Ordnung nach dem Schema F herstellen wollten. Mit dem Kriegsarchiv hatte sich ein Institut in seine Bestandteile aufgelöst, das 1711 vom Prinzen Eugen von Savoyen gegründet worden ist. Ich habe keinen formalen Abschied genommen. Mein Nachfolger Kiszling tat auch nichts dazu, mich weiterhin an das Haus zu binden. Er hatte sich „in meinem Schatten" stets unbehaglich gefühlt und einmal einer dritten Seite gegenüber geäußert, wieso er dazu komme, bei jedem Zusammentreffen mit irgendwem vor allem nach meinem Befinden gefragt zu werden. Kiszling ist nur wider Willen Militärgelehrter und Schriftsteller geworden - letzteres ausschließlich unter meiner strengen Zucht - dafür wäre er aber gerade in diesem Kriege ein glänzender Führer gewesen, den in Wien verkommen zu lassen ein ganz schweres Versäumnis war. Ich machte öfters auf ihn aufmerksam, leider vergebens. Auch flüchtige Heranziehung zu Befestigungsanlagen im Südwesten 69 ) hat die interessierten Organe den Wert Kiszlings als Soldat und Führer nicht erkennen lassen. Mir ist er bei der Verfassung des Generalstabswerkes ein treuer verständnisvoller Hauptmitarbeiter gewesen, ohne dessen Hilfe ich das Werk kaum vollendet hätte. Ich habe nie gesäumt, ihn entsprechend herauszustellen, was überhaupt eine der wenigen guten Eigenschaften ist, die ich als Vorgesetzter besitze.

sein werde. Er „stelle daher anheim, die Direktorstelle beim Heeresarchiv Wien weiter für ihn offen zu halten" (BA/MA, Chef der Heeresarchive, H 40/v. 91). Diese Empfehlung dürfte der Grund dafür gewesen sein, daß das Kriegsarchiv zwar mit 1.7.1939 als „Heeresarchiv Wien" dem Chef der Heeresarchive unterstellt, Kiszling aber nur zu dessen „Leiter" bestellt wurde. Kiszling wurde zwar gemäß der Beamtenüberleitung zum Heeresarchivdirektor überführt, auch immer als solcher bezeichnet, hat aber nie ein Dekret der Ernennung zum Heeresarchivdirektor erhalten (Kiszling, Übernahme, 2; ders., Beiträge zur Chronik, 63). ">) Vgl. KA., Ms. zur Gesch. d. KA., nr. 13/V ( = R. Kiszling, Beiträge zur Chronik des KA.), S. 4 7 - 5 2 : Danach erhielt Kiszling den Befehl, vom 3. bis 6.4.1944 im Raum östlich des Tagliamento, vom 27. bis 29.4.1944 im Raum Görz und im Oktober im Trentino (diesmal in Zusammenarbeit mit dem Kommandostab Voralpen) den Raum, in dem der Bau von Verteidigungsstellungen geplant war, abzugehen und seine große Ortskenntnis, die er sich z . T . noch aus der Zeit seiner Friedensdienstleistung von 1914 in diesem Raum erworben hatte, zur Verfügung zu stellen. Vgl. K. Stuhlpfarrer, Die Operationszonen „Alpenvorland" und „Adriatisches Küstenland" 1943-1945 (Publikationen des Ost. Inst. f. Zeitgeschichte, Bd. 7), Wien 1969, 113ff.

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Ich habe aus dieser Zeit noch zwei Einzelheiten nachzutragen. Einmal fuhr Hermann auf einem Donauschiff gen Wien 7 0 ). Er lud dazu mehrere Minister ein. darunter seinen neuen Liebling Fischböck - mich natürlich nicht. Es gab auch einen großen Empfang im Rathaus, bei dem Göring ohne äußeren Grund außer seiner Prunkliebe mit einem bulgarischen (!) Stern in Brillanten erschien. Frau Neubacher saß neben ihm, ich irgendwie schief gegenüber, sodaß ich ihre Gespräche hören konnte. Frau Neubacher kam Göring gegenüber auf den bei ihm unmittelbar bevorstehenden Familienzuwachs zu sprechen und äußerte den Wunsch nach einem Prinzen. Göring meinte, ihm wäre lieber eine Prinzessin, denn er möchte nicht den Eindruck einer Dynastiegründung (!) erwecken. In jenen Tagen gab es auch eine Jagd in der Lobau, wobei der Feldmarschall natürlich in einem prachtvollen Kostüm mit Brillantgürtelschnallen und wundervollen Hirschfängergriffen erschien. Auch Neubacher als Gaujägermeister war mit dem vielen Gold an Stickereien und Fangschnüren (oder waren sie Silber?) schön anzusehen. Zu meiner Wiederberufung als Minister i. p. i. soll noch ein Wort gesagt sein. Die Stellvertretung des Reichsstatthalters wurde natürlich an Hubert Klausner übertragen, der gegenüber einstmals überhaupt schon recht groß geworden war. Franzi Hueber war im Ausscheiden begriffen oder schon ausgeschieden, weil er ein Unterstaatssekretariat im Justizministerium erhielt, da es eine eigene österreichische Justiz natürlich nicht mehr gab. Gleiches Geschick ereilte Neumayer, der als Generaldirektor der Wiener Versicherungs-A.G. allerdings nicht hart fiel. Schließlich blieb, allerdings nur dem Namen nach, ich der einzige österreichische Minister. Ende Juni habe ich mein Hauptquartier aus Wien nach Salzburg verlegt. Ich bezog dort in der Residenz Quartier - rückwärts im Hofe links neben der Stiege zu den Prunksälen. Drei hintereinander aufgefädelte Zimmer mit Bad und allen Annehmlichkeiten. Ich fühlte mich sehr wohl. A m 26. fuhr ich zu irgendeinem Bestschießen oder dergleichen nach Braunau. Der aufgebotene Parteiapparat beengte mich ein wenig im Kneipen von Erinnerungen. Ich habe nach langer Zeit zum erstenmal wieder nach der Scheibe geschossen und genau gewußt, wohin ich abgekommen bin - was beim Schützen die Hauptsache ist. Am 17. Juli trat ich gemeinsam mit Beate und dem Ehepaar Muff einen Badeurlaub nach Gastein an. Ich wohnte in dem meiner Kusine Gussetti und den Erzherzoginnen von Toskana gehörenden Kurhaus Lothringen und zwar ausgezeichnet. Neben meinem sehr schönen Schlafzimmer befand sich ein eigenes Thermalbad, das mich von dem Zwang anderer Kuranstalten, auf Befehl baden zu gehen, völlig frei machte. Vormittags ging ich in der Regel mit Beaten allein spazieren, die im Hotel Moser wohnte, nachmittags war Gemeinschaftsausflug mit Muffs, wobei Frau Cäthe (wohlgemerkt mit , , C " ) unumstritten das Kommando führte. Während er ein lieber Kerl ist, ist sie eine ganz ekelhafte Pre-u-s-sin mit allen verbogenen ™) Diese Dampferfahrt von Linz nach Tulln hatte bereits am 25. 3. 1938 stattgefunden. Dabei wurde unter Teilnahme von Fischböck und Keppler zwischen österreichischen und deutschen Wirtschaftsführern ein Aufbauprogramm für Österreich beschlossen. Vgl. Luza, 128 f. und Slapnicka, Oberösterreich, 115 f.

Sommer 1938 in Salzburg

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Herreninstinkten ihrer Rasse. Muff hatte sie in jungen Jahren kennen gelernt, sie heiratete von ihm weg einen Freiherrn v. Ungern-Sternberg, bis - im ersten Weltkrieg - Muff wieder in ihre Lebensbahn trat und sie endgültig heimführte. Sie kam dabei zur Uberzeugung, daß erst die zweite Ehe einer Frau gut tut, was sie veranlaßte, ihrer mit einem Offizier ganz nett verheirateten Tochter immer wieder intensiv zuzureden, sie möge sich doch von ihrem Manne scheiden lassen und einen anderen heiraten. Dies zur Illustration, welche eigenartige Spezies von Menschen man antreffen kann. Einmal war Goebbels in Gastein und ich mußte leider seinen Triumphzug im Auto durch die Hauptstraße mitmachen, da ich mich schwer fernhalten konnte. Die Begeisterung für den Kerl war ekelhaft. Abends gab es ein großes Essen im Hotel Europe. Ein- oder das anderemal machten wir auch Ausflüge, so einmal nach Kaprun, wo wir uns im Vorbeifahren den unveränderten Spatenstich Hermanns ansahen, einmal über die Großglocknerstraße, die immer ein Erlebnis bedeutet. Die Muffin hatte allerdings in bezug auf Aus- und Einsteigen immer ihre Spezialwünsche, um die ich mich aber, neben dem Fahrer Ogorevc sitzend, betont nicht kümmerte. Ein sehr angenehmer Kurgast war Ossi Teuber 7 1 ), der Zweitälteste der „ T e u b e r b u b e n " , das heißt der Söhne des bekannten Schriftstellers Oskar Teuber. Er war, ebenso wie ich, über alles, was der Anschluß gebracht hatte, schwer enttäuscht, wobei er früher zu den „nationalbetonten" Offizieren gehört hatte und deshalb aus dem Bundesheer hinausgeschmissen worden war. Zu allem Unglück hatte er eine, allerdings schon liegend getaufte, Jüdin zur Frau. Seine Versuche, die Arisierung zu erreichen - er war ein besonders schön dekorierter Weltkriegsoffizier - mißlangen in der Folge. Das Ergebnis war im Jahre 1941 oder 1942 eine Todesanzeige, in der das Hinscheiden des Ehepaares gemeldet wurde. Sie hatten sich beide mit Gas vergiftet. Schade um den braven Offizier und vorbildlichen Kameraden! Manchmal fuhren wir auch nach Salzburg, um von einer Loge aus einem Festspiel zu folgen. Ich hatte nie etwas davon, da die Logen so weit hinten sind, daß ich gar nichts hörte. Damals lernte ich im Kaffee Glockenspiel auch den Kommandierenden General von Stuttgart, General der Infanterie Geyer 7 2 ), kennen, einen Freund Muffs, der bald darauf wegen der Freimut seiner Meldungen abgesägt werden sollte.

" ) Oskar Teuber (Prag, 2 1 . 3 . 1 8 8 1 bis 19.4.1943, Innsbruck, Freitod), 18.8.1901 aus IKSch. Wien als Kadett-Offiziersstellv. zu 3. T K J R . , 1 . 8 . 1 9 1 4 Hptm. 4. T K J R . , 1918 Kmdt. des Kaiserjäger-Sturmbaons, Übernahme in Volkswehr u. Bundesheer, 1 . 1 . 1 9 2 0 Major, 8 . 7 . 1 9 2 1 Obstlt., Baonkmdt. in Tirol u. Stabsoffz. f. bes. Verwendung bei Alpenjägerrgt. 12, 3 1 . 3 . 1 9 3 3 Ruhestand als Titular-Obst.; laut Verf. des O K W v. 13.4.1940 Zahlung auf dem Wiedergutmachungsweg für die Zeit v. 1.2.1933 bis 2 8 . 2 . 1 9 3 8 ; vermählt mit Maria Friederike Teuber, geb. Schlesinger (Berlin, 2 . 1 2 . 1 8 8 3 bis 1 9 . 4 . 1 9 4 3 , Innsbruck). 7 2 ) Hermann Geyer (Stuttgart, 7 . 7 . 1 8 8 2 bis 1946, Freitod am Wildsee), 1900 Eintritt als Fahnenjunker in die württembergische Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1 . 1 . 1 9 3 4 Gen.Lt., 16.5.1935 Kdi.Gen. V. A K . , 1 . 8 . 1 9 3 6 G . d . I . , 3 0 . 4 . 1 9 3 9 verabschiedet, 1 . 9 . 1 9 3 9 Kdi.Gen. I X . AK. (bis 3 1 . 1 2 . 1 9 4 1 ) , 3 1 . 1 2 . 1 9 4 3 Mobilmachungsverwendung aufgehoben.

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Ein Erlebnis aus meiner Gasteiner Zeit soll noch hier verzeichnet werden. An einem der letzten Julitage bekam ich von Salata, dem einstigen italienischen Gesandten in Wien, ein Telegramm: „Komme 31. Juli nach Gastein, würde mich sehr freuen, Sie wiederzusehen." Ich habe mich seinerzeit mit Salata ganz gut verstanden. Aber so viel der Freundschaft hatte ich nicht erwartet. Es war auch nicht notwendig. Schon beim ersten gemeinsamen Spaziergang, den ich mit dem hinkenden Senator unternahm, brachte er die Sprache auf Schuschniggs Gefangenschaft. Mussolini sei diese sehr unangenehm, er frage mich, ob ich nicht bei Hitler für die Freilassung eintreten könne. Ich erklärte Salata, wenn ich diesen Schritt von mir aus täte, so hieße das Erbsen an die Wand schleudern; ich müsse mich mindestens darauf berufen können, daß ich von authentischer Seite erfahren hätte, dem Duce würde mit der Freilassung Schuschniggs ein großer Gefallen erwiesen. Salata erklärte vor seiner Abreise, in diesem Sinne in Rom einen Fühler auszustrecken. Wir verabredeten ein verschleiertes Telegramm, welches bald einlangte, aber negativ lautete. Damit war die Sache erledigt. Schuschnigg sitzt noch heute (23. 1. 1945). In Gastein erfuhr ich, daß, wenn ich nicht irre, am 22. August unter Anwesenheit Horthys der „Prinz Eugen" in Kiel vom Stapel laufen werde 7 3 ). Taufpatin Ihre Durchlaucht die Frau Reichsverweserin. Ich bewarb mich bei Lammers, zu dieser Festivität, die mich natürlich interessierte, beigezogen zu werden. Lammers funktionierte wie immer gut. Ich wurde eingeladen. Das sehr schön gedruckte Programm liegt irgendwo unter meinen Papieren. Wie ich nach Kiel kam, besinne ich mich nicht mehr. Zuerst fand in Wien auf dem Bahnhof ein feierlicher Empfang des Reichsverwesers statt, an dem ich in Generalsuniform mit dem Großkreuzband des Ungarischen Verdienstordens teilnahm. Die Fahrt des in Hegyeshalom durch Vertreter der Reichsregierung begrüßten Horthy wurde gleich wieder fortgesetzt. Im Kieler Hafen wurde er mit dem Führer auf einem Kriegsschiff - ich glaube „Grille", siehe Programm - eingeschifft, die Reichsverweserin und die gesamten Ehrengäste kamen auf das neue prachtvolle Luxusschiff der Hapag „Patria". Das Leben auf ihr war so wunderbar, daß in mir die brennende Neigung erwuchs, einmal eine Fahrt auf einem solchen Schiff nach Madeira oder sonstwohin, am liebsten allerdings durchs Mittelmeer, zu unternehmen. Direktor Hofmann der Hapag, den ich auf der Patria kennen lernte, ein sehr feiner netter Mann, animierte mich; leider kam es nicht dazu. Als ich meine prachtvolle Luxuskabine bezog, fand sich als ungeladener Gast auch Neubacher ein, den ich aber nicht aufnahm; bei solchen Anlässen hörte sich bei mir die Kameradschaft auf. Er fand schließlich anderwärts ein Unterkommen. Auf der Patria wohnte auch Frau von Horthy, wobei man nicht vergaß, für die 7 3 ) Horthy traf am 2 1 . August - bei einem kurzen Aufenthalt in Wien - in Deutschland ein. Er wurde am 22. August in Kiel von Hitler begrüßt und an diesem Tag wurde der neue schwere Kreuzer auf „ P r i n z Eugen" von Frau von Horthy getauft, am Nachmittag wohnten Hitler und Horthy auf dem A v i s o „Grille" einer großen Flottenparade bei. A m 23. August fand die Fahrt auf dem Hapag-Dampfer „Patria" nach Helgoland statt. A m 24. August war Horthy im Hamburg und Berlin und nahm am 25. August an der bisher größten deutschen Militärparade teil. Horthy verließ am 26. August Deutschland.

Stapellauf des „Prinz Eugen"

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fromme Frau Gelegenheit zu einer Frühmesse zu schaffen. U n t e r den drei ihr zugeteilten Ehrendamen war die netteste die Frau des SS-Obergruppenführers L o r e n z , der ich den Spitznamen „ M a d a m e Recamier des Dritten Reiches" verlieh 7 4 ). Sie war schon ziemlich bei Jahren, über die fünfzig, aber noch immer eine nette, wenn auch gut hergerichtete Frau. Man sagte ihr nach, daß sie insofern an der Karriere ihres Mannes schuld sei, als sie der Partei in Stunden der N o t den größten Teil ihres ansehnlichen Vermögens gewidmet habe. Das wäre also neben den Frauen Bruckmann und Bechstein 7 5 ) die dritte, die in dieser Weise geholfen hat. Ich habe mich einmal dem Kreise der Reichsverweserin für kurze Zeit beigesellt. Den Höhepunkt der Festlichkeit bildete natürlich der Stapellauf selbst, der von der Germaniawerft aus erfolgte. Jener Germaniawerft, von der Kiszling bei der Kieler Archivtagung 1926 noch den W i t z machte, daß auf ihr, die damals völlig stille stand, fürs ganze Reich die „zitternde Reichssüßspeise" hergestellt werde. N u n war natürlich unerhörter Betrieb. Von den Leuten, mit denen ich am Fuße der Tribüne sprach, erinnere ich mich an Bürckel, der mir die Einführung einer Lex Schuschnigg, das heißt eines vor allem gegen Schuschnigg geschaffenen Gesetzes, mitteilte. Ich äußerte meine Bedenken, sagte, ein solches Gesetz könnte nur den gewünschten demagogischen Zweck haben, wenn es zu einer öffentlichen Verhandlung kommen würde; diese könne jedoch Schuschnigg gleich zu Beginn unmöglich machen, indem er noch vor Abgabe der Generalien einen N a m e n nenne: Mussolini! In der Tat ist es zu dem Sensationsprozeß, das heißt zur Anwendung des Ausnahmegesetzes, nie g e k o m m e n 7 6 ) .

7 4 ) Sie scheint in den Hitler-Biographien, Memoiren und Monographien über die Frühzeit der N S D A P nicht auf. " ) Helene Bechstein, Gattin des Klavierfabrikanten Carl Bechstein j u n . , des Erben der Klavierfabrik Karl Friedrich Bechstein. 7 6 ) Vgl. Luza, 120 u. 2 7 5 . Hitler hatte im April 1938 die Errichtung eines Staatsgerichtshofes befohlen, vor dem Prozesse gegen Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierungen geführt werden sollten. Das diesbezügliche G e s e t z wurde erst am 17. August veröffentlicht. N a c h d e m die SS eine Kommission zur Untersuchung der Vorgänge in der N S D A P und ihrer Gliederungen, die zum Putsch vom 25. Juli 1934 führten, eingesetzt hatte und deren Ergebnisse am 2 4 . 1 J . 1938 an Bürckel und Hitler weitergeleitet hatte, wurde von Hitler der Befehl gegeben, alle Vorbereitungen zur Erhebung von A n klagen einzustellen. Die Untersuchungsergebnisse waren der SS unangenehm, man wollte den Eindruck, als handle es sich um einen P r o z e ß gegen die Kirche, vermeiden und auch Österreich in der Welt nicht mehr in Erinnerung rufen. Laut Mitteilung des Herrn Franz K a m b a , Polizei-Inspektor i . R . , 4 . 1 . 1 9 7 8 , hätte ihm Glaise-Horstenau, als er sich für ein Verfahren gegen Schuschnigg aussprach, erklärt, sie seien doch alle Deutsche und es sollte nunmehr keine „ S c h m u t z w ä s c h e " gewaschen werden. Es wäre besser, G M . d . R . Maximilian R o n g e , ehemals C h e f des Nachrichtendienstes in der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, sollte diese Angelegenheit mit Admiral Canaris bereinigen. Glaise setzte sich aber dann doch noch für Schuschnigg ein, indem er einen Brief an Lammers schrieb ( B / 6 7 , nr. 105: Gerichtsakt, fol. 6 5 f . : Glaise-Horstenau an Lammers, Berlin, 1 5 . 1 . 1 9 4 0 , Abschrift). Glaise-Horstenau berief sich auf eine Anregung G u i d o Schmidts und betonte, sein persönliches Verhältnis zu Schuschnigg sei „ m i n destens im letzten Halbjahr seiner Kanzlerschaft, bei allem Einhalten der gegenseitigen F o r m e n , nichts weniger als g u t " gewesen. „ E r hat von mir nach dem 1 1 . 7 . 1 9 3 6 erwartet, daß ich einerseits seine von der meinigen weitgehend verschiedenen Politik mitmache, andererseits aber ihm für diese Politik die N S D A P Österreichs mit fliegenden Fahnen zuführe. D a beides nicht geschah, wandte er sich offenkundig von mir ab, wobei er es an Beweisen seines Mißwollens mir gegenüber nicht fehlen ließ . . . " . Er

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Die Festrede hielt Seyß. Ich muß gestehen, daß ich ihn ein wenig beneidete und zwar wegen des Sujets, des Edlen Ritters. Das Schiff hätte ursprünglich Tegetthoff heißen sollen, man tat es aber wegen der Italiener nicht. Auch der Name Babenberg wurde verworfen. Inzwischen ist der Prinz Eugen längst in einem norwegischen Hafen zum Wrack geschossen worden 7 7 ). Er war ein stolzes Schiff. - Nachher zerschlug Frau v. Horthy mit der ihr eigenen Grazie und Elegance die berühmte Sektflasche. Eine interessante Episode bildete ein Besuch der Insel Helgoland. Das Eiland, dessen Name mit einer Heldentat der österreichischen Kriegsmarine (1864) verknüpft war, war von allen Seiten angebohrt und in eine formidable Festung verwandelt, die die Deutsche Bucht sehr wohl zu schützen vermochte. Der Radius der Geschütze ging bis zu 48 km. Alle Stützpunkte hatten Namen nach preußischdeutschen Seehelden, der Tegetthoffs fehlte. Als ich im darauffolgenden April ein zweitesmal Helgoland besuchte, kam ich nachher auf dem „Robert L e y " , der auch schon auf dem Grunde des Meeres liegt, Hitler gegenüber auf dieses Versäumnis zu sprechen. Er meinte: „Reden Sie mit Raeder, ich bin sehr einverstanden!" Ich traf den Großadmiral erst im Kriege wieder. Das Leben auf der Patria war sehr interessant, da die Crème der Crème des Dritten Reiches dort zu treffen war. Ich saß viel mit Epp, Rust 7 8 ), Tschammer-Osten 7 9 ) Wilhelm Weiss 8 0 ). Auch mit dem ,,Dunkelkammer"-Hoffmann 8 1 ) wechselte ich setze sich daher nicht aus Gründen persönlicher Dankbarkeit für Schuschnigg ein. Er nehme aber an, „daß seine Verfassung keine besonders glänzende ist". Er frage an, ob man Schuschnigg nicht in Norddeutschland konfinieren könnte. Dort sei ihm begrenzte Bewegungsfreiheit und Lektüre bei Abschirmung von der Außenwelt gewährt und das Zusammenleben mit Frau und Kind ermöglicht. Schuschnigg war vom 2 8 . 5 . 1 9 3 8 bis 2 9 . 1 0 . 1 9 3 8 im Wiener Gestapo-Hauptquartier im Hotel „ M e tropol" in Haft, dann im Gestapogefängnis in München bis 8 . 1 2 . 1 9 4 1 , sodann in der „Sonderhauskolonie" im KZ Sachsenhausen. Im Februar 1945 wurde ein Autobus mit „Sondergefangenen", darunter Schuschnigg, nach Südtirol geschafft, wo sie anfangs Mai 1945 von den Amerikanern befreit wurden. " ) Gemeint ist wahrscheinlich die Torpedierung des „Prinz Eugen" vor dem Eingang zum Drontheimfjord am 2 3 . 2 . 1 9 4 2 , wodurch das Steuerruder funktionsunfähig und das Heck schwer beschädigt wurde. Das Schiff wurde jedoch bis Mai 1942 repariert und stand in der Ostsee bis Kriegsende im Einsatz. Am 7. Mai wurde die Flagge niedergeholt und das Schiff nach den USA übergeführt und im Dezember 1946 bei Atombombenversuchen bei Bikini verwendet, wo es am 16.12.1946 kenterte. Vgl. F. O . Busch, Schwerer Kreuzer „Prinz Eugen", Hannover 1958. 7 8 ) Bernhard Rust (Hannover, 3 0 . 9 . 1 8 8 3 bis 8 . 5 . 1 9 4 5 , Freitod nahe von Schleswig), Studienrat, 1909-1930 Lehrer am Ratsgymnasium in Hannover. Mitbegründer der dortigen Einwohnerwehren, 1925 Gauleiter v. Hannover-Braunschweig der N S D A P , 2 2 . 4 . 1 9 3 3 bis 1945 preuß. Min. f. Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung, 1 . 5 . 1 9 3 4 bis 1945 R M . f. Wissenschaft, Kunst u. Volksbildung. 7 ») Hans v. Tschammer-Osten (Dresden, 2 5 . 1 0 . 1 8 8 7 bis 2 5 . 3 . 1 9 4 3 , Berlin), 1907 als Fhr. in die sächs. Armee eingetreten, 1920 verabschiedet, Rittergutsbesitzer, 1929 zur N S D A P , 1.3.1932 Führer der SA-Gruppe „ M i t t e " , 1932 M . d . R . , 2 8 . 4 . 1 9 3 3 Reichssportkommissar bzw. -führer, 14.4.1938 Staatssekretär im R M . d. I., IV./1940 Präsident d. Deutsch-italienischen Gesellschaft, SA-Obergruppenführer. »°) Wilhelm Weiss (Stadtsteinach, 3 1 . 3 . 1 8 9 2 bis ?), 9 . 1 1 . 1 9 2 3 Teilnehmer am Putschversuch in München, 1 . 1 . 1 9 2 7 Chef vom Dienst „Völkischer Beobachter", 1930 SA-Oberführer im Stabe der Obersten SA-Führung, Leiter des Presseamtes, 1932 Leiter der Zentralschriftleitung des Zentralverlages der N S D A P , 5 . 3 . 1 9 3 3 Mitglied des Reichstages, 1933 Leiter des Reichsverbandes der Deutschen Presse, 1936 Hauptamtsleiter in der Reichsleitung der N S D A P , 1937 SA-Obergruppenführer.

Horthy auf der „Patria"

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manches freundschaftliche Wort, das der Heiterkeit nie entbehrte. Am letzten Tage brach er sich, als er gegen frühen Morgen besoffen eine der steilen Treppen hinabfiel, einen Knöchel. Gesoffen wurde überhaupt wahnsinnig. Wenn ich, gewiß manches interessante Gespräch versäumend, gewohnheitsmäßig um 11 Uhr schlafen ging, wurde eigentlich erst angefangen, wobei der mongolische Kolosväry, Pressechef der ungarischen Regierung, besonders tüchtig war. Auch einige hübsche Frauen waren da, darunter eine Prinzessin Hohenlohe, die hochschwanger war. Von den wenigen Österreichern sei das Ehepaar Preuschen 82 ) verzeichnet, das auf Grund alter Marinebekanntschaft auf besonderen Wunsch Horthys eingeladen worden war. Einmal fand, bei etwas windigem Wetter, eine prachtvolle Flottenparade statt. Ich stand neben Todt und Bodenschatz, die mir beide Interessantes über besonders wirksame neue Flugzeugtypen erzählten. Alles war von einer grauenhaften Kriegsluft erfüllt, die ich dennoch noch nicht ganz ernst zu nehmen vermochte. Nach der Parade standen Neubacher und ich beisammen, als sich Hitler uns zugesellte. Er sprach von der Bedeutung des Meeres für ein großes Volk und von der Notwendigkeit, den Binnendeutschen möglichst oft an die Wasserkante zu bringen. Dramatisch verlief der letzte Abend auf der Patria. Der Führer traf sich mit den ungarischen Staatsmännern Imredy 83 ), Känya, Sztojay im Salon des Schiffes und redete auf sie über die Notwendigkeit ein, an einem etwaigen Kriege gegen die Tschechoslowakei mitzutun. O b Horthy auch dabei war, vermag ich nicht mehr zu sagen. So viel ist sicher, daß sich die guten Magyaren außerordentlich zogen, an ihrer Spitze der alte Känya, und sich darauf ausredeten, daß sie vor einer gewissen Zeit unmöglich ausreichend gerüstet sein könnten. Hitler sprach bei diesen hochpolitischen Unterredungen so laut, daß ich - mit Lammers am Nebentisch sitzend jedes Wort hören mußte, auch wenn ich nicht wollte. Solcherart endete die prachtvolle Veranstaltung mit einem schweren Mißton, wobei der Führer besonders verärgert war. Des anderen Morgens war Horthy noch Zeuge des begeisterten und grandiosen Empfanges, den die Hamburger Bevölkerung Hitler bereitete. Epp und ich machten eine kleine Rundfahrt durch die mir seit 1926 oberflächlich bekannte Stadt. Die 81 ) Heinrich Hoffmann (Fürth, 12.9.1885 bis ?), Photograph, seit 1919 mit Hitler bekannt. 1920 Mitglied der NSDAP, 1940 Mitglied des Reichstages, Reichsbildberichterstatter der NSDAP. Memoiren: Hitler, wie ich ihn sah, München-Berlin 1974. 82 ) Franz Frh. Preuschen von und zu Liebenstein (Wiesbaden, 11.3.1867 bis ?), Heimatzuständig nach Salzburg; 1908-1910 Marineattaché in Washington, 1.4.1913 Ruhestand, 1.8.1914 zur aktiven Dienstleistung einberufen, 1.8.1917 Linienschiffskpt., div. Einschiffungen, 30.11.1917 Ruhestand. *») Béla Imrédy (Budapest, 29.12.1891 bis 28.2.1946, gehenkt in Budapest), ab 1/1919 Dienst im Finanzmin., ab 1928 Dir. d. Ung. Nationalbank, 1.10.1932 bis 6.1.1936 Finanzmin., dann Nationalbankpräs., 9.3.1938 Min. ohne Portefeuille, 14.5.1938 Ministerpräsident, 16.2.1939 mit Begründung „nicht rein arischer Abstammung" zum Rücktritt gezwungen, X./1940 Austritt aus der Regierungspartei und Gründung der „Partei der Ungarischen Erneuerung", seit III./1943 Beziehungen zu Edmund Veesenmeyer, 23.5.1944 Wirtschaftsmin. in Regierung Sztójay, 7.8.1944 Rücktritt, 1945 zum Tode verurteilt.

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Binnen- und Außenalster entbehren nie des Reizes. Wie es heute dort aussieht, weiß ich nicht - wohl schrecklich. In Berlin fand vor Horthy eine große Parade statt, die ihm künftige Entschlüsse erleichtern helfen sollte. Ich stand gegenüber seinem Zelte. Er trug die alte Admiralsuniform, Flottenrock, mit dem Bande vom Stephan-Orden, statt der alten kaiserlichen Feldbinde eine vitez-ketö, wie sie für die Honved eingeführt war. Zu einem feierlichen Abendessen war ich nicht eingeladen. Ich lernte erkennen, daß ein SS-Gruppenführer unvergleichlich mehr wog als ein armseliger österreichischer Minister. Wie ich schon anderswo berichtet habe, fuhr ich mit dem Ehepaar Seyß in einem Schlafwagen nach Hause. Als ich Seyß über Sorgen nächtlicher Stunden klagte, meinte er, beinahe gerührt: „ O h , ich habe bis zum 11. März sehr schlecht geschlafen; jetzt schlafe ich ausgezeichnet, weil ich weiß, daß der Führer für mich denkt." Man kann nur sagen: reif fürs Volksschullesebuch! Bald nach meiner Rückkehr ging ich wieder auf Reisen. Ich machte in Stuttgart eine Tagung des Auslandsdeutschtums mit. Die Führung hatte Staatssekretär Bohle, mir schon von Wien her bekannt. Es gab große Veranstaltungen, Besichtigungen, Essen im Hotel Zeppelin, wo auch ich wohnte. Ich erinnerte mich immer wieder an den 7. und 8. März des Jahres mit allen tief greifenden Folgen. Hofbauer war inzwischen nach Mannheim gefahren, um dort meinen neuen mittleren Mercedes abzuholen. Es war mein dritter Ministerwagen, unvergleichlich besser als seine Vorgänger, ein Daimler und ein Riesen-Gräf- und Stift, letzterer dauernd geschlossen, was ich besonders wenig liebte. Noch am 29. mittags fuhr ich mit Kramsall von Stuttgart ab in der Absicht, abends München zu erreichen, wo mich Beate erwartete. Wir kamen aber wegen eines zum Schneiden dichten Nebels nur bis Augsburg, wo wir bei den historischen Drei Mohren abstiegen. Mit größtem Interesse las ich die Tafel beim Eingang, die alle gekrönten Gäste seit der maximilianischen Zeit verzeichnete. Auch dieses Haus ist, samt der Gedenktafel, hin. Des anderen Tages holten wir Beate in München ab und fuhren bei leidlichem Wetter an den Starnberger See, wo wir in Tutzing am Strande zu Mittag aßen. Ludendorffs Grab, das in der höchsten Ecke des Friedhofs unter einem gewaltigen Felsklotz liegt, hatte ich schon früher einmal besucht. Mathilde 8 4 ), die „Philosophin", hatte in einer Nummer des „Heiligen Quells deutscher K r a f t " der aufhorchenden Mitwelt zu wissen gegeben, daß diese Grabstätte nur provisorisch sei und der Feldherr und sie ihre letzte Ruhe in einer „altgermanischen Kultstätte" der Lüneburger Heide finden würden. Gott gebe ihnen beiden die ewige Ruhe! Irgendwie hat es mich doch immer gepackt, an das Grab dieses verbissenen Mannes zu treten. Bald nach dem Starnberger See trat wieder scheußliche Wetterverschlechterung ein, die uns nun 36 Stunden lang nicht mehr verließ. Wir nächtigten in Lindau, wo M ) Mathilde Ludendorff (?, 4 . 1 0 . 1 8 7 7 bis 1966, ?), geb. Spieß, verehelichte v. Kemnitz, 1925 vermählt mit Erich Ludendorff, gründete 1926 mit ihrem Gatten den „ T a n n e n b e r g - B u n d " zum Kampf „gegen überstaatliche Mächte" (Freimaurerei, Jesuiten, Juden, Marxisten), trat für eine „artgemäße deutsche Gottserkenntnis" ein.

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das Hotel durch einen besonders groben Portier ausgezeichnet war und fuhren am 31. August über Bregenz, Arlberg, Imst, Reutte, Fernpaß, Garmisch-Partenkirchen, Gölz nach Groß-Gmain, wo wir beim Vötterl übernachteten. Letzteres zu tun war immer mein Wunsch. Aber die Wohnräume enttäuschten mich. Auch meinen Freund, den lustigen alten Vötterl, traf ich nicht mehr. Er hatte sich wegen hoher Schulden unmittelbar vor dem Anschluß aufgehängt. Hätte er noch ein paar Wochen gewartet, dann wäre er wirtschaftlich gerettet gewesen. Nunmehr führte ein Neffe das Geschäft. Am 1. 9. kehrte ich nach Wien zurück, denn schon harrte meiner eine neue Reise. Ich sollte - das erste- und letztemal im Leben - an einem Parteitag teilnehmen, dem „Großdeutschen Parteitag". Am 4. fuhr ich von Wien bis Passau, wo ich im „Passauer Wolf" schlief. Des anderen Tages gings über Straubing, das für mich von Seiten der Mittermeier heimatlicher Boden war, über Regensburg nach Nürnberg. Hofbauer wurde mit dem Auto irgendwo abgestellt. N u r die von den Göttern besonders Geliebten durften sich auf dem Parteitag ihres eigenen Autos bedienen. Die anderen wurden als Gepäck in eigenen Autobussen von der Stadt zur Nächtigung und umgekehrt transportiert. Die österreichischen Landesminister wurden im „Mitropa-Dorf" untergebracht, in einer großen Schlafwagenkolonie, die neben den Diplomaten noch andere Ehrengäste geringeren Ranges beherbergten, zum Beispiel Generäle. Im Speisewagen war man vorzüglich verpflegt, der Umgang mit den verschiedenen Gesandten und Botschaftern aus allen Richtungen der Windrose machte den Aufenthalt in diesem Salon der Zurückgewiesenen interessant und angenehm. Ich freundete mich mit ein paar Herren an, die ebenso wie ich den zu befürchtenden kriegerischen Entwicklungen mit größter Sorge entgegensahen. Als Unterkunft war jedem ein Schlafwagenabteil zugewiesen. Um mit Zivil und zwei Uniformen platzmäßig einigermaßen auszukommen, ließ ich auch das obere Bett aufklappen. So angenehm das Schlafen im fahrenden Schlafwagen ist, so unangenehm ist es im stehenden, zumal bei so unruhiger Umgebung, wie ich sie hatte, bei Gästen, die zu den unmöglichsten Nachtzeiten nach Hause kamen. Ich mußte mir mit einem stärkeren Schlafmittel helfen, um über die ewigen Ruhestörungen hinwegzukommen. Wer das große Leben des Parteitages mitmachen wollte, mußte entweder in das Grand-Hotel oder noch mehr dorthin gehen, wo das Feinste vom Feinen war, ins Deutsche Haus. Dort wie hier wogte es hin und her, ich lernte unter anderem auch Franz Schicht 85 ) samt Gattin kennen, die eben aus London geflüchtet waren. Mehrmals kam ich auch mit SA-Gruppenführer Kriebel zusammen, der vor dem Anschluß gleichfalls für den Wiener Gesandtenposten designiert war. Er hat als Generalstabshauptmann a.D. den Putsch vom 9. November 1923 militärisch organisiert, war nach der Machtergreifung Generalkonsul in Shanghai, wurde jedoch später wegen seiner chinesenfreundlichen Gesinnung abberufen. Er starb während des Krieges als Botschafter und Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt und wurde 8S

) Franz Schicht (?), Industrieller, um 1938 Aufsichtsratsvors. der Lever Brothers & Unilever Ltd., London u. Rotterdam.

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in seiner bayrischen Heimat als „Gabelmensch" bestattet. Auch Prinzessin Steffi Hohenlohe 8 6 ) war anwesend, deren Gegenwart mich zu einem Nachtrag veranlaßt. Prinzessin Steffi Hohenlohe, geborene Richter, Tochter eines Advokaten Richter und seiner Gartin geborene Kuranda, daher unbedingt Halbjüdin, erfreute sich als Steffi Richter vor dem Weltkrieg im Jockeyklub nicht gerade des Ansehens einer Sternkreuzordensdame, umsomehr aber weitgehender Sympathien, die sie ihrerseits sehr stark abwechselnd erwiderte. Unter anderem war sie auch die zeitweilige Geliebte des in diesen Dingen unermüdlichen Erzherzogs Franz Salvator. Schließlich ging ihr, auch noch vor dem Krieg, Franz Hohenlohe 8 7 ), Oberstleutnant des Generalstabes, Militärattache in Petersburg, ins Garn. Als er Conrad von seiner Absicht Meldung erstattete, die Dame zu heiraten, riet ihm der Generalstabschef, die Charge abzulegen. Im Krieg machte sich Hohenlohe gleich zu Anfang durch Verlust eines Chiffrenschlüssels berühmt und heiratete dann seine Steffi ohne Erlaubnis, was ihm einige Unannehmlichkeiten eintrug. Nach dem Kriege ließen sie sich natürlich scheiden, nicht ohne daß ihm Steffi einen Sohn geschenkt hatte. Die Grande-Cocotte ging nach England, wo sie zunächst den Lord Rothermere für Ungarn begeisterte. Es war die Zeit, wo sogar davon gesprochen wurde, daß der edle Lord aus Northcliffes Blut nach der Krone des Heiligen Stefan trachtete. Nachher kam sie, unbekannt wie, mit Hauptmann Wiedemann 8 8 ), dem ehemaligen Kompagniechef und nunmehrigen Adjutanten Hitlers (seit 1934) zusammen. Wiedemann wurde von diesem irgendwie in der englischen Politik verwendet. So kam es, daß nach dem Anschluß Leopoldskron bei Salzburg plötzlich unter Aufwendung von 100000 Reichsmark (nach Vertreibung des bisherigen Besitzers Reinhardt 8 9 ) für die „Prinzessin" hergerichtet wurde. Im Schlosse selbst war dank der 8 6 ) Stephanie Prinzessin Hohenlohe (?, 16.9.1898 bis ?), Tochter des Rechtsanwalts und späteren Bankiers Johann Richter, vermählt London, 2 2 . 5 . 1 9 1 4 , mit Franz Prinz zu Hohenlohe-WaldenburgSchillingsfürst; geschieden Budapest, 29. 7.1920. Vgl. über ihre Beziehungen zu Lord Rothermere und britischen Diplomaten, sowie ihre Aktivitäten im Sommer 1938: W. Hagen, Die geheime Front, LinzWien 1950, 149f.; B. Celovsky, Das Münchener Abkommen 1938, Stuttgart 1958, 277, Anm. 1; W. Jochmann (Hg.), Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims, Hamburg 1980 (vgl. Reg.). 8 7 ) Franz Prinz zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (Budapest, 15.2.1879 bis 24. 5.1928, Curitiba, Brasilien), 18.8.1900 aus der Techn. Milak, als Lt. zu K A R . 5, ab 1905 Genstabsdienstleistung, II./1912 bis VII./1914 Militärattache in St. Petersburg, 2 1 . 8 . 1 9 1 4 zur Nachrichtenabt. des A O K . eingerückt, 12.10.1914 zum Kavalleriekorps v. Korda als Verbindungsoffz. eingeteilt, 1 . 5 . 1 9 1 5 Mjr. i . G . , 6 . 5 . 1 9 1 5 bis Kriegsende Genstabschef 31. I T D . , 1 . 5 . 1 9 1 7 Obstl. i . G . Eine Schilderung, wie Hohenlohe bei einer Fahrt zum Kommando der dt. 9. Armee ( G O . v. Hindenburg) zwar einer Gefangennahme entging, aber der dt. Chiffrenschlüssel in russische Hände fiel vgl. bei H . Benedikt, Damals im alten Österreich, Wien 1979, 274 f. S 8 ) Fritz Wiedemann (Augsburg, 1841-1969, ?), 1910 als Fahnenjunker zum 3. bayer. IR., 1915 Rgtsadj. des 16. bayer. Res.-IR., bei dessen Stab Hitler Meldegänger war, 1919 als char. Hptm. a . D . aus der Reichswehr entlassen, Arbeit in der Landwirtschaft, X I I . / 1 9 3 3 persönlicher Adjutant Hitlers, I./1939 Generalkonsul in San Francisco, 1942 Generalkonsul in Tientsin, 1944 Kriegsgefangenschaft. Seine Memoiren: Der Mann, der Feldherr werden wollte. Erlebnisse und Erfahrungen des Vorgesetzten Hitlers im 1. Weltkrieg und seines späteren persönlichen Adjutanten, Dortmund 1964. " ) Max Reinhardt (Baden bei Wien, 9 . 9 . 1 8 7 3 bis 3 0 . 1 0 . 1 9 4 3 , New York), bedeutender Theaterleiter, Regisseur, Mitbegründer der Salzburger Festspiele, Gründer des Reinhardt-Seminars.

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hervorragenden Tätigkeit des Vorgängers nicht viel zu machen. Dafür wurde das Nebengebäude zu einem reizenden Gästehaus umgebaut, welches ich - ebenso wie das Schloß - gut kenne, da ich dort im Sommer 1940 einige Tage gewohnt habe. Jetzt (1945) hat - schon seit Jahren - die Frau des Ministers Rust 90 ) acht Zimmer mit Beschlag belegt. Es geht nichts über Volksgemeinschaft! Plötzlich zog damals, 1938, der geheimnisvolle Gast ein: Prinzessin Steffi Hohenlohe, die in unmittelbarer Nähe des Führers eine Art von Salon für berühmte Gäste einrichten sollte. Wolfi Thienen 91 ) wirkte an ihrer Seite irgendwie als Haushofmeister. Neugierig, wie ich bin, habe ich ihm gegenüber den Wunsch ausgesprochen, mit der Prinzessin bekannt zu werden. Als Mitte August 1938 in den Sälen der Residenz ein Empfang zu Ehren der Festspiele stattfand, überraschte mich Thienen mit der Einladung, das Fest am Tische der Prinzessin zu begehen. Diese, eine etwa fünfzigjährige Frau, war rotblond aufgenordet und stark dekolletiert, [...]. Sie rauschte an meinem Arme durch die Säle und versicherte mir ein- über das anderemal, ich dürfe nun niemehr anderswo als in Leopoldskron wohnen, wenn ich in Salzburg sei. Ich hatte gerade einige Stunden zuvor von der Uberführung der Reichskleinodien aus Wien nach Nürnberg Kunde erhalten und hielt der Prinzessin gegenüber mit meiner Kritik über diese Maßnahme nicht zurück. Wir schieden als innige Freunde. Bei dem Empfange war auch Frick, der Reichsinnenminister, anwesend. Er, ein wütender Antisemit, blickte schon verdächtig auf mich, wenn ich mit der Prinzessin an seinem Tisch vorüberzog. Einige Tage nachher aß ich mit Frick auf dem Kahlenberg zu Mittag. Die Sprache kam auf Prinzessin Steffis Abstammung. Ich erzählte was ich wußte. Etliche Wochen später sagte mir Reitter in Salzburg: ,,Du, die Prinzessin ist wegen des Gespräches, das Du mit Frick geführt hast und das dieser an Wiedemann weitergab, fuchsteufelswild auf Dich und droht, Deine Äußerungen über die Reichskleinodien dem Führer weiterzusagen." Es war wirklich blöd von Frick, unsere Plauderei ausgerechnet dem Wiedemann, der (übrigens auch für seine Frau) ein eigenes Absteigequartier in Leopoldskron hatte und zwar neben der Prinzessin, weiterzugeben. Als ich nun auf dem Parteitag im Nürnberger Grand Hotel die Prinzessin grüßte, hatte sie kaum ein Kopfnicken für mich. Ich entschloß mich nun, den Stier, das heißt Wiedemann, bei den Hörnern zu packen, und redete ihn auf die Sache an. Er war offensichtlich mitbeleidigt und meinte, die Prinzessin habe keinen Tropfen jüdischen Blutes in sich (was schon durch die Mutter Kuranda widerlegt war), sondern entstamme einem uralten niederösterreichischen Bauerngeschlecht, noch dazu aus dem Waldviertel, wo bekanntlich auch die Familie Hitlers her ist. Im übrigen wäre auch das Gegenteil egal, meinte Wiedemann, denn die Prinzessin habe sich so große Verdienste um das Deutsche Reich erworben, daß die Abstammung uninter90

) Anne Sofie Rust, geb. Dietlein. " ) Wolfgang Frh. v. Thienen-Adlerflycht (München, 5.3.1896 bis 16.7.1942, Paris), Lt. i.d. Res. DR. 4, 23.2.1917 Dienstantritt bei der Vertretung des Ministeriums des Äußeren in Bukarest, später Mitglied der NSDAP, Angeh. d. SA.

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essant sei. Tatsächlich hatte sie vom Führer persönlich ein Parteiabzeichen aus Gold erhalten, auf dessen Rückseite Hitlers Unterschrift faksimiliert war - indes sie in Leopoldskron eine wunderbare große Dogge zeigte, die ihr Horthy zum Geschenk gemacht hatte. Die Kuranda stammen von dem berühmten Abgeordneten 9 2 ) aus dem Jahre 1848 ab. Ein Kuranda 9 3 ) spielte vor dem Anschluß im jüngeren Historikerkreis als recht begabter und kenntnisreicher Mann eine Rolle. Er erschoß sich nachher. Die Mutter der Steffi erhielt sich in Wien, indem sie mit 70 Jahren einen Ungarn heiratete und ungarische Staatsbürgerin wurde. Trotz der Aussprache mit Wiedemann fühlte ich mich ein wenig beengt durch die Feindschaft Steffis, die gewiß auch rachesüchtig sein und mich beim Führer verpetzen konnte. Daß sie noch immer persona gratissima war, zeigten die schönen Ehrenplätze, die sie bei den Veranstaltungen des Reichsparteitages innehatte. 3 Wochen später spielte sie, wie ich hörte, auch noch bei der kritischen Staatsmännerzusammenkunft in Godesberg eine gewisse Rolle. Als sie im Jänner 1939 dann plötzlich über Nacht zugleich mit ihrem Freunde und Gönner Wiedemann verschwand, war ich froh. Wiedemann wurde als Nachfolger des Generalkonsuls Freiherr v. Killinger 9 4 ) nach San Francisco verbannt. Die Prinzessin machte kurz darauf in der englischen Presse durch einen Alimentationsprozeß von sich sprechen, den sie gegen Lord Rothermere anstrengte. Seither ist es um sie stiller geworden. . . Wenn ich oben schon die Sitzordnung berührte, so darf ich sagen, daß wir österreichischen Minister auch darin bei allen Gelegenheiten hundsmiserabel behandelt wurden. Im Gegensatz hierzu bekamen die Vertreter des noch unter Knechtschaft seufzenden Sudetengaues, Henlein und Frank, immer Sitze in der ersten Reihe. Sie waren freilich auch zu Großem ausersehen. Zu vielen Veranstaltungen waren wir „Landesminister" überhaupt nicht eingeladen. So verdankte ich es lediglich der Güte des Nürnberger Polizeipräsidenten, daß ich in dessen Loge in der Oper der Kulturtagung des Parteitages beiwohnen konnte. Auf dieser sprachen Rosenberg und Hitler, ersterer fad wie immer, letzterer doch, so viel ich mich erinnere, mindestens dadurch interessant, daß er die Bedeutung des Christentums für die frühere germanische Kultur anerkannte, allerdings aber diese Ära für abgeschlossen erklär9 2 ) Ignaz Kuranda (Prag, 1 . 5 . 1 8 1 1 bis 3 . 4 . 1 8 8 4 , Wien), Politiker, Journalist und Schriftsteller, 1841 Gründer des Wochenblattes „Grenzboten", 1848 Abgeordneter zur dt. Nationalversammlung in Frankfurt/Main, 1861 Abg. z. nö. Landtag, 1872 Präsident der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde. , 3 ) Peter Kuranda (? bis 1938), Historiker, Schüler Pribrams, Redakteur der Tageszeitung „Neues Wiener Tagblatt", Verf. v . : „Großdeutschland und Großösterreich" bei den Hauptvertretern der deutschösterreichischen Literatur 1 8 3 0 - 1 8 4 8 , Wien 1928; Herausgeber v . : Historische Studien. A . F. Pribam zum 70. Geburtstag dargebracht, Wien 1929. Über seine Familie und sein Schicksal vgl. auch: H. Benedikt, Damals, 8 7 f . ; F. Engel-Janosi, . . . aber ein stolzer Bettler, Graz et al. 1974, 77. 9 4 ) Manfred Frh. v. Killinger (Lindigt bei Nossen, Sachsen, 1 4 . 7 . 1 8 8 6 bis VIII./1944, Bukarest), 1904 als Seekadett in die kaiserl. dt. Kriegsmarine, 1918 Führer des Sturmkorps der Marinebrigade Ehrhardt, Angehöriger der Organisation Consul, im Zusammenhang mit dem Erzberger-Mord verurteilt, Leiter des Wikinger-Bundes, Mitgl. d. N S D A P , 1932 Führer der SA-Inspektion Ost, 8 . 3 . 1 9 3 3 Reichskommissar für Sachsen, 1933 bis 2 . 5 . 1 9 3 4 sächs. Ministerpräsident, 1937 im Hauptquartier Francos, I./1939 ins A A . , VIII./1940 ord. Ges. u. bev. Min. in Preßburg, 2 4 . 1 2 . 1 9 4 0 in Bukarest.

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te 9 S ). Außerdem wurden zum ersten- und letztenmale Kulturpreise in der Höhe von je Reichsmark 100000,- verteilt, die einen Ersatz für die Nobelpreise darstellen sollten. Diese wurden vom Reich bekanntlich abgelehnt, seit der Schriftsteller Carl von Ossietzky 9 6 ) ihn zugesprochen erhielt. Unter den ersten Preisträgern befanden sich Rosenberg, Todt und der ehemals österreichische Geschützkonstrukteur Porsche 9 7 ), der Erfinder des Volkswagens. Mit dem Geldbetrag war auch ein wunderbarer Bruststern verbunden, der an den Orden vom siamesischen Elefanten erinnerte. Eine für den Mystizismus und Romantizismus der materialistischesten Bewegung, die es je gab, besonders charakteristische Festlichkeit waren Heldenehrung und Weihe der neuen Banner und Standarten. Zwei riesige Karrees von SA waren im Stadion „aufgebaut", wie es so schön heißt. Weit hinten brannte auf einer bühnenartigen Erhebung die Opferflamme. Hitler erschien auf seinem Platze vor der Rednertribüne und schritt dann, nur mit dem braunen Hemd und zugehörigen Hosen und Stiefeln bekleidet und geleitet von Himmler und Lutze durch den unendlichen Mittelgang zur Opferflamme, während das Lied vom guten Kameraden erklang. Wie der an sich unscheinbare Mann immer kleiner und kleiner wurde, kam einem unwillkürlich - schon hing das Damoklesschwert der Sudetendeutschen Krise über uns - der Gedanke, wie sehr im Augenblick das Schicksal der Welt auf diesen herabgezogenen etwas nach vorn gebeugten Schultern ruhte. Die Fügungen des Schicksals sind doch seltsamer A r t ! Der Totenehrung folgte als zweiter für den Nationalsozialismus bezeichnender Akt die schon erwähnte Bannerweihe. Als Folge des Anschlusses waren etwa 80 neue Banner und Standarten zu weihen. Dies vollzog sich folgendermaßen: Hitler trat, begleitet von dem durch Streicher 98 ) getragenen „Blutbanner", vor jede neue Fahne hin. Das Blutbanner war bekanntlich jene Fahne, die Hitler und Ludendorff am 9. November 1923 auf dem Marsche zur Feldherrnhalle vorangetragen wurde. Der Mythos sagte, daß Streicher, der seither abgesetzte und verbannte Gauleiter von Nürnberg und wohlverdienter Herausgeber des antisemitisch-pornographischen „Stürmer", beim Novemberputsch die Blutfahne getragen habe; es ist jedoch seither nicht unbestritten geblieben. Jedenfalls trug er sie noch am letzten Parteitag. Also: Hitler trat vor jede zu weihende Fahne hin, eine Batterie löste irgendwo eine Salve oder einen Schuß, Hitler griff nach dem Tuche der Blutfahne und brachte es 95)

Vgl. die Rede Hitlers bei Domarus, 1. Bd., 898ff. Carl V. Ossietzky (Hamburg, 3 . 1 0 . 1 8 8 9 bis 4 . 5 . 1 9 3 8 , Berlin), Schriftsteller, Pazifist, 1924 an der Gründung der Republikanischen Partei Deutschlands beteiligt, 1926-1933 Chefredakteur der Zeitschrift „Die Weltbühne", 1933 verhaftet und in ein KZ gebracht, 1936 wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen, er durfte ihn aber nicht annehmen. " ) Ferdinand Porsche (Maffersdorf, Böhmen, 3 . 9 . 1 8 7 5 bis 3 0 . 1 . 1 9 5 1 , Stuttgart), Kraftwagenbauer, Konstrukteur von Flugmotoren und Feldbahn-Benzin-Elektro-Zügen im Ersten Weltkrieg, konstruierte ab 1934 den Volkswagen. Vgl. zuletzt: Ausstellung Wiener Neustädter Erinnerungen: Prof. Dr. Ing. h . c . Ferdinand Porsche, Wiener Neustadt 1975. 9 S ) Julius Streicher (Fleinshausen bei Augsburg, 12.2.1885 bis 16.10.1946, hingerichtet in Nürnberg), Volks- und Hauptschullehrer, 1921 zur NSDAP, ab 1923 Herausgeber der Zeitschrift „ D e r Stürmer", Gauleiter des Gaues „Mittelfranken" (ab 1936: Franken), berüchtigter Antisemit. 96)

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mit dem neu zu weihenden Banner in Berührung. Dann deutscher Gruß, Handschlag für den Bannerträger . . . und achtzigmal genau die gleiche Zeremonie, wie etwa bei der Firmung in der katholischen Kirche. Dabei der Mystizismus, daß dem Fahnentuch der Blutfahne irgendeine geheime Kraft entströme oder dergleichen; denn sonst würde es nicht achtzigmal gemacht, für das rein Symbolische genügte auch einmal. Aber dieses mystische Element gehört nun einmal wie der Gott Wraldar und die Lebens- und Todesrune zu den Eigenarten einer ansonsten den Marxismus an Materialismus übertreffenden Bewegung. Eine der ersten Veranstaltungen des Parteitages 1938 war die Ubergabe der in der Katharinenkirche aufbewahrten Reichskleinodien an den Oberbürgermeister von N ü r n b e r g " ) . Es soll nicht geleugnet sein, daß die Aufbewahrungsform ungleich würdiger als in der Schatzkammer in Wien gewesen ist. Die Kirche ist leider seither ein Opfer amerikanischer oder britischer Bomber geworden. Dennoch war das Wiedersehen mit den Reichskleinodien für mich eine schmerzliche Stunde. Eine illustre Versammlung hatte sich eingefunden, um dem schon vor dem Anschluß längst geplanten und zwischen Hitler und dem Nürnberger Oberbürgermeister Liebel 100 ) verabredeten Akte beizuwohnen. Als mir, vor der Feier, schon in der Kirche, der Stellvertreter Liebeis in den Weg lief, rief ich ihm in Gegenwart zahlreicher Würdenträger zu: „Ich bin froh, daß der Stefansdom angewachsen ist, sonst würdet Ihr uns den auch noch wegtragen." Hitler erschien nicht zur Feier. Seyß hielt die Ubergabs-, Liebel die Übernahmsansprache. Ein kleines Bildchen in meiner Bildersammlung zeigt mich beim Austritt aus der Katharinenkirche. Einen Abend verbrachte ich als Gast beim kommandierenden General der Kavallerie Freiherr v. Weichs, dem nachherigen Feldmarschall. Ich kannte ihn und seine Gattin von Wien her, sie sind ein streng katholisches Haus und hatten so am Nationalsozialismus mancherlei auszusetzen, was man Weichs im Felde zwar nicht besonders anmerkte. Als er Heeresgruppenoberbefehlshaber in Belgrad war, mußte ihm im Weißen Schlosse allerdings jeden Sonntag eine Messe gelesen werden. Sein Adjutant Graf Westphalen 101 ) hörte diese sogar täglich. Unter den Gästen war auch General der Infanterie Liebmann 102 ), damals Kommandeur der Kriegs- oder Wehrmachtsakademie, im Kriege nach kurzer Armeeführung an der noch ruhigen Westfront kaltgestellt - ein recht feiner Mann, den ich mir allerdings als Führer auch weniger denn als Gelehrter vorstellen kann. »») Am 6.9.1938. Vgl. N F P . v. 6.9.1938, Abendblatt, 1. 10 °) Willy Liebel (Nürnberg, 31.8.1897 bis 1945, ?), kaufmännischer Angestellter, ab 1925 Mitglied der N S D A P , SA-Obergruppenführer, 27.4.1933 bis 1945 Oberbürgermeister von Nürnberg, 1943 Reichsamtsleiter und Oberbereichsleiter der NSDAP. ,01 ) Ferdinand Graf Westphalen bestätigte diesen Umstand durch frdl. Zuschrift v. 19.5.1981. Ferdinand Graf Westphalen (geb. 22.4.1898), Berufsoffizier, im 1. Weltkrieg Lt. im KR. v. Driesen Nr. 4, ab 1936 Reserveoffiziersübungen, 1939 als Rtm. Chef der schweren Schwadron der Aufkl. Abt. 26, ab April 1940 im Stabe der 2. Armee Gen.Obst. Frh. v. Weichs, zunächst als 2 b , dann als Adjutant, ab 1941-1945 persönlicher Ordonnanzoffz. OB., 1942 Mjr., 2.5.1945 bis XI./1945 Kriegsgefangenschaft. 10z ) Curt Liebmann (Coburg, 29.1.1881 bis ?), 1899 Eintritt in die preuß. Armee, 1.8.1934 Kdr. Kriegsakademie, 1.4.1935 G . d . I . , 30.4.1939 verabschiedet, 25.8.1939 bis 30.10.1939 OB. 5. Armee.

Vor und nach der Sudetenkrise

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Viel des Interesses bot natürlich die ehrwürdige Stadt der Meistersinger, die man immer wieder samt der von Siebert erneuerten Burg bestaunte. Das alles war altes heiliges Reich . . . das alles existiert heute nicht mehr! Ein- oder das anderemal wagte ich mich auch ins Deutsche Haus. Aber dort waren die Gau- und Reichsleiter zu Hause, dort empfing Hitler seine Gäste, wobei er eine erstaunliche Leistungsfähigkeit an den Tag legte. Ein Diplomatenempfang währte bis 4 Uhr früh - um 8 Uhr war er schon wieder auf dem Parteigelände. Ein Tag galt auch der Wehrmacht; es wurde ein Theater mit allen möglichen Waffen und Gliederungen vorgeführt - zur Popularisierung des wehrhaften Gedankens und der Wehrmacht. Ich konnte dergleichen keinen besonderen Geschmack abgewinnen. Dagegen waren die Produktionen des von Hierl 103 ) geführten Reichsarbeitsdienstes sehr eindrucksvoll - inklusive der nackten Oberkörper, mit denen die Männer bei schneidender Kälte turnen mußten. Zweieinhalb Tage der großen Parteiveranstaltung schlug ich dazu breit, um mir die Welt rund um Nürnberg anzusehen. [. . .] Den Schluß bildeten bei einer Versammlung in einer großen Halle Reden Hitlers und Görings. Ich saß mit den österreichischen Ministern irgendwo in der achten oder neunten Reihe. Als Conférenciers traten beim Parteitag abwechselnd die Gauleiter Adolph Wagner (München) und Streicher (Nürnberg) auf, die sich beide dadurch auszeichneten, daß sie die Stimme Hitlers messerscharf nachahmten. Görings Rede war besonders kriegerisch gehalten, aber auch die Hitlers ließ in bezug auf die Tschechei nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. Dabei bluffte er bereits mit dem Westwall, welchen er zur stärksten Befestigung der Welt erklärte, wiewohl damals erst ein paar Erdhaufen existierten 104 ). Im Diplomatenzug ließ man (wie auch ich) die Köpfe wegen der Aussicht eines Krieges recht hängen, ein durchaus richtiges Gefühl. Ich nahm auf der Heimfahrt Bardolff mit und trat diese mit der Absicht an, kein zweitesmal einen Parteitag zu besuchen. Das Weltschicksal ist diesem Wunsche weitgehend entgegengekommen, wenn auch im nächsten Jahre zur Täuschung des Gegners Vorbereitungen wie nie früher getroffen wurden. Unser Weg ging über Salzburg (hier Nächtigung), Aussee, Gesäuse nach Wien zurück. ,03 ) Konstantin Hierl (Parsberg, Oberpfalz, 24.2.1875 bis 23.9.1955, Heidelberg), 1892 als Fahnenjunker zum 2. bayer. IR., 1908 H p t m . im Großen Generalstab, 1911 Lehrer an der bayer. Kriegsakad., 1914-1918 bayer. Genstabsoffz. an der Westfront, 1919 Freikorpsführer, 1920 in die Reichswehr übernommen, 1922 Dienst im Reichswehrmin., 31.10.1924 als Obst, verabschiedet, arbeitete ab 1927 für die N S D A P , 1929 Parteimitglied, ab 1933 Beauftragter der N S D A P für den Arbeitsdienst, 1933 auch Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium, 1935-1945 Reichsarbeitsführer, 1936 Reichsleiter der NSDAP und char. Gen.Mjr., 1948 zu 5 Jahren Arbeitslager verurteilt. Seine Werke: Der Weltkrieg in Umrissen, 4 Bde., Charlottenburg 1922-1926; Grundlagen einer deutschen Wehrpolitik, München 1929; Im Dienst für Deutschland 1918-1945, Stuttgart 1954. 104 ) Vgl. die Rede Hitlers am 12. September bei Domarus, 1. Bd., 897-906; hier S. 903 über den Westwall, das „gigantischeste Befestigungswerk aller Zeiten". Der Westwall war im wesentlichen vor 3 Monaten begonnen worden, sollte aber „noch vor Einbruch des Winters vollkommen fertig" sein.

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Die kommenden 14 Tage waren recht aufregungsreich. Die Kriegsvorbereitungen trafen auch mich 1 0 5 ). General der Infanterie List hatte beim O K W den Vorschlag gemacht, mich zum stellvertretenden Befehlshaber in Österreich zu ernennen, falls er abmarschieren müßte. Oben ist man auf diesen Vorschlag natürlich nicht eingegangen. Daraufhin faßte List den Entschluß, mich für den Kriegsfall als Verbindungsoffizier nach Ungarn zu entsenden. Generalstabsoberst Raus 1 0 6 ), jetzt Generaloberst und Armeeoberbefehlshaber an der Ostfront (1945), sollte mir beigegeben werden. Wir rüsteten uns schon nach jeder Richtung. Hofbauer wurde als Unteroffizier eingekleidet. Gasmasken wurden angepaßt, Blutgruppen festgestellt etc. etc. Ich machte mir über die zugedachte Mission, die meiner Neigung sehr entsprochen hätte, meine Gedanken; es schien mir unmöglich, daß die Heeresgruppe und nicht das O K W oder O K H den Verbindungsoffizier entsende, der meinem Range entsprach. Doch hielt ich still mit dem Gedanken, es mir schon zu richten, wenn ich einmal eingesetzt war. Politische Nachrichten empfing ich im reichsten Ausmaß von Burgsdorff. Er war ausersehen, dem künftigen Zivilkommissar von Mähren, Gauleiter Bürckel, zur Seite zu treten, und befaßte sich nun auch mit dem mährischen Nationditätenproblem. Dabei nahm er mit Erstaunen wahr, welch großartige Leistung von Altösterreich vollbracht worden war. Im übrigen war alles auf Krieg gestimmt. In Berlin wurden Propagandamärsche von Panzern gemacht und es wurde erzählt, Hitler habe hinter einem Vorhang der Reichskanzlei beobachten können, wie gering die Begeisterung der Bevölkerung für ein kriegerisches Abenteuer war. Er sollte auch einige Wochen später im Kaffee Imperial in Wien zu mir sagen: „Ich weiß, das deutsche Volk wäre auf meinen Aufruf mit mir marschiert; aber die Stimmung war doch so, daß ich es ihm nicht zumuten wollte." Tatsächlich gab es keinen Menschen, der einen Krieg begriffen oder gar gewünscht hätte.

1 0 5 ) Vgl. B G H 4485/38: Glaise-Horstenau an List, 2 . 9 . 1 9 3 8 , K o n z . : „ A l s alter Soldat sehe ich mich durch die Lage veranlaßt, mich hiemit für den Ernstfall der Wehrmacht zur Verfügung zu stellen Glaise bittet entweder bei einer höheren Befehlsstelle des Feldheeres eingeteilt zu werden, um das „praktische Können rasch nachzuholen", oder eine militärpolitische Verwendung, „ z u der mich meine Vergangenheit befähigen könnte" für ihn vorzusehen. Diesbezüglich verweist er auf seine „militärpolitische und militärpublizistische Tätigkeit, auf mein Wirken im Dienste der Bündniskriegführung". 1 0 6 ) Erhard Raus (Wolframitz, Südmähren, 8 . 1 . 1 8 8 9 bis 3 . 4 . 1 9 5 6 , Wien), 1 8 . 8 . 1 9 0 9 aus IKSch. Königsfeld zu FJB. 20 als Kadett-Offiziersstellv., 1 . 2 . 1 9 1 8 Hptm., Übernahme in Volkswehr u. Bundesheer, 1 . 1 . 1 9 2 1 Titular-Mjr., 1 . 5 . 1 9 2 1 zu Radfahrkp. 2, 1 . 1 0 . 1 9 2 2 ins BM. f. H w . , 1 9 3 0 - 1 9 3 2 bei der Truppe, 1 . 9 . 1 9 3 3 Obstlt. u. versetzt zur Mil. Fachprüfungskommission, 1 . 1 0 . 1 9 3 4 Kmdt. Infanterieschießschule, 1 9 . 1 2 . 1 9 3 6 Obst., 1 . 1 1 . 1 9 3 7 ins BM. v. Lv., Nachrichtenabt. (vorgesehen als Militärattache in Rom), 2 2 . 3 . 1 9 3 8 dienstzugeteilt dem A O K . 8, 3 . 1 0 . 1 9 3 8 z . b . V . Gruppenkdo. 5, IX./1939 Chef Stellvertr. Gen. Kdo. XVII, 1 5 . 7 . 1 9 4 0 Kdr. Schtz. R. 4, 1 5 . 4 . 1 9 4 1 Kdr. 6. Schtz. Brig., 1 . 9 . 1 9 4 1 Gen.Mjr., 1 . 4 . 1 9 4 2 Kdr. 6. P z . D . , 1 . 2 . 1 9 4 3 Gen.Lt., 1 . 3 . 1 9 4 3 Kdi.Gen. XI. A K . , X./1943 Kdi.Gen. X X X X V I I . P z . K . , 1 . 1 1 . 1 9 4 3 O b . 4. Pz. Armee, 1 . 5 . 1 9 4 4 O B . 1. Pz. Armee, 1 5 . 8 . 1 9 4 4 Gen.Oberst, 1 6 . 8 . 1 9 4 4 bis 1 2 . 3 . 1 9 4 5 O B . 3. Pz. Armee, nach 1950 zeitweise als Spitze eines neuen öst. Heerwesens vorgesehen. Vgl. seinen Schriftennachlaß im K A . , sign. B/186.

Vor und nach der Sudetenkrise

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Godesberg kam 1 0 7 ), alles schien auf des Messers Schneide zu stehen. Schließlich trafen einander Hitler, Mussolini, Chamberlain 1 0 8 ) und Daladier 1 0 9 ) am 29. September in München. Es geschah das Ungeheuerliche: Die Westmächte ließen die Tschechoslowakei, die Hauptsäule der Verträge von Versailles - zumal für Mittelund Osteuropa - glatt bersten, indem sie Deutschböhmen und das Sudetenland Hitler überantworteten. Gibt es einen stärkeren Gegenbeweis als den wider die immer aufs Neue aufgeworfene Behauptung, Österreich selbst hätte - wenn sich keine „Verräter" gefunden hätten - den Anschluß verhindern können! Ja, es gibt noch einen gewaltigen Gegenbeweis, den vom März 1939, den von den Westmächten ruhig hingenommenen Einmarsch in Prag. Mit dem Münchener Vertrag befand sich meiner Ansicht nach Adolf Hitler auf dem Gipfel seiner außenpolitischen Erfolge. Alles, was nachkam, war trotz zeitweiliger glänzender Scheinerfolge nichts als Abstieg. Nicht ohne Grund sagte, als wir einige Tage nach München die Kahlenbergstraße hinanfuhren, mein schwedischer Freund Professor B ö ö k , mich bei der Hand fassend: „Wissen Sie, der liebe Gott könnte Hitler jetzt nur mehr einen Gefallen tun - ihn zu sich zu rufen." Dem Führer war etwas geglückt, was sich niemand träumen ließ: er hatte, ohne daß ein Tropfen Blut vergossen wurde, die zehn Millionen an der Grenze des kleindeutschen Reiches geschlossen wohnenden Deutschen ins Reich „heimgeführt". Die ganze Welt bewunderte ihn als Staatsmann. Zudem war noch eine Tatsache unleugbar: Der ganze agrarische Südosten lag dem gewaltigen Industriereich Deutschland zu Füßen. Die Rest-Tschechoslowakei, an der March von Norden und Süden her geopolitisch fast abgewürgt, hätte sich auch ohne den Gewaltakt vom März 1939 dem Reiche auf Gedeih und Verderben ergeben müssen. Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien wären durch die strengen Gesetze der Wirtschaft genötigt gewesen, sich irgendwie näher - die Form war nebensächlich - an Deutschland anzulehnen. Was die armseligen zehn Millionen Österreicher mit der Donaumonarchie nicht vollbrachten, hätten 90 Millionen Deutsche zuwege bringen können: ein geordnetes Mittel- und Südost-Europa. Wenn die Sache mit entsprechendem Fingerspitzengefühl versucht worden wäre, hätte es zu keiner Herausforderung Englands und der Westmächte kommen brauchen. Die Neigung in diesen Ländern zum Krieg war, wie sich im Jahre 1940 erwiesen hatte, äußerst gering. Eher schon hätte sich Rußland in seinen Interessen geschädigt fühlen können. Für diese Auseinandersetzung, die ja wahrscheinlich kommen mußte, hätte eine ruhige deutsche Politik eine bessere Ausgangsbasis schaffen müssen, als die es war, von der aus im Jahre 1941 der Sprung ins große Unglück unternommen wurde. Hitler sollte 3 Monate nach München in seiner Reichstagsrede vom 30. Jänner 1939 die zuversichtlichen Worte aussprechen: „Manche Leute sagen, ich sei ein

) Zweiter Besuch Chamberlains bei Hitler am 22. und 23. September, diesmal in Bad Godesberg, losj Neville Chamberlain (Birmingham, 1 8 . 3 . 1 8 6 9 bis 9 . 1 1 . 1 9 4 0 , Heckfield), brit. konservativer P o litiker, 2 8 . 5 . 1 9 3 7 bis 1 0 . 5 . 1 9 4 0 Premierminister. 1 0 ») Edouard Daladier (Carpentras, 1 8 . 6 . 1 8 8 4 bis 1 0 . 1 0 . 1 9 7 0 , Paris), Radikalsozialistischer Politiker, 3 1 . 1 . 1 9 3 3 bis 2 3 . 1 0 . 1 9 3 3 , 3 0 . 1 . 1 9 3 4 bis 7 . 2 . 1 9 3 4 , 1 0 . 4 . 1 9 3 8 bis 2 0 . 3 . 1 9 4 0 Ministerpräsident. 107

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Minister einer „österreichischen Landesregierung"

Prophet, nun will ich etwas prophezeien - einen langen Frieden" 1 1 0 ). Leider hat er weder diese seine Prophezeiung selber geglaubt noch ihre Erfüllung gewünscht. Er hat im Gegenteil mindestens im Unterbewußtsein bedauert, daß ihn die friedliche Lösung der sudetendeutschen Frage die Möglichkeit zur Führung eines kleinen, aber netten Krieges gegen die tschechische Armee nahm, und war auch irgendwie auf Chamberlain böse, ohne daß ich mirs erklären konnte, warum. N o c h bevor so viel ich mich erinnere - Chamberlain nach der grauslichsten diplomatischen Niederlage, die je ein Staatsmann sich gefallen lassen mußte (um des lieben Weltfriedens willen und auch wegen völligen Mangels an Kriegsbereitschaft), den Mund geöffnet hatte, ließ sich Hitler schon in Saarbrücken mit recht bösen Worten über den britischen Staatsmann hören 1 1 1 ). Noch böser wurde er 1 1 2 ), als dieser bei seinem ersten Auftreten vor dem Parlament die Notwendigkeit planmäßiger Rüstung betonte; diese Feststellung war zugleich nichts anderes als eine Entschuldigung Chamberlains für das, was er in München hatte zugestehen müssen, eben weil weder Großbritannien noch Frankreich in den letzten Jahren ernstlich an einen Krieg gedacht hatten. „ M i t Grantigsein macht man keine Politik", pflegte der alte Mensdorff zu sagen, wenn wir um Weihnachten 1917 auf tief verschneiten Wegen längs der Festungsmauern von Brest-Litowsk spazieren gingen. Auch Hitler hätte wegen der Äußerungen Chamberlains nicht grantig zu sein gebraucht, sondern seinem zu Boden gestreckten Verhandlungspartner von München goldene Brücken bauen müssen. Nichts lag ihm ferner als dieses. Nichts lag ihm überhaupt ferner, als das Gebot der Stunde zu erfüllen: von nun an Friedenspolitik zu treiben! Mit dieser seiner Einstellung begann das große Unheil, inmitten dessen wir nun, im Februar 1945, stehen. Ich mußte zu meinem Schrecken noch im Monat Oktober 1938 bei zwei Begegnungen, die ich mit dem Führer hatte, seine Gefühle heraushören. Die erste dieser Begegnungen fand am 15. Oktober in München statt. Epp feierte seinen 70. G e burtstag, ich erschien als Vertreter der österreichischen Landesregierung. Nachdem ich Epp gratuliert und dabei die wahrhaft fürstlichen Gabentische, von denen sich ein Österreicher keine Vorstellung macht, besichtigt hatte, traf ich auf der Stiege Adolf Hitler. Er blieb stehen, begrüßte mich und ging sofort in ein Gespräch ein. Es existieren mehrere Photos darüber, eines erschien auch im Münchener Völkischen Beobachter 1 1 3 ) an leitender Stelle, was die mit Manfred 1 1 4 ) und mir nach 1 1 0 ) Text der Rede im Reichstag bei Domarus, 2. B d . , 1 0 4 7 - 1 0 6 7 : Hitler hat in dieser Rede keinen Frieden, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse prophezeit. „ I c h will heute wieder ein Prophet sein: Wenn es dem internationalen Finanzjudentum gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in E u r o p a . " m ) Vgl. den Text der Rede Hitlers am 9. Oktober auf einer Kundgebung auf dem Befreiungsfeld in Saarbrücken bei: Domarus, 1. B d . , 954ff. l n ) Neue schwere Angriffe gegen britische Politiker und Staatsmänner richtete Hitler auf dem Gautag der thüringischen Nationalsozialisten in Weimar am 6 . 1 1 . 1 9 3 8 , vgl. Domarus, 1. B d . , 963ff. 1 1 3 ) Das Bild auch in V B . , Wiener Ausgabe, 1 7 . 1 0 . 1 9 3 8 , N r . 214, 7. 1 1 4 ) Manfred Wirth, Sohn von Manfred und Beate Wirth.

Vor und nach der Sudetenkrise

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München gekommene Beate als besonders günstig bezeichnete. Auf einem Bild schaut der Führer so aus, als wollte er mit mir ringen. Ich weiß nicht, in welchem Augenblick des Gespräches dies geschah. Ich drückte - ganz aufrichtig - Hitler meine Bewunderung über die Lösung des sudetendeutschen Problems aus, besonders deshalb, weil sie ohne Vergießen eines Bluttropfens geglückt sei, betonte das ausgezeichnete Zusammenspielen zwischen Politik und Strategie (wobei ich an den Bluff mit dem Westwall in der Parteitagsrede dachte) und meinte, wenn ich auf einer Universität ein historisch-politisches Seminar zu leiten hätte, so würde es mir ein besonderes Vergnügen bereiten, die sudetendeutsche Krisis zu behandeln. Hitler nahm mein Lob gnädig zur Kenntnis, aber doch mit der Reserve eines Mannes, der es sich anders gedacht hatte. Gesprächsweise bedauerte er, daß Alfred Krauss, den wir vor einigen Tagen begraben hatten, die Heimkehr seines Heimatlandes - er war der richtige Sudetendeutsche - nicht mehr erlebt habe. Ich hatte schon auf der Zunge, Hitler über die eigenartige, nicht weniger als angenehme Wesensart des bei ihm besonders angesehenen verstorbenen Generals aufzuklären, unterließ es jedoch, weil mich das politische Gesprächsthema mehr interessierte. Sehr viel Leute standen herum und lauschten begierig auf den gemütlichen Ton, auf den unser Gespräch wie immer gestimmt war. Den äußerlichen Höhepunkt des Epp-Jubiläums, der zum General der Infanterie und Regimentschef ernannt wurde, bildete ein Festessen in den Vier Jahreszeiten, wo wir (Beate, Manfred und ich) auch wohnten. Siebert, der am anderen Tag Geburtstag hatte, und Epp, der übrigens in Reichsleiter-Uniform erschienen war, strudelten sich gegenseitig an. Ich saß neben dem eben pensionierten Wehrkreisbefehlshaber General der Infanterie Prager 115 ) und gegenüber dem späteren Marschall Sperrle. Prager beklagte sich über die völlige Rechtlosigkeit, in der man, zumal gegenüber der SS, selbst als General leben müsse, und hielt mit seiner Unzufriedenheit über das Regime überhaupt nicht zurück. Sperrle mit dem Einglas im Auge jammerte über die Junggesellensteuer, die ihm (damals General der Flieger) höchstens Reichsmark 900,- monatlich übrig lasse. Da kürzlich in den österreichischen Zeitungen zum Neid aller Leser zu lesen war, die österreichischen Minister bezögen monatlich Reichsmark 2400,-, blickte ich mit einem gewissen Mitleid auf mein Gegenüber - nicht ahnend, daß mir das gleiche Schicksal bereits vorgeschrieben war: denn Generäle der Infanterie und Landesminister hatten auf Heller und Pfennig fast das gleiche Bruttoeinkommen. Links von mir saß Reichsleiter Major a.D. Buch 116 ), der oberste Parteirichter. Er setzte mir die Gründe für die Abschaffung des Zweikampfes im Parteiehrenwesen auseinander, kam nebenbei auch auf Frau 11S ) Vielleicht Karl R. v. Prager (Warmensteinach, Oberfranken, 23.10.1875 bis ?), 14.7.1894 als Fahnenjunker Eintritt in die bayer. Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1.2.1931 als G . d . I . verabschiedet, zuletzt Inspekteur d. Inf., 1.2.1939 Kdr. XXVII. AK., 6.11.1939 bis 1.5.1942 Kdr. XXV. AK., 30.6.1942 Mobverwendung aufgehoben. " ) Michael Frh. v. Lütgendorf (Bodenbach, Böhmen, 3 0 . 5 . 1 8 7 9 bis 2 6 . 4 . 1 9 7 4 , Graz), 1898 aus IKSch. Wien zu IR. 3 als Kadett-Offiziersstellvertreter ausgemustert, Genstabslaufbahn, 1.1.1918 Mjr. i. G . , ab 1.5. 1919 Amtsleiter des Grenzschutz O s t in Graz, Übernahme ins Bundesheer, Genstabsdienstleistung in der Steiermark, 1.6.1924 O b s t . , 1926/1927 Rgtskmdt., ab 1.11.1928 im B M . f. H w . , 1. A b t . , 16.10.1931 G M . , 3 1 . 1 . 1 9 3 2 Ruhestand. 1 1 4 ) Zu den Besprechungen Nicolais von Juni 1938 bis Juni 1939 mit Glaise-Horstenau, Srbik und Bittner wegen einer historiographischen Arbeit über die politische Führung im 1. Weltkrieg vgl. B G H . 4299/38.

Um die Reichsarchivspitze

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an dem wir uns befanden, durch den Hausherrn die Welt regiert wurde. Er glaubt selbst daran und ist darob auch glücklich, was schließlich die Hauptsache ist. U m 16.30 Uhr nachmittags holte mich Hofbauer am Fuße des Berges ab. Wir fuhren über St. Georgen im Attergau der großen Straße zu, auf der unmittelbar nach Attnang Hofbauer von einem piffkenesischen Gendarmen wegen Schnellfahrens im O r t aufgeschrieben wurde. Den unmittelbar vor uns fahrenden Altreichsdeutschen ließ er laufen. Es fiel mir schwer, eine scharfe Bemerkung zu unterdrükken. Nach meiner Rückkehr beauftragte ich Kramsall mit der Bereinigung der Angelegenheit. Die Sache funktionierte natürlich nicht. Hofbauer wurde zu R M 5 0 , Strafe verurteilt, die ich zahlte. . . . [Reise nach Wien, Ausflug ins Waldviertel.] Am 13. schnitt man Beaten die Mandeln heraus. Tags darauf besuchte ich die doch recht arg Mitgenommene in der Poliklinik. Des anderen Morgens, am 15. Juni, fuhr ich in aller Früh nach Steyr, um dort dem 75jährigen Bestandsjubiläum der großen Waffenfabrik beizuwohnen. Staatssekretär Körner 1 1 5 ) war als Vertreter des Generalfeldmarschalls zugegen und behandelte mich sehr liebenswürdig. Längere Gespräche führte ich mit Generaldirektor V o ß 1 1 6 ) , der sich besonders günstig über Guido Schmidt aussprach, womit er hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten sicherlich recht hatte. Wir besichtigten die gewaltigen Fabriksanlagen und nahmen nachher im Direktionshaus ein gutes Frühstück ein. Es wurden bei verschiedenen Möglichkeiten schöne Reden geschwungen, bei denen - wie mir scheint - die Vergangenheit gegenüber der Zukunft etwas zu kurz kam. Zumal dem braven Werndl hätte ich eine bessere Behandlung gewünscht, wenn man schon begreiflicherweise darauf verzichtete, des Aufschwungs zu gedenken, den das Werk im Krieg unter der Präsidentschaft Siegharts genommen hatte. Letzterer hatte wohl auch wenig persönlichen Anteil. Beim Frühstück saß mir SS-Oberführer von Schröder 1 1 7 ) als Stellvertreter des SS-Obergruppenführers Rodenbücher 1 1 8 ) gegenüber. Wir „hackelten" uns in 1 1 5 ) Paul Körner (geb. Pirna, 2 . 1 0 . 1 8 9 3 ) , 1914 als Kriegsfreiwilliger zu F A R . 28, zuletzt H p t m . , D r . iur., tätig in der Industrie, 1926 zur N S D A P , I V . / 1 9 3 3 Staatssekretär im preuß. Staatsmin., V I I . / 1 9 3 3 Mitglied des preuß. Staatsrates, X . / 1 9 3 6 Stellvertreter Görings als Beauftragter f . d . Vierjahresplan, 4 . 1 . 1 9 4 0 Görings Vertreter im Vorsitz des Generalrates der Kriegswirtschaft, Mitglied des Aufsichtsrates der „Alpine-Montan-Aktiengesellschaft Hermann Göring in L i n z " , 3 0 . 1 . 1 9 4 2 S S - O b e r gruppenführer, M . d . R . , M j r . d. R . 1 1 6 ) Wilhelm V o ß ( R o s t o c k , 1 . 7 . 1 8 9 6 bis ?), Mitglied des Vorstandes der Reichswerke Hermann Göring in Berlin, Mitglied des Aufsichtsrates der „Alpine-Montan-Aktiengesellschaft Hermann Göring in L i n z " , Vorstandsvorsitzender der D D S G in W i e n , Vorsitzender des Aufsichtsrates der Grazer W a g g o n - u. Maschinenfabrik A G . in Wien, der S t e y r - D a i m l e r - P u c h - A G . ; Präsident des Verwaltungsrates der Avia-Flugzeugmotoren A G . in Prag; Vorsitzender des Exekutiv-Komitees der Skoda-Werke-Pilsen in Prag (bis 1945), 1952/53 in Ägypten tätig. 1 1 7 ) Walther Schröder ( L ü b e c k , 2 6 . 1 1 . 1 9 0 2 bis ?), 1925 Eintritt in die S A , Funktionen in L ü b e c k und Mecklenburg, 3 0 . 1 . 1 9 3 8 N S K K - O b e r f ü h r e r , 2 0 . 4 . 1 9 3 8 als S S - O b e r f ü h r e r in die SS ü b e r n o m m e n , 1 . 8 . 1 9 4 1 SS- und Polizeiführer in Lettland, 2 8 . 9 . 1 9 4 1 SS-Brigadeführer und G e n . M j r . d. Polizei. 1 1 8 ) Alfred Rodenbücher (Schopfheim, Baden, 2 9 . 9 . 1 9 0 0 bis ?), 1 0 . 1 0 . 1 9 1 6 bis 1930 Angehöriger der Reichsmarine, zuletzt als O b e r b o o t s m a n n , sodann bis 1931 Staatsdienst, 1930 zur N S D A P , X . / 1 9 3 1

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Drohende Kriegsgefahr

landsmannschaftlicher Beziehung. Schröder, früherer Reiteroffizier, ein sehr netter feiner Mann, entschuldigte sich schließlich damit, doch nicht 1 0 0 % Preuße zu sein, da seine Mutter eine Sächsin sei. Ich ließ diese Entschuldigung als Milderungsgrund gelten. Am interessantesten bei diesem heiteren Spiel war es mir, die beifälligen Gesten eines mir wohlbekannten alten Linzer Kämpfers zu beobachten, die er von sich gab, wenn ich den österreichischen Standpunkt besonders unterstrich. Es war übrigens seit langem der erste „politische Leiter", der sich meiner Ministerschaft mit dankbaren Worten erinnerte. Nachdem ich in der Residenz in Salzburg genächtigt hatte, fuhr ich am Sonntag, den 17. früh, zum Tag der Deutschen Kunst nach München. Ich bezog diesmal im Bayerischen H o f Quartier, wo ich im November 1936 als wirklicher Minister gewohnt hatte. Mein Einzug gestaltete sich wesentlich bescheidener als damals. Auch rotweißrote Fahnen hingen nicht mehr vom Dache herab. Im Festsaale saß ich neben Kriebel. Der Führer hielt eine auffallend kurze Rede 1 1 9 ). Die politischen Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Das Mittagessen nahm ich mit Ruoff 1 2 0 ), G e mahlin und Tochter ein. Jener war, nachdem er in Wien über ein Jahr erfolgreich als Generalstabschef Lists gewirkt hatte, als Nachfolger Geyers Kommandierender in Stuttgart geworden. Wir unterhielten uns sehr gut und ich machte mich um die Tochter noch dadurch verdient, daß ich ihr die zweite Tribünenkarte, die ich mithatte, zur Verfügung stellte. Als wir im Freien aßen, war es noch recht schön und sonnig. Kaum aber nahte die Zeit des Festzuges - da umdüsterte sich der Himmel und ehe es losging, prasselte ein fröhlicher bis zum Schluß nicht aufhörender Regen hernieder. Der Führer mit seinem italienischen Gast (Alfieri) stand unter einem Baldachin, der sich immer stärker mit Wasser füllte. Schließlich kam irgendjemand mit einer langen Stange und drückte den Bauch des Baldachins nach oben durch, worauf die Ehrengäste der ersten Reihe, darunter der Führer, mit einer gewaltigen Dusche bedacht wurden. Ich hatte meinen SA-Gummikragen umgenommen und mich nicht vom Sitzplatz gerührt, so daß ich ziemlich trocken davonkam. Der Festzug bestand zum größten Teil aus alten Gruppen, die schon in den vergangenen Jahren vorübergezogen waren. Die Walküren, Ritter und Sänger troffen SS-Standartenführer, X . / 1 9 3 3 S S - O b e r f ü h r e r und Führer des SS-Abschnitts X I V Bremen, 1 1 . 1 2 . 1 9 3 3 mit der Betreuung der Österreich-Flüchtlinge beauftragt, SS-Brigadeführer und Führer des S S - A b schnitts V I I ( I I . / 1 9 3 4 : Umbenennung des SS-Oberabschnitts D o n a u ) , 1 4 . 7 . 1 9 3 4 enthoben, 2 4 . 7 . 1 9 3 4 wieder eingesetzt, 3. 8 . 1 9 3 4 beauftragt, die Landesleitung Österreich aufzulösen. V I I I . / 1 9 3 4 Leiter des NSDAP-Flüchtlingshilfswerks Berlin und Führer der SS-Sammelstelle, 9 . 9 . 1 9 3 4 SS-Gruppenführer, 1936 M . d . R . , 1 . 6 . 1 9 3 9 Führer des SS-Oberabschnitts Alpenland, 1 . 5 . 1 9 4 1 in dieser Funktion und als H ö h e r e r SS- und Polizeiführer Alpenland enthoben, 3 . 1 0 . 1 9 4 1 Wiedereintritt in die Kriegsmarine als Kapitänlt., 1 . 4 . 1 9 4 3 K o r v k p t . , 1 9 4 5 - 1 9 4 8 Kriegsgefangenschaft. 119

) Auszug bei D o m a r u s , 2. B d . ,

1218f.

) Richard R u o f f ( M e ß b a c h , Württemberg, 1 8 . 8 . 1 8 8 3 bis ?), 1903 Eintritt in die württemb. Armee als F h j . , Übernahme in die Reichswehr, 1 . 4 . 1 9 3 6 G e n . M j r . , 6 . 1 0 . 1 9 3 6 C h e f des Stabes G r . K d o . 3, 1 . 3 . 1 9 3 8 G e n . L t . , 1 . 4 . 1 9 3 8 C h e f des Stabes G r . K d o . 5, 1 . 5 . 1 9 3 9 Kdi. G e n . V, A . K . u. G . d . I . , 8 . 1 . 1 9 4 2 K . G . 4. P z . A r m e e , 1 . 4 . 1 9 4 2 G e n . O b s t . , 1 . 6 . 1 9 4 2 bis 2 4 . 6 . 1 9 4 3 B e f h . 4. P z . A r m e e . 120

Tag der Deutschen Kunst in München

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vom Wasser, alles befand sich im aufgelösten Zustand. Neu hinzugekommen waren die Sudetenlande und das Protektorat. Als letzteres „vorüberzog", gedachte ich unwillkürlich des Einzuges der in Ketten geschlagenen Besiegten in der Römerzeit (oder auch in Aida). In der Verkörperung militärischen Traditionsgutes kam natürlich Österreich besonders schlecht weg. Voriges Jahr gab es noch eine Gruppe: Reichskleinodien. Sie war heuer verschwunden. . . . Den Abend verbrachte ich mit Reitters zuerst im Hause der Deutschen Kunst. Das Nymphenfest mit den vielen nackten Mädchen, über dem Christian Webers 1 2 1 ) Geist zu wachen pflegte, mußte wegen des schlechten Wetters unterbleiben. Die allzu duftig angezogenen Münchener Chordamen, Adolph Wagners Lieblingsgesellschaft, hätten sich am Ende verkühlt. An unserem Tisch nahm Präsident Staatsrat von Stauß Platz, der wieder sehr angeregt plauderte. Knapp vor Mitternacht begaben wir uns ins Haus der Künstler, wo eine ziemlich derbe Varietedarstellung geboten wurde. Ich traf dort Epp, zu dem ich mich auf kurze Zeit hinsetzte. Wir sprachen über das geänderte Verhältnis zu Rußland. Epp meinte: Jedenfalls ist vor kurzem ein sehr weitgehendes wirtschaftliches Abkommen geschlossen worden 1 2 2 ). Am Reittertisch fanden sich der Reihe nach Speer 1 2 3 ), Thorak und andere Kapazitäten ein. Plötzlich hieß es: „ E s wird gebeten, das Rauchen einzustellen!" Ein Zeichen, daß der Führer nahte, der sich zum soundsovielten Male die Lustige Witwe angesehen hat (was ich ganz gut verstehen kann). Richtig kam er nach einiger Zeit, begleitet von Adolph Wagner, Bormann, Himmler. Sie trugen alle den Clou des Tages: weißen Flanellsmoking. Sofort wurden Zarah Leander und einige andere Filmschauspielerinnen zu seinem Tisch gerufen. Sie setzten sich zu beiden Seiten des Führers und lauschten nun seinen Worten. Miene und Geste verrieten wenig von heiterem Geplauder. Der Führer war auch blaß. Ich ging, als ich das Lokal verließ, an seinem Tisch vorüber, er grüßte ernst, ohne von uns - auch von Epp nicht - weiter Notiz zu nehmen. Ich verschwand um 3 Uhr früh. Die Gesellschaft des Führers hielt erst in der sechsten Morgenstunde ihren Auszug, wobei einige Begleiter nicht ganz ohne Gleichgewichtsstörungen an den Beschauern vorübergezogen sein sollen. 1 2 1 ) Christian W e b e r (Tolsingen, 25. 8 . 1 8 8 3 bis 1945, ?), Buchmacher und Gastwirt, eines der ersten Mitglieder des Stoßtrupps Hitler, 1 9 2 6 - 1 9 3 4 Stadtrat der N S D A P in München, 1935 Ratsherr, I I I . / 1 9 3 3 Präsident des Landtages von O b e r b a y e r n , später Präs. d. dt. Jagdmuseums, SS-Brigadeführer u. Inspekteur d. SS-Reitschulen, 1936 M . d . R . m ) Die eigentlichen Verhandlungen über ein Kredit- und Lieferungsabkommen zwischen dem V o r tragenden Legationsrat D r . Schnurre und dem russischen Wirtschaftsexperten Barbarin fanden erst zwischen 18. Juli und 26. Juli statt. Uber die vorhergegangenen Führungnahmen der Botschaft und jene Verhandlungen vgl. M. Braubach, Hitlers W e g zur Verständigung mit Rußland im Jahre 1939, B o n n 1960; G . L . Weinberg, Germany and the Soviet Union 1 9 3 9 - 1 9 4 1 , Leiden 1954, 3 2 f f . , 2 3 ) Albert Speer (Mannheim, 1 9 . 3 . 1 9 0 5 bis 1 . 9 . 1 9 8 1 , L o n d o n ) , 1929 als Architekt 1. Assistent an der T e c h n . Hochschule Berlin, 1 . 3 . 1 9 3 1 Eintritt in die S A , 1932 zur SS u. Parteimitglied, ab 1934 Architekt u. Berater Hitlers, I . / 1 9 3 7 Generalbauinspekteur für die Reichshauptstadt Berlin, 1 5 . 2 . 1 9 4 2 Reichsmin. f. Bewaffnung u. Kriegsproduktion, . . . , 1 . 1 0 . 1 9 4 6 als Kriegsverbrecher zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1 . 1 0 . 1 9 6 6 aus dem Spandauer Gefängnis entlassen. Erinnerungswerke: Erinnerungen, Berlin 1969; Spandauer Tagebücher, Berlin 1975; D e r Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzung mit der SS, Stuttgart 1981.

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Drohende Kriegsgefahr

Am Montag Vormittag besuchte ich, wenn ich nicht irre, das NS-Hauptarchiv. Reichsamtsleiter D r . Uetrecht 1 2 4 ) und Pg. Pohl empfingen mich und sprachen mit mir zunächst über die mir zugedachte Archivleitung, wobei sich Uetrecht als außerordentlich begeistert zeigte. In der Frage des Provenienzprinzips mußte ich in seinen Auffassungen insofern eine kleine Korrektur vornehmen, als ich seiner Auffassung, daß alle irgendwie die NS-Bewegung betreffenden Akten sämtlicher Archive und Registraturen im NS-Archiv zusammenzuziehen seien, ziemlich deutlich widersprechen mußte. Aus den Archivschätzen interessierten mich die zahlreichen Dokumente aus dem Beginn der politischen Tätigkeit Adolf Hitlers, darunter ein Exemplar des Versailler Diktates, in welchem jeder Artikel mit ausführlichen Kommentaren des Führers versehen war, darunter auch die wirtschaftlichen, die Hitler zu den erdenklichsten statistischen Betrachtungen veranlaßten. Er ist doch einmalig, es gibt in der Geschichte keinen zweiten seiner Eigenart. . . . An einem schönen besinnlichen Abend fuhr ich nach Salzburg zurück. Des anderen Tages, 18. Juli, hieß es nach Wien heimkehren. In Schloß Albrechtsberg machte ich Halt, um meinen lieben Freund Wolf zu besuchen. Ich fand ihn in seinen kasemattenartigen Wohnräumen, die aber bei dem hellen Sonnenschein einer gewissen behaglichen.Romantik nicht entbehrten. Die Frau weilte auf dem Felde, um an den dortigen Arbeiten mitzuhelfen. Wolf machte den Eindruck wirklicher seelischer Ausgeglichenheit. Er sprach von verschiedenen literarischen Plänen und gab sich innerlich völlig beruhigt. Als ich ihn aufforderte, seine Frau auf der unmittelbar bevorstehenden von ihr geplanten Salzburger Reise zu begleiten, schüttelte er den Kopf: ihn widere der unter den Auspizien des Gauleiters geführte Kulturkampf so sehr an, daß er den Boden Salzburgs nicht mehr betreten wolle. Er, der noch zu Ostern ziemlich optimistisch war, sah nun das Problem Partei-Kirche als völlig unlösbar an. Uber Seyß sprach er die Worte: „ E r hat alles verraten, was für ihn verratbar w a r . " Schließlich kam die Frau und wir gingen gemeinsam zu der unpäßlichen, auf einer Chaiselongue liegenden Prinzessin R o h a n 1 2 5 ) hinauf. Sie ist bekanntlich eine 200%ige Nationalsozialistin. Als ich ihr aber im Zusammenhang mit meiner ungarischen Reise spaßweise von dem bevorstehenden Protektorat sprach, da lehnte sie den Gedanken mit ehrlicher Entrüstung ab. Wilhelm Wolf begleitete mich zum Wagen. Ich sah den Freund im Leben zum letztenmale. Zwar versprach ich ihm, bei der nächsten Salzburger Fahrt ganz bestimmt wieder bei ihm zu halten, es kam aber nicht mehr dazu. Ich bereue es noch heute. Wolf trug einen Bauernjanker und eine Lederhose mit stark dekolletierten Knieen. Er sah wie ein Bauer aus dem Montafonertal aus. Der Gegensatz zwischen dem „verboten" derben Äußeren und der feinen edlen Seele trat besonders stark zutage. . . . 1M) Erich Uetrecht (Minden, 2 4 . 4 . 1 8 7 9 bis ?), Oberbereichsleiter d. N S D A P , Leiter des Hauptarchivs d. N S D A P . 1 2 s ) Maria Prinzessin R o h a n , geb. Grfin. Apponyi v. N a g y - A p p o n y i (geb. Eberhard, 29.5.1899), T o c h t e r des ungarischen Staatsmannes Albert G r f . A p p o n y i .

Machtkampf Bürckel - Seyß-Inquart

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3 Tage später, am 18. Juli, trat ich meinen Salzburger Urlaub an. Es waren vielleicht die letzten schönen Wochen meines Lebens, die nun ihren Anfang nahmen. Wegen des großen Lärmes auf dem Residenzplatz und in der Kurfürstenstraße entschloß ich mich, das in den Hof hineinsehende Zimmerchen des Honoratiorenappartements zu beziehen. Frau Steiner begann sofort, es mit den gemütlichen Möbeln auszustatten, die zur Hand waren. Ein kleiner Gang, der zur Wendeltreppe auf der Seite der Kurfürstenstraße führt, trennt den Schlafraum von einem hübschen Badezimmer. Natürlich kann man auch den neu hergestellten breiten Aufgang benützen, der in das große Vorzimmer führte. In der Folge bewohnte der Staatskommissar Dr. Plattner das „Kanzlerzimmer", das zum Residenzplatz hinausging. Da er nach dem Sturze Mühlmanns auch Kunst und Staatsgebäude zur Verwaltung bekam, wurde ich so sein „Gast". Obgleich er ein stets verdrossener und grantiger Mensch ist, behandelte er mich doch ziemlich gnädig. Der Sturz Mühlmanns war knapp vor meiner Pfälzer Reise erfolgt. Mühlmann hatte die Unvorsichtigkeit begangen, im Speisewagen eines Wiener Schnellzuges gegenüber Globocnik und noch einen Herrn über Bürckel ziemlich heftig loszuziehen. In der Nachbarschaft saß ein gütiger Freund, der sich die Gelegenheit zu denunzieren nicht entgehen ließ und das ganze Gespräch mitstenographierte, um es brühwarm dem Gauleiter zu übermitteln. Mühlmann erhielt darauf von Bürckel einen Brief, in welchem er jenem nicht nur wie einem Dienstboten kündigte, sondern der auch sonst an Saftigkeit nichts zu wünschen übrig ließ 1 2 6 ). So verwies er unter anderem die Tatsache, daß sich Mühlmann Staatssekretär a . D . nannte, in den Bereich des Kriminellen. Tatsächlich hatte Seyß seine Freunde Mühlmann, Globocnik und Rainer auf deren Drängen am 14. März 1938 zu Staatssekretären ernannt, zu einer Zeit, in der er, da am Vortage der Anschluß vollzogen worden war, gar nicht mehr das Recht hiezu hatte. Der Schlag gegen Mühlmann galt nach dem alten Sprichwort vom Sack und dem Esel selbstverständlich auch Seyß. Mühlmann wandte sich an diesen aber vergeblich um Hilfe. Seyß blinzelte mit den Augen, tat sehr entrüstet, hielt jedoch wie gewöhnlich den Augenblick zu einer Ripost wider Bürckel noch nicht für gekommen; er trat bis heute (10. Dezember 1939) für Mühlmann nicht ein und wird dies wohl nie mehr tun 1 2 7 ). Dabei hatte Mühlmann an der Berufung Seyß-Inquarts am 12. Februar 1938 eine entscheidende Mitwirkung gehabt. Konnte so Bürckel in seinem Kampf gegen Mühlmann Seyß seitwärts liegen lassen, so war er umsomehr bemüht, einen ungleich gefährlicheren Förderer Mühlmanns, Göring, für sich zu gewinnen. U m das geeignete Mittel glaubte er nicht verlegen sein zu müssen. In Wien wurde in einem Kabarett neben dem Domkaffeehaus seit Wochen eine politische Satire gespielt, die den freiwilligen Anschluß des 126)

Auszug aus dem Text des Briefes v. 2 3 . 6 . 1 9 3 6 bei Rosar, 340. Dies ist unrichtig. Seine Interventionen dürften aber, da Seyß-Inquart mit seinen ausführlichen Briefen an Bürckel, Göring und Himmler, in welchen der ganze Komplex seines Verhältnisses zu Bürckel zur Sprache kam, erfolglos blieb, sowohl Mühlmann als auch Glaise-Horstenau unbekannt geblieben sein: vgl. die Brieftexte der Auseinandersetzungen J u n i - A u g u s t 1939 bei Rosar, 3 4 3 - 3 6 9 . ,2T)

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Chinalandes an Japan (natürlich Österreichs an Deutschland) behandelte. Ich habe sie gemeinsam mit Germaine Senni angesehen, es war wirklich zum Lachen und mitunter auch erstaunlich, was da alles vorgebracht werden konnte. Nun war in den allerersten Aufführungen auch von einem Tokioter „Reichsmarschall" im Zusammenhang mit der Beschwörungsformel „beim Bauche Buddhas" die Rede. Die Zensur strich diese Stelle und Bürckel war nun, in seinem Streit mit Mühlmann, nicht langweilig, sondern bezichtigte diesen bei Göring, die erwähnte Phrase zugelassen zu haben. Göring war fuchsteufelswild über Mühlmann, zieh ihn des Verrates und dergleichen mehr. Mühlmann gelang es aber nicht nur, schriftliche Zeugnisse beizubringen, die Bürckels Anklage widerlegten, sondern er erreichte mit Hilfe seines Gönners Todt auch eine Audienz beim Vielgestrengen, in der er sich völlig reinzuwaschen vermochte. Nebenbei bemerkt, fielen in diesem Gespräch auf Seite Görings auch ziemlich harte Urteile über Seyß. Mühlmann kehrte nach Salzburg mit der stolzen Hoffnung zurück, ehestens wieder in seine alte Stellung eingesetzt zu werden und wunderte sich, daß sein Nachfolger und künftiger Vorgänger Plattner nach wie vor seine Ergebenheit gegenüber Bürckel so entschieden zur Schau trug. Nach den Auffassungen unmoderner vergangener Zeiten hätte die ganze Sache rund um den Feldmarschall ein Nachspiel haben müssen. Dieses blieb aber aus. Mühlmann wurde nicht mehr Kunstprotektor Österreichs. Er mußte sich nach der Besitznahme Polens damit begnügen, einen Sonderauftrag des Feldmarschalls bezüglich „Sicherung" der polnischen Kunstschätze entgegenzunehmen, und wanderte wenig begeistert nach Krakau. Bürckels Günstling Plattner blieb, wenigstens bis zur Zeit, in der diese Zeilen geschrieben werden, weiterhin Staatskommissar für Unterricht und Kunst. Das mürrische Gesicht Plattners repräsentierte sonach fürderhin österreichisches Kulturempfinden - soweit ein solches noch übrig geblieben war. Nach Salzburg zurückgekehrt sollte ich sehr bald einen Vorgeschmack der „Bewegtheit" erhalten, die diesen letzten Urlaub vor dem Ausbruch des neuen Krieges auszeichnen sollte. Am Donnerstag, den 27. mittags, wurde ich plötzlich zum Gauleiter gebeten. Schon im Vorzimmer teilte man mir mit, soeben habe Prinz Karl Anton Rohan aus Kapelln bei St. Pölten telephoniert, daß Minister a . D . Wolf dortselbst einem Autounfall erlegen sei. Der Gauleiter bitte mich, die Witwe, die in Salzburg zum Besuche bei ihren Eltern weilte, von dem Unglück zu verständigen. Ich bestellte zunächst den greisen Schwiegervater Wolfs, Hofrat Schweinbach, zu mir ins Café Korso. Er kehrte tief erschüttert in seine Wohnung in der Imbergstraße nach Hause. Wenige Minuten später traf, aufgeschlossen und frohgelaunt, die Tochter ein. Der alte Schweinbach machte ihr die erste Mitteilung. Kurz darauf kam ich. Es war ein sehr trauriger Augenblick - umso schwerer tragbar, als ich selbst ja auch aufs Schwerste getroffen war. Des anderen Tages hatten wir beim Rechtsanwalt Schweinbach, dem Bruder der Witwe Wolf, eine Besprechung, an der auch diese - schon in bewundernswerter Fassung - teilnahm. Noch am Vorabend war der Beschluß gefaßt worden, den armen Wolf auf dem Friedhof St. Peter beizusetzen. Er befand sich in den Stunden unserer Beratung bereits auf der Herfahrt. Im übrigen ging Frau Wolf gerne auf

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den Vorschlag ein, die Beisetzung ähnlich der meiner Mutter zu arrangieren. Ich rief den Erzabt von St. Peter 128 ) an, der sich gerne bereit erklärte, am Tage des Begräbnisses vor dem Sarge des Freundes eine Trauermesse zu lesen und dann die Einsegnung vorzunehmen. An allem sollte nur der engste Freundeskreis teilnehmen. Es sollte aber doch anders kommen. Noch am Donnerstag hatte ich Lammers den Tod Wolfs depeschiert. Als sich in den folgenden 24 Stunden nichts rührte, setzte ich mich hin und sandte ein zweites Telegramm ab: „ A n den Führer und Reichskanzler in Berchtesgaden. Mein Führer! Minister a.D. Wilhelm Wolf ist gestern auf einer Dienstfahrt tödlich verunglückt. Er war der letzte österreichische Außenminister und hat das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reiche mitunterzeichnet. Heil meinem Führer! Minister Glaise." Dieses zweite Telegramm blieb nicht ohne Folgen. Als ich mich am 29. mittags anschickte, wieder nach München - diesmal anläßlich des Kampfes um das Braune Band der Reiterei - zu fahren, wurde ich von zwei Herren der Gauleitung und gleich darauf von Wintersteiger, dem Stellvertreter des abwesenden Gauleiters, in der Residenz aufgesucht: Eben sei von Berchtesgaden der Befehl gekommen, dem toten Wolf ein Staatsbegräbnis zu bereiten. Natürlich großes Entsetzen unter den unerfahrenen Gaugewaltigen. Da ich aber bereits eine leichte Ahnung gehabt hatte, war mir der Rat nicht schwer: Zuerst Seelenmesse in St. Peter, dann Uberführung des Sarges in einem Leichenfourgon in die Residenz, Staatsakt im herrlichen Karabinierisaal, nachher (wieder im engsten Freundeskreis) Beisetzung in St. Peter. Damit konnte allen Forderungen nationalsozialistischen Zeremoniells entsprochen werden, vor allem auch der einer peinlich genauen Trennung zwischen weltlicher und kirchlicher Feier. In dem besprochenen Sinne fanden die Beisetzungsfeierlichkeiten am Montag, den 31. Juli, statt. Der arme Wolf wurde in aller Frühe aus der herrlichen Margarethenkapelle, in der man ihn, den Kunstsinnigen, aufgebahrt hatte, in die Kirche übertragen. Dort wurden um 9 Uhr vormittags, wie bei meiner Mutter, um den Sarg drei Seelenmessen gehalten, auf dem Hochaltar vom Erzabt, auf den Seitenaltären vom Dompfarrer und einem Pater. Ich trug die Generaluniform, Wimmer saß neben mir im Zivil in der Kirchenbank. Der einstige CVer mied ängstlich, bei der Wandlung das Kreuzzeichen zu machen. Nach der Seelenmesse wurde der gute Wolf in den Leichenfourgon gebracht und in die Residenz überführt, um dort nach nationalsozialistischer Art aufgebahrt zu werden. Während ich mit Wimmer im Café Glockenspiel saß, kam Bürckel mit 128

) Jacobus Reimer (Mauerkirchen bei Linz, 8 . 8 . 1 8 7 7 bis 7 . 1 0 . 1 9 5 8 , O b e r w a n g bei Mondsee), 2 1 . 7 . 1 9 0 1 eingetreten in Stift Seitenstetten, 2 5 . 7 . 1 9 2 9 A b t - K o a d j u t o r v. Stift L a m b a c h , 2 1 . 1 2 . 1 9 3 1 bestellt z u m Erzabt v. St. Peter in Salzburg, 1942-1945 nach Verstaatlichung des Stiftes in O b e r w a n g , zieht sich 19.8.1956 nach O b e r w a n g z u r ü c k . Verfasser des Passionsspiels v. Thiersee.

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Flugzeug aus der Pfalz, um (um 10.30 Uhr) am Sarge Wolfs einen Kranz niederzulegen. Nach einigen Minuten begab er sich auf den Flugplatz zurück, um nach Wien weiterzufahren. Er war in der Zeit so gedrängt, weil er mit dem zur Beisetzung angesagten Seyß nicht zusammentreffen wollte. U m 11 Uhr begann die offizielle Feier, an der eine nicht allzu große aber ausgewählte Trauergemeinde teilnahm. Neben Seyß hatten sich die Gauleiter Rainer und Jury, ein Vertreter des Außenamtes, Wächter und andere mehr eingefunden. Ich hielt die Traueransprache - nicht ohne immer wieder Gefahr zu laufen, daß mich die Rührung übermannte. Ich glaube, dem braven Wolf gerecht geworden zu sein und auch Dinge gesagt zu haben, die andere Trauerredner nicht gesagt hätten, aber an diesem Sarge gesagt werden mußten. Ich fand mancherlei Beifall, der sich vor allem in den Tränen der anwesenden Frauen ausdrückte. Nachher fanden Kranzniederlegungen statt. Seyß legte ein Blumengebinde des Führers nieder. Ich habe es, abgesehen vom Persönlichen, als politisch wertvoll begrüßt, daß einer der „Unsrigen" so geehrt wurde - allerdings erst im Tode. In den letzten anderthalb Jahren ließ man den wertvollen Menschen spazieren gehen und beschoß ihn auch in regelmäßigen Abständen immer wieder von hinten. Beim Abmarsch von der Trauerfeier, die durch musikalische Darbietungen unter der Leitung Hoogstratens 1 2 9 ) umrahmt war, führte Seyß die Witwe an der Spitze der Trauergäste die schöne Marmorstiege hinab. War bisher die Feier durchaus würdig verlaufen, so kam jetzt leider ein tragikomisches Intermezzo, das zumal den Gauleiter sehr ärgerte. Wir hatten vorgesehen, daß ein neben einer Ehreneskorte ausgerückter Musikzug der SA in diesem das Lied vom guten Kameraden erklingen ließ. Der Musikzug war aber nicht zusammenzubringen gewesen. So empfingen uns denn am Fuße der Treppe vier in verschlissenen Jackets gehüllte Geiger (Seyß machte den guten Witz, von den Bremer Musikanten zu sprechen) und fiedelten den guten Kameraden herab. Vor der Residenz harrte wieder der schwarze Fourgon. Ich ließ mir die Gelegenheit nicht entgehen, Seyß zu fragen, ob er zur kirchlichen Beisetzung mitkommen werde. Er schüttelte das Haupt und wies auf seine schwarze Uniform hin. Ich meinte, als General brauchte ich solche Rücksichten wohl nicht zu üben. Nun kam der ergreifendste Augenblick. In strahlender Mittagssonne langte der Wagen mit Wolfs Uberresten vor der herrlichen romanischen Pforte von St. Peter an. Während der feierliche Ton der Glocken in den blauen Himmel und gegen den Mönchsberg getragen wurde, trat der Erzabt von St. Peter mit reicher Assistenz aus der Kirche heraus. Die kleine Gemeinde, in ihrer Mitte Borodajkewicz in der braunen Uniform, schloß sich dem Zuge an. Hinter mit reihte sich der gütige Weihbischof Filzer 1 3 0 ) an - ich bat ihn selbstverständlich, an meine Rechte zu treten. Wolf

, 2 9 ) Willem van Hoogstraten ( U t r e c h t , 1 8 . 3 . 1 8 8 4 bis 1 1 . 9 . 1 9 6 5 , Tutzing), Geiger, Kapellmeister, leitete ab 1939 u . a . das Orchester des Salzburger „ M o z a r t e u m s " . 1 3 °) Johannes B . Filzer (Kitzbühel, 1 . 1 . 1 8 7 4 bis 1 3 . 7 . 1 9 6 2 , Salzburg), 1 9 . 7 . 1 8 9 6 Priesterweihe, 5 . 1 0 . 1 9 2 4 installiert zum Domkapitulare, 1 8 . 2 . 1 9 2 7 geweiht zum Titularbischof v. Baraco, 8 . 1 . 1 9 3 9 D o m p r o b s t , Generalvikar der Erzdiözese Salzburg.

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wurde zunächst in der „Kommunegruft" beigesetzt, da die von uns gewählte endgültige Ruhestätte erst hergerichtet werden mußte. Erst am 31. Oktober 1939, schon als Krieg war, erfolgte seine Uberführung und ich will die daran sich für mich knüpfende Erinnerung, würdig für eine Geschichte von Zacharias Werner oder E. Th. Hofmann, gleich hier anschließen. Ich verlebte diese Kriegsallerheiligen (soll man sagen „ersten"?) in Salzburg, um das Grab meiner Mutter zu schmücken. Als ich am 31. um 5 Uhr abends in meine Wohnung in der Residenz zurückkehrte, traf ich im Hofe, in Tränen aufgelöst, die Witwe Wolf. Man habe heute früh die Exhumierung ohne ihre Anwesenheit vorgenommen, und als sie später den Sarg in der Gruft ansah, habe sie sein durch einen frischen Kranz verdecktes Fußende arg deformiert angetroffen. Der Sarg sähe auch ganz anders aus (er hatte in der provisorischen Gruft die Oxydierung verloren) und die Aluminiumtafel mit dem Namen, die angeheftet war (Aluminium oxydiert nicht), sei so frisch und glänzend, daß es ihr, der Witwe, in Hinkunft nicht möglich sein werde, vor dem Grabe zu beten, ohne den ernsten Zweifel an der Identität der Leiche zu hegen. Ich riet der Frau, einen ihrer Brüder nachsehen zu lassen. Sie bat mich. Und als ich zögernd Ja sagte, meinte sie, die Besichtigung müsse noch abends erfolgen, da sonst dem Kloster St. Peter Schwierigkeiten erwachsen könnten; der Pater Stiftskämmerer sei bereits für 18 Uhr bereitgestellt. Eine schöne Bescherung! Um 18.30 Uhr machten sich bei stockfinsterer Nacht im Schein elektrischer Taschenlampen (Salzburg war verdunkelt) der Pater, zwei Totengräber und ich auf den Weg. Das schöne Friedhofstor von St. Peter knarrte gespenstig in den Angeln, als wir es hinter uns wieder zusperrten. Wir gingen um die Kirche zur Gruft. Die vordere Betonplatte war herausgebrochen, der äußere Sargdeckel befand sich bereits in der Reparatur. Wir leuchteten mit der Lampe in die nur einen halben Meter tiefe Gruft und erblickten durch zwei Sprünge des zerbrochenen Glasfensters zwei schmale bleiche Streifen von Wolfs Gesicht. Süßlicher Leichengeruch drang auf uns ein. In der ersten Ergriffenheit begnügten wir uns mit diesem flüchtigen Augenschein und begaben uns in die gleichfalls im Friedhof eingebaute Reparaturwerkstätte, wo wir - auch keine angenehme Angelegenheit - den Sargdeckel einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Es war kein Zweifel: der Sarg war der von Wolf. Dennoch kamen dem Pater und mir Gewissensskrupd, ob wir vor die Frau Wolf hintreten und sagen durften, wir hätten uns von der Identität überzeugt. Schließlich entschied ich: „Gehen wir zurück, schlagen wir das Glasfenster des Innensarges ein und leuchten wir dem Armen ins Gesicht; wer A gesagt hat, muß auch B sagen." (Ohne Anwesenheit des Paters hätte ich mich wahrscheinlich mit dem ersten Besuch begnügt, so aber schämte ich mich.) Ein zweitesmal machte sich die geheimnisvolle Prozession auf den Weg ins Dunkel. Die Hammerschläge auf das dicke Glas widerhallten im Friedhof und klingen mir noch im O h r nach. Nach getaner Arbeit leuchteten wir in Wolfs Antlitz. Es war noch nicht zersetzt, aber aufgedunsen und zu einer Fratze mit offenem Mund verzerrt. Ich hätte den Freund lieber nicht so gesehen! Aber mein Gewissen war beruhigt, ich konnte 5 Minuten später die Witwe anrufen, daß alles richtig bestellt sei. Dann nahm ich vom Stifskämmerer Abschied. Wann immer ich in St. Peter

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bin, kann ich mich der Romantik nicht entziehen, die das benediktinische Klosterleben in sich schließt. . . . Der Tod Wolfs war eine überaus tragische Angelegenheit. Bürckel hatte Wolf telephonisch in die Pfalz entboten, um mit ihm einiges über den von dem kleinen Ehrgeizling in Aussicht genommenen „Gautag des Südostens" zu besprechen, der im Oktober (!) in Wien abgehalten werden sollte. Wolf wurde an seinem Todestage um 5 Uhr früh von einem Auto der Wiener Gauleitung abgeholt, das ihn zu einem auf dem Flugplatz von Aspern für 7 Uhr bereitgestellten Flugzeug bringen sollte. Abends gedachte Wolf wieder in Albrechtsberg zu landen. Das Auto raste die Straße dahin Und überschlug sich vor Kapelln aus unerfindlichen Gründen zweioder dreimal, wobei Wolf und der Fahrer schon gleich zu Anfang durch das Dach hinausgeschleudert wurden und in einem Kleefeld tot liegen blieben. Ein wahrhaft sinnloses Sterben, das natürlich auch zu mancherlei Gerüchten Anlaß gab 1 3 1 ). Bei diesen mußte ich mich an einen Ausspruch Wolfs erinnern, als er im Sommer 1938 von seinen mit Erzbischof Waitz gemeinsam unternommenen fruchtlos gebliebenen Versöhnungsversuchen vom Vatikan zurückkam. Wolf hatte damals eine längere Unterredung mit Kardinal Pacelli, dem jetzigen Papst, und es bedurfte bei der Geradlinigkeit des Vorarlbergers nicht erst der Mahnung des Erzbischofs: „Sagen Sie ihm nur, wie die Dinge wirklich sind!" Die einstündige Rücksprache schien zuerst nicht ergebnislos verlaufen zu sein und auch eine Depesche, die Waitz dem nach Salzburg zurückgekehrten Wolf nachsandte, klang hoffnungsvoll. Der greise Papst aber wollte nicht anbeißen. Wolf meinte am Schlüsse dieser Episode: „Eigentlich bin ich nicht böse, aus dieser Affäre draußen zu sein; denn wer in der Sache erfolgreich wäre, wäre des Lebens nicht mehr sicher" 132 ).

1 3 1 ) Frdl. Mitteilung von Herrn Univ.-Prof. Dr. Theodor Veiter, Feldkirch, 18.2.1978: Dr. Veiter war mit Dr. Wolf seit seiner Tätigkeit als Vorsitzender der Katholisch-deutschen Hochschülerschaft an der Universität Wien, seit etwa 1929, näher bekannt. Er war ab 1.3.1938 (rückwirkend) als Beamter des Bundespressedienstes (vorher Mitarbeiter der Amtlichen Nachrichtenstelle bzw. Pressekonsulent des Unterrichtsministeriums) und ab 12.3.1938 3 Tage lang Wolfs Pressechef. Er war dann, nach Gestapohaft, in engerem Kontakt mit Wolf. „Wolf war im Sommer 1938 auf der Insel Lopud, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. . . . Als er zurückkehrte, sagte er zu mir: ,Für uns Katholiken kann es keine Verbindung zum Nationalsozialismus geben; Glaise-Horstenau allerdings glaubt dies immer noch.' . . . Meiner Uberzeugung nach wurde der Tod Wolfs durch den SD organisiert, da nachweislich am Vorderrad des Autos, das Wolf zu einem für einen Flug zu Bürckel bestimmten Flugzeug bringen sollte, die Schrauben gelockert waren, sodaß sich das Rad löste." 1 3 2 ) Zu den Verhandlungen in Rom vgl. E. Weinzierl-Fischer, Österreichs Katholiken und der Nationalsozialismus, in: Wort und Wahrheit, XVIII. Jg. (1963), 4 1 7 - 4 3 9 u. 4 9 3 - 5 2 6 , hier S. 514: „Mitte Juni fuhr Erzbischof Waitz selbst nach Rom. Dort traf er Wolf, den zu empfangen Waitz den Kardinalstaatssekretär bat. Pacelli war dazu nur ungern bereit und verhielt sich zunächst äußerst ablehnend. Rom habe auf sein Ansuchen, die österreichische Konkordatsfrage zu regeln, von Berlin überhaupt keine Antwort bekommen: ,Wie können wir mit einer Regierung verhandeln, die uns in einer so wichtigen Angelegenheit auf einen offiziellen Brief nicht einmal eine Antwort gibt?' Wolf hielt daraufhin alles für verloren und reiste ab. Erzbischof Waitz verhandelte jedoch weiter und erreichte schließlich die Zustimmung des Kardinalstaatssekretärs zur Führung von Verhandlungen, für die zuletzt sogar Pacelli selbst ein Rahmenkonzept ausarbeitete. Dieser Entwurf wurde von dem Katholiken Wolf für wertvoll und akzeptabel gehalten, von Bürckel jedoch entschieden abgelehnt. Trotzdem wurde aber mit Wissen

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Zur Witwe meinte ich einige Tage nach dem Tode Wilhelms, im Hinblick auf den bevorstehenden Krieg, dessen Ausdehnung auf den Westen mir von Anbeginn klar war: „Ich fürchte sehr, daß der liebe Gott dem guten Wilhelm sehr wohl gewollt hat." Privaten Tratsch sollen diese Zeilen im allgemeinen nicht enthalten. Dieses möchte ich aber doch verzeichnen: Als wir mit den beiden Wolfs die Fahrt nach Pack unternahmen, war Beate immer neidisch, wenn der Gatte die Frau mit dem Worte: „Schatzi!" bedachte. Auch ich hatte den Eindruck eines durchaus harmonischen Familienlebens. Erst nach dem Tode Wolfs erfuhr ich von Borodajkewicz, Guido Schmidt und so weiter, daß es gerade in den letzten Jahren keineswegs ohne sehr schwere Stürme abgegangen war. Dieser knorrige Kerl hatte sehr viel für die holde Weiblichkeit über. Im Jahre 1937 war es zu besonders schweren Irrungen gekommen, einmal wegen einer Schülerin der Sommerkurse in Gmunden (bei denen ich auch einen Vortrag gehalten hatte), einmal wegen einer Berlinerin. Guido Schmidt reiste der ehelichen Gattin Wolfs nach Baden bei Wien nach, um sie wieder in die nicht sehr aufnahmsbereiten Arme des Gatten zurückzuführen und dadurch in elfter Stunde eine Scheidung zu verhindern. . . . Am Sonntag weilte ich einige Stunden in München, um in Riem dem Preisreiten beizuwohnen. Ich nahm bei Stengels den schwarzen Kaffee und brachte sie dann im Auto auf den Rennplatz. Mir war ein Sitz in der Regierungsloge zugewiesen. Dort traf ich die Ehepaare Lammers und Meißner - ersteres samt Tochter - sowie den Gauleiter Adolph Wagner. Mit Lammers hatte ich ein ernstes Gespräch. Von den drei Punkten, deren ich mich besinne, betraf einer meine unglückselige Archivsache. Lammers meinte, die Angelegenheit werde unausgesetzt im Innenministerium verschlampt und hinausgezogen; mir war die Sache schon zum Speien. Interessanter waren die politischen Teile des Gespräches. Uber den Konflikt Bürckel-Seyß sprechend meinte Lammers: „Aber die österreichische Frage ist doch wenigstens gelöst." Ich antwortete: „Gelöst ist sie schon, aber ein Trümmerhaufen ist übrig geblieben." Der Reichsminister war etwas verduzt, kam aber sogleich auf die Frage der kleinen Gaue zurück, deren Schaffung er selbst für einen sich wohl bald korrigierenden Fehler betrachtete. Zum polnischen Problem meinte Lammers, bei mir auf ein recht skeptisches Gesicht stoßend: „Der Führer wird wie immer den Nervenkrieg bis zur Zermürbung des Gegners fortführen und dann doch zu einer friedlichen Lösung kommen."

R o m s den ganzen Sommer über ein von den österreichischen Bischöfen mit Partei und Staat abzuschließendes A b k o m m e n verhandelt . . . " Nach verschiedenen schwerwiegenden gegen die Kirche gerichteten M a ß n a h m e n , vor allem gegen Schulen und Seminarien, beschlossen die Bischöfe die Verhandlungen abzubrechen und zu den Besprechungen am 8. September nicht m e h r zu erscheinen. Es gab dann bis 1945 keine Verhandlungen mehr. Vgl. auch: K. Scholder, österreichisches K o n k o r d a t und nationalsozialistische Kirchenpolitik 1938/39, in: Zeitschrift f ü r evangelisches Kirchenrecht, 20. B d . , 3. H e f t ( O k t o b e r 1975), 2 3 0 - 2 4 3 . Weitere Einzelheiten bei M. Liebmann, Kardinal Innitzer u n d der Anschluß. Kirche und Nationalsozialismus in Österreich 1938 ( = Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte u n d Kirchlichen Zeitgeschichte, Bd. 1), G r a z 1982, 145f.

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In der Loge, in der auch zwei kommandierende Generäle mit ihren - wie immer in solchen Fällen - ziemlich reizlosen Gattinnen saßen (einer der beiden trat ich meinen Platz in der vorderen Reihe ab), ging es ganz heiter her. Schließlich wurde auch Kaffee serviert. Als sich der Kellner mit der Rechnung heranschlich und ich die Begleichung übernahm, meinte Lammers: „ D a s werden wir aber aufteilen." Ich sagte ziemlich laut: „ N e i n , diesmal will einmal ein armer liquidierender Minister aus Österreich das Reichskabinett aushalten." Lammers und ich verabredeten für Anfang August ein Wiedersehen in Berchtesgaden. Als flüchtiges Absteigequartier zum Händewaschen und Umziehen hatte ich diesmal nicht die Vier Jahreszeiten, sondern den Bayerischen H o f auf dem EppPlatz gewählt. Erinnerungen an meinen Staatsbesuch im November 1936 und an die rotweißrote Fahne, die man damals mir zu Ehren aufgezogen hatte, stiegen in mir auf. Ich wurde übrigens auch diesmal vom Hotelier „mit Auszeichnung" behandelt. Er weigerte sich, eine Zimmermiete anzunehmen. An einem herrlichen besinnungsreichen Abend fuhr ich, die Trauerrede für Wolf überlegend, nach Salzburg zurück. Diese Fahrten auf der Reichsautobahn, immer näher ans Gebirge heranführend, waren stets ein Erlebnis. . . . Die nun folgenden Wochen gehörten weitgehend der großen Politik. Salzburg wurde zum Vorhof von Berchtesgaden, über dessen Türmen auf dem Berghof der Allgewaltige seine neuen Pläne wälzte. Ein Abglanz fiel immer auch auf die liebe Heimatstadt. Der österreichische H o f war unablässig das Hauptquartier bedeutsamer und bedeutsamster Gäste. Eine halbe Autostunde östlich von Salzburg, im Schloß Fuschl am gleichnamigen, so wundervoll smaragdgrünen See, hatte Ribbentrop seine Sommerresidenz bezogen. Der Besitzer des Schlosses, Herr von Remiz 1 3 3 ), bis zum Umbrüche Obmann der Landesgruppe Salzburg des Reichsbundes der Österreicher, saß in Dachau, wo er wenige Wochen später das Zeitliche segnen sollte. Die Frau, der ungarischen Thyssen-Familie entstammend, wohnte in München. Die Besitzverhältnisse des Schlosses waren sicherlich noch ungeklärt. Ribbentrops und ihre Gäste aßen auf den Tellern des im Konzentrationslager festgehaltenen Besitzers. Sie ließen sich das Essen aber dennoch gut schmecken. Mit der Tochter Ribbentrop, ihrer Mutter in beispielloser Häßlichkeit gleichend, traf ich zufällig in der SA-Reitschule in der Gegend des einstigen Militärfriedhofes zusammen. Sie hatte dort zwei wundervolle Reitpferde eingestellt. Wir kamen jedoch nie dazu, miteinander zu reiten. Neben dem intimeren Fuschl standen als Repräsentationsschlösser noch Kiesheim und Leopoldskron zur Verfügung. In Kleßheim veranstaltete Goebbels auch diesmal wieder zu Beginn der Festspiele einen großen Empfang. Josef hatte die D e -

1 3 3 ) Gustav V. Remiz (Pardubitz, 6 . 1 2 . 1 8 8 8 bis 2 9 . 8 . 1 9 3 9 , getötet im K Z Dachau), 5 . 1 2 . 1 9 1 4 als E F . zu D R . 3, ab 1 . 9 . 1 9 1 5 im Feld, 1 . 8 . 1 9 1 6 Lt. i . d . Res., ab 2 3 . 1 . 1 9 1 7 - nach Verwundung - Dienst in der Politischen Gruppe des Evidenzbüros des A O K . , ab 2 3 . 4 . 1 9 1 7 im Kriegspressequartier, nach dem Weltkrieg politische Betätigung im Rahmen der legitimistischen Bewegung, zuletzt als Obmann des Reichsbundes der Österreicher im Land Salzburg. Vermählt mit Hedwig Freiin v. Neufforge, gesch. Freifrau v. Berg (Frankfurt/Main, 1 9 . 8 . 1 9 0 0 bis 2 3 . 3 . 1 9 6 2 , Salzburg).

Fest Josef Goebbels' in Kiesheim

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vise ausgegeben, das Fest müsse R M 100000,- kosten. Das Arrangement übernahm einer seiner Trabanten, der den Österreichern zeigen sollte, wie man solch ein Fest zu „schmeißen" habe. Auch an diesem Tag kam Goebbels noch einmal auf die Dürftigkeit der Empfangsfeierlichkeiten zurück, die voriges Jahr in Wien ihm zu Ehren zu Beginn der Festwochen veranstaltet worden waren. So etwas dürfe kein zweitesmal vorkommen. Kiesheim mit seinem wunderbaren Rasenparterre bot in der Tat einen prachtvollen Rahmen und da man mit Geld nicht zu sparen brauchte, ließ die Veranstaltung wirklich nichts zu wünschen übrig - außer jenem bescheidensten Maß von Behaglichkeit, das man von einem solchen Fest verlangen müßte, aber in der Atmosphäre Goebbels nie aufkommen kann. Ich betätigte mich übrigens gleich zu Beginn als enfant terrible. Wir hatten mit Reitters und anderen Bekannten bereits einen Tisch bestellt, als der Adjutant Goebbels auf mich zutrat und mir sagte: „Der Herr Reichsminister läßt Sie an seinen Tisch bitten." Mir entwich die etwas zu deutliche Frage: „ M u ß das sein?" Sicherlich ist dem Minister später diese Äußerung gemeldet worden. Aber mir macht es nichts, da ich mich für einige Sottisen Goebbels aus dem vorjährigen Fest revanchierte. Das Gespräch bei Tisch war außerordentlich mühsam. Josef, der Eroberer von Berlin, ließ sich - unter Entschuldigungen mir gegenüber - wieder sehr scharf über Wien und sein Mischvolk aus. Ich hörte schweigend zu, in meiner Miene allerdings deutlich Widerspruch verratend. Des anderen Abends beklagte ich mich im Festspielhaus gegenüber der Frau Goebbels über die wienfeindliche Haltung ihres Mannes. Sie sagte, er meine das gar nicht so, und äußerte sich ihrerseits in größtem Entzücken über die Donaustadt. Sie ist überhaupt eine ausnehmend liebenswürdige und auch anziehende Frau, bei der man sich nur wundert, wie sie diesen Mann heiraten konnte. Allerdings hat schon mehrfach der Führer in höchsteigener Person eingreifen müssen, um das stark havarierte Eheband wieder einigermaßen zu flikken. Frau Goebbels bewohnt in der Nähe von Berlin ein Schloß, von dem aus sie unter anderem in der Nacht weite Gallopaden auf schönen Pferden unternimmt. Bei ihrem Salzburger Aufenthalt wohnte sie bei Vötterl in Großgmain; sie fand den Aufenthalt dortselbst sehr angenehm. Dieses Urteil trifft in. bezug auf die Lage sicherlich zu. Die Räume machten mir, als ich im August 1938 im Hotel übernachtete, einen recht primitiven, um nicht zu sagen verwahrlosten Eindruck. Mit Goebbels konnte ich auch bei der Aufführung im Festspielhaus nicht warm werden; ich glaube, wir sind uns beide gegenseitig sehr unsympathisch. Ich kanns ertragen. Kiesheim ist noch nicht bewohnbar. Dagegen enthält Leopoldskron samt Verwaltungshaus zahlreiche appartementartige Räume. Es verdankt dies der Prinzessin Steffi Hohenlohe, geb. Richter, beziehungsweise ihrem Freund und Bewunderer Wiedemann, dem verflossenen Führeradjutanten. Ob das Land Salzburg die R M 50000,-, die ihm die Reichskanzlei in diesem Zusammenhang schuldete, schon zurückerhalten hat, weiß ich nicht. Ich selbst kokettierte mehrfach mit dem Gedanken, mich in einem der Appartements des Verwaltungsgebäudes einzumieten,

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blieb aber schließlich - schon der Frau Steiner zuliebe, die sehr gekränkt gewesen wäre, aber auch wegen der Entfernung Leopoldskrons von der Stadt - der Residenz treu. Neben dem Empfang Goebbels in Kiesheim war für Mitte August noch ein solcher Fricks in Leopoldskron und für Ende des Monates ein Festabend Seyß-Inquarts in der Residenz vorgesehen. In der Systemzeit hat man sich stets mit einem Empfangsabend begnügt. Von dem sehr gelungenen Abend Fricks wird noch die Rede sein. Seyß hatte Pech, er mußte sein Fest wegen des beginnenden Polenfeldzuges absagen. In diesen ersten Augusttagen kam ich übrigens in Mattsee und Salzburg ein paarmal mit Seyß und seiner Gattin wieder in persönliche Berührung. Einmal wurden wir sogar - vor der Auslage des Photographen Ellinger - zusammen photographiert. Mit seiner gemachten, aber doch immer wieder Eindruck hervorrufenden Liebenswürdigkeit, die er fallweise zur Geltung bringt und durch welche er sich bei allen sonstigen Ähnlichkeiten von Schuschnigg weitgehend unterscheidet, meinte er vor seiner Abreise nach Mähren, die wiedergewonnene Beziehung dürfe nun nicht mehr aufhören. Seither habe ich Seyß, obgleich wir oft gleichzeitig in Berlin und in Wien waren und er selbst den Ballhausplatz zu verschiedenen Malen während meiner Anwesenheit besucht hatte, nur mehr bei der zweiten Reichstagssitzung (6. Oktober) noch einmal gesehen. Er kam auf mich zu und lud mich, noch von dem Glanz eines Gouvernements Krakau umgeben, für die folgenden Wochen zum Besuche Westgaliziens ein. Ich dankte kühl. . . . In Mattsee war auch das Ehepaar Rainer mit. Der junge fast knabenhafte Notariatsaspirant von einst hatte sich zu einem großmächtigen Gaufürsten ausgewachsen. Damals in Mattsee erörterte er mit Seyß die Notwendigkeit, für den Gauleiter von Salzburg ein eigenes Gästehaus zu bauen, wie es Himmler und andere in ihren Sommerresidenzen besitzen. Da winkte selbst Seyß ab (wobei er allerdings ohnehin nichts mitzureden hatte). Rainers „Bauvorhaben" in Salzburg ist gigantisch. Als ihn Reitter einmal im Vorübergehen auf die Schönheiten der Domfassade aufmerksam machte, meinte Rainer: ,,Wir werden noch ungleich Gewaltigeres schaffen!" In seinem ersten „Bauvorhaben" nahm er in Aussicht, das Andräviertel niederreißen zu lassen, darunter auch die rote Andräkirche, die ja wirklich kein Wunderwerk der Baukunst ist, und an Stelle dieser Bauten aus den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts Gauburgen und dergleichen hinzusetzen. Mein Motto war stets: Außerhalb der Paris-Lodronschen Befestigung möge man sich ausleben. Daher fand ich auch diesen Vorschlag nicht übel. Der Führer soll jedoch dagegen gewesen sein - nicht zuletzt deshalb, weil er sich der moralischen Pflicht, an Stelle der niedergerissenen Kirche eine neue bauen zu müssen, gerne entzogen habe. Solcherart rückten der Mönchs- und der Kapuzinerberg in den Vordergrund der Betrachtung. Der Mönchsberg soll - nördlich vom Elektrischen Aufzug, gegen Mülln hin - ein großes Generalkommandogebäude auf seine Schultern nehmen; sozusagen als Pendant zur Festung. Auf dem Kapuzinerberg, der längst wieder seinen alten Namen Imberg annehmen mußte, hätte das liebliche Kapuzinerklösterlein zu verschwinden und sollen eine Gauhalle ä la Akropolis, eine Gauburg, ein Gauleiter-

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haus, eine Napolaschule, ein H J - H e i m und ein Höhenbad, ähnlich dem Wiesbadener, entstehen, alles natürlich erreichbar durch eine Autostraße. Ich sah bei den Architekten Reitter 1 3 4 ) und . . . (ersterer der Bruder des Landesstatthalters) das M o dell, in welchem der Führer selbst seine Gedanken eingezeichnet hatte. Er soll dabei gemeint haben, die Akropolis auf dem Imberg sei berufen, gegenüber der klerikalen Düsterkeit der Altstadt die Heiterkeit nationalsozialistischer Kunstgesinnung aufzuzeigen. Nun ist der Führer, wie ich glaube, wirklich kein besonderer Freund des Barocks. Trotzdem meine ich, daß ihm jenes Wort von jemand anderem in den Mund gelegt worden ist. Denn mehr Heiterkeit als die Kirchenbauten Salzburgs aus dem 17. und 18. Jahrhundert und die Barockisierungen, die in diesem Zeitalter vorgenommen worden sind, aufweisen, läßt sich kaum denken. Der Klassizismus der modernen deutschen Bauweise ist unvergleichlich ernster. Auch sonst betrübt mich - bei aller Erinnerung an Wolf Dietrichs tiefen Eingriff in das Salzburger Stadtbild - der Gedanke, daß einmal die lieblichen Silhouetten der beiden Stadtberge derart verändert sein könnten! In der Abendstunde salzachabwärts von Aigen kommend, den Waldrücken des Kapuzinerberges mit dem Schattenriß des kleinen Klosters vor sich sehen und die dünne Stimme des Glöckleins zum Ave läuten hören - das war immer ein altsalzburgisches Erlebnis, das ich schwer vermisse. Tatsächlich ist das Kloster von den Kapuzinern bereits geräumt und der H J zur Verfügung gestellt worden, wobei man schwer sanitätswidrige Zustände angetroffen haben soll. Das Kloster heißt jetzt wieder, wie bis in die Tage Wolf Dietrichs, Trompeterschlößl. Im übrigen traf ich in den ersten Wochen des neuen Krieges einmal den Gauleiter Rainer und begrüßte ihn mit den Worten: „ W i e bin ich doch froh, daß der Krieg ausgebrochen ist - wenigstens bleibt der Kapuzinerberg erhalt e n ! " Worauf der lächelnd meinte, dies sei ein Irrtum, die Salzburger Akropolis werde dennoch erbaut werden. Man wird sehen. Ich glaube, daß ich es nicht mehr erleben werde. Immerhin brachte Rainer das Geld auf, mitten im Kriege im Ostwinkel der Residenz einen Aufzug einbauen zu lassen. Mit der idyllischen Ruhe in den Gastzimmern war es lange Zeit dahin. Mit mir selbst ist Rainer immer sehr gnädig. Wie Kaiser Franz Josef dem greisen Radetzky stellte auch er mir für die Pensionszeit stets einen freien Aufenthalt in der Salzburger Residenz zur Verfügung. Rainer ist ein ganz feiner junger Mann, der nicht zu Unrecht einen Studentenschmiß im Gesicht trägt. Obgleich ,,alter Kämpfer" brachte er doch die typischen Merkmale des deutschnationalen Freisinns der österreichischen Provinzstädte in sein Amt mit, was sich vor allem in seinem Verhalten zur Kirche erweist. Er ist ihr schärfster Gegner (wo sind die Schwüre gegen jeglichen Kulturkampf von einst?), wobei er außerordentlich geschickt vorgeht. Die Franziskaner wurden (wegen homosexueller Ausschreitungen) aus ihrem Kloster verjagt. Bald darauf fiel der Gar1 3 4 ) O t t o Reitter (Salzburg, 2 0 . 1 0 . 1 8 9 6 bis um 1956, Salzburg). Sein einziges bedeutsameres W e r k in Salzburg nach 1938 blieb der U m b a u von Kiesheim 1940/1941 (vor allem wurde der Ehrenhof neu angelegt).

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ten neben dem Festspielhaus den Neuerern zum Opfer. Dem alten Salzburger bleibt das Bild der zwischen den Blumenbeeten wandernden und das Brevier betenden Franziskaner unvergeßlich, das sich ihnen bei einem Blick vom Mönchsberg bot: stehen gebliebene Jahrhunderte. In das Franziskaner-Kloster zog die Gestapo ein, der neue St. Peter-Flügel, der den Garten gegen den Mönchsberg hin begrenzte, wirkt durch die Tore der neuen Autogaragen nicht angenehm. Der also gewonnene Parkplatz erwies sich für die Festspielzeit sicherlich als vorteilhaft. Doch ist die ganze Gegend architektonisch unruhig geworden, von dem gelben Zahnstocher, der beim Festspielhaus herausragt, nicht erst zu reden. Die glückliche Lösung, die Rehrl dem Platze durch das Niederreißen des Grenadierstöckels und das Freilegen des Chors der Kollegienkirche gegeben hat, ist erheblich verschlechtert worden. Dem Kampfe Rainers um das Franziskaner-Kloster folgte ein scheinbar wesentlich schwerer: der Erzbischof sollte aus seinem Palais hinausgedrängt werden. Zuerst kamen die Domherrn dran, das Domherrnhaus auf dem Mozartplatz wurde der Reichsbauernschaft übergeben, die Canonici in einem Stockei auf dem Kapitelplatz untergebracht. Dann entdeckte man, daß das erzbischöfliche Palais aus der Zeit der Säkularisation Staatseigentum sei. Zunächst wurde dem Erzbischof selbst noch eine Wohnung von drei Zimmern samt Zubehör überlassen, indes alle sonstigen Räume von der SS-Obergruppe Alpenland mit Beschlag belegt wurden. Uber den Zinnen des Bischofspalastes wurden das Hakenkreuzbanner und die schwarze Fahne mit den weißen Siegrunen gehißt. Ich meinte zu dem feinen liebenswürdigen Oberführer v. Schröder, sein Obergruppenführer habe sich einen ganz fürnehmen Hauskaplan, den Primas von Deutschland, zugelegt. Waitz wehrte sich wie ein Löwe, auch an den Führer gingen Briefe ab; ein Prozeß stand in Aussicht, aber Albert Reitter bewährte sich als Kronjurist. Einige Wochen verharrte der Erzbischof noch unter dem Schutze der SS nominell in seinem Hause. Dann zog er zu seinen früheren Gegnern, den Benediktinern von St. Peter, ab, wo ihm der bescheidene Erzabt Jakobus Reimer seine Repräsentationsräume überließ. Als ich nach dem Hochamt zu Weihnachten 1939 im Dom dem Auszug des Erzbischofs beiwohnte, sah ich diesen plötzlich unter dem St. Peter zuliegenden Turme verschwinden. Er meidet die Straße und pflegt sich über die Arkaden in seine Gemächer zu St. Peter zu begeben. Der gütige Weihbischof Filzer hat sich in die Dompfarre zurückgezogen. Als ich während des Arrangements des Wolfbegräbnisses mit dem Kämmerer von St. Peter und dem Pater Benedikt im Klostergarten spazieren ging, kam ich auch auf den Kulturkampf zu sprechen. Ich sagte zu den beiden Herren, daß ich es als für die Kirche durchaus bekömmlich halte, wenn sie nun wieder um die Seelen der Gläubigen ringen muß. „Die Kirche in Österreich ist seit langem im Faulbett gelegen. Zuerst haben die Habsburger, dann die Christlichsozialen ihr alle Sorgen abgenommen. Nun ist es an ihr, wieder einmal zu zeigen, was sie kann." Trotzdem erfüllt es mich mit einer Wehmut, nunmehr zuzusehen, wie sich der Primas von Deutschland aus seinem Dome wegschleichen muß - während früher der Ein- und der Auszug so feierlich vor sich gingen. Für den derzeitigen Erzbischof gilt allerdings ein wenig das Wort von dem zu Fall kommenden Hochmut. Rehrl hat seinerzeit die Wahl durchgesetzt in der Hoffnung, dadurch die Aufstellung der im

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Konkordat vorgesehenen Innsbrucker Diözese zu vereiteln. Als Waitz von seiner Diözese Besitz ergriff, tat er es mit den stolzen Worten, Salzburg habe nun endlich einmal wieder einen Fürsten erhalten. Besonders imposant sieht dieser Fürst (von Wolf gerne „Eierbischof" genannt wegen der breiten Aussprache der Worte „Euer Bischof") aber doch nicht aus. Ob Rehrl diesen Ausspruch gehört hat, weiß ich nicht; er hätte in Waitz jedenfalls einen Konkurrenten erblicken müssen. Denn als vor Jahren an Rehrl das Gerücht herangetragen wurde, der Papst wolle ihm das Komturkreuz des Gregorordens verleihen, da weigerte sich Rehrl, diese niedrige Klasse anzunehmen, da er Nachfolger souveräner Fürsten sei; prompt erhielt er das Großkreuz, mit dem in den letzten Jahren nur ein Mann von dem Format Hussareks ausgezeichnet worden war. . . . Etwa um den 10. hieß es gegen Abend: der Führer kommt nach Salzburg, um die Festspiele zu besuchen. Ich ging als offizieller Begleiter von Hilde Reitter, deren Mann krank darniederlag, in die Loge neben der Führerloge. Da kam einer der Adjutanten und lud mich ein, in diese zu kommen. Zwischen mir und Hitler saß an der Brüstung, im Range bereits hoch über mich hinausgerückt, Friedl Rainer. Ich hatte schwarzen Smoking, der Führer samt seiner Begleitung trugen weißen, wobei auf Rainers Gewandung sehr viel Gold glänzte. Auf das, was gegeben wurde, vermag ich mich bei bestem Willen nicht mehr zu erinnern. In der Pause fand ich Gelegenheit, einige Damen, darunter auch Hilde Reitter, dem Führer vorzustellen. Sie glänzten alle vor Glück. Dann kam es zu einer Unterhaltung mit Hitler, die zu erheblichem Teile ich bestritt. Wir sprachen zuerst über den Umbau des Festspielhausinneren. Uber dieser Unternehmung, die einst der rührige Rehrl ins Leben gerufen hatte, lastete ein seltener Unstern. Sie wurde unausgesetzt umgebaut, sodaß die Summen, die sie allmählich verschlang, zu einem allen Anforderungen der Bühnenkunst entsprechenden Neubau hingereicht hätten. Der vorletzte Umbau bedeutete nicht weniger und nicht mehr, als daß - unter Clemens Holzmeisters Leitung - die Bühne um 180 Grad verlegt und entsprechend vergrößert wurde. Auch dieser Gedanke stammte von Rehrl, er war in gewisser Hinsicht das Ei des Columbus. [. . .] Im Innern blieb Rehrl auch nach dem letzten Umbau dem Stil offen zutage liegender Holzkonstruktionen treu. Nunmehr wurde im Dritten Reich ein modernes Barockmilieu daraus. Im Gespräch mit dem Führer konnte ich dieser Wandlung meine Zustimmung nicht versagen. Als das Haus eingerichtet wurde, beherrschten der „Jedermann" und andere Mirakel das Programm, während die Barockoper und so weiter nebenher liefen und meistens im Stadttheater gespielt wurden. Für einen Fidelio oder eine Zauberflöte war der Barockrahmen aber unvergleichlich besser als der mittelalterlich anmutende Bau. Hitler hörte solchen Auffassungen zustimmend zu. Dann brachte ich die Rede auf die Politik. Hitler spöttelte ein wenig über die Aufregung, die es in der Welt immer verursachte, wenn er sich auf dem Berg aufhielt; man mute ihm denn immer finstere Pläne zu. Irgendwie bekam ich doch die Gelegenheit, eine Bemerkung hinzuwerfen: „Sie werden jetzt natürlich viele Sorgen

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haben." Hitler sah mich, ohne einen Widerspruch zu äußern, ernst an. Schließlich glitt, wohl im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch des ungarischen Außenministers Grafen Csäky das Gespräch auf Ungarn über; es war, wie immer bei ähnlichen Gelegenheiten, beiderseits sehr kritisch geführt. Noch am Abend kehrte Hitler auf der schönen Autostraße nach Berchtesgaden zurück. Es war das letzte Beisammensein mit Hitler bis zum 14. April 1941 in Mönichkirchen . . . Ich bin jetzt von meinem Thema weit abgekommen, aber - wie ich schon einmal vermerkte - erheben diese flüchtigen Notizen keinerlei Anspruch auf literarische Wohlgeschliffenheit. Ich werfe hin, was mir gerade einfällt. . . . Ich fuhr am 14. früh nach Wien, zog mich in der Wohnung als General um und traf knapp vor 16 Uhr in Wr. Neustadt ein, wo mich - als einzigen auswärtigen Ehrengast - Oberst Rommel, der spätere Generaloberst, empfing. Rommel hatte als württembergischer Oberleutnant bei Longarone im Herbst 1917 den Pour le mérite erhalten 1 3 5 ). Die Feier vollzog sich in sehr einfachen, fast möchte ich sagen poesielosen Formen. Zuerst hielt Rommel in einem der Säle in der Gegend der früheren großen Reitschule einen Vortrag über seine Erlebnisse bei Longarone. Ein kurzes „Gesetzel" über Offizierspflichten, das er am Schlüsse vorlas, vereitelte meinen Plan, den durchwegs aus dem Altreich stammenden Fähnrichen einiges über Neustädter Tradition zu sagen. Nachher fand Paradeaufstellung auf dem Theresienplatz statt und ich schritt gemeinsam mit dem Kriegsschulkommandeur die Front ab, wobei ich mich bei meiner geringen Kenntnis des reichsdeutschen militärischen Zeremoniells nicht ganz wohl fühlte. Dann kam, gleichfalls vor mir, Rommel und dem Kreisleiter, der Vorbeimarsch. Nicht ganz ohne Befriedigung dachte ich daran, wie Schuschnigg am 14. Dezember 1937 mein „dominierendes" Auftreten in Neustadt durch seine jesuitischen Winkelzüge vereitelt hatte. Dennoch erfüllte mich das Ganze in Erinnerung an den wunderbaren Glanz meiner Ausmusterung und der anderen Ausmusterungen aus der kaiserlichen Zeit mit tiefer Wehmut. Ich nahm mir vor, kein zweitesmal mehr an der Feier teilzunehmen - trotz aller Liebenswürdigkeit, die der Kriegsschulkommandeur entfaltete. Nach der Feier führte mich Rommel durch den Akademiepark, um mir die verschiedenen, in Arbeit befindlichen Neubauten zu zeigen. Ich meinte zu Rommel: „ E s ist doch gut, daß der Akademiepark so groß ist, da fallen selbst Bauten für zehn Millionen Mark (wie sie bewilligt waren) unters M a ß . " Außer der eigentlichen Burg war alles niedergerissen und neues Leben sollte aus den Ruinen blühen. Sogar der liebliche Akademiefriedhof mußte es sich gefallen lassen, daß man rundherum Offizierswohnhäuser anlegte. Hinter dem Knollteich erhob sich die Parterrevilla des Kriegsschulkommandeurs; die Wohnung in der Burg sei doch ein wenig unmodern geworden. 135

) R o m m e l erhielt den „ P o u r - l e - m e r i t e - O r d e n " für seine Leistung bei der Erstürmung des M o n t e

Matajur am 2 6 . 1 0 . 1 9 1 7 als Führer der Abteilung R o m m e l des Württembergischen

Gebirgsbataillons

(12. Isonzoschlacht). Vgl. H . v. Lichem, R o m m e l 1917. D e r „ W ü s t e n f u c h s " als Gebirgssoldat, M ü n chen 1975, 123 ff.

Ausmusterung in Wiener Neustadt

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Während ich mein Entzücken über das neue Kommandeurhaus äußerte, kam der Adjutant, um seinem Chef etwas ins Ohr zu flüstern. Rommel war über die Meldung nicht restlos begeistert; warum, weiß ich nicht. Die frisch ausgemusterten „Neustädter", alle aus dem Altreich stammend, hatten sichs nach dem „Wegtreten" doch nicht nehmen lassen, zum Theresiendenkmal zu gehen und dort, nach hundertjähriger Neustädter Tradition, die Säbel mit dem Schwur „Treu bis in den T o d " zu kreuzen. Ich freute mich herzlich. Auf Befehl des Führers durfte kein Fahnenjunker in eine Kriegsschule seines Heimatbereiches eingeteilt werden. Wie ja der Führer, selbst seit fast 30 Jahren heimatlos, überhaupt für die stärkste Mischung der Soldaten nach Stammeszugehörigkeit ist. Bei den Österreichern hat man mit diesem Grundsatz keine guten Erfahrungen gemacht. Berühmte Nazis sind aus den „Umschulungslagern" von Hannover und Oldenburg als Partikularisten zurückgekommen. Die allzu radikale Unifizierung und Vermengung erzeugt das Gegenteil des Gewünschten. Selbst die leidige Magenfrage spielt hiebei eine Rolle. Es ruft im Herzen des Wieners nur Erbitterung hervor, wenn er die ihm so wenig zusagenden Erzeugnisse eines preußischen Kompagniekochs verschlingen muß. Und nicht anders erging es manchem Reichsdeutschen bei uns. Schließlich nahm ich im Kreise der Familie Rommels in der alten Kommandantenwohnung ein Glas Wein ein. Ich erinnerte mich in den Gängen wie immer der unvergeßlichen Stunde, da mich Drathschmidt weggen meiner Schriftstellerei zum Rapport kommen und auf 48 Stunden einnähen ließ, wobei er mich anfuhr: „Wenn Sie schon ein so berühmter Schriftsteller sind, dann müssen sie auch wissen, was Schiller in Wallenstein sagt: Wers nicht edel und nobel treibt . . . " Ich antwortete wie ein Ministrant bei der Messe: „Lieber weit vom Handwerk bleibt." Dabei wunderte mich, als ich mit Rommel durch die Räume schritt, eines: Außer einzelnen Führerbildnissen sahen von den Wänden noch immer ausschließlich altösterreichische, magyarische und kroatische Generäle herab. Ich war dessen froh, beklagte es aber im Innern doch, daß hier gar kein Versuch gemacht worden war, irgendetwas wie eine großdeutsche Tradition neben der altösterreichischen zur Geltung zu bringen. So mußte auch diese altösterreichische für die reichsdeutschen Beschauer tot bleiben. Wir redeten in der Familie Rommel manches vom bevorstehenden Krieg und zwar als von einer schon recht naheliegenden Angelegenheit. Rommel war schon beim Einmarsch in Prag Kommandeur des Führerhauptquartiers gewesen. Er sollte es 3 Wochen später wieder sein. Den 15. August verbrachte ich in Wien - zu welchem Zwecke erinnere ich mich nicht mehr. Zu Mittag fuhr ich nach Salzburg zurück und abends, auf Drängen Hofbauers, in strömendem Regen auf die Zistelalpe, wo ich das Abendbrot einnahm. Beate hatte trotz des schlechten Wetters Gesellschaft bei sich. Inzwischen hatte ich bei Lammers abermals meine Pensionierungsangelegenheit zu betreiben begonnen. Beate hatte mir schon im Frühjahr, nach dem ersten Anbote Schichts, sehr zugeredet, den Schritt zu tun und sie hatte recht damit. Leider folgte ich ihrem Rate nicht, aus Gründen, über die ich mir selbst keine 100%ige

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Rechenschaft abzulegen vermag. Das A u t o spielte gewiß eine große Rolle; nach den Propositionen Schichts wäre es mir fürs erste kaum möglich gewesen, eins zu halten. Allerdings wäre dem ersten Aufsichtsrat- und Vizepräsidentenposten bald ein zweiter und dritter gefolgt. Etwas schmeichelten mir auch die Kundgebungen, die mir von allen Seiten wegen des in Aussicht gestellten Archivpostens zukamen. Schließlich mag Beate mich durchschaut haben, wenn sie meinte, ich hinge doch ein wenig an den Äußerlichkeiten meiner - übrigens schon recht wurmstichigen - Stellung. N u n m e h r hatte ich Lammers schon vor etlichen Tagen einen Brief nach Berchtesgaden geschrieben, in welchem ich um einen Empfang bat 1 3 6 ). Dieser Empfang fand am 16. um 18 U h r abends statt. Z u m zweitenmale sah ich das herrschaftliche Gebäude der Reichskanzlei mit ihren behaglichen Räumen und ihrer noch hübscheren Privatwohnung wieder! Lammers nahm meine Mitteilung, ich wolle nun endlich gehen, mit Fassung entgegen. Er erklärte sich bereit, ehestens (ich drängte wegen Schicht, was sich später leider als nicht nötig erwies) mein Abschiedsdekret vom Führer zu erwirken und das D a t u m freizulassen. Interessanterweise bemerkte er, die Archivsache hinge beim Innenministerium. Ich meinte, ich könnte nicht mehr warten. Nach mir wurde Neubacher empfangen, während ich in einem netten Büro wartete. Der Empfang Neubachers hing mit der Verwaltungsakademie in Wien zusammen. Lammers meinte, mit Mannlicher ginge es nicht weiter; er suche einen neuen Präsidenten. Ich riet Jäckl. Der Krieg hat den Wechsel vereitelt. Mannlicher ist eine eigenartige Gestalt. Ich wunderte mich über seine geringe Beliebtheit, habe aber seither diese doch verstehen gelernt. Er ist aufgeblasen, im Verkehr äußerst kühl, sehr egozentrisch eingestellt. Persönlich kann ich mich wohl bis zum heutigen Tage nicht beklagen, er findet immer wieder den Weg zu mir. Aber wenn er irgendwo Begrüßungsansprachen hält, vermeidet er es immer mit äußerster Fürsorge, auch meiner Anwesenheit zu gedenken. Ich kanns erdulden. . . . Abends war bei Lammers ein gutes Wildessen. Außer Neubacher, der sich wie immer in seinem eigenen Glänze sonnte, war das Ehepaar Meißner zur Stelle, dazu der Erziehungsminister Rust, der gleichfalls in Berchtesgaden zur Sommerfrische weilte. Es wurde mächtig getrunken. Diese altreichsdeutschen Gurgeln vertragen wirklich viel, dazu in bunter Abwechslung Weine, Biere, Schnäpse, daß einem nur so die Augen herausstehen. Die Gespräche brachten nicht viel Interessantes zutage.

136 ) Vgl. BA. sign. R. 43 II, nr. 1357 b. Glaise hatte in Schreiben vom 5. 8. u. 6 . 8 . 1 9 3 9 an Lammers b z w . dessen persönlichen Referenten u m eine Aussprache gebeten: er k ö n n e „ m i t bestem Willen nicht Landesminister eines nicht m e h r bestehenden Staates und o h n e liquidierende Behörde bleiben". Laut handschriftlicher N o t i z Lammers vom 1 7 . 8 . 1 9 3 9 über die Besprechung wolle Glaise „Abschiedsgesuch einreichen". Eine U r k u n d e w ü r d e von Ministerialdirigent Kritzinger vorbereitet u n d „ m o r g e n " eingehen. Das Konzept der U r k u n d e w u r d e von diesem auch mit 17.8. abgezeichnet: „ I m N a m e n des D e u t schen Volkes verabschiede ich den Minister D r . h. c. E d m u n d Glaise-Horstenau aus seinem A m t . Ich spreche ihm f ü r seine dem Deutschen Volke geleisteten treuen Dienste meinen D a n k a u s . " Diese U r k u n d e w u r d e jedoch nicht ausgefertigt, o h n e daß der G r u n d d a f ü r aus den Akten oder den Aufzeichnungen Glaises hervorginge. Vgl. unten S. 459, A n m . 36.

Die Reichsarchivspitze

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Der drohenden Kriegsgefahr wurde kaum mit ein paar Worten gedacht. Es war schon ein Uhr, als wir im Auto Neubachers (ich hatte Hofbauer rücksichtsvoll allein nach Hause gesandt) in stockdunkler Nacht nach Salzburg zurückfuhren. Am gleichen Nachmittag war, wie seit längerem vorgesehen, Frick mit Csäky von Kampenhausen her in Salzburg eingetroffen, um in Schloß Leopoldskron Quartier zu beziehen. Gleichzeitig kam aber auch Heß. Er wollte die Festspiele durch seinen Besuch auszeichnen, Kanapeefragen zwischen ihm und Frick vereitelten aber dieses Vorhaben. Aus irgendeinem mir unbekannten Grund erwies es sich als unmöglich, daß Heß, Frick und Csäky, der erstgenannte in Uniform, die zwei anderen in Zivil, gemeinsam in der Loge des Gauleiters Platz nahmen. So verließ Heß am späten Nachmittag nach einem Besuch der Galerie Welz wieder die Salzachstadt, indes sich das Ehepaar Frick, Csäky, Sztojay in der Loge Rainers (oder war es die Führerloge?) breitmachten. Ich meldete mich am anderen Tag früh bei Frick in Leopoldskron und wurde mit der ihm eigenen Liebenswürdigkeit empfangen. Ich teilte ihm meine Pensionsabsichten mit, auch er nahm sie mit Fassung zur Kenntnis. N u r war er etwas indigniert, daß das Innenministerium Schuld an der Verzögerung in der Archivsache habe. Er ließ sofort eine Depesche an den Ministerialdirektor Vollert los, der postwendend mitteilte, daß die Sache beim preußischen Ministerpräsidenten hänge. Vollert hatte im Juni ein Gespräch mit dem preußischen Staatssekretär Neumann, in welchem dieser mitteilte, der Generalfeldmarschall sei grundsätzlich für die Schaffung der berühmten Archivspitze, wobei er allerdings die Frage offen lasse, ob sie nicht direkt dem Führer zu unterstellen wäre. Die Entscheidung könne vom Generalfeldmarschall erst nach dem Parteitage eingeholt werden, da Neumann auf Urlaub gegangen sei. Ich verfehlte nicht, Lammers auf dieses Tempo des preußischen Amtsschimmels in einem Brief aufmerksam zu machen. Nach kurzer Unterredung mit Frick kamen Csäky und Sztojay und wir unternahmen bei herrlichem Wetter einen Rundgang durch den Park des Schlosses. Links neben dem schönen Parterre vor dem dem Teich zugewendeten Portal dehnen sich weite Rasenflächen, mit Buschwerk abgegrenzt und von Kieswegen durchzogen. Gegen Süden zu lag, etwas verwittert, die Freilichtbühne Reinhardts, dessen Spuren übrigens auch noch in der Bücherei durch eine Sammlung „entarteter" Literatur aufzudecken waren. Ich gab bei dem Rundgang manches von meiner historischen Weisheit zum besten, was von Frick . . . [Manuskript bricht ab]

VI. KRIEGSENTFESSELUNG 1939 [1943] Ich setze diese Aufzeichnungen nach mehr als 4 Jahren in Agram fort. Abgesehen von den unerhörten Wandlungen, die in dieser Zeit über die Welt und mein eigenes Schicksal hinweggegangen sind, habe ich auch keinerlei Anhaltspunkte für eine genauere und auch zeitlich richtige Wiedergabe der nun folgenden spannungsreichen, schwer überschatteten Wochen. Zudem liegt das Erleben schwer auf meiner Seele. . . . So neigte sich allmählich auch die letzte Woche dieses letzten friedlichen Sommers ihrem Ende zu. Dem herrlichen Wetter der früheren Wochen war vielfach Regen gefolgt. Eines Tages wurde ich antelephoniert: Papen war im österreichischen H o f eingetroffen. Er sei zum Führer gerufen, wir würden uns morgen sehen. Papen erlebte in Berchtesgaden die Nachricht von dem bevorstehenden Nichtangriffspakt mit Rußland 1 ). Als Hitler die Nachricht erhielt, da soll er sich, wie mir von verläßlicher Seite erzählt wurde, auf eine geschlossene Tür geworfen, ekstatisch darauf getrommelt und: „Sieg, Sieg, Sieg" gerufen haben. Papen fragte ich sofort: , , N a , und was haben die Russen verlangt?" Er sah mich erstaunt an und meinte irgendwie naiv: „ D o c h nichts!" Wir wissen heute, was sie forderten. Ich sagte nur: „ U n d D u glaubst, wegen unserer schönen A u g e n ? " Wir fuhren zusammen auf den Flugplatz Ainring, wo Ribbentrop nach Moskau abflog. Er war mehr als je Denkmal. Ich mußte ihm wohl oder übel zu seinem großen Erfolg gratulieren. Er nahm es gnädig zur Kenntnis. Dann bestieg er den eleganten Kondor und erhob sich, von einem Schwager begleitet, in die Lüfte. Nun war's auch mit der Salzburger Zeit vorüber. Ich kehrte nach Wien zurück, verbrachte aber dann die letzte Woche August in Berlin, da eine Reichstagssitzung angeordnet war. Ich wohnte wieder im Exzelsior und traf dort Germaine Senni, deren Gatte sich in einem nahe gelegenen Sanatorium hatte operieren lassen. Wir verlebten noch einige umschattete Stunden. Einmal fuhren wir auf den Anhalter Bahn*) R i b b e n t r o p befand sich während der letzten Phase der am 12. August einsetzenden in Moskau um den Abschluß eines Nichtangriffspaktes geführten Verhandlungen auf Schloß Fuschl in Salzburg. E r flog am 22. August von Salzburg nach Moskau ab, wo am 23. August nachmittags die letzten Verhandlungen zwischen R i b b e n t r o p , Schulenburg und Hilger einerseits, vornehmlich Stalin und M o l o t o w andererseits stattfanden. A m Abend war die Vertragsunterzeichnung. Vgl. Braubach, 3 0 f . ; Weinberg, 4 6 f f .

Das Hitler - Stalin-Abkommen

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hof und brachten 28 oder wie viel Koffer zur Aufgabe. Dabei nahmen wir A b schied. Schließlich wurde für den 27. der Reichstag einberufen, aber nicht in die KrollOper, sondern zu einer inoffiziellen Zusammenkunft in der Reichskanzlei 2 ). Als ich auf den spiegelglatten Fliesen der langen Halle dahinwankte, sah ich an den Wänden die schönen Gobelins der Wiener Sammlung wieder - nicht ohne Wehmut, wie ich leider gestehen muß. In einem der Säle umstanden wir eine kleine Rednertribüne, auf der der Führer sprach. Die Rede war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und sicherlich interessant. Leider habe ich mir keine Notizen gemacht. Eins ist mir aber haften geblieben: die Erklärung, die Hitler den neuen russischen Beziehungen gab. Wir hätten schon längere Zeit Anzeichen dafür, daß sich unter dem großen Stalin der bolschewistische Kurs nach der nationalistischen Seite hin entwickle. Im übrigen sei im Abkommen ausdrücklich festgelegt, daß gegenseitige innenpolitisch-weltanschauliche Einflußversuche nicht in Frage kämen, daß also dem bösen Bolschewismus Deutschland gegenüber die Zähne ausgebrochen seien. Und drittens verbände er, Adolf Hitler, sich selbst mit dem Teufel, wenn es das Wohl des deutschen Volkes wünschenswert erscheinen ließe. Neben mir stand der Postminister Ohnesorge und machte ein dummes Gesicht. Hitler war offenbar wegen des noch immer nicht ausbrechenden Krieges sehr ungeduldig. Endlich, am 30. und 31. August ließen die Radioverlautbarungen über die Zweiergespräche Henderson-Ribbentrop 3 ) - der letztere hat dabei wohl den Gipfel der Frevelhaftigkeit erstiegen - erkennen, daß sich Hitlers Sehnsucht erfüllen würde, und zwar in absehbarer Zeit selbst dann, wenn Polen die unerhört vielseitigen Bedingungen annahm; denn auch da hatten sich Reibungsflächen en masse geboten. Im übrigen waren auch die Polen in einen ganz unverständlichen Paroxismus geraten. Daß sie 8 Tage nach Kriegsausbruch in Berlin einziehen würden, war für jeden von ihnen eine Selbstverständlichkeit. Darüber ließ zum Beispiel am 28. 8. ein polnischer Kongreßteilnehmer in Berlin keinen Zweifel und auch mein Freund Gusti Denk traf auf einer Generalsreise an der ungarisch-polnischen Grenze einen Panje, der ganz ähnlich dachte. . . . Während ich dies schreibe, fällt mir ein, in welchen Zusammenhängen ich um den 25. nach Berlin fuhr oder flog. Für den 27. war, bewußt zur Täuschung des Gegners, eine große Tannenbergfeier geplant, zu der auch ich mich angesagt hatte. Schon reisten Zehntausende von alten Kriegern dahin (25jähriges Jubiläum), als sie plötzlich wieder abgesagt wurde. Gleichzeitig kam die Danziger Affäre, zu der zu bemerken ist, daß von den Danzigern die ernster zu nehmenden Einwohner gar nicht „heim ins Reich" wollten. Denn es ging ihnen als freie Stadt sehr gut. Seyß 2 ) Vgl. die amtliche Verlautbarung und die Notizen Halders, die sinngemäß mit den Ausführungen Glaises übereinstimmen, bei D o m a r u s , 2. B d . , 1 2 7 6 f . 3 ) Gemeint ist die Unterredung Ribbentrop-Henderson am 30. 8. 24 U h r , bei der Henderson die britische Antwortnote auf die deutsche N o t e vom 29. 8., eine Antwort auf die britischen Vorschläge bezüglich direkter deutsch-polnischer Verhandlungen, überreichte. Vgl. W . H o f e r , Die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/Main 1964, 3 3 8 f . , 3 6 0 f . ; R . A . Blasius, F ü r Großdeutschland - gegen den großen Krieg, Köln-Wien 1981, 117ff.

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war in diesen Tagen zu einem Vortrag dort - aber auch diesmal wurde sein Ehrgeiz, wieder eine historische Rolle zu spielen, ebenso wenig gestillt wie vor einem halben Jahr in der Slowakei. . . . •Am 1. September fand endlich die große Reichstagssitzung statt, während die ersten deutschen Truppen schon den polnischen Boden betreten hatten. Der Führer hatte endlich seinen Krieg. Die Rede, die er hielt, kann man in den Zeitungen nachlesen 4 ). Von den Nachfolgern für den Fall, daß ihm etwas „passierte", ist einer, Heß, seither ausgefallen. Ein besonders unangenehmes Gefühl in der Magengrube spürte ich, als Hitler beiläufig sagte: „Ich verbitte mir, daß mir irgendjemand über schlechte Stimmungen berichte!" Diese Worte zeichneten den Kurs der Stimmungsmache bis zu dem Augenblick, da ich, am 10. November 1943, diese Zeilen niederschreibe. Bardolff, der unter Hofbauers Führung mit meinem Auto aus Wien herangebracht worden war, und ich zogen zu dieser Sitzung die Generalsuniform an. Er war für Tannenberg zum General der Infanterie ernannt worden. Als wir durch das allgemeine Gedränge unseren Hotels zufuhren, sagte ich zu ihm: „Exzellenz, eigentlich sind wir gemeine Kerle!" Bardolff fragte nicht erst, warum. Ich setzte fort: „Wenn wir Verantwortungsmut gehabt hätten, hätten wir gegen den Krieg stimmen müssen; aber man hätte uns wohl zerrissen." Bardolff war hinsichtlich des verbrecherischen Unsinns, einen solchen Krieg anzufangen, ganz meiner Meinung. Im übrigen vergleiche man zu diesen Aufzeichnungen das, was ich an verschiedenen Stellen meiner Erinnerungen über die Generalsbesprechung vom 22. August 5 ), die Vorsprache Keitels und Thomas' vom 28., Göring in Salzburg 6 ) und Berchtesgaden und die Affäre Thyssen 7 ) niedergeschrieben habe. All dies gehört eigentlich hierher. Am 3. September früh fuhr ich mit Hofbauer - nicht ohne Orientierungsschwierigkeiten - aus Berlin weg, die Reichsautobahn nach München entlang. Es war ein prachtvoller sonniger Tag. Nicht ohne Trauer dachte ich daran, daß es wohl das letztemal sein würde, so zum Vergnügen diese Straße zu befahren. Ich habe es dann doch als Angehöriger des O K W noch sehr oft getan. Schon war ich als General verkleidet, um keine Benzinschwierigkeiten zu haben. Nach wie immer reizvoller 4

) Vgl. den Redetext bei Domarus, 2. Bd., 1312-1317. ) Vgl. den Inhalt der Rede Hitlers an die deutschen Befehlshaber - nach verschiedenen Quellen - bei Domarus, 2. Bd., 1233-1237, und seine Rede beim anschließenden Mittagessen bei Domarus, 2. Bd., 1237f. Uber die Quellenprobleme zu jener Rede s.: A. Hillgruber, Quellen und Quellenkritik zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, in: G. Niedhart (Hg.), Kriegsbeginn 1939. Entfesselung oder Ausbruch des Zweiten Weltkriegs?, Darmstadt 1976 (Wege der Forschung, Bd. CCCLXXIV), 369-395, hier 382, 385-388. 6 ) Der Abschnitt der Erinnerungen, der die Vorsprache Keitels und Thomas' am 28.8. näher behandelt, dürfte verlorengegangen sein. Diese Unterredung scheint ansonsten unbekannt geblieben zu sein. ^ Fritz Thyssen (Mülheim-Styrum, 9.11.1873 bis 8.2.1951, Buenos Aires), Generaldir. d. August-Thyssenhütte in Oberhausen, Vors. des Aufsichtsrates der Vereinigten Stahlwerke in Düsseldorf, Mitglied d. NSDAP, IX./1933 Preuß. Staatsrat, 12.11.1933 M . d . R . Thyssen floh am 2.9.1939 in die Schweiz, dann nach Frankreich, fiel der Gestapo in die Hände und wurde sodann in der Irrenabteilung des Sanatoriums Babelsberg, später in den KZ Oranienburg, Buchenwald und Dachau festgehalten. Dort 1945 befreit. s

Kriegsausbruch 1939

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Fahrt durch die fränkische Schweiz kamen wir in die Gegend von Bayreuth. Wir drehten herum, weil die Tankstelle, die wir brauchten, an der linken Bahn lag. Auch ein Lastauto stand dort, das einen Lautsprecher angebracht hatte. Es war ein U h r mittags. Plötzlich begann der Lautsprecher zu plärren und wir vernahmen plötzlich die Kriegserklärung Englands und Frankreichs an Deutschland und den Führerbefehl, der beiläufig mit den Worten schloß: „ I c h begebe mich an die Front zu meinen T r u p p e n ! " Als ich in unser Auto einstieg, sagte ich zu Hofbauer nur: „ D a s wird lange dauern." Wir hielten uns in München nicht auf. Schon bei leicht sinkendem Tag fuhr ich die Reichsautobahn nach Salzburg weiter. Der Gedanke an das, was nun alles kommen mochte, lastete mir schwer auf der Seele. In der Salzburger Residenz, wo ich wie immer abstieg, traf ich das Ehepaar Borodajkewicz, zwei trotz ihrer katholischen Vergangenheit 100%ige Nazis. Ich sagte zu ihm: „ H e r r Doktor, merken Sie sichs - dieser Krieg ist das größte Verbrechen an der Menschheit." Ich nahm das junge Paar des anderen Tages zur letzten Friedensfahrt nach Wien mit. Der September verlief in meinem dienstlichen und privaten Leben so aufregungslos, daß ich keinerlei Erinnerung daran habe. Auch Kramsall weiß sich an nichts besonderes zu erinnern. Nur dessen besinne ich mich, daß mich das Abseitsstehen von den Ereignissen irgendwie irritierte. Als voriges Jahr die Krise war, da wollte mich Generaloberst List zusammen mit Oberst Raus als Verbindungsoffizier zu den Ungarn'schicken. Raus, ich und Hofbauer waren schon bereit. Da brach kein Krieg aus. Nun hörte ich immer wieder, daß dieser und jener alte Kamerad dank seinen Verbindungen da und dort eingerückt sei. Ich schrieb wohl auch herum. Aber es half nichts. Die Archivsache hätte mir natürlich gar keine Freude mehr bereitet. Ich habe dem Polenfeldzug 4 bis 6 Wochen gegeben. Er war in dreien vorüber. An der Kürze hatte wohl auch das wunderbare Wetter seinen Anteil, das die weitgehende Ausnützung des Motors gestattete. Sehr gefreut habe ich mich, daß der erste Inhaber des E K II und später auch des Ritterkreuzes der Generalleutnant Lohr gewesen ist, Neustädter Jahrgang 1906, und daß auch der erste Subalternoffizier, der das Ritterkreuz bekam, der Leutnant Stolz 8 ), Sohn eines im Weltkrieg gefallenen k . u . k . Oberstleutnants 9 ), der Neustädter Akademie entstammte. Für den 6. Oktober wurde der Reichstag einberufen. Am selben Tage vormittags habe ich Himmler einen Besuch gemacht. Ich streckte Fühler aus - nicht zuletzt, weil ich wissen wollte, wie er sich zur Frage der Archivspitze verhalte. Himmler sagte mir damals, er habe schon im Frühjahr zugestimmt. Wir sprachen auch über andere Anstellungsmöglichkeiten. Er meinte, ob ich nicht auf einen Polizeipräsi8 ) Josef Rudolf Stolz (Wiener Neustadt, 19.5.1915 bis 2 4 . 6 . 1 9 4 1 , gefallen bei Trokiele), ab 1.9. 1935 Einjährig-Freiwilliger-A-Mann bei IR. 5, ab 3 0 . 9 . 1 9 3 6 Frequentant der Milak., Übernahme in die Dt. Wehrmacht, als Lt. 10./ IR. 51, 18.9.1939 Verleihung des Eisernen Kreuzes, 2 7 . 1 0 . 1 9 3 9 Verleihung des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes, 1 . 6 . 1 9 4 0 Oblt., zuletzt Chef 2.1 Kradschützenbtl. 38. ®) Josef Stolz (Lomnitz, Bez. Jicin, 2 7 . 5 . 1 8 7 6 bis 2 1 . 1 1 . 1 9 1 4 , gefallen im serbischen Feldzug), 18.9.1896 als KOffz.Stellv. aus IKSch. Prag zu IR. 73, 1.11.1911 Hptm.

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Kriegsentfesselung 1939

dentenposten aspirieren würde. Ich gab keine rechte Antwort, erkannte aber, daß der letzte österreichische Minister auf eine standesgemäße Verwendung in Zivil kaum mehr rechnen konnte. Während ich bei Himmler war, wurde ihm die Ankunft Globocniks gemeldet, der den Feldzug als gewöhnlicher Soldat der Waffen-SS mitgemacht hat. Himmler konnte sich über „Globus" nicht genug verzückt äußern. Er hat bei den Mordtaten um Lublin, wo er 2 Jahre als Polizeipräsident „wirkte", keine Nachhilfe gebraucht. Abends war die Reichstagssitzung. Hitler gab der großen ersten Enttäuschung, die er in diesem Kriege erlitt - nämlich der, daß die Engländer nicht auf sein Friedensanbot eingegangen waren - beredten Ausdruck 10 ). Dennoch ließ er sich kurz darauf bei einem Besuch des Westwalls Soldaten gegenüber hören, daß der Krieg zu Weihnachten aus sein werde. Für mich war es klar, daß eine Verwendung während des Krieges nur mehr bei der Wehrmacht in Frage kam, wo man auch einigermaßen „geborgen" war. Erfreulicherweise trug mir Generalmajor Reinecke, mein Bekannter von der italienischen Reise, an, die Kriegsgräberfürsorge als Inspekteur in die Hand zu nehmen. Es war keine sehr fürstliche Anstellung. Aber ich dachte mir: Wenn ich nur einmal drinnen bin! Und sollte mit diesem Gedanken, insofern es überhaupt gut war, sich mit der ganzen Angelegenheit zu verhaften, recht behalten. Schließlich hätte ich ebenso Major a.D. sein und als solcher einrücken können. Da alsbald die „Betreuung" der Österreicher dazu kam, hatte mein Posten vor allem die Annehmlichkeit, daß ich weit herumreisen konnte. Mein Reich dehnte sich zwischen Moskau und Bordeaux, wie sich in der Folge zeigen sollte. Aus einem Kaffeehaus auf dem Potsdamer Platz rief ich Frick an, um ihn, meinen zivilen Vorgesetzten, um die Erlaubnis zum Einrücken zu bitten. Er sagte: „Das kommt mir nicht gerade gelegen, denn ich hätte für Sie eine wichtige Aufgabe, die auch Ihren stets wieder erhobenen Forderungen entspricht. Ich möchte eine Kommission zur Uberprüfung der Beamtenmaßregelungen einsetzen, Sie sollen der Vorsitzer sein, Kaltenbrunner und noch andere sollen als Mitglieder fungieren." Ich erwiderte, daß General Reinecke mich für diese Aufgabe, wenn sie wirklich an mich herankäme, bestimmt frei machen würde. Ich persönlich wisse, wie dornenvoll sie wäre, würde mich aber aus Kameradschaftsgefühl ihr unterziehen. 2 Monate gingen vorüber. Erst knapp vor Weihnachten kam Frick bei einem Besuche, den ich ihm in seinem schönen neuen Büro Unter den Linden machte, auf die Sache zurück. Bürckel habe erklärt, die vorgeschlagene Kommission sei nicht nötig, es läge ohnehin alles in Butter. Natürlich war, wie ich neuerlich hervorhob, das Gegenteil richtig. Aber was ist schon ein Reichs- und preußischer Innenminister gegen einen Gauleiter und Reichskommissar. . . . Irgendwann war ich in diesen Tagen auch in Salzburg. Ich erinnere mich deshalb daran, weil Goebbels durch einige Tage Viktoria-Läuten wegen des Polenfeldzuges erklingen ließ und ich von meiner Wohnung in der Residenz wahrhaftig andächtig den prachtvollen Domglocken zuhörte. I0

) Vgl. den Text bei Domarus, 2. Bd., 1377-1393.

Dienstantritt als Kriegsgräberinspekteur

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Auch zu Allerheiligen war ich noch einmal in meiner Heimat. Ich schmückte zum zweitenmal das Grab meiner Mutter. Sie hatte es gut. Mein Abenteuer mit dem armen toten Wolf habe ich in diesen Blättern schon erzählt. Zum letztenmal als Zivilist hatte ich die geliebten Stätten meiner Jugend besucht. In Wien wartete meiner der Einrückungsbefehl. Vorher mußte ich noch zur Beisetzung Daränyis, des Präsidenten der Ungarisch-Deutschen Gesellschaft, nach Budapest. Am 9. N o vember früh meldete ich mich in Berlin bei General Reinecke 1 1 ). Der Lebenskreis hatte sich geschlossen. Ich war zu den Quellen meines beruflichen Lebens zurückgekehrt, nach allerlei Tätigkeit als Schriftsteller, Gelehrter, Professor, Politiker, Minister wieder Soldat geworden. Daß ich es dabei noch zum General der Infanterie bringen würde, hatte ich allerdings nicht geahnt, als ich mein bescheidenes Zimmerchen in der Bendlerstraße 4, Allgemeine Wehrmachtsabteilung, bezog. Auch dieser Ort hatte seine Beziehungen. Denn einige Häuser weiter befand sich ehedem die österreichische Gesandtschaft, in die ich ja mehr als einmal hätte einziehen sollen.

n ) Uber die Bemühungen Glaise-Horstenaus, im Sommer 1939 für den Ernstfall von der Wehrmacht herangezogen zu werden vgl. B G H 5019/39: Er schrieb am 12.7.1939 an Halder, verwies, daß er im September 1938 von Gen.Oberst List hätte herangezogen werden sollen, „nach diesem Provisorium . . . nun aber doch mit [seinen] Wünschen wieder in der Luft . . . hänge". Er bat um wohlwollende Berücksichtigung seines Falles, meinte aber, daß eine Frontverwendung angesichts des Umstandes, daß er vor 20 Jahren aus dem aktiven Militärdienst ausgeschieden sei, wohl nicht mehr in Frage komme, eine „längere Lehrzeit" ausgenommen. Er verwies jedoch auf seine Verwendung und seine Erfahrung im A O K . und meinte, er könne sich auf einem militärpolitischen oder militärdiplomatischen Posten bald einarbeiten, „wobei ich noch auf meine immerhin ziemlich gründlichen Kenntnisse über die Verhältnisse im Donauraum und im Südosten sowie meine dortigen persönlichen Beziehungen hinweisen möchte . . . " . Halder antwortete am 25. 7.1939, es würde ihm „eine besondere Freude sein . . . " ihn, Glaise, für geeignete Aufgaben „gegebenenfalls in Vorschlag zu bringen, ohne daß es mir die Gesamtlage im Augenblick erlaubt, eine besondere Aufgabe schon jetzt festzulegen oder näher zu umreissen." Glaise wandte sich dann am 10. 8.1939 mit einem im Wortlauf nicht vorhandenen Schreiben wegen der Wiederverwendung an General Erfurth, der es - laut Antwort vom 2 1 . 8 . 1 9 3 9 - weiterleitete. Glaise wurde von der Personalabteilung des O K H auf Halders Schreiben verwiesen (25.8.1939). Dann wandte sich Glaise mit nicht vorhandenem - Schreiben vom 12.9.1939 an Gen.Oberst List, der am 4 . 1 0 . 1 9 3 9 antwortete, er hätte „die Personalabteilung nochmals auf Ihre Person und Ihr Angebot aufmerksam machen lassen." Im übrigen berichtete er Glaise-Horstenau kurz über den Polenfeldzug.

VII. „MEINE VERBANNUNG IN LODZ" Heute schreiben wir den 12. November (1939). Ich muß daran denken, welche Erinnerungen sich für mich an diesen Tag knüpfen. Vor 21 Jahren wurde in Wien die „ R e p u b l i k " ausgerufen und Deutschösterreich zu einem „Bestandteil der Deutschen Republik" erklärt. Schalk und ich gingen gegen Abend auf den Ring und sahen über der tausendköpfigen Menge auf einem Fahnenmast vor dem Parlament eine Fahne, die ursprünglich rotweißrot gewesen war, aus deren Kern aber die Kommunisten unter Frey und Bettelheim 1 ) den weißen Streifen herausgerissen hatten. In den folgenden Jahren wurde der Tag als Gründungstag der österreichischen Republik gefeiert - in den letzten Jahren schon ganz seltsam durch Paraden der schon stark „reaktionär" gewordenen Wehrmacht, so daß die Sinnlosigkeit des Festes nur noch stärker unterstrichen wurde. Einmal kam es zu schweren Demonstrationen des Vorstadtpöbels gegen Truppenteile 1 ®); von da an unterblieben die Ausrückungen. 1933 wurde - ich glaube mich wenigstens dieser Jahreszahl zu besinnen - der Festtag völlig abgesagt, nachdem schon vorher die Christlichsozialen demonstrativ jedesmal zu Ehren des heiligen Leopold, dessen Namensfest 4 Tage später fiel, nach Klosterneuburg gewallfahrt hatten. Nun verbringe ich diesen Tag als ersten meines unbestimmt langen, hoffentlich nur kurz bemessenen Aufenthaltes in L o d z ! Die Nacht von vorgestern auf gestern hatte ich noch im Hotel Monopol zu Breslau gewohnt - das letztemal in europäischem Kulturmilieu! Wir fuhren um 8.30 U h r früh ab und kamen zunächst an Sy-

E r n ö Bettelheim (Sätoraljaüjhely, 3 0 . 5 . 1 8 8 9 bis 1 8 . 2 . 1 9 5 9 , Budapest), Rechtsanwalt, 1905 zur ungarischen Sozialdemokratischen Partei, XI/1918—11/1919 Vorsitzender des Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrates in Zemplen, 11/1919 in die Zentrale der Kommunistischen Partei in Budapest, V / 1 9 1 9 als Instruktor nach Wien, 1 9 1 9 - 1 9 2 7 in Österreich, Mitglied der K P Ö , 1 9 2 7 - 1 9 4 8 in der Sowjetunion, Mitarbeiter des K o m i n t e r n , 1948 zurück nach Ungarn (unter dem Namen Boljai); hohe Funktionen in staatlichen Kommissionen. >*) L t . K A . , Registratur des B M . f. H w . , 1. A b t . : 3 9 - 1 7 , ZI. 3 7 2 0 ex 1923 wurden zum „ G e d e n k tage der Ausrufung des Freistaates Deutschösterreich" Paraden in den Garnisonsorten befohlen. In Wien erfolgte die Defilierung am Parlament vorüber. Dabei wurden Soldaten, die ihre vor dem Feind erworbenen Ehrenzeichen getragen hatten, zum Teil durch Schmährufe und Pfiffe angegriffen. Laut K A . , Registratur des B M . f. H w . , 5 - 1 / 2 , ZI. 2 9 . 3 9 2 ex 1933 wurde am 3 . 1 1 . 1 9 3 3 die allgemeine Verfügung erlassen, die Feier der „Ausrufung des Freistaates D e u t s c h - Ö s t e r r e i c h " sei in diesem J a h r in allen Garnisonen in den Kasernen zu begehen. A m 8 . 1 1 . 1 9 3 3 wurde dieser Erlaß ohne Angabe von Gründen zur G ä n z e außer Wirksamkeit gesetzt.

Fahrt nach Lodz

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billenort und Oels vorüber. Nach Groß-Wartenberg überschritten wir die altreichsdeutsche Grenze. Auch ohne den stramm salutierenden Grenzposten hätten wir - und zwar an dem Zustand der Straße - den Ubertritt nach Polen wahrgenommen. Dabei waren diese Straßen im Vergleich zu den galizischen von anno 1914 noch wunderbar. Asphalt wechselte wohl mit holperigem Pflastergestein, aber das Dahinsegeln im Dreck blieb uns durchwegs erspart. Das Wetter war wohl nebelig, manchmal kam aber sogar die Sonne zum Vorschein. Die Straßenbezeichnung erfolgte schon ganz nach deutschem Muster schwarzgelb, man war über den Weg nie im Zweifel. Die Orte verrieten schon den neuen Kurs. W o es anging, waren die Namen verdeutscht. Auf den Judenhäusern prangten gelbe Schilder mit der Aufschrift , , J u d " . Die Geschäfte waren zum größten Teil schon deutsch bezeichnet (Bäckerei, Selcherei und so weiter). Anfangs sah man so gut wie nichts vom Krieg. Dann aber kamen - in wachsender Zahl - Ruinen niedergebrannter Häuser. In ganzen Ortsteilen ragten, den Krieg anklagend, einsame Schlote aus rauchgeschwärzten Trümmerhaufen empor. An Gräbern sahen wir die ganze Fahrt nur drei einsam in weiten Feldern - ein Beweis mehr, daß die Ruinen nicht Zeugen größerer Kämpfe darstellten, sondern Erinnerungsmale an den Franktireurkrieg. Hecken- oder Dachschütze zu sein, ist sicherlich keine leichte Sache; das Risiko ist noch größer als beim Feldsoldaten. Und ich stehe nicht an, zu hoffen, daß mein deutsches Vaterland, würde es - wovor uns Gott bewahre - einst von Feindesmacht überflutet werden, auch seine Franktireure finden! Aber ebenso ist es selbstverständlich, daß sich jede Truppe gegen diesen unheimlichen Gegner mit allen Mitteln wehrt, auch mit dem der schärfsten Repressalie. Und niemand wird ein Wort der Anklage erheben dürfen, wenn dabei auch mitunter übers Ziel geschossen wird. Krieg ist Krieg. Diese Selbstverständlichkeit hat Geltung, so lange die Kämpfe dauern. Sind diese vorüber, dann allerdings soll der Sieger mit Racheakten sparsam sein und das Kriegsrecht hat wieder an die Stelle der Kriegsnotwendigkeiten zu treten. . . . Soldatengräber gab es durch einige Fahrstunden noch nicht zu sehen. Erst bei Sieradz sah man da und dort ein einsames Kreuz über einem kleinen Hügel. Wiie mir später der Gräberoffizier des Generalkommandos Posen bestätigte, gab es längs dieser Anmarschlinie hier die ersten größeren Zusammenstöße. Im übrigen stießen wir auch in Sieradz auf zahlreiche Brandruinen. Wir machten eine kurze Frühstückspause und stürzten uns auf einen Wurstladen, wo wir uns ein nicht sehr poesievolles Erzeugnis polnischer Wurstfabrikation zu Gemüte führten. Dann ging es auf breiterer, zum Teil recht guter Straße nach Lodz weiter. Wir kamen in ein typisches Industriegebiet mit allen Unschönheiten eines solchen. Lodz war um 1800 noch ein Dorf mit 190 Einwohnern - inmitten einer Sumpf- und Waldlandschaft echt polnischer Kulturlosigkeit. Nun ist es eine Stadt von mehr als einer halben Million Einwohner: zu einem schwachen Drittel deutsch und je einem starken Drittel polnisch und jüdisch. Die kilometerlange, von trostlosen Zinshäusern und niedrigen Chaloupen eingesäumte Petrikauer Straße führte uns - nachdem wir mit unseren sechs Personenwagen wohlweislich aufgeschlossen waren - in die Mitte der Stadt. Vorerst hieß es, auf dem Koszcziuskoplatz befände sich die

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„Meine Verbannung in Lodz"

Heerestankstelle. Wir fuhren um den runden Platz herum und konnten gerade noch das Denkmal des Freiheitshelden Koszcziusko besichtigen, das eben - in sinniger Verknüpfung mit dem Nationalfeiertag der Polen - niedergelegt wurde. Es soll künstlerisch ziemlich wertlos gewesen sein. An allen Ecken und Enden verkündeten Plakate des Gauleiters und Reichsstatthalters Greiser 2 ), daß auf Befehl des Führers der Stadt Lodz ,,das unermeßliche Glück und die große E h r e " der Vereinigung mit dem Reichsgau Wartheland widerfahren sei 3 ). Auch sonst zeichnete sich dieses charakteristische Zeitdokument durch die stolze Sprache aus, die den neuen Diadochen eigen ist und sich nur noch mit dem Proklamationen napoleonischer Marschälle vergleichen läßt. Besonderen Schutz und besondere Fürsorge verhieß Greiser „seinen" deutschen Volksgenossen, womit er gleichzeitig einen Trennungsstrich gegenüber den anderen Einwohnern, den Polen und selbstverständlich den Juden, zog. In der Tat hatte auch sonst die Germanisierung von Lodz im äußeren Stadtbild schon gewaltige Fortschritte gemacht. Polnische Aufschriften fanden sich in den Hauptstraßen nur mehr in der Minderzahl; sie waren überklebt, herausgemeißelt oder sonstwie beseitigt. Das Volksdeutsche Element hatte offenkundig die Oberhand gewonnen und mit Militär, SS und N S K K (am seltensten sah man SA) enge Freundschaft geschlossen. Es ist schon der 14. November, daß ich diese Zeilen schreibe. Und am gestrigen Abend sprach ich mit meinen Studienräten über die Frage der Umsiedlung. Da erklärte der regsamste und wohl auch jüngste von ihnen: „Diese Aufgabe müßte sehr interessant sein. Allerdings gehört entsprechende Härte dazu; gegenüber den Polen brächte ich diese Härte auf." Der Mann stammte aus Bromberg und schilderte, wie im Jahre 1920 seine in guter Stellung lebenden Eltern binnen 24 Stunden von Stadt und Arbeitsplatz ausgewiesen worden seien und welches Schicksal ihrer geharrt hatte, bis sie - nach einigen Jahren - in Deutschland neuerlich ein gesichertes Dasein gewonnen hätten. Er sprach - ein durchaus sympathischer Mensch - mit verbissenem Groll und gedachte in der Folge auch der vielen alten Bekannte, die vor wenigen Wochen, zu Kriegsbeginn, in Bromberg von bestialischen Mördern getötet worden sind. Selbstverständlich kam auch der Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholizismus zum Vorschein. Krasse Beispiele nationaler Unduldsamkeit, die katholische Geistliche gegeben hatten, wurden angeführt. Alles in allem fühlte sich in diesem Augenblick mein duldsames „ ö s t e r r e i c h e r t u m " weitgehend besiegt und das still im Herzen verborgene Ergebnis, das ich zog, war letztlich das, wie doch

2 ) Arthur Greiser (Schroda, Kreis Posen, 2 2 . 1 . 1 8 9 7 bis 1 4 . 7 . 1 9 4 6 , hingerichtet in Posen/Poznan), Kampfflieger im 1. Weltkrieg, 1924 Mitbegründer des „ S t a h l h e l m " in Danzig, 1929 zur N S D A P , X I . / 1 9 3 0 bis X . / 1 9 3 9 stellv. Gauleiter in Danzig, 2 0 . 6 . 1 9 3 3 Senats-Vizepräs. u. Innensenator von D a n zig, 28. 1 1 . 1 9 3 4 bis 1 . 9 . 1 9 3 9 Präs. d. Senats, I X . / 1 9 3 9 C h e f der Zivilverwaltung beim Militärbefehlshaber in Posen, 2 1 . 1 0 . 1 9 3 9 Gauleiter u. Reichsstatthalter des Reichsgaues Wartheland, 1943 S S - O b e r gruppenführer. 3 ) G e m ä ß Erlaß Hitlers vom 6. 1 0 . 1 9 3 9 wurde der Reichsgau Wartheland gebildet. Er umfaßte den größten Teil der ehemaligen Provinz Posen und Teile der ehemaligen polnischen Woiwodschaften L o d z und Warschau, insgesamt 43 905 k m 2 . Hauptstadt war Posen.

Hitlers „Mein Kampf"

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überhaupt dieses Menschengeschlecht mit all seinen nur mühsam zurückgehaltenen tierischen Instinkten verdiene, einer allgemeinen Vertilgung anheimzufallen. Jenes duldsame österreichertum war nämlich vorher nicht abgeneigt gewesen, einem oder dem anderen den Kopf hängen lassenden Polen mit einem „ D e n k u j u " oder „Dobr dan" eine kleine Freude zu bereiten. Schwer wird es mir auch in Hinkunft fallen. Wie wäre dies bei meiner Erziehung und meinem Dasein bis zum 36. Lebensjahr anders möglich! Wie gut befreundet war ich in der Akademie mit den Cienskis und Baranskis und später mit den Przedzieckis und Kaweckis! Und das alles sollte sich nun um 180 Grade verkehrt haben? Der Führer hat doch recht: Wir alten Österreicher sind nicht geeignet, die harte Politik 100%ig mitzumachen, die nun einmal von der Führung des Reiches inauguriert worden ist. Damit komme ich allerdings zugleich auf die geschichtsphilosophischen Gedankengänge zurück, die mich auf meiner Herfahrt immer wieder erfaßten und seither nicht mehr verlassen. Ist nicht all das, was Europa seit spätestens Frühjahr 1938 erlebt, eine große Sühne für den größten Sündenfall der neueren Geschichte, für die leichtfertige und verbrecherische Zertrümmerung der Habsburgermonarchie durch blindwütige Kräfte, die sich von innen und außen her die Hand reichten ? Immer wieder verlockt es mich, aus der Bevölkerung von Lodz einen intelligenteren Polen herauszugreifen und zu fragen: „ W a s , Bürschchen, würdest Du vorziehen, den jetzigen Zustand oder die austropolnische Lösung, die Euch im Weltkrieg geboten worden ist?" Noch nie hat sich eine geschichtliche Dummheit an der Menschheit so rasch gerächt. Und das noch Wunderbarere! Als Rächer ist ein Österreicher aufgestanden, freilich einer, der seinem Vaterland in jungen Jahren mit tiefstem Haß im Herzen den Rücken gekehrt hat und dabei auch, wie sichs nun zeigt, den großen Ideen den Abschied gab, aus denen jenes gehaßte und auch verkannte Vaterland seine Existenzberechtigung schöpfte. Ich habe über dieses Phänomen schon in meinen Aufzeichnungen über die Einverleibung der Tschechei einiges gesagt. Die Ereignisse der letzten Wochen drängen eine Vervollständigung des Bildes auf. Ich habe erst kürzlich zum erstenmal in meinem Leben Adolf Hitlers „Mein Kampf" planmäßig durchgelesen und dabei mit Schrecken wahrgenommen, mit welch völliger Negation er - mindestens als er das Buch schrieb - zum österreichisch-mitteleuropäischen Problem eingestellt war. Es war ganz die Auffassung jenes bürgerlichen „Freisinns", der den deutschen Landeshauptstädten Altösterreichs gesellschaftlich seinen Stempel aufdrückte und seinen Ursprung vielfach im schönerianischen Studententum der Universitäten hatte, und unterschied sich von meinem Geschichtsbild (siehe das Schlußwort meines Buches „Die Katastrophe") wie Wasser vom Feuer. Für den jungen Adolf Hitler stand, selbst im Gegensatz etwa zu Masaryk, die Frage, ob an der habsburgischen Reichsbildung überhaupt etwas Gutes zu finden sei, überhaupt nicht zur Diskussion. Seine Äußerungen über den habsburgischen Völkerkerker waren nicht um eine Nuance milder als die der tschechischen Emigration während des Weltkrieges. Ich und meine engeren Gesinnungsgenossen nationaler Prägung waren demgegenüber der Uberzeugung, daß die Habsburgermonarchie, wie sie sich in den letzten Menschenaltern zeigte, sicherlich

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„Meine Verbannung in Lodz"

ein verfehlter Versuch, aber doch immerhin ein Versuch war, ein Problem zu lösen, das nun einmal gelöst werden mußte: das Problem des Zusammenlebens der Zehnmillionenvölker im südöstlichen Vorfeld des deutschen Lebensraumes. Auch wir waren durchwegs von der geschichtlichen Bedingtheit durchdrungen, daß dieses Problem nur mit und durch die deutsche Nation gelöst werden konnte. Und so, wie wir uns sagten, daß die kleine Schar der nach 1866 vom deutschen Volkskörper gelösten Deutschösterreicher längst zu schwach geworden waren, diese schwere Aufgabe ohne Gefahr der Selbstaufopferung zu lösen, so sahen wir in der Wiedervereinigung Deutschösterreichs mit dem Reiche eben wieder eine Vorbedingung dafür, daß nun die geeinte Kraft des deutschen Volkes umso zuversichtlicher auch an die endgültige Lösung dieses sogenannten österreichischen oder, besser gesagt, mitteleuropäischen Problems werde herangehen können. Und zukunftsfroh sahen wir im Zusammenhang damit auch für unser liebes, nun wieder zum Reich gehörendes Österreich eine neue große, wahrhaft europäische Mission: nach unserer ganzen Vergangenheit, unserem Geschick im Zusammenleben mit anderen Völkern, unserer Art und Kultur Brücke und Ausfallstor zu jenen Zehnmillionenvölkern zu werden. In der rauhen Welt der Tatsachen sahen jedoch die Dinge sehr bald anders aus. Ein auch durch des Kurs 1933 bis 1938 (Dollfuß-Schuschnigg) keineswegs begründetes Mißtrauen wider separatistische Velleitäten, die zum Beispiel in Bayern ungleich mehr zu Hause waren als bei uns, führte zur sofortigen Auflösung des Landes Österreich, wobei die kleinen Gerngroße der Provinz begeistert mitwirkten, ohne sich über die Konsequenzen Rechenschaft abzulegen. Selbst der verruchte Name Österreich mußte verschwinden. An seine Stelle trat, soweit das ganze Land in Frage kam, der völlig unhistorische und auch zu Verwechselungen führende Begriff „ O s t m a r k " , der in ferner Vergangenheit höchstens für die Länder ober und unter der Enns angewendet wurde (siehe O t t o von Freising „Marchia orientalis" 4 ), und für Nieder- und Oberösterreich erfand irgendjemand schon gar die sprachlich so wunderbaren Bezeichnungen Ober- und Niederdonau. Dies geschah am gleichen Tage, an welchem in einer Berliner Zeitung zu lesen war, der Gau Kurmark habe wieder den Namen Gau Brandenburg erhalten! Mit einem Gefühl für Bodenständigkeit und volkliche und historische Gegebenheiten hatten die Maßnahmen nichts mehr zu tun. Dann kam Sudetenland daran, ein weltpolitisch einzigartiger Erfolg. Die Vereinigung der südlichen Gebiete mit Nieder- und Oberösterreich und der bayrischen Ostmark war logisch. Im Norden wäre es zweckmäßiger gewesen, Deutschböhmen als selbständigen Gau zu formen, indes die Herzogtümer Troppau und Jägerndorf samt den angeschlossenen mährischen Gebieten entweder Preußisch-Schlesien zuzuschlagen oder gleichfalls zu einem eigenen Gau auszugestalten gewesen wären. Henlein war aber ein schneidigerer Streiter als sein engerer Landsmann Seyß-In4) Vgl. E . Zöllner, Perioden der österreichischen Geschichte und Wandlungen des Ö s t e r r e i c h - B e griffes bis zum Ende der Habsburgermonarchie, in: ö s t e r r e i c h i s c h e Akademie der Wissenschaften, Die Habsburgermonarchie 1 8 4 8 - 1 9 1 8 , Band I I I , Die V ö l k e r des Reiches, Wien 1980, 1 - 3 2 .

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quart, er erreichte beim Führer seinen fast drei Millionen Einwohner zählenden Reichsgau (die Hälfte von Deutschösterreich), der aus zwei völlig getrennten, nur über Preußisch-Schlesien erreichbaren Teilen besteht. Ich war bei Frick, als diese Frage entschieden werden sollte und er stimmte meinen Ideen durchaus zu. Zur selben Stunde erschien eine Aussendung des Deutschen Nachrichtenbüros, der eben in Reichenberg weilende Führer habe alle erwähnten Landesteile zu einem Reichsgau zusammengefaßt 5 ). Die Wiedervereinigung der Alpen- und Sudetendeutschen mit dem Reiche vollzog sich durchaus unter nationalstaatlichen und nicht reichischen Aspekten. So sehr ich es bedauern würde, wenn die landsmannschaftlichen Eigenarten im deutschen Volk einer öden Gleichmacherei zum Opfer fielen, so sehr ist es sicherlich auch meine Uberzeugung, daß die Nation zunächst durch eine gewisse Zentralisierung und Unifizierung wird hindurchgehen müssen, um wirklich eine Nation zu werden. Nur sollte mit diesem Prozeß sehr vorsichtig umgegangen werden, zumal bei ganz neuen Reichsteilen wie Österreich und dem Sudetenland. Was in diesem Punkte durch „jüdische H a s t " gefehlt wurde, gehört wie die anderen Fehler und Irrtümer auf ein anderes Blatt. Auf einem unbedingten Scheideweg stand - wie ich schon in früheren Aufzeichnungen berührte - der deutsche Nationalstaat, als er die tschechischen Teile B ö h mens und Mährens an sich zog. Die Bindungen, mit denen er die beiden Provinzen als „Protektorat" an Deutschland knüpfte, gingen über die Reichsprinzipien wohl schon hinaus. Besser gelang, dank auch der Geschicklichkeit des jetzigen Staatspräsidenten Msgr. Tiso, die Sache mit der Slowakei. Allerdings hatte sich auch der Führer, entgegen den Vorschlägen Ribbentrops, entschieden gewehrt, ein offenkundiges Protektorat auch über diesem Staat zu errichten. Hierin barg sich vielleicht schon zugleich eine Absage an die „Mitteleuropäische Idee", die nun freilich in der jetzigen Kriegsphase unvergleichlich deutlicher zum Ausdruck zu kommen scheint. Punkt eins: die Umsiedelung der Volksdeutschen, in welcher Frage allerdings bei den Banater Schwaben und den Siebenbürger Sachsen von der Theorie zur Praxis ein weiter Schritt zu sein scheint. Immerhin zeigt schon das Streben, diese Volkssplitter in den Hauptlebensraum der Nation einzuberufen, irgendwie die A b sicht, daß man auf Vorpostenstellungen zu verzichten geneigt ist. Punkt zwei: die Lösung der Ostfragen (wenigstens in ihrem augenblicklichen Stand), der effektive Rückzug hinter die Weichsel bei Belassung eines jüdischen Glacis zwischen Weichsel und Bug, die Einzwängung des deutschen Raumes nun auch im Osten durch einen Befestigungswall, das Auftauchen der Russen auf dem Kamm der Waldkarpathen! Hier soll nur ein rudimentäres Polen mit einem gewiß noch schärferen „Protektorat" als dem der Tschechei ans Reich angeschlossen werden 6 ), wogegen der noch vor Jahresfrist so viel berufene Weg in die Ukraine und 5) Ab 1 5 . 4 . 1 9 3 9 bestand der Reichsgau Sudetenland mit der Hauptstadt Reichenberg, Fläche 2 2 4 4 5 k m 2 , 2 , 9 Millionen Einwohner. 6 ) Mit Erlaß vom 8 . 1 0 . 1 9 3 9 wurde das eroberte polnische Gebiet in die „Eingegliederten Ostgebiet e " und das „Generalgouvernement für die besetzten polnischen G e b i e t e " , später nur „Generalgouvern e m e n t " , geteilt.

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wie es manche Politiker aus dem Amt Rosenberg gerne predigten - an den Ural und in den Kaukasus etc. ohne Krieg mit den Russen verrammelt bleibt. Nun bliebe allerdings die reichische Ausdehnungsmöglichkeit noch über Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien. Sie stieß schon früher in wechselndem Ausmaße auf die Rivalität Italiens, jetzt aber in noch weiterem Umfang auf die Rußlands, das ja bereits in dem für jede Lösung Hamburg-Donaumündungen unentbehrlichen galizischen Vorfeld sitzt und auch seine Ansprüche auf die Donaumündungen bereits angemeldet hat, indes das „hoffentlich" bald sowjetische Bulgarien die Dobrudscha erhalten soll. Nach alldem kann Deutschland seine Mission nach dem Südosten, wenn sie sie überhaupt noch haben will, nur mehr um den Preis eines Kampfes mit den Russen vollauf zurückgewinnen. So ist, vorderhand wenigstens, der Rächer des österreichischen Zusammenbruches von 1918 zugleich der Mann geworden, in dessen Programm der Verzicht auf eine Wiederaufnahme der österreichischen Mission, dieser im tiefsten Grunde historisch bedingt deutschen Aufgabe, liegt. Er ist es nicht nur geworden im weiteren Radius, sondern auch durch das innerpolitische Zugreifen gegenüber den Tschechen und vor allem den Polen. Er ist es so geworden, wie er - nach seinem eigenen Ausspruch vor den Propagandisten der Partei im März 1938 - aus einem Österreicher ein besonders preußischer Preuße geworden ist. Wohl ist die Politik des Führers von überraschenden Wendungen nicht frei und man könnte, eine entsprechende Beendigung des Krieges vorausgesetzt, auch in der Richtung der österreichischen Mission noch Überraschungen erleben. Die Mystik allerdings, die so viele Österreicher im Zusammenhang mit dieser Mission im Herzen trugen, ist ihm fremd, er ist in diesen Dingen Rationalist reinsten Wassers - wie es nicht klarer der von ihm besonders verehrte alte Fritz gewesen ist. . . . Das war ein etwas langweiliger Exkurs, aber diese Blätter sollen, wie ich schon öfters niederschrieb, keine literarischen Meisterwerke darstellen, sondern die Dinge bringen, wie sie sich mir gerade aufdrängen. Nun aber kehre ich zu meinem Einzug in Lodz zurück. Nachdem wir getankt hatten, führte uns unser Weg in die Quartieranweisungsstelle der Feldkommandantur (früher Etappenkommando, aber das Wort „ E t a p p e " ist seit der „Etappe G e n t " 7 ) aus der Armeesprache verpönt). Hier trafen wir einen Unteroffizier an, der von nichts wußte. Meine Enttäuschung wurde einigermaßen gemildert, als gleichzeitig Generalmajor Hörauf, mein bayrischer Freund, in voller Kriegsbemalung eintrat. Er war zum Stadtkommandanten von Lodz ernannt worden und bekam auch weder hier noch in der Feldkommandantur Auskunft. Wir freuten uns aber herzlich des Wiedersehens und gingen schließlich zusammen ins Grand Hotel, wo eine Gehsteigsperre, ein Doppelposten und entsprechender Flaggenschmuck die Unterbringung des Oberbefehlshabers Ost Generaloberst Blasko-

^ Anspielung auf die kritischen Reportagen des Heinrich Wandt: Etappe G e n t , Berlin 1919, erweiterte Ausgabe Wien-Berlin 1926; E F R O T I K U N D Spionage in der Etappe G e n t , Wien-Berlin 1928; D e r Gefangene von Potsdam, Wien-Berlin 1927.

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witz 8 ) verriet. Beim deutsch sprechenden Portier - das ganze Hotel war für militärische Zwecke beschlagnahmt - erfuhren wir auch, daß für uns und meine Studienräte Zimmer bestellt waren. Gleichzeitig teilte man uns mit, daß der Oberbefehlshaber mit seinem Generalstabschef seit früh auf einer Bereisung nach Alienstein begriffen seien und erst morgen nachmittags zurückkehren würde. Die Sehnsucht des Generalobersten, mich bei sich zu wissen, war also nicht so groß, als es der Oberstleutnant Friede 9 ) betonen zu müssen meinte. Ich wollte mich eben in mein Zimmer begeben, da erschien der Ia Oberstleutnant Gerlach 1 0 ), einer meiner Zuhörer bei meinem Vortrage in Hannover, ein feiner, netter Mensch, der mich einlud, mit ihm in einer benachbarten Cukiernia Kaffee zu trinken. Uber die mir zugedachte Mission zeigte er sich in keiner Weise unterrichtet; er verbarg über die Art, mit der dabei vorgegangen worden war, seine Verwunderung nicht. Im übrigen trafen wir uns in allen Auffassungen sehr rasch. Beim Weggehen begleitete ich ihn in das noch unfertige „Pilsudskihaus", wo das Oberkommando untergebracht war. Er erzählte mir von dem scharfen Durchgreifen der SS. Gestern habe man einen Wirbel zu Ehren des Nationalfeiertages besorgt. Vorsichtshalber habe man eine beträchtliche Anzahl von Geißeln ausgehoben, deren drei - zwei Polen und ein Jude - man tagsüber auf dem Koszcziuskoplat7 habe baumeln lassen. Abends seien die Leichen abgenommen, die Stricke aber vorsorglich erneuert worden. Ich meinte, das Militär könne froh sein, daß ihm die Zivilverwaltung solche unerfreuliche Aufgaben abnähme. Seine grundsätzlichen Bedenken gegen das Aufhängen Nichtabgeurteilter wurden durch meine Bemerkung nicht zerstreut. Im Kaffeehaus stellte sich mir auch der Major v. Tschammer-Osten 1 1 ) vor, der auf Ansuchen Franks zum Verbindungsoffizier zwischen dem Gouvernement und OberOst. eingestellt worden war (ein Bruder des Reichssportführers). Friede hatte mir in Berlin versichert, Blaskowitz könne es gar nicht erwarten, einen Politiker wie mich zur Verbindung mit Krakau einsetzen zu können. Gerlach hatte dem gegenüber gemeint, ich möchte ja nicht nach Krakau fahren, ehe ich mit dem Generalobersten Rücksprache gehalten hätte. Der Stabschef, Generalmajor Hollidt 1 2 ), 8 ) Johannes Blaskowitz (Peterswalde bei Wehlau, 10.7.1883 bis 5 . 2 . 1 9 4 8 , Selbstmord in Nürnberg), 1901 Eintritt als Fhj. in die Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1.8.1936 G . d . I., 10.11.1938 O B . Heeresgruppe 3, 1.9.1939 O B . A O K . 8, 1.10.1939 G e n . O b s t . , 2 0 . 1 0 . 1 9 3 9 O B . O s t , 14. bis 2 9 . 5 . 1 9 4 0 O B . A O K . 9, 2 5 . 1 0 . 1 9 4 0 bis 3 . 5 . 1 9 4 4 O B . Armeegruppe G , 2 1 . 9 . 1 9 4 4 Führerreserve O K H , 2 4 . 1 2 . 1 9 4 4 O B . Heeresgruppe G , 2 8 . 1 . 1 9 4 5 O B . Heeresgruppe H , 7 . 4 . 1 9 4 5 O B . Niederlande (bis 5 . 5 . 1 9 4 5 ) , angeklagt im O K W - P r o z e ß . 9 ) Friede (?), lt. Rangliste 1944/45: 1.2.1942 Oberst, Abt. Chef i. O K W , W Allg. 1 0 ) Erwin Gerlach (Berlin, 2 9 . 6 . 1 8 9 4 bis ?), 1.8.1914 Eintritt in die Armee als Kriegsfreiwilliger, 8 . 5 . 1 9 1 5 Lt. Fußartrgt. 6, Übernahme in die Reichswehr, 1.3.1938 Obstlt., 1.10.1938 I a X I . A K . , 16. 10.1939 I a Oberost, 1 . 8 . 1 9 4 0 Oberst u. O b e r q u . 16. Armee . . . 1945 als G e n . M j r . z . V . 1. Pz.Armee, 1945-1955 russ. Kriegsgefangenschaft. n ) v. Tschammer und Osten. Lt. Rangliste 1944/45: 1 . 4 . 1 9 4 2 O b s t . , z . V . OB.d.H. 12 ) Karl Adolf Hollidt (geb. Speyer, 28.4.1891), 19.7.1909 Eintritt als Fhj. in die preuß. Armee, Übernahme in die Reichswehr, 1.4.1938 G e n . M j r . , 1 . 9 . 1 9 3 9 Kdr. 52. I . D . , 15.9.1939 Chef Gen.St. 5. Armee, 1.11.1939 Chef Gen.St. O B . O s t , 1 . 4 . 1 9 4 0 G e n . L t . , 2 5 . 5 . 1 9 4 0 Chef Gen.St. 9. Armee,

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gleichfalls ein recht netter, wenn auch zurückhaltender und verschlossener Mann, meinte einige Tage später: „Es kann doch kaum Ihr Wunsch sein, in diese jugendliche Krakauer Gesellschaft hineingestellt zu werden; ein General wäre für diese Aufgabe ein wenig zu viel!" Besonders gut sind die beiden Behörden nicht aufeinander zu sprechen. Es war aber auch noch nie da, daß ein erobertes Gebiet während des Krieges und gar so rasch der zivilen Verwaltung überantwortet wurde. Hier hat zweifellos die SS der Wehrmacht den Rang abgelaufen. Mein Hotelzimmer war sehr bescheiden und unterschied sich in nichts von dem meiner Begleiter. Man hatte sich über meine Ministerschaft bei der Quartierzuweisung keinerlei Kopfzerbrechen geleistet. Immerhin erwies sich mein Verdacht, am Ende mit nächtlichen Mitbewohnern kämpfen zu müssen, als unrecht. Das Bett war rein und den nicht erreichbaren Roßhaarpolster mußte der mit dem Leintuch überzogene Keilpolster ersetzen. Den Abend verbrachte ich in der Offiziersmesse des Hotels. Die aus Ungarn mitgebrachte Salami ließ es mich verschmerzen, daß ein scheußlicher Fisch aufgetragen wurde. Nach kurzer Anwesenheit am Tische meiner Begleiter begab ich mich zum General Hörauf, mit dem ich 2 Stunden in angeregtem Gespräch verbrachte. Ein paar Worte genügten, um unsere völlige Ubereinstimmung gegenüber den aktuellen Problemen festzustellen. Immer wieder hörte ich Hörauf sagen: „Der Ministerpräsident Siebert teilt vollkommen Ihre Meinung." [Fortsetzung, geschrieben in Wien, November 1939] . . . Da saßen zwei Männer einander gegenüber, beide alte Soldaten, nach dem Umstürze der eine (Hörauf) eng verknüpft mit dem Großwerden der NSDAP in ihrer Heimatstadt München, der andere (ich) bei aller konservativen Gesinnung stets ein überzeugter Anhänger der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reiche - und tauschten, sich im Kriege zum erstenmale wiedersehend, die ihr Herz bedrückenden Sorgen aus. Ich vertraue sie diesem Tagebuch an, ohne sie jemand außer Beate zu lesen zu geben. Vor allem die der Kriegsschuldfrage. In Wien ist es bisher gelungen, weitgehend den Haß auf England zu richten. Ich denke dabei an einen Ausspruch Freybergs, der mir vor einigen Tagen sagte: „Von einer Kriegsschuld des Führers kann keine Rede sein - England hätte uns auf jeden Fall den Krieg gemacht, nur ein ganz schwaches Deutschland wäre vor solchem Schicksal bewahrt geblieben." Hörauf meint, in München wird der Krieg doch weitgehend als das Werk des Führers betrachtet. Wir stimmen darin überein, daß von der vorjährigen Münchener Tagung aus der Versuch einer friedlichen Politik des Aufstieges hätte unternommen werden können. (Freyberg weiß allerdings einen britischen Zeugen anzuführen, der ihm bestätigte, ganz England habe München als eine Revanche unbedingt herausfordernde Niederlage Großbritanniens betrachtet.) Auch darüber, daß es für beide Parteien nur mehr eine Kriegsparole geben könne: „Totaler Sieg oder totale Niederlage" - sind Hörauf und ich uns einig. Und das ist natür-

2 5 . 1 0 . 1 9 4 0 Kdr. 50. I.D., 2 3 . 1 . 1 9 4 2 Kdi.Gen. XVII. A K . , 1 . 2 . 1 9 4 2 G . d . I . , 2 3 . 1 1 . 1 9 4 2 O B . Armeeabt. Hollidt, 5 . 3 . 1 9 4 3 bis IV./1944 OB. 6. Armee, 1 . 9 . 1 9 4 3 Gen.Oberst.

Uber den Aufstieg der NSDAP

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lieh die besondere Schwere, die auf dem Schicksal jedes einzelnen lastet. Ebenso stehen wir dem Problem „Partei" mit gleicher Skepsis gegenüber - Kaiser Wilhelm hat einstmals zu Kriegsbeginn das Wort geprägt: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche." Es liegt ein gesunder Gedanke darin, an dem man auch heute nicht vorübergehen sollte. Das heißt, die gewisse Vorstellung, daß es Reichsbürger verschiedenen Rechts - alte Kämpfer, Parteigenossen, Nichtparteigenossen etc. - gibt, wird man spätestens dann, wenn aus der Front narbenbedeckte „alte Kämpfer" anderer Art zurückkehren werden, einigermaßen revidieren müssen. Hörauf und ich reden von dem Wechsel der Fahnen und Embleme. Er stellt die bange Frage: „Wird nach dem Kriege das Hakenkreuz noch Geltung haben ?" Wir stehen inmitten einer großen sozialen Revolution, deren Anfang wir kennen, deren Ende aber nicht abzusehen ist. Hörauf weiß viel vom Anfang der Partei und ihrem Aufstieg. Der Führer hat sich zunächst als „Trommler" bezeichnet und damit als Propagandist seiner Ideen, während er von der Berufung zur Führung nicht überzeugt war. Zuerst bestand der Plan, die eigentliche Führung Ludendorff zu übertragen, der aber nicht geeignet gewesen sei. Kürzlich erzählte der deutsche Kronprinz, daß beim zweiten Wahlgang der letzten Hindenburgwahlen in zwölfter Stunde zwischen Hitler und dem Kronprinzen vereinbart worden sei, letzteren als Kandidaten der NSDAP für die Präsidentschaft aufzustellen. Der Kronprinz wäre, meint Hörauf, todsicher durchgegangen - wie anders hätte sich die weitere Entwicklung nach der konservativen Seite hin gestaltet! Denn bei allen Mängeln müsse man dem Kronprinzen nachsagen, daß er ein kluger Kopf sei. Heute, 19. November 1939, fragte ich den an einer Kopfverletzung im Krankenhause der Kaufmannschaft liegenden Guido Schmidt unter Hinweis auf die neuerliche Lektüre des Buches von Martin Fuchs, wie er bei seinen Zusammenkünften in Genf Otto von Habsburg gefunden habe. Schmidt meinte, er sei ein unsympathischer, fremdartiger, etwas kindisch anmutender junger Mensch, der bei jedem Worte, das er sagte, den Eindruck machte, wie ein Gymnasiast ein „Gesetzel" herabzuleiern. Schmidts Aufgabe sei es damals gewesen, den Kronprätendenten von seinen Heimkehrideen abzubringen. Schuschnigg habe um Weihnachten 1937 Otto in Vaduz gesprochen. Im übrigen sprach Schmidt nicht gern über diese Dinge, er hatte eben sehr hohen Blutzucker. . . . O b das fürstliche Leben der führenden Parteigenossen in ihren Palästen und Landhäusern von den gewöhnlichen Parteigenossen nicht bekrittelt werde ? Hörauf meinte schon. Er erzählte mir bei diesem Anlasse, wie ihm Himmler einige Wochen vor der Machtergreifung geklagt habe, er müsse jetzt RM 100,- Steuer nachzahlen und wisse nicht woher? Wenige Monate später, im Sommer 1933, sei durch die bayrischen Blätter die Nachricht gegangen, Himmler, damals Polizeipräsident von München, habe sich das Landwesen XY am Tegernsee um den Preis von RM 70000,- erstanden. Eine weitere Frage: Stellung der Wehrmacht zu Partei und Staat? Wird, wenn das gegenwärtige System irgendwie Schiffbruch leiden sollte, die Wehrmacht einspringen können? Unser beider Äußerung: Was heißt das überhaupt - Wehrmacht? Ist sie ein politischer Faktor? Ubereinstimmung: Das 100000-Mann-Heer ja — die

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jetzige Armee nein. Am 9. November 1923 hatte der jetzige Kommandierende des VII. Armeekorps, General der Infanterie Schobert 13 ), einen bayerischen Truppenteil von Lindau nach München zu bringen. Da bei der Abfahrt aus Lindau in den Zeitungen von einer Machtergreifung Hitler-Ludendorffs zu lesen war, nahm Schobert seine Leute zusammen in dem Glauben, zugunsten des neuen Regimes eingesetzt zu werden, und brachte ein dreimaliges Sieg-Heil zu Ehren Hitlers aus. Als die Truppe in München ausgeladen wurde, nahm sie die Mitteilung, nunmehr gegen die Aufrührer eingesetzt zu werden, wie eine Selbstverständlichkeit entgegen. . . . Hörauf hat das Attentat auf den Führer 14 ) noch in München miterlebt. Die Höllenmaschine wurde im Innern der hohlen Tragsäule angebracht und war auf 9.22 Uhr (21.22 Uhr) tempiert. Der Führer mit den gesamten leitenden Persönlichkeiten hatte 12 Minuten früher das Lokal verlassen und die Nachricht von dem Anschlag erst in Nürnberg erhalten. Ich fahre nun aber in der Schilderung meiner Lodzer Erlebnisse fort. Ich schlief die erste Nacht mit Hilfe von zwei Alonialpulvern recht gut, ließ mich des anderen Tages früh bei dem durchaus anständigen Hotelfriseur herrichten und begab mich dann in voller Generalsuniform in den eine halbe Stunde Fußweg entfernten Dom. Die Kirche, ein Neubau von der Gattung der St. Andräkirche in Salzburg, war gesteckt voll von Leuten, die alle sehr ernst dreinsahen und erstaunt waren, einen deutschen General in ihrer Mitte zu sehen. Es fand eine Prozession innerhalb der Kirche mit polnischen Gesängen statt; das Domherrngestühl war teilweise besetzt, der bischöfliche Thron leer. Es ist doch etwas Eigenes um die Universalität der katholischen Kirche - sie zieht immer wieder jeden, der in ihrer Mitte aufgewachsen ist, in ihren Bann. Die Polen sind sehr fromm. Keiner der unzähligen Bildstöcke am Straßenrand, der nicht stets mit frischen Kränzen und Blumen geschmückt wäre. Abends meldete ich mich bei dem aus Allentstein zurückgekehrten Oberbefehlshaber Blaskowitz, der mich und Hörauf in seinem Hotelsalon im weißen Rock äußerst liebenswürdig empfing. Ich bemerkte lächelnd, sehr erfreut zu sein darüber, endlich seine mir vom Oberstleutnant Friede (Berlin OKW) so ergreifend geschilderte Sehnsucht nach meinem Erscheinen befriedigen zu können. Blaskowitz, ein netter, feiner, wenn auch nicht übermäßig geistreicher, aber gewiß kluger Mann, hatte an Stelle des ursprünglich zum OberOst. ernannten Generaloberst v. Rundstedt dieses Kommando übernommen; wie ich andeutungsweise vernahm, soll Rundstedt an die Westfront gegangen sein, als sein bisheriger Untergebener, der Chef der Zivilverwaltung Reichsminister Dr. Frank, ihm als Generalgouverneur 13 ) Eugen R. v. Schobert ( W ü r z b u r g , 13.3.1883 bis 12. 9.1941 tödlich verunglückt im Osten), 1902 Eintritt als F h j . ins bayer. H e e r , Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, 6 . 3 . 1 9 3 6 K d r . 33. Div., 1 . 1 . 1 9 3 7 G e n . L t . , 1.2.1938 G . d . I . , 4 . 2 . 1 9 3 8 Kdi. G e n . VII. A K . , 18.7.1940 G e n . O b e r s t , 2 5 . 1 0 . 1 9 4 0 bis 12.9.1941 O B . 11. Armee. 14 ) A m 8 . 1 1 . 1 9 3 9 sollte auf Hitler anläßlich seiner Rede vor „alten K ä m p f e r n " ein Bombenanschlag verübt werden. Das mißglückte Attentat forderte 8 T o t e und 63 Verletzte. Täter war ein Einzelgänger, der Tischler Georg Elser. Vgl. zuletzt: Irving, Hitler und seine Feldherrn, 6 2 f . ; W . Schellenberg, A u f zeichnungen, Wiesbaden 1979, 9 0 - 9 5 .

Bei Generaloberst Blaskowitz

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gleichgestellt worden war. Blaskowitz hatte Humor genug, um meine Bemerkung aufzunehmen, wie sie gemeint war, als Charakterisierung der Unmöglichkeit meiner Stellung. Ich hielt ihm daraufhin einen kurzen Vortrag über die Eigenart meiner Einweisung. Es gab zwei Erlasse des O K W / A W A (Oberkommando der Wehrmacht, Allgemeines Wehrmachtsamt), in denen so nebenbei gesagt wurde, der VO. (Verbindungsoffizier) O K W / A W A G M . G. v. H . habe die Aufgabe, nach Abschluß der Verhandlungen mit Rußland mit seinem Apparat die Uberführung aller aus den Kriegen 1914 bis 1918 und 1939 jenseits der jetzigen Demarkationslinie ruhenden Gefallenen in den Raum westlich der Weichsel zu leiten! Sonst gab es überhaupt keine amtliche Verständigung über meine Existenz. Wohl aber durfte ich dem OberOst. noch eine umfangreiche, allerdings nicht unterfertigte Sachbearbeiternotiz vorlesen, in der alles Mögliche über meinen Aufgabenkreis geschrieben stand - ohne daß das Dokument allerdings irgendeine Legitimation irgendwem gegenüber bedeuten konnte. Der OberOst. nahm denn auch die Dinge, wie sie sich gehörten, wenn er sich auch weigerte, meiner spaßhaften Aufforderung, mich nunmehr zu bedauern, Folge zu leisten. Das Abendessen im engeren Stabe - ich zur Rechten des OberOst. - war recht gemütlich. Ich verfehlte nicht, daran zu erinnern, wie ich schon einmal, und zwar vor 22 Jahren weniger 5 Wochen, bei OberOst. zu Gast gewesen sei - allerdings etwas tiefer im Russischen, in Brest-Litowsk. Den nächsten Vormittag benützte ich, die Unterkunftsverhältnisse meiner Wenigkeit und meines großen Stabes einer Regelung zuzuführen. Wir sollten in der Koszcziusko-Avenue in zwei neuen Judenhäusern untergebracht werden. Nicht ohne Widerstreben betrat ich die mir zugedachte, hoch elegante, wenn auch h y permoderne Wohnung, weil die Judenfamilie noch anwesend war. Ohne mich allzu volkstümlich zu benehmen, gab ich mich doch österreichisch, indem ich beim Kommen und Gehen höflich grüßte, die Bewilligung zum Mitnehmen der Familienbildnisse erteilte und die Sicherung der zurückgelassenen Möbel und Teppiche meinem Adjutanten Studiendirektor Gläsche gegenüber besonders hervorhob. Gläsche hätte mit mir einziehen sollen. Trotz der Eleganz der Wohnung bin ich froh, daß mir das Einziehen erspart blieb. . . . Am Dienstag, den 14., telegraphierte ich nach einer entscheidenden Rücksprache mit dem Stabschef an Reinecke, er möge mich Ende der Woche zu einem Referat in Berlin empfangen. Des anderen Tages um 9 Uhr startete ich, nachdem ich meine Mitarbeiter in alle Richtungen der Windrose ausgesandt hatte, nach Warschau. Der Weg ging über Lowicz und Sochaczew. Hunderte von Erinnerungen an den Weltkrieg stiegen auf - an die schweren Kämpfe, die hier zuerst Hindenburg und Mackensen und später Prinz Leopold von Bayern auszufechten hatten. Nun standen die Russen vor wenigen Wochen abermals vor Warschau! Hat der Weltkrieg hier im Osten nicht durch den neuerlichen Vorstoß der Moskowiter über die Pripetsümpfe seinen tiefsten Sinn verloren? In Lowicz machten wir an dem Grab dreier deutscher Soldaten Halt; es stand in einem Park neben einer völlig zerschossenen Kirche. Ebenso waren in Sochaczew zahlreiche Häuser an der Bzura völlig zerschossen. Einige Kilometer südwestlich

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von Warschau wurden wir durch einen starken Leichengeruch aufgeschreckt. Auf einem Felde rechts standen zahlreiche Bauernwagen, dahinter machte sich eine Gruppe mit Kappen der Volksdeutschen um eine große Grube bemerkbar. Ich stieg aus und sah zunächst über ein Dutzend ausgegrabener, schon stark verwester polnischer Soldaten dort liegen. Dahinter mühten sich Volksdeutsche mit Gummihandschuhen ab, die Leichen von 20 Landsleuten zu akognoszieren, die seinerzeit von den Polen aus der Großstadt hierher herausgeschleppt und in der Folge viehisch ermordet worden waren. Die Ausgrabenden begrüßten mich mit den Worten: „Zum erstenmal, daß sich eine hohe Persönlichkeit (sie kannten meinen Namen) für unsere Arbeit interessiert." Ihren sehnlichen Wunsch nach Personenautos konnte ich allerdings nicht erfüllen. Der schreckliche Geruch hat mich den ganzen Tag über nicht verlassen. . . . Die von der deutschen Heeresleitung bekanntgegebenen Verluste (13000 Tote) stimmen wirklich. Später ergaben sich 19000. Die Zahl der deutschen Kriegsgräber ist sehr gering. Dies konnte am Vortage mein Adjutant selbst auf dem blutigen Schlachtfeld von Kutno feststellen. Dafür sieht man fünfmal soviel Polengräber. Meist ist um das Kreuz ein Rosenkranz gehängt. . . . Wir fuhren nach Warschau weiter. Ein Bild entsetzlichster Verwüstung bot sich. Alle Paläste und Kirchen durch Flieger- und Artilleriebomben zerstört, kaum ein Haus bewohnbar. Der Einsturz überall bis in den Keller hinab. Der wunderbare Anblick, den die Stadt einstmals vom rechten Ufer her dargeboten hatte, ist einem Gesicht des Grauens gewichen. Dabei wogt in den Straßen ein riesiger Strom von Menschen. Da alle Geschäfte zerstört sind, wickelt sich auch der Geschäftsverkehr auf den Bürgersteigen ab. Kaufleute stehen mit ausgebreiteten Koffern dort oder bieten ihre Waren sonstwie feil. Ein wilder Handel macht sich breit. Frauen. Mädchen, Kinder bieten Schokolade, Kaffee, Handschuhe und weiß Gott was zum Kaufe an. Die Preise sind sehr hoch. Ein „Brief" Schokolade kostet eine Mark, ein halbes Kilo Kaffee fünf Mark und mehr. Wo diese vielen Leute die Nacht verbringen? In der zerschossenen Ruinen findet sich doch absolut kein Platz. Mein Fahrer Lorbschad, ein überaus findiger Bursche aus Westphalen, seines Zeichens Unteroffizier, hat den Einzug des Führers mitgemacht. Der Leichengeruch war so penetrant, daß - mit Ausnahme des Führers - sich jeder ein Sacktuch vorhielt. Der Versuch, diese Stadt zu verteidigen, war heller Wahnsinn. Der in unserer Gefangenschaft befindliche Armeeinspektor der Polen, General Rommel, begründet das verbrecherische Tun damit, daß den Verteidigern Nachrichten von einem Vordringen der Westmächte auf Berlin und einem Kampfe der Russen mit den Deutschen, sowie einem Sieg der in Westpolen fechtenden polnischen Kräfte zugetrieben worden seien. Wahrhaft eine Schmach, solcher Betrug! In Berlin teilt man mir mit, der Führer habe nicht die Absicht, Warschau wiedererstehen zu lassen. Karthago. . . . In tiefer Nachdenklichkeit fuhren wir nach Lodz zurück, das wir bei einbrechender Dunkelheit erreichten. Dort traf ich ein Telegramm an: Reinecke erwarte mich übermorgen. Ich dachte sofort, daß ein Zurückkommen nach Lodz kaum mehr in Frage kam, und ließ den Fahrer verständigen, sich am anderen Morgen um

In Warschau und Posen

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10 Uhr zur Fahrt nach Berlin bereitzustellen. Die Abendstunden benützte ich noch dazu, um eine kurze Denkschrift über meine dienstlichen Aufgaben und die Situation, in die man mich von der Abteilung Allgemeine aus versetzt hatte, abzufassen. Sie ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen - weder sachlich, noch in der Kritik über die Art von Befehlgebung, die sich da an mir ausgelebt hatte und nicht dazu beitrug, meinen Respekt vor der administrativen Maschine unseres Heeres zu heben. „Die Preußen kennen keine geordnete Befehlsgebung", meinte Kiszling zustimmend, als ich ihm nach meiner Rückkehr in Wien das Erlebnis erzählte. Er hat nicht so unrecht. Lorbschad besorgte noch ein paar Lebensmittel und sechs Paar Seidenstrümpfe für die Frauen Andermann und Böhmer, denen ich diese Gabe in Berlin in einer schwachen Stunde versprochen hatte. Dann gings frühmorgens los. Auf der Rückfahrt war lediglich Posen interessant. Alle Brücken waren abgebrochen und durch eine weit auswärts der Stadt eingebaute Schiffbrücke provisorisch ersetzt. Den Schupo, den ich um Auskunft bat, fragte ich auf Grund seiner Aussprache und seiner Ordensbänder: „Woher aus Bayern san Sö?" Worauf ein freudiges Lächeln über sein Gesicht glitt: „Aus München!" Man soll den Deutschen nicht durch die Tilgung des Stammhaften die Freude an der Nation verderben. Posen ist eine schöne Stadt, völlig unversehrt, und war schon durchwegs mit deutschen Aufschrifttafeln versehen. So ist das bei den Städten; sie vermögen ihr nationales Antlitz von einer Minute auf die andere zu ändern. Ich dachte viel an den geschichtlichen Boden, vor allem an die Bedeutung der Errichtung des polnischen Bistums Gnesen-Posen durch Mithilfe des kaiserlichen Jünglings Otto des Dritten. Bald nach Posen senkte sich der Abend herab und wir fuhren durch das völlig verdunkelte Altreich über Küstrin - Erinnerung an den alten Fritz und seine Tragödie - nach Berlin zurück. Lorbschad hat sich als außerordentlich guter Fahrer erwiesen. Ich denke daran, wie schwerfällig sich Hofbauer benommen hätte, und bereue es, seine inzwischen allerdings aufgeschobene Einberufung betrieben zu haben. Um 7.30 Uhr abends langten wir nach zehnstündiger, nur in Posen durch eine kurze Pause unterbrochene Fahrt im Eden an. Ich aß mit Gläsche im Hotel zum Nachtmahl und begab mich, trotz des schlechten Essens doch wieder der zivilisierten Umgebung froh, sehr bald zur Ruhe. Am anderen Tage um 12 Uhr erschien ich bei Reinecke, der mich mit größter Liebenswürdigkeit begrüßte und meine Erklärungen über die Unmöglichkeit einer Dauerposition in Lodz mit vollstem Verständnis entgegennahm. Uber die Behandlung, die die Sache in seinem Amte gefunden hatte, war er etwas betreten. Wir kamen zu dem Ergebnisse, wieder die erstgeplante Lösung ins Auge zu fassen. Ich sollte sie in Wien abwarten, wohin ich gern zurückkehrte 15 ). Heimlich machte ich 15 ) Bei den V o r b e m e r k u n g e n Halders zu einer Besprechung beim O B . d. H . z u m 2 0 . 1 1 . 1 9 3 9 ( H a l der Kriegstagebuch, 130), findet sich die N o t i z : „ V e r b i n d u n g s o f f i z i e r W e h r m a c h t bei O b e r o s t (Glaise v. H o r s t e n a u ) . "

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„Meine Verbannung in Lodz"

mir Vorwürfe, daß ich mich überhaupt „darbiete". Wir haben im alten Österreich von der „Plattenwirtschaft" des Generalstabes gesprochen. Im Reich ist die „Plattenwirtschaft" sicherlich nicht geringer, als sie bei uns war, und letztlich auch begreiflich. Auel - ich würde meine Mitarbeiterschaft lieber aus dem Kreise alter Freunde wählen als aus fremder Umwelt. Wichtig ist nur, daß die Zusammensetzung der „Platten" gut ist. Andrerseits meine ich aber doch, daß es auch sachlich nicht schlecht wäre, wenn wenigstens noch ein prominenterer Österreicher in die obere Schicht eindringen könnte. Doch es wird mein letzter Versuch sein, gelingt er nicht, dann verschwinde ich in meinen Büchern oder, noch besser, wo anders hin. Zu Mittag speiste ich mit meinem lieben Freunde Freyberg im Deutschen Klub in der Jägerstraße. Es war Fischtag und daher unendlich schwer, für mich etwas zum Essen zu finden. Schließlich schlang ich mit großem Ekel den Teil eines Eintopfgerichtes hinunter. Nachmittags besuchte mich Franz Schicht, dessen Frau und gelähmte Tochter im Eden wohnten, und nachher verbrachte ich noch eine Stunde bei Kappus, wobei ich mich bei seiner Frau durch Mitbringen eines Stückes Lodzer Schinken beliebt machte, das sie auf einen Sitz verschlang, während wir uns mit Streichwurst begnügten. Dann der geliebte Schlafwagen nach Wien . . . avitische Erinnerungen aus der Kinderzeit: das wohltuende, einschläfernde Schütteln und Rütteln. In Wien aß ich bei Beate zu Mittag - das einzige Wiedersehen, das wirkliche, aufrichtige Freude bereitete. Des anderen Tages, einem Sonntag, besuchte ich Guido Schmidt im Krankenhaus der Kaufmannschaft. Er hatte bei einer Bergwerksbesichtigung in Serbien in einer Felslandschaft von einem abwärts rasenden Lori abspringen müssen und sich eine überaus schwere Kopfverletzung zugezogen, die ihn durch Wochen näher dem Tode als dem Leben sein ließ. N u n war er wohl wieder schon fast gesund. Wir sprachen viel über Gegenwart und Vergangenheit, ohne daß dabei besonderes herauskam. O b er sich wohl halten wird? Die Angriffe der Partei sind außergewöhnlich heftig. Auf dem Gange traf ich Max Hohenberg. Natürlich fand ich in meinem Büro zahlreiche Interventionsbitten vor. Zsiga Schilhawsky 1 6 ) und Pohl sind in Salzburg zusammen mit Bernhard 1 7 ), Ontl 1 8 ) und anderen Monarchisten verhaftet worden. Schilhawsky ist inzwischen wieder frei geworden. Was mit Pohl ist, weiß ich zur Zeit noch nicht; hoffentlich haben sie den dummen Kerl auch wieder ausgelassen.

1 6 ) V g l . B G H . 5 1 6 6 / 3 9 : der ehemalige G e n e r a l t r u p p e n i n s p e k t o r G e n e r a l a . D . R i c h a r d S c h i l h a w s k y intervenierte für seinen B r u d e r G e n e r a l der Infanterie i . R . S i g i s m u n d S c h i l h a w s k y , der am 9 . 1 1 . 1 9 3 9 verhaftet w o r d e n w a r , o h n e daß ein G r u n d bekannt w a r . G l a i s e - H o r s t e n a u intervenierte laut A k t e n n o tiz telephonisch und erfuhr a m 2 1 . 1 1 . 1 9 3 9 , daß S c h i l h a w s k y bereits auf freiem F u ß sei. 1 7 ) A l p h o n s B e r n h a r d ( R i v a , 2 . 1 1 . 1 8 7 5 bis 1 4 . 8 . 1 9 5 4 , M a u t e r n d o r f , S a l z b u r g ) , 1897 aus der M i l a k . als L t . z u U R . 8, K a v o f f z . im 1. Weltkrieg, 1 . 2 . 1 9 2 1 p e n s i o n i e r t , 2 4 . 1 1 . 1 9 2 1 T i t u l a r - O b e r s t , nach 1939 interniert in den K Z s D a c h a u und B u c h e n w a l d . ,8) Josef O n t l ( S a l z b u r g , 4 . 8 . 1 8 7 5 bis 1 0 . 4 . 1 9 4 3 , S a l z b u r g ) , 1 . 1 0 . 1 8 9 5 als E . F . z u I R . 59, 18. 8 . 1 8 9 8 L t . , . . . 1 . 1 . 1 9 1 8 M j r . , Ü b e r n a h m e in V o l k s w e h r und B u n d e s h e e r (selbst. A l p e n j ä g e r b a t a i l lon 3), 1 . 6 . 1 9 2 4 O b s t . , 1 . 1 2 . 1 9 2 4 B a o n s k m d t . , 2 3 . 4 . 1 9 2 8 R u h e s t a n d als T i t u l a r - G M .

Interventionen

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Einigermaßen ergriffen hat mich ein Brief der Frau des Generalstaatsanwaltes Tuppy 1 9 ), die mich wiederholt um Intervention für ihren eingesperrten Mann gebeten hatte. Sie schrieb an Kramsall: „Eine Intervention ist nun nicht mehr nötig, mein Mann ist am 15. November im Konzentrationslager zu Sachsenhausen gestorben." Ich traf sie kurz nach Erhalt des Briefes im Büro Kramsalls und bat sie für einen Augenblick in mein Geschäftszimmer, um ihr ein paar Worte des Beileids zu sagen. Eine hübsche, feine Frau von wundervoller Haltung und Beherrschung - so sehr ihr die Tragödie offensichtlich nahe geht. Ihr sechzehnjähriger Bub, ein begabter Musiker, hat sie mit den Worten getröstet: ,,In der Schrift steht, selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen . . .". Nun war Tuppys Rolle, in den Juliprozessen 1934 als Staatsanwalt angesetzt zu werden, sicherlich eine höchst heikle Angelegenheit, aber es gab damals für ihn kaum einen Ausweg, auch den eines Pensionsgesuches nicht, da man es bei der einfachen Pensionierung kaum hätte bleiben lassen. Im übrigen hat mir sogar Rechtsanwalt Führer bestätigt, daß Tuppy seine Aufgabe mit möglichster Sachlichkeit durchführte, und es ist auch erwiesen, daß er sich wiederholt an den damaligen Justizminister Berger-Waldenegg wegen Begnadigung der Verurteilten wandte. Aber wie hätte Berger-Waldenegg . . . [Manuskript bricht ab]

" ) Karl T u p p y ( B r ü n n , 1 . 1 . 1 8 8 0 bis 1 5 . 1 1 . 1 9 3 9 , KZ Sachsenhausen bei O r a n i e n b a u m ) , 1904 D r . i u r . , ab 2 5 . 7 . 1 9 0 4 im Staatsdienst, ab 1909 R i c h t e r in A m s t e t t e n , ab 1919 Staatsanwaltsvertreter in W i e n , 1921 Titel eines Ersten Staatsanwalts, 1928 Erster S t a a t s a n w a l t , VII./1934 in dieser F u n k t i o n neben anderen F u n k t i o n ä r e n mit der A n k l a g e e r h e b u n g gegen die J u l i p u t s c h i s t e n betraut, 1936 Titel H o f rat, II./1937 Leitender Erster Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft W i e n II, 7 . 3 . 1 9 3 8 versetzt zur Staatsanwaltschaft W i e n I, 1 8 . 3 . 1 9 3 8 inhaftiert.

VIII. ALS KRIEGSGRÄBERINSPEKTOR IM OKW VOR DEM FRANKREICHFELDZUG Sylvester und Neujahr verbrachte ich mit Beate auf dem Semmering im Meierhof des Südbahnhotels. Der Betrieb ähnelt dem einer Hütte, das Essen war ausgezeichnet, die Zimmer ließen an Wärme nichts zu wünschen übrig. Zum erstenmal seit dem 31. Dezember 1917 erlebte ich die Neujahrsstunde. Wir waren unserer drei Beate, ich und Frau Metzger, in deren Wohnung wir uns aufhielten. Ein Auto brachte uns in die Meierei zurück. Am Neujahrsvormittag kamen wir gerade zum letzten Epistelgebet in dem kleinen Semmeringkirchlein zurecht. Dann holte ich Jakoncig ab, der in einem längeren Spaziergang die Lage mit gewohntem überschwenglichen Optimismus beurteilte. Frau Jakoncig ging, in ihren Hosen wenig reizvoll anzusehen, mit Beate. Insgesamt hatte Jakoncig das Hotel Panhans mit einer Kolonie von sieben Köpfen bevölkert. Dem Manne kann geholfen werden! Nachmittags besuchte uns das Ehepaar Bardolff in der Meierei, die beiden waren meine Kaffeegäste. Wir geleiteten sie in den Sonnhof zurück, wo der Aufenthalt dem in der Meierei schon unzweifelhaft vorzuziehen ist. Am anderen Tage mittags fuhren wir, ganz gut sitzend, mit dem Eilzug nach Wien zurück. Mein Aufenthalt im „roten Salon" des Bundeskanzleramtes erfüllte mich mit steigender Wehmut. Was sich da an mir vollzieht, ist ein Stück österreichischen Schicksals, eines Schicksals, das sich wahrlich nicht hätte erfüllen brauchen, wenn es geschickter gemacht worden wäre. Wie wunderbar hätte sich unsere Rolle im Rahmen Großdeutschlands erfüllen können! Am 4. Jänner abends verließ ich, von Beate und Kramsall geleitet, mit der Westbahn Wien, um nach Berlin zurückzukehren. Mit meinem Kriminalroman und einem Alional legte ich mich rasch zu Bette. Mit einem Kriminalroman! Es ist wirklich grauenvoll, das Geständnis, daß ich seit dem 1. September nur mehr solchen Schund zu lesen imstande bin. Aber so wahr mir Gott helfe, ich kann nicht anders, wenn ich mir auch zu Beginn jedes neuen Romanes vornehme, daß es der letzte sei. In Berlin kamen wir, statt um 8.30 um 12.30 Uhr an. Die Abendstunden verbrachte ich bei Kappus, wo es immer sehr gemütlich ist. 6. Jänner Heiligendreikönige, aber kein Feiertag. Ich verbrachte den Vormittag in der Kanzlei, wo man mich mit der Nachricht überraschte, daß ein besseres Büro in Aussicht stehe. Ich besah es, es ist im Nebenhaus und wird recht schön werden -

Verhältnis Wehrmacht - SS

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hoffentlich auch warm. Bei Reinecke meldete ich mich telephonisch, da für den 8. ohnehin eine Besprechung der Chefs angesagt war. . . . Abends war ich als Gast Heinrich Schichts 1 ) beim Horcher, zur Zeit wohl das noblichste Lokal Berlins. Wir blieben bis 11 Uhr. Es war mit den drei Sudetendeutschen (Heinrich und Sohn, dazu Franz) ganz gemütlich, wenn sie auch den Sudetendeutschen nicht verleugnen. . . . 7. Jänner Lorbschad hat vormittags frei. Ich nehme mir ein Taxi (hier sagt man „ T a x e " wie in meinen Kriminalromanen) und fahre in den Hedwigsdom. Die Kirche ist außen klassizistisches Barock. Innen hat die Kühle, die diesem Stil schon eignet, noch stärkere Wirkung erhalten durch die glatten Marmorflächen der die Apsis abschließenden Ballustrade, sowie des Chorgestühls für die sechs Domherren und der Predigtpulte. Clemens Holzmeister 2 ) - wer denn auch sonst - hat sich bei der Ausgestaltung der Kirche zum Bischofssitz betätigt. Das Hochamt war schön, Gesang und Musik konnten sich hören lassen. Leider war der Bischof nicht da. Sein früherer D o m , der von Eichstätt, war gewiß großartiger. Beim Weggehen griff mich jemand am Ärmel, es war D r . Krisch, Schuschniggs einstiger zweiter Sekretär, der - mit dreiviertel Pension bedacht - sein Leben dank früherer Bankpraxis als Revisor fristet. Ich sprach einige Worte mit ihm. Kurz darauf redete mich beim Brandenburger T o r ein vermummtes Mädchen an: , , O h , ein Wiener, der Herr Minister!" Sie war früher einmal Ladnerin beim Zuckerbäcker Hornik an der Bellaria. Zu Mittag aß ich bei Flecks. Den Abend verbrachte ich bei Uhlmanns; außer mir waren noch Megerles zugegen. 8. Jänner Vormittags um 10 Uhr nahm ich das erstemal an einer „Chefbesprechung" bei Reinecke teil. Es war für mich außerordentlich interessant, einmal in einem Kreise deutscher Offiziere eine solche Veranstaltung mitzumachen. Das Wort führte zunächst Reinecke selbst, der eine Reihe von Materien durchbesprach. Einen breiten Teil nahm das Verhältnis zur SS ein, das offenbar manchen Anlaß zur Klage bot. So scheint im Heere das Gerücht verbreitet zu sein, daß sich die SS im Osten alle fetten Bissen an freien Gütern etc. aneigne. Reinecke stellte fest, daß es nicht gelungen sei, auch nur einen einzigen konkreten Fall gehört zu haben. Im übrigen seien auch bei der Umsiedlung vorderhand nur „kommissarische" Besitznahmen vorgesehen, indes die definitive Besitzregelung im Osten erst nach Heimkehr der Soldaten unter *) Heinrich Schicht (Ringelshain, 1 . 2 . 1 8 8 0 bis ?), Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen J u r gens-Werke A . G . , H a m b u r g ; der Georg S c h i c h t - A . G . , Aussig; Geschäftsführer der Margarine-Verk a u f s - G . m . b . H . Berlin; Vorsitzender des Aufsichtsrates der A . G . f. Fettindustrie, Berlin, der „ A r m a d a " , Vereinigte ö l - und Margarine-Werke A . G . , Danzig; der ö s t . G e o r g S c h i c h t - A . G . , Wien. 2 ) Clemens Holzmeister (geb. Fulpmes, T i r o l , 2 7 . 3 . 1 8 8 6 ) , bedeutender Architekt, Kirchenbaumeister, Bühnenbildner; bis 1957 Professor an der Wiener Akademie der Bildenden Künste.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

besonderer Berücksichtigung der letzteren stattfinden werde. Sehr eingehend wurde auch der Befehl der SS erörtert, der (mir schon durch Muff bekannt) Ende Oktober 1939 herausgekommen war und nichts geringeres besagte, als daß jeder SS-Mann vor dem Abgang ins Feld' irgendeine deutsche Frau oder ein deutsches Mädchen unter Außerachtlassung von sonst traditionellen Vorstellungen - mit einer Frucht im Leibe beglückt haben sollte 3 ). Der Befehl hat im Heere unerhörte Empörung hervorgerufen. Ein General 4 ) soll diese Empörung allzu deutlich geäußert haben, was ihm schlecht angeschlagen hat. Im Zusammenhang mit dem erwähnten SS-Erlaß kam Reinecke auch auf den Weihnachtshirtenbrief von Heß an die ledige Mutter zu sprechen. Ich ließ mir die Bemerkung nicht entgehen: ,,Im reaktionären, katholischen Österreich wurde zu Beginn des Weltkriegs eine kaiserliche Verordnung erlassen, die festsetzte, daß Bräute gefallener Soldaten nicht nur den Namen des Bräutigams zugesprochen erhielten, sondern auch weitgehend in die Rechte einer legitimen Witwe eintraten." Ein zweiter interessanter Punkt aus den Ausführungen Reineckes bildete die Bemerkung, daß von vielen „Unteroffizieren" bei der Wehrmacht in der Frage der Ausübung religiöser Pflichten ein Zwang ausgeübt werde. Der Führer habe strengstens befohlen, daß ein solcher Zwang unbedingt zu unterbleiben habe. (Muff sagte mir im Herbst, in seinem Generalat bestünde die Weisung, daß jeder, der an den religiösen Veranstaltungen n i c h t teilnehmen wolle, darum zu bitten habe. Rabenau meint, daß für die Wehrmachtsgeistlichen, obgleich sie Heeresbeamte seien, in jedem Kommandobereich andere Bestimmungen bestünden, was einem Drücken um Entscheidungen in den oberen Befehlsbereichen bedeute.) Insgesamt dauerte die Besprechung 3 Stunden. Die Einzelheiten sind mir entfallen, da die Ressorts aller Abteilungen durchbesprochen wurden. Bei der Abteilung 3 ) S S - B e f e h l f ü r die gesamte SS und Polizei, 2 8 . 1 0 . 1 9 3 9 , u n d A u f r u f H i m m l e r s „ A n alle M ä n n e r der SS und der Polizei", 3 0 . 1 . 1 9 4 0 , der Klarstellungen zu diesem B e f e h l enthielt, ihn aber nicht a b s c h w ä c h te. Vgl. K . J . M ü l l e r , Das Heer und Hitler. A r m e e u n d nationalsozialistisches R e g i m e 1 9 3 3 - 1 9 4 0 , Stuttgart 1 9 6 9 , 4 5 9 - 4 7 0 . 4 ) T h e o d o r G r o p p e (Trier, 1 6 . 8 . 1 8 8 2 bis 2 8 . 4 . 1 9 7 3 , Trier), 2 5 . 4 . 1 9 0 0 Eintritt in die p r e u ß . A r m e e , ins IR. 1 3 1 , O b l t . u. H p t m . im 1. W e l t k r i e g , Ü b e r n a h m e in die R e i c h s w e h r , 3 1 . 1 . 1 9 3 3 als char. G e n . M j r . verabschiedet, 1 . 1 0 . 1 9 3 3 als K d r . d. G r e n z s c h u t z d i v i s i o n in G l e i w i t z w i e d e r eingestellt; sollte z u m 1 . 1 0 . 1 9 3 9 neuerlich entlassen w e r d e n , da seine „ H a l t u n g in weltanschaulichen Fragen nicht den A n f o r d e r u n g e n entsprach, die einem O f f i z i e r der nationalsozialistischen W e h r m a c h t gestellt w e r d e n m ü s s e n " ; 1 . 9 . 1 9 3 9 K d r . 2 1 4 . I n f . D i v . ; 1 . 1 1 . 1 9 3 9 G e n . L t . ; w u r d e w e g e n seines W i d e r s t a n d e s gegen bef o h l e n e J u d e n p o g r o m e , e m p f o h l e n e Einrichtung v o n Bordellen im H i n t e r l a n d der F r o n t u n d dem erw ä h n t e n S S - B e f e h l mit 6 . 2 . 1 9 4 0 z u r F ü h r e r r e s e r v e v e r s e t z t ; wegen seiner Zeugenaussage im sogen. S t o l p e r - P r o z e ß mit 3 1 . 1 2 . 1 9 4 1 aus dem aktiven W e h r d i e n s t entlassen, mit 3 . 5 . 1 9 4 2 die Berechtigung z u m Tragen der U n i f o r m des Heeres a u f g e h o b e n und das Recht zur F ü h r u n g des Titels „ G e n e r a l l e u t nant a . D . " aberkannt, nach dem 2 0 . 7 . 1 9 4 4 in G e s t a p o h a f t , mit 1 8 . 1 . 1 9 4 5 U b e r w e i s u n g in die Festungshaft nach K ü s t r i n , Liquidierung v o n H i m m l e r a n g e o r d n e t , doch d u r c h den K m d t . d. Festungsstrafanstalt v e r h i n d e r t ; 1 9 5 9 - 1 9 6 2 Präsident der D e u t s c h - F r a n z ö s i s c h e n Gesellschaft. Schrieb: Ein K a m p f um Recht und Sitte, Erlebnisse um W e h r m a c h t , Partei, G e s t a p o , 1. A u f l . Trier 1 9 4 7 , 2. A u f l . Trier 1 9 5 9 . V g l . : P. L o t h a r G r o p p e S . J . , T h e o d o r G r o p p e ( 1 8 8 2 - 1 9 7 3 ) - der „ S c h w a r z e G e n e r a l " . Ein D e u t s c h e r Soldat im K a m p f f ü r Recht und Sitte (Miscellanea X X X I I des Arbeitskreises f ü r K i r c h l i c h e Zeit- u n d W i e n e r Diözesangeschichte, W i e n e r K a t h o l i s c h e A k a d e m i e ) , W i e n 1 9 7 7 .

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„Inland" konnte ich wieder feststellen, wie unerhört zersplittert das Presse- und Propagandawesen gehandhabt wird. Es gibt kaum eine wichtigere mögliche Stelle, die nicht damit zu tun hätte. Wie einfach waren im Vergleich dazu die Organisationen in dem so komplizierten alten Österreich-Ungarn! In der Judenfrage heißt es, daß jeder Jude im Mannschaftsstande Frontkämpfer werden könne. Dagegen stehe eine Entscheidung bevor, daß in Hinkunft für die Erreichung des Offiziersstandes ein jüdischer Großelternteil nachgesehen werden werde, Mischlinge höheren Grades jedoch unbedingt ausgeschlossen würden 5 ). Bei der Pensionistenfrage brach ich eine scharfe Lanze für die altösterreichischen Pensionisten, wobei ich den Fall Klepsch-Kloth hervorhob, der durch die Angliederung Böhmens „Reichsdeutscher" geworden sei, deutsche Orden „bis zum Hosentürl heraus" hängen habe und trotzdem als pensionierter Generalleutnant nach wie vor 180 Reichsmark Monatspension von der tschechischen Regierung beziehe. Sieler, der an der Besprechung teilnahm und dem ich hohes Lob spendete, teilte mir nachher mit, daß am 1. April die Frage der sogenannten „Beamtenpensionisten" (ä la Kerchnawe) einer günstigen Lösung entgegengeführt werde 6 ). Sehr gütige Worte der Begrüßung fand Reinecke für mich. Ich darf überhaupt sagen, daß ich sehr anständig behandelt werde, abgesehen davon, daß ich vorderhand ein Spaziergänger bin, was ich aber seit dem 13. März 1938 gewohnt bin. Zum Frühstück war ich im Eden-Hotel, wo ich meine Verbindlichkeiten aus dem Vormonat in Ordnung brachte und endgültig Abschied nahm. 9. Jänner 11 Uhr vormittags Besuch beim Staatsminister Popitz 7 ). Zunächst Gespräch über Österreich. Popitz, mit dem goldenen Parteiabzeichen geschmückt, ist der einzige 5 ) Durch Verfügung des Reichswehrministers vom 2 8 . 2 . 1 9 3 4 war der sogenannte „Arierparagraph" (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums) vom 7 . 4 . 1 9 3 3 auf die Soldaten anzuwenden. Das hieß, daß Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften nichtarischer Abstammung aus der Reichswehr entlassen werden mußten. Als nichtarisch galt, wer von nichtarischen, besonders jüdischen, Eltern oder Großeltern abstammte, auch wenn er außerehelich geboren wurde. Es genügte, wenn ein Großelternteil nichtarisch war. Durch die Verordnung über die Zulassung von Nichtariern zum aktiven Wehrdienst vom 25. 7.1935 wurde unter anderem verfügt, daß „Personen, deren beide Eltern jüdischen Blutes sind, oder die drei jüdische Großelternteile haben" zum Wehrdienst nicht herangezogen werden. Ausnahmen konnten für Nichtarier zugelassen werden, „ d i e nicht mehr als zwei voll nichtarische, insbesondere jüdische, Großelternteile haben". Diese Verordnung trat mit Ablauf des Monats Februar 1937 wieder außer Kraft. Vgl. R. Absolon, Die Wehrmacht im Dritten Reich (Schriften des Bundesarchivs, Bd. 16), 1. Bd., Boppard/Rhein 1969, 154ff., 3. Bd., Boppard 1975, 384ff. 6 ) Vgl. ö s t . Staatsarchiv/Finanzarchiv, Pensionsakt nr. 226409/1953: Kerchnawe hatte mit 17.4.1939 die Bitte um „Rückübersetzung zum Heerespensionisten" gestellt. Er sei bis 31.10.1920 aktiver Offizier (Generalmajor), dann Vertragsangestellter im Liquidierungsdienst bis 1.8.1924 gewesen. Er sei hiebei „als Nichtjurist" um eine Dienstklasse zurückversetzt worden. Mit Bescheid vom 23.1.1941 wurde Kerchnawe, der am 13.12.1940 einen neuerlichen Antrag in dieser Hinsicht gestellt hatte, eine Zuwendung gewährt. 7 ) Johannes Popitz (Leipzig, 2.12.1884 bis 2 . 2 . 1 9 4 5 , hingerichtet in Berlin-Plötzensee), Finanzfachmann, seit 1919 im Reichsfinanzministerium, 1925-1929 dort Staatssekretär, 1.11.1932 bis 30.1.1933 Reichsmin. ohne Geschäftsbereich u. komm. Leiter des preuß. Finanzmin., IV./1933 bis

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übrig gebliebene preußische Staatsminister und, obgleich nicht von der Partei kommend, ein Vertrauter Görings, den er allerdings jetzt nur äußerst selten sieht. (Hermann ist, meint Popitz, jetzt unausgesetzt in Ängsten - wegen des Kriegsausganges.) Er ist, wenngleich Staatsminister, Mitglied des Kriegskabinetts und verkörpert, bei aller persönlichen Liebenswürdigkeit, den preußischen Partikularismus in der schärfsten-Form. Für ihn ist Preußen das Wunderbarste, die Reichsministerien sind ihm zu ,,traditionslos", womit er meint, daß das Reich von Preußen aus regiert werden müßte etc. etc. Uber die Preußenfeindschaft, die in Österreich herrschend geworden ist und unter anderem selbst den Offiziersfrauen das Einkaufen erschwert, weil ihnen ihre preußische Aussprache Zumindestens eine unfreundliche Äußerung einträgt, ist Popitz sehr unglücklich. Er fragt mich immer wieder über die Ursachen und flicht ein, daß es in Ostelbien genug Leute gäbe, die der Meinung seien, „ w i r " hätten Österreich gar nicht gebraucht. Dann kamen wir auf die Verfassungsreform zu sprechen und wir stimmen vollauf überein, daß die Zwerggaue, auf die Österreich zum Teil aufgeteilt wurde, entweder zu einem neuen entsetzlichen Partikularismus oder zu einem scharfen Zentralismus, nie aber zu einer gesunden Autonomie bei entsprechend starker Reichsgewalt führen könne. Wir lehnen beide das französische Arrondissementsystem ab. Meine Auffassung, daß man Österreich zunächst beisammen lassen und allmählich erst hätte überführen dürfen, pflichtet er nicht 100%ig bei, aber er läßt mit sich reden. Dann kommen wir auf die allgemeine Lage. Er sieht sie sehr wenig hell und meint, dem Reiche winkten eigentlich jetzt, v o r der wiederholt geplanten und immer wieder abgesagten Offensive, die letzten Chancen für einen allgemeinen Frieden. Wiedererrichtung eines Kongreßpolens, Lockerung der tschechischen Bindungen. Wir führen noch sehr ernste Reden und gehen mit der Versicherung, zusammenzuarbeiten, auseinander. Mittags Essen im Esplanade mit Gautier und zwei Industriellen, die in der Friedensfrage durchwegs den gleichen Standpunkt wie Popitz vertreten. . . . 10. Jänner Früh vor den Amtsstunden suchte ich Pabst 8 ) in seinem Büro auf. Er führte mich in ein elegantes Konferenzzimmer des „Wehrwirtschaftsstabes" Kurfürstenstraße VII./1944 preuß. Finanzminister, Teilnehmer der Mittwoch-Gesellschaft um Ludwig Beck u. Karl Gördeler; von den Verschwörern als Kultusminister vorgesehen. 3 . 1 0 . 1 9 4 4 zum T o d e verurteilt. ») Waldemar Pabst (Berlin, 2 4 . 1 2 . 1 8 8 0 bis 2 9 . 5 . 1 9 7 0 , ?), ab 1899 in der preuß. Armee, ab 1914 Genstabsoffz., bei Kriegsende als H p t m . d . G . 1. Genstabsoffz. Garde-Kavallerie-Schützendiv., I./1919 an der Niederschlagung des Spartakusaufstandes und an der Ermordung von Rosa Luxemburg u. Karl Liebknecht beteiligt, VII./1919 verabschiedet, III./1920 nach Mißlingen des Kapp-Putsches Flucht nach Ungarn u. Österreich, organisierte sodann in Tirol die Heimwehr, 1 . 5 . 1 9 2 2 offiziell Stabschef des Heimwehrführers Steidle, gleichzeitig nachrichtendienstlich für Deutschland bezügl. Österreich und Südtirol tätig, 14. 6.1931 auf Befehl Bundeskanzler Schobers verhaftet und nach Italien abgeschoben, 29.10.1932 Ausweisung aufgehoben; später Chef der Waffenabteilung der Firma Rheinmetall-Borsig in Berlin, IX./1939 als Mjr., IV./1940 aus dem Heer entlassen, 1943 Emigration in die Schweiz, 1955 Rückkehr nach der Bundesrepublik Deutschland (Düsseldorf). Uber seine Darstellung der Ereignisse im

Preußenfeindlichkeit in Österreich

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und berichtete mir vor allem, daß am Vorabend beim Führer in einer Besprechung neuerlich die geplante Offensive um einige Tage verschoben worden sei, da die Wetterpropheten für den Beginn der nächsten Woche Tauwetter vorhergesagt hätten (das dann in der Tat eintrat). Die Offensive sei für den 14. geplant gewesen und zwar über Holland und Belgien. Allerdings spreche man auch von einer Besetzung von Teilen Dänemarks. Beim Frühstück mit Fritz Brinckmann, dem Pour-le-merite-Ritter und guten alten Bekannten aus Brest-Litowsk, konnte ich diese Mitteilungen verifizieren. Pabst ist I a bei General Thomas, dem Chef des Wehrwirtschaftsstabes, Brinckmann in der Auslandsabteilung bei Canaris tätig. Während Pabst - wie auch nicht! - einigermaßen angriffslustig ist, teilt Brinckmann meine Meinung, daß vor dem Angriff noch ein Friedensschritt gemacht werden müsse. Der Führer hoffe jedoch, mit einem solchen Schritt nach der Offensive mehr erreichen zu können. Auch sonst weitgehende Ideenübereinstimmung zwischen Brinckmann und mir. Nachher Zusammenkunft mit Guido Schmidt im Eden-Hotel. Er war längere Zeit auf dem Arlberg mit Mühlmann beisammen. Dieser hat ihm Näheres über die „ S ü h n e " für die zwei in Bochnia umgebrachten Wiener Polizisten erzählt. Es seien vor einem frischgeschaufelten Massengrab 50 Polen zusammengetrieben worden. Als jedoch Seyß, Zech 9 ) (oberster Polizeiführer von Krakau), Wächter und Mühlmann über den Hauptplatz von Bochnia zur Exekution fuhren, habe Zech fünf an einen Brunnen gelehnte, halb erfrorene und verhungerte Gestalten wahrgenommen und ein Zeichen gegeben, sie gleich zur Exekution mitzuführen. Wächter und Mühlmann hätten sich für die Freisetzung der fünf eingesetzt, Seyß habe blinzelnd und schweigsam zugehorcht, ohne die geringsten menschlichen Töne von sich zu geben. Schließlich seien die fünf wirklich freigelassen worden. Das Hinmähen der 50 sei furchtbar gewesen, die meisten seien entseelt in die Grube hinter ihnen gefallen, einem oder dem anderen habe man noch einen Gnadenschuß gegeben. Warum allerdings Seyß und Mühlmann bei diesem furchtbaren Blutgericht dabei geblieben sind? Niemand hat es ihnen geheißen. Mühlmann will, wie er Schmidt erzählte, auf dem Arlberg den Generalinspektor Todt gefragt haben, ob der Führer mit diesen Methoden einverstanden sei. Todt habe den Kopf in die Hand gestützt und nachdenklich mit einem Bleistift ein paar Figuren auf ein Stück Papier gezeichnet. 11. Jänner Vormittags Telephongespräch mit Ministerialrat Otter, einem der im Reichsinnenministerium eingeteilten Österreicher. Ich wollte einige Auskünfte über das

J ä n n e r 1919 vgl. D e r Spiegel, N r . 16 v. 1 8 . 4 . 1 9 6 2 . U b e r seine Aktivitäten in der H e i m w e h r siehe: C . E . E d m o n d s o n , T h e H e i m w e h r and Austrian Politics 1 9 1 8 - 1 9 3 6 , T h e University of Georgia Press Athens 1978 (vgl. Reg.). Pabsts unpublizierte Memoiren erliegen in seinem Schriftennachlaß im Bundesarchiv/Militärarchiv, Freiburg. ») Karl Zech (Swinemünde, 6 . 2 . 1 8 9 2 bis ?), 1932/33 Mitglied des preuß. Landtages, 1933 S S - O b e r führer u. Führer des SS-Abschnittes V in Essen, 1938 SS-Gruppenführer u. C h e f des Führungshauptamtes im SS-Hauptamt, 1939 bis 1 . 1 0 . 1 9 4 4 Polizeipräs. u. SS-Führer in Krakau.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

deutsche Vereinsrecht. Da meldete sich, als Gast Otters, Erich Gruber und ich vereinbarte mit ihm ein Frühstück im Eden-Hotel. Bei diesem Anlasse teilte mir Gruber brühwarm mit, er habe auf dem Schreibtisch Otters eine von der Kanzlei des Staatssekretärs Pfundtner stammende Notiz gefunden, in der es hieß, der Führer habe angeordnet, ich sei zu pensionieren 10 ) und gleichzeitig als „Angestellter", das heißt im Vertrage, mit der Aufsicht über sämtliche Archive mit Ausnahme der privaten zu betrauen. Das Telephongespräch mit Frick, das ich am 8. geführt hatte, hatte ein rasches Ergebnis, leider nicht so, wie ich es wünschte. Vor Jahresfrist hätte ich dieses Amt sehr, sehr gerne übernommen. Da man mich aber so lange an der Nase herumzog und ich außerdem mit Schicht schon gewisse Bindungen eingegangen war, machte mir die Sache gar keine Freude. Es hieß nun, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen versuchen, wobei ich natürlich den wohlmeinenden Frick nicht vergrämen durfte. Auch Erich Gruber versprach, nachzudenken und mir bei dem für den nächsten Tag verabredeten Tee Vorschläge zu erstatten. Nachmittags Sitzung bei Oberstleutnant Friede wegen einer Verordnung, die vom obersten Reichsverteidigungsrat wegen der Kriegsgräberfürsorge während des Krieges herausgegeben werden sollte. Ich war so vom Schlaf übermannt, daß ich mich nur mit größter Mühe aufrechterhielt. Friede und Sonntag 11 ) verteidigten übrigens ihren Standpunkt sehr gut. 12. Jänner 13.30 Uhr im Fürstenhof Frühstück mit Admiral von Trotha, meinem lieben Freunde, und einigen Herren, darunter einem ehemaligen Marineoffizier mit goldenem Parteiabzeichen, der zur Zeit Stellvertreter Hirls im RAD 1 2 ) ist. Nachher eine kurze Unterredung mit Trotha unter vier Augen, die volle Ubereinstimmung in der Beurteilung der Lage erwies. Dem alten Seebären liegt übrigens der Respekt vor England noch in allen Knochen. Nachher im Café Fürstenhof sehr interessante Aussprache mit Dr. Ullmann, die an die Unterredung mit Popitz anknüpfte. Unser Freund Gredler 13 ) soll, wie ver10 ) Vgl. BA.-sign. R 43 II, nr. 1357b: Glaise an den Reichsminister des Innern, Berlin, 18.12.1939, O r . : , , . . . Als General z . b . V . beim O K W z u m Wehrdienst einberufen, bitte ich, beim Führer u n d Reichskanzler meine E n t h e b u n g als Mitglied der liquidierenden Landesregierung und meine Verabschiedung nach Abschn. 13, § 162, Abs. 1, des Beamtengesetzes v o m 2 6 . 7 . 1 9 2 7 (Gesetzblatt für Österreich N r . 8/1939) unter entsprechender A n r e c h n u n g meiner seit dem Jahre 1903 im Staatsdienste verbrachten Dienstjahre zu e r w i r k e n . " " ) v. Sonntag (?). Lt. Rangliste 1944/45: 1.11.1940 M j r . , O K H , Generalinspekteur f . d . F ü h r e r nachwuchs. 12 ) Laut K. Stamm, D e r Reichsarbeitsdienst, 3. Aufl. Berlin 1940, 189ff. ist n u r ein „Stellvertreter des Reichsarbeitsführers für den Arbeitsdienst für die weibliche J u g e n d " eingeteilt. Ansonsten unterstanden ihm Inspekteure f ü r die jeweiligen Angelegenheiten. 13 ) Richard G r e d l e r - O x e n b a u e r (Wien, 17.5.1886 bis 6 . 7 . 1 9 4 8 , Wien), 1 8 . 8 . 1 9 0 7 aus der PiKSch. als Kadett-Offiziersstellvertreter zu PiBaon. 6, 1 . 5 . 1 9 1 0 Lt., 1 . 8 . 1 9 1 4 O b l t . PiBaon. 8, 1 . 5 . 1 9 1 7 H p t m . , ab 2 . 1 0 . 1 9 1 7 (bis Kriegsende) Lehrer f. Pionierwesen a . d . Milak., 1.12.1918 bis 3 1 . 3 . 1 9 2 0 beim Deutschöst. H a u p t a m t f. Sachdemobilisierung, sodann bis 1 . 8 . 1 9 2 0 Leiter der Fabriksverwaltung im Industriewerk Arsenal, sodann Privatindustrie; 2 7 . 8 . 1 9 2 4 T i t u l a r - M j r . ; ab 1928 beim H e i m a t s c h u t z ,

Weißbuch über den „Kampf um Österreich"

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schiedene Ärzte wissen, seelisch krank sein und von seinem Hausarzt unausgesetzt unter Injektionen gesetzt werden. Hysterie und Schizophrenie. Eigentlich eine furchtbare Sache. Der selige Kiszling hatte also doch nicht so unrecht. 18 Uhr gab ich Gruber und Otter einen Tee im Eden. Iltz 14 ), der auch geladen war, kam nicht. Wir sprachen viel über die Überlegenheit der österreichischen Verwaltung über die deutsche, die auch deutscherseits vielfach anerkannt werde, wenn auch immer wieder über die bei den Landräten eingeteilten österreichischen Beamten Klagen einliefen. Was meine persönliche Angelegenheit anlangte, so kam ich mit dem Gedanken, daß wohl eine Pensionierung möglich sei, nicht aber - im Hinblick auf meine Einziehung zum Wehrdienst - eine „Anstellung". Angestellt könne man nur werden, wenn man wirklich den betreffenden Dienst aufnehme. Da dies bei mir nicht möglich sei, so müsse die „Anstellung" für die Zeit nach dem Kriege aufgeschoben werden. Otter versprach, die Sache nach Möglichkeit so zu deichseln. Als ich nach 7 Uhr nach Hause kam, um ungarische Salami zu nachtmahlen, wurde mir plötzlich Borodajkewycz gemeldet. Ich hatte in den vergangenen Tagen mehrfach Telefongespräche und Unterredungen wegen des geplanten Weißbuches über den „Kampf um Österreich" und dabei Megerle geraten, an Stelle des in Österreich überhaupt noch nie gewesenen Dr. Oehrich 15 ) (Amt Berber 16 )) einen Österreicher, und zwar Boro, mit der Abfassung zu betrauen. In echt preußischem Tempo war Boro herbeigeholt worden. Er kam um 9 Uhr abends zu mir und nahm auch neben mir in der Pension Wohnung. Wir sprachen viel über dies und das. Dieser spindeldürre Fanatiker, dessen Frau übrigens - wie er mir glückselig mitab 1932 Beamter des Heimatschutzes, später Brigadeführer, VIII./1933 bis V./1934 Lagerführer des O s t . freiwilligen Arbeitsdienstes in Matzleinsdorf bei Melk, 4 . 6 . 1 9 3 4 bis 3 1 . 5 . 1 9 3 8 Leiter des Regenerierwerkes bei „ S e m p e r i t " ; 1936 M i l i z - G r u p p e n k m d t . im Viertel unter dem Wienerwald, 12.3.1938 bis 12.11.1942 K Z Dachau, sodann B u c h p r ü f e r ; V./1945 bis 2 2 . 2 . 1 9 4 6 ö f f e n t l . Verwalter des Sanatoriums Rekawinkel. u ) Wahrscheinlich Walter B r u n o Iltz (Praust, 17.11.1886 bis ?), 1927-1937 Generalintendant der Städtischen Bühnen Düsseldorf, 1938-1945 Intendant des „ D e u t s c h e n Volkstheaters" und der „ K o m ö die" in Wien. ls ) K o n n t e nicht identifiziert w e r d e n . 16 ) Fritz Berber (geb. M a r b u r g , 27.11.1898), 1930 D o z e n t an der H o c h s c h u l e f ü r Politik in Berlin, 1931-1933 Leiter der dortigen Forschungsabteilung, 1934-1937 Leiter am Kaiser Wilhelm-Institut f. ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1936-1944 stellv. Leiter des Instituts für auswärtige Politik in H a m b u r g , 1937 ao. U n i v . - P r o f . Universität Berlin, 1940 oö. P r o f . , ab 1950 völkerrechtl. Berater der indischen Regierung in N e w Delhi, ab 1954 o. U n i v . - P r o f . des Völkerrechts und der Staatsphilosophie an der Univ. M ü n c h e n . Vgl. Festschrift für Friedrich Berber z u m 75. Geburtstag, München 1973. D o r t S. 575 f. eine Bibliographie Friedrich Berbers. H e r v o r z u h e b e n für den hier zu behandelnden Zeitraum ist: Europäische Politik 1933-1938 im Spiegel der Prager A k t e n ( = Veröffentlichungen des Deutschen Instituts für außenpolitische Forschungen, Bd. 8), Essen 1941, 2. Aufl. 1942. Bei: Ralf R . Koerner, So haben sie es damals gemacht . . . Die P r o pagandavorbereitungen z u m Österreich-Anschluß durch das Hitlerregime 1933 bis 1938, Wien 1958, 321, ist der Buchtitel: Berber, Fritz ( H g . ) , Kampf u m Österreich. Die Entwicklung der österreichischen Frage seit 1918 in D o k u m e n t e n , Essen 1941, angeführt. Dieser Titel k o n n t e weder mit bibliographischen Hilfsmitteln erfaßt, noch im internationalen Leihverkehr aus einer Bibliothek der Bundesrepublik Deutschland entlehnt, noch in der Bibliographie der W e r k e Berbers festgestellt werden.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

teilte - im dritten Monat sich befindet, wird auch in vielerlei schon recht nachdenklich. Im einzelnen bestätigte er mir, was ich in der Früh auf der Elektrischen von Legationsrat Hudeczek 1 7 ) erfahren hatte: nicht Schmidt, wie es - auch nach dessen Mitteilungen - vorübergehend hieß, sondern Neubacher geht als deutscher Wirtschaftskommissar nach Bukarest. Also auch er. Und wie hat er doch gehofft, daß in der Bürgermeisterfrage der Führer gegen Bürckel und für ihn, „seinen besten Bürgermeister", wie nach Versicherung von Neubacher und Frau einmal gesagt worden sein soll, entscheiden werde! An Stelle Neubachers soll, nach Boros Mitteilung, Reschny Bürgermeister von Wien werden. Ich habe Reschny nicht ungern, er ist ein braver, anständiger Mann, allerdings nur insofern „alter Kämpfer", als er noch vor der Verbotszeit vom Führer ins Reich gerufen worden war, um dort - von der schönen Stadt Godesberg aus - die österreichische Legion zu befehligen. Auch ist er alles eher denn repräsentativ (ehemaliger Volksschullehrer) und ein Redner. Wenn ich da an den letzten Schullehrer auf dem Wiener Bürgermeistersessel denke, Herrn Seitz 1 8 ), den arbiter elegantiarum! (Dieser soll übrigens der Frau v. Imhoff 1 9 ), geborene Heinzheimer, auf erinnerungsvolle Worte wegen eines einst gespendeten Hochzeitsbuschens kürzlich gesagt haben: „ E s wird nicht lange dauern, und ich werde Ihnen wieder als Bürgermeister eine solche Freude bereiten können.") Natürlich hatte die Berufung Neubachers auch sonst eine Vorgeschichte. Schmidt war der Kandidat Görings. Noch ehe er aber nein sagen konnte, mengte sich das Auswärtige Amt ein, das erstens seine Ressortzuständigkeit unterstrich und zweitens Schmidt auch wegen seiner seinerzeitigen Ministerschaft ablehnte. Es schickte auch in größter Eile den unvermeidlichen Veesenmeyer als ersten Wirtschaftskommissar nach Bukarest, dem nun, auf besonderen Wunsch von Clodius, Neubacher nachfolgen soll. Die Rumänen werden eine Freude haben, wenn sie von Wirtschaftskommissaren nur so überschüttet werden. Dabei scheint wirklich Schmidt auf Grund seiner letzten Bukarester Aufenthalte den Leuten die Zähne lang gemacht zu haben. . . . Gruber hatte die Nachricht gebracht, man habe bereits mein Büro auf dem Ballhausplatz geräumt. Wenn es der Konsistorialrat Barth schon nicht erwarten kann, die Gemächer zu beziehen, von denen aus einst Kaunitz, Metternich, Felix Schwarzenberg nicht nur die Geschicke Österreichs, sondern Europas geleitet hatten -

1 7 ) Karl Hudeczek (Josefstadt, Böhmen, 1 5 . 9 . 1 8 8 9 bis 2 3 . 1 0 . 1 9 7 1 , Wien), 1913 Dr. iur., 1.8.1914 Konzeptpraktikant beim gemeinsamen Obersten Rechnungshof, nach 1918 im Bundeskanzleramt, 1 9 2 3 - 1 9 2 4 dem Völkerbund zugeteilt, 1 9 2 4 - 1 9 3 0 der Gesandtschaft in Moskau zugeteilt, ab 1930 Stellvertreter des Abteilungsvorstandes in der handelspolit. Abteilung des B K A (bis 1938). 1 S ) Karl Seitz (Wien, 4 . 9 . 1 8 6 9 bis 3 . 2 . 1 9 5 0 , Wien), Volksschullehrer, 1901 sozialdemokratischer Abgeordneter zum ö s t . Reichsrat u. zum nö. Landtag, X . / 1 9 1 8 Präsident der provisorischen Nationalversammlung, 1919 Präsident der konstituierenden Nationalversammlung, 1923 Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien (bis 1934), im Nationalrat bis 1933 und ab 1945.

" ) Vielleicht eine Angehörige der Familie der Freiherrn Imhof(f) zu Spielberg, die in Salzburg lebten und wie Glaise-Horstenau der „Vereinigung katholischer Edelleute" angehörten: Angela, Ida oder Louise Freiin Imhof zu Spielberg.

Die Polen als Heloten

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warum soll nicht ein Ministerialrat Kramer 2 0 ), mag er sich sonst noch so sehr als subalterne Seele erweisen, danach dürsten, endlich im „Roten Salon" sein W i g w a m aufzuschlagen. Nun teilte mir Troll allerdings telefonisch mit, daß Kramer nur gebeten habe, verständigt zu werden, wenn ich das nächstemal nach Wien käme. Da Schmidt mir wegen einer Aktion für Schuschnigg unablässig im Ohr liegt, fragte ich Boro, wie es eigentlich um ihn bestellt sei. Dieser wußte als Mitglied des SD so viel, daß Schuschnigg nach München transferiert worden sei, ob von dort weiter, war ihm unbekannt. Übrigens sei die gute Vera auf dem Kahlenberg mit einem Studenten erwischt worden, was ihr die Gestapo vorgehalten habe. 13. Jänner Vormittags Besuch bei Oehrich mit Boro, der sich dort in die Sachen einweihen ließ. Das Weißbuch soll aus Akten mit kurzen verbindenden Texten bestehen. Mit meinem Segen zog Boro ab. Mittags kam Oberstleutnant Friede, Chef Abteilung Allgemeines, zu mir, um mir einiges über die Besprechungen zu erzählen, die er am Vortage in Zossen über Polen hatte. Westlich der San-Weichsel-Narew-Linie soll ein Streifen von etwa anderthalb Kilometer Breite für einen Ostwall frei gehalten bleiben. Außerdem sollen drei große Übungsplätze für Heer und Luftwaffe - einer hinter dem Narew, einer im Weichsellande, einer in Westgalizien südwestlich der Sanmündung - angelegt werden. Die Idee der Soldatenkolonnien in und hinter der Bunkerlinie ist vom Führer aufgegeben worden. Das deutsche Kolonisationswerk soll im Gegenteil von der Reichsgrenze vor 1918 nach Osten vorgetrieben werden. Übrigens scheint sich bei der Umsiedlungsaktion nicht nur der Juden sondern auch der Baltendeutschen das berühmte preußische Tempo neuerlich bewährt zu haben: nur im größten Caracho an das Hindernis, dann alle vier Beine weggestreckt! Nunmehr sollen selbst die Baltensiedler ihren Besitz zunächst nur kommissarisch verwalten, da die dauernde Bodenbesiedlung erst auf die Zeit nach Rückkehr der Soldaten aus dem Felde verschoben ist. Was mit den Polen geschieht? Sie werden als Bauern ihr Land zu bebauen haben, um so der deutschen Ernährungswirtschaft zu dienen, und werden als Arbeiter bereitstehen, um nach Belieben im großdeutscben Raum eingesetzt zu werden. Sichtlich mühsam entrang sich Friede das Wort „Heloten", womit er die Lage kennzeichnete 2 1 ). Natürlich sieht man aus allem, daß nicht daran gedacht wird, sich mit einem Frieden zu begnügen, der lediglich ein Lockerlassen der

2 0 ) A l f r e d K r a m e r (?, 3 . 1 . 1 8 8 2 bis 2 1 . 1 1 . 1 9 4 7 , ?), D r . i u r . , ab 1 0 . 1 . 1 9 0 7 im Staatsdienst als L a n d e s r e g i e r u n g s k o n z e p t s p r a k t i k a n t bei der schlesischen L a n d e s r e g i e r u n g in Bielitz, ab 8. 3 . 1 9 2 0 im Staatsamt b z w . B M . f. Inneres und U n t e r r i c h t , 1 . 6 . 1 9 2 4 im B K A . als Sektionsrat b z w . M i n i s t e r i a l r a t , I./1934 M i t g l i e d der N S D A P , ab 1938 im M i n i s t e r i u m für kulturelle A n g e l e g e n h e i t e n , dann in der Reichsstatthalterei, 1943 Leitender R e g i e r u n g s d i r e k t o r bei der Reichsstatthalterei in W i e n , 2 4 . 6 . 1 9 4 7 d a u e r n d e r Ruhestand. 2 1 ) Zu den Kenntnissen, die O K H und O K W von den Plänen mit Polen hatten, vgl. M ü l l e r , H e e r und H i t l e r , 4 2 7 f f . ; H . G r o s c u r t h , T a g e b ü c h e r eines A b w e h r o f f i z i e r s 1 9 3 8 - 1 9 4 0 , h g . v. H . Krausnick u. H . C . Deutsch ( Q u e l l e n und Darstellungen z u r Zeitgeschichte, Bd. 19), Stuttgart 1970, 201 f.

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Tschechei und die Wiedererrichtung eines bescheidenen Polens erfordern würde. Manche Leute glauben, es ginge auch im Augenblick noch, einen solchen Frieden zu erzielen. Ich bezweifle es, daß es ohne andere Opfer abginge. Krieg und Sieg sind auf allen Seiten auf die Totalität gestellt. . . . Das Frühstück nahm ich mit einem Freunde aus dem Auswärtigen Amte bei Reich in der Behrensstraße ein. Ich kannte das Lokal noch nicht, glaube aber, daß ich es von nun an öfter besuchen werde. Der Freund erzählte mir vor allem, Mussolini habe vor einigen Tagen eine sehr ernste Warnung nach Berlin geschickt, den Bogen nicht zu überspannen. Das Ergebnis sei aber vorerst das Gegenteil. Unter anderem kam auch die Sprache auf Habicht, der nun das ganze, zu einem riesigen Wasserkopf angewachsene Propagandawesen unterstellt bekommen hat (Altenburg 22 ), Berber mitinbegriffen) und übrigens - wie mir Braunias 23 ) sagte - sogar als Nachfolger des schon etwas havarierten Ribbentrop genannt wird. Der Führer habe Habicht, den er selbst gewählt hat, mit den Worten begrüßt: „Wir haben uns jetzt lange nicht gesehen." (Ich glaube, seit dem 25. Juli 1934 in Bayreuth, von Reichstagssitzungen und dergleichen abgesehen.) Habicht ist jedenfalls ohne Befragung Ribbentrops gewählt worden. Übrigens hat sich bei dem Freunde, mit dem ich speiste, in diesen Tagen Schattenfroh als frischgebackener Titular-Generalkonsul gemeldet, zu dem er auf Vorschlag Habichts für irgendein Propagandaamt an der Westfront ernannt worden ist. Armer Leopold! Trotz Schalks eifriges Werben werden deine Chancen von Tag zu Tag geringer. Im übrigen meinte mein Freund, daß Neubacher voraussichtlich doch mit der Zeit Gesandter in Bukarest werden werde. Dabei kam er in einer Nebenbemerkung darauf zu sprechen, wie sehr ich mich für Budapest eignen würde. Mein Ehrgeiz ist auch für diesen Posten sehr gering geworden, aus begreiflichen Gründen. Erdmannsdorf hat, wie alles im Dritten Reich, angeblich wieder geheiratet, indes seine verflossene Frau ihrem Entführer nicht nach dem fernen Osten gefolgt ist. Abends hätte ich in die Kötzenstraße zu einem Vortrag gehen sollen, den Oberst Professor Dr. Niedermayer 24 ) über „Geistigkeit und Sowjetrußland" hielt. Leider

22 ) G ü n t h e r Altenburg (geb. Königsberg, 5 . 6 . 1 8 9 4 ) , D i p l o m a t , I./1934 bis X I I . / 1 9 3 4 G e s a n d t schaftsrat in Wien, 1935-1939 Vortragender Legationsrat u n d Leiter des Referats I V b (Österreich u. t S R ) in der Polit. A b t . des A . A . , sodann Ministerialdirigent und bis 1941 Leiter des Informationsdienstes des A A . , 1941-1944 Gesandter u n d Bevollmächtigter des Reiches in Griechenland, 1944/1945 Betreuer der bulgarischen und rumänischen Exilregierungen in Wien und Altaussee, ab 1935 Mitglied d. N S D A P , nach 1945 Generalsekretär der D t . G r u p p e der Internationalen H a n d e l s k a m m e r . Vgl. die Personalmappe Altenburg in I . f . Z G . 23 ) Karl Braunias (Wien, 1 6 . 6 . 1 8 9 9 bis 19.8.1965, Wien), D r . jur., ab 2 2 . 3 . 1 9 2 7 im öffentl. Dienst, 3 1 . 1 2 . 1 9 4 3 dauernder Ruhestand als Oberregierungsrat, 3 0 . 4 . 1 9 4 5 Sektionsrat im B K A . , 8 . 1 2 . 1 9 4 9 Legationsrat 2. Klasse, Dienst in M o s k a u , Belgrad u. zuletzt als ao. Gesandter und bevollm. Minister in Budapest, IV./1956 z u r ü c k b e r u f e n , 3 1 . 1 2 . 1 9 6 3 Ruhestand. 24 ) O s k a r v. N i e d e r m a y e r (Freising, 8 . 1 1 . 1 8 8 5 bis ?), 1905 Eintritt in die bayer. Armee als F h j . , Forschungsreisen, f ü h r t e 1915-1917 eine militärdiplomatische Mission durch Persien nach Afghanistan, leitete 1917/1918 eine mil. Expedition gegen die Araber an der H e d s c h a s b a h n , 13.12.1921 aus der Reichswehr verabschiedet, 1924-1931 Leiter der milit. Arbeit in Rußland, 1.5.1932 als Mjr. wieder eingestellt, 3 1 . 3 . 1 9 3 3 ausgeschieden, 1.11.1933 als O b s t l t . (E) wieder eingetreten, 19.9.1936 o. U n i v . -

Was wird aus Neubacher?

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hat mir Oberstleutnant Linde 2 5 ), Stabschef Reineckes, fälschlicherweise mitgeteilt, daß der Vortrag um 8 Uhr beginne. In Wirklichkeit war der Anfang um 7 Uhr und ich wagte nicht mehr hineinzugehen. Rabenau erzählte mir des anderen Tages, daß der Vortrag außerordentlich interessant gewesen sei, sich scharf gegen die Zurückdrängung des Geisteswissenschaftlichen durch das Technische gewendet habe und dabei die Entwicklung in Rußland als Beispiel vorzeigte. Ich meinte zu Rabenau, Niedermayer werde sich in acht nehmen müssen, nicht doch in Sachsenhausen oder Buchenwalde zu landen. 14. Jänner Vormittags Hochamt im D o m . Nachher begleitete mich D r . Krisch, der einstmalige Sekretär Schuschniggs, bis zum Edenhotel. Er erzählte mir von dem unheilvollen Einfluß, den Bartl, in der engeren Umgebung des Kanzlers dessen einziger wirklicher Vertrauter, auf diesen genommen hat. Als Bücherrevisor hat Krisch erfahren, daß der Gedanke, das Zwangssparen im Sinne der Salzburgerrede Funks einzuführen, wegen der zahlreichen Abhebungen aufgegeben worden sei. Was herauskommen wird, wird sich zeigen. Als Funk im September zur Wiener Messe eine Rede hielt, lehnte er es ab, mit überkommenen Methoden wie Anleihen, weiterer Herabminderung des Lebensstandards und Inflation zu arbeiten. Was da wohl übrig bleibt? Nach dem nicht allzu schlechten Eintopfgericht im Eden traf mich auf dem Heimwege Braunias. Wir Österreicher sind alle entwurzelte Existenzen geworden. Für 16.30 Uhr war ich zu Rabenau geladen. Leider war eine größere Gesellschaft anwesend, so daß man nicht vertraulich reden konnte. Rabenau zitierte übrigens ein Wort des gefallenen Fritsch: „Vertraulich kann ich selbst mit mir nur an einem Orte reden, in der Badewanne - und da muß ich die Brause aufdrehen." Trotzdem ist der Hausherr ein so feiner und geistreicher Herr, daß der Abend überaus angeregt verlief. Zudem trug ein Arzt namens Dr. v. Kreß viel zur Unterhaltung bei. Besonders bemerkenswert war dessen Mitteilung, daß Ludendorff seit Beginn des Weltkrieges (!) an Basedow litt und seine unerhörten Entgleisungen nach dem Kriege zum größten Teil in das Krankheitsbild hineinpaßten, wie es jedem Arzte bekannt sei - auch die Hörigkeit gegenüber der zweiten Frau. Besprochen wurde auch, daß Blomberg die Parte seiner Schwester lediglich unter dem Namen ,,Wer-

P r o f . , 1 . 1 0 . 1 9 3 8 O b s t . ( E ) , 1 . 5 . 1 9 4 2 aktiviert und zur 162. I D . , 1 . 9 . 1 9 4 2 G e n . M j r . , 2 1 . 5 . 1 9 4 4 Kdr. Osttruppe 703, 1945 vermißt. Verfasser mehrerer Reisebeschreibungen und Erinnerungen, u . a . : Krieg in Irans Wüsten, Hamburg 1940; Wehrpolitik. Eine Einführung und Begriffsbestimmung, Leipzig 1939; Wesen und Ziel wehrwissenschaftlichen Studiums, in: N S - M o n a t s h e f t e , Folge 1 1 7 / 1 9 3 9 , 1 - 9 . Herausgeber v. Veröffentlichungen des Instituts für allgemeine Wehrlehre der Friedrich Wilhelm-Universität Berlin. 2 5 ) Kurt Linde (geb. G o l l n o w , 2 5 . 1 0 . 1 8 9 5 ) , 1914 Eintritt als Kriegsfreiwilliger im Grenadierrgt. 9, 1 4 . 5 . 1 9 1 5 L t . , Übernahme in die Reichswehr, 1 . 5 . 1 9 3 6 im O K H , 1 . 1 . 1 9 3 9 O b s t l t . , 1939 C h e f des Stabes A W A / O K H , 2 1 . 7 . 1 9 4 0 Kdr. I R . 4 4 2 , 1 . 1 0 . 1 9 4 0 O b s t . , 1 1 . 1 1 . 1 9 4 0 Kdr. J g . R . 229, 1 . 1 0 . 1 9 4 1 C h e f des Stabes A W A / O K H , 1 . 2 . 1 9 4 4 G e n . M j r . u. Stellv. C h e f A W A / O K H .

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ner von Blomberg" (ohne Chargenbezeichnung) in die Zeitung gab. In der Tat habe Blomberg eigentlich nicht das Recht, eine Uniform zu tragen, da er bei seiner Pensionierung auf die Chefstelle beim I R . 63 verzichtet habe. Sehr viel wurde natürlich über Seeckt gesprochen, dessen Lebenserinnerungen Rabenau im zweiten Bande bearbeitet. Für den Nationalsozialismus bezeichnete sich Seeckt - bei aller Anerkennung seiner Dynamik - als zu alt. Mit dem Führer hat Seeckt zum erstenmal im Jahre 1923 gesprochen! Seeckt ist, während seine Frau für einen Augenblick aus dem Zimmer ging - nicht zur Überraschung der Umwelt - einem Herzschlag erlegen. Rabenau hat durch eine Gräfin Waldeck, die eine seiner Vorfahrinnen ist, Karl den Großen im Stammbaum, was mich veranlaßte zu bemerken, daß mir die Ähnlichkeit längst aufgefallen sei, worauf er wieder die Frage aufwarf, ob das nach den Mitteilungen über das Äußere Karls des Großen überhaupt als ein Kompliment zu gelten hätte. In der Kriegsfrage zeigte sich Rabenau recht optimistisch, was wohl zum Teil auch dem größeren Besucherkreise zuzuschreiben war. Mündl 2 6 ), der Gauch, hat ihm von Krakau eine schöne Krakauer Wurst in Aussicht gestellt. Bei diesem Anlasse hätte ich nachzutragen, daß ich in der Früh - zugleich mit einem Briefe Beatens, in welchem sie mir mitteilte, daß Tavs zur neuen Wohnung endgültig seine Zustimmung gegeben habe - die erste Ansichtskarte Kramsalls aus Krakau erhalten habe. Ich habe einige Tage zuvor wegen seiner an Frank geschrieben. So wenig er seit dem März 1938 an Positivem geleistet hat und vielleicht auch zu leisten vermochte, so berührte mich dieser weitere „ A b b a u " in Wien doch wehmütig. Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht (hoffentlich - noch sieht man nicht viel) aus den Ruinen. Am Sonntag, den 14. Jänner abends, war ich bei Kappus, wo selbstverständlich wieder eifrig politisiert wurde. Mein Gesamtbild: Stimmung bei den Intellektuellen hundsmiserabel. Im allgemeinen überall große Verdrossenheit, die sich auch im Benehmen der Geschäftsleute, Straßenbahnschaffner etc. äußert. Als ich in der Früh ins Büro ging, traf ich in der Lützowstraße Guido Schmidt, der mich neuerlich wegen Schuschnigg bearbeitete. Ich habe nun ziemlich unverbindlich an Lammers geschrieben und ihm nahegelegt, ob er nicht ein Wort wegen Konfinierung Schuschniggs beim Führer fallen lassen könnte. Vormittags wollte ich ein lang gehegtes Vorhaben verwirklichen und meinen alten Freund Generalmajor Kundt in der Wehrwissenschaftlichen Gesellschaft besuchen, wo er den Generalsekretär v. Eggeling 2 7 ) vertritt. Was erfuhr ich: Vorgestern ist der Arme an einem Darmleiden operiert worden. Hoffentlich kein Krebs.

2 S ) Josef Mündl ( K o m o r n , 6 . 1 1 . 1 8 8 7 bis 2 . 3 . 1 9 5 0 , Wien), 1 8 . 8 . 1 9 0 8 aus der Milak. als Lt. zu IR. 81, 16. 7 . 1 9 0 9 ins K A . kommandiert, 1 . 5 . 1 9 1 3 Oblt., 1 . 7 . 1 9 1 5 pensioniert und dem K A . zugeteilt, 2 0 . 1 2 . 1 9 1 6 Hptm. m. Titel u. Charakter, 1921 Übernahme in den Zivilstaatsdienst, 2 3 . 6 . 1 9 2 3 Mjr. a . D . , 2 7 . 1 2 . 1 9 2 6 Staatsarchivar, 1 6 . 2 . 1 9 3 4 Oberstaatsarchivar, 1 . 1 . 1 9 3 7 Vorstand d. Kartenabteilung, 1 . 1 0 . 1 9 3 8 Oberheeresarchivrat, 1 . 6 . 1 9 4 4 Heeresarchivdirektor, 8 . 5 . 1 9 4 5 mit der Leitung des K A . betraut, 1 7 . 5 . 1 9 4 6 wegen des Verdachtes der Betätigung für die illegale N S D A P vor 1938 enthoben, 1 2 . 8 . 1 9 4 7 pensioniert.

Gespräche mit Hueber

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Mittags rief mich Hueber an; wir aßen zusammen bei Reich. Der Schwager Görings ist wirklich ein geistig bescheidener Mann. „ W a s wäre", hat er bei Gelegenheit zu seiner Gattin, Hermanns Schwester, in allem Ernst gesagt, „aus Dir geworden, wenn Du nicht mich zum Manne bekommen hättest?" Was aus Paula Göring geworden wäre, weiß ich nicht, aber wohl, was aus Franzi Hueber: Notar in Mattsee! So verlief denn auch dieses Essen ereignislos wie alle mit Hueber. Nur eine einzige Bemerkung ist zu vermerken. Als er erzählte, daß er als Unterstaatssekretär erheblich schlechter gestellt sei denn als Minister, und die Besserung verheißende Besoldungsreform nicht zu erleben wähnte, schloß er daran die Feststellung: „ D a s Dritte Reich ist gar so unnobel." Und ein zweites Wort verdient auch angemerkt zu werden: „Deutschland wird im Wesentlichen von Feldwebeln regiert" (worunter er zu Recht die Amtsräte und Regierungsinspektoren meinte). Abends war ich, weit draußen in Lichterfelde, bei Megerles eingeladen. Zu allem Uberfluß hatte Frau Megerle in ihrem netten Holstendialekt verlangt, ich möge durch die Generalsuniform der Veranstaltung Glanz verleihen. Wir fuhren gut acht Kilometer in frischem Schneetreiben (das leider die Kohlenversorgung neuerlich gefährden wird) und betrachteten es als eine grobe Böswilligkeit, einen bei einem solchen Wetter in tiefstem Dunkel so weit zu verschleppen. Zur Strafe bat ich, meinen braven Lorbschad miteinzuladen und das gleich gute Essen wie uns zu geben, was denn auch geschah. Was würde Hofbauer für ein Gesicht gemacht haben! Verfolgten mich während meines letzten Salzburger und Wiener Aufenthaltes die Gänse, so sind es jetzt die Hasen, die mir an jeder Tafel geboten werden. Wobei ich den Hasen, auch wenn sie, wie bei Ullmanns oder Megerles, völlig verbraten sind, bedeutend vorziehe. Die Gesellschaft bestand neben mir aus drei Ehepaaren. Der eine Mann war Baumeister, der zweite Generalkonsul W . . . , der vor einigen Wochen aus Singapore über die sibirische Bahn zurückgekehrt war und mit viel Klugheit und Witz eine Menge Interessantes zu erzählen wußte, der dritte ein junger Mann aus dem Pressedepartement, der sich sehr viel darauf zugute tat, im „Informationsdienst" tätig zu sein und jeden Abend bis 11 und 12 Uhr zu arbeiten. Jetzt möchte ich wirklich wissen, wie das bei uns ist. Unter zwei Leuten, die man in Berlin begegnet, ist mindestens einer in Presse und Propaganda tätig. Was da Geld verschleudert w i r d ! Ebenso habe ich erfahren, daß nunmehr jedes (!) Armeekommando einen Vertreter des Auswärtigen Amtes bekommt; einer von diesen soll auch Schattenfroh sein, von dem bereits die Rede war. Dieser ganze Staatsapparat, dem noch ein Parteiapparat von keinem geringeren Umfang zur Seite steht, wird zum Platzen aufgeplustert. Man kann ruhig sagen: 50% mindestens Leerlauf. Dabei ist die Masse der Beamten miserabel gestellt. . . . Nach dem Essen saßen Megerle, der Generalkonsul, der Informator und ich in einem eigenen Räume. Megerle war voll in Form oder „ganz groß", wie man neue" ) B e r n h a r d v. Eggeling ( M e i n i n g e n , 1 4 . 7 . 1 8 7 2 bis 2 9 . 8 . 1 9 4 9 , B l a c k r o c k bei D u b l i n , Irland), bis 1914 Militärattache in St. P e t e r s b u r g , nach 1918 O b e r s t a . D . , D r . rer. p o l . , z e i t w e i s e G e n e r a l s e k r e t ä r der „ W e h r w i s s e n s c h a f t l i c h e n G e s e l l s c h a f t " . S c h r i e b : Die russische M o b i l m a c h u n g und der Kriegsausb r u c h . Beiträge z u r S c h u l d f r a g e am W e l t k r i e g , Berlin 1919.

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stens zu sagen pflegt. Er trieb aktuelle Geschichtsphilosophie größten Stiles und verstieg sich zu den seltsamsten Behauptungen. So wies er den Gedanken, daß wir ohne Schlachten zu einem annehmbaren Friedensschluß kommen könnten, weit von sich. Selbst eine Niederlage zog er vor, wenn sie nur Blut kostete! Besondere Sorge bereitete ihm, daß sich noch keine deutschen Flieger gefunden hatten, Malta und Gibraltar zu bombardieren. In diesen Tönen ging es weiter. Von einem Bild mit Widmung sah Joachim herab und ich hörte ihn sagen: „Siehe, dies ist mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe . . . " Um 11 Uhr brach ich auf und nahm das in Hallensee wohnende „Informatorenpaar" im Auto mit, wofür es dankbar war. 16. Jänner Ich bin wieder, wie fast täglich, zu Fuß den Weg vom Kaiserdamm N r . 67 zur Bendlerstraße gegangen. Im Büro rief mich Kramsall aus Krakau an, er ist beim Generalgouvernement, Abteilung für innere Verwaltung, eingeteilt, also weit vom „Schuß", was ich ihm herzlich gönne. Ich kündigte für Ende des Monats meinen Besuch an. Um 11 Uhr weilte ich zum erstenmale im Kupfergraben Nr. 8, einem Hause an der einstigen Befestigung von Berlin, das unter Denkmalschutz steht und neben dem ungarischen Institut auch die Kanzlei der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft bergen soll. Admiral von Freyberg und der Sekretär der Gesellschaft erwarteten mich. Die Ungarn zögern immer noch, einen Nachfolger für Daränyi zu ernennen. Wir werden sie, hieß es an diesem Vormittage auf Grund der Mitteilungen des Auswärtigen Amtes, damit bestrafen, daß wir die Berliner Gesellschaft nicht aufmachen. Ich meinte lachend, diese „Strafe" werde den Ungarn gar nicht unangenehm sein, in ihrer augenblicklichen Lage hätten sie doch alles Interesse daran, uns „nicht unter den Linden grüßen" zu müssen. In der Folge wurde die Frage meines Nachfolgers in Wien aufgeworfen. Tschammer-Osten, der Präsident der Deutsch-Italienischen Gesellschaft werden wird, hatte Freyberg auf Friedl Rainer hingewiesen, der ein feiner Mann und ein glänzender Redner sei. Ich stimmte dieser Charakteristik ohne Uberschwenglichkeit zu, wies aber doch auf die scharfen kulturkämpferischen Bestrebungen hin, die sich in Salzburg fühlbar machten und dem Ruhme Rainers im Zuge der Ereignisse in Ungarn nicht unbedingt zu nützen vermöchten. Schließlich einigten wir uns, Adolf Dubsky 2 8 ) vorzuschlagen. Da ich

2S ) Adolf Graf D u b s k y Freiherr v. Trebomyslic ( A t h e n , 3 0 . 6 . 1 8 7 8 bis 16.11.1953, Wasserburg am Bodensee), Sohn des k . u . k . Botschafters in Madrid, ab 1903 im Min. d. Ä u ß e r n ; Zuteilungen zu den Vertretungsbehörden in Konstantinopel, R o m , Dresden, Stuttgart, L o n d o n ; nach Kriegsdienstleistung 3 . 4 . 1 9 1 7 ins Ministerium einberufen; 1899/1900 EF. bei D R . 7, 1 . 1 . 1 9 0 5 Lt. i . d . Res., 1.8.1914 fahrender O r d o n n a n z o f f z . im Standort des A O K . , eingeteilt in der N a c h r i c h t e n a b t . , 1.12.1914 zugeteilt dem Vertreter des Min. d. Ä u ß e r n beim A O K . (bis 31.5.1916), 1915 O b l t . a . D . , ab 6 . 9 . 1 9 1 6 bis XII./1916 Kriegsdienstleistung an der Südwestfront. N a c h 1918 in der Privatwirtschaft. Verf. der Broschüre: Die Anschlußfrage im R a h m e n einer mit österreichischen Legitimisten geführten Diskussion, N e u h a u s bei Salzburg 1934.

Deutsch-ungarischer Kulturaustausch

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übermorgen nach Wien fahre, werde ich in ihn dringen. Ich glaube nach den Andeutungen Boros, daß er froh sein wird, als Präsident der Deutsch-Englischen Gesellschaft i.p.i. eine neue Beschäftigung zu erhalten. Der Graf wird den Magyaren imponieren. Nachmittags zwischen 3 und 5 Uhr war ich mit Ullmann im ehemaligen Kaffee Josty. Er brachte die Nachricht, daß die Westoffensive überhaupt abgesagt sei. Ich kann es nicht glauben. Der Zustand Gredlers bereitete uns im Gespräch schwere Sorgen. Ullmann soll in den nächsten Tagen nach Jugoslawien fahren und dort mindestens bis Anfang März bleiben. Er zieht nur sehr ungern los; aber es ist schließlich sein Lebensunterhalt, zu schreiben. Um 17.30 Uhr trafen sich Freyberg und ich verabredungsgemäß beim Gesandten von Twardowski 29 ), dem Kulturreferenten des Außenamtes, um ihm über den Stand der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft zu berichten. Erdmannsdorff hat vor Weihnachten die Weisung erhalten, endlich auf die Bestellung des neuen Präsidenten der Ungarisch-Deutschen Gesellschaft zu dringen. Die vor einigen Tagen eingelaufene Antwort lautete: Tasnady-Nagy 30 ) sei grundsätzlich geneigt, den Posten zu übernehmen. Die Sache scheint dem Herrn wirklich nicht leicht zu fallen. N u n mehr soll Erdmannsdorff ein Ultimatum bis zum 26. stellen. Meine Hoffnung, mich eventuell in Budapest einschalten zu können, ist damit vorläufig gescheitert. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß ich in der ersten Hälfte Februar nach Ungarn komme. Wir sprachen auch über die Wiener Gesellschaft, wobei Twardowski auf die engeren Beziehungen Budapest-Wien hinwies. Ich meinte: „Das mit den Beziehungen ist richtig. Allerdings habe mir Csaky im Juli gesagt, man arbeite in Budapest lieber als in Berlin. Ich hätte geantwortet, daß ich das sehr gut verstünde. Denn in Berlin kenne man die Ungarn nicht, in Wien umso besser." Ende des Monats sollen Freyberg, ich und der unvermeidliche, zur Zeit als Umsiedlungskommissär (!) in Lodz weilende Lorenz zu Mackensen fahren, um von ihm die Übernahme des Ehrenschutzes über die Gesellschaft zu erbitten. Das wird ganz interessant sein. Die Eröffnung der Berliner Gesellschaft soll mit einem großen deutschungarischen Fußballmatch, zweite Hälfte Februar, zusammenfallen. . . . Aus dem heutigen Gespräch mit Ullmann ist noch etwas nachzuholen. Er war auf seiner letzten Amerikareise viel mit Wiedemann, dem Generalkonsul in

" ) Fritz v. T w a r d o w s k i (Metz, 9 . 7 . 1 8 9 0 bis 2 1 . 9 . 1 9 7 0 , Wien), Marineoffizier, U - B o o t - K a p i t ä n , Kapitänlt. a . D . , D r . iur. et rer. pol., 1922 in den auswärtigen Dienst, zugeteilt der Botschaft in M o s kau, seit 1924 in A A . , 1928 Botschaftsrat in M o s k a u , 5 . 3 . 1 9 3 2 durch ein Revolverattentat in Moskau schwer verletzt, 1935 z u r ü c k b e r u f e n , 1939 Leiter der Kulturabteilung im A A . , 1943 Generalkonsul in Istambul, 1950 stellv. Bundespressechef und Leiter der Auslandsabt. im Bundesministerium f ü r Äußeres der Bundesrepublik Deutschland, 1952-1955 Leiter d. dt. Botschaft in Mexiko. 30 ) Andräs Tasnadi-Nagy (Budapest, 1882 bis nach 1945, Budapest), Vater war D i r e k t o r des Staatsarchivs, Rechtsanwalt, ab 1925 Staatskommissär d. U n g . Staatsbahn ( M A V ) , 1933 Staatssekretär f. administrative Angelegenheiten im Justizministerium, 1935 Staatssekretär im Ministerium f. Kultus u. U n terricht, Referent f. Angelegenheiten d. protest. Kirche, 1935 Abgeordneter der Nationalen Einheitspartei z u m ung. Reichstag, 1938 Stellv. Vorsitzender d. Partei, 1939 Parteivorsitzender, 15.11.1938 J u stizminister, 1939 bis 2 7 . 3 . 1 9 4 5 Parlamentspräsident.

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San Francisco und früheren Führeradjutanten, zusammengekommen. Nach Wiedemanns Mitteilung gab den unmittelbaren Anlaß zu seinem Sturze ein Vorgang der Septemberkrise 1938. Man hatte damals eine motorisierte Division durch die Wilhelmstraße marschieren lassen. Der Führer beobachtete hinter einem Vorhang Truppe und Volk. Dabei habe sich im Nebenzimmer Wiedemann zu dem Ausruf hinreißen lassen: „ U n d mit einem so gestimmten Volk will man den Krieg führen!" Von Gredler sprachen wir noch, daß er sich gar so von der Welt zurückziehe und wie unter einem Glassturz jeden Menschen fernhalte. Auch der zunehmend böser werdende Blick falle auf und lasse Rückschlüsse auf das gestörte seelische Gleichgewicht zu. . . . Von Göring hörte man immer häufiger, daß er die Chancen des Krieges nicht günstig beurteilt. Ein Kriegskamerad war bei ihm gewesen. Hermann habe ihm verschiedene Baupläne für die Zeit nach dem Kriege gezeigt, sie dann aber resigniert mit den Worten weggeschoben: „Es wird ja doch nichts draus; wir stecken in der Scheiße." Dagegen ist Frau von Ribbentrop umso unbesorgter, indem sie in ihrem neuen Ministerpalais dreimal hintereinander eine Marmorverschalung abreißen läßt, bis die richtige Farbe gefunden wird. 17. Jänner Wie ich mich jetzt an die Maschine setze, ist es knapp 7 Uhr. Auf die Stunde genau vor 2 Jahren ergriff die Totenstarre von meiner Mutter Besitz. Sie hat mir das Leben nicht leicht gemacht, unendlich viel genommen was mir sonst das Dasein geboten haben würde (wobei man über den Verlust im einzelnen gewiß verschiedener Meinung sein könnte) und die Flügel immer und überall durch ihren starken Willen und ihre herrische Liebe alleweil stark beschnitten. Trotzdem bedeutete ihr Tod zugleich die Stunde meines äußeren Niederganges. Bald hernach folgte der Sturz vom 12. Februar, dann die noch ärgeren Stürze vom 13. März und von Anfang Juni. . . . Heute Vormittag hat sich Rittmeister Freiherr v. Massenbach als mein neuer Adjutant bei mir gemeldet. Er war bisher Adjutant des Generaloberst Keitel und wurde mir auf dessen besonderen Wunsch beigegeben. Er vernahm sehr erstaunt, daß ich bisher so gut wie nichts zu tun hätte und meinte, nach den Äußerungen, die er gehört habe, würde sich das sehr bald ändern. Er ist ein netter Mensch und hat sehr gute Beziehungen. Im Zivil steht er einer A. G. vor. Die Massenbachs sind übrigens mit den Gemmingen eine Familie, stammen ebenso wie diese aus Württemberg, sind aber schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts in Ostpreußen ansässig. . . . Für mich sehe ich schon einen Eifersuchtskampf zwischen dem Adjutanten und dem Fräulein Opitz, meiner Sekretärin, heraufziehen. Schon beim Beziehen des neuen Büros wirds losgehen! Mittags aß ich mit Pabst, Dr. Cornet 3 1 ) und noch einem Innsbrucker, das heißt sie waren meine Gäste. Gauleiter Hofer ist in Tirol der bestgehaßte Mann. Pabst hat ihn, wie er betont, seinerzeit wegen völliger Nichteignung aus der Heimwehr hinausgeworfen. Übrigens gehört zu den Tiroler Erinnerungen Pabsts auch die, daß

Rabenau will Einheitskirche

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er Göring und seine erste Frau nach dem Novemberputsch ein halbes Jahr in Innsbruck betreut hat. Hermann hatte zu Beginn seines Exils versprochen, keine Politik zu betreiben, aber konnte das Mausen doch nicht lassen und hielt sogar Sprechabende ab. Schließlich verlangte Stumpf 3 2 ) seine Ausreise nach Italien. Pabst meint, daß Hermann ihm gegenüber von den Erinnerungen an die Innsbrucker Zeit nur mehr sehr wenig Gebrauch mache. Ich erinnerte mich an Schachts Worte von dem Dank, den man im Reich zu erwarten habe. Eine unerhörte Sache hat sich rund um die seit langem in der Luft liegende O f fensive begeben. Ein Flieger, der wertvolles Material über die erste Planung in seinem Apparat mithatte, wurde von den Belgiern geschnappt 3 3 ). Eine schöne Bescherung ! Wie man aber auch einem Flieger solche Dinge anvertrauen kann. Man hört natürlich allerlei boshafte Bemerkungen. . . . Cornet, ein alter Kaiserjäger und früher Kanzleigenosse Jakoncigs, kam mit mächtigen Denkschriften über den Berg Isel. Der Gauleiter möchte den Kaiserjägern und ihrem Nachfolgeregiment (Gebirgsjägerregiment 136) nur das Museum exklusive Andrä-Hofer-Andenken belassen. Das O K W hat bereits seine Zustimmung gegeben, Brauchitsch die Sache jedoch bis zum Kriegsende sistiert. Ich soll nun bei Reinecke eingreifen, den Hofer (ich gratuliere) als seinen besonderen Freund bezeichnet. Heute erhielt ich von Rabenau eine sehr interessante Denkschrift über die Kirchenfrage im Dritten Reich. Er ist unerhört gebildet, wenn auch mit seinen Anschauungen etwas verworren. Keinen geringeren Wunsch hat er als den, auf dem Umweg über die Wehrmacht den Nationalsozialismus mit den beiden Kirchen zu versöhnen und diese zu einer deutschen Einheitskirche zusammenfassen zu lassen, an deren Spitze ein protestantischer, aber R o m unterstehender Primas von Deutschland zu stehen hätte. Ein General (offenbar der Autor) wäre als Reichskommissar für Kirchenwesen mit dieser nicht übermäßig einfachen Aufgabe zu betrauen. Hoffentlich bekommt der Pfarrer Thoman diese Schrift nicht in die Hand; sie würde ihm neue Dynamik verleihen. Rabenau war während seiner Truppendienstleistung in Nürnberg beim allbekannten Oberbürgermeister Liebel einquartiert, der dem Führer bekanntlich besonders nahesteht. Nach Liebeis Erzählung habe vor einiger Zeit der berühmte Be-

3 1 ) Anton C o r n e t (Schwaz, 2 4 . 2 . 1 8 9 5 bis 1 6 . 4 . 1 9 7 9 , ?); O b l t . i. d. Res. I. T K J R . , 2 . 4 . 1 9 1 9 D r . iur., ab 1923 Rechtsanwalt, 1 9 3 1 - 1 9 3 5 Vizepräs, der Tiroler Anwaltskammer, 1 9 3 5 - 1 9 3 8 und 2 9 . 9 . 1 9 4 5 - 6 . 5 . 1 9 6 4 deren Präsident. 3 2 ) Franz Stumpf (Sablat, 3 0 . 3 . 1 8 7 6 bis 2 8 . 2 . 1 9 3 5 , Innsbruck); Mittelschullehrer, christlich-sozialer Politiker; 7 . 6 . 1 9 2 1 bis 2 8 . 2 . 1 9 3 5 Landeshauptmann von Tirol.

" ) Anspielung auf die „ A f f ä r e M e c h e l e n " . A m 1 0 . 1 . 1 9 4 0 mußten zwei Luftwaffenoffiziere, M a j o r der Fallschirmtruppen Hellmuth Reinberger und M j r . d. R . Erich H o e n m a n n , bei Mechelen an der Maas, auf belgischem Gebiet, notlanden. H o e n m a n n hatte Geheime Kommandosachen-Chefsachen über geplante Fallschirmeinsätze im Raum N a m u r bei sich. V o r dem Eintreffen belgischer amtlicher Organe konnte er diese nicht vollständig vernichten. Vgl. H . A. J a c o b s e n , Fall G e l b . D e r Kampf um den deutschen Operationsplan zur Westoffensive 1940 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische G e schichte Mainz, Bd. 16), Wiesbaden 1957, 9 3 - 9 9 .

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kenntnispfarrer und einstige U-Bootskommandant Niemöller dem Führer einen Brief geschrieben, den dieser mit den entrüsteten Worten hingeworfen habe: „Stellen Sie sich vor, dieser verrückte Kerl möchte jetzt zum Katholizismus übertreten." Man wähnt, daß der Führer diesen Brief vielleicht nur flüchtig gelesen habe. Wohl aber befasse sich Niemöller, der noch immer eingesperrt ist, ähnlich wie Rabenau mit Unierungsgedanken. Nachzutragen habe ich noch, daß ich heute vormittags das wehrpolitische Institut Niedermayers besucht habe. Wir sprachen zuerst viel über das Absacken der deutschen Kultur und sein Urteil über Rusts Wirken klang nicht gerade begeisterungsvoll. Wir waren eines Sinnes über die Rolle, auf die sich die Wehrmacht vorzubereiten hätte und nicht vorbereitet. Bei der Besichtigung des Institutes senkte ich mein Haupt über so viel Gelehrsamkeit. Ein Zehntel möchte ich kennen und können! Den Abend verbrachte ich im Hause Frick. Die Einladung lautete: nach dem Abendessen Kino, dunkler Anzug. Anwesend waren außer der kürzlich ihres Blinddarmes entledigten, immer netten und charmanten Hausfrau und dem liebenswürdigen Hausherrn Frau Rigele, Hueber, das Ehepaar Stauß und noch ein paar mir unbekannte Leute. So ein Reichsminister hat schon einen schönen Haushalt. Wir bekamen zunächst Wermut und wurden dann in das sehr hübsche, in einen Keller eingebaute Privatkino geführt. Die Vorführung eines prachtvollen, Heimweh erzeugenden Kärntner Films benützte ich dazu, die Bitte anzubringen, die Heinrich Dellacher kürzlich an mich gerichtet hat: Osttirol werde von den Kärntnern so terrorisiert, man möge Preußen nach Osttirol schicken 3 4 ). Allgemeines Gelächter . . . aber diese Österreicher sollen sich wirklich nicht wundern, wenn sie an die Wand gedrückt werden! Das ist die sehr ernste Lehre von der Geschichte! Nachher wurde uns Reichsminister Frick in Ungarn gezeigt. Der Generalmarsch, mit dem ihn ausgerückte Polizeiformationen empfingen, und der Prinz-EugenMarsch, unter dessen Klängen berittene Polizei vorüberzogen, heimelten an. Es gehört mit zur Tragik der ungarischen Geschichte, daß die Nation jetzt so sehr Trägerin altösterreichischer Soldatentradition geworden ist. Ein ganz prachtvoller Film: Mozarts Nachtmusik schloß die Vorführung. Dann gabs belegte Brötchen, Wein, Bier, Bäckerei und ich blieb, nachdem der erste Schub mit Witwe Rigele abzog, bis nach 1 Uhr früh. Jeder Mensch hat ein wenig vom Schauspieler in sich. Dadurch, daß Staatsrat v. Stauß für meine sarkastischen Bemerkungen besonders empfänglich ist, wurde ich angefeuert, mit meinen Spässen

3 4 ) Vgl. auch B A . , sign. 43 II, nr. 1390f., fol. 39: Glaise: Notiz für Herrn Reichsminister Dr. Lammers. Für die Akten: Ernennung der Reichsstatthalter in der Ostmark, Berlin, 1.3.1940 (Abschr.:) „ . . . Frage einer Personalunion zwischen der Gauleitung Salzburg und Kärnten, die mir trotz der scheinbar näher liegenden Personalunion zwischen Steiermark und Kärnten zweckmäßiger erschiene. Unbedingte Notwendigkeit, die Bildung der ganz kleinen Gaue zu überwinden. Der bekannte, ehemalige und noch fortbestehende, Kronländerindividualismus könnte durch die Regierungspräsidien befriedigt werden. . . . "

Generalinspekteur des Archivwesens?

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zu brillieren, wobei es an politischem Beigeschmack nicht fehlte. Besondere H e i terkeit erregte es, als ich mit dem ernstesten Gesicht zu melden begann: „ H e r r Reichsminister, ich habe übrigens eine Vollzugsmeldung zu erstatten." Allgemeine Aufmerksamkeit: „ D e r letzte Deutsche, der noch keine Uniform hatte, hat nun doch eine solche erhalten - mein früherer Sekretär Kramsall, der zum Generalgouvernement Krakau eingerückt ist . . . " Frick sprach mich gleich zu Anfang stolz darauf an, daß der Führer wünsche, ich möge Generalinspekteur des gesamten deutschen Archivwesens unter Beibehaltung meines Ministergehaltes werden 3 5 ). Natürlich hat mein Pensionsgesuch diese F o r derung ausgelöst 3 6 ), was ich seit langem besorgte. Ich bin nun bestrebt, auf dem U m w e g e über die verschiedenen administrativen Schwierigkeiten den K o p f aus der Schlinge zu ziehen. Hoffentlich geht es. Natürlich muß ich aufpassen, daß ich nicht in Ungnade falle; denn dann hätte auch Werner Schicht keine sonderliche Freude mit mir. Im Zuge der ernsten Gespräche erwähnte Frick aufs neue, daß Bürckel von Wien fort wolle. Ihm stehe ein größerer Wirkungskreis im Westen bevor. A m E n d e Generalgouvernement von Belgien ? Möglich wäre alles. Im übrigen bekennt sich Frick nach wie vor zur Auffassung, daß uns dieser Krieg aufgedrängt worden sei, daß mit England endlich abgerechnet werden müsse, wollten wir überhaupt zur Ruhe

3 5 ) Vgl. B A . , sign. R . 43 I I , nr. 1 3 5 7 b , fol. 58: Der Reichsminister des Innern an den Reichsminister und C h e f der Reichskanzlei, Berlin, 1 6 . 1 . 1 9 4 0 , O r . : „ A u f meinen Vortrag am 9. Januar 1940 hat der Führer in Gegenwart des Reichsleiters Bormann ausdrücklich sein Einverständnis erklärt, daß die von mir vorgesehene Reichsarchivspitze im Rahmen meines Ministeriums gebildet wird. Diese Reichsarchivspitze soll lediglich die Aufgabe haben, die staatlichen und kommunalen Archive - mit Ausnahme derjenigen der Wehrmacht und der Partei - einheitlich auszurichten und fachlich zu beaufsichtigen. Die Bestellung des Ministers Glaise von Horstenau zum C h e f der Reichsarchivspitze unter gleichzeitiger Entlassung aus seinem Ministeramt ist vom Führer gleichfalls gebilligt worden. Demgemäß werde ich nunmehr das Weitere beschleunigt veranlassen. F r i c k . " 3 6 ) Ebendort. Glaise-Horstenau hatte mit 1 8 . 1 2 . 1 9 3 9 an den Reichsminister des Innern die Bitte gerichtet, beim Führer die „ E n t h e b u n g als Mitglied der liquidierenden österreichischen Landesregierung und . . . Verabschiedung . . . unter entsprechend Anrechnung (der) . . . seit dem J a h r e 1903 im Staatsdienste verbrachten Dienstjahre zu e r w i r k e n . " In einer Zuschrift an Lammers legte Frick diese Bitte vor. E r bat dabei „ z u prüfen, ob nicht im Hinblick auf die besonderen Verdienste Glaise von Horstenaus um die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich diesem eine besondere Ehrung etwa in Gestalt eines Handschreibens des Führers zuteil werden k ö n n t e " . Er „beabsichtige im übrigen nach wie vor, . . . Glaise . . . später als Spitze der Archivverwaltung zu verwenden . . . " . In einem Vermerk der Reichskanzlei, 1 3 . 3 . 1 9 4 0 , wurde festgestellt, daß die Minister D r . Hueber und Reinthaller ein solches Handschreiben Hitlers nicht erhalten hätten. Lammers stellte am 1 5 . 3 . handschriftlich fest, der Führer wünsche „sofortigen Entwurf eines besonderen von ihm zu zeichnenden D a n k s c h r e i b e n s " . In diesem D a n k schreiben vom gleichen D a t u m , wovon sich Photokopien des Originals im Schreibtischnachlaß GlaiseHorstenaus fanden, heißt es: „ E s ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, Ihnen bei dieser Gelegenheit für die hervorragenden Verdienste, die Sie sich um die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich erworben haben, meinen herzlichen D a n k auszusprechen. Ich freue mich, daß Sie zur Zeit beim O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht eine Sie befriedigende Tätigkeit gefunden haben, und bin davon überzeugt, daß Sie nach Beendigung ihrer militärischen Verwendung dem Großdeutschen Reich mit Ihren reichen Erfahrungen und Fähigkeiten weiterhin wertvolle Dienste leisten w e r d e n . " Dieses Handschreiben wurde Glaise-Horstenau am 1 9 . 3 . 1 9 4 0 überreicht, wovon Frick und Bürckel verständigt wurden.

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kommen - und daß er fest an den Endsieg glaube. Schüchtern wurde - ich verhielt mich schweigsam - das Eintreten anderer Möglichkeiten erörtert. Frau Frick verhielt sich auffallend ruhig und schüttelte nur manchmal den Kopf. Als ich mit Stauß wegfuhr, stellten wir eine völlige Ubereinstimmung unserer Auffassungen fest. Finanziell meinte Stauß, er werde in der nächsten Zeit überhaupt von der „Substanz" leben müssen - er hat ein kleines Fürstentum samt Gestüt und Yacht in Mecklenburg. Neue Steuererhöhungen (indirekt und direkt) stehen bevor. . . . Hueber sprach mit mir (Frick schien nichts zu wissen) über das Malheur mit dem Flieger. Ein Offizier hatte wichtige militärische Anordnungen von Berlin nach Köln zu bringen. In Münster überredete ihn ein Kamerad, sich doch für die Weiterreise nach Köln seinem Flugzeuge anzuvertrauen. Der Unglückliche tat es und die zwei Unglücksmenschen landeten statt in Köln in Mechelen (!), wo sie sofort vom Militär geschnappt wurden. Der Kurier versuchte, seine Papiere auf der Kommandantur im Ofen zu verbrennen, was ihm jedoch nur teilweise gelang. Der Führer hat natürlich getobt, die Sache ist inzwischen ein- und zweimal verschoben worden, aber gemacht soll sie doch werden. . . . Nachtrag zu den Gesprächen bei Frick: Während ich mich bei den politischen Äußerungen Fricks ruhig verhielt (schon vor Weihnachten hatte ich ihm gegenüber unter vier Augen gemeint: „Ich hätte diesen Krieg nicht gemacht!") - vertrat Stauß doch den Standpunkt, daß jetzt noch relativ billig ein Friede zu haben wäre. Er habe mit unterschiedlichen Ausländern gesprochen, Holländern, Amerikanern und dergleichen - sie hätten darin übereingestimmt (selbständiges Kongreßpolen, Lokkerung der Tschechei, einer: Rücktritt Ribbentrops). Auf die Frage Fricks, ob Stauß etwas über die Zustände in London erfahren habe, meinte dieser: „ O h ja, außer der Verdunkelung spürt man in London den Krieg überhaupt nicht." Die Stellungnahme der Führerelite ist sehr eigentümlich. Vogelstrauß-Politik, Einstellung auf den totalen Sieg, sorgloses Dahinwandeln, als ob durch den Krieg überhaupt nichts in Frage, nichts zur Entscheidung gestellt wäre. Oder spielen sie sich selber gegenseitig und vor sich selbst ein Theater vor? 18. Jänner Vormittags kurzer Besuch bei Popitz; Gespräch über die Lage. Mittags kleines Frühstück mit Ullmann im „Kaffee am Potsdamer Platz". 2 Stunden. Als ich letzthin mit Ullmann hier weilte, meldete sich ein Ober: „Sie sind Herr Glaise von Horstenau." Auf mein Ja große Freude. Er Sudetendeutscher, hat meine Tätigkeit, mein Reden und Schreiben seit langem verfolgt. War im Kriege 5er Jäger unter Hankenstein, meinem ersten Kompagniekommandanten beim 4. Kaiserjägerregiment; hat ein großes Album mit Photos bereit, das er mir bei nächster Gelegenheit zeigen will. War sehr geschmeichelt, als ich ihm, diesmal in Generalsuniform, vor dem ganzen Publikum zweimal die Hand reichte. Nachmittags Reisevorbereitungen. Abends noch kurze Zusammenkunft mit Werner und dann mit Heinrich Schicht. Abreise vom Anhalter Bahnhof, sofort niedergelegt.

Generalinspekteur des Archivwesens

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19. Jänner U m 12.30 Uhr mittags Ankunft auf dem Wiener Westbahnhof mit dreistündiger Verspätung. Gar nicht so arg, wenn man die Schneemassen bedenkt, die in den letzten 24 Stunden herabgekommen sind. Abends noch im Büro, wo sich Troll und Bittner einfanden. Es liegt eine Verordnung Fricks vor, nach welcher mit Ausnahme der für den 1. April zur Liquidation bestimmten kirchlichen Angelegenheiten am 1. Februar jegliche Zentralgewalt in Österreich erlischt 3 7 ). Finis Austriae! Oder wird das A . E . I . O . U . wieder zur Geltung kommen? Ich bin mit letzterem einverstanden, wenn es im Rahmen des Reiches geschieht. Aber die Einheit des Reiches muß gewahrt bleiben. Die Wiener Zentralarchive treten unter das Reichsinnenministerium, die Landesarchive in den autonomen Sektor der Reichsgaue 3 8 ). Damit ist auch mein Scheinressort völlig erloschen und ich werde bei meinem nächsten Wiener Aufenthalt (Februar) nicht nur feierlich von den Archivbeamten, sondern auch vom Ballhausplatz Abschied nehmen. Bittner und Troll reden mir zu, die „Archivspitze" zu übernehmen; es sei im Interesse der deutschen Wissenschaft und auch der österreichischen Stellung in Berlin. Bittner führt verzweifelte Reden. Auch Srbik wird böse sein. Aber ich habe nach allem, was mir widerfuhr, keine Freude mehr an der Sache. Den Rest des Abends verbrachte ich mit Beate, der ich natürlich genau über meine Berliner Erlebnisse Bericht erstattete. 20. bis 23. Jänner Der 20. verlief ohne besondere Ereignisse, das will sagen, ich hatte schon wieder eine Menge Parteienverkehr und auch einige Briefe (etwa 15) zu diktieren. Sonntag vormittags holte ich Beate aus der Hietzinger Kirche ab. Es war das erstemal seit den sonntäglichen Kirchgängen meiner Mutter, daß ich dieses liebliche Gotteshaus wieder betrat. So voll wie damals war es allerdings nicht mehr. Zu Mittag war ich, zusammen mit dem Ehepaar Srbik und Graf Khuen 3 9 ), bei Dubsky eingeladen, der bereitwilligst an meiner Statt die Deutsch-Ungarische Gesellschaft in Wien übernehmen wird. Es wurde viel über das Gerücht gesprochen, daß in Rom Friedensge3 7 ) Das A m t des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen R e i c h " wurde mit 1 . 4 . 1 9 4 0 aufgehoben, nachdem bereits mit 1 5 . 3 . 1 9 4 0 die bisherigen Landeshauptmänner und Gauleiter zu Reichsstatthaltern ernannt worden waren. Eine „Zentralstelle zur D u r c h f ü h rung der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen R e i c h " bestand bis 1945. Vgl. B o t z , Eingliederung, 111 f. 3 8 ) D i e sechste Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich vom 1 1 . 1 . 1 9 4 0 enthielt in § 9 (1) die Bestimmung: „ D i e in Wien befindlichen zentralen Archive des Landes Österreich werden dem Reichsminister des Innern unmittelbar unterstellt und in ein Wiener Reichsarchiv zusammengefaßt." V o n dieser Verordnung waren nur das Kriegsarchiv und das Verkehrsarchiv, das der Reichsbahndirektion Wien angegliedert wurde, nicht betroffen. Vgl. J . Seidl, Das ö s t e r r e i c h i s c h e Staatsarchiv, in: M Ö S T A , 1. Bd. ( 1 9 4 8 ) , 3 - 1 9 . 3 9 ) Karl G r a f K h u e n - L ü t z o w (Grusbach bei Znaim, 6 . 3 . 1 8 7 9 bis 3 0 . 6 . 1 9 6 3 , B o z e n ) , Grundbesitzer, 2 . 3 . 1 9 0 5 D r . iur., O b l t . i . d . Res. D R . 9 ; M j r . z . D . der D t . W m .

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spräche abgehalten würden. Ich glaubte es nicht und vermochte auch nach meiner Ankunft in Berlin nichts Näheres zu erfahren. Die Gesamtstimmung in Wien ist nahezu trostlos, die Kritik des kleinen Mannes macht nicht einmal - ein großer U n terschied gegenüber noch der Zeit vor einigen Monaten - vor der Person des Führers Halt. In der Stadt wird über die ganz nutzlose plötzliche Verhängung der A b dunkelung (27. Dezember), über den Mangel an Lebensmittel und in den jüngsten Tagen vor allem auch an Kohle geklagt. Aber auch auf dem Lande wird viel „gemeckert" und „gemeutert". Die Bauern vertragen den Kriegssozialismus nicht und wollen im kommenden Jahr in der Produktion streiken. Die Nachrichten aus Tirol, wo überdies der gute Gauleiter Hofer in kulturkämpferischen Heldentaten brilliert - 3 Monate durfte im Lande keine Glocke läuten - lauten schon gar trist. Von den Ortsgruppenleitern aufwärts darf aber niemand über „ungünstige Stimmung" berichten. . . . Khuen wirft nach dem Essen die Frage auf, ob man ihm eine Tat des Edelmutes nennen könne. Er ist ein alter, treuer Parteigenosse. Nachmittags ist mein Freund Pater Bruno, Pfarrer in Dornbach (später in Maria Piain bei Salzburg), bei mir zum Kaffee. Er bestätigt mir mein Bild über die Stimmung der Bevölkerung. Ich spreche vor allem mit ihm darüber, was man von Wien aus tun könnte, um den Papst gegen die Teilungspläne gewisser Ententepolitiker zu gewinnen, und komme mit dem Argument der 35 Millionen Katholiken, die nunmehr im Reiche zusammengeschlossen seien. Nebenbei kommt auch die Position Seyß-Inquarts zur Sprache, der nicht mehr gehaßt, sondern verachtet wird. Er hat dennoch seine schöne Villa und der Teppichhändler Backhausen gegenüber der Oper, der täglich nur einen Perser verkaufen darf, ist 14 Tage zugedeckt, da Seyß die Hand auf die Ration gelegt hat. Die Aufforderung an ihn, Kirchensteuer zu zahlen, ist bisher unbeantwortet geblieben. Abends mit dem Ehepaar Schicht und Beaten bei den „drei Jüdinnen" 4 0 ) auf dem Franziskanerplatz. Vorher noch ein kleines Abenteuer: Hofbauer ist in der Einwanggasse in einem Schneehaufen stecken geblieben und mußte herausgeschaufelt werden. Der Abend verlief recht gemütlich - trotz der naiven Liesl, die einen sehr hübschen rotgrünen Turban auf hatte. Der Montag Vormittag war durch verschiedene Besprechungen ausgefüllt, ebenso der Dienstag. An letzterem erschien die Gräfin Lanckoronska, Witwe des Oberstkämmerers 4 1 ) S . M . Kaiser Franz Joseph. Man will ihrem Stiefsohn, dem Haupterben ihres Mannes, die Gemäldegalerie und die Waldungen in der Steiermark wegnehmen. Sie hatte bereits Verhandlungen in Berlin, aber ohne verläßlichen Erfolg. Kaltenbrunner ist sehr ablehnend. W o werden alle diese entsetzlichen Dinge hinführen? Und wie könnte ich armer schwacher Kerl gegenüber einer solchen Macht wie der Gestapo helfen! 4 0 ) Gemeint ist das Restaurant „ A m Franziskanerplatz", Franziskanerplatz 6, das im Volksmund so genannt wurde. 4 1 ) Karl Anton G r a f B r z e z i e - L a n c k o r o ñ s k i (Wien, 4 . 1 1 . 1 8 4 8 bis 1 5 . 7 . 1 9 3 3 , Wien), k . u . k . Geheimer Rat u. Oberstkämmerer, Mitglied des Herrenhauses. Verh. in 3. E h e mit Margarethe Grfin. Lichnowski ( G r a z , 2 4 . 9 . 1 8 6 2 bis 8 . 4 . 1 9 5 4 , Wien). Sein Sohn aus 2. E h e : Anton Maria (geb. St. Veit bei Wien, 8 . 8 . 1 8 9 3 ) .

P. Bruno Spitzl über Seyß-Inquart

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Beate ist Dienstag früh beinahe in Ohnmacht gefallen und blieb zu Hause. Ich nahm nachmittags von ihr Abschied und fuhr um 6 Uhr abends im Schlafwagen von Wien weg. Immer, wenn ich mich behaglich auf dem Schlafwagenbett hinstrecke, das ich so sehr liebe, denke ich mit Bangen: Wird das nicht am Ende das letzte Mal sein? Diesmal versagte gleich zu Anfang das Licht völlig, so daß ich mich schon nach 19 Uhr zum Schlafe hinlegte. U m 8 Uhr früh stand ich auf, um den Schaffner über die Verspätung zu fragen. Er meinte, wir näherten uns erst Leipzig und könnten mit mindestens 3 Stunden Versäumnis rechnen. Ich legte mich darauf wieder hin, um mich in den „Verbrecherischen Rebus" zu vertiefen. Allmählich kam Leipzig heran. Plötzlich großer Lärm, Klopfen an der Tür, der Schaffner ruft herein: „ H e r r Minister, wir packen sofort ihre Sachen zusammen, der Wagen hat sich heiß gelaufen, mein Kollege im vorderen Wagen hat noch ein Abteil für Sie frei." In einer nicht gerade imposanten Verfassung nahm ich den Umzug vor. Im neuen Wagen begrüßte mich eine wohlbekannte Stimme mit herzlichen Worten: der Generalstaatsanwalt Welsch, der sich im Begriffe fand, nach Liquidierung seiner Tätigkeit in Österreich über Berlin nach Ludwigshafen, seinem neuen Standort, zu begeben. Welsch, ein Saarländer, war von der ganzen Bürckel-Gesellschaft weitaus der beste. Ein feiner, von hohem Rechtsgefühl und edler Herzensgüte getragener Mann, der sich leider gegenüber Partei und Gestapo ebensowenig durchzusetzen vermochte wie manch anderer, der es versuchte. Wir frischten vielerlei gemeinsame Erinnerungen auf und stimmten in unserem Urteil über Vergangenes und Gegenwärtiges hundertfach überein. Wenn ich nur einmal einen vernünftigen, wertvollen Menschen fände, der etwas anderes dächte! Ich wäre geradezu froh darüber. 24. Jänner 12.30 Mittags Ankunft auf dem Anhalter Bahnhof. Ich eile in meine Wohnung, lasse mich rasieren und dann in größter Eile ins Eden bringen, wo ich meinen lieben Freund Muff wieder treffe. Er hält abends einen Vortrag in der Wehrpolitischen Gesellschaft (Friedrichstag) „Friedrich der Große und England". Der Vortrag ist sehr gut und umreißt das Problem von seiner ganzen, weltpolitischen Seite. Auch eine oder die andere heikle Stelle kommt vor. In der Gesamtheit geht natürlich der alte Fritz in Glanz über die Bühne, wenn es sich auch bloß um das Schaffen und Wirken eines genialen Separatisten handelt. Ich bin froh, daß England im Mittelpunkt der Betrachtung stand - in bezug auf Österreich hätte mich die vorgeschriebene Geschichtsauffassung über den alten Fritz doch zu sehr herausgefordert. Nach dem Vortrag sollten wir zum „Roten Ferkel", ich erlag jedoch den Verlokkungen meines Freundes Nostitz und fuhr, ihn zum Zoo bringend, frohgemut nach Hause. . . . 25. Jänner Chefsitzung bei Reinecke. Immer doch reichlich interessant! Im Mittelpunkt der Berichterstattung Reineckes wieder der berühmte SS-Befehl über die kriegsmäßige Kinderzeugung. Auf der Fahrt von Wien her las ich wieder einmal das „Schwarze

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K o r p s " ; ich muß sagen, die „biologische Betrachtung" der Dinge geht schon ins Uferlose. Das Deutsche Volk soll überhaupt nur mehr aus Deckhengsten und Zuchtstuten bestehen. Alles andere ist nebensächlich. Nun erfahre ich in der Chefsitzung, daß der eingangs erwähnte Befehl im „Schwarzen K o r p s " von Anfang Jänner einen noch deutlicheren und drastischeren Kommentar gefunden haben soll 4 2 ). Inzwischen soll Himmler dann doch geneigt gewesen sein, in einem Erlaß einen kleinen Rückzug anzutreten. Aber der Führer (der, wie mir später Reinecke vertraulich mitteilte, auch dem ersten Befehl seine vorherige Zustimmung erteilt hatte) war dagegen. „ D i e Sache wird nun", meinte Reinecke, „in irgendeiner anderen Form gelöst werden müssen". . . . Im weiteren Verlaufe berichtete der Verbindungsoffizier zum Reichsjugendführer wieder mit Begeisterung von der Truppendienstleistung Schirachs in Döberitz; mich interessieren die vier Millionen anderen Einberufenen mindestens ebenso. Ich selbst trug mich im Zuge der Besprechung an, in österreichfragen zu Rate gezogen zu werden, was mit Beifall aufgenommen wurde. Zu Mittag war ich zu Lammers gerufen. Der alte Herr empfing mich gütig und liebenswürdig wie immer. Es ist schade, daß gerade Leute wie er und Frick so weitgehend einflußlos sind. Unser erstes Gespräch galt meiner persönlichen Situation. Lammers ist durchaus einverstanden, daß ich mich zunächst pensionieren lasse und die Frage mit der Archivspitze hinausschiebe. (Für das Hinausschieben werden auch die anderen Faktoren ausreichend sorgen, ich brauche da nichts zu fürchten 4 3 ).) Dann gingen wir auf die allgemeinen Probleme über und ich wunderte mich über die große Aufgeschlossenheit, die Lammers den Kernfragen entgegenbrachte. Als ich meinte, daß der Krieg „festgerannt" sei, stimmte er mir mit der Bemerkung bei, der Führer „zermartere" sich ohnehin den Kopf über die Fortführung. Auf die Ostfragen übergehend erzählte mir Lammers, daß er vor etlichen Wochen nicht länger habe zusehen können, was die SS in Polen treibe. Die Beschwerden hätten sich auf seinem Tische so stark gehäuft, daß er vorgestoßen sei. Himmler sei - entnahm ich - etwas verstimmt, Göring habe Lammers mehrfache Schützenhilfe geleistet. In der Tat ist der Kurs im Osten, wenigstens was das Erschießen anlangt, in der letzten Zeit etwas milder geworden. Sollte hieran Lammers wirklich mitgearbeitet haben, dann hat er sich im Dienste der Nation anerkennenswert betätigt. Auf meinen Brief wegen Schuschnigg übergehend, zeigte sich Lammers geneigt, beim Führer ein Wort fallen zu lassen. Die Aussichten seien jedoch - ähnlich wie ) Vgl. Anmerkung 3. ) Vgl. B A . , sign. R 43 I I , nr. 1 3 5 7 b . , fol. 62: D e r Reichsminister und C h e f der Reichskanzlei an . . . Rtichsminister des Innern, Berlin, 3 0 . 1 . 1 9 3 0 , K o n z . : „ H e r r Minister Glaise von Horstenau hat mich vor einigen Tagen aufgesucht und mir mitgeteilt, daß er zur Zeit beim O b e r k o m m a n d o der W e h r macht tätig sei und während der Dauer des Krieges auf eine anderweitige Verwendung keinen Wert lege. U n t e r diesen Umständen möchte ich daher während der Kriegszeit davon absehen, über die Bildung einer Reichsarchivspitze im Rahmen Ihres Ministeriums dem Führer noch einmal Vortrag zu halten, und darf Sie bitten die Frage der künftigen Gestaltung der Reichsarchivverwaltung vorläufig nicht weiter zu verfolgen. Ich werde aber die Angelegenheit im Auge behalten und Ihnen zu gegebener Zeit weitere Nachricht zukommen lassen." 42

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Intervention für Schuschnigg

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bei Niemöller - sehr gering. Ich meinte, daß ich dann wohl nicht unnötigerweise meine Finger verbrennen wolle. Er erwiderte, es werde sich doch eine Gelegenheit ergeben, den Fall beim Führer zu streifen. Denn dieser habe seinerzeit nur die Aufschiebung, nicht die völlige Sistierung des Verfahrens wider Schuschnigg verfügt. Dabei zeigte sich, daß Lammers und ich in unsere Auffasungen über die Zweckmäßigkeit oder - besser gesagt - Unzweckmäßigkeit des Staatsgerichtshofes (zumal in causa Schuschnigg, wegen der er ja vor allem gemacht wurde) völlig übereinstimmen. Ich meinte im Verlaufe des Gespräches, daß es erstens überhaupt fraglich sei, ob Schuschnigg für sein Wirken als Regierungschef eines nicht mehr bestehenden aber einst selbständigen Staates zur Verantwortung zu ziehen sei. Zweitens käme höchstens die Zeit nach dem 12. Februar 1938 in Betracht, denn der Vertrag jenes Tages habe mindestens indirekt eine Nachsicht aller früher von Schuschnigg begangenen „Sünden" bedeutet. Und drittens könnte der Prozeß schon wegen der Persönlichkeit Mussolinis und ihres Einflusses auf den österreichischen Kurs nie öffentlich mit Erfolg geführt werden - nicht zu reden davon, daß zur Zeit und so weiter . . . Lammers war, wie bemerkt, meiner Meinung und betonte, speziell das Argument Mussolini auch seinerseits gegenüber dem Führer zur Geltung gebracht zu haben. Vederemo! Beim Weggehen bemerkte ich noch: „Meiner Ansicht müßten die jetzigen W o chen der Spannung zu einer Friedensaktion benützt werden: Kongreßpolen weg mit Schaden, die Tschechei lockerer gelassen . . . " Lammers nickte: „ J a , aber woher nehmen wir den Vermittler ? Roosevelt kommt nicht in Frage und mit Mussolini - nicht wahr? - habeh wir jetzt doch auch wenig Grund, zufrieden zu sein." Lammers ist kein Hüne an Stoßkraft, aber es war für mich doch etwas beruhigend, daß auch in der obersten Elite nicht alle jeden Blick für die Realitäten verloren haben. Nachmittags Muff, abends Kappus. 26. Jänner Vormittag langes Referat bei Reinecke, Allgemeines und Persönliches. Wichtig: Die mir übertragene Arbeit hinsichtlich der Heldenfriedhöfe und Heldendenkmäler im Kongreßpolen sei (unter Zustimmung zu meinen Ausführungen) zunächst doch nur als theoretische Planarbeit zu betrachten; es seien auch Lösungen vorzubereiten, denen lediglich die Reichsgrenzen vor 1918 zu Grunde lägen. Also auch auf so grünem H o l z e ? ? ? Im übrigen stete Zusicherung, daß meine Stellung ausgebaut werde. Man will mir unter anderem auch irgendwie die Wehrwissenschaftliche Abteilung und das Institut Niedermayer unterstellen - eine schöne Aufgabe, zu der ich aber wahrscheinlich zu wenig gelehrt bin. Nachmittags Besuch beim alten Cramon, den ich doch sehr havariert vorfand und der neuestens ein wenig vor einem Magenkrebs bangt. Hoffentlich hat er unrecht, denn ein Hypochonder ist er immer gewesen. Wieder weitgehende Ubereinstimmung der Auffassungen über das Zeitgeschehen. Interessant die Frage, ob nicht, wegen Aussterbens, der Generalstabsverein Graf Schlieffen überhaupt aufge-

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löst werden soll. Mackensen will von der Leitung zurücktreten, auch Cramon wird das Generalsekretariat niederlegen. Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit . . . Sehr schwer ist Cramon privat getroffen. Ein Sohn starb ihm vor einigen Jahren, die Tochter ist mit einem nach Holland ausgewanderten getauften Volljuden verheiratet, die Frau verschied im Jahre 1939. Um 20 Uhr Gast des Ministerialdirigenten Major a.D. Sieler zusammen mit Ministerialrat Fahringer 44 ) beim Horcher. Zurückhaltende Aussprache, aber doch wie sonst immer. An einem Nebentisch saß Staatssekretär Körner mit einer mittelalterlichen Dame, an einem zweiten das Ehepaar Stauß gemeinsam mit dem Kriegsgefangeneninspekteur General v.d. Schulenburg 45 ). Ich meinte zu Stauß: „Sie findet man auch immer, wo es gut ist." Er schlagfertig: „Darum sehen wir uns so o f t . " Dann Einladung für Sonntag in die Villa, Grunewald-Dahlem. 27. Jänner Preußisches Finanzministerium: bei Popitz, mit dem sich immer interessant spricht. Im Vorraum, einem von Schinkel entworfenen Interieur, wurde die deutsche Zollunion von 1833 abgeschlossen. Ich meinte: „Hier ist also das Zweite Reich gegründet worden." In einem zweiten Vorzimmer die Bilder fast aller preußischen Finanzminister. Wird Popitz der letzte sein - so wie unser netter Fischböck? Abends Einladung bei Familie Opitz, den Eltern meiner Sekretärin. Er OberStabsingenieur im Luftministerium. Ein trotz allem sympathischer Haustyrann. Oberstleutnant-Rang, aber kein Dienstmädchen. Ganz gutes Essen und sogar echten Kaffee bei Radetzkymarsch auf einem Grammophon. 28. Jänner Sonntag, daher Berliner Gewohnheit: Hochamt im Hedwigsdom. Musik sehr modern und daher wenig stimmungsvoll. Nachher Begleitung durch Krisch bis in die Bendlerstraße. Wir sprachen unter anderem über Schuschnigg. Dieser war stets bedacht, ja nichts zu nehmen, was ihm nicht gebührte. Wenn er für Vera Theatersitze beschaffen ließ, durften dies nicht einmal Wattekarten sein, sondern sie mußten voll bezahlt werden. So hat denn Schuschnigg über keinerlei Privatvermögen verfügt.

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) Franz Fahringer (?), 1940 wirkl. Hofrat, Direktor des Hauptversorgungsamtes Ostmark, 1944 Direktor des Hauptversorgungsamtes Wien, SS-Sturmbannführer. Schrieb: Reichsversorgungsrecht in der Ostmark mit Berücksichtigung einschlägiger Vorschriften des österreichischen, tschechoslowakischen und polnischen Versorgungsrechtes, Wien 1940; Reichsversorgungsrecht mit Berücksichtigung des Versorgungsrechts der Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie, 2. Bd., Wien 1944. " ) Winfried v.d. Schulenburg (Potsdam, 1.6.1882 bis 1.5.1945, ?, Freitod), 1901 Eintritt als Lt. i.d. preuß. Armee, Übernahme ins Reichsheer, 1.1.1931 Kdr. Reiterrgt. 6, 1.4.1931 Obst., 1.12.1933 Gen.Mjr., 1.4.1934 verabschiedet, 1.9.1939 General f.d. Kriegsgefangenenwesen im O K H , 1.1.1942 Gen.Lt. z.V., 31.5.1943 Mobverwendung aufgehoben.

Drängt „Österreich" vom Reich weg?

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Mittagessen bei Stauß. Sehr schöne Villa in der Cecilienallee. Am Eingang treffe ich den General Liebmann samt seiner Frau; wir erinnern uns, uns vom Nürnberger Parteitag her zu kennen, wo wir Gäste des Generals der Kavallerie Weichs waren. Liebmann ist tief verstimmt. Im Frieden zuletzt Kriegsakademiekommandeur hatte er zur Zeit des polnischen Krieges eine Armee im Westen kommandiert. Als jedoch - wie er meinte - die „siegreichen Feldherren" aus dem Osten zurückgekehrt waren, hatte man ihn kurzweg abgesägt. Schuld waren angebliche Querschüsse des Fliegergeneralobersten Milch, die bei Göring gewirkt hatten. Sonst eine Reihe ganz interessanter Leute, darunter Schacht und Freiherr v. Richthofen 4 6 ), unser Sofioter Gesandter, aber auch eine berühmte deutsche Fliegerin, deren Rundungen allerdings nur mehr wenig sportliche Neigungen verrieten. Nach dem Essen, das recht gut war, sammelte Schacht die Männer um sich, um mich in der österreichischen Frage zu interpellieren. Man hoffe zwar bestimmt auf den Sieg, es sei aber doch auch an die etwaigen Folgen eines nicht totalen Erfolges zu denken. Wie würde sich Österreich verhalten, würde es unbedingt vom Reiche wegdrängen? Was wäre mit einer Volksabstimmung? Über den Freimut, mit welchem Schacht diese Fragen vor einem größeren Kreise anschnitt, war ich einigermaßen erstaunt. Allerdings sagte mir einige Tage später Popitz, Schacht habe seit je das „Hofnarrenprivileg" besessen. Ich hielt mich denn auch ein wenig mit den Antworten zurück, wenn ich auch meine Meinung über das völlige Mißlingen der österreichischen Lösung andeutete. Ich verabredete mit Schacht ein weiteres Zusammenkommen. Den Spazierstock, den ich bei Stauß zurückließ, mußte Lorbschad einige Tage später abholen. 29. Jänner Vorstellung beim „kleinen Keitel" 4 7 ), der als Generalmajor das Heerespersonalamt leitet und als solcher eine außerordentlich wichtige Funktion einnimmt. Ich brachte ein paar Dinge an (Andreatta 4 8 ) etc.). Ich berührte auch die Frage der Stellvertretenden Kommandierenden Generäle in Österreich. Bardolff ist ihm - er wird

4 6 ) Herbert F r h . v. Richthofen (Strehlen, 7 . 6 . 1 8 7 9 bis ?), D r . iur., 1904 aus dem Justizdienst ins A A . eingetreten, 1907 Legationssekretär, 1908 Generalkonsul in Kalkutta, 1911 Legationssekretär bei der diplomatischen Agentur in Kairo, 1 9 1 6 - 1 9 1 8 bei der Gesandtschaft in Sofia, 1919 entlassen, 1920 beim oberschles. Selbstschutz, 1921 Wiedereintritt ins A A . , 1923 Vortragender Legationsrat, 1925 B e fugnisse eines Dirigenten in der A b t . I I I , I I I . / 1 9 3 0 dt. Gesandter in Kopenhagen, 1936 in Brüssel, 1938 zurückberufen, V . / 1 9 3 9 dt. Gesandter in Sofia, 1 . 7 . 1 9 4 1 zurückberufen, 1945 in die Sowjetunion verschleppt. 4 7 ) Bodewin Keitel (Helmscherode, 2 5 . 1 2 . 1 8 8 8 bis 1952, G ö t z e n h o f bei Bodenfelde), 1909 als F h j . in die preuß. Armee, Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, ab 1 . 3 . 1 9 3 8 C h e f des Heerespersonalamtes u. G e n . M j r . , 1 . 3 . 1 9 4 1 G e n . L t . , 1 . 4 . 1 9 4 1 G . d . I . , 1 . 3 . 1 9 4 3 stellv. Befehlsh. X X . A K . (bis 3 0 . 1 1 . 1 9 4 4 ) , 1 . 4 . 1 9 4 5 Insp. d. Fürsorge- u. Versorgungswesens. 4 S ) J o h a n n Andreatta (Trient, 2 6 . 1 . 1 8 5 9 bis 6 . 1 1 . 1 9 3 1 Brixen), ab 1 . 8 . 1 9 1 4 O b e r s t 3. T K J R . und als besonders hervorragender Offizier qualifiziert, hatte vom italienischen Staat eine Pension bezogen; Seine Witwe Maria war ab 1 6 . 3 . 1 9 3 9 in Innsbruck gemeldet und lebte in Innsbruck. Sie erlangte 1946 die österreichische Staatsbürgerschaft und erhielt ab 1 . 1 . 1 9 5 5 Pensionsbezüge nach ihrem Gatten.

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im September 75 Jahre - zu alt. Leider muß man mindestens Generalleutnant sein. Ich habe also keine Hoffnung, in Wien oder Salzburg als Kommandierender General zu enden. Zu der nachher vorgesehenen Meldung bei Brauchitsch kam es nicht, da Generaloberst Keitel bei ihm weilte (nach Massenbachs Mitteilung: neue U n stimmigkeit zwischen Führer und Brauchitsch) und ich unendlich lang hätte warten müssen. Ich werde mir Brauchitsch und Halder 4 9 ) wohl für den Besuch im Großen Hauptquartier vorbehalten müssen. Mittags Ministerialdirektor Schütze gesprochen wegen meiner Pensionierung. Bierabend bei Major Waldemar Pabst. Große vornehme Gesellschaft. Ich muß mich leider auf Bitte des Hausherrn dem Prinzen Coburg widmen, der in der Uniform eines Generals der Kavallerie mit dem ihm vom Kaiser Franz Joseph verliehenen M V K . 2 erschienen war. Ich sah ihn zum erstenmal so, bisher zeigte er sich mir stets nur im Kleide eines Obergruppenführers des N S K K . Der Coburger, als Engländer geboren, dann aber, nach dem Aussterben der deutschen Coburger Linie nach Deutschland „ausgeliefert" und im deutschen Kadettenkorps erzogen, ist einer der Söhne fürstlichen Geblütes, die sich frühzeitig zum Nationalsozialismus bekannt haben. Er ist auch Präsident des Roten Kreuzes als Nachfolger des Judenstämmlings Lewald 5 0 ). Als ihn dieser zum erstenmal sah, meinte er: „ D e r ist doch nicht für das Rote Kreuz, sondern das Rote Kreuz sollte für ihn sein." Dieser Ausspruch bezog sich auf die von Gicht völlig verzogene, hochrückig gewordene G e stalt des Prinzen. Gicht ist das Familienleiden der Coburger (siehe unter anderen die Zaren Ferdinand und Boris); außerdem soll Ernst Coburg das ganze Kiefer vereitert haben, aber sich weigern, zum Arzt zu gehen. Er spricht mit einem englischen Knödel im Munde, hat im übrigen ein sehr feines und hübsches Gesicht und ist von bezwingender Liebenswürdigkeit. An mir hat er einen „Affen gefressen", wenn er mich sieht, bin ich für die andere Menschheit verloren. Er erzählte stolz, für den folgenden Mittag zum Führer berufen zu sein, um sich zu einer Propagandareise nach Japan und Amerika abzumelden. Die Kriegsmöglichkeiten beurteilt er sehr optimistisch, wobei er immer wieder betont, daß die Engländer von heute keineswegs mehr die aus früheren Zeiten seien. Mir gegenüber saß General Thomas 5 1 ),

4 9 ) Franz Halder (Würzburg, 3 0 . 8 . 1 8 8 4 bis 2 . 4 . 1 9 7 2 , Aschau, Oberbayern), 1902 in die bayer. A r m e e ; 1 . 8 . 1 9 3 8 Gend. d. A r t . , 1 . 9 . 1 9 3 8 Chef des Generalstabes des Heeres, 19.7.1940 G e n . O b s t . , 24. 9 . 1 9 4 2 abgelöst und nicht wieder verwendet, 3 1 . 1 . 1 9 4 5 verabschiedet; 1 9 4 4 / 1 9 4 5 Aufenthalt in Konzentrationslagern. Vgl. Generaloberst Halder, Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres, 1 9 3 9 - 1 9 4 2 , Bde. I-III, bearb. v. H . A . Jacobsen, Stuttgart 1 9 6 2 - 1 9 6 4 . Vgl. H . Schall-Riaucourt, Aufstand und Gehorsam. Offizierstum und Generalstab im U m bruch. Leben und Wirken von Generaloberst Franz Halder, Generalstabschef 1 9 3 8 - 1 9 4 2 , Würzburg 1972. s o ) Theodor Lewald (Berlin, 18. 8 . 1 8 6 0 bis ?), 1891 ins Reichsamt des Innern, 1919/21 Staatssekretär im Reichsmin. d. Innern, 1921/22 Bevollmächtigter für die Verhandlungen mit Polen, später Präsident des Roten Kreuzes. 5 l ) Georg Thomas (Forst i. d. Lausitz, 2 0 . 2 . 1 8 9 0 bis 1946, Frankfurt/Main), ab 1 . 1 0 . 1 9 3 5 Chef d. Amtsgruppe Wehrwirtschaftsstab im O K H , 1 . 1 . 1 9 3 8 G e n . M j r . , 1 . 9 . 1 9 3 9 Chef d. Wehrwirtschafts- u. Rüstungsamtes (bis 2 0 . 1 1 . 1 9 4 2 ) , 1 . 1 . 1 9 4 5 ausgeschieden.

Vorsprache bei Oberst Warlimont

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Chef des Wehrwirtschaftsstabes, einer der feinsten und wissensreichsten Offiziere der Armee, dabei von liebenswürdiger Bescheidenheit. Links von mir trank ein Herr Spielvogel - Rheinmetall-Borsig! - immer noch eins. Er selbst ist in Preußisch-Schlesien aufgewachsen, seine Familie stammt jedoch aus Freiwaldau in Österreichisch-Schlesien. Er ist sehr wenig über die altreichsdeutsche Staatskunst im Sudetengau erfreut, dafür umsomehr über seinen Namensvetter, den „Leutnant Spielvogel" aus Pfersmanns gleichnamigem Roman . . . Ich brach gleichzeitig mit Coburg auf, er nahm mich aber, da er ganz entgegengesetzt fuhr, nicht in seinem Auto mit, so daß ich - fast eine Stunde - in grimmigster Kälte zu Fuß nach Hause wandern mußte. Es hat mir aber nichts geschadet, sondern recht wohl getan. 30. Jänner 9 Uhr früh persönliche Meldung bei Generaloberst Keitel, der mich wie immer außerordentlich liebenswürdig empfing, stets mit Exzellenz ansprach und eine weitgehende Ausgestaltung meiner Stellung verhieß. Nachher ging ich zum Chef des Wehrmachtspersonalamtes Oberst Winter 5 2 ), einem Bayern, der gleichzeitig höchst musisch ist und unter anderem auch die „Olympische Fanfare" komponiert hat. Wir sprachen uns ausgezeichnet und verabredeten einen privaten Verkehr. Dann kurze Vorsprache bei Oberst Warlimont S 3 ), einem zwar aalglatt-liebenswürdigen, doch unverkennbaren Generalstabsstreber, der es nicht vergessen kann, daß ihm zu Kriegsbeginn Jodl vor die Nase gesetzt worden ist. Ich spreche mit ihm über die Organisation der obersten Befehlsgewalt, gebe der Meinung Ausdruck, daß O K W und O K H durch Personalunion verknüpft zu sein hätten, da O K W ohne „Hausmacht" zu schwach sei, und spreche mich überdies für die organisatorische Aufteilung der Luftwaffe zwischen Heer und Marine aus, wobei die gemeinsame technische und taktische Ausbildung immer noch durch einen gemeinsamen Generalinspekteur gewährleistet werden könnte. (Übrigens soll sich auch Göring äußern, daß er der letzte Luftfahrtminister sein werde.) Warlimont meinte, ich möge nur ja für meine Auffassungen Propaganda machen. (Ich werde mich hüten.) . . . Den Oberbefehlshaber des Ersatzheeres General der Infanterie Fromm 5 4 ) treffe ich auf dem Wege zu Generaloberst Keitel, wir wechseln ein paar Worte.

5 2 ) Paul Winter ( N e u b u r g / D o n a u , 2 9 . 1 . 1 8 9 4 bis ?), 1 5 . 7 . 1938 bis 1 . 6 . 1 9 4 3 C h e f d. Zentral-Abt. d. O K W , 1 . 1 1 . 1 9 4 1 G e n . M j r . , 1 . 6 . 1 9 4 3 G e n . L t . , ab 9 . 8 . 1 9 4 3 Führer 30. I D . , dann 9 . Luftwaffen-Feld D. 5 3 ) Walter Warlimont ( O s n a b r ü c k , 3 . 1 0 . 1 8 9 4 bis 9 . 1 0 . 1 9 7 6 , wahrscheinl. G m u n d ) , 1913 Eintritt in die preuß. Armee als F h j . , Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, 1 . 2 . 1 9 3 8 O b s t . , 1 . 1 0 . 1 9 3 8 Abteilungschef im O K W , 1 . 1 1 . 1 9 3 8 bis 1 . 9 . 1 9 3 9 mit der Wahrung der Geschäfte des Chefs des Wehrmachtsführungsamtes im O K W betraut, 1 . 8 . 1 9 4 0 G e n . M j r . , 1 . 1 . 1 9 4 2 bis 8 . 5 . 1 9 4 5 stellv. C h e f des Wehrmachtsführungsstabes im O K W , 1 . 4 . 1 9 4 2 G e n . L t . , 1 . 4 . 1 9 4 4 G e n . d. Art. Seine Erinnerungen: Im Hauptquartier der deutschen Wehrmacht 1 9 3 9 - 1 9 4 5 . Grundlagen, F o r m e n , Gestalten, Frankfurt/Main 1962. 5 4 ) Fritz F r o m m (Berlin, 8 . 1 0 . 1 8 8 8 hingerichtet 1 2 . 3 . 1 9 4 5 , Brandenburg), 1906 Eintritt in die preuß. A r m e e als F h j . , Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, 1 . 4 . 1 9 3 9 G e n . d. A r t . , 1 . 9 . 1 9 3 9 bis 20. 7 . 1 9 4 4 O B . d. Ersatzheeres, 1 9 . 7 . 1 9 4 0 G e n . O b e r s t . Wegen seiner schwankenden Haltung während des A b laufs der Ereignisse am 2 0 . 7 . 1 9 4 4 enthoben und später hingerichtet.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

Den Mittag verbrachte ich bei Sztöjay, der von seinem Krankenurlaub zurückgekehrt ist. Er behauptet, sich besser zu fühlen, schaut aber noch sehr schlecht aus und hält eine strenge Diät. Wir sprechen über die Lage, Sztöjay ist ein heißer Verfechter der ungarisch-deutschen Freundschaft. Ich frage ihn wegen der vom jungen Berchtold 5 5 ) zu Dubskys gebrachten Märe, daß Ungarn eine Personalunion mit Italien anstrebe. Er gibt keine dezidierte Antwort, meint aber, daß die Frage der Nachfolgeschaft Horthys doch schon vielfach besprochen werde. Gusti Denk geht am 1. in Pension (seltsamerweise eigentlich gemeinsam mit mir). Die ungarische Heeresleitung wird umgebaut. Bartha, Fischer und drei Armeekommandanten (Pest, Szolnok, Fünfkirchen) werden Generäle der III. Rangklasse. Nachmittags 5 Uhr Besprechung bei D r . Grosche 5 6 ) und Stolzmann 5 7 ) über die Deutsch-Ungarische Gesellschaft. Natürlich Freyberg mitanwesend. Die Sache mit Tasnady-Nagy soll sich ziehen, weil er eine Balleteuse heiraten will. Wir können warten. Abends Essen im Bellevue bei Meißners. Anwesend noch die Schwester der Frau Meißner und ein jüngerer Diplomat, der in der letzten Zeit das Memmeiland und Moskau mit seinem Wirken beglückt hat (übrigens ein ganz bescheidener, netter Mensch). Meißners bewohnen seit Jahresfrist den linken Flügel des ehemaligen Kaiserschlosses, das nun Gästehaus des Führers ist. Die Wohnung ist wunderbar ausgestattet, allerdings fast nur mit Möbeln aus dem Privatbesitz Meißners, die Bäder sind fantastisch. Der Reichtum an Räumen ist auch dazu da, um Gefolgsleute fürstlicher Gäste aufzunehmen. Das Essen (Wild) ist recht gemütlich. Nachher ziehen wir uns in eine Ecke der Halle zurück, um der Führerrede zu lauschen 5 8 ). Diese ist im ersten Drittel sehr gut, fällt aber dann sichtlich ab und läßt vor allem jegliche Note von Volksverbundenheit missen (Erinnerung an die Leiden und Entbehrungen, die der Krieg fordert und dergleichen). Ein ausgezeichneter Kaffee wird serviert, ein Geschenk des Führers aus einer Sendung irgendeines arabischen oder indischen Fürsten. Die Stimmung ist nach jeder Richtung optimistisch. (Der Erfinder der Spangen zum Eisernen Kreuz ist Meißner, ich habe ihm besseres zugetraut. Die letzte Zeichnung stammt vom Führer selbst.) Gegen 12 U h r nachts fahren der Diplomat und ich im Taxi nach Hause. 31. Jänner Vormittags Kanzlei. Dann Besuch bei Rabenau in Potsdam. Er hat ein sehr schäbiges Büro, doch entstammt jedes der Möbel dem Arbeitszimmer des großen Moltke (!). Wir sprachen vielerlei über die geringe Geistigkeit in der Armee, über ihre politische Schwäche und dergleichen mehr. Meine Berufung an die Spitze der

5 5 ) Wahrscheinlich Alois G r f . Berchtold (Buchlau, 2 1 . 4 . 1 8 9 4 bis 2 8 . 5 . 1 9 7 7 , Wien), Sohn des k. u. k. Min. d. Äußern, k . u . k. Kämmerer, O b l t . i. d. Res. D R . 11. 5 6 ) G r o s c h e (?), D r . iur., 1 5 . 1 0 . 1 9 3 6 in der Dienststelle R i b b e n t r o p , 1937 im Hauptreferat I I I , P r o tokoll. 57 58

) K o n n t e nicht identifiziert werden. ) Vgl. D o m a r u s , 1 4 5 2 - 1 4 6 1 .

In der Presseabteilung des OKW

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Zivilarchive würde Rabenau außerordentlich begrüßen, noch mehr die Absicht, mich zum Leiter der Wehrwissenschaftlichen Abteilung zu machen. Dann würde er sich nochmals in die geistige Schlacht stürzen. Er wolle auch mit Erfurth über die Angelegenheit sprechen. Mittags stellte ich mich bei Generalleutnant Thomas, dem Chef des Wehrwirtschaftsstabes vor. Ein feiner, bescheidener Mann von reichen Kenntnissen. . . . Nachmittags Tee bei Rabenau. Anwesend noch ein Graf Moltke 5 8 "), der sich als Völkerrechtsreferent beim O K W betätigt. (Die Bevölkerung von Berlin zerfällt überhaupt nur in zwei Teile: solche, die in der Propaganda und solche, die beim O K W tätig sind.) Dieser Moltke gehört zum Zweige des greisen Feldmarschalls. Zu Beginn zeigte uns Rabenau eine verblichene Photographie einer Gesellschaft beim alten Moltke - den letzteren, wohl wegen der Hitze, mit einem Damenhut auf dem Kopfe. Der anwesende Moltke meint wie viele geistige Menschen in Berlin, daß jetzt der Zeitpunkt da sei, zu den bekannten Bedingungen (Polen, Tschechei) Frieden zu schließen; später werde alles auf die Spitze getrieben sein. 1. Februar 10.30 Uhr Besuch beim Oberstleutnant v. Wedel s 8 b ), Chef der Presseabteilung des O K W . Er ist erst seit Mai auf seinem Posten und hatte früher nie etwas mit der Presse zu tun, was er (vielleicht gar nicht zu Unrecht) als Vorzug bezeichnet. Er macht mir im allgemeinen einen recht guten Eindruck und scheint auch sein seit Erfindung des Rundfunks unerhört angewachsenes Werkel gut am Zügel zu haben. Ich frage ihn aus, wie ein alter Lehrmeister, er steht mir gerne Rede und Antwort. Vor Weihnachten sagte mir Jodl, er schreibe die Heeresberichte 5 9 ) - nun erklärte Wedel, es zu tun. Ich komme auf die „ A n o n y m i t ä t " der Berichte (das Verschweigen der Befehlshaber) zu sprechen, einen Vorwurf, den Wedel nur so weit gelten läßt, als die Geheimhaltung die Unterdrückung von Heerführernamen nötig macht. Ich glaube, daß hier wohl tiefere Gründe vorliegen. Den Mittag verbrachte ich wieder bei Sztojay. Es waren anwesend: Erzherzog Albrecht, Ehepaar Meißner, Ehepaar Baron Dörnberg 6 0 ) (Kabinettschef Ribbentrops), eine Frau von Tippeiskirch, das ungarische Legionsratspaar (letztere eine 5 8 a ) Helmuth James Grf. Moltke (Kreisau, 11.3.1907 bis 2 3 . 1 . 1 9 4 5 , hingerichtet in Berlin-Plötzensee), Urgroßneffe des G F M . Helmuth Grf. Moltke, Gutsbesitzer, Rechtsanwalt; ab 1939 Berater f. Kriegs- u. Völkerrecht beim O K W ; ab 1940 Zusammenkünfte von Widerstandskämpfern aller Richtungen auf seinem Gut ( = Kreisauer Kreis); Beratung von Moltkes Konzept des gewaltlosen Widerstandes. Anfangs 1944 verhaftet, nach dem 20.7.1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. 5 8 b ) Hasso v. Wedel (?), 1938/1939 in der Inlandsabt./Allg. Wehrmachtsamt im O K W , später Chef d. Abt. Wehrmachtspropaganda (OKW/W Pr.). 5 9 ) Dazu vgl.: E. Murawski, Der deutsche Wehrmachtsbericht 1939-1945 (Schriften des Bundesarchivs, Bd. 9), Boppard/Rhein 1962, 39ff. Wedel als Chef der Abteilung mußte den fertig en Entwurf des Wehrmachtsberichts dem Chef des Wehrmachtsführungsstabes vorlegen, der die Genehmigung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht, Hitlers, einzuholen hatte. so) Alexander Frh. v. Dörnberg (?, 17.3.1901 bis ?), Dr. iur., Gesandter, Kabinettschef Ribbentrops; verheiratet seit 14.12.1928, Berlin-Dahlem, mit Gisela geb. Hackelöer gen. Kiebbinghoff.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

recht nette Frau, die beim Speisen neben mir saß). Als ich Frau Meißner begrüßte, flüsterte ich ihr so, daß es die anderen hören konnten, die Worte ,,acht-einhalb" zu. Ich hatte ihr beim Abendessen in Bellvue versprochen, aus Krakau Strümpfe mitzubringen, deren Größe 8V2 zu sein hätten. Sie lachte herzlich und fand im übrigen an meiner Generalsuniform, in der sie mich zum erstenmal sah, guten Gefallen. Sie war an diesem Tage besonders jung, 22 - mit einer erwachsenen und verheirateten Tochter. Ich war gesellschaftlich gut in Form und gab in der österreichischen Frage zahlreiche Bonmots zum Besten. Der 13. März 1938 sei eine sehr gute Sache gewesen, nur ein kleiner Irrtum sei unterlaufen: Österreich hätte sich nicht an Deutschland, sondern Deutschland an Österreich anschließen sollen. Als ich nach meiner Ernennung zum deutschen General zum erstenmal die friderizianische Stickerei am Kragen gehabt und mich in meinem Sessel im Wiener Kriegsarchiv niedergelassen hätte, da hätte mich vor allem das Gefühl erfaßt: Nun ist Königgrätz endgültig verloren. In dieser dicken Tonart ging es, unter dem Beifall aller Anwesenden, die sich auch meines österreichischen Akzentes freuten, weiter. Ob man mirs nicht doch einmal schief nehmen wird, bleibe dahingestellt. Aber es ist der letzte Dienst, den ich meiner zerfetzten und zerrissenen Heimat erweisen kann. Als Meißners und ich gemeinsam fortgingen, erinnerte sich Meißner meiner Klage über das Ende Österreichs, das auf diesen Tag fiel. Meißner meinte im Hinblick auf meine Späße: Aber sie tragen es mit W ü r d e ! Einmal im Gespräch kamen wir auch auf Cramon und meiner Zusammenarbeit mit diesem. Meißner meinte: Sie sind also schon so lange in der (großdeutschen) Sache tätig. Ich erwiderte: „ J a , aber man hat alles vergessen." Er tröstete mich: „ M a n wird sich wieder erinnern." Von Sztöjay fuhr ich ins Hotel Adlon, wo ich mit Reitter eine Zusammenkunft verabredet hatte. Er ist immer von leichten Sorgen um das Schicksal des Gaues Salzburg erfüllt und verspricht sich einen Fortbestand des Reichsfürstentums nur davon, daß das Wehrkreiskommando dort bleibt. Rainer ist nach wie vor (wie man in Berlin sagt) „ganz groß" und, wie Reitter erzählt, gleich allen diesen neuen Großen nur von der einzigen Sorge erfüllt, nicht „ w e i c h " zu erscheinen. „ H a r t sein" ist der Trumpf der Stunde. [. . .] Im übrigen entnehme ich dem Gespräche Reitters, daß sich Rainer der Gastappartements in der Salzburger Residenz bemächtigt hat. Er will dort allerhöchstpersönlich mit seiner hohen Familie einziehen. Recht geschieht ihm. Die Lage dieser Räume ist die denkbar schlechteste, die es in der ganzen Residenz gibt. Im Sommer wohnt man, zumal an der Gassenfront, geradezu auf der Straße. Immerhin muß ich daran denken, wie der Statthalter Sigismund Graf Thun-Hohenstein und die Landespräsidenten Graf St. Julien 6 1 ) und Graf Schaffgotsch, auch keine hergelaufenen Leute, mit ihren Wohnungen im Hofe des Neugebäudes durchaus zufrieden waren . . . 2. Februar Vormittags um 10 Uhr fuhr ich vor dem Verwaltungsgebäude der Siemensstadt vor, wo mich mein alter Freund Paul Fleck zur Besichtigung eingeladen hatte. Zunächst wurde ich in die Dynamofabrik geführt. Eine außerordentlich interessante

Tod Jaspar Kundts

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und appetitliche Arbeit, die bezeichnenderweise noch dieses eine für sich hat, daß fast alles mit Ausnahme der von anderen Firmen erzeugten Grundmaterialien Handwerk im besten Sinne des Wortes ist. Ich fragte einen Arbeiter; seine Antwort lautete: „ I c h bin schon 35 Jahre bei dieser Arbeit, man muß mindestens sechs Jahre lernen." Die Verantwortung jedes einzelnen ist sehr groß, an Fehlern können hunderttausende von Mark verpfuscht werden. Dabei geht die Durchschnittsentlohnung kaum über 250 Reichsmark im Monat hinaus. Aber die sozialen Einrichtungen (inklusive billiger Kantine) sind großartig. Ich besichtige die Mienen der Arbeiter und Arbeiterinnen: sehr selten, daß ich einen verdrossen dreinsehenden Menschen erblicke. Dies gilt für das Dynamowerk nicht weniger als für die Erzeugungsstätte der Kupferdrähte, wo es nicht mehr so appetitlich hergeht wie in ersterem und auch das „laufende B a n d " wieder in seine Rechte tritt. Bei den Drähten ist übrigens ein Herr von dem Hagen Führer, ein alter Offizier, der von 1910 bis 1936 in Deutschwestafrika lebte, dann aber - offenbar auch wegen einer unglücklichen Frauengeschichte - mit seiner Farm bergab schwamm. Nach der Besichtigung entbot mich Fleck zu einem recht guten Frühstück in das Beamtenkasino, woran auch der Personalchef der Firma, ein Herr von Witzleben, gleichfalls alter Offizier, teilnahm. Die Siemensfabriken in Großdeutschland umfassen ein Personal von insgesamt 198000 Köpfen, Witzleben befehligt eine hübsche Armee. Die Firma ist für 2 Jahre mit Rohmaterial eingedeckt, darunter auch Kupfer. Übrigens wird statt dessen auch von Aluminium reicher Gebrauch gemacht. Am späteren Nachmittag hole ich Fleck zur Einäscherung unseres alten Freundes Jaspar Kundt ab. Generalmajor Kundt, der Bruder des vielgenannten bolivianischen Organisators 6 2 ), war von 1917 bis 1928 in Wien, zuerst beim Bevollmächtigten des preußischen Kriegsministeriums, dann als verkleideter Militärattache. Ein außerordentlich reger Mensch und aufgeschlossener Geist, dabei guter Kamerad, mit dem ich mich sehr angefreundet habe. Als ich im Winter 1933/34 als Kandidat für den Berliner Gesandtenposten genannt wurde, war Kundt der eifrigste Rufer im Streite. Seit Kriegsbeginn vertrat er den Obersten v. Eggeling als Generalsekretär der wehrwissenschaftlichen Gesellschaft. Ich hatte schon ein recht schlechtes Gewissen, als ich vor etwa 3 Wochen seit meinem Berliner Aufenthalt zum erstenmale anrief. Man teilte mir mit, Kundt habe sich eben heute einer Voroperation im Darm unterziehen müssen. Der Voroperation folgte eine Hauptoperation, die beide gut verliefen; aber das Herz des Patienten hielt nicht durch. Der arme Kundt starb. Er wurde in der Feuerhalle in Wilmersdorf verbrannt. Eine kleine Trauergemeinde umstand den Sarg (jeder der anwesenden Offiziere anders angezogen), der Pfarrer

S 1 ) Klemens G r a f St. Julien-Wallsee (Wolfsegg, 2 5 . 9 . 1 8 4 5 bis 23. 8 . 1 9 0 8 , Salzburg), 1 4 . 1 2 . 1 8 9 7 bis 2 3 . 8 . 1 9 0 8 Landespräsident von Salzburg.

« ) Hans Kundt (Neustrelitz, 2 8 . 2 . 1 8 6 9 bis V I I I . / 1 9 3 9 , Locarno), 7 . 3 . 1 8 8 8 Eintritt als F h j . in die preuß. A r m e e , . . . ab 1 8 . 5 . 1 9 0 8 kommandiert zum G r o ß e n G e n s t a b . , 1 . 6 . 1 9 0 8 zum Kriegsmin., 1 0 . 9 . 1 9 0 8 M j r . , X I I . / 1 9 1 0 bis V . / 1 9 1 4 Militärberater in Bolivien, Genstabsoffz. u. Rgtskdr. im 1. Weltkrieg, 1 8 . 4 . 1 9 1 7 O b s t . , 3 . 1 . 1 9 1 8 Kdr. 2 1 1 . I B r i g . , V I I . 1918 Kdr. 42. I B r i g . , 2 0 . 1 . 1 9 1 9 Kdr. Garde G r e n . R g t . 1, 1 . 1 . 1 9 2 0 Kdt. v. Glogau, 3 0 . 4 . 1 9 2 0 als char. G e n . M j r . verabschiedet.

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kam und hielt eine Trauerrede, bei der man nur die taube Frau beneidete - so entsetzlich schlecht waren die Ausführungen des Geistlichen. U m 6 Uhr abends machte ich Weizsäcker im Auswärtigen Amte meinen Antrittsbesuch. Der Vielgeplagte war recht nett. Ich notiere zwei Aussprüche. Als ich auf die Last seiner Aufgabe zu sprechen kam, meinte er: „ W a s glauben Sie, in einem Führungsstaat wie dem unsrigen gibt es auch in der Außenpolitik keine Handlung, die nicht von oben her angeordnet wird; es bleibt wenig Eigenes zu machen übrig." Dann kam ich darauf zu sprechen, daß tags vorher Österreich seine Auflösung endgültig vollzogen habe. Weizsäcker fragte mich zweimal scharf betont: „Glauben Sie wirklich, für i m m e r ? " Kurz darauf hatte ich mit dem Erzherzog Albrecht einen Tee im Esplanadehotel. Der junge Mann (jung cum grano salis) ist sehr fest auf den Sieg Deutschlands, sehr „happig" auf die Gewinnung Siebenbürgens für Ungarn und rückt schließlich mit dem heraus, was er mir offenkundig vor allem sagen wollte: „Ich habe auf alle habsburgischen Ehrgeize verzichtet, strebe aber eins an - die Nachfolgeschaft Hort h y s ! " Ich wollte schon fragen: „ U n d was ists mit der Frau Gemahlin?", unterdrückte diese Frage jedoch. Es ist schon interessant, mit welchen Gedanken einzelne Menschen umgehen . . . 3. Februar Meldung beim Großadmiral Dr. h.c. Raeder, der mir zustimmt, als ich sage, daß der uneingeschränkte U-Bootkrieg auf die Dauer unvermeidlich sein werde und zwar schon im Hinblick auf die Unerträglichkeit des bisherigen prisengerechten Krieges für die Marine. Raeder meint, der Ubergang vollziehe sich bereits ohne Aufsehen. Wie ich übrigens höre, soll die Position Raeders lange nicht so fest sein, wie man in der Öffentlichkeit glauben mag. Nachher besuchte mich Rabenau. Da ich in vollem Umzug in mein neues Büro in der Bendlerstraße 5 bin, muß ich Rabenau im Zimmer des Oberstleutnant Friede, Chef der Abteilung Wehrmacht Allgemeine, empfangen. Die Unterredung gilt vor allem der berühmten religiösen Denkschrift Rabenaus, in der dieser nicht weniger und nicht mehr anregt, als von der Armee aus eine deutsche Einheitskirche mit einem Rom unterstehenden protestantischen Primas zu bilden. Jeder hat einen Vogel im Kopf, Rabenau diesen. Er ist übrigens auch in der katholischen Dogmatik recht gut bewandert und man hats nicht leicht, mit ihm in diesen Dingen den Degen zu kreuzen. Ich soll ihm helfen, zu Brauchitsch und Reinecke vorzudringen. Ich fürchte immer, daß er sich durch sein Steckenpferd schaden wird. 12.15 Uhr im preußischen Finanzministerium, nachher Mittagessen mit Professor Uebersberger und seiner Assistentin und Gattin in spe 6 3 ). Klage wie bei allen Universitätsprofessoren über die Zurücksetzung der Geistigkeit gegenüber dem Mechanischen. Viele Bemerkungen über Österreich, darunter eine sehr interessante Andeutung über einen offenbar vom Wiener Polizeivizepräsidenten Fitzthum 6 4 ), 6 3 ) Hedwig Uebersberger (Wien, 1905 oder 1906 bis 2 8 . 9 . 1 9 7 8 , München), Slawistin, Romanschriftstellerin, z . B . Die drei Jahrhunderte des Kassian Timofejew, 1960.

„Verschwörer" in Österreich an der Macht

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einem uralten Kämpfer, ausgehenden Prozeß beim Münchener Parteigericht 6 5 ), wonach sich Bürckel, Hubert Klausner, Globocnik und Friedel Rainer schon im Herbst 1936 bei einer Zusammenkunft in Kärnten über die Köpfe der offiziellen Partei hinweg die politischen Güter Österreichs aufgeteilt haben sollen. Die Zusammenkunft hat wirklich stattgefunden, dies gestand Rainer sogar in einer öffentlichen Rede in Salzburg, der ich beiwohnte. Und auch sonst scheint die Entwicklung den Gerüchten durchaus rechtzugeben. Seyß, Wächter, Mühlmann scheinen sich rechtzeitig eingeschaltet zu haben. Ich sage es immer: An der mißglückten L ö sung der österreichischen Frage nach dem 13. März 1938 sind vor allem die Österreicher schuld. Noch im Herbst zuvor hatte Göring gegenüber Guido Schmidt hinsichtlich der österreichischen Partei ein verachtungsvolles Achselzucken. Diese gleiche Partei, in Wirklichkeit ein Haufen von - zum Teil gewiß opferbereiten, zum Teil aber auch nichts zu verlieren habenden - Verschwörern, wurde beim Anschluß über Nacht zur Regierung berufen. Zudem hatten, gestützt auf Bürckel und unterstützt, soweit dies bei dem Manne gesagt werden kann, durch Seyß, die Kärntner Parteiauflöser von gestern die Macht an sich gerissen und Ehrgeizlinge vom Typus Uiberreithers in der Steiermark kamen dazu. Ihnen allen war gleichgültig, ob sich das österreichtum als Ganzes im Reich durchsetzen werde. Wenn nur sie ihre Duodezfürstentümer und ihre Pöstchen bekamen! Das Schauspiel des Länderpartikularismus von 1918/19 wiederholte sich, nur daß sich im Gegensatz von damals, wo die Entente die österreichischen Länder zusammenzwang, diesmal in einer völlig unberechtigten Furcht vor einem gar nicht vorhanden gewesenen Separatismus das Prinzip des „divide et impera" durchzusetzen vermochte! Das ist die österreichische Tragödie, die dem Verschleudern großer inner- und außenpolitischer A k tiva gleichkommt. . . . 4. Februar Sonntag. Ich freue mich, diesmal im Hedwigsdom ein Pontifikalamt (offenbar Mariae Lichtmeß) zu erwischen, das der Bischof Graf Preysing 66 ) pontifiziert. Er ist

M ) J o s e f Fitzthum (Loimersdorf, N ö , 1 4 . 9 . 1 8 9 6 bis 1 0 . 1 . 1 9 4 5 , Autounfall bei Laxenburg anläßlich einer Dienstfahrt), 1 5 . 5 . 1 9 1 5 aus der M O R . Mährisch-Weißkirchen zur T e c h n . Milak. ( G e n i e - A b t . ) , 1 8 . 8 . 1 9 1 6 als Lt. zu 3. T K J R . , Flieger, 1917 O b l t . , 1 7 . 1 . 1 9 1 9 entlassen, 1923 an der Wiener Kunstgewerbeschule angestellt, zuletzt als Direktionssekretär, dort V I . / 1 9 3 3 vom Dienst suspendiert und verhaftet; 1930 zur N S D A P , V I . / 1 9 3 2 Führer der Wiener SS, I . / 1 9 3 4 nach Deutschland geflüchtet, I V . / 1 9 3 4 wieder in Wien verhaftet, I I . / 1 9 3 6 Flucht aus dem Gefängnis, 1936 Führer der 58. SS-Standarte K ö l n - A a c h e n , 1 2 . 3 . 1 9 3 8 S S - O b e r f ü h r e r und Polizeivizepräs, v. W i e n , 1 . 4 . 1 9 4 0 nach Danzig zum Dienst in der Waffen-SS versetzt, I . / 1 9 4 1 zur Bearbeitung von Sonderaufgaben ins Hauptamt O r d nungspolizei ins R M . d. Innern, 1941 als Sturmbannführer (Kompanieführer, dann Bataillonsführer) an die O s t f r o n t , 1 . 8 . 1 9 4 4 SS-Gruppenführer u. G e n . L t . d. Waffen-SS, H ö h e r e r SS- u. Polizeiführer in Albanien.

) Ü b e r die „ A f f ä r e F i t z t h u m " vgl. Luza. 1 7 1 - 1 7 5 . ) Konrad G r a f Preysing (Schloß Kronwinkl bei Landshut, 30. 8 . 1 8 8 0 bis 2 1 . 1 2 . 1 9 5 0 , Berlin), 1906 Legationsrat bei der bayer. Gesandtschaft in R o m , 1908 Theologiestudium, 1932 Bischof v. Eichstätt, 1935 B i s c h o f v. Berlin, 1946 Kardinal. 65 66

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eine sehr würdige, dabei durchaus aristokratische Erscheinung. Aber die Kälte dieses Gotteshauses wird auch durch den Weihrauch des Bischofamtes nicht verscheucht. Zudem macht Preysing (Pater Bruno erklärt es mir eine Woche später in Wien mit einer Sakramentsaussetzung, die mir offenbar entgangen ist) von den Pontifikalinsignien inklusive Kalotte fast gar keinen Gebrauch. Erst beim Auszuge, schon unter der Türe der Sakristei, bleibt er plötzlich stehen und läßt sich die Mitra aufs Haupt setzen, um gleich darauf hinter den schweren Eichentüren zu verschwinden. Kein An- und Auskleiden auf dem Throne! Ich bin gekränkt . . . Zu Mittag esse ich, nach einem Fußmarsch vom Dome, im Eden schlecht wie immer. Schon wenn man eintritt, empfängt einen ein muffiger Geruch, der zum Milieu in starkem Widerspruche steht. Diese Berliner Köche können mit dem Wenigen, was sie haben, noch weniger anfangen als die Wiener Kollegen, denen doch wenigstens Dinge wie ein Erdäpfelgulasch leicht von der Hand gehen. Nachmittags habe ich meinen Freund, den Ministerialdirigenten Major a . D . Sieler bei mir zum schwarzen Kaffee, den ich höchst eigenhändig mit meiner elektrischen Maschine koche. Die gute Nußbäckerei Beatens ist leider längst „alle" geworden, meine Quartierwirtin, Frau Jakob, muß mit einem Biskuit aushelfen. Trotzdem ist die Sache recht gemütlich. Wir besprechen den Fall des Ministerialrates Fahringer, der nicht zum Ministerialdirigenten befördert werden soll, die Frage der Zulagen für die Besitzer der kleinen Silbernen Tapferkeitsmedaille, die Pensionszuerkennung an den Feldmarschall Erzherzog Eugen. Den Abend verbringe ich bei Kappus. 5. Februar Insofern ein bemerkenswerter Tag, als ich das neue Büro in der Bendlerstraße 5 beziehe. Es ist für Kriegsverhältnisse sehr hübsch, nur durch eine lange, allerdings versilberte Ofenröhre, deren Anlage unvermeidlich war, etwas verschandelt - wird im Sommer durch die Nähe des Tiergartens besonders angenehm sein, wenn ich's erlebe. Ganz neue Möbel (Schreibtisch, Garnitur, Kasten) sind gekauft worden. Ich lasse mir von Meli aus Wien (Heeresmuseum) österreichische Bilder schicken. Auch ein Prinz Eugen, der in der Kriegsschule hing, wird darunter sein. Ein Stück Österreich mitten in der preußischen Umgebung. - Massenbach hat sein Büro neben mir, an der Hinterfront haust die Sekretärin Opitz, die ob ihres Postens von allen Kolleginnen beneidet wird. 6. Februar Familienabend mit Schichts im Eden. Ganz gutes Essen. Heinrich Schicht, der Senior, trägt mir beim Abschied auf, ihn sofort zu verständigen, wenn ich für den Eintritt in ihren Betrieb zur Verfügung stehe. 7. Februar 15 Uhr nachmittags Beisetzung des bekannten Militärschriftstellers Oberstleutnant Müller-Löbnitz 6 7 ) auf einem malerischen Friedhof bei Potsdam, auf welchem

Gespräch mit Generaloberst Beck

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viele Soldaten den letzten Schlaf tun, darunter auch Erich von Falkenhayn, an dessen Grab ich ergriffen vorüberkomme. Zuerst endlos lange Feier in der Kirche, eine entsetzliche Rede des Pfarrers, die - wie bei Kundt - eher geeignet ist, das Andenken des Toten zu schmälern, statt es zu feiern. Anwesend Generaloberst a.D. Beck, Erfurth, Rabenau, Generalleutnant Starke 68 ), Chef der Kriegsgeschichtlichen Abteilung Erfurths, Förster, der Präsident der Forschungsanstalt, der gleichfalls eine Rede hält. Sehr kalt. Ich wundere mich, daß ich ohne Verkühlung davonkomme. 18 Uhr ein überaus interessanter Besuch bei Generaloberst Beck in Groß-Lichterfelde. Dauer anderthalb Stunden. Gegenstand Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein feiner, interessanter Kopf (Rabenau sagt: Savonarola). Wir werden uns von Zeit zu Zeit wiedersehen. Abendbrot im Hause des früheren österreichischen Legations- und nunmehrigen Geheimrats Dr. Hudeczek, dem ich ein wenig gegenüber den Bedrohungen durch Wächter das Leben gerettet habe. Er wohnt - Gott sei Dank - nur ein paar Schritte von mir auf dem Olivaer Platz. Unerhört aufgetakelt erscheint Neubacher in seiner Eigenschaft als deutscher Wirtschaftsbevollmächtigter für Bukarest. Er kann sich gar nicht beruhigen, daß unter dem Dekret mit der Verleihung des Gesandtentitels die Unterschrift des Führers steht - die bekanntlich unter allen Dekreten vom Major aufwärts eingezeichnet ist - und erzählt geschwellter Brust, daß es ihm geglückt sei, eine halbe Stunde lang bei Ribbentrop zum Tee geladen gewesen zu sein. Ich zweifle ein wenig an der Intelligenz des Mannes. Denn außer seiner eigenen Position gibt es für ihn auch jetzt keine Probleme, wie ich selbst wahrnehmen muß, als wir zu Zweien weggehen. Kann man so egozentrisch sein ? Natürlich ist er als Bürgermeister nur beurlaubt und eine zweistündige, sehr deutliche Aussprache zwischen ihm und Bürckel hat den Frieden hergestellt. Vederemo! 8. Februar 9 Uhr vormittags Chefbesprechung bei Reinecke. Dieser ist sehr gedrängt, es kommt nichts besonders Interessantes heraus. Er muß nach Karinhall zum Generalfeldmarschall. Um 2 Uhr nachmittags Frühstück mit Nostitz im Kaiserhof. Wir leben in einer richtigen Saurengurkenzeit. „Ich habe", meint Nostitz, „nachgedacht, welches außenpolitische Bonbon ich Ihnen präsentieren könnte - mir fällt jedoch mit bestem Willen nichts ein". Der Führer hat sich für ein paar Tage - wie Massenbach mitzuteilen weiß - auf den Berghof zurückgezogen. Die Holland-Belgien-Geschichte soll 67 ) Wilhelm Müller-Löbnitz (? bis 3 . 2 . 1 9 4 0 , Berlin), O b s t l t . a . D . , Angehöriger des Reichsarchivs b z w . d. Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres. Verfaßte u . a . : Die F ü h r u n g im Marnefeldzug 1914, Berlin 1939. H g . v.: Jahresberichte über die Veränderungen und Fortschritte im Militärwesen; Deutsche Kriegsschriften; Vom Wesen und Wert der allgemeinen Wehrpflicht, Berlin 1936. 68 ) H e r m a n n Starke (Weida, T h ü r i n g e n , 2 8 . 5 . 1 8 8 1 bis ?), 1899 Eintritt als F h j . i . d . p r e u ß . A r m e e , Ü b e r n a h m e in die Reichswehr, 1.3.1932 G e n . M j r . , 3 0 . 9 . 1 9 3 2 verabschiedet, 7 . 1 1 . 1 9 3 8 char. G e n . L t . , 1 . 9 . 1 9 3 9 Abteilungschef im Generalstab des Heeres, kriegswissenschaftliche A b t . (bis 7 . 1 . 1 9 4 3 ) , 3 1 . 8 . 1 9 4 4 M o b v e r w e n d u n g aufgehoben.

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zurückgestellt sein wegen des Mechelener Fliegers, dafür wird angeblich von einem Sedan gesprochen. Ich glaube, es sind dies alles Latrinengerüchte. In der Friedensfrage hat Nostitz mit einem Schweden und einem Schweizer gesprochen. Der erstere glaubt, der Friede wäre durch Freigabe Polens und des Protektorates zu haben, letzterer hält ihn ohne andere Konzessionen für ausgeschlossen. Interessant ist um 7 Uhr abends die Zusammenkunft mit Guido Schmidt im Eden. Er war einige Wochen in Bukarest, beurteilt die Mission Neubacher als sehr schwierig (Neubacher kann kein Wort französisch oder rumänisch) und meint, daß der dort aufgebotene Apparat überhaupt viel zu groß sei. Ein Hauptgesandter, darüber der Chef der Auslandsorganisation (Konradi 69 )), ein weiterer Gesandter in der Person Neubachers, dazu die häufige Anwesenheit von Clodius, schließlich eine Pressevertreterin, die zugleich als Vertrauensperson des mächtigen Himmler gilt Rumänien beginne sich nachgerade als Protektorat zu fühlen, sträubt sich natürlich dagegen aber umsomehr - nicht zuletzt auch deshalb, weil niemand an die Möglichkeit eines deutschen Sieges glaube. Bei meinem letzten Wiener Aufenthalt sind mir durch Zufall Akten aus der Präsidentschaftskanzlei durch die Hände gegangen, laut denen - abgesehen von anderen Aushilfen - dem Kabinettsbeamten Guido Schmidt zweimal dienstlich verloren gegangene Seidenregenschirme aus dem Repräsentationsfonds des Bundespräsidenten mit je 50 Schilling ersetzt worden sind. Ich behalte mir vor, Schmidt einmal durch Anspielungen auf Chamberlains Regenschirm zu necken, mache aber diese Attacke von dem Zuckergehalt Guidos abhängig. Um 8 Uhr vertrete ich Reinecke bei der Uraufführung des Films „Polenfeldzug" im Ufa-Palast. Körner, Dörnbergs, Lutzes sind anwesend und sehr gütig zu mir. Körner will mir den Vortritt beim Einzug lassen, ich meine aber, ein schäbiger Landesminister, noch dazu in Auflösung, müsse unbedingt hinter einem ReichsStaatssekretär, noch dazu vom Vierjahresplan, zurückstehen. Der Film selbst ist künstlerisch sehr gut, aber der Krieg zeigt doch, abgesehen von ein paar unschuldigen Granataufschlägen und von schon abgebrannten Dörfern - wie ich Reinecke des anderen Tages referiere - allzusehr das Bild eines festlichen Unternehmens. Und was mir besonders auffällt (oder eigentlich nicht): das ist die Tatsache, daß in dem ganzen Film nur zwei Generalsnamen je einmal genannt wurden - Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Blaskowitz bei einem Bilde über die Kapitulation von Warschau. Ich machte des anderen Tages früh Reinecke darauf aufmerksam und hielt - in Gegenwart seines Stabschefs Linde - nicht mit der Auffassung zurück, daß in dieser Enthaltsamkeit System liege. Auch die Heeresberichte hätten kein einzigesmal militärische Führernamen gebracht. Gewiß dürfe ein solches Filmwerk nicht nur von den Generalen und Hauptquartieren handeln, aber es wäre immerhin zu wünschen gewesen, daß in den Trickbildern Namen aufgetaucht wären. In Wirklichkeit liegen die Dinge doch so, daß man das Hervortreten hervorragender Feldherren nicht wünscht. 69 ) A r t h u r Konradi (?), 1935-1941 Landesgruppenleiter der Auslandsorganisation der N S D A P in R u m ä n i e n ; m u ß t e 1941 wegen seiner H a l t u n g im Legionärsputsch R u m ä n i e n verlassen.

Die Wehrwissenschaft im Allgemeinen Wehrmachtsamt

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9. Februar Früh mit Linde zusammen bei Reinecke. Es galt Klarstellung meiner Position gegenüber der Allgemeinen Abteilung. Diese Frage wurde nunmehr bedeutsam, als ich die militärischen Verhandlungen wegen der Heimführung der östlich der Demarkationslinie, also auf neurussischem Gebiete liegenden Kriegstoten führen soll. Wir hoffen dabei, nach Moskau zu kommen, was natürlich für mich außerordentlich interessant wäre. Reinecke stimmt mir vollkommen bei. Ich bin nur neugierig, ob er etwas tut. Im übrigen ist die ganze Kriegsgräberei im Osten (ebenso wie die Umsiedlung - bei letzterer noch mehr, weil es sich um Lebende handelt) eine recht heikle Angelegenheit. Als mir die Sache übertragen wurde, war von gewaltigen, mit wundervollen Denkmälern geschmückten Anlagen längs der San-Weichsel-Narew-Linie die Rede; der Führer interessiere sich unendlich und so weiter. Seither ist man aber - wie ichs von Haus aus war - wesentlich zurückhaltender geworden. Göring hat sich bei einer Sitzung hinsichtlich der Behauptung Kongreßpolens ziemlich skeptisch geäußert. Diese Skepsis wirkte neuerlich auf Reinecke zurück. Allerdings ist er nach wie vor von der unbedingten Haltbarkeit der neuen Reichsgrenze überzeugt. Dagegen ist es strengstens verboten, von den Befestigungen, die an der San-Weichsel-Linie geplant sind, als von einem Ostwall zu sprechen. Ebenso scheint sich das Generalgouvernement mehr auf eine exploitierende als auf eine aufbauende Tätigkeit für Dauerbesitz zurückzuziehen. Im übrigen befaßt sich Reinecke immer mehr mit der Idee, mir die Behandlung wehrpolitisch-wehrwissenschaftlicher Fragen zu übertragen, allerdings das heikelste Gebiet, das sich bei der Überorganisation, die auch in der Wehrmacht vorherrscht, denken läßt. Man kann dabei Ehre und Reputation verlieren. Tatsächlich gibt es im Bereiche des Allgemeinen Wehrmachtsamtes schon eine Wehrwissenschaftliche Abteilung, die unter dem bedeutenden, zugleich dem General der Artillerie Dr. Becker 70 ) dienstbaren Professor Schumann 71 ) steht. Das ist aber eine rein naturwissenschaftlich-technische Unternehmung, bei der die Geisteswissenschaften unter den Wehrwissenschaften offenkundig zu kurz kommen. Zudem kümmern sich die verschiedenen wehrwissenschaftlichen Organisationen der drei Wehrmachtsteile, zu denen kürzlich im Hauptquartier des Oberbefehlshaber des Heeres noch eine Abteilung zur besonderen Verwendung unter General von Tippeiskirch 72 ) mit ähnli-

">) Karl Becker (Speyer, 14.12.1879 bis 1940, Berlin), Prof., Dr. phil. h.c., Dr. Ing., 16.7.1898 Eintritt in die preuß. Armee als Fhj., Übernahme in die Reichswehr, 1.10.1934 Gen. Lt., 1.10.1936 Gen. d. Art., ab 1.3.1938 Chef des Heereswaffenamtes. 71 ) Erich Schumann (?), 1939 Chef d. Forschungsabt. im Heereswaffenamt, Chef d. Abt. Wissenschaft im O K W , 1. Prof. der Physik an d. Univ. Berlin. " ) Kurt v. Tippeiskirch (Charlottenburg, 9.10.1891 bis 10.5.1957 Lüneburg), 1910 Eintritt in die preuß. Armee als Fhj., Übernahme in die Reichswehr, 1.4.1938 Gen.Mjr., 10.11.1938 Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres, 1.6.1940 Gen.Lt., 1.1.1942 Kdr. 30. ID. (bis 5.6.1942), 27.8.1942 G . d . I . , u. dt. Gen. bei d. ital. Armee an der Ostfront (bis 1.2.1943), 18.2.1943 OB. XII. AK., 4.6.1944 (bis 18.7.1944) Führer 4. Armee, 30.10.1944 (bis 11.11.1944) stellv. Führer 1. Armee, 12.12.1944 (bis 22.2.1945) stellv. Führer 14. Armee, 27.4.1945 Führer 21. Armee. Verfasser v.: Geschichte des zweiten Weltkrieges, 1. Aufl. 1951.

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chen Funktionen, wie ich sie haben soll, trat, nicht einen Deut um das, was das O K W tut und unterläßt und niemand kann von mir die Kraft verlangen, dieser Vielheit der Einrichtungen nacheinander das Lebenslicht auszublasen; das könnte nicht einmal der Generaloberst Keitel, höchstens der Führer. Wenn ich hineinsteige, was gestützt auf das wehrwissenschaftliche Institut des dem O K W angehörenden Obersten Professor R . v. Niedermayer geschehen soll, so werde ich«zunächst versuchen, irgendwie als Meldesammelstelle und Briefträger mich einzuschalten, so daß wir beim O K W wenigstens wissen, was anderwärts geschieht. Im übrigen gilt meine Lieblingsthese: Kommt Zeit, kommt Rat. . . . 10 Uhr vormittags preußisches Finanzministerium. 2 Uhr nachmittags Kosttag bei Freund Sztojay; er ist ein braver Mann, aber kein überragender Geist. Das Poulard ist immer sehr gut bei ihm. Nachmittags einpacken, dann vom Anhalter Bahnhof aus um 17 Uhr Abfahrt nach Wien. Wie ich doch diesen Schlafwagen liebe! Es ist der netteste Aufenthalt, der sich denken läßt. Ich bin selbst nicht unglücklich, als man mir mitteilt, daß es wegen der großen Kälte verboten sei, sich zu waschen. N u r der Inhalt der Wasserflasche hinterm Spiegel dürfe benützt werden. Ich befolge diesen Rat getreulich in der Gegend von Melk, es geht ganz gut. 20 Stunden habe ich keine Nahrung zu mir genommen; man brauchts nicht im Liegen. U m 11 Uhr vormittags komme ich mit reichlicher Verspätung an, wasche mich zu Hause und eile dann noch ins Büro, wo mich Troll ohne wesentliche Neuigkeiten empfängt. Ich bemühe mich, für Beate und mich Burgtheaterkarten zum Benedek zu bekommen, was dank dem liebenswürdigen Amtsrat Hertz gelingt. Ich muß mir dafür unmittelbar vor der Vorstellung gefallen lassen, daß er sich sein Herz ausschüttet. Der neue, 28jährige, pfälzische Generalintendant Dr. Kern 7 3 ), Bürckels Redenfabrikant, hat glücklich das Zepter ergriffen, ohne sich zunächst fühlbar zu machen. Wie gut würde unser Wolf auf diesen Posten passen! Das Benedekstück von einem jungen Srbik-Schüler namens ö r t e l 7 4 ) ist ein ausgesprochener Mist. Erst gegen Ende hebt es sich - rein dichterisch besehen - zu einer gewissen dramatischen Höhe, wobei freilich die Historie allzu kurz kommt. Dagegen, daß der Dichter die Situation aus dem Juli 1871 in die Wochen unmittelbar nach Königgrätz verlegt, wäre schließlich nichts zu sagen; das ist dichterische Freiheit. Eher schon ist es anfechtbar, weil unmöglich, daß der alte Benedek, nachdem ihm zweimal eine Audienz versagt worden war, zu später Nachtstunde im Bratenrock beim Kaiser eindringt, um ihn vor einem Bündnis mit Frankreich zu warnen. Und unmöglich ist, wie er es tut: unter Zitaten aus dem „ K a m p f " , ganz so, als wollte er das Goldene Parteiabzeichen verdienen. Solche Kapriolen darf kein Dichter schlagen, da muß er sich schon entschließen, Personen zu erfinden, wie es Schiller mit der Thekla im Wallenstein tat. Übrigens war Thimig als Benedek ganz gut,

) Daten nicht feststellbar. ) R u d o l f ö r t e l (geb. W r . Neustadt, 1 2 . 9 . 1 9 0 2 ) , Filmdramaturg u. Schriftsteller. Verfasser der D r a m e n : Catilina (1926), ö s t e r r e i c h i s c h e Tragödie (1934), Die Liebe der Anna Nikolajewna (1937), B e nedek ( 1 9 3 8 ) . 73 74

„Benedek" von Rudolf örtel

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Liewehr als Kaiser Franz Joseph weniger, da er nie im Leben exerzieren gelernt hat. Beate ist gekränkt, weil die Generale im Felde graue Reithosen tragen statt der damals vorgeschriebenen langen schwarzen mit Lederbesatz. Aber sie nimmt es seltsamerweise ein wenig krumm, als ich sage, sie besitze ein ,,Kommißauge". Es ist wieder sehr kalt und Gusti tut gut, daß sie mir eine Wärmeflasche ins Bett legt. Denn in der Wohnung ist es besonders unerträglich, da starker Wind von Westen bläst. 10. Februar Zu meinem Entsetzen lese ich in der Früh im Tagblatt, daß bei der für heute vorgesehenen Beckfeier „Minister und Generalmajor Glaise v. Horstenau" die Festrede halten werde. Das geht mir ab, daß man aus der Zeitung meine Anwesenheit in Wien erfährt. Die Folgen bleiben nicht aus. Die folgenden 4 Tage sind derart angefüllt mit Besuchen, daß ich kaum zur Erledigung meiner Privatgeschäfte komme. Beate knurrt ein wenig. Aber ich darf es nicht wie der Seyß machen und meinen bescheidenen Anhang durch Zeigen der kalten Schulter kränken. Die Beck-Feier findet in Erinnerung an die 20. Wiederkehr des Todestages statt. Teilnehmer: Generalstab von einst, Neustädter Eisenbahnregiment. Schauplatz: der schöne Saal im Kriegsarchiv, der vor bald 8 Jahren bei meinem 50. Geburtstag eingeweiht worden ist. Wie haben sich die Zeiten geändert! Ich sage beiläufig das, was in dem Buche „Reichsstraße 3 2 " enthalten ist, und finde Beifall. Nachher komme ich mit Beate und Freiherrn v. Dumba 7 5 ), ihrem neuen Hausherrn, im Café Carlton zusammen. Den Abend verbrachte ich bei Beate. Des anderen Morgens (Montag) trat an mich die Frage der Räumung meines Büros, des „roten Salons" auf dem Ballhausplatz heran. Ein paar Ministerialräte-ehemals meine Untergebenen, als ich Bundesminister war - können es nicht erwarten, sich als Beamte des Wiener Regierungspräsidiums an die Schreibtische Trolls und meiner Wenigkeit zu setzen. (Der rote Salon, dessen Fenster nach dem langen Balkon gegenüber den Ruinen des „Fronthauses" gehen, ist einer der schönsten Räume des Kaunitzpalais. Er wurde unter der ersten Kanzlerschaft Schobers mit herrlichen Seidentapeten bedacht und gleichartig überzogenen Rokokomöbeln. Von den Wänden blicken die Bilder von vier Außenministern - Goluchowski, Aehrenthal, Ficquelmont 7 6 ), Philipp Stadion 7 7 ). Ich hatte den Raum unmittelbar nach dem ™) Konstantin Theodor Dumba (Wien, 17.6.1856 bis 6 . 1 . 1 9 4 7 , Bodersdorf, Kärnten), ab 1879 im Min. d. Äußern, ab 1901 ao. Ges. u. bev. Minister in Paris, 1903 in Belgrad, 1905 zurückberufen, 1909 in Stockholm, 1912 abberufen, 4 . 3 . 1 9 1 3 zum Botschafter in Washington ernannt, 4 . 1 1 . 1 9 1 5 abberufen, 2 6 . 1 0 . 1 9 1 6 Ruhestand; nach 1918 Präsident d. öst. Völkerbundsliga. Seine Erinnerungen: Dreibundund Entente-Politik in der Alten und Neuen Welt, Zürich-Leipzig-Wien 1930. Der von Glaise-Horstenau angeführte Freiherrnstand ist nicht nachweisbar. 7 6 ) Karl Ludwig Graf Ficquelmont (Schloß Dienze, 2 3 . 3 . 1 7 7 7 bis 7 . 4 . 1 8 5 7 , Venedig), ab 1793 in der kais. Armee, 1814 G M . , 1829-1840 Botschafter in St. Petersburg, ab 1840 Staats- und Konferenzminister, 2 0 . 3 . 1 8 4 8 Min. d. Äußern, 4 . 4 . 1 8 4 8 bis 4 . 5 . 1 8 4 8 Ministerpräsident. " ) Johann Philipp Graf Stadion (Mainz, 18.6.1763 bis 15.5.1824, Baden/Wien), Staatsminister, 1805-1809 Minister d. auswärtigen Angelegenheiten. Vgl. H . Rössler, Graf Johann Philipp Stadion, Napoleons deutscher Gegenspieler, 2 Bde., Wien 1966.

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11. März bezogen.) Ich mußte mit dem Regierungsrat Hofmann 7 8 ), einem der Hauptmacher des Bürckelsystems und selbstverständlich auch Pfälzer, verhandeln. Zunächst wollte ich, beraten durch Bittner und Troll, aus Prestigegründen nicht weichen. Als mir daraufhin Hofmann die Räume Seyß-Inquarts zur vorübergehenden Benützung anbot und eine spaßhafte Bemerkung über ein damit gegebenes Avancement machte, erwiderte ich in Gegenwart der zwei genannten Freunde: ,,Na, hören Sie damit auf, für Avancements ist in diesem Lande für Österreicher kein Platz mehr." Schließlich überlegte ich mir aber die Sache. Bittner stellt mir und Troll in dem dem Staatsarchiv überwiesenen Palais Palffy ein unter Denkmalschutz stehendes Zimmer zur dauernden Bürounterkunft zur Verfügung und die Zusicherung, daß ich den Metternich-Schreibtisch und die Metternichgarnitur erhalten würde, taten ein übriges, mich weich zu machen. Ich stimmte der Auswanderung zu, die anfangs März stattfinden soll. Die Stimmung in Wien ist nach wie vor recht schlecht und die auf dem Lande nicht weniger. Durch einen einwandfreien Zeugen erfahre ich, daß in einer Gegend im Gebirge bereits wieder Selbstschutzverbände für den Fall eines künftigen Umsturzes aufgestellt werden; sie sind natürlich nicht nationalsozialistisch. Aber auch eine illegale SA soll es irgendwo geben. Unter meinen Besuchen machte besonders Eibl 79 ) wider Willen auf mich Eindruck. Der arme Teufel ist in der Systemzeit recht zu Schaden gekommen, weil er national gesinnt und Anschlußfreund gewesen ist. Schmitz tat ein übriges und machte es ihm unmöglich, in der Urania oder sonst in Wien aufzutreten. Die Unterrichtsverwaltung verweigerte ihm eine ordentliche Lehrkanzel. Was geschah nun mit ihm ? Wieder wird ihm die Lehrkanzel verweigert und sogar die Parteizugehörigkeit hat man nicht gebilligt - diesmal, weil er zu katholisch ist. Es stimmt eben doch, was ich immer sage: 70 Prozent der Schuld an der unglücklichen Lösung der österreichischen Frage nach dem 13. März fällt den Österreichern selbst zu, das heißt der österreichischen Partei, die natürlich unerhört viel Verbitterung aus der Verbotszeit mitgenommen hat und unduldsam bis zum Äußersten ist. Da es auf diese Weise nur überaus selten gelingt, einen Österreicher herauszustellen, tritt die ,,Verpreußung" ein, deren Intensität vom österreichischen und vom gesamtdeutschen Standpunkt so schädlich ist. Der Preußenhaß nimmt denn auch - bis tief in 78 ) H a n s H o f m a n n (?), Regierungs- u. Schulrat, 1941 Leiter des Ref. I I a - Päd. (Pädagogisches) Referat in der A b t . II des Reichsgaues Wien. 79 ) Johannes Eibl (Bielitz, Galizien, 10.10.1882 bis 18.11.1958, Linz), D r . phil., 1909-1924 G y m nasialprofessor, 1914-1918 Kriegsdienst, zuletzt als K p k m d t . im Festungsartilleriebataillon 4, 1.2.1918 H p t m i . d . Res.; 1914 U n i v . - D o z . f. Patristik u. mittelalterliche Philosophie a . d . U n i v . W i e n ; nach 1918 publizistisch f ü r den Anschluß und gegen die Pariser Vororteverträge tätig; Redner am Katholikentag 1933, f ü h r t e seit 1932 im R a h m e n der „ W i e n e r Arbeitsgemeinschaft für den religiösen F r i e d e n " Verhandlungen mit den Nationalsozialisten, 1936 ao. U n i v . - P r o f . , unterzeichnete 1938 das an Kardinal Innitzer gerichtete Mahnschreiben einiger Kleriker u n d Laien, in dem zu g r ö ß t e m E n t g e g e n k o m m e n gegenüber d e m Nationalsozialismus geraten w u r d e . Sein H a u p t w e r k : V o m Sinn der G e g e n w a r t . Ein Buch deutscher Sendung, Wien-Leipzig 1933; weitere Schriften: D e r Tempel der Menschen. E n t w ü r f e zu einem Reichsehrenmal, Wien 1927; Österreich und Deutschland (Schriften des Deutschen Schulvereins S ü d m a r k , H . 28), Wien 1928. Vgl.: Eppel, Kreuz und H a k e n k r e u z , 135ff., 328ff.

Besuche von Eibl und Böhm

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die Parteikreise hinein - Formen an, die man tief beklagen muß. So etwas gab es in Österreich nach 1866 nicht. Auch Dr. Böhm, den ich immer gerne bei mir sehe, weil er ein ebenso anständiger wie kluger Kerl ist, teilt meine Auffassung hundertprozentig. Im Frühjahre wollte man ihm, der seit 1933 Parteimitglied ist, die Schriftleiterbefugnis entziehen. Ich ging damals zu Bürckel und legte ihm einen Zettel zur Unterschrift vor, in welchem sich Bürckel gegen diese Maßnahme aussprach. Bürckel unterschrieb und Böhm war (auf wie lange?) gerettet. Ich fühle in mir irgendwie die Verpflichtung, für diesen Kreis doch noch irgendwo (vielleicht bei Bormann) eine Lanze zu brechen. Diese braven Männer haben sich in der legalen Ebene als Leute, die etwas zu verlieren hatten, oft weit mehr exponiert als ein erwerbsloser Intellektueller, der an eine Telephonzelle einen Papierböller gelegt hat und sich nun als alter Kämpfer aufspielt. . . . Schließlich gehörte der Kampf im legalen Raum doch auch zu einer der beiden Kampfmethoden, die Hitler anerkannte, ja manchmal, mindestens seit dem 11. Juli 1936, eigentlich aber schon seit der Entsendung Papens, in den Vordergrund stellte. . . . Von erstaunlicher Blödheit erwies sich bei seinen Betrachtungen des Weltbildes der kleine Prinz Fürstenberg. Die Verdorfung Wiens kam mir dabei besonders zum Bewußtsein. Den Montagabend verbrachte ich beim Generalstaatsarchivar Dr. Bodenstein 8 0 ), der im Hause des Dr. Halban wahrhaft prunkvoll wohnt. Die Ehepaare Srbik und Bittner waren anwesend. Srbik meinte: „Samstag müssen Ihnen die Ohren geklungen haben, ich referierte vor dem Professorenkollegium wegen Ihrer Ernennung zum Honorarprofessor" 8 1 ). Es ist doch eine der seltsamsten Laufbahnen, die meinige: Militär, Politiker und Gelehrter; General, Minister und nun wahrscheinlich auch Universitätsprofessor. Dabei frage ich mich aber in stillen Stunden gerade in der letzten Zeit doch immer wieder: Hast Du in Deinem Leben auch wirkliche Leistungen vollbracht? Als Brigadegeneralstäbler in Salzburg und dann auch beim Oberkommando im Kriege stellte ich wirklich meinen Mann. Zumal meine letztere Funktion, ausgefüllt als junger Hauptmann und Major, reichte weit über das hinaus, was meinem Range zukam. Und wenn das alte Reich geblieben wäre, dann hätte ich es wohl noch zu etwas Großem gebracht. Als ich den „ B e c k " schrieb, dachte ich vielfach verglei-

8 0 ) Gustav Bodenstein (Wien, 25.6.1883 bis 4.4.1962, Wien), 1905 Dr. phil., 2.5.1906 Eintritt in den Zivilstaatsdienst, als Konzeptspraktikant ins Hofkammerarchiv, 1917-1923 Leiter des Hofkammerarchivs, ab 1924 Oberstaatsarchivar im Archiv des Staatsamt des Innern u . d . Justiz, 1933-1946 dessen Leiter, 2.5.1946 vom Dienst enthoben, 30.6.1948 pensioniert. Vgl. den Nachruf v. W. Goldinger, in: MÖSTA, 15. Bd. (1962), 696 f. 8 1 ) Laut Universitätsarchiv, Philosophische Fakultät, Personalakt Glaise-Horstenau, stellte die Philosophische Fakultät am 16.2.1940 an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung den Antrag, Glaise-Horstenau zum Honorarprofessor für neuere Kriegs- und Heeresgeschichte zu ernennen, wobei auf Glaises militärische, politische und wissenschaftliche Tätigkeit verwiesen und besonders das Generalstabswerk hervorgehoben wurde. Minister Rust ernannte Glaise-Horstenau mit 17.5. 1940.

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chend an meine Stellung zum Ende des Weltkrieges. Dann aber kam der erste Sturz. Wohl habe ich 1920 in der „österreichischen Wehrzeitung" etwas ganz Nettes geschaffen und eine ganz ansehnliche Gemeinde von Lesern um mich geschart. Aber es war doch bescheidene Leistung. Nachher kam das Kriegsarchiv, mit dessen Direktion ich die Paßhöhe wirklicher Tätigkeit erstieg. Umbau und Generalstabswerk werden, wenn nicht eine große Katastrophe kommt, als mein Werk Jahrzehnte überdauern. Der Rückblick auf diese Zeit befriedigt mich wirklich. Dagegen war mein Eintritt in die Ministerschäft schon der Beginn des Abstieges auf dem Pfade wirklichen Schaffens; und jetzt . . . Es ist leeres Gebimmel, aber jeder Arbeiter, bei Siemens-Schuckert, der Kupferdrähte in eine Spule legt, leistet des Konkreten mehr. Gewiß: Ein bißchen geht mein Name dennoch in die Geschichte ein. Aber mit Ruhm ? Wer wüßte es! Ich bin mit der Bilanz meines Lebens innerlich in hohem Maße unzufrieden - auch das soll einmal in diesen Zeilen stehen. Viel Flimmer, viel Getue, aber wenig wirklicher, dauerhafter Inhalt. . . . An einem Nachmittage dieses Wiener Aufenthaltes war mein Neffe Hermann Prager bei mir. Er ist Beamter beim Reichssender und hat mir ein sehr interessantes Bild über die politische Entwicklung in dem kleinen Kreis entworfen, dem er angehört. Tatsache ist, daß sich die Nazis in seinem Büro einer weit überlegenen Einheitsfront gegnerisch eingestellter Kräfte gegenübersehen und daß diese Kräfte aus ihrer Einstellung gar kein Geheimnis mehr machen. Auch ein Symptom für die Stimmung. . . . Einen beinahe rührenden Charakter nahm ein Besuch des alten Spitzmüller am 13. Februar an. Er hatte natürlich wieder Schmerzen mit seinem Sohne, ohne daß er Besonderes wollte; es war ihm lediglich um die Aussprache mit mir zu tun. Beim Abschied jammerte er sehr. Er bedankte sich unendlich für meine stets bewiesene Freundschaft, meinte, wir würden uns wahrscheinlich nicht wiedersehen und sagte, auch er habe mir stets und überall die Stange gegenüber jedermann gehalten, was er bei Bardollf leider nicht könne, obwohl er ihn schätze. Ich fühle mich dem alten Herrn auch ein wenig verbunden als einem der wenigen noch übrig gebliebenen Vertreter des ancien regime, dem ich mich ja doch auch im Innersten noch zuzähle. . . . A m Donnerstag, den 15., packte Beate die mir von Edith Neumann gespendete Palme in mächtige Papierrollen, um sie in häusliche Pflege zu übernehmen (die sie im höchsten Maße nötig hatte). Im Durchhaus des Ballhausgebäudes fuhr Hofbauer mit dem Auto vor; wir stiegen ein. Ich hatte das Gefühl, endgültig dieses Haus zu verlassen, und tat es ohne besondere Wehmut. Ich hatte fast 2 Jahre in diesen Mauern verbracht, eine Zeit höchst unbefriedigender Tätigkeit, wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann, und großer Enttäuschungen. Es brauchte mir daher auch nicht leid zu tun. Gleichzeitig stiegen aber in mir auch die Erinnerungen auf an die unzähligenmale, in denen ich früher, noch zu Seipels Zeiten, das Gebäude betreten hatte. Im Säulensaal, in welchem sich später der dramatische Augenblick der Rücktrittsankündigung Schuschniggs vollzog, teilte mir Seipel bei seinem ersten Rücktritt von der Kanzlerschaft mit, daß meine Berufung an die Spitze des Kriegsarchivs bevorstand . . . Und noch weiter zurückgehen die Erinnerungen

Abschied vom Ballhausplatz

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- in die Kriegszeit, als ich oft und oft Wiesner besuchte, der damals Pressechef im Äußeren war. Auch die Pressekonferenz, in der - Mitte Juli 1918 - der Rücktritt Conrads verkündet wurde, „hielt" ich hier ab. Das Jahr zuvor saß ich bei Czernin, um ihm Vortrag über die Frontpropaganda zu halten und schließlich kam, am 30. Oktober 1918, der dramatische Ministerrat unter Vorsitz Andrassys, zu dem ich als Beauftragter des Generalstabschefs Arz „eindrang" . . . Und nun bezieht Bürckel oder Barth die Räume, von denen aus einst Kaunitz, Metternich, Felix Schwarzenberg nicht nur das Schicksal der österreichischen Großmacht, sondern darüber hinaus auch Europas gelenkt haben. Sic transit gloria mundi. . . . Im übrigen: die Abschiedsstimmung war wahrscheinlich verfrüht. Ich werde wohl noch einmal kurze Stunden im Roten Salon verbringen. So sieht es wenigstens vorderhand aus. Am Donnerstag, den 15. um 11 Uhr nachts, fuhr ich mit einstündiger Verspätung vom Ostbahnhof ab. Den Koffer schickte ich mit der Westbahn „voraus". Ich hatte bei meiner Ankunft 3 Stunden Verspätung, er brachte es auf 21. Es tat mir leid, daß es nicht umgekehrt war. Es wäre schön gewesen, so lange im Schlafwagen zu leben. Der Tag der Ankunft (16. Februar) verlief ohne besondere Ereignisse. Auch im Büro war nichts Besonderes los. Massenbach erquickte mich durch seine trefflichen Apercus. Abends war ich bei Kappus. 17. Februar Äußerst wichtig. Friedes 100. Besprechung über die Umbettung der Kriegsgefallenen. Diesmal allerdings interessant, weil die Russen zugestimmt haben, die Toten aus dem ehemaligen Ostpolen heimzuführen und Aussicht besteht, daß ich die D e tailverhandlungen führen soll, die hoffentlich in Moskau stattfinden. Zufällig bringt Friede den von ihm verfaßten Entwurf einer Dienstanweisung für mich heraus, die sehr schäbig ausgesehen hätte, wenn sie unter den anderen Dienstanweisungen im Drucke erschienen wäre. Ich melde mich daher zu Mittag bei Reinecke, der mir vollkommen recht gibt und dabei eingehend über meine künftige wehrwissenschaftliche Aufgabe spricht. Bin neugierig, was herauskommen wird. Der kreißende Berg wird voraussichtlich eine Maus gebären. Im übrigen soll ich mir selbst die Dienstanweisung entwerfen, was prompt geschieht. Meine wehrpolitisch-wehrwissenschaftlichen Aufgaben stehen im Vordergrund, die Inspekteursrechte gegenüber den Gräberoffizieren lasse ich mir aber nicht entreißen, da sie mir die Möglichkeit gewähren, an die Front zu fahren und ich dort überall Autos zur Verfügung habe. Nachmittags ist der junge Historiker des „Prinzen Eugen", Hellmuth Rössler, bei mir. Er hat ein allerdings auf mehr als tausend Seiten angewachsenes Buch über die beiden Stadions (1809) geschrieben 8 2 ); ich soll ihm Abnehmer verschaffen.

8 2 ) G e m e i n t ist: Hellmuth R ö ß l e r , Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung. Die deutsche P o litik der nationalen Führer Österreichs 1 8 0 5 - 1 8 1 5 , 2 B d e . , 1. Aufl. H a m b u r g 1940, 2 . Aufl. H a m b u r g 1944.

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Als Kriegsgräberinspektor im OKW vor dem Frankreichfeldzug

Werde mit Srbik reden. Rössler ist bei der NSV (!), will aber Dozent in Wien werden. Er ist einer von den Österreichfanatikern, die es seltsamerweise in Preußen gibt. 18. Februar Keine besonderen Ereignisse. Abends im Theater am Kurfürstendamm. „Sie hat natürlich recht gehabt." Ein ganz heiterer Schwank, wenn sich auch die pre-ußische Hauptheldin vergeblich abmüht, bo-arisch zu sprechen. 19. Februar Früh Uberfälle der gesamten Abteilung Friede samt Chef auf mich. Sonst nichts besonderes. 20. Februar Gemeinsam mit Niedermayer bei Reinecke. Die wehrwissenschaftliche Mission soll steigen. Niedermayer läßt auf den armen Reinecke ein Trommelfeuer von Vorschlägen und Vorwürfen niederprasseln, er anerkennt mich gerne, ist aber umso wilder auf Schumann, den Leiter der Wehrwissenschaftlichen Abteilung, der nur die technischen und Naturwissenschaften betreut, die Geisteswissenschaften aber vernachlässigt. Allerdings scheint dieser Schumann dank seiner Beziehungen ein gar nicht ungefährlicher Kerl zu sein. 13 Uhr kurzer Besuch bei Popitz. Nichts Neues, alles unverändert. Die Sauregurkenzeit dauert an. Niemand weiß etwas, alles steht und wartet dessen, was kommen wird. 21. Februar Um 10 Uhr vormittags gehe ich zu Erfurth, bei dem angeblich Becker und Schumann gegen mich intrigieren sollen. Erfurth ist sehr gütig und kameradschaftlich. Ich erkläre ihm, an die mir von Reinecke gestellte Aufgabe nicht ohne seine entschiedenste Hilfe herangehen zu wollen, erzähle ihm, wie ich im Weltkriege den Kriegspressedienst allmählich in die Hand bekam, ohne daß es die anderen merkten, und teilte im übrigen seine Zweifel in den Erfolg meiner Mission. Er und ich empfinden es als einen Mangel, daß meine Personalkenntnis nur gering ist. Allerdings hat es mit dieser in der Armee überhaupt sein Bewenden. Die vom 100000-Mann-Heer kennen sich untereinander, alle anderen nicht. Ich erlebe bei Reisen noch immer, daß ich die meisten Bekannten finde . . . Wir reden auch über die Spitzenorganisation der Wehrmacht und sind einer Meinung. Interessant ist für mich, von Erfurth zu erfahren, daß Beck seinerzeit gegen die Schaffung eines gemeinsamen, mächtigen Wehrmachtsgeneralstab gewesen sei; mir gegenüber vertrat Beck die Meinung, daß ein solcher absolut fehle. . . . Um 11.30 Uhr hatte ich mit Major Nuyken 8 3 ) beim Geheimrat Sethe 84 ) im Auswärtigen Amt eine Besprechung über die Uberführung der Kriegstoten jenseits der „Interessengrenze" und über den „Volksbund", auf den Sedte fuchsteufelswild ist.

Eine „wehrwissenschaftliche Mission"?

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Für mich ist vor allem interessant, ob es zu einer Reise nach Moskau kommen wird. Vielleicht geht es. Ich schreibe Briefe an unsere Botschaft. Mittags speise ich mit Hagemann im Kaiserhof. Hagemann war früher durch Jahre Chefredakteur der „ G e r m a n i a " . Diese ist anfangs 1938 nicht von oben her eingestellt, sondern an Geldmangel gestorben - Geldmangel, der allerdings dadurch entstand, daß Himmler vorübergehende Möglichkeiten benützt hatte, der Germaniadruckerei alle lukrativen Aufträge abzuzwicken. Nunmehr ist Hagemann Herausgeber einer Korrespondenz, mit der er sich schlecht und recht fortbringt. Wir reden unter anderen über den Bischof von Berlin, der ein sehr verschlossener Herr sein soll, sich gegenüber dem Volke absperrt und von einer ganz kleinen Clique beherrscht wird. Er kam seinerzeit hieher, weil er in jungen Jahren Diplomat war. Abends Essen bei Geheimrat Hudeczek, dessen Frau, wie sich herausstellt, in erster Ehe mit einem österreichischen Kavallerieoffizier verheiratet war. Anwesend auch ein Graf Meran, etwa 40 Jahre alt, ganz Habsburger Erzherzog Johann'scher Prägung. Im allgemeinen uninteressant, aber eine bemerkenswerte Mitteilung Hudeczeks, der ein Vertreter von Clodius ist. Göring hat die Machthaber in der Tschechei und in Polen wissen lassen, daß er Unruhen unter keinen Umständen brauchen könne; die Herren würden es mit ihrer Stellung zu bezahlen haben. Daraufhin erschien heute, seltsamerweise von Karl Hermann Frank gepreßt, Neurath beim Führer, um ihn zu beschwören, es möge von der für den 1. April beschlossenen Abschaffung der Zollgrenze des Protektorates abgesehen werden. Die Lebensverhältnisse hätten sich, angesichts der geringen Löhne, ohnehin schon sehr verschlechtert, sie vertrügen eine weitere Verschlechterung nicht. Der Führer entschied, daß die Einführung der Zollunion mit dem Protektorat auf unbestimmte Zeit zu vertagen sei. Heute vormittag las ich einen Bericht des Generaloberst Blaskowitz über die Lage in Polen. Er ließ an Düsterkeit nichts zu wünschen übrig und gipfelte in der Feststellung, daß Polen vor dem Zusammenbruch stünde. Besonders bemerkenswert war aber die Einleitung des Berichtes. Der Generalgouverneur habe kürzlich in einer vertraulichen Sitzung erklärt, bisher sei die Ausrottung und Vernichtung des Polentums Ziel der deutschen Polenpolitik gewesen; nunmehr sei hiervor abzugehen und es komme auf möglichste Intensivierung der polnischen Wirtschaft an, natürlich bei entsprechender Exploitierung durch Deutschland. Sieg des österreichischen über den preußischen Gedanken ? Reichlich spät, wenn überhaupt noch etwas zu retten ist. Was habe ich aber überall gepredigt! Ein mitleidiges Lächeln oder ein Achselzucken war die Antwort. 22. Februar Chefsitzung. Es war beabsichtigt, daß ich bereits ein Exposé über die wehrwissenschaftliche Aufgabe zu halten hätte. Ich bereitete mir eins auf einem Zettel vor

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) N u y k e n (?), lt. Rangliste 1944/45 1 . 1 2 . 1 9 4 2 O b s t . , O K W , W . Allg. ) Eduard Christian Sethe (?), 1942 Vortragender Legationsrat in der Rechtsabt. Auswärtiges A m t .

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(wozu ich um 6.30 Uhr aufstand). Kurz nach unserem Eintritt bei Reinecke kam ein gestriegelter Wehrbeamtengeneral, Professor Schuhmann. Mir wurde ein wenig ungemütlich bei dem Gedanken, daß ich ihn nun mit meinen Mitteilungen überraschen sollte. Aber schon war Lind, Reineckes Stabschef, an meiner Seite und flüsterte mir ins Ohr, das „Exposé" für ein nächstesmal zurückzustellen, da Reinecke zunächst - gleich nach der Sitzung - mit Schuhmann Rücksprache pflegen wolle. Schuhmann ist ein ausgesprochen unsympathischer Kerl, soll aber ein Gesellschaftstalent ersten Ranges sein. . . . Um 10 Uhr erschien Rittmeister aus dem Winckel 85 ) von der Propagandaabteilung (Adjutant Wedels) bei mir, um einen Aufsatz über „ D e r ostmärkische Soldat und die Wehrfreiheit" für die Zeitschrift „Wehrmacht" 8 6 ) (zum 16. März) bei mir zu bestellen. Er sprach dabei über den Einbau der österreichischen Tradition und ähnliche Dinge. Ich redete mit ihm in vollster Deutlichkeit. Das Frühstück nahm ich mit Ministerialdirektor Vollert ein, der von der Armee zurückgekehrt ist und wieder auf seinem Sessel im Innenministerium sitzt. Hauptgesprächsthema die „Archivspitze". Die Lösung mit dem Angestelltenverhältnis hält er (auch ich, deshalb verlange ich sie) für undurchführbar. Man werde einen Planposten schaffen müssen, bei dessen Einnahme mir durch Sonderzulage meine bisherigen Einkünfte zugesprochen werden sollten. Da ich aus den Andeutungen erkennen konnte, daß der Planposten kaum in die Niveauhöhe eines Ministerialdirigenten reichen werde, war ich - trotz allen persönlichen Verheißungen - nur noch mehr entschlossen, den Posten nicht anzunehmen. Ich erbat mir Bedenkzeit und schrieb des anderen Tages an Vollert, den ich übrigens persönlich sehr liebe, einen Brief, in welchem ich ihm mitteilte, entweder im Angestelltenverhältnis die Sache übernehmen zu wollen oder um meine endgültige Pensionierung zu bitten. Vollert war (das gehört schon zum 24.) verzweifelt. Da ich eben nach Warschau abfuhr, erbat ich mir nochmals Bedenkzeit, was sich lohnte. Ich sehe schon Beate lächeln: ich bin doch ein guter Hinausmanövrierer. . . . 23. Februar Um 11 Uhr meldete sich bei mir Hasenöhrl 87 ), Ministerialdirigent z . D . im Propagandaministerium und zur Zeit Hauptmann und Bahnhofoffizier auf dem Schlesischen Bahnhof. Er war Liebenauer Kadettenschüler, dann bis Kriegsende aktiver Offizier beim IR. 60. Nach dem Kriege ging er, mit seiner aus Erlau stammenden, sehr lebenslustigen Frau, nach China, wo er sich eine, wie es scheint, recht gute geschäftliche Position aufbaute. Nachdem er schon früher die englische Präpotenz 85 ) Hans Caspar aus dem Winckel (Hinzendorf bei Transtadt, Bez. Posen, 12.5.1891 bis 21.10.1957, Hamburg), 1945 Obstlt. 86 ) Dürfte - wahrscheinlich infolge der Rundreise Glaise-Horstenaus zu den „ostmärkischen Divisionen" an der Westfront - unter diesem Titel nicht publiziert worden sein. Vgl. jedoch Werkverzeichnis Nr. 315, 316, 317, 331.