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German Pages 378 Year 2016
Elena Enda Kreutzer Migration in den Medien
Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft hrsg. v. Andrea Bogner, Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg | Band 10
Editorial Differenzen zwischen Kulturen – und die daraus resultierenden Effekte – sind seit jeher der Normalfall. Sie zeigen sich in der Erkundung der »Fremden« schon seit Herodot, in der Entdeckung vorher unbekannter Kulturen (etwa durch Kolumbus), in der Unterdrückung anderer Kulturen im Kolonialismus oder aktuell in den unterschiedlichen grenzüberschreitenden Begegnungsformen in einer globalisierten und »vernetzten« Welt. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit »Interkulturalität« erfuhr entscheidende Impulse durch die »anthropologische Wende« in den Geisteswissenschaften und durch das seit den 1970er Jahren etablierte Fach der Interkulturellen Kommunikation. Grundlegend ist dabei, Interkulturalität nicht statisch, sondern als fortwährenden Prozess zu begreifen und sie einer beständigen Neuauslegung zu unterziehen. Denn gerade ihre gegenwärtige, unter dem Vorzeichen von Globalisierung, Postkolonialismus und Migration stehende Präsenz im öffentlichen Diskurs dokumentiert, dass das innovative und utopische Potenzial von Interkulturalität noch längst nicht ausgeschöpft ist. Die Reihe Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft greift die rege Diskussion in den Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften auf und versammelt innovative Beiträge, die den theoretischen Grundlagen und historischen Perspektiven der Interkulturalitätsforschung gelten sowie ihre interdisziplinäre Fundierung ausweiten und vertiefen. Die Reihe wird herausgegeben von Andrea Bogner, Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg.
Elena Enda Kreutzer (Dr. phil.), geb. 1981, promovierte an der Universität Luxemburg sowie der Universität des Saarlandes und leitet das Projekt »Integration von ausländischen Fachkräften« im Caritasverband Schaumberg-Blies e.V., einem Teilprojekt im IQ Landesnetzwerk Saarland.
Elena Enda Kreutzer
Migration in den Medien Eine vergleichende Studie zur europäischen Grenzregion SaarLorLux
Gefördert von:
sowie vom Institut für deutsche Sprache, Literatur und für Interkulturalität der Universität Luxemburg
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Inhalt Vorwort | 7 1. Einleitung | 9 2. Forschungsstand | 19
2.1 Meso-Ebene des grenzüberschreitenden Raums | 19 2.2 Makro-Ebene des nationalen Raums | 30 2.2.1 Migranten in deutschen Medien | 30 2.2.2 Migranten in französischen Medien | 35 2.2.3 Migranten in luxemburgischen Medien | 37 2.3 Mikro-Ebene des regionalen Raums | 39 3. Komparativer Forschungsaufriss | 43
3.1 Thematische Vergleichsebene: Migration | 44 3.1.1 Zuwanderung nach Deutschland | 46 3.1.2 Zuwanderung nach Frankreich | 52 3.1.3 Zuwanderung nach Luxemburg | 57 3.1.4 Zuwanderung im grenzüberschreitenden Vergleich | 59 3.2 Mediale Vergleichsebene: Printmedien | 65 3.2.1 Saarbrücker Zeitung: Zwischen Pressekonzentration und dem Aufstieg von Regionalzeitungen | 66 3.2.2 Le Républicain Lorrain: Regionalzeitung mit grenzüberschreitendem Selbstverständnis | 68 3.2.3 Luxemburger Wort: Zwischen Meinungspresse und katholischer Zeitung | 71 3.3 Räumliche Vergleichsebene: SaarLorLux-Region | 73 4. Erhebungsmethoden | 77
4.1 Erhebungsmethodik der Inhaltsanalyse | 79 4.1.1 Kriterien der Datenerhebung | 82 4.1.2 Codierbuch | 84 4.1.3 Qualitätsstandards: Äquivalenz, Reliabilität und Validität | 87
4.2 Erhebungsmethodik der Interdiskursanalyse | 97 4.2.1 Interdiskurstheorie | 101 4.2.2 Interdiskurselemente | 103 5. Empirische Analysen | 111
5.1 Die Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung | 111 5.1.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: parteipolitische Debatten | 112 5.1.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Instrumentalisierungs- und Flutdiskursen | 148 5.1.3 Zwischenfazit | 174 5.2 Die Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain | 177 5.2.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: Protestaktionen sozialer Bewegungen | 177 5.2.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Exklusions- und Festungsdiskursen | 214 5.2.3 Zwischenfazit | 234 5.3 Die Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort | 236 5.3.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: regionale, nationale und europäische Ereignisse | 236 5.3.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Europa- und Flutdiskursen | 267 5.3.3 Zwischenfazit | 290 5.4 Die Migrationsberichterstattung im Inter-Media-Vergleich | 293 6. Fazit | 307
6.1 Rückbezüge auf Hypothesen | 308 6.2 Methodische Rückschlüsse | 318 6.3 Ausblick | 319 7. Literaturverzeichnis | 325
7.1 Quellen | 325 7.1.1 Saarbrücker Zeitung | 325 7.1.2 Le Républicain Lorrain | 327 7.1.3 Luxemburger Wort | 330 7.1.4 Gesetzestexte | 334 7.2 Literatur | 335 7.3 Internetquellen | 357 8. Abbildungsverzeichnis | 361
8.1 Abbildungen | 361 8.2 Diagramme | 361 8.3 Tabellen | 363 9. Codierbuch | 365
Vorwort
Freiwillige und unfreiwillige Migrationsbewegungen bestimmen seit jeher das Weltgeschehen. Folglich erscheint grenzüberschreitend betriebene Migrationsforschung eine Selbstverständlichkeit zu sein. Umso erstaunlicher ist es, dass die ländervergleichende Erforschung von Migrationsprozessen vor allem im Hinblick auf die mediale Darstellung von Migrantinnen und Migranten nach wie vor weitestgehend ein Nischendasein fristet. Und das, obwohl Vergleiche in der Wissenschaft eine lange Tradition haben und ihre wissenschaftliche Bedeutung, sei es in der Rechtswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft oder Psychologie, evident ist. In erster Linie tragen Vergleiche durch den erweiterten Blick über räumliche und politische Grenzen hinweg dazu bei, Engstirnigkeit zu vermeiden, indem unterschiedliche Aspekte miteinander kontrastiert werden. Eine systematische Komparatistik in der Kommunikationswissenschaft gibt es indes nur ansatzweise. In Anbetracht komplex anzulegender Untersuchungsdesigns ist eine solche Systematik auch kaum zu erstellen. So erfordert etwa der mediale Vergleich von Migrationsprozessen in europäischen Grenzregionen trotz des Bezugs auf einen territorial überschaubaren Raum die Berücksichtigung unterschiedlicher Steuerungssysteme, Migrationspolitiken sowie Mediensysteme. Dennoch war es mir ein forschungstheoretisches Anliegen, Migration in den Medien über die Region bzw. Nation hinaus in der europäischen Grenzregion SaarLorLux zu erforschen und damit einen Beitrag zur medienanalytischen Erforschung der Migrationsprozesse in der SaarLorLux-Region zu leisten. In meinen beiden Doktorvätern Dieter Heimböckel (Institut für deutsche Sprache, Literatur und für Interkulturalität der Universität Luxemburg) und Clemens Zimmermann (Lehrstuhl für Kultur- und Mediengeschichte der Universität des Saarlandes) fand ich nicht nur Betreuer, die das Potential interdisziplinärer Forschung erkennen, sondern insbesondere Befürworter wissenschaftlicher Vergleiche sowie des grenzüberschreitenden Promovierens im Netzwerk »Universität der Großregion«. Dieter Heimböckel und Clemens Zimmermann begleiteten die zwischen der Universität Luxemburg und der Universität des Saarlandes binational angelegte Promotion mit vielen anregenden Gesprächen, kontinuierlichem grenzüberschreitendem Austausch
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und zahlreichen theoretischen, methodischen sowie forschungskonzeptionellen Ideen. Ihnen gebührt mein größter Dank. Ferner danke ich dem Fonds National de la Recherche Luxembourg, der das Dissertationsprojekt nicht nur materiell gefördert, sondern mir darüber hinaus auch zahlreiche Gelegenheiten zum wissenschaftlichen Austausch und zur Weiterqualifikation geboten hat. Durch die optimalen Arbeitsbedingungen in den Pressearchiven in Saarbrücken, Metz und Luxemburg-Stadt wurde die empirische Bestandsaufnahme der Zeitungsartikel erst gewährleistet. Hierfür möchte ich mich ganz herzlich bei Marie-Paule Andrès, der Leiterin des in Metz-Woippy ansässigen service documentation der lothringischen Tageszeitung Le Républicain Lorrain, beim Leiter des Pressearchivs des Luxemburger Worts, Romain Reinhard, sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pressearchivs der Saarbrücker Zeitung, des Landesarchivs Saarbrücken und der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek bedanken. Ein besonders großes Dankeschön geht an Ralf Krautkrämer, der das Manuskript mit Engagement redigiert und die Entstehung dieses Buches mit wiederholtem Korrekturlesen sowie Unterstützung bei der Textformatierung begleitet hat. Ferner danke ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der luxemburgischen Forschungsgruppe »Interkult«, insbesondere Julian Osthues und Eva WiegmannSchubert, für ihre produktiven Hinweise, Kommentare und fruchtbaren Anregungen der letzten Jahre. Andrea Bogner, Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg danke ich für die Aufnahme dieses Buches in die transcript-Reihe »Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft«. Für die Übernahme der Druckkosten möchte ich der Key Area MIS – Mehrsprachigkeit und Interkulturelle Studien sowie dem Institut für deutsche Sprache, Literatur und für Interkulturalität der Universität Luxemburg und dem Lehrstuhl für Kulturund Mediengeschichte der Universität des Saarlandes meinen allerherzlichsten Dank aussprechen. Für die emotionale Unterstützung und den genuinen Enthusiasmus, international vergleichende Migrationsforschung zu betreiben, möchte ich mich schließlich bei meiner durch und durch interkulturellen Familie bedanken. Widmen möchte ich dieses Buch gerne meinem Sohn Lionel.
Saarbrücken, Juni 2016
Elena Enda Kreutzer
1. Einleitung
Die Auseinandersetzung mit dem Thema ›Grenzgebiet‹ ist ein kulturwissenschaftlich ebenso viel versprechendes wie offenes Forschungsfeld. Es verspricht inter- und transkulturelle Perspektiven, einen Blick über den eigenen begrenzten Forschungshorizont hinaus in einen Raum, wo sich fremd und eigen begegnen, und es evoziert Einsichten in einen Raum, wo sich spannende kulturelle Prozesse und Interaktionen abspielen.1
Traditionellerweise sind Grenzen im Sinne der politischen Geografie Trennlinien zwischen nationalen Souveränitäten.2 Grenzregionen traten jedoch insbesondere im Zuge der europäischen Integration aus dem Schatten der Nationalgeschichtsschreibung. In der Folge avancierten sie zu eigenständigen Forschungsfeldern in den Sozial- und Kulturwissenschaften, die nicht die Kontraste, sondern mit der Akzentuierung der dynamischen Grenzen das gemeinsame Repertoire von Artefakten, Symbolen, Diskursen, Wahrnehmungsmustern, Handlungen und Umgangsformen in den Vordergrund stellten.3 Die europäische Grenzregion SaarLorLux, Schnittstelle der institutionalisierten Zusammenarbeit (z.B. durch den Interregionalen Wirtschafts- und Sozialausschuss, 1
Drascek, Daniel: »Grenzen sollten Erfolg nicht im Weg stehen. Grenzgebiete als kulturwissenschaftliches Forschungsfeld«, in: Petr Lozoviuk (Hg.), Grenzgebiet als Forschungsfeld. Aspekte der ethnografischen und kulturhistorischen Erforschung des Grenzlandes, Leipzig 2009, S. 29-33, hier S. 29.
2
Vgl. Duhamelle, Christophe/Kossert, Andreas/Struck, Bernhard: »Einleitung. Perspektiven für eine vergleichende Grenzforschung Europas«, in: dies. (Hg.), Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis 20. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2007, S. 9-24, hier S. 10.
3
Vgl. ebd., S. 16.
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den Interregionalen Parlamentarierrat oder interregionale Verbände) im einstigen Montandreieck Saarland, Lothringen und Luxemburg, wird im sozio-politischen und wissenschaftlichen Diskurs als ein hochgradig interkultureller Raum beschrieben.4 Die in Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier durchgeführten MigraTouren etwa zeigen für diese vier Städte typische Einwanderungsphänomene anhand symbolischer Orte auf und verdeutlichen, wie die gemeinsame Migrationsgeschichte die QuattroPole-Städte verbindet. 5 Über einen auf diese Weise praktisch umgesetzten grenzüberschreitenden Austausch in Migrationsfragen hinaus zeigt sich eine politische Zusammenarbeit in Fragen der europäischen Migrations- und Asylpolitik. Dabei können zum Teil parallele, zum Teil im Verhältnis zu den Migrations- und Integrationsprozessen der Europäischen Union frühere Phasen in den Teilregionen des SaarLorLux-Raums konstatiert werden. Mit Blick auf zahlreiche supranationale Regelungen in migrations- und integrationspolitischen Fragen ist von sich annähernden Entwicklungen der nationalen Migrations- und Integrationspolitiken auszugehen; europäische Regelungen mussten und müssen in nationales Recht umgesetzt werden. Trotz der innenpolitischen Sensibilität einwanderungspolitischer Themen ist weniger eine Ausrichtung an nationalen als vor allem an europäischen Souveränitätsansprüchen zu erwarten, da kein europäischer Mitgliedsstaat und noch weniger die SaarLorLux-Region gegen verbindliche EU-Rechtsvorschriften verstoßen darf. Im Zuge neuerer Ansätze der Grenzforschung wird die SaarLorLux-Region nicht nur in einer Tendenz zu verstärkter Abgrenzung, sondern auch als ein Ort und Anlass für Begegnung, Kooperation und Austausch betrachtet.6 Allerdings erfolgte die Erforschung der Grenzregion SaarLorLux bisher stärker aus kulturgeografischer und -historischer Sicht.7 Die Arbeiten von Christian Wille richteten ferner den Fokus 4
Vgl. Parr, Rolf: »Kompetenz. Multi-Interdiskursivität«, in: Dieter Heimböckel u. a. (Hg.), Zwischen Provokation und Usurpation. Interkulturalität als (un)vollendetes Projekt der Literatur- und Sprachwissenschaften, München 2010, S. 87-100, hier S. 96.
5
Weitere Informationen zu MigraTouren unter http://www.quattropole.org/migration/mig ratouren vom 07.03.2015.
6
Vgl. Bohn, Isabelle u. a.: »Begegnung und Austausch in der Grenzregion«, in: Hans Reich (Hg.), Zwischen Regionen. Grenzüberschreitende Beziehungen am Beispiel des Oberrheins, Landau 2003, S. 73-98, hier S. 73.
7
Brücher, Wolfgang/Dörrenbächer, Peter: »Grenzüberschreitende Beziehungen zwischen dem Saarland und Lothringen«, in: Roland Marti (Hg.), Grenzkultur – Mischkultur? Saarbrücken 2000, S. 17-34; Hudemann, Rainer: »Orte grenzüberschreitender Erinnerung in Konfliktregionen«, in: Stefan Berger (Hg.), Erinnerungsorte. Chancen, Grenzen und Perspektiven eines Erfolgskonzeptes in den Kulturwissenschaften, Essen 2014, S. 163-174; Leiner, Stefan: Migration und Urbanisierung. Binnenwanderungsbewegungen. Räumlicher und sozialer Wandel in den Industriestädten des Saar-Lor-Lux-Raumes 1856-1910, Saarbrücken 1994.
E INLEITUNG | 11
auf das lange Zeit in den Kultur- und Sozialwissenschaften kaum beachtete Phänomen des grenzüberschreitenden Arbeitnehmers in der Großregion SaarLorLux.8 Medienanalysen zu diesem Grenzraum sowie zu weiteren europäischen Grenzregionen wurden hingegen kaum erstellt:9 »In der Summe wurden […] Studien vorgelegt, die entweder in transatlantischer Logik Amerika mit Europa (oder einigen Staaten Europas) vergleichen und Vergleiche zwischen oder innerhalb geographischer Großregionen (Europa West/Ost, Nordamerika mit dem interessanten Sonderfall Kanada, Lateinamerika, Asien, Afrika etc.).«10 8
Hier sei insbesondere auf die 2012 erschienene Dissertation von Christian Wille verwiesen; vgl. Wille, Christian: Grenzgänger und Räume der Grenze. Raumkonstruktionen in der Großregion SaarLorLux, Frankfurt am Main 2012. Auf weitere Forschungsarbeiten des Kultur- und Sozialwissenschaftlers wird in den empirischen Analysen eingegangen. Willes Publikationsliste sowie aktuelle Projekte rund um die Themen Räume der Grenze, Border Studies, Großregion SaarLorLux sowie Grenzgänger sind darüber hinaus auf folgender Homepage einsehbar: http://www.christian-wille.de/ vom 07.03.2015.
9
Im 2013 erschienenen Sammelband »Champs médiatiques et frontières dans la ›Grande Région‹ SaarLorLux et en Europe. Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa« analysiert die Kulturwissenschaftlerin Julia Frisch die Berichterstattung über den interregionalen Gewerkschaftsrat auf ihre Medienwirkungen. Dabei wurde das interregional tätige koordinative Gremium im Hinblick auf eine erwartbare grenzüberschreitende Berichterstattung ausgewählt. Die regionale Presseberichterstattung erwies sich jedoch als stark heterogen, da sowohl in der qualitativen als auch quantitativen Repräsentation Divergenzen festgestellt wurden; vgl. Frisch, Julia: »Die Berichterstattung über den Interregionalen Gewerkschaftsrat SaarLorLux-Trier/Westpfalz. Medienwirkungen in der Großregion«, in: Vincent Goulet/Christoph Vatter (Hg.), Champs médiatiques et frontières dans la »Grande Région« SaarLorLux et en Europe. Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa, Saarbrücken 2013, S. 167-179, hier S. 177. Darüber hinaus ist ein weiterer inhaltsanalytischer Beitrag zu nennen: Merle Schmidt analysierte im Rahmen des Forschungsprojektes »Medienlandschaft Saar« das Jugendphänomen der »Halbstarken« bzw. »Bloussons Noirs« in der Saarbrücker Zeitung und im Le Républicain Lorrain im Zeitraum 1952 bis 1996, vgl. Schmidt, Merle: »›Halbstarke‹ und ›Blousons-Noirs‹«. Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung über ein Jugendphänomen im deutsch-französischen Vergleich«, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna, Medienlandschaft Saar. Bd. 3: Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005), München 2010, S. 345-366.
10 Kleinsteuber, Hans: »Medien und Kommunikation im internationalen Vergleich«, in: Frank Esser/Barbara Pfetsch (Hg.), Politische Kommunikation im internationalen Vergleich. Grundlagen, Anwendungen und Perspektiven, Wiesbaden 2003, S. 78-103, hier S. 82.
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Auch die medienanalytische Erforschung der SaarLorLux-Region im Hinblick auf Migrationsprozesse, die kennzeichnend für diesen interkulturellen, etwa durch ehemalige Gastarbeiter, Aussiedler, Grenzgänger, EU-Bedienstete und internationale Studierende geprägten Grenzraum sind, fehlt gänzlich. Dabei stehen die Themen Migration und Integration bereits seit den 1970er Jahren auf der Medien-Agenda und werden auch zukünftig vor dem Hintergrund anhaltender Migrationsbewegungen bedeutsame Fragen des öffentlichen Lebens darstellen, wie zahlreiche Forschungsarbeiten zur Darstellung ethnischer Minderheiten in deutschen und französischen Massenmedien bestätigen. Den Massenmedien kommt in diesem Zusammenhang über die Informations-, Orientierungs- und Sozialisationsfunktion hinaus soziale Integrationsfunktion zu.11 Ein komparativer bzw. grenzüberschreitender Forschungsaufriss zum öffentlichen Bild von Migranten in den Medien europäischer Mitgliedsstaaten wurde jedoch trotz zunehmender supranationaler Regelungen in der politischen Gestaltung von Zuwanderung und der Integration von Zugewanderten bislang noch nicht angelegt. Im Sinne eines medienanalytischen Beitrags zur Grenzforschung liegt das Forschungsinteresse dieser Untersuchung folglich auf einem Vergleich der Darstellung von Migranten in den führenden Tageszeitungen der SaarLorLux-Region, der Saarbrücker Zeitung, dem Républicain Lorrain und dem Luxemburger Wort. Die Migrationsbewegungen und -historie in der SaarLorLux-Region korrespondieren zwar insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg überwiegend mit den auf nationaler Ebene festzumachenden Phasen der Zuwanderung, zugleich sind aber Besonderheiten in dieser Region auf die spezifische frühindustrielle Entwicklung in diesem Grenzraum zurückzuführen. Seit der Frühindustrialisierung sind Migrationsbewegungen in den SaarLorLux-Raum festzustellen. Bereits in der Anfangsphase der Industrialisierung wurden ausländische Arbeitskräfte benötigt, um die wirtschaftliche Prosperität durch die Stahl- und Montanindustrie aufrechtzuerhalten. Die 1990er Jahre brachten indes neue ökonomische und (migrations-)politische Herausforderungen. Neben dem Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen infolge des Zerfalls des Warschauer Paktes musste sich die Region eigenständig im Wettbewerb bisher gegeneinander abgeschotteter Wirtschaftsstandorte behaupten.12 Zwar ist die Struktur der SaarLorLuxRegion heterogen und durch verschiedene Ebenen der Kooperation gekennzeichnet,
11 Vgl. Jarren, Otfried/Meier, Werner: »Mediensysteme und Medienorganisationen als Rahmenbedingungen für den Journalismus«, in: Ders./Hartmut Weßler (Hg.), Journalismus – Medien – Öffentlichkeit. Eine Einführung, Wiesbaden 2002, S. 99-163, hier S. 106. 12 Vgl. Hrbek, Rudolf/Weyand, Sabine: betrifft: das Europa der Regionen: Fakten, Probleme, Perspektiven, München 1994, S. 23.
E INLEITUNG | 13
jedoch ohne eine strukturelle Voraussetzung, »innerhalb derer ein gemeinsamer Willensbildungs-, Entscheidungs- und Implementierungsprozeß stattfinden kann«.13 Als Folge beteiligte sich die europäische Grenzregion im Rahmen der Handlungsmöglichkeiten subnationaler territorialer Einheiten in einem »Europa der Regionen« am Integrationsprozess der Europäischen Union und damit auch an einer Vergemeinschaftung der Migrations- und Asylpolitik. Dadurch rückt die Bedeutung des ausgewählten Untersuchungszeitraums 1990 bis 2010 in den Fokus der Forschung:14 Die asyl- und flüchtlingspolitische Entwicklung in den europäischen Aufnahmeländern mit Beginn der 1990er Jahre führte zur (Aus-)Gestaltung einer Migrations- und Asylpolitik, die auch in der europäischen Grenzregion SaarLorLux in den Berichterstattungen mitunter ein gemeinsames Repertoire an Themen, Handlungs- und Aussagenträgern, Argumentationsmustern sowie Symbolen erwarten lässt. Die vorliegende Arbeit betritt dabei vor allem bezüglich einer bisher nicht durchgeführten Vergleichsanalyse zur Migrationsberichterstattung in der SaarLorLux-Region und damit zu einem quer zu nationalen Grenzen liegenden Betrachtungsraum Neuland. Die Arbeit bedient sich sowohl Methoden der empirischen Sozialforschung als auch qualitativer Textverfahren und verfolgt damit die Forschungsstrategie der Triangulation. Innerhalb des bereits als eigenständige sozialwissenschaftliche Methode ausgewiesenen Vergleichs wurde die Erhebungsmethode der Inhaltsanalyse verwendet. Flankierend wurde eine Interdiskursanalyse durchgeführt, wobei sich diese auf eine Bestandsaufnahme zu den so genannten Pictura-, also Bild-Elementen beschränkte. Es galt nicht, wie beim zweischrittigen interdiskurstheoretischen Vorgehen neben der Erstellung des empirischen Belegmaterials in einem weiterführenden Schritt herauszuarbeiten, welche Praxisbereiche jeweils integriert wurden und wie dieses Integrationsprojekt zum Diskursfächer der Zeit steht. Mit Blick auf die Vergleichsanalyse und den Fokus auf Konkordanzen und Differenzen genügte eine empirisch fundierte Bestandsaufnahme der Interdiskurselemente. Die vergleichende Inhaltsanalyse hatte einerseits das Ziel, mediale Beschreibungen der Berichterstattungen anhand vorab definierter Kriterien vorzunehmen und darüberhinausgehend Schlussfolgerungen hinsichtlich medialer Darstellungsmerkmale und sozio-politischer Verhältnisse zu ziehen. Andererseits zielte die Interdiskursanalyse darauf ab, aus der Inhaltsanalyse eruierte wiederkehrende Textelemente
13 Groß, Bernd/Schmitt-Egner, Peter: Europas kooperierende Regionen. Rahmenbedingungen und Praxis transnationaler Zusammenarbeit deutscher Grenzregionen in Europa, Baden-Baden 1994, S. 121. 14 Dabei liegt der zeitliche Fokus der vorliegenden Studie auf der sich ab dem Schengener Durchführungsabkommen vom 19. Juni 1990 etablierenden europäischen Migrations- und Asylpolitik, die Parallelen und damit eine hinreichende Vergleichsbasis in migrationspolitischen Fragen der europäischen Grenzregion SaarLorLux erwarten lässt.
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(Kollektivsymbole und Topoi) zu typologisieren und darüber mediensprachliche Aussagen hinsichtlich des Rückgrats der Medientexte zu treffen. Aus den Zielsetzungen dieser beiden Herangehensweisen ergeben sich folgende drei Leitfragen dieser Studie: (1) Wie werden Migranten in den einzelnen Printmedien der Grenzregion inhaltsund diskursanalytisch beschrieben und welche Schlussfolgerungen auf mediale sowie sprachliche Darstellungsmerkmale und sozio-politische Verhältnisse des jeweiligen nationalen bzw. regionalen Kontextes können daraus gezogen werden? (2) Welche Konkordanzen und Differenzen ergeben sich in einem Inter-MediaVergleich, der Aussagen über die Art der Darstellung ermöglicht? (3) Liegt nach einer Auswertung der medienanalytischen Befunde eher ein problem- und risikoorientierter oder ein auf Vielfalt und Chancen von Migration gerichteter medialer Blick der Zeitungen auf Einwanderung und Einwanderer vor? Für diesen ersten komplexen medienanalytischen Beitrag zur Grenzforschung standen ausschließlich die inhaltliche Nähe und die Unterschiede von Vergleichsobjekten im Sinne von Konvergenzen sowie Divergenzen im Mittelpunkt der Untersuchung. Als Suchstrategie wurde folglich die Konkordanz- und Differenzmethode angewandt, d.h. um keine Perspektive zu vernachlässigen, wurden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede ermittelt.15 Die vorliegende Arbeit ist eine hypothesengeleitete explorative Studie. Sie versucht, die sich aus dem Vergleich ergebenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede durch eine hypothesengeleitete Messung hervorzuheben. Mit Verweis auf die vorangegangenen Ausführungen zur Relativierung nationaler Souveränitätsansprüche und die zu erwartenden ähnlichen Entwicklungen in den Migrationsberichterstattungen wurden folgende Hypothesen (H) aufgestellt: H1: Da es sich bei den berücksichtigten Printmedien um Regionalzeitungen bzw. als lokale und nationale Medien zugleich geführte Tageszeitungen handelt, ist von einem Regionalisierungstrend in allen drei Printmedien auszugehen. H2: Obgleich länderspezifische Strukturen für die Printmedien existieren, ist zu vermuten, dass in Typologie und Häufigkeit Konkordanzen hinsichtlich journalistischer Darstellungsformen existieren, nicht zuletzt wegen der Bedeutung international agierender Nachrichtenagenturen. 15 Kleinsteuber, Hans: »Mediensysteme im internationalen Vergleich: Ein Überblick«, in: Kai Hafez (Hg.), Die Zukunft der internationalen Kommunikationswissenschaft in Deutschland, Hamburg 2003, S. 39-58, hier S. 43f.
E INLEITUNG | 15
H3: Eine sich in den Migrationsberichterstattungen herausstellende Kontroverse zwischen der Europäisierung der Asyl- und Einwanderungspolitik und dem Vorzug nationaler Sichtweisen und Interessen in den drei europäischen Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich und Luxemburg ist zu erwarten. H4: Ausgehend von Befunden aus anderen medienanalytischen Studien zum saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraum sind äußerstenfalls geringe länderübergreifende Kommunikationsprozesse im saarländisch-lothringischluxemburgischen Grenzraum festzustellen; die SaarLorLux-Region und/oder ihre Teilgebiete treten allenfalls marginal als Ereignis- und/oder Bezugsort in den Medien des jeweils ausländischen Nachbarn auf. H5: Vor dem Hintergrund unterschiedlicher länderspezifischer Debatten über die Migrations- und Integrationspolitik bzw. migrationspolitischer Schlüsselereignisse werden – so eine weitere Annahme – in den drei Mediendiskursen medienspezifische Argumentationstopoi verwendet. H6: Im Rahmen der Kollektivsymbol-Analyse ist zu erwarten, dass die Reichweite einzelner Symbol-Systeme nicht mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammenfällt. Vielmehr wird von einem gemeinsamen Grundbestand an Symbolen auszugehen sein, der von differenzierenden, je medienspezifischen Symbolen ergänzt wird. Die folgende Arbeit ist jedoch nicht nur hypothesentestend, sondern darüber hinaus theoriegeleitet. Um aus den inhaltsanalytischen Befunden Inferenzschlüsse zu ziehen, wurde u. a. die Nachrichtenwerttheorie 16 herangezogen. Die Diskursanalyse bzw. die im Anschluss an Michel Foucault vom deutschen Literaturwissenschaftler Jürgen Link entwickelte und im Fokus der vorliegenden Arbeit stehende Interdiskursanalyse orientiert sich ebenfalls an einer theoretischen Perspektive: der Interdiskurstheorie. Damit ist die Arbeit theoriebezogen und zählt nicht, wenngleich ihr eine
16 Der Sozialwissenschaftler Winfried Schulz systematisierte Mitte der 1970er Jahre die bereits von der Gate-Keeper-Forschung in den 1950er Jahren und vom Medienforscher Einar Östgaard in den 1960er Jahren betriebenen Forschungen zum Thema »Nachrichtenfaktoren«. Neben dem Nachrichtenfaktor »Nähe« legte Schulz fünf weitere Auswahlkriterien für die Berichterstattung fest: »Aktualität«, »Status«, »Dynamik«, »Valenz« und »Identifikation«. Zuletzt ist der siebte Nachrichtenfaktor »Umsetzbarkeit in Bildern« hinzugekommen, vgl. Ruß-Mohl, Stephan: Journalismus. Das Hand- und Lehrbuch, Frankfurt am Main 2003, S. 126-139.
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theoriegeleitete und/oder theoriebildende Ausprägung fehlt, zu den zahlreichen atheoretischen komparativen Studien.17 Sie legt ein induktives Vorgehen nahe, das nicht im Vorfeld aus einer Theorie Hypothesen ableitet, sondern deskriptiv vorgeht, indem sie mediale Beschreibungen vornimmt und im Vorfeld dieser Beschreibungen tentativ Hypothesen entwickelt.18 Die Darstellung des empirischen und größten Teils der Arbeit erfolgt im Rahmen eines strikten Parallelverfahrens aus inhalts- und diskursanalytischen Ergebnissen zur Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung (5.1), im Républicain Lorrain (5.2) und im Luxemburger Wort (5.3). Die Inhaltsanalyse erfasst die formale und inhaltliche Kategorie. Die Interdiskursanalyse berücksichtigt im Rahmen der sprachlichen Kategorie die wiederkehrenden interdiskursiven Textelemente Topoi und Kollektivsymbole. Dabei erfolgen zwischen den einzelnen Medienanalysen komparative Rückverweise auf einzelne Ergebnisse der im Vorfeld durchgeführten Analysen. Diese werden im letzten Abschnitt der empirischen Ergebnisse (5.4) basierend auf den zentralen Ergebnissen der vorausgehenden Analysen zu einem Inter-Media-Vergleich zusammengeführt. Den empirischen Ergebnissen sind drei Kapitel vorangestellt: Das der Einleitung folgende Kapitel stellt den Forschungsstand zur Migrationsberichterstattung unter Einbeziehung räumlicher Maßstabsebenen dar: der Mikro-Ebene des lokalen bzw. regionalen Raums, der Makro-Ebene des nationalen und europäischen Raums, der Meso-Ebene des interregional-grenzüberschreitenden Raums. Das daran anschließende Kapitel erläutert den komparativen Forschungsaufriss der vorliegenden Arbeit, in dem auf Basis thematischer, medialer und räumlicher Vergleichsebenen neben Phasen und Formen der Zuwanderung in Deutschland, Frankreich und Luxemburg das Selbstverständnis der berücksichtigten Printmedien und die Historie der SaarLorLux-Region vorgestellt werden. Ihm folgt das Kapitel »Erhebungsmethoden«. Dieses stellt zunächst die Vorgehensweise der Inhaltsanalyse (4.1) im Hinblick auf die Kriterien der Datenerhebung, die Konzeption des Codierbuchs sowie Hinweise zu inhaltsanalytischen Qualitätsstandards vor. Im Anschluss erfolgt die Darlegung der Interdiskursanalyse und -theorie mit den Interdiskurselementen »Kollektivsymbole« und »Argumentationstopoi« (4.2). Dem bereits erläuterten Aufbau des größten Teils der Arbeit, der Darstellung der empirischen Ergebnisse, folgt das Fazit. Es enthält neben der Verifikation bzw. Fal-
17 Vgl. Hanitzsch, Thomas/Altmeppen, Klaus Dieter: »Über das Vergleichen: Komparative Forschung in deutschen kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften 19482005«, in: Medien & Kommunikationswissenschaft, 2 (2007), S. 185-203, hier S. 200. 18 Vgl. Merten, Klaus: Inhaltsanalyse. Einführung in Theorie, Methode und Praxis, Opladen 2. Aufl. 1995, S. 316.
E INLEITUNG | 17
sifikation der Teilhypothesen und einer daraus abgeleiteten Überprüfung der Grundannahme (6.1), methodische Rückschlüsse (6.2) sowie im Rahmen eines Ausblicks Anregungen zu Folgeuntersuchungen in der kulturwissenschaftlichen GrenzgebietsForschung (6.3).
2. Forschungsstand
Die vorliegende Studie bedarf aufgrund ihrer Konzentration auf das saarländischlothringisch-luxemburgische Grenzgebiet und ihrer inhärenten verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen eines komplexen Forschungsdesigns. Dementsprechend wird der Forschungsstand zur Migrationsberichterstattung im Hinblick auf die Verflechtung mehrerer Maßstabsebenen in der SaarLorLux-Region auf der Meso-Ebene des interregional-grenzüberschreitenden Raums, der Makro-Ebene des nationalen und europäischen Raums sowie der Mikro-Ebene des lokalen bzw. regionalen Raums dargestellt. Die Darstellung des Forschungsstands bleibt jedoch nicht auf der Analyse der Forschungsbereiche »Migranten«, »Medien« und »Grenzregion« stehen, sondern schließt auch den Forschungsstand zu den verwendeten Methoden ein. Ein wichtiges Qualitätskriterium komparativer Forschung ist die Herstellung von Äquivalenz im Hinblick auf die verwendeten Forschungsmethoden (vgl. Kapitel 4.1.3).1 Folglich ist der deutsche, französische und luxemburgische Forschungsstand zur medialen Darstellung von Migranten auch mit Blick auf die Äquivalenz der in den drei Ländern verwendeten Methoden der Inhalts- und Interdiskursanalyse zu diskutieren. Da weder für die Meso-Ebene des grenzüberschreitenden Raums noch für die Mikro-Ebene der Teilregion Lothringen Forschungsarbeiten zur Darstellung von Migranten in den Medien vorliegen, werden in Kapitel 2.1 und 2.2.2 sozio-historische Forschungsarbeiten vorgestellt.
2.1 M ESO -E BENE
DES GRENZÜBERSCHREITENDEN
R AUMS
Obgleich die Meso-Ebene zwischen Mikro- und Makro-Ebene liegt, wird sie aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die vorliegende Studie als erste Ebene aufgeführt.
1
Vgl. T. Hanitzsch/K. D. Altmeppen: Vergleichen, S. 189.
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Auf der Meso-Ebene des grenzüberschreitenden Raums wurden bislang keine Forschungsarbeiten zur Darstellung von Migranten in den Medien von Grenzregionen veröffentlicht. Studien zur sozialhistorischen Migrationsforschung in Grenzregionen liegen hingegen vor. Da in der vorliegenden Studie Ergebnisse aus diesen Arbeiten zu Inferenzschlüssen herangezogen wurden, konzentriert sich die Darstellung des Forschungsstandes zur Meso-Ebene deswegen zunächst auf komparative soziohistorische Studien zu Migranten im europäischen und angloamerikanischen Ländervergleich. Dieser berücksichtigt neben Forschungsübersichten Arbeiten mit zu Grunde gelegten Erhebungsmethoden der vergleichenden Inhalts-, Kollektivsymbolund/oder Topos-Analysen. Im Anschluss werden einzelne sozio-historische Arbeiten zur vergleichenden Grenzforschung diskutiert. Die vergleichende Medienforschung galt lange Zeit als »unterentwickelte Forschungsdimension« in der Bundesrepublik.2 Der Politik- und Medienwissenschaftler Hans Kleinsteuber konstatierte eine Orientierung komparativer medienanalytischer Studien an der Forschungstradition der Vereinigten Staaten.3 Die Monopolstellung der Vereinigten Staaten in der komparativen Medienforschung hätte – so der Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez – zu einer dominanten Rolle in der Theorieentwicklung geführt. Demnach sei in der europäischen und angloamerikanischen Kommunikationsforschung nicht nur eine institutionelle Ansiedlung, sondern insbesondere auch die Erarbeitung theoretisch fundierter Fragestellungen vernachlässigt worden: »Komparative Forschung ist in ihrer traurigen Rolle als Nebenschauplatz der Forschung in Deutschland, aber auch in Hochburgen der internationalen Medienforschung in den USA und England, dazu verurteilt, sich auf theoretisch wenig anspruchsvolle Gegenstände zu beschränken, etwa auf Merkmalsvergleiche der Inhaltsanalyse (Themen, Länder, Akteure usw.) wie in den großen Foreign News-Studien, die zwar sehr bedeutsam sind als Zeugnisse einer schwierig zu organisierenden internationalen Kooperation, aber nur wenig Aufschluss über Entstehungsbedingungen, Strukturen und Wirkungspotentiale der Auslandsberichterstattung zu geben vermögen.«4
Winfried Schulz konstatiert einschränkend, dass sich zumindest die Anzahl, aber auch Qualität komparativer medienanalytischer Studien seit Ende der 1990er-Jahre
2
Vgl. Hafez, Kai: »International vergleichende Medienforschung. Eine unterentwickelte Forschungsdimension«, in: ders. (Hg.), Die Zukunft der internationalen Kommunikationswissenschaft in Deutschland, Hamburg 2002, S. 59-94.
3
Vgl. H. Kleinsteuber: Mediensysteme, S. 42.
4
K. Hafez: Medienforschung, S. 59.
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in beachtlichem Maße gesteigert habe.5 Publikationen lägen – so Schulz – etwa ländervergleichend zu Mediensystemen und Medieninstitutionen vor. Zudem ermittelten Hanitzsch und Altmeppen zwischen 1948 und 2005 einen Anstieg der Bedeutung der komparativen Forschung in der deutschen Medien- und Kommunikationswissenschaft, was sich quantitativ in den drei führenden wissenschaftlichen Fachzeitschriften »Medien & Kommunikationswissenschaft«, »Publizistik« und »Media Perspektiven« niederschlage.6 Die Bedeutungszunahme komparativer Arbeiten zeigt sich auch in einem Anstieg vergleichender Inhalts-, Kollektivsymbol- und Topos-Analysen seit den 1970er Jahren: Eine erste vergleichende inhaltsanalytische Studie untersuchte die politischen Symbole in der Prestigepresse der 1950er Jahre.7 Eine systematische Komparatistik erarbeite erstmalig Alex Edelstein 1982.8 Einen systematischen Überblick über den Stand der vergleichenden kommunikationswissenschaftlichen Forschung erstellten 1992 Blumler, McLeod und Rosengren im Sammelband »Comparatively Speaking«. Den Forschungsstand zur internationalen Kommunikations- und Medienforschung in Deutschland erarbeitete Jürgen Wilke in seinem Beitrag »Internationale Kommunikationsforschung. Entwicklungen, Forschungsfelder, Perspektiven«, wobei sein Augenmerk über den Gegenstandsbereich hinaus auf die Forschungsfelder gerichtet war.9 Obgleich in den Politikwissenschaften der vergleichende Ansatz im Rahmen der »Comparative Politics« etabliert wurde, bestand eine Forschungslücke mit Blick auf Vergleichsstudien zu Massenmedien und politischer Kommunikation. 10 Diese schloss der 2003 veröffentlichte Sammelband von Barbara Pfetsch und Frank Esser zur vergleichenden politischen Kommunikationsforschung. Der 2008 erschienene Sammelband von Gabriele Melischek, Josef Seethaler und Jürgen Wilke basierte auf dem Band von Pfetsch und Esser, legte aber darüber hinaus seinen Schwerpunkt auf 5
Vgl. Schulz, Winfried: »Kommunikationsforscher als Komparatisten«, in: Gabriele Melischek/Josef Seethaler/Jürgen Wilke (Hg.), Medien- und Kommunikationswissenschaft im Vergleich. Grundlagen, Gegenstandsbereiche, Verfahrensweise, Wiesbaden 2008, S. 1725, hier S. 17.
6 7
Vgl. T. Hanitzsch/K. D. Altmeppen: Vergleichen, S. 199. Vgl. Pool, Ithiel de Sola: The Prestige Press. A Comparative Study of Political Symbols, Cambridge 1970.
8 9
Vgl. Edelstein, Alex: Comparative Communication Research, Beverly Hills 1982. Vgl. Wilke, Jürgen: »Internationale Kommmunikationsforschung. Entwicklungen, Forschungsfelder, Perspektiven«, in: Kai Hafez (Hg.), Die Zukunft der internationalen Kommunikationswissenschaft in Deutschland, Hamburg 2002, S. 13-38.
10 Esser, Frank/Pfetsch, Barbara: »Politische Kommunikation im internationalen Vergleich: Neuorientierung in einer veränderten Welt«, in: Dies. (Hg.), Politische Kommunikation im internationalen Vergleich. Grundlagen, Anwendungen und Perspektiven, Wiesbaden 2003, S. 9-31, hier: 9.
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methodische und konzeptionelle Herangehensweisen bei der Durchführung von Vergleichen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt komparativer Studien liegt ferner auf der Ausbildung einer interkulturell vergleichenden Kommunikationsforschung und auf der Intensivierung transkultureller Ansätze durch die zunehmende Globalisierung der Medienkommunikation.11 Im Rahmen der Forschungsübersichten finden sich Studien mit interkulturell ausgerichteten Kollektivsymbol- und Topos-Analysen. Diese ziehen jedoch nicht ausschließlich – wie in der vorliegenden Studie – die Interdiskursanalyse nach Jürgen Link heran. Mit Blick auf die Sicherstellung methodischer Äquivalenz in komparativen Studien ist die Frage nach der Anwendung vergleichbarer Methoden in unterschiedlichen nationalen Systemen jedoch durchaus berechtigt und im Folgenden deswegen nachzugehen. Kultur- und ländervergleichende Analysen von Kollektivsymbolsystemen betreffen überwiegend Untersuchungen zu deutschem, polnischem und russischem Datenmaterial. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um Kollektivsymbolanalysen im Sinne der in der vorliegenden Studie angewandten Interdiskurstheorie nach Jürgen Link (vgl. Kap. 4.2). Die Analysen von Michael Fleischer etwa zu den Systemen der deutschen, russischen und polnischen Kollektivsymbolik stehen im Zusammenhang mit der vom Autor 1989 begründeten und 1994 weiterentwickelten systemtheoretischen Kulturtheorie.12 Die Interdiskurstheorie Links diente Fleischer dabei teilweise als Grundlage seiner Überlegungen.13 Jürgen Link selbst sowie der in vielen Arbeiten sich auf die Link’sche Interdiskurstheorie beziehende Literatur- und Medienwissenschaftler Rolf Parr haben ebenfalls kulturkontrastive Vergleichsstudien angelegt. Diese betreffen Analysen zu deutschen, luxemburgischen und amerikanischen Kollektivsymbol-Systemen. 14 Diese hypothesengeleiteten Überlegungen von Link und Parr wurden bisher jedoch nur ge-
11 Vgl. Gudykunst, William: Handbook of International and Intercultural Communication.Thousand Oaks 2002; Hepp, Andreas: Transkulturelle Kommunikation, Stuttgart 2006. 12 Vgl. Fleischer, Michael: Die Evolution der Literatur und Kultur. Grundsatzfragen zum Entwicklungsproblem. Ein systemtheoretisches Modell, Bochum 1989; ders., Die Wirklichkeit der Zeichen. Empirische Kultur- und Literaturwissenschaft. Systemtheoretische Grundlagen und Hypothesen, Bochum 1994. 13 Vgl. Fleischer, Michael: Das System der russischen Kollektivsymbolik. Eine empirische Untersuchung, München 1997, S. 22. 14 Vgl. Link, Jürgen: »Konturen medialer Kollektivsymbolik in der BRD und in den USA«, in: Peter Grzybek (Hg.), Cultural Semiotics: Facts and Facets/Fakten und Facetten der Kultursemiotik, Bochum 1991, S. 95-135; R. Parr: Kompetenz: Multi-Interdiskursivität, S. 87100.
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legentlich an empirischem Material überprüft, so etwa bei der Dissertation von Sebastian Reddeker über den Werbediskurs in Luxemburg15 sowie im Beitrag der Verfasserin dieser Arbeit zum Nutzen von Foucaults Gouvernementalitätstheorie am Beispiel einer Interdiskursanalyse zum Migrationsdiskurs in Luxemburg.16 Reddeker leistet einen kommunikationswissenschaftlichen Beitrag zur Erforschung des luxemburgischen Kollektivsymbolsystems, indem er mit dem Fokus auf den Werbediskurs in Luxemburg auf die Untersuchung der luxemburgischen Kommunikationspolitik und des Marketings abzielt. Die Werbelandschaft nach ihrem identitätsstiftenden und vermittelnden Potential zu analysieren, resultiert zum einen aus der Bedeutung der Werbung in der Konzeption der Interdiskurstheorie für identitätsbildende Prozesse, zum anderen aus der Notwendigkeit, sich mit Werbung – einer tragenden Säule des elementaren Interdiskurses – und Identität im multikulturellen Raum Luxemburg zu beschäftigen.17 Kreutzer problematisiert in ihrem Beitrag in Theorie und Praxis die im Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts verwendeten Interdiskurse im Hinblick auf ihre Beschaffenheit als Regierungstechnologien im Sinne des Gouvernementalitätskonzepts Foucaults. Dabei konnte sie an Kollektivsymbolen herausstellen, wie bestimmte Diskurselemente aus einem speziellen Alltagsdiskurs als Metaphern herauswandern und durch eine Vielzahl von Diskursen hindurch. Dadurch traten sie als ideologische Konzepte der Zivilgesellschaft in Erscheinung, da sie im Sinne Foucaults ritualisierten Redeformen, Handlungsweisen und Machteffekten zugeordnet werden konnten.18 Obwohl die Interdiskursanalyse genuin Forschungsgegenstand der Literaturwissenschaft bzw. Germanistik war, finden sich mit Beginn des 21. Jahrhunderts somit zunehmend Studien, die nicht mehr aus diesen Forschungsdisziplinen stammen, ob in der Theologie, der Bewegungs- bzw. Sozialforschung, den Politik- oder Rechtswissenschaften, den Geschichtswissenschaften, in den Gender Studies sowie – wie
15 Vgl. Reddeker, Sebastian: Werbung und Identität im multikulturellen Raum. Der Werbediskurs in Luxemburg. Ein kommunikationswissenschaftlicher Beitrag, Bielefeld 2012. 16 Vgl. Kreutzer, Elena: »›Souveränität‹ und ›Disziplin‹ in Medien. Zum Nutzen von Foucaults Gouvernementalitätstheorie am Beispiel einer Interdiskursanalyse zum Migrationsdiskurs in Luxemburg«, in: Christian Wille u. a. (Hg.), Räume und Identitäten in Grenzregionen. Politiken – Medien – Subjekte, Bielefeld 2014, S. 118-128. 17 Vgl. S. Reddeker, Werbung, S. 9. 18 Vgl. E. Kreutzer, Souveränität, S. 127.
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bereits dargelegt – in den Medien- und Kommunikationswissenschaften.19 Zwar führen diese Arbeiten allesamt Kollektivsymbolik-Analysen durch, beziehen sich jedoch dabei nicht ausschließlich auf die Interdiskursanalyse und -theorie nach Jürgen Link. In seiner Analyse zur Wirkungsweise von Kollektivsymbolik im Recht kombiniert Jürgen Dreher beispielsweise die klassischen rechtssoziologischen Positionen von Rudolf Smend und Georges Gurvitch mit den wissenssoziologisch-systemtheoretischen Überlegungen von Alfred Schütz und Émile Durkheim.20 Französische Studien zu Interdiskursanalysen finden sich im Gegensatz zu deutschen nur vereinzelt, da die Interdiskurstheorie in Frankreich noch nicht in dem Maße Fuß gefasst hat wie in Deutschland. Dabei konkurrieren verschiedene Definitionen, ohne aufeinander oder auf die ausländische Literatur zur Interdiskursanalyse/-theorie Bezug zu nehmen. Courtine etwa versteht unter Interdiskurs »une articulation contradictoire de formations discursives référant à des formations idéologiques antagonistes«.21 Damit bezeichnet er die Interdiskurse zwar als diskursive Elemente, die in unterschiedlichen Spezialdiskursen auftreten können, jedoch werden diese Interdiskurselemente im weiteren Verlauf seiner Arbeit nicht spezifiziert. Patrick Charaudeau hingegen spielt auf den symbolischen Wert, den »valeur symbolique«22, von Interdiskursen an, wodurch sich diese Definition zumindest dem unter die Interdiskurstheorie Links subsumierten Interdiskurselement Kollektivsymbole annähert.
19 Vgl. hierzu: Farrokhazad, Concepción: Die Bibel als sozialkritisches Instrument im englischen Industrieroman des 19. Jahrhunderts: Intertextualität und Kollektivsymbolik, Hamburg 2003; Fritsche, Michael: Kollektivsymbolik in den Nationalbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein Vergleich zwischen Deutschland und Südosteuropa, Oldenburg 2001; Platz, Dania: Strategische Wahlkampfkommunikation. Wahlkampf-Intertextualität als strategische Komponente der Sprache im Wahlkampf, Frankfurt am Main 2013; Dreher, Jochen: »Zur Wirkungsweise von Kollektivsymbolik im Recht: symbolische Macht- und ›Klassenjustiz‹«, in: Michelle Cottier/Josef Estermann/Michael Wrase (Hg.), Wie wirkt Recht, Baden-Baden 2010, S. 323-346; Speitkampf, Winfried: »Authentizität und Nation: Kollektivsymbolik und Geschichtspolitik in postkolonialen afrikanischen Staaten«, in: Klaudia Knabel/Dietmar Rieger/Stephanie Wodianka (Hg.), Nationale Mythen – kollektive Symbole. Funktionen, Konstruktionen und Medien der Erinnerung, Göttingen 2005, S. 225-243; Wichert, Frank: Die Konstituierung moderner Männlichkeit in hegemonialen Printmedien: eine diskursanalytische Untersuchung, Duisburg/Essen 2004. 20 Vgl. J. Dreher: Kollektivsymbolik, S. 343. 21 Courtine, Jean-Jacques: Analyse du discours politique, in: Language 62 (1981), S. 9-128, hier S. 54. 22 Charaudeau, Patrick: »Le contrat de communication de l’information médiatique«, in: Médias, faits et effets, numéro spécial »Le Français dans le monde«, Paris 1994, S. 8-19, hier S. 16.
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Mainguenau spricht schließlich von Interdiskursen als Verbindungsgliedern von Spezialdiskursen und formuliert zumindest ansatzweise eine Interdiskurstheorie: »Si l’on considère un discours particulier on peut […] appeler interdiscours l’ensemble des unités discursives avec lesquelles il entre en relation. Selon le type de relation interdiscursive que l’on privilégie il pourra s’agir des discours cités, des discours antérieurs du même genre, des discours contemporains d’autres genres, etc.«23
Das dahinterstehende Theoriegerüst ist jedoch ausbaufähig, zumal es wie Courtine die in Interdiskursanalysen zu untersuchenden Interdiskurselemente nicht näher beschreibt. Der Forschungsstand zur französischen Topos-Analyse zeigt, dass sie in Theorie und Anwendung der deutschen gleicht, sie wie die Inhaltsanalyse als eine internationalisierte Methodik betrachtet werden kann.24 So wird auch in der französischen ToposForschung auf den rhetorischen Topos bei Aristoteles Bezug genommen. Überhaupt scheint eine gegenseitige Rezeption von deutschen, französischen und anderen Topos-Studien zu existieren, wie auch der vom deutschen Romanisten Ekkehard Eggs herausgegebene interkulturelle und interdisziplinäre Sammelband »Topoi, discours, arguments« aufzeigt.25 Sozialwissenschaftliche Studien zu Migranten in den Medien als Forschungsgegenstand der vergleichenden Medien- und Kommunikationsforschung konstatieren zwar auch, dass die räumliche und mediale Fallauswahl zumeist auf Nationalstaaten und nationalen Medien liegt;26 einige wenige Fallstudien nutzen jedoch den anglo23 Mainguenau, Dominique: Les termes clés de l’analyse du discours, Paris 1996, S. 50f. 24 Exemplarisch für die französische Topos-Forschung sollen genannt werden: Amossy, Ruth/Pierrot, Anne: Stéreotypes et clichés. Langue, discours, société, Paris 1997; Anscombre, Jean-Claude (Hg.): Théorie des topoï, Paris 1995; Eggs, Ekkehard (Hg.): Topoï, discours, arguments, Stuttgart 2002; Molinié, Georges: »Lieux«, Dictionnaire de rhétorique, Paris 1992; Plantin, Christian (Hg.): Lieux communs. Topoï, stéréotypes, clichés, Paris 1993. 25 Vgl. E. Eggs: Topoï. 26 Exemplarisch genannt seien hier: Delgado, Manuel: Die Gastarbeiter in der Presse. Eine inhaltsanalytische Studie, Opladen 1972; Galanis, Georg: Migranten als Minorität im Spiegel der Presse. Längsschnittuntersuchung der Berichterstattung von Stern, Quick und Spiegel in den Jahren 1960 bis 1982, Frankfurt am Main 1989; Predelli, Ulrich: Wie fremd sind uns Fremde? Das Ausländerbild in der deutschen Tagespresse, Berlin 1995; Kirwel, Thomas: Ausländerfeindlichkeit in der deutschen Presse untersucht an »BILD«, »FAZ«, »TAZ« und der »Deutschen National-Zeitung«, Hamburg 1996; Merten, Klaus: Das Bild der Ausländer in der deutschen Presse. Ergebnisse einer systematischen Inhaltsanalyse,
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amerikanischen Raum zum internationalen Vergleich.27 Als Länder werden hierzu meist Australien oder die Vereinigten Staaten herangezogen, wie etwa in der vergleichenden Inhaltsanalyse von Sigrid Luchtenberg über die Darstellung von Migration und Multikulturalität in deutschen und australischen Zeitungen.28 Zum anderen dienen bisweilen auch europäische Länder als Vergleich, wie die Studie von Barbara Laubenthal über die sozialen Bewegungen illegaler Migranten in Frankreich, Spanien und der Schweiz aufzeigt.29 Diese durch Experteninterviews und eine Dokumentenanalyse ergänzte qualitative Inhaltsanalyse hat herausgestellt, dass die nationalen Bewegungen trotz der unterschiedlichen politisch-institutionellen Rahmenbedingungen in den drei Ländern gemeinsame Merkmale aufweisen.30 Auch deutsch-französische Vergleiche zu bestimmten Migrantengruppen oder zu Subthemen von Migration wie dem Islam liegen vor. Im 1991 erschienenen deutschfranzösischen Vergleich über politische Argumentationsmuster zu Türken in der Bundesrepublik und Nordafrikanern in Frankreich rechtfertigt Klaus Manfrass den komparativen Aufriss damit, dass Frankfurt am Main 1986; Meißner, Betina/Ruhrmann, Georg: Das Ausländerbild in den Thüringer Tageszeitungen. Eine quantitative und qualitative Inhaltsanalyse, Erfurt 2000; Ruhrmann, Georg/Kollmer, Jochem: Ausländerberichterstattung in der Kommune. Inhaltsanalyse Bielefelder Tageszeitungen unter Berücksichtigung »ausländerfeindlicher« Aussagen, Opladen 1987. 27 Stellvertretend hierzu: Luchtenberg, Sigrid: »Migration und Multikulturalität in den Printmedien. Eine vergleichende Analyse deutscher und australischer Zeitungen«, in: Bernd Scheffer (Hg.), Medien und Fremdenfeindlichkeit. Alltägliche Paradoxien, Dilemmata, Absurditäten und Zynismen, Opladen 1997, S. 255-276; Koch, Ralf: »›Zigeuner, Neger, Farbige und Gastarbeiter‹. Vom Verfallsdatum bestimmter Begriffe«, in: ders., »Medien mögen’s weiß«. Rassismus im Nachrichtengeschäft. Erfahrungen von Journalisten in Deutschland und den USA, München 1996, S. 23-44; Esser, Frank: »Deutschland im internationalen Scheinwerferlicht I: Rechte Mobilisierung. Gelegenheitsstrukturen für kollektive Gewalt. Ein ›deutsches Problem‹ im internationalen Vergleich«, in: ders./Bertram Scheufele/Hans-Bernd Brosius, Fremdenfeindlichkeit als Medienthema und Medienwirkung. Deutschland im internationalen Scheinwerferlicht, Wiesbaden 2002, S. 187-216. 28 Luchtenberg, Sigrid: »Migration und Multikulturalität in den Printmedien. Eine vergleichende Analyse deutscher und australischer Zeitungen«, in: Bernd Scheffer (Hg.), Medien und Fremdenfeindlichkeit. Alltägliche Paradoxien, Dilemmata, Absurditäten und Zynismen, Opladen 1997, S. 255-276. 29 Vgl. Laubenthal, Barbara: Der Kampf um Legalisierung. Soziale Bewegungen illegaler Migranten in Frankreich, Spanien und der Schweiz, Gießen 2006; Ata, Mehmed: Der Mohammed-Karikaturenstreit in deutschen und türkischen Medien, Wiesbaden 2011. 30 B. Laubenthal: Legalisierung, S. 226-237.
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»die Einwanderungsproblematik zu den entscheidenden gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen der kommenden Jahrzehnte geworden ist, es sich [demnach] um eine Problematik der europäischen Industriegesellschaft und nicht mehr allein der einzelnen Nationalstaaten handelt«.31
Manfrass arbeitete für die 1970er und 1980er Jahre einen sich immer deutlicher hervortretenden Dualismus zwischen europäischer und außereuropäischer Zuwanderung heraus, der sich in der Umbruchphase Ende der 1980er Jahre in Frankreich verstärkt durch eine Süd-Nord-Wanderung (d.h. von Entwicklungs- nach Industrieländern) und in Deutschland durch eine Ost-West-Wanderung (d.h. von ost- nach westeuropäischen Staaten) bemerkbar machte. Infolgedessen wurde trotz der Bemühungen um europäische Lösungen auch ein nationalstaatlicher Umgang mit der Migrationsproblematik realisiert. 32 Der 2013 von Daniela Wehrstein veröffentlichte, ebenfalls deutsch-französische Vergleich befasst sich mit der Wirkungsmacht impliziter Argumentationsmuster in deutschen und französischen Pressetexten zum Thema Islam.33 Die vergleichende Diskursanalyse von Mehmet Ata befasst sich indes mit der Darstellung des Streits um die Mohammed-Karikaturen in deutschen und türkischen Medien und betritt – wie Ata selbst feststellt – mit dem Vergleich zwischen Diskursen in einem christlich und einem islamisch geprägten Staat wissenschaftliches Neuland.34 Um ferner die Forschungslücke hinsichtlich intralingualer Vergleiche in Europa zu schließen, haben die Diskursforscher der »Düsseldorfer Schule« Thomas Niehr und Karin Böke einen Vergleich aus diskursanalytischer und linguistischer Perspektive am Beispiel des Migrationsdiskurses in deutschsprachigen Printmedien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. 35 Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses standen Fragen nach der sprachlichen Prägung von Einstellungen der Gesellschaft gegenüber Migranten, nach Unterschieden in der Wahrnehmung zwischen Migranten und nach historischen Entwicklungen in der Sprache.36 Um ei-
31 Manfrass, Klaus: Türken in der Bundesrepublik, Nordafrikaner in Frankreich. Ausländerproblematik im deutsch-französischen Vergleich, Bonn 1991, S. VII. 32 Vgl. ebd., S. 258f. 33 Vgl. Wehrstein, Daniela: Deutsche und französische Pressetexte zum Thema Islam. Die Wirkungsmacht impliziter Argumentationsmuster, Berlin/Boston 2013. 34 Ata, Mehmet: Der Mohammed-Karikaturenstreit in den deutschen und türkischen Medien. Eine vergleichende Diskursanalyse, Wiesbaden 2011, S. 12. 35 Vgl. Niehr, Thomas/Böke, Karin: »Diskursanalyse unter linguistischer Perspektive – am Beispiel des Migrationsdiskurses«, in: Reiner Keller u. a., Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 2: Forschungspraxis, Wiesbaden 2004, S. 325-351. 36 Vgl. ebd., S. 325.
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nen solchen intralingualen Vergleich durchzuführen, waren im Vorfeld Überlegungen der Forscher zur Analyse internationaler und intralingualer Textkorpora notwendig.37 Die vergleichende Grenzforschung fand weder in der komparativen Medien- und Kommunikationswissenschaft noch in medienanalytischen Studien Beachtung. Grenzen und Grenzräume waren bisher klassische Forschungsgegenstände der Geschichts-, Sozial-, Politikwissenschaften, der Staatenkunde sowie der Kulturgeografie und ihrer Nachbardisziplin Raumplanung. Quer zu nationalen Grenzen liegende Vergleichsgegenstände sind folglich nach wie vor eine Seltenheit. Dieses Forschungsdefizit erklärt sich daraus, dass in der herkömmlichen Definition komparativer Forschung meist von nationalen Systemen ausgegangen wird, die dem Vergleich mit anderen Systemen unterzogen werden.38 Grenzüberschreitende Räume werden von dieser Definition nicht erfasst, obgleich es sich dabei wegen der Überschreitung nationaler Grenzen durchaus um ein Vergleichsszenario der komparativen Forschung handelt. Zwar existieren vereinzelt kommunikationswissenschaftliche Arbeiten, jedoch (fast) ohne einen entsprechenden methodischen Forschungsansatz: Isabelle Bohn, Heinz-Helmut Lüger, Thomas Rist und Patrick Schäfer erarbeiteten 2003 anhand von Tageszeitungen in der Oberrheinregion Berichterstattungsmuster im Hinblick auf ihren Beitrag zur regionalen Kultur sowie zur Herausbildung oder Veränderung bestimmter Identitäten.39 Dabei handelte es sich weder um eine inhaltliche noch sprachliche Analyse der Medienberichterstattung, sondern um skizzierte Entwicklungstendenzen auf Basis einer kleinen Stichprobe von drei Regionalzeitungen und damit eines begrenzten Forschungsrahmens. Bernd Blöbaum beschäftigte sich auf einer heuristischen Ebene mit der Frage, ob europäische Grenzen journalistische Grenzen sind, und hob trotz Negation der Frage die Wichtigkeit der Erforschung von lokalen und regionalen Kommunikationsräumen in Grenzgebieten hervor.40 Schließlich sind noch zwei kommunikationswissenschaftliche Beiträge zur SaarLorLux-Region zu nennen: Die Kulturwissenschaftlerin Julia Frisch untersuchte die Berichterstattung über den interregionalen Gewerkschaftsrat in der Saarbrücker Zeitung, im Républicain Lorrain, im Luxemburger Wort, im Luxemburger Tageblatt und im Le Quotidien. Dabei wurde das interregional tätige Koordinationsgremium im Hinblick 37 Vgl. Böke, Karin u.a: »Vergleichende Diskurslinguistik. Überlegungen zur Analyse internationaler und intralingualer Textkorpora«, in: Thomas Niehr/Karin Böke (Hg.), Einwanderungsdiskurse. Vergleichende diskurslinguistische Studien, Wiesbaden 2000, S. 11-36. 38 Vgl. H. Kleinsteuber: Medien, S. 80. 39 Vgl. I. Bohn: Begegnung, S. 82. 40 Vgl. Blöbaum, Bernd: »Europäische Grenzen und journalistische Grenzen. Medienkooperationen in europäischen Grenzregionen und das Problem europäischer Öffentlichkeit«, in: Kurt Imhof/Otfried Jarren/Roger Blum (Hg.), Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft, Wiesbaden 1999, S. 35-46, hier S. 41.
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auf eine zu erwartende, grenzüberschreitende Berichterstattung ausgewählt. In der regionalen Presseberichterstattung wurden jedoch sowohl in der qualitativen als auch quantitativen Repräsentation Divergenzen festgestellt. 41 Darüber hinaus ist ein inhaltsanalytischer Beitrag zu nennen: Merle Schmidt analysierte im Rahmen des Forschungsprojektes »Medienlandschaft Saar« das Jugendphänomen der »Halbstarken« bzw. »Blousons-Noirs« für die Jahre 1956 bis 1962 in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain.42 Im Gegensatz zu Frisch wies sie geringe grenzüberschreitende Austauschprozesse zwischen den Zeitungen nach. Studien zur Migrationsberichterstattung, die als Untersuchungsraum die SaarLorLux- oder andere europäische Grenzregionen heranziehen, existieren bislang nicht. Allerdings liegen Publikationen von historisch und sozio-politisch ausgerichteten Migrationsstudien sowie zu Mediensystemen in der SaarLorLux-Region vor. Als einschlägige historische Studie gilt zum einen die Dissertation von Stefan Leiner zu Wanderungsbewegungen im saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraum in den Jahren 1856 bis 1910.43 Zum anderen führte Fabian Trinkaus einen historischen Vergleich zu Arbeiterexistenzen und zur Arbeiterbewegung in der Eisen- und Stahlindustrie im saarländisch-luxemburgischen Grenzraum am Beispiel der Hüttenstädte Neunkirchen/Saar und Düdelingen/Luxemburg durch.44 Im Rahmen des digitalen Atlas der Großregion45 haben Birte Nienaber und Ursula Roos einen sozio-politischen Vergleich von Migranten in der SaarLorLux-Region erstellt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Sammlung und der Vergleich migrationspolitischer Daten innerhalb der SaarLorLux-Region problematisch sei, da zum einen die genaue Zahl von Migranten in den jeweiligen Teilgebieten nicht genau zu bestimmen sei und zudem auch keine europaweite Definition von »Migrant« existiere. Zudem seien je nach Land unterschiedliche ausländerrechtliche Rahmenbedingungen zu Grunde zu legen, was einen Vergleich ebenfalls erschwere. Zu den printjournalistischen Mediensystemen in der SaarLorLux-Region liegt eine im Rahmen des Atlas der Großregion erstellte und im Sammelband »Champs 41 Vgl. J. Frisch: Berichterstattung, S. 177. 42 Vgl. M. Schmidt: Halbstarke, S. 345-366. 43 Vgl. S. Leiner: Migration, Saarbrücken 1994. 44 Vgl. Trinkaus, Fabian: Arbeiterexistenzen und Arbeiterbewegung in den Hüttenstädten Neunkirchen-Saar und Düdelingen-Luxemburg (1880-1935/40). Ein historischer Vergleich, Saarbrücken 2014. 45 Unter Leitung von Michel Pauly wurde das vom Fonds National de la Recherche Luxembourg finanzierte Forschungsprojekt »Atlas der Großregion« initiiert. Er ist ein digitaler, interaktiver Atlas, der unterschiedliche Bereiche der Großregion, wie bspw. Medien und Migration, grenzüberschreitend vorstellt, http://geo.uni.lu/atlas/gr-atlas_dt.html vom 08.12.2014.
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médiatiques et frontières dans la ›Grande Région‹ SaarLorLux et en Europe. Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa« veröffentlichte Arbeit vor: Der Journalist und Geograf Patrick Wiermer konnte unter Anwendung des Ansatzes der Nachrichtengeografie nachweisen, dass die Großregion »ein in periphere und zentrale Räume zerteiltes Gebiet« 46 ist.
2.2 M AKRO -E BENE
DES NATIONALEN
R AUMS
Auf der Makro-Ebene des nationalen Raums, d.h. für Deutschland, Frankreich und Luxemburg, sind mitunter zahlreiche inhalts- und diskursanalytische Migrationsstudien entstanden, wobei Forschungsarbeiten mit Bezug auf Deutschland überwiegen. 2.2.1 Migranten in deutschen Medien In Deutschland ist Anfang der 1970er-Jahre das mediale Bild des Migranten erstmals untersucht worden. Manuel Delgado hat mit seiner Inhaltsanalyse zu den »Gastarbeitern« in nordrhein-westfälischen Tageszeitungen eine maßgebliche, von ihrem Sample her bis heute unübertroffene, inhaltsanalytische Leitstudie verfasst. Es handelt sich um eine Vollerhebung von 84 nordrhein-westfälischen Tageszeitungen für den Zeitraum 1966 bis 1969; erfasst wurden 3069 Artikel.47 In den 1980er Jahren entstanden vereinzelt Arbeiten, die den »Ausländer« in den Mittelpunkt der Untersuchungen rückten.48 Der Forschungsgegenstand wurde in den 1990er-Jahren erneut verstärkt aufgegriffen, als migrationspolitische Beschlüsse in der Bundesrepublik Deutschland, wie der Asylkompromiss und der mediale Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen, eine wissenschaftliche Auseinandersetzung notwendig machten.49 Inzwischen existieren Übersichtsarbeiten zum Forschungsgegenstand. Das Projekt um Rainer Geißler und Horst Pöttker hatte sich zum Ziel gesetzt, eine umfas-
46 Goulet, Vincent/Vatter, Christoph: »Einleitung – Nationale, grenzüberschreitende und europäische Herausforderungen für die Produktion und Verbreitung von Medieninhalten in Grenzräumen«, in: dies. (Hg.), Champs médiatiques et frontières dans la »Grande Région« SaarLorLux et en Europe. Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa, Saarbrücken 2013, S. 1-9, hier S. 7. 47 Vgl. M. Delgado: Gastarbeiter, S. 28. 48 Exemplarisch genannt werden sollen: K. Merten: Bild; G. Ruhrmann/J. Kollmer: Ausländerberichterstattung; G. Galanis: Migranten. 49 Vgl. Lünenborg, Margreth/Fritsche, Katharina/Bach, Annika: Migrantinnen in den Medien. Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption. Bielefeld 2011, S. 19.
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sende Bibliografie der deutschen Forschungsliteratur zum Themenkomplex »Migration und Medien« zu erarbeiten.50 Daniel Müllers »Die Darstellung ethnischer Minderheiten in deutschen Massenmedien«51 stellt darin den systematisch aufgearbeiteten Forschungsstand zu quantitativen und qualitativen Migrationsstudien zur deutschen Presse für den Zeitraum 1972 bis 2000 dar.52 Ein methodischer Schwerpunkt der Migrationsstudien zum Printbereich liegt auf quantitativen und qualitativen Inhaltsanalysen. Seit Ende der 1990er Jahre wurden am Duisburger Institut für Sprachund Sozialforschung ferner verstärkt Diskursanalysen durchgeführt.53 Aus der Perspektive des lange Zeit vernachlässigten, genderbezogenen Themas »Migrantinnen in den Medien« hat Margret Lüneborg den von Daniel Müller erarbeiteten Forschungsstand um das Feld »Migrantinnen in den Medien« ergänzt.54 Bezüglich Topos-Analysen zum deutschen Migrationsdiskurs erwiesen sich die Arbeiten von Martin Wengeler als maßgeblich für die vorliegende Interdiskursanalyse zur Saarbrücker Zeitung. Die wegen ihrer Erarbeitung zahlreicher Topoi bis heute unübertroffene Analyse stellt die Monografie »Topos und Diskurs. Begründung einer argumentationsanalytischen Methode und ihre Anwendung auf den Migrationsdiskurs 1960–1985« dar.55 Die dort vorhandenen Topoi wurden in den Folgejahren um weitere Analysen und Arbeiten ergänzt. In seinem 2006 veröffentlichten Beitrag zur historischen Kontinuität von Argumentationsmustern hat Wengeler den ursprünglich gewählten Untersuchungszeitraum bis zum Jahr 2002 ausgeweitet.56 50 Vgl. Müller, Daniel: »Bibliographie«, in: Rainer Geißler/Horst Pöttker (Hg.), Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Problemaufriss – Forschungsstand – Bibliographie, Bielefeld 2005, S. 409-524. 51 Vgl. Müller, Daniel: »Die Darstellung ethnischer Minderheiten in deutschen Massenmedien«, in: R. Geißler/H. Pöttker (Hg.), Massenmedien, S. 83-126. 52 Neben zahlreichen Studien zu Printmedien existieren auch wenige Studien zu den Bereichen Fernsehen und Rundfunk. Beispielsweise behandelt die komparativ angelegte Dissertation von Sonja Kretzschmar die Thematik in den Fernsehprogrammen dreier westeuropäischer Länder; vgl. Kretzschmar, Sonja: Fremde Kulturen im europäischen Fernsehen. Zur Thematik der fremden Kulturen in den Fernsehprogrammen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien, Wiesbaden 2002. Die Vernachlässigung des Bereichs Fernsehen führt Müller auf den enormen forschungspraktischen und finanziellen Aufwand bei der Bearbeitung dieser Mediengattung zurück; vgl. D. Müller: Darstellung, S. 108. 53 Vgl. D. Müller: Darstellung, S. 103f. 54 Vgl. M. Lünenborg/K. Fritsche/A. Bach: Migrantinnen, S. 19. 55 Vgl. Wengeler, Martin: Topos und Diskurs. Begründung einer argumentationsanalytischen Methode und ihre Anwendung auf den Migrationsdiskurs 1960-1985, Tübingen 2003. 56 Vgl. Wengeler, Martin: »Zur historischen Kontinuität von Argumentationsmustern im Migrationsdiskurs«, in: Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges (Hg.), Massenmedien,
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Beiträge zur (deutschen) Kollektivsymbolik innerhalb des Themenfeldes »Migration« wurden vor allem in der Zeitschrift kultuRRevolution verfasst: Als wichtiges Instrument des Transfers zwischen Wissenschaft und praktischen Anwendungsfeldern versucht das seit 1982 von Jürgen Link herausgegebene Periodikum kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie, die Foucault’schen und auch die selbst entwickelten Diskurstheorien in je aktuellen politischen Zusammenhängen nutzbar zu machen.57 Darüber hinaus bietet die von Rolf Parr und Matthias Thiele herausgegebene Bibliografie zu den Konzepten »Interdiskurs«, »Kollektivsymbolik« und »Normalismus« im Allgemeinen sowie der Abschnitt zu »Asylanten«, Neorassismus, Migration und Multikultur im Besonderen wertvolle Literaturhinweise zur deutschen Kollektivsymbolikanalyse in Migrationsdiskursen.58 Fasst man die Ergebnisse wichtiger inhalts- und diskursanalytischer Studien zur Darstellung von Migranten in der deutschen Presse zusammen, ergeben sich redundante Befunde. Dabei schließen sich die diskursanalytischen Befunde in großen Teilen den inhaltsanalytischen an, liefern aber darüber hinaus insbesondere über die Topos-Analysen Wengelers eruierte abweichende Belege: 1. Übereinstimmend dominiert in den inhaltsanalytischen Befunden ein problemorientierter Medienumgang. Dieser äußert sich über die Darstellung eines stark verallgemeinernden, insbesondere negativ eingefärbten Zerrbildes des »bedrohlichen und belastenden Ausländers«, das überproportional häufig mit Regelverletzungen sowie mit konfliktorischen und krisenhaften Entwicklungen in Verbindung gebracht wird.59 2. Mittels Rückgriff auf die Nachrichtenwerttheorie und insbesondere auf den Nachrichtenfaktor Negativität akzentuiert die Presse die soziale Wirklichkeit nach
Migration und Integration. Herausforderungen für Journalismus und politische Bildung, Wiesbaden 2. Aufl. 2006, S. 13-36, hier S. 14-16. 57 Vgl. Parr, Rolf: »Diskursanalyse«, in: Jost Schneider (Hg.), Methodengeschichte der Germanistik, Berlin 2009, S. 89-107, hier S. 96. 58 Vgl. Parr, Rolf/Thiele, Matthias: Link(s). Eine Bibliografie zu den Konzepten ›Interdiskurs‹, ›Kollektivsymbolik‹ und ›Normalismus‹ sowie einigen weiteren Fluchtlinien. Heidelberg 2. Aufl. 2010. 59 Vgl. Geißler, Rainer: »Bessere Präsentation durch bessere Repräsentation. Anmerkungen zur medialen Integration von ethnischen Minderheiten«, in: Heribert Schatz/Christina Holtz-Bacha/Jörg-Uwe Neuland (Hg.), Migranten und Medien. Neue Herausforderungen an die Integrationsfunktion von Presse und Runfunk, Wiesbaden 2000, S. 129-146, S. 133.
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bestimmten, oftmals einseitig-selektiven Kriterien. Die Ergebnisse zeigen dementsprechend auf, dass vordergründig negative, sensationelle und konflikthaltige Themen von Journalisten favorisiert werden.60 3. Ein beträchtlicher Anteil der Berichterstattungen behandelt das Thema »Migration und Kriminalität«. Dabei werden Migranten häufig erst zum Thema, wenn sie als Straftäter oder als Opfer von Diskriminierung im Kontext einer Ausnahmesituation in Erscheinung treten. Diese Perspektive ist auf die Bedeutung des Themas in der Aufnahmegesellschaft zurückzuführen, wie aus der These von Kerstin Reich abzuleiten ist: »Menschen mit Migrationshintergrund und kriminelle Handlungen scheinen von jeher in der Wahrnehmung der einheimischen Bevölkerung ursächlich miteinander verbunden zu sein, so als ob eine bestimmte Staatsangehörigkeit oder eine andere ethnische Herkunft einen spezifischen Faktor zur Entwicklung von Delinquenz darstellen würde.«61 Der Forschungsverbund am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung arbeitete mittels Rückgriff auf die qualitative Methode der Diskursanalyse dabei heraus, in welchem Maße der Zusammenhang von »Migranten und Kriminalität« durch die deutsche Presse diskursiv herausgestellt wird.62 4. Die mediale Darstellung von Migranten ist durch diskriminierende und exklusive Elemente gekennzeichnet. Eine differenzierende Berichterstattung zwischen als Gäste, Künstler und Spitzensportler »erwünschten« und als Asylbewerber »weniger erwünschten« Statusgruppen wurde eruiert.63 Dabei ist eine Überrepräsentation unerwünschter Gruppen in den Printmedien festzustellen. 5. Als Gegenstück zu den ermittelten thematischen Negativaspekten findet die Berichterstattung über die positiven Leistungen ethnischer Minderheiten so gut wie gar nicht statt. 60 Vgl. Trebbe, Joachim: Ethnische Minderheiten, Massenmedien und Integration. Eine Untersuchung zu massenmedialer Repräsentation und Medienwirkungen, Wiesbaden 2009, S. 44. 61 Reich, Kerstin: »Migranten und Kriminalität«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 177-182, hier S. 177. 62 Vgl. Jäger, Siegfried u. a.: Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden. Medien und Straftaten. Mit Vorschlägen zur Vermeidung diskriminierender Berichterstattung, Duisburg 1998; Jäger, Siegfried: »Von deutschen Einzeltätern und ausländischen Banden: Medien und Straftaten«, in: Heribert Schatz/Christina Holtz-Bacha/Jörg-Uwe Nieland (Hg.), Migranten und Medien. Neue Herausforderungen an die Integrationsfunktion von Presse und Rundfunk, Wiesbaden 2000, S. 207-218. 63 Vgl. K. Merten: Bild, S. 90f.
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6. Ferner werden die Lebenswirklichkeiten der Migranten in bundesdeutschen Printmedien äußerst selten dargestellt. Als Autoren bzw. als autonome Subjekte, die sich selbst äußern, kommen Migranten selten vor. Meistens erscheinen sie lediglich als behandelte und zu bewertende Objekte. Somit mangelt es auf der individuellen Ebene an einer aktiven Teilnahme von Migranten am massenmedial geführten gesellschaftlichen Diskurs, welcher ethnische Minderheiten in ihrem Alltag als selbstverständliche Subjekte der bundesdeutschen Bevölkerung zeigt und diese folglich in den Medientexten auch zu Wort kommen lässt.64 7. In Medientexten dominiert eine über Kollektivsymbole, Metaphern und Stereotype gekennzeichnete bedrohliche, diskriminierende und delegitimierende Sprache. Dabei werden durch Kollektivsymbole ritualistisch bestimmte Zeichen hervorgehoben, die etwa für den Islam stehen (z.B. das Kopftuch).65 8. Daneben finden willkürliche Verknüpfungen statt, die beispielsweise den Islam mit Gewalt bzw. islamistischem Terrorismus gleichsetzen.66 9. Schließlich wird durch Selektion eine bestimmte soziale Realität erzeugt. Die Berichterstattung ist durch Sensationalismus und Emotionalisierung geprägt. Der normale, unspektakuläre und vielfältige Alltag bestimmter Migrantengruppen wird hingegen ausgeblendet.67 10. Daneben arbeiteten qualitative Textanalysen zu idealtypischen Argumentationsmustern eine doppelwertige Trendaussage heraus. So belegen die Studien Wengelers »zum einen eine starke Kontinuität, insofern immer wieder auf alte bzw. traditionelle Argumentationsmuster zurückgegriffen wird, aber auch neue Argumentationen hinzugekommen sind; zu anderen wird betont, dass der Diskurs nicht einseitig ›rassistisch‹ sei, sondern dass sich neben Kontra- durchaus auch ProArgumentationen finden lassen.«68
64 Vgl. J. Trebbe: Minderheiten, S. 46. 65 Vgl. Bonfadelli, Heinz: »Die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Massenmedien«, in: ders./Heinz Moser (Hg.), Medien und Migration. Europa als multikultureller Raum?, Wiesbaden 2007, S. 95-116, hier S. 103. 66 Vgl. Trautmann, Sebastian: »›Terrorismus und Islamismus‹ als Medienthema. Neue Bedeutungslinien im öffentlichen Diskurs zur Politik der Inneren Sicherheit«, in: Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges (Hg.), Massenmedien, Migration und Integration. Herausforderungen für Journalismus und politische Bildung, Wiesbaden 2. Aufl. 2006, S. 141151, hier S. 141. 67 Vgl. Meyer, Evelyn: »Sprachgebrauch in der Asyldebatte«, in: Matthias Jung (Hg.), Die Sprache des Migrationsdiskurses. Das Reden über »Ausländer« in Medien, Politik und Alltag, Opladen 1997, S. 150-163, hier S. 156. 68 H. Bonfadelli: Darstellung, S. 101.
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Auf Basis dieser inhalts- und diskursanalytischen Befunde zeigt sich für die bundesdeutsche Presse demnach ein überwiegend problemorientierter Zugang, der Migration und Integration häufiger in negativen als positiven Kontexten präsentiert. Einschränkend lassen sich jedoch zwei Einwände ins Feld führen: Im Bereich der Printmedien finden in Medienanalysen oftmals die Zeitungsmäntel Beachtung. Lokalteile, fiktionale Medieninhalte und nicht-redaktionelle Inhalte wie Werbung oder Public Relations werden dagegen nicht oder nur in unzureichendem Maße berücksichtigt.69 Gerade Analysen zur Lokalberichterstattung verweisen aber auf einen gemäßigten, mitunter positiven medialen Umgang mit Migration, wie die Arbeiten von Kathrin Schmäl und der Verfasserin dieser Arbeit aufzeigen (vgl. Kap. 3.3). Audiovisuelle Mediengattungen wie Radio und Fernsehen wurden bislang kaum analysiert. Dabei zeigt sich insbesondere in den wenigen Studien zur Fernsehunterhaltung, »dass neben klischeehaften und negativ besetzten Migrantenfiguren auch häufig positive Modelle des Miteinanders von Migranten und Einheimischen gezeigt werden«.70 2.2.2 Migranten in französischen Medien Untersuchungen zur medialen Repräsentation von Migranten stehen in Frankreich seit den 1980er Jahren im Fokus des wissenschaftlichen Interesses.71 Bis Anfang der 1990er Jahre wurde verstärkt die Darstellung von Migranten in audiovisuellen Medien wie Radio France Internationale sowie im Fernsehsender France 3 erforscht.72 Fast die Hälfte der Publikationen zu migrationsspezifischen Themen befasst sich mit dem Bild und der Wahrnehmung des Migranten im Fernsehen.73 10 Prozent der Migrationsstudien zwischen 1986 und 2006 legten ihren Fokus hingegen auf den Printbereich.74 Zwar treten Migranten bereits seit den 1960er Jahren als Darsteller in audiovisuellen Medien auf; eine wissenschaftliche Auseinandersetzung über die audiomediale Repräsentation von Migranten fand jedoch erst zwischen 1980 und 1990 statt, wie zahlreiche Themenhefte des »Centre d’information et des études sur les 69 Vgl. D. Müller: Darstellung, S. 108. 70 Geißler, Rainer: »Medien und Migranten«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 162-165, hier S. 162. 71 Vgl. Franchon, Claire/Sassoon, Virginie: Médias et diversité. De la visibilité aux contenus. État des lieux en France, au Royaume-Uni, en Allemagne et aux États-Unis, Paris 2008, S. 21. 72 Vgl. ebd., S. 22. 73 Vgl. ebd., S. 64. 74 Vgl. Mills-Affif, Édouard: Filmer les immigrés. Les représentations audiovisuelles de l’immigration à la télévision française 1960-1986, Brüssel 2004, S. 65.
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migrations internationals« (CIEMI) belegen.75 Im Gegensatz zu Deutschland sind für Frankreich seit den 1980er Jahren zahlreiche Migrationsstudien aus den Bereichen Fernsehen und Rundfunk vorhanden. Für den Bereich Fernsehen sind die umfangreiche Studie »Filmer les immigrés. Les représentations audiovisuelles de lʼimmigration à la télévision française« im Untersuchungszeitraum 1960 bis 1986 von Edouard Mils-Affif sowie für den Bereich Werbung die von Jonathan Mildenhall veröffentlichte Studie zu ethnischen Minderheiten in der Werbung zu nennen.76 Ein weiteres Forschungsfeld zur Darstellung von Migranten in französischen audiovisuellen Medien stellt das Thema Islam dar.77 Dabei präsentierten und präsentieren die audiovisuellen Medien den Islam häufig »sous l’angle de la menace, du péril ou de la subversion«.78 Der Fokus auf die Untersuchung von Migranten in audiovisuellen Medien lässt sich dadurch erklären, dass sich zwischen Anfang der 1970er bis Ende der 1990er Jahre das französische Fernsehen an der Integration von Migranten beteiligte: Mittels Ausstrahlung spezifischer Sendungen sollten die Rechte von Migranten erklärt, Alltagsangelegenheiten erläutert sowie Vorschläge zur Ausweitung des sozialen Netzes gemacht werden.79 Studien zur printmedialen Darstellung von Migranten wurden verstärkt ab den 1990er Jahren veröffentlicht. Als einschlägig diskursanalytisch gilt die Studie von Simone Bonnafous zur Repräsentation von Migranten in den überregionalen nationalen Tageszeitungen Le Figaro, Le Quotidien und Libération, den Wochenzeitungen Nouvel Observateur und Minute sowie den politischen Wochenzeitschriften Lutte Ouvrière, L’Unité und Humanité im Zeitraum von 1974 bis 1984.80 Dabei lag der Schwerpunkt der Studie zum einen auf einer sozio-linguistischen Herausarbeitung der Mediensprache unter Anwendung der vom französischen Sprachwissenschaftler Jean Dubois entwickelten Methodik des semantischen Felds, zum anderen auf der Ermittlung einer Interaktion zwischen dem politischen Diskurs und diskursiven Praktiken.81 Bonnafous schränkte das Datenmaterial über das Key-Word-Screening auf die Begriffe »immigrés« und »immigration« ein. 75 Vgl. ebd., S. 22. 76 Vgl. É. Mills-Affif: Filmer; Mildenhall, Jonathan: Étude sur les minorités ethniques dans la publicité, London 2002. 77 Vgl. Deltombe, Thomas: L’islam imaginaire. La construction médiatique de l’islamophobie en France, 1975-2005, Paris 2005. 78 Rigoni, Isabelle: »Médias et immigration«, in: Smaïn Laacher (Hg.), Dictionnaire de l’immigration en France, Paris 2012, S. 291-294, hier S. 293. 79 Vgl. ebd., S. 291. 80 Vgl. Bonnafous, Simone: L’immigration prise aux mots. Les immigrés dans la presse au tournant des années 80, Paris 1991. 81 Vgl. ebd., S. 14.
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Auf Basis tagesaktueller Anlässe thematisieren diese Studien verstärkt die Vorstadtprobleme in den französischen Wohnsilos. Die Frage restriktiver Einwanderungsbestimmungen gilt als wichtigstes Thema des Front National, wobei diese mit national-patriotischen Forderungen diskutiert wird. 82 Der Erklärungsansatz von Yvan Gastaut sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Aufstieg des rechtsextremistischen Front National und einer verstärkten negativen Migrationsberichterstattung seit Mitte der 1980er Jahre. Die nach dem dritten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz aus dem Jahr 200583 verfassten Studien konstatieren einen gemäßigten Umgang in der Migrantenberichterstattung, die mit gezielten Bemühungen im Kampf gegen Rassismus, Stereotypisierungen sowie Diskriminierungen einhergingen. Des Weiteren sind das Dossier »Médias et immigration« aus dem Jahre 1998 zu erwähnen sowie der von Rodney Benson 2015 veröffentlichte Zeitungsartikel aus »Le monde diplomatique«, ferner die Neuerscheinung von Virginie Sassoon zu sich illegal in Frankreich aufhaltenden Frauen.84 2.2.3 Migranten in luxemburgischen Medien Während das öffentliche Bild von Migranten in der Bundesrepublik Deutschland seit den 1970er Jahren und in Frankreich seit den 1980er Jahren medienanalytisch untersucht wurde, liegen für Luxemburg überwiegend nicht veröffentlichte und nur eine Migrantengruppe bzw. einen Themenschwerpunkt (z.B. Flüchtlinge und/oder Islam) behandelnde universitäre Abschlussarbeiten vor.85 So beschäftigte sich die Magisterarbeit von Arnale Skrijelj mit dem Islam in den Luxemburgischen Printmedien im Betrachtungszeitraum 2000 bis 2011 und wies diesem Thema einen besonders hohen 82 Vgl. Kempf, Udo: Das politische System Frankreichs, Wiesbaden 4. Aufl. 2007, S. 228. 83 Dieser stellte eine verstärkt rassistische und antisemitische Berichterstattung der französischen Medien fest; vgl. European Commission against Racism and Intolerance (Council of Europe): Third report on France: adopted on 25 June 2004, Straßburg 2004, S. 27. 84 Vgl. Dossier »Médias et immigration«, in: Les cahiers du journalisme 4 (1998), S. 9-76; Benson, Rodney: »Quarante ans d’immigration dans les médias. Enquête en France et aux États-Unis«, in: Le monde diplomatique 734 (2015); Sassoon, Virginie: Femmes noires sur papier glacé, Paris 2015. 85 Vgl. Bailey, Brian: La répresentation des réfugiés dans la presse luxembourgeoise. Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Luxemburg 2012; Cirikovic, Damir: Die Wahrnehmung der Einwanderer/ Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in der luxemburgischen Berichterstattung an Beispiel des Luxemburger Wort und des Escher Tageplatt (1992-2001). Unveröffentlichte Bachelorarbeit, Luxemburg 2013; Skrijelj, Arnela: Der Islam in den luxemburgischen Printmedien 2000-2011. Unveröffentlichte Masterarbeit, Luxemburg 2012.
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Stellenwert in den Medien zu. Einen größeren Themenschwerpunkt in den untersuchten luxemburgischen Presseorganen Le Quotidien, Forum, Tageblatt, Lëtzebuerger Journal, Woxx, Le Jeudi, Luxemburger Wort, d’Lëtzeburger Land, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, Revue, La Voix du Luxembourg und Télécran stellte nach Skrijelj die noch nicht abgeschlossene Konvention der islamischen Gemeinschaft mit dem Luxemburger Staat dar. Dabei übertraf die Anzahl der Presseberichte, die sich gegen eine Konventionierung richteten, die Anzahl, die für eine Konvention mit dem Islam eintrat.86 Die Bachelorarbeit von Damir Cirikovic zur Wahrnehmung von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien in der luxemburgischen Berichterstattung am Beispiel des Luxemburger Worts und des Escher Tageblatts für die Jahre 1992 bis 2001 bestätigte hingegen einen anderen aus der Forschungsliteratur zu Diskussionen der luxemburgischen Presselandschaft abgeleiteten Zusammenhang: die ideologische Nähe vieler luxemburgischer Publikationen zu einer politischen Partei (vgl. Kap. 3.2.3). Cirikovic ermittelte eine Nähe des Luxemburger Worts zu katholischen Entscheidungsträgern sowie die Einflussnahme der Gewerkschaften und der sozialistischen Arbeiterpartei LSAP auf das Escher Tageblatt.87 Eine weitere Forschungsarbeit zur Darstellung von Migranten in luxemburgischen Medien ist der bereits oben erwähnte Beitrag der Verfasserin (vgl. Kap. 2.1). Dieser untersuchte in Theorie und Praxis den Nutzen von Foucaults Gouvernementalitätstheorie am Beispiel einer Interdiskursanalyse zum Migrationsdiskurs in Luxemburg. Luxemburgische Migrationsstudien konzentrieren sich trotz vereinzelt durchgeführter Medienanalysen jedoch verstärkt auf die historische Migrationsforschung.88 Dabei setzen sich neuere Arbeiten auch mit Geschlechtsverhältnissen und ethnischen Zugehörigkeiten auseinander. Die Migrations- und Genderforscherin Christel BaltesLöhr etwa legt ihren Forschungsschwerpunkt u. a. auf die Bereiche Gender, Identitäten und Migration in Luxemburg. In ihrer Dissertation »Migration und Identität. Portugiesische Frauen in Luxemburg« hat sie sich mit dieser Migrantinnengruppe aus
86 Vgl. A. Skrijelj: Islam, S. 86. 87 Vgl. D. Cirikovic: Darstellung, S. 49. 88 Vgl. Pauly, Michel: »Le phénomène migratoire. Une constante de l’histoire luxembourgeoise«, in: Association de Soutien aux Travailleurs Immigres (Hg.), ASTI 30+. 30 ans des migrations/30 ans de recherches/30 ans d’engagements, Luxemburg 2012, S. 62-75; Scuto, Denis: »Historiographie de l’immigration«, in: Hemecht. Zeitschrift für Luxemburger Geschichte 60 (2008), S. 391-413; ders., La nationalité luxembourgeoise (XIXe-XXIe siècles), Brüssel 2012; STATEC – Institut national de la statistique et des études économiques du Grand-Duché du Luxembourg: Bibliographie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Luxemburg, www.statistiques.public.lu/fr/publications/series/bibliographie/bibliocomplete-2013.pdf vom 08.12.2014.
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einer postmodernen Perspektive befasst und untersucht, wie sich Migrationserfahrungen auf die Identitätskonstruktionen der Frauen auswirken.89 Neben sozio-historischen Forschungsarbeiten zum Migrationsdiskurs wurden auch ausschließlich auf u. a. luxemburgische Medien ausgerichtete Studien wie beispielsweise die bereits erwähnte Arbeit von Patrick Wiermer zur Nachrichtengeografie des SaarLorLux-Raumes eruiert. Dabei konnte Wiermer für das Luxemburger Wort zwei Tendenzen feststellen: Die internationale Ausrichtung der Zeitung führt zu einer Konzentration des Mediums auf die urbanen Zentren der Großregion Trier, Metz, Nancy, Arlon, Saarbrücken und Lüttich.90 Durch die Betrachtung weiterer Printmedien aus der Großregion wurde die These verifiziert, dass diese unterschiedlich stark von einzelnen Teilgebieten berichten, wobei die Kernregion SaarLorLux regelmäßig und thematisch breit dargestellt wird.91
2.3 M IKRO -E BENE
DES REGIONALEN
R AUMS
Die Mikro-Ebene des regionalen Raums bezieht sich auf das Bundesland Saarland und die französische Region Lothringen. Der Forschungsstand zum Teilgebiet Luxemburg wurde auf der Makro-Ebene des nationalen Raums diskutiert. Während in saarländischen Medien Forschungsarbeiten zur Darstellung von Migranten existieren, fehlen entsprechende Studien für die lothringischen Medien. Hier liegen zumindest historische Überblickswerke und -beiträge zur lothringischen Migrationsgeschichte vor. Dementsprechend ist der Forschungsstand zur Mikro-Ebene des regionalen Raums unterteilt in Studien zur medialen (Saarland) und historischen (Lothringen) Darstellung von Migranten. Auf der Maßstabsebene des regionalen Raums gibt es drei Forschungsarbeiten zur Darstellung von Migranten in saarländischen Medien: Die innerhalb des Forschungsprojekts »Medienlandschaft Saar« veröffentlichten Arbeiten von Judith Hayer, Kathrin Schmäl und Elena Kreutzer schließen bezüglich der Betrachtungszeiträume aneinander an und decken insgesamt die Jahre 1950 bis 2005 ab. Als zu analysierendes Printmedium wurde in allen Studien die Saarbrücker Zeitung ausgewählt, als Erhebungsmethodik die Inhaltsanalyse festgelegt. Hayer 89 Vgl. Baltes-Löhr, Christel: Migration und Identität. Portugiesische Frauen in Luxemburg, Berlin 2006. 90 Vgl. Wiermer, Patrick: »Die Nachrichtengeografie des Saar-Lor-Lux-Raums – Zentrum und Peripherie der Großregion«, in: Vincent Goulet/Christoph Vatter (Hg.), Champs médiatiques et frontières dans la »Grande Région« SaarLorLux et en Europe. Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa, Saarbrücken 2013, S. 125-165, hier S. 152. 91 Vgl. ebd., S. 161.
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legte den Schwerpunkt auf die Berichterstattung über die italienischen »Gastarbeiter« von den 1950ern bis in die 1970er Jahre. Der Beitrag von Katrin Schmäl über die mediale Darstellung von Migranten in der regionalen Presse beschränkte sich hingegen auf die 1980er Jahre und schlug damit eine Brücke von der Studie Judith Hayers zur Arbeit von Elena Kreutzer über Einwanderer in der Wahrnehmung der Saarbrücker Zeitung (1990 bis 2005).92 Mittels eines Samples von 416 Artikeln untersuchte Hayer für den Zeitraum 1954 bis 1979 ein thematisches Spektrum von neutralen Berichten über wohlwollend paternalistische Berichterstattung und Delikte von Seiten der Migranten bis zu politischen Standpunkten, die sowohl Harmonisierungen als auch Migranten als Opfer darstellten. Auf Basis eines Korpus von 568 Artikel zur Wahrnehmung von Migranten in den 1980er Jahren und einer im Gegensatz zur Studie von Hayer explizit inhalts- und sprachanalytischen Auswertung konnten die Analyseergebnisse von Katrin Schmäl belegen, dass die Thematisierung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in der Saarbrücker Zeitung im Laufe der 1980er Jahre quantitativ anstieg. Die Lokalteile wiesen unterschiedliche thematische Schwerpunktsetzungen auf: Während im Lokalteil Stadtverband Saarbrücken Themen zur Arbeitsmigration überwogen, stand im Lokalteil Merzig-Wadern die Flüchtlingsproblematik im Fokus des Medieninteresses.93 Die Studie von Elena Kreutzer zur Darstellung von Migranten in der Saarbrücker Zeitung für den Zeitraum 1990 bis 2010 arbeitet weitgehend auf identischen methodischen Bahnen und bezieht als weitere wichtige Migrantengruppe nach dem Mauerfall die Aussiedler in das Forschungsinteresse mit ein. Als ein zentrales Ergebnis stellte die Studie heraus, dass in den zwar nur 7,9 % zum Thema »Einwanderer als handelnde Subjekte« Berichte – insbesondere in den Lokalteilen – über eine aktive politische Partizipation von Migranten in Form von Ausländerkulturarbeit, ihr Engagement in verschiedenen regionalen Ausländerbeiräten, ihren Integrationswillen sowie über einen aktiven Beitrag zur Akzeptanz in der deutschen Aufnahmegesellschaft dominierten.94 Obgleich die vorliegende Studie alle Lokalteile in der jeweiligen saarländischen, lothringischen und luxemburgischen Tageszeitung berücksichtigt hat, lag der Fokus nicht – wie bei der Studie von Kreutzer aus dem Jahr 2010 – auf einer systematischen 92 Vgl. Hayer, Judith: »Die Wahrnehmung der italienischen ›Gastarbeiter‹ in der saarländischen Presse von den 1950er bis in die 1970er Jahre«, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hg.), Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Bd. 3: Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005), München 2010, S. 273-296; Schmäl, Katrin: »Die Wahrnehmung von Migranten in der regionalen Presse. Die Saarbrücker Zeitung in den 1980er Jahren«, in: ebd., S. 297-323; Kreutzer, Elena: »Die Einwanderer in der Wahrnehmung der regionalen Presse des Saarlandes 1990-2005«, in: ebd., S. 325-344. 93 Vgl. K. Schmäl: Wahrnehmung, S. 308. 94 Vgl. E. Kreutzer: Einwanderer, S. 336f.
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Analyse der Mantelteile und der Lokalteile. Die Vorgängerstudie nahm aus forschungspragmatischen Gründen allerdings eine Selektion der zwölf Lokalausgaben im Hinblick auf die Lokalteile Saarbrücken Stadtverband und Merzig-Wadern vor. Ferner unterscheiden sich die beiden Arbeiten in der Auswahl der Erhebungsmethodik: Die Dissertation wurde über die Inhaltsanalyse hinaus um die qualitative Erhebungsmethodik der Interdiskursanalyse erweitert. Obwohl die Diplomarbeit von Elena Kreutzer im Vergleich zur vorliegenden Studie fast den gleichen Betrachtungszeitraum abdeckt, unterscheidet sie sich von der Vorgängerstudie: Im Gegensatz zur ersten Studie hat die vorliegende Dissertation eine Erweiterung hinsichtlich eines komparativen Forschungsaufrisses erfahren. Der mediale Umgang mit Migranten wurde nicht nur in der Saarbrücker Zeitung, sondern auch im Républicain Lorrain und im Luxemburger Wort untersucht. Eine weitere Veränderung betrifft den Untersuchungszeitraum der vorliegenden Studie, der unter der Betrachtung dreier Zeitungen und trilingualer Inhalte auf den Zeitraum 1990 bis 2010 ausgedehnt wurde. Die Korpuszusammenstellung richtet sich in der Dissertation auf den gesamten Inhalt der Artikel; als systematische Auswahl wurde die »künstliche Woche« bestimmt. Die Diplomarbeit beschränkte sich beim Keyword-Screening nur auf Artikel, bei denen die zuvor ausgewählten Statusgruppen in der Überschrift auftauchten. Ihr Auswahlverfahren war zudem selektiver als das der vorliegenden Studie, da bei der Analyse der inhaltlichen Kategorien lediglich jedes zweite Jahr betrachtet wurde. Wegen der unterschiedlichen räumlichen Maßstabsebenen, die sich aus dem Untersuchungsraum der europäischen Grenzregion ergeben, war die Ausweisung der verschiedenen räumlichen Ebenen auch im Codierbuch notwendig; eine komplexe Kategorienbildung war die Folge. Um dem Forschungsinteresse bezüglich einer grenzüberschreitenden Wahrnehmung in der Migrationsberichterstattung der Medien nachzugehen, wurde die zusätzliche Inhaltskategorie »Bezugs- bzw. Ereignisort« eingeführt. Diese wurde in der Vorgängerstudie nicht untersucht. Während im Gegensatz zum Forschungsstand zu Migranten in saarländischen Medien explizite Forschungsarbeiten zur Darstellung von Migranten in lothringischen Medien fehlen, liegen zumindest historische Überblickswerke und -beiträge zur lothringischen Migrationsgeschichte vor. Für Lothringen erschienen erstmals in den 1960er bis 1970er Jahren Zeitschriftenaufsätze, die primär die Migrationsgeschichte der italienischen Minderheit in Lothringen in den Fokus rückten.95 Diese zählt auch 95 Vgl. Bonnet, Serge: »Les italiens dans l’arrondissement de Briey avant 1914«, in: Annales de l’Est 1 (1962), S. 3-92; Köll, Louis: »Immigration italienne et intégration française à Auboué (Meurthe-et-Moselle) 1901-1939«, in: Annales de l’Est 3 (1978), S. 231-265; David, Barry: »L’immigration des Alsaciens-Lorrains à Nancy après la Guerre de 1870«, in: Annales de l’Est 3 (1979), S. 133-165.
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gegenwärtig zur größten Einwanderergruppe in Lothringen, gefolgt von Algeriern und Deutschen.96 Ab den 1980er Jahren veröffentlichte Studien verlagerten das Forschungsinteresse einzelner nach dem Zweiten Weltkrieg nach Lothringen zugewanderter Migrantengruppen auf die historische Aufarbeitung der Zwangsarbeit97 ehemaliger russischer und ukrainischer Sowjetsoldaten in dem französischen Militärstützpunkt »Camp du Ban-Saint-Jean« auf dem Gebiet der Gemeinde Denting im Département Moselle während des Zweiten Weltkriegs.98 Dieser Stützpunkt diente nach seiner Errichtung 1938 zunächst französischen Offizieren, die entlang der Maginot-Linie stationiert waren, als Kaserne. Mit der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 wurde es unter Verwaltung der Deutschen Wehrmacht als »Johannis Bannberg« zum Lager und Lazarett für französische Kriegsgefangene umfunktioniert. Von 1942 bis 1944 wurde es schließlich zu einem Arbeitslager für russische und ukrainische Deportierte. Ab den 2000er Jahren finden sich Überblickswerke zur historischen Migrationsforschung, die von François Roth sowie Piero Galloro und Ahmed Boubeker über die lothringische Migrationsgeschichte erstellt wurden.99 Zu den neueren Arbeiten gehört auch eine von Raul Morales-La-Mura und Piero Galloro 2004 veröffentlichte Studie über die chilenische Einwanderung nach Lothringen in den 1970er Jahren. 100 96
Vgl. Nienaber, Birte/Roos, Ursula: »Internationale Migranten und Migration in Lothringen«, in: Atlas der Großregion, http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/articles/ge62/mi11 84/lothringen-mainmenu-1189 vom 07.03.2015.
97
Die Erfahrung Frankreichs mit Zwangsarbeit nach der Kapitulation des Landes verweist auf die zu dem Zeitpunkt bereits vorhandenen Erfahrungen der französischen Gesellschaft mit ausländischen Arbeitskräften. Der Forschungsstand historischer Überblickswerke zur lothringischen Migrationsgeschichte spart deswegen diese Typologie der Migration nicht aus.
98
Vgl. Bajetti, Paul: »Les camps de la faim: Ban-Saint-Jean et Boulay«, in: Les Cahiers des Pays de la Nied 29 (1998), S. 27-52; Brenneur, Pascal: »Les nécropoles soviétiques en Lorraine«, in: Le Pays Lorrain 1 (1989), S. 48-58; Brenneur, Pascal: »Les prisonniers russes dans les mines de fer lorraines (1941-1944)«, in: Les Cahiers lorrains 4 (1989), S. 39-57; Henigfeld, Gérard: »Les camps de Boulay et du Ban-Saint-Jean«, in: Les Cahiers des Pays de la Nied 18 (1992), S. 30-42; Becker, Gabriel: Le camp du Ban-SaintJean (1941-1944). Lumière sur une honte enf(o)uie, Knutange 2001; Ders.: Camp du Ban-Saint-Jean (Moselle). Le drame ukrainien en France (1941-1944), Ricrange 2005.
99
Vgl. Roth, François: Lorraine, terre d’accueil et de brassage des populations, Nancy 2005; Galloro, Piero/Boubeker, Ahmed: Histoires et mémoires des immigrations en Lorraine. Nancy 2013.
100 Vgl. Galloro, Piero/Morales-La-Mura, Raul: »L’immigration chilienne en Lorraine (1973-2004)«, in: Studi Emigrazione, International Journal of Migration Studies, Centro studi emigrazione 154 (2004), S. 399-414.
3. Komparativer Forschungsaufriss
Ausgehend von der 1843 durch John Stuart Mill in seinem Werk »A System of Logic« erarbeiteten »Method of Agreement« und der »Method of Difference« werden für wissenschaftliche Vergleiche zumeist zwei Suchstrategien eingesetzt: die Konkordanzmethode und die Differenzmethode.1 Während die Konkordanzmethode die Ähnlichkeit der verglichenen Gegenstände und damit Gemeinsamkeiten in den Vordergrund der Analyse stellt, fragt die Differenzmethode nach Unterschieden. Je nachdem, ob nach Konkordanzen oder Differenzen in ähnlichen oder unterschiedlichen Systemkontexten gefragt wird, gilt die Forschungsanlage als ein »Most Similar Systems Design« oder »Most Different Systems Design«. 2 Diese Herangehensweise steht jedoch vor zwei Problemen: Erstens läuft sie bei einer Suche nach Unterschieden Gefahr, die Gemeinsamkeiten zu übersehen, oder aber bei einer Suche nach Gemeinsamkeiten, die Unterschiede zu ignorieren. Zweitens gestaltet sich die Bestimmung, was »most similar« und »most different« ist, nicht immer eindeutig. Um keine Perspektive zu vernachlässigen, wurden in der vorliegenden Arbeit deswegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede ermittelt und dementsprechend sowohl die Konkordanz- als auch Differenzmethode angewandt. Der folgende komparative Forschungsaufriss besteht aus einer thematischen, medialen und räumlichen Vergleichsebene. Im Hinblick auf die thematische Vergleichsebene »Migration« liegt eine komplexe Maßstabsebene bezüglich terminologischer und methodischer Diskussionen zu Grunde. Die Mikro-Ebene zielt auf die regionale und lokale Ebene medial übermittelter Migrationsprozesse vor Ort, wie sie in den einzelnen Teilregionen der SaarLor-
1
Vgl. Mill, John Stuart: A System of Logic, Ratiocinative and Inductive: Being a Connected View of the Principles of Evidence, and the Methods of Scientific Investigation, Bd. 1, London 1843, S. 454-463.
2
F. Esser/ B. Pfetsch: Politische Kommunikation, S. 16.
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Lux-Region stattfanden. Die Meso-Ebene bezieht sich auf grenzüberschreitende mediale Hinweise in den nationalen Migrationsberichterstattungen zwischen den drei Teilregionen. Medienereignisse, die auf die nationale Migrationspolitik abzielten, werden unter die Makro-Ebene gefasst. Um im Rahmen der medialen Vergleichsebene (Printmedien) das Untersuchungsmaterial aus den herangezogenen Printmedien zu eruieren, wurden Pressearchive konsultiert. 3 Bei der Vergleichsebene der SaarLorLux-Region lagen – wie bereits mehrfach erwähnt – ebenfalls mehrere räumliche Maßstabsebenen vor.
3.1 T HEMATISCHE V ERGLEICHSEBENE : M IGRATION Die sozio-historische Betrachtung von Migrationsbewegungen in die SaarLorLuxRegion führt zur Frage nach der im Kontext dieser Studie verwendeten Definition von Migration. Mit dem Begriff »Migration« werden in den Sozialwissenschaften Bewegungen von Personen und Personengruppen im Raum bezeichnet, die einen dauerhaften Wohnortwechsel anstreben.4 Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM), einer der weltweit agierenden und einflussreichsten Hilfsorganisa-
3
Bei der Saarbrücker Zeitung war im Zeitraum 1990 bis 1992 eine Durchsicht der Printausgaben erforderlich; hinsichtlich der Artikelrecherche für die Jahre 1993 bis 2010 wurde das digitale Textarchiv der Saarbrücker Zeitung konsultiert: http://saarland.sz-sb.de/Elias/. Beim Républicain Lorrain und dem Luxemburger Wort wurden für die Datenerhebung der Jahre 1990 bis 1998 die Zeitungsbestände manuell durchsucht, während ab 1999 eine Artikelrecherche in den digitalen Textarchiven im Pressearchiv des Républicain Lorrain in Metz-Woippy sowie im Pressearchiv des Luxemburger Worts in Gasperich nötig war. Die Nutzungsbedingungen bzw. Kunden- und Dienstleistungsorientierungen der Pressearchive führten zu unterschiedlichen Verfügbarkeiten des Datenmaterials bzw. der Seitenzahlen. Während das elektronische Archiv der Saarbrücker Zeitung nicht durchgängig Seitenzahlen hinter die entsprechenden Artikel setzt, werden in den als pdf-Dateien generierten Artikeln aus den digitalen Textarchiven des Républicain Lorrain und des Luxemburger Worts die Seitenzahlen automatisch aufgeführt, da die Gesamtseite angezeigt wird. Bei der Erschließung, Klassifizierung und Beschaffung der Dokumente aus dem Républicain Lorrain lagen die Auszüge größtenteils ohne Seitenzahlen vor, da trotz Vorabsprachen mit den Archivaren einzelne Artikel weder im Rahmen der entsprechenden Gesamtseite noch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Angabe von Seitenzahlen eingescannt worden sind. Die Resultate dieser Umstände spiegeln sich in der vorliegenden Arbeit nicht zuletzt bei den Literaturangaben benutzter Artikel sowie in den Primärquellen des Literaturverzeichnisses wider, wenn einige Artikel mit, andere wiederum ohne Seitenzahlen aufgeführt sind.
4
Vgl. Han, Petrus: Soziologie der Migration, Stuttgart 2. Aufl. 2005, S. 7.
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tionen im Migrationsbereich, gilt in Anlehnung an die Definition der Vereinten Nationen von 1998 ein Wohnortwechsel als dauerhaft, wenn Personen ihren ständigen Wohnsitz von ihrem Herkunftsland für mindestens ein Jahr in ein anderes Land verlegen.5 Dabei ist unerheblich, ob die Migrationsbewegungen freiwillig (z.B. Einwanderung von Hochqualifizierten) oder unfreiwillig (z.B. Einwanderung von Kriegsflüchtlingen) erfolgen. Auf Basis der Definition der IOM wurden in der vorliegenden Studie unter Migranten rechtliche Statusgruppen unterschieden, d.h. Begriffskategorien des europäischen Ausländer- und Asylrechts. Diese ausgewählten Bezeichnungen für die Rechtsstellung der Person beziehen sich nicht auf bestimmte Nationalitäten oder Migrationsgenerationen, die nur in einem spezifischen nationalen Systemkontext gültig sind. Da das Saarland bzw. Deutschland, Lothringen bzw. Frankreich und Luxemburg gleichermaßen von der Einwanderung dieser Statusgruppen betroffen waren und sind, ist mit der gewählten Definition eine migrationshistorische Vergleichbarkeit gewährleistet. Ferner wurde bei der Festlegung der Statusgruppen eine an die Definition der IOM angelehnte Migrationstypologie zu Grunde gelegt, die den zeitlichen Aspekt betont.6 Demnach wird eine angestrebte permanente und keine temporäre Bleibeabsicht (z.B. Saison-/Pendelmigration) unter »Migration« gefasst. Zwar wird auch das für die SaarLorLux-Region, insbesondere für Luxemburg, kennzeichnende Phänomen der Pendelmigration mitunter darunter subsumiert, für diese Studie aber ist ganz im Sinne der in den Sozialwissenschaften gebräuchlichen Begriffsdefinition von Migration der zeitliche Aspekt und damit die Dauerhaftigkeit eines Wohnortwechsels im Sinne einer örtlichen Verlagerung des Lebensmittelpunktes entscheidend.7 So wurden für das Teilsample aus der Saarbrücker Zeitung und dem Luxemburger Wort folgende Statusgruppen herangezogen, ausgewählt nach den Begriffskategorien des deutschen Ausländerrechts: Ausländer, Flüchtlinge, Asylbewerber, Migranten/Immigranten, Einwanderer/Zuwanderer, Aussiedler8 und Illegale. Im 5
International Organization for Migration, World Migration 2003. Managing Migration Challenges and Responses for People on the Move, 2003, http://publications.iom.int/ bookstore/free/WMR_2003.pdf, vom 9.11.2014, S. 8.
6
Vgl. Oswald, Ingrid: Migrationssoziologie, Konstanz 2007, S. 65.
7
Vgl. Birsl, Ursula: Migration und Migrationspolitik im Prozess der europäischen Integration?, Opladen 2005, S. 29.
8
Eine Person deutscher Staats- oder Volkszugehörigkeit gilt nach Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als Aussiedler/-in, wenn er bzw. sie »nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt, es sei denn, dass er [bzw. sie], ohne aus diesen Gebieten
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französischen und luxemburgischen Ausländerrecht finden sich die französischen Entsprechungen: étrangers, réfugiés, demandeurs d’asile, migrants/immigrés, sanspapiers9 und clandestins. Die im Folgenden dargestellten Wanderungsbewegungen in den Teilgebieten der SaarLorLux-Region korrespondieren auf der Makro-Ebene überwiegend mit der Geschichte der Wanderungsbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Luxemburg sowie ab den 1990er Jahren in der Europäischen Union. Insofern werden die Formen und Phasen der Zuwanderung sowie der Migrations- und Integrationspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, Frankreich und Luxemburg dargestellt, mit besonderem Augenmerk auf die Migrationssituation und -geschichte in der SaarLorLux-Region bzw. ihren Teilgebieten. 3.1.1 Zuwanderung nach Deutschland Migrationsbewegungen nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg sind durch die Zuwanderung unterschiedlicher Einwanderergruppen gekennzeichnet: die Einwanderung Deutscher bzw. Deutschstämmiger aus dem Osten ab 1945, die Arbeitswanderungen der Anwerbeperiode 1955–1973, der Nachzug von Familienangehörigen der Arbeitsmigranten, die Einwanderung von (Spät-)Aussiedlern, Flüchtlingen, Asylsuchenden und die irregulären Migranten.10 Obwohl sich alle diese verschiedenen Zuwanderungsbewegungen zeitlich wie motivisch oft überschneiden und bis in die Gegenwart fortsetzen, so hat doch jede ihre besonderen Kennzeichen und eigenen Hochphasen, in denen sie im Zentrum der sozio-politischen Debatte stand bzw. steht. Mit diesen Formen der Einwanderung gehen folgende Phasen der bundesdeutschen Ausländerpolitik einher:11
vertrieben und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8. Mai 1945 einen Wohnsitz in diesen Gebieten begründet hat […].«, BVFG, Bundesvertriebenengesetz v. 19.5.1953, BGBl. I S. 3554. 9
Das um 1980 entstandene Phänomen der sans-papiers geht zurück auf die französische Einwanderungsgesellschaft und auf die koloniale Vergangenheit Frankreichs, vgl. Schwenken, Helen: »›Papiere für alle‹. Selbstorganisationen und Protestmobilisierung in der EU im Bereich der illegalen Migration«, in: Ansgar Klein u. a. (Hg.), Bürgerschaft, Öffentlichkeit und Demokratie in Europa, Opladen 2003, S. 117-140, hier S. 129.
10 Vgl. Jung, Matthias/Niehr, Thomas/Böke, Karin: Ausländer und Migranten im Spiegel der Presse. Ein diskurshistorisches Wörterbuch zur Einwanderung seit 1945, Wiesbaden 2000, S. 18. 11 Karl-Heinz Meir-Braun erarbeitete sechs Phasen der Ausländerpolitik, die den Zeitraum 1952 bis 2002 abdecken, vgl. ders.: Deutschland Einwanderungsland, Frankfurt am Main 2002, S. 30-140.
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Die erste Phase der Ausländerpolitik von 1952 bis 1973 war durch die Anwerbung von Arbeitsmigranten, damals »Gastarbeiter«, gekennzeichnet. Wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs nach Kriegsende wurden Arbeitskräfte in der bundesdeutschen Wachstumsgesellschaft benötigt. Deswegen schloss die Bundesrepublik 1955 ein erstes deutsch-italienisches Anwerbeabkommen zur Rekrutierung von Arbeitskräften.12 Weitere Abkommen folgten mit Spanien (1960), Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968).13 Ende der 1960er Jahre waren die größten Bevölkerungsgruppen in der Bundesrepublik Türken, Jugoslawen, Italiener, Griechen und Spanier. Gemäß einem Rotationsprinzip sah die Arbeitsmarktpolitik allerdings vor, dass die »Gastarbeiter« nach einer temporären Beschäftigung in Deutschland und je nach Wirtschaftslage wieder in ihre Heimatländer zurückkehren sollten, um neuen ausländischen Arbeitskräften Platz zu machen. Während ein Teil der »Gastarbeiter« diesen Rückkehraufforderungen entsprach, kam es – auch auf Wunsch deutscher Arbeitgeber – in dieser ersten Phase zu vermehrter Zuwanderung von Familienangehörigen der bereits in Deutschland beschäftigten »Gastarbeiter«.14 Als Einwanderungsland betrachtete sich die Bundesrepublik deswegen jedoch – zumindest de jure – nicht; somit existierte auch keine Ausländer- oder gar Integrationspolitik. Der Frankreich unterstellte Saarraum unterschied sich in dieser ersten Phase von der Migrationsgeschichte der Bundesrepublik in zweifacher Hinsicht: Zum einen setzte die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte früher ein als im Bundesgebiet, zum anderen stellten die Italiener die stärkste ausländische Bevölkerungsgruppe dar und nicht die Türken oder Jugoslawen.15 Die starke Präsenz von Italienern im Saarraum ist auf die eisenschaffenden und eisenverarbeitenden Industriebetriebe des 19. und 20. Jahrhunderts zurückzuführen, als italienische Arbeitskräfte wesentliche Teile der Industriebelegschaften bildeten.16 Die im Vergleich zum übrigen Bundesgebiet abweichende Entwicklung im Migrationsgeschehen des saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraums geht indes auf die Nachkriegszeit zurück, als mit Zustimmung der Alliierten 1946 eine enge wirtschaftliche Anbindung des Saarlandes
12 Vgl. Herbert, Ulrich: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge, Bonn 2003, S. 203. 13 Vgl. Oltmer, Jochen: »Anwerbeabkommen«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 38-41, hier S. 39. 14 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 30-42. 15 Vgl. J. Hayer: Wahrnehmung, S. 275. 16 Vgl. Leiner, Stefan: »Wanderungsbewegungen im saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraum 1856-1914«, in: René Leboutte/Jean-Paul Lehners, Passé et Avenir des Bassins Industriels en Europe, Luxemburg 1995, S. 121-138, hier S. 127.
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an Frankreich erfolgte.17 Da seit Kriegsende die erwartete Besserung der Alltagssituation in Frankreich ausblieb und stattdessen das Einkommen der Franzosen stetig sank, wurde eine (nach Kriegsende widersprüchliche) französische Saarpolitik verfolgt, die »Deutschland seines ökonomischen Kriegspotentials« 18 berauben und dadurch zu einer Genesung Frankreichs beitragen sollte. Folglich wurde die Saar in den französischen Währungs- und Zollverbund integriert. Daraus entwickelte sich eine Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich, die bis 1955 bzw. 1957 bestand hatte.19 Anfang der 1950er Jahre handelte es sich primär um eine italienische und aufgrund der geografischen Nähe zu Frankreich algerische Einwanderung ins Saarland. Bis in die 1970er Jahre hinein dominierte die italienische Minderheit im Saarland, wenngleich die im übrigen Bundesgebiet stärksten ausländischen Bevölkerungsgruppen der Türken und Jugoslawen zahlenmäßig deutlich anstiegen.20 Dabei zeichnete sich ein »saarländischer Sonderweg« ab: Durch die Herauslösung aus den übrigen Besatzungszonen und die enge Anbindung an Frankreich blieb der Anteil an Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten und der sowjetisch besetzten Zone im Saarland gering.21 Die zweite Phase der Ausländerpolitik setzte 1973 mit dem so genannten Anwerbestopp ein, der am 23. November 1973 verhängt wurde und bis 1979 anhielt.22 Die damalige Bundesregierung kündigte eine erste Form der Integrationspolitik an, die sich an ausländische Familien richtete. Im Saarland beispielsweise wurde bereits Ende der 1960er Jahre zusätzlicher Deutsch-Unterricht für italienische Kinder mit Sprachschwierigkeiten angeboten. 23 Wirtschaftlich betrachtet standen die frühen 1970er Jahre im Zeichen des Niedergangs alter Industrien, vor allem des Steinkohle-
17 Die Westalliierten und später auch die Sowjetunion stimmten bereits während des Zweiten Weltkriegs einer territorialen Sonderregelung an der Saar zu, da weder Großbritannien noch die USA oder die Sowjetunion ein besonderes Interesse an der Saar verfolgten; vgl. Heinen, Armin: Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996, S. 45. 18 Ebd., S. 37. 19 Vgl. Lefèvre, Sylvie: »Das Saarland und die Wirtschaftsunion mit Frankreich (19491955)«, in: Rainer Hudemann/Burkhard Jellonnek/Bernd Rauls (Hg.), Grenz-Fall. Das Saarland zwischen Frankreich und Deutschland 1945-1960, St. Ingbert 1997, S. 427-443, hier S. 428. 20 Vgl. Nacci, Marilia/Roth, Volker: »Wenn aus Gastarbeitern Nachbarn werden. Die Italiener im Saarland«, in: Saarbrücker Hefte 71/72 (1994), S. 60-68, hier S. 60. 21 Vgl. J. Hayer: Wahrnehmung, S. 274. 22 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 42. 23 Vgl. ebd., S. 291.
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bergbaus. Während der Kohlekrise sank auch die saarländische Kohle- und Stahlproduktion von 17 auf 10 Millionen Tonnen pro Jahr. Zu den weiteren industriellen Veränderungen zählte ein Strukturwandel am Arbeitsmarkt im gesamten Bundesgebiet, der zu Rationalisierungen und Automatisierungen in der Produktion und so zu einer Abnahme der Nachfrage nach unqualifizierten Beschäftigten führte. Vor diesem Hintergrund ist auch der Stopp der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zu sehen.24 In dieser zweiten Phase wurden Kommissionen zur Ausländerpolitik gebildet, so etwa die 1976 gegründete Bund-Länder-Kommission zur Ausländerbeschäftigung. Diese entwickelte zum einen Maßnahmen zur Förderung der Rückkehrbereitschaft ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familien, zum anderen wurden Projekte im Aufenthalts- und Arbeitsrecht, bei der Wohnsituation und vor allem bei den ausländischen Jugendlichen angekündigt, jedoch nicht umgesetzt.25 In der dritten Phase von 1979 bis 1980 gab es nur vereinzelte Integrationsmaßnahmen. Der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn wurde beispielsweise der erste Beauftragte der Bundesregierung für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. In dieser Funktion legte er 1979 das »Kühn-Memorandum« vor, in welchem eine konsequente Integrationspolitik und eine Anerkennung der faktischen Einwanderungssituation von Seiten der Politik eingefordert wurden.26 Dabei verwies Kühn darauf, dass »die Mehrzahl der Betroffenen nicht mehr ›Gastarbeiter‹, sondern Einwanderer [seien], für die eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer […] nicht wieder in Betracht [komme]«.27 Nach einem zeitweiligen Bemühen um Integrationskonzepte zeichnete sich die vierte Phase (1981 bis 1990) unter der Regierung Kohl durch eine Wende auch in der bundesdeutschen Migrationspolitik aus. Aufgrund der in der Koalitionsvereinbarung 1982 zwischen den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und FDP für die 9. Wahlperiode des Deutschen Bundestages niedergelegten politischen Formel »Die Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland«28 unterließ die Regierung die Entwicklung eines Zuwanderungs- und Integrationskonzepts.29
24 Vgl. J. Oltmer: Anwerbeabkommen, S. 40. 25 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 45f. 26 Vgl. U. Herbert: Geschichte, S. 245. 27 Kühn, Heinz: »Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Memorandum des Beauftragten der Bundesrepublik Deutschland«, in: Karl-Heinz Meier-Braun, »Gastarbeiter« oder »Einwanderer«, Frankfurt am Main 1980, S. 29-69, hier S. 37. 28 Koalitionsvereinbarung 1982 zwischen den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und FDP, Veröffentlichung der Friedrich-Naumann-Stiftung, http://www.freiheit.org/files/288/IN5304_Koalitionsvereinbarung_1982.pdf, S. 6 vom 07.03.2015. 29 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 49.
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In der fünften Phase der Ausländerpolitik von 1990 bis 1997 wurden die Themen Integration, Staatsangehörigkeit und Asylrecht kontrovers diskutiert. Gründe hierfür waren die zunehmende Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise, der Fall des Eisernen Vorhangs, der zu einer erhöhten Zuwanderung von u. a. (Spät-)Aussiedlern und Asylbewerbern führte, sowie die zunehmende Ausländerfeindlichkeit. Mit dem so genannten »Asylkompromiss«, einer am 26. Mai 1993 durch den Deutschen Bundestag beschlossenen Neuregelung des Asylrechts und der Einfügung des Artikels 16 a in das Grundgesetz, wurde das Asylrecht eingeschränkt.30 Diesem gingen kontroverse innenpolitische Diskussionen zwischen der schwarz-gelben Regierungskoalition und der SPD voraus, bei dem die Koalitionspartner und die Opposition gesetzliche Maßnahmen unterhalb der von CDU/CSU geforderten Grundgesetzänderung aushandeln konnten.31 Zwar legt Art 16 a Abs. 1 fest: »Politisch Verfolgte genießen Asylrecht«. Die Absätze 2, 3 und 4 schränken jedoch den Schutzbereich des Grundrechts in drei Punkten ein: Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten, in denen sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention als auch die Europäische Menschenrechtskonvention gelten, genießen – erstens – kein Asylrecht. 32 Zweitens: Wenn der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland kommt, in welchem keine politische Verfolgung droht, gilt der Asylantrag als »offensichtlich unbegründet«33 bzw. bei bereits gewährtem Asyl verfügt das zuständige Gericht »aufenthaltsbeendende Maßnahmen«.34 Die Flughafenregelung – die dritte Einschränkung des Schutzbereichs – sieht bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern und/oder ohne Ausweispapiere ein beschleunigtes Asylverfahren vor, wenn sie über einen Flughafen nach Deutschland einreisen und bei der Grenzbehörde um Asyl bitten. Die sechste Phase von 1998 bis 2004 unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders repräsentiert eine Neuorientierung in der bundesdeutschen Ausländerpolitik. Die am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen erleichterten Einbürgerungsbestimmungen im Rahmen des neu gestalteten Staatsangehörigkeitsrechts stellten einen Wendepunkt in der bundesdeutschen Migrationspolitik dar. Kern dieser Bestimmungen war die Einbürgerung durch das Geburtsrecht; das Abstammungsprinzip rückte 30 Vgl. Maier-Borst, Michael: »Asylbewerber und Flüchtlinge«, in: Karl-Heinz MeierBraun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 89-92, hier S. 90. 31 Vgl. Klein, Josef: »Asyl-Diskurs. Konflikte und Blockaden in Politik, Medien und Alltagswelt«, in: Ruth Reiher (Hg.), Sprache im Konflikt. Zur Rolle der Sprache in sozialen, politischen und militärischen Auseinandersetzungen, Berlin/New York 1995, S. 15-71, hier S. 24. 32 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 75f. 33 Kirchhof, Paul: Staats- und Verwaltungsrecht Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 36. Aufl. 2003, S. 14. 34 Ebd., S. 14.
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in den Hintergrund. Die 1999 veröffentlichte Broschüre der Bundesregierung zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht beinhaltete dann auch die regierungsamtliche Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits längst zum Einwanderungsland geworden sei.35 Die juristische Umsetzung gestaltete sich aber schwierig. In der »Süssmuth-Kommission« unter der Leitung der früheren Bundestagspräsidentin und Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (CDU) entwickelte sich eine kontroverse parteipolitisch motivierte Debatte um das Zuwanderungsgesetz in den Jahren 2001 bis 2004. Am 1. Juli 2004 wurde schließlich das »Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)« vom Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet.36 Die seit 2005 regierende Große Koalition von CDU/CSU und SPD rückte in der siebten Phase das Thema Integration in den Mittelpunkt der Migrationspolitik. Diese Schwerpunktsetzung zeigt sich auch in den seit 2006 im Bundeskanzleramt jährlich stattfindenden Integrationsgipfeln, bei denen Repräsentanten aus Politik, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Sportverbänden und Migrantenselbstorganisationen Probleme der Zuwanderung diskutieren und Lösungswege erarbeiten. Daraus entwickelte sich der Nationale Integrationsplan (NIP).37 Der am 11. Juli 2007 von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgestellte NIP beinhaltete 150 Maßnahmen und Selbstverpflichtungen der Bundesregierung, des Weiteren 250 Selbstverpflichtungen der Länder und Kommunen sowie nichtstaatlicher Akteure. Eine wichtige Maßnahme stellte der zielgruppenorientierte Ausbau der Integrationskurse dar. Fast zeitgleich zum Integrationsgipfel wurde am 27. September 2006 die erste Deutsche Islamkonferenz (DIK) einberufen, die sich speziell an Muslime als heterogene Glaubensgemeinschaft richtet und einen Dialogprozess zwischen religiösen Organisationen und nichtorganisierten Muslimen in Gang setzen soll.38
35 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 98. 36 Vgl. Meier-Braun, Karl-Heinz: »Einleitung: Deutschland Einwanderungsland«, in: ders./Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 15-27, hier S. 18f. 37 Eine Weiterentwicklung des Nationalen Integrationsplans stellt der von der Bundesregierung auf dem Fünften Integrationsgipfel verabschiedete Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) dar; vgl. Engin, Havva: »Integrationskurse, Integrationsgipfel, Nationaler Integrationsplan (NIP) und Nationaler Aktionsplan Integration (NAP-I)«, in: Karl-Heinz MeierBraun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 201-204, hier S. 201. 38 Vgl. Ceylan, Rauf: »Islamkonferenz«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 204-207, hier S. 204.
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3.1.2 Zuwanderung nach Frankreich Frankreich weist bereits seit 1830 eine auf gesetzliche Regelungen und politische Stellungnahmen beruhende Immigrationstradition auf und gilt damit als klassisches Einwanderungsland, als »terre d’accueil«.39 Vergleichbare Voraussetzungen waren im losen Zusammenschluss der souveränen deutschen Staaten und freien Städte im Deutschen Bund zwischen 1815 und 1866 nicht gegeben.40 Während bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Einwanderung aus den Nachbarländern und aus Polen nach Frankreich dominierte, kamen mit der Masseneinwanderung zwischen Mitte der 1950er Jahre bis Anfang der 1960er Jahre neben portugiesischen Migranten zunehmend Arbeitskräfte aus den ehemaligen französischen Kolonien Nordafrikas in die Französische Republik. 41 Die französische Migrationspolitik wechselte jedoch ab den 1970er Jahren mit fast jeder Regierung zwischen liberaler und repressiver Ausrichtung. Die öffentliche Ablehnung neuer Zuwanderung von Seiten rechtsradikaler Parteien wie dem Front National, der seit Mitte der 1980er Jahre in seinem Wahlprogramm unter anderem eine Null-Einwanderung propagierte, brachten Stimmengewinne bei der französischen Bevölkerung. Die Vorbildfunktion des republikanischen Migrations- und Integrationsmodells wurde u. a. durch folgende Ereignisse geschwächt: 42 die Wahlerfolge rechtsextremer Parteien in den 1980er und 1990er Jahren, allen voran des Front National, die »Kopftuchdebatte« 2003 als Kontroverse zwischen den laizistischen Werten der Republik und dem Recht auf freie Religionsausübung, die Unruhen in den Pariser Vororten im Herbst 2005 bzw. 2007 sowie die Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen von illegal sich in Frankreich aufhaltenden Einwanderern.43 Die wechselnde Einwanderungspolitik sowie politischen Diffamierungen von Zuwanderung zeigen, dass die dennoch erfolgreiche politische Migrationsgeschichte nicht mit einer gelungenen Integrationspolitik einherging. Diese wurde zudem durch eine immer wieder unterschiedliche Zusammensetzung der Einwandererpopulation erschwert, für die entweder wie bei der »Immigration de qualité«44 keine oder wie für die »Banlieue-Bewohner« ganz bestimmte Integrationsmaßnahmen erforderlich gewesen wären. 39 Vgl. U. Kempf: System, S. 367. 40 Vgl. Schulze, Hagen: Kleine deutsche Geschichte. Mit Grafiken, Karten und Zeittafel, München 12. Aufl. 2013, S. 83. 41 Vgl. Kempf, System, S. 367. 42 Vgl. Lindemann, Ute: Sans-Papiers-Proteste und Einwanderungspolitik in Frankreich, Opladen 2001, S. 30. 43 Vgl. Schreiber-Barsch, Silke: »Migration in Frankreich. Das republikanische Integrationsmodell unter Druck«, in: Magazin Erwachsenenbildung 5 (2008), S. 1-9, hier S. 5. 44 Die »Immigration de qualité« bezeichnet die für das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts verzeichnete verstärkte Eliteneinwanderung aus den Nachbarländern; vgl. Schor,
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Auch für Frankreich sind verschiedene Phasen der Zuwanderung zu unterscheiden: Die wirtschaftliche Wachstumsphase der »Trente Glorieuses« von 1945 bis 1974 war die erste Phase der Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei zunächst Arbeitskräfte aus Südeuropa (Italien, Spanien und Portugal) angeworben wurden. Infolge der Befreiungskriege (Algerienkrieg 1954-1962) und der Entkolonisierung in den 1950er und 1960er Jahren erhielt Frankreich auch Zuwanderung aus den Maghrebstaaten.45 Die zweite Phase setzte 1974 ein und dauerte bis 1990. Zwar wurden 1974 die Anwerbeprogramme für Arbeitskräfte wegen der internationalen Ölkrise sowie europaweit wachsender Arbeitslosigkeit eingestellt und damit ein offizielles Ende der freien Arbeitsmigration eingeläutet; zwischen 1974 und 1990 wanderten – parallel zu Deutschland – dennoch Angehörige im Zuge der Familienzusammenführung nach Frankreich ein.46 Die dritte Phase von 1989/1990 bis 2000 wurde durch weltpolitische Ereignisse wie den Fall des Eisernen Vorhangs sowie die beginnende Krise auf dem Balkan Ende der 1980er Jahre geprägt. Dies förderte die Einwanderung von Flüchtlingen, was sich in einem deutlichen Anstieg der Asylanträge zeigte. Die restriktive Einwanderungspolitik des damaligen französischen Innenministers Charles Pasqua fand in den frühen 1990er Jahren unter dem Schlagwort der Null-Einwanderungs-Politik (»immigration zéro«) sowie im Gesetz vom 21. Januar 1995 (»Loi Pasqua«), das sich durch einen repressiven Kern präventiver Kriminal- bzw. Sicherheitspolitik auszeichnete, ihren Ausdruck und führte Anfang der 1990er Jahre zu zahlreichen Ausweisungen.47 Durch das »Loi Chevènement«48 wurden die Regelungen für folgende Bereiche der Ausländerpolitik verschärft: Familienzusammenführungen erfolgten nun erst nach zwei Jahren (bis zum Chevènement-Gesetz waren diese bereits nach einem Jahr
Ralph: Histoire de l’immigration en France de la fin du XIXe siècle à nos jours, Paris 1996, S. 5. 45 Vgl. Moch, Leslie Page: »Frankreich«, in: Klaus Bade u. a. (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, S. 122-140, hier S. 134. 46 Vgl. U. Kempf: System, S. 367. 47 Vgl. Gilly, Thomas: »Die französische Gesetzgebung zur inneren Sicherheit im Lichte der Loi Pasqua«, in: Kriminologisches Journal 29 (1997), S. 186-210, hier S. 190f. 48 Der links-souveränistische Politiker Jean-Pierre Chevènement war unter Präsident François Mitterrand Bildungs- und Verteidigungsminister und unter Präsident Jacques Chirac Innenminister. Das »Loi Chevènement« trat unter der Präsidentschaft Chiracs am 11. Mai 1998 in Kraft.
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möglich); ausländische Absolventen französischer Hochschulen unterlagen dem Verbot der Erwerbstätigkeit in Frankreich.49 Die vierte Phase ab 2001 war eine weitreichende Reform der französischen Einwanderungs- und Integrationspolitik.50 Unter dem Konservativen Jean-Pierre Raffarin (Union pour un Mouvement Populaire: UMP) setzte sich die restriktive Einwanderungspolitik Frankreichs fort, die sich unter anderem in der Reform des Asylrechts 2003 zeigte. Die größte Gruppe von Einwanderern kam 2005 aus Afrika und nicht mehr aus Europa; auch die Zuwanderung aus Asien hatte zugenommen. Die im Herbst 2005 ausgebrochenen Vorstadtunruhen in den Wohnsilos (cités) durch die dort lebenden, sozial und beruflich benachteiligten Migranten machten sichtbar, dass trotz der langen Zuwanderungstradition eklatante Versäumnisse in der französischen Immigrations- und Integrationspolitik existierten. Das Gesetz für Chancengleichheit (Loi pour lʼégalité des chances) vom 31. März 2006 sollte zur Verhinderung von Diskriminierung beitragen. Als Durchführungs- und Kontrollorganisation wurde die Agence nationale pour la cohésion sociale et lʼégalité des chances (ANCSEC) eingerichtet. Mit der institutionellen Verankerung von Integrationsmaßnahmen verband sich eine weitreichende Reformierung der Einwanderungs- und Integrationspolitik. So wurde am 30. Juni 2006 das neue Einwanderungsgesetz von der Assemblée verabschiedet. Die vom damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy verfolgte Politik der »immigration choisie« (Politik der selektiven Einwanderung) enthielt restriktive Regelungen zum Familiennachzug, eine speziell für Hochqualifizierte geschaffene Aufenthaltserlaubnis sowie einen verpflichtenden »Aufnahme- und Integrationsvertrag« (contrat dʼaccueil et dʼintégration) für dauerhaft in Frankreich sich niederlassende Ausländer. Das politische Konzept der »immigration choisie« geht indes bereits auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zurück, als sich die Französische Republik der Steuerung der Migrationsbewegungen nach Frankreich annahm und mit Experten aus Universitäten Kriterien für erwünschte und unerwünschte Einwanderer aufstellte.51 Die von Sarkozy initiierte Reform wurde verstärkt von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, die das neue Gesetz als »immigration jetable« bezeichneten. Darunter ist eine beliebig verfügbare Einwanderung zu verstehen, die den Migranten nur von einem utilitaristischen, vor allem ökonomischen Standpunkt aus betrachtet.52 Nach dem Sieg Nicolas Sarkozys und der UMP bei den Präsidentschafts- bzw. Parlaments-
49 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 45. 50 Vgl. Große, Ernst Ulrich/Lüge, Heinz-Helmut: Frankreich verstehen. Eine Einführung mit Vergleichen zu Deutschland, 6. Aufl. 2008, S. 163. 51 Vgl. Noiriel, Gérard: Immigration, antisémitisme et racisme en France (XIXe-XXe siècle). Discours publics, humiliations privées, Paris 2007, S. 287. 52 Vgl. Riedel, Sabine: »Einwanderung: das Ende der Politik der Chancengleichheit«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 38 (2007), S. 40-46, hier S. 40.
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wahlen 2007 wurde das »ministère de l’Immigration, de l’Intégration, du Codéveloppementet de l’Identité nationale« (IMINIDCO) eingerichtet, das 2008 in das »ministère de l’immigration, de l’intégration, de l’identité nationale et du développement solidaire« umbenannt wurde.53 Nachdem das Ministerium zwischen 2007 und 2009 vom damaligen Immigrationsminister Brice Hortefeux, zwischen 2009 und 2010 vom Ministre de l’Immigration, de l’Intégration, de l’Identité nationale et du Développement solidaire Éric Besson geführt wurde, wurde es am 13. November 2010 abgeschafft. Schon 2008 hatte Nicolas Sarkozy die dem Innenministerium unterstellte Kontaktstelle »Immigration, asile, accueil et accompagnement des étrangers en France« eingerichtet. 2009 stellte das Ministerium ein neues staatliches Integrationskonzept vor, welches eine Betreuung legal zugewanderter Personen durch das Ministerium während der ersten fünf Jahre des Aufenthalts vorsah. Die Migrationshistorie Lothringens ist stark durch seine Geschichte als Grenzregion sowie Kriegsschauplatz geprägt: Im 6. Jahrhundert befand sich Lothringen im Königreich Austrasien; 855 fiel der westliche Teil des Königreichs Lothar II. zu und erhielt den Namen Lotharingien bzw. Reich Lothars. Im 10. Jahrhundert wurde das Land in Oberlotharingien und Niederlotharingien aufgeteilt. In den folgenden Jahrhunderten wechselten sich Zeiten friedlicher Regierungen mit Kriegen und Fremdherrschaften ab. 54 Als Folge der französischen Niederlage im Jahr 1871 wurden Elsass und Lothringen erneut dem deutschen Hoheitsgebiet angegliedert.55 Das neu gegründete deutsche Kaiserreich verleibte sich fünf lothringische Verwaltungsbezirke ein und fasste sie als »Bezirk Lothringen« (Présidence de Lorrain) im Reichsland Elsass-Lothringen zusammen. Auf Grundlage bereits vor 1850 bestehender Wirtschaftsbeziehungen erfolgte nach der Annexion Elsass-Lothringens durch das Deutsche Reich ab 1870 eine umfassende ökonomische Verflechtung des saarländischlothringisch-luxemburgischen Grenzraumes. Die ökonomische Basis hierfür stellten die benachbarten Eisenerz- und Steinkohlelagerstätten (bassin minier/bassin houiller – Saarkohlenbecken) dar, die ab den 1840er Jahren intensiv ausgebeutet und ab den 1850er Jahren durch ein dichtes Schienennetz miteinander verbunden waren.56 Das mit Hilfe des phosphorhaltigen Minette-Erzes produzierte Eisen wurde international
53 Vgl. Daum, Christophe: »Le codéveloppement, grandeur et décadence d’une Aspiration généreuse«, in: Revue Internationale et Stratégique 68 (2007), S. 49-59, hier S. 55. 54 Vgl. Parisse, Michel: »Einführung«, in: ders., Lothringen. Geschichte eines Grenzlandes, Saarbrücken 1984, S. 13-26, hier S. 18. 55 Vgl. Brand, Ulrich: Krieg und Frieden: 1914 und die Folgen. Elsass-Lothringen und das Saargebiet, Bad Ems 2014, S. 2. 56 Vgl. S. Leiner: Wanderungsbewegungen, S. 121.
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konkurrenzfähig gemacht. Bereits vor 1850 investierten Unternehmer aus dem Saarrevier und aus Luxemburg über Staatsgrenzen hinweg im französischen Lothringen. Durch die Angliederung des lothringischen Industriegebietes im Zuge des deutschfranzösischen Krieges 1870/71 entwickelte sich in der Phase der Hochindustrialisierung ein einheitlicher Wirtschaftsraum SaarLorLux. Dieser Binnenwirtschaftsraum korrespondierte mit einem ähnlich gestalteten Migrationsraum, der verstärkt durch grenzüberschreitende Wanderungsströme gekennzeichnet war: In der Industrialisierungsära spielten sich 80 Prozent des Migrationsgeschehens im Umkreis von maximal 80 Kilometern innerhalb des saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraums ab. 57 Dabei waren die lothringischen Industriestandorte überwiegend durch italienische Arbeiterwanderungen geprägt; für die lothringischen Industriebecken um Briey und Longwy herum lag der durchschnittlich Prozentanteil italienischer Arbeitskräfte nach der Phase der Großen Depression ab 1896 zwischen 60 bis 70 Prozent der Gesamteinwohnerzahl.58 Ein permanenter Arbeitermangel führte zur verstärkten Einstellung ausländischer Arbeiter, unter denen in zunehmendem Maße die Italiener hervorstachen. Bis heute stellen die Italiener die stärkste ausländische Bevölkerungsgruppe in Lothringen dar. Mit dem am 19. März 1962 beschlossenen Waffenstillstand und der folgenden Unabhängigkeit Algeriens fand eine bis dato nicht in Erscheinung getretene Gruppe Zugang zum lothringischen Arbeitsmarkt: die Algerier. Hinzu traten Ende der 1970er Jahre Personen aus südamerikanischen Ländern wie Chile.59 Zwar stellten 2004 Italiener mit 16,0 % den stärksten Ausländeranteil in Lothringen, dicht gefolgt von Algeriern mit 15,1 %. Im Département Meurthe-et-Moselle lag im selben Jahr hingegen ein umgekehrtes Prozentverhältnis vor: Dort überwogen mit 16,9 % die Algerier, die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe bildeten die Italiener mit 12,7 %.60 Auch in einigen lothringischen Städten und Gemeinden wie Metz und Woippy dominierte der algerische Bevölkerungsanteil.61 2009 verteilten sich die Nationalitäten in Lothringen wie folgt: Die Hälfte kam aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, mehrheitlich aus Italien und aus dem grenznahen Deutschland, Luxemburg und Belgien, ein Viertel stammte aus dem Maghreb, ein weiteres Viertel aus Asien.62
57 Vgl. ebd., S. 124. 58 Vgl. ebd., S. 125. 59 Vgl. P. Galloro/R. Morales-La-Mura: Immigration, S. 399. 60 Vgl. P. Galloro/A. Boubeker: Histoires, S. 239f. 61 Vgl. ebd., S. 242f. 62 Vgl. Piralla, Steve: »Les immigrés en Lorrain: des origines de plus en plus diversifiées«, in: Institut National de la Statistique et des études économiques, 2012, S. 3, http://in see.fr/fr/insee_regions/lor/themes/EL/EL293/EL293.pdf vom 07.03.2015.
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3.1.3 Zuwanderung nach Luxemburg Wie in vielen europäischen Ländern ist Migration auch in Luxemburg ein politisierter Gegenstand der gesellschaftlichen Auseinandersetzung: »[L]a notion d’immigration est une hyperréalité au Luxembourg. Le Luxembourg s’est proclamé pays d’immigration bien avant les autres pays européens, au début des années 1970, lorsque ces derniers affichaient encore l’objectif de l’immigration zéro. L’immigration fait politiquement sens à un point tel que, depuis 2004, le Luxembourg dispose pour la première fois d’un ministre et d’un ministre délégué de l’immigration.«63
Dieser von Scuto als »Hyperrealität« deklarierte Status der Migration in Luxemburg lässt sich nicht zuletzt dadurch erklären, dass 61,2 % der luxemburgischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweisen.64 Luxemburg gehört wie Deutschland zum Typ von Immigrationsland, welches traditionell Auswanderungsland war und erst in den letzten Jahrzehnten eine größere Immigration erfahren hat und in dem die Nationalität durch Abstammung weitergegeben wird (ius sanguinis).65 Da die luxemburgische Integrations- und Migrationspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg zögerlich angegangen wurde und erst in den 1990er Jahren eine verstärkte Debatte über die Integration von Migranten einsetzte,66 beziehen sich die folgenden Phasen und Formen der Zuwanderung mehr auf die bis ins Mittelalter zurückreichende luxemburgische Migrationsgeschichte. Eine Phaseneinteilung ist jedoch erst ab Ende des Zweiten Weltkriegs möglich. Die Migrationsgeschichte Luxemburgs hängt mit seinem politischen Schicksal seit dem frühen Mittelalter zusammen. Bis zu seiner staatlichen Souveränität 1839 war Luxemburg Teil unterschiedlicher Königs- und Thronhäuser. Dies führte zu einer Beeinträchtigung seiner eigenständigen volkswirtschaftlichen Entwicklung, womit Phasen von Auswanderungswellen zwischen dem neunten und 19. Jahrhundert einhergingen.67 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Auswanderung schwächer wurde, begann eine erste Einwanderungswelle nach Luxemburg. Die ab 1870 schnell 63 Vgl. D. Scuto: Historiographie, S. 392. 64 Vgl. STATEC – Institut national de la statistique et des études économiques du GrandDuché du Luxembourg: Bibliographie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Luxemburg, www.statistiques.public.lu/fr/publications/series/bibliographie/bibliocomple te-2013.pdf vom 07.03.2015. 65 Vgl. Willems, Helmut/Milmeister, Paul: »Migration und Integration«, in: Lorig, Wolfgang/Hirsch, Mario (Hg.): Das politische System Luxemburgs, Wiesbaden 2008, S. 62-92, hier S. 63. 66 Vgl. M. Pauly: Phénomène, S. 67f. 67 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 64.
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wachsende luxemburgische Stahlindustrie benötigte ausländische Arbeiter. Da Luxemburg vom 8. Februar 1842 bis 8. Juli 1867 Mitglied im Deutschen Zollverein war, waren die meisten davon Deutsche. Die erste italienische Einwanderungswelle setzte Ende des 19. Jahrhunderts ein, gefolgt von einer zweiten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Aufgrund unbesetzter Stellen warb die luxemburgische Regierung in einer ersten Phase der Nachkriegszeit bereits seit 1945 um ausländische Arbeitskräfte. Das erste bilaterale Abkommen mit Italien trat 1948 in Kraft, das bis 1957 regelmäßig erneuert wurde. 68 Ferner kam es im Gegensatz zu den Nachbarländern Deutschland und Frankreich bereits seit Ende der 1950er Jahre zu Familienzusammenführungen. 69 Eine zweite Phase ist an der Änderung der Einwandererpopulation seit Mitte der 1960er Jahren festzumachen. Seit Mitte der 1960er Jahre verzeichnete das Großherzogtum eine verstärkte portugiesische Einwanderung. Seit den 1970er Jahren bilden Portugiesen die größte ausländische Bevölkerungsgruppe in Luxemburg. Dabei handelte es sich überwiegend um unqualifizierte Arbeitskräfte in den Bereichen Bau, Reinigung sowie häusliche Dienstleistungen. Zugleich fällt in diese Zeit eine weitere Einwanderung: Führungskräfte aus dem Banken- und Finanzsektor sowie Funktionäre europäischer und anderer internationaler Institutionen. Somit kann seit den 1960er Jahren von einem Modell der doppelten Immigration in Luxemburg gesprochen werden: einerseits der Erwerbsmigration unqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte, andererseits der Einwanderung von Eliten und Privilegierten. 70 Dazu kam wie in fast allen europäischen Staaten seit Mitte der 1980er Jahre die Zuwanderung von ethnischen und politischen Flüchtlingen. Politisch motivierte Wanderungen aus Osteuropa und Entwicklungsländern nach Westeuropa sind allerdings bereits seit den 1950er Jahren zu Zeiten des Kalten Krieges festzumachen und stellen daher nicht nur eine Erscheinung nach Fall des Eisernen Vorhang dar.71 Die dritte Phase bezieht sich auf das letzte Drittel des 20. Jahrhundert, als aufgrund des Bedarfs an Managern, Bänkern sowie Bediensteten europäischer und internationaler Organisationen im Übergang vom industriellen zum postindustriellen
68 Vgl. Als, Georges: »Le Luxembourg et ses étrangers. Dialectique de l’immigration et de la prospérité«, in: Romain Kirt (Hg.), Innovation – Integration. Festschrift für Pierre Werner, S. 485-492, hier S. 485f. 69 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 67. 70 Vgl. M. Pauly: Phénomène, S. 69. 71 Vgl. Münz, Rainer: »Phasen und Formen der europäischen Migration«, in: Steffen Angenendt (Hg.), Migration und Flucht. Aufgaben und Strategien für Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft, Bonn 1997, S. 34-47, hier S. 41.
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Zeitalter hochqualifizierte Fachkräfte aus den nördlichen Ländern der Europäischen Union, Nordamerika, Afrika und Japan nach Luxemburg einwanderten.72 Mit der Deckung des Bedarfs durch Pendler ist der Grenzgängerverkehr angestiegen.73 Damit setzte eine vierte Phase in der luxemburgischen Migrationsgeschichte ein. Das Grenzpendlerphänomen ist auf das stärkere wirtschaftliche Wachstum Luxemburgs, die höhere Arbeitslosigkeit in den Nachbarregionen sowie das höhere Gehaltsniveau im Vergleich zu den Nachbarländern zurückzuführen.74 3.1.4 Zuwanderung im grenzüberschreitenden Vergleich Als west- bzw. mitteleuropäische Länder teilen Deutschland, Frankreich und Luxemburg bestimmte Muster in der langen Entwicklung der Migrationsverhältnisse.75 So gehören Luxemburg und Deutschland zum gleichen Typ von Immigrationsland: Sie waren traditionell Auswanderungs- und wurden erst im 20. Jahrhundert zu Einwanderungsländern. Bei der Staatsangehörigkeit gilt für beide Länder das Abstammungsrecht (ius sanguinis).76 Frankreich hingegen ist bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts Einwanderungsland (terre d’accueil) sowie Zuwanderungsgebiet für Asylsuchende (terre d’asile).77 Im Gegensatz zu Deutschland und Luxemburg hat Frankreich zudem eine durch seine Kolonialgebiete geprägte Migrationsgeschichte. Das französische Staatsangehörigkeitsrecht ist eine Mischung aus Abstammungsprinzip (ius sanguinis) und Geburtsortprinzip (ius soli) und unterscheidet sich damit vom deutschen und luxemburgischen.78 Hinsichtlich der Integrationspolitik haben alle drei Länder verspätet auf Probleme durch die Zuwanderung reagiert. Selbst Luxemburg als vermeintlicher europäischer
72 Vgl. Nienaber, Birte/Roos, Ursula: »Internationale Migranten und Migration in Luxemburg«, in: Atlas der Großregion, http://www.gr-atlas.uni.lu/index.php/articles/ge62/mi11 84/luxemburg-mainmenu-1188 vom 07.03.2015. 73 Vgl. C. Wille: Grenzgänger, S. 26. 74 Vgl. Thiel, Simone/Lorig, Wolfgang: »Luxemburg und die Großregion SaarLorLux«, in: Wolfgang Lorig/Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs, Wiesbaden 2008, S. 364-379, hier S. 371. 75 Vgl. L. P. Moch: Frankreich, S. 138. 76 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 63. 77 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 27. 78 Vgl. Aden, Hartmut: »Frankreich«, in: Wolfgang Gieler/Dietmar Fricke (Hg.), Handbuch europäischer Migrationspolitiken. Die EU-Länder und die Beitrittskandidaten, Münster 2004, S. 61-71, hier S. 62.
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Vorreiter in der Migrations- und Asylpolitik setzte erst Anfang der 1990er Jahre Themen wie die Erlangung der luxemburgischen Staatsbürgerschaft, die doppelte Staatsbürgerschaft oder Integrations- und Sprachkurse auf die politische Agenda.79 Betrachtet man das Phänomen der Einwanderung zwischen 1945 und 2010 in Deutschland, Frankreich und Luxemburg, lassen sich schließlich vier in den Ländern zeitlich, aber nicht immer inhaltlich parallel verlaufende Phasen bestimmen: Die erste Phase von 1945 bis zur ersten Ölkrise 1973 ist durch die Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte geprägt, wobei sich in der Zusammensetzung der Nationalitäten sowie im Verlauf der Einwanderung Unterschiede zeigen. Die zweite Phase von 1973 bis zum Ende der 1980er Jahre ist durch eine große Heterogenität in der Einwanderungssituation der drei europäischen Länder gekennzeichnet: So zeichnete sich Deutschland in den 1980er Jahren durch das parteienübergreifende »Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland« aus, wodurch die Gestaltung von Migration und Integration blockiert wurde. Frankreich setzte sich in den 1980er Jahren mit Nationalitäts- und Identitätskonzepten auseinander, der rassistische Front National unter Jean-Marie Le Pen erlebte seinen Aufstieg, zugleich entwickelten sich antirassistische Aktionsformen von Seiten der französischen Zivilgesellschaft; in Luxemburg setzte sich die portugiesische Einwandererwelle der 1970er Jahre über die Familienzusammenführung fort, wobei sich die Zusammensetzung der Einwandererpopulation durch Funktionäre europäischer und internationaler Institutionen zunehmend differenzierte. Wegen der heterogenen Zusammensetzung der Gesellschaft verfolgte die luxemburgische Integrationspolitik eine »Integration im Sinne einer gegenseitigen Durchmischung der Kulturen«.80 Eine dritte Phase setzte Ende der 1980er Jahre mit den Bestrebungen ein, die Kompetenzen der Europäischen Union auf die europäische Migrations- und Asylpolitik auszuweiten. Die europäische Zusammenarbeit in Einwanderungs- und Asylfragen wurde in den 1990er Jahren durch entsprechende Verträge mit dem Ziel fortgesetzt, die 1985 durch den Vertrag von Schengen festgelegte Abschaffung der EUBinnengrenzen durch eine gemeinsame europäische Asyl-, Migrations- und später auch Integrationspolitik zu kompensieren.81 Die vierte Phase ab 2000 ist wie die zweite durch eine ambivalente Entwicklung in Deutschland, Frankreich und Luxemburg gekennzeichnet.
79 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 75. 80 Gärtner, Reinhold: »Luxemburg«, in: Wolfgang Gieler/Dietmar Fricke (Hg.), Handbuch europäischer Migrationspolitiken. Die EU-Länder und die Beitrittskandidaten, Münster 2004, S. 121-123, hier S. 122. 81 Vgl. Große Hüttmann, Martin: »Die Migrations- und Integrationspolitik der Europäischen Union«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 185-190, hier S. 185.
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Die europäische Migrations- und Asylpolitik wurde mittels Wegfall von Binnengrenzkontrollen in Osteuropa sowie angestrebter »Europäisierung« und Vergemeinschaftung in der Migrations- und Asylpolitik weiter vorangetrieben. Diese Vergemeinschaftung zeigte sich in entsprechenden Verordnungen, Verträgen und institutionellen Neugründungen, z.B. die Dublin-II-Verordnung aus dem Jahre 2003, die Gründung der EU-Grenzschutzagentur Frontex 2004 und der 2009 ratifizierte Vertrag von Lissabon. Zugleich berührten und berühren diese Politikfelder den Kernbereich nationalstaatlicher Souveränität, weswegen die EU-Mitgliedsstaaten dem »Diktat Brüssels« nicht uneingeschränkt Folge leisten und ihre Souveränitätsansprüche zu wahren versuchen.82 Die Migrationsbewegungen und -historie in der SaarLorLux-Region korrespondieren zwar überwiegend mit der Makro-Ebene des nationalen Raums. Zugleich sind Besonderheiten auf die spezifische industrielle Entwicklung in der Grenzregion zurückzuführen. Seit der Frühindustrialisierung sind Migrationsbewegungen in den SaarLorLux-Raum festzustellen. Bereits in der Anfangsphase der Industrialisierung wurden ausländische Arbeitskräfte benötigt, um die wirtschaftliche Prosperität durch die Stahl- und Montanindustrie aufrechtzuerhalten. Im Industrialisierungsprozess entwickelten sich starke Wirtschaftsstandorte. Diese avancierten zu Pull-Faktoren für in- und ausländische Arbeitskräfte. Eine überproportionale Land-Stadt-Wanderung war die Folge; ein Wirtschafts- und Sozialraum entstand, der durch einen Bevölkerungsaustausch zwischen ländlichen Räumen und städtischen Zentren gekennzeichnet war.83 Der luxemburgische Historiker Michel Pauly betont jedoch, dass »[v]on einer historisch gewachsenen Großregion, einer ›natürlich‹ zusammengewachsenen großregionalen Bevölkerung keine Rede sein kann«.84 Unter Einbeziehung der einstigen Wirtschaftsprosperität in der SaarLorLux-Region, die Einfluss auf die frühe ausländische Arbeitskräfterekrutierung hatte, können zugleich Gemeinsamkeiten in der SaarLorLux-Region bzw. ihren Teilgebieten festgestellt werden.85 Die Bevölkerungen wuchsen und wachsen innerhalb der politischen Grenzen des Saarlandes, Lothringens und Luxemburgs jeweils mehr oder weniger zusammen, aber nicht über diese Grenzen hinweg. Auch in der SaarLorLux-Region können die Migrationsprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedene Phasen eingeteilt werden, die zum Teil mit den bereits im Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg herausgearbeiteten Zeitabschnitten korrespondieren: Die erste Phase umfasst ebenfalls den Zeitraum 1945 bis 1973 und ist wie auch in Deutschland, Frankreich und Luxemburg durch die 82 Vgl. ebd., S. 185f. 83 Vgl. S. Leiner: Migration, S. 333. 84 Pauly, Michel: »Eine geschichtslose Region«, in: Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur in Luxemburg 288 (2009), S. 27-29, hier S. 29. 85 Vgl. C. Wille: Grenzgänger, S. 107.
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verstärkte Aufnahme ausländischer Arbeitskräfte gekennzeichnet. Dabei war für das Saarland charakteristisch, dass es mit den Italienern eine Sonderentwicklung hatte, die Ostflüchtlinge kaum eine Rolle spielten, aber z.B. die Kohle- und Stahlproduktion wie im Ruhrgebiet sehr wichtig war. In Lothringen bildeten 1948 Flüchtlinge 1,56 % der Ausländer im Département Meurthe-et-Moselle. 1968 waren es 2 %, bis 1975 sank ihr Anteil auf 0,98 % der ausländischen Bevölkerung, und in den 1980er und 1990er Jahren stieg sie wieder an. Die Herkunft der Flüchtlinge veränderte sich – wie auch im Département Moselle – je nach weltpolitischer Lage. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und bis in die 1960er Jahre kamen vor allem Menschen aus den Ostblockländern. Anfang der 1970er Jahre kamen neue Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt, die bislang kaum vertreten waren, etwa aus Ländern Südostasiens. Ende der 1970er Jahre waren es dann südamerikanische Länder wie Chile. In der zweiten Phase von der ersten Ölkrise Anfang 1973 bis zum Ende der 1980er Jahre war die SaarLorLux-Region mit anderen europäischen Grenzregionen im Rahmen des Regionalisierungsprozesses an der europäischen Integration und damit an der Vergemeinschaftung der europäischen Migrations- und Asylpolitik beteiligt. Die Zusammenarbeit der Europäischen Union in Einwanderungs- und Asylfragen stellt einen der jüngsten Kernbereiche der europäischen Integration dar.86 Im Rahmen des Regionalisierungsprozesses der 1980er Jahre beteiligten sich die europäischen Grenzregionen an der Überwindung staatlicher Grenzen zugunsten einer »Kooperation auf sozialem, ökonomischem, ökologischem, infrastrukturellem, technologischem und kulturellem Gebiet«. 87 Der im Vertrag von Schengen geforderte Wegfall der EU-Binnengrenzen zugunsten einer weiteren Ausgestaltung der Europäischen Gemeinschaft verlief somit gleichzeitig mit der beginnenden Regionalisierung. Aus der Regionalisierungsabsicht ging schließlich am 3. September 1990 die Resolution der Versammlung der Regionen Europas (VRE), des größten unabhängigen Netzwerks der Regionen in Europa, zur institutionellen Beteiligung der regionalen Ebene am Entscheidungsprozess in der Europäischen Gemeinschaft hervor. Unter der zunächst geführten Bezeichnung »Rat der Regionen Europas« gründeten am 15. Juni 1985 47 Regionen und 9 interregionale Organisationen das 1987 in VRE umbenannte Netzwerk zur Repräsentation regionaler Interessen auf europäischer Ebene. Mittlerweile ist die aus 270 Regionen und 6 interregionalen Organisationen bestehende VRE eine Form für interregionale Kooperation.88 86 Vgl. Fathi, Ali: Die bundesrepublikanische Einwanderungspraxis im europäischen Vergleich mit Großbritannien und Frankreich. Politische Ansichten von Berliner Einwanderern zur deutschen Einwanderungspraxis und zu den Auswirkungen der Vereinigung Europas, Berlin 1996, S. 216. 87 Vgl. R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 43. 88 Vgl. ebd., S. 103-107.
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Die dritte Phase ab 1990 ist einerseits durch den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen infolge des Zerfalls des Ostblocks in die SaarLorLux-Region gekennzeichnet, andererseits durch das Phänomen der Grenzgänger. Darüber hinaus beteiligte sich die VRE am Integrationsprozess der Europäischen Union: Die Stellung der europäischen Grenzregionen sollte durch Forderungen bei der Mitgestaltung des Vertrags von Maastricht, der in der zweiten Säule »Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik« erstmals Tätigkeiten der Europäischen Union in der Migrations- und Asylpolitik vorsah,89 gesichert werden.90 Infolge des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels gewinnt Migration ferner ab 1990 zunehmend an Bedeutung in der europäischen Grenzregion. Auch das derzeitige Bevölkerungswachstum in der SaarLorLux-Region ist neben dem Geburtenüberschuss vor allem auf verstärkte Zuwanderung zurückzuführen. Im Zeitraum von 1990 bis 2006 belief sich die Nettozuwanderung für die gesamte Großregion auf 558 500 Personen, wobei das Wanderungsgeschehen in den einzelnen Teilregionen in unterschiedlichem Ausmaß zur Bevölkerungsentwicklung beitrug. Das Saarland verzeichnet seit Jahren einen negativen Wanderungssaldo. Die im Jahr 2010 zugezogenen 49 271 Personen konnten den Bevölkerungsverlust von 49 081 Personen nicht ausgleichen.91 Lothringen registrierte zwischen 1990 und 2006 ebenfalls durchgängig Wanderungsverluste. Zwischen 2006 und 2012 stieg die lothringische Bevölkerung um 0,1 % pro Jahr leicht an.92 Laut einer Studie des Institut national de la statistique et des études économiques (INSEE) aus dem Jahre 200993 beträgt
89 Vgl. Herz, Dietmar/Blätte, Andreas: »Migrationspolitik der EU«, in: Wolfgang Gieler/Dietmar Fricke (Hg.), Handbuch Europäischer Migrationspolitiken, Münster 2004, S. 275-290, hier S. 276. 90 Der Vertrag von Maastricht legte folgende Forderungen der Regionen vertraglich fest: Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips, die Mitwirkung der Regionen bei der Arbeit des Ministerrats und die Schaffung des »Ausschusses der Regionen« (AdR) auf Gemeinschaftsebene zur Mitwirkung im gemeinschaftlichen Entscheidungssystem zwischen Ländern und Regionen, wobei dem AdR eine beratende Funktion zukommt. Der Forderung nach Einführung eines eigenständigen Klagerechts der Länder und Regionen beim Europäischen Gerichtshof wurde nicht Folge geleistet; vgl. R. Hrbek/S. Weyand, Europa, S. 118-134. 91 Statistisches Amt Saarland, Demographischer Wandel im Saarland. Zahlen, Daten, Fakten, 2012, http://www.saarland.de/dokumente/thema_demographischer_wandel/Broschuere_ Zahlen-Daten-Fakten_2012.pdf, S. 14 vom 07.03.2015. 92 Vgl. Institut national de la statistique et des études économiques, http://www.insee.fr/fr/re gions/lor/reg-dep.asp?theme=2&suite=1 vom 07.03.2015. 93 Eine aktuellere Studie zur ausländischen Bevölkerungssituation in Lothringen liegt durch das Institut national de la statistique et des études économiques nicht vor.
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die Anzahl der in Lothringen lebenden Immigranten94 184 000. Ein entgegengesetztes Bild liefert Luxemburg: Das Großherzogtum wies im Jahr 2013 einen positiven Wanderungssaldo von 10 348 Personen auf (21 098 Zuwanderungen versus 10 750 Abwanderungen).95 Die Hauptnationalitäten in den einzelnen Teilgebieten decken sich bis auf Frankreich bzw. Lothringen gegenwärtig mit den ausländischen Bevölkerungsgruppen auf nationaler Ebene. Während im Saarland nach dem Stand von 2012 Italiener mit 18 050 Personen und Türken mit 11 452 Personen die stärksten Zuwanderergruppen im Saarland bei einer ausländischen Bevölkerungszahl von 79 814 darstellen,96 ist Frankreichs ausländische Bevölkerungszusammensetzung aufgrund der Kolonialvergangenheit vor allem von Personen mit algerischer und marokkanischer Staatsangehörigkeit geprägt. In Lothringen hingegen dominiert seit Jahren und somit auch in der zuletzt abrufbaren statistischen Erhebung durch das INSEE für das Jahr 2009 der italienische Bevölkerungsanteil.97 Italiener stellten bis 1960 die ausländischen Arbeitskräfte überwiegend für die Stahlindustrie und den Bergbau. In Luxemburg hingegen ist die portugiesische Minderheit seit deren ab 1970 einsetzenden verstärkten Einwanderung nach Luxemburg die größte ausländische Gruppe.98
94 In der Studie von Steve Piralla, im Auftrag des INSEE, wird bei der Definition von »immigrés« auf die Festlegung durch den 2012 aufgelösten Haut Conseil à l’Intégration (den Hohen Integrationsrat) verwiesen: »Immigré: selon la définition adoptée par le Haut Conseil à l’Intégration, un immigré est une personne née étrangère à l’étranger et résidant en France. Les personnes nées françaises à l’étranger et vivant en France ne sont donc pas comptabilisées. À l’inverse, certains immigrés ont pu devenir français, les autres restant étrangers. Les populations étrangère et immigrée ne se confondent pas totalement: un immigré n’est pas nécessairement étranger et réciproquement, certains étrangers sont nés en France (essentiellement des mineurs). La qualité d’immigré est permanente: un individu continue à appartenir à la population immigrée même s’il devient français par acquisition. C’est le pays de naissance, et non la nationalité à la naissance, qui définit l’origine géographique d’un immigré«; vgl. S. Piralla : Immigrés, S. 6. 95 Vgl. Informations statistiques récentes. Communiqué de presse, Nr. 16, 2014, http://www.statistiques.public.lu/fr/actualites/population/population/2014/04/20140415/ 20140415.pdf, S. 1 vom 07.03.2015. 96 Statistisches Amt Saarland, Statistisches Jahrbuch Saarland 2014, Saarbrücken 2014, S. 10. 97 Vgl. S. Piralla: Immigrés, S. 2f. 98 Vgl. B. Nienaber/U. Roos: Migranten Luxemburg.
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3.2 M EDIALE V ERGLEICHSEBENE : P RINTMEDIEN Wie der defizitäre Stand der Erforschung zur Darstellung von Migranten in Medien gezeigt hat, eignen sich für die drei Länder Tageszeitungen als Untersuchungsobjekte für die mediale Vergleichsebene: Während für Deutschland bereits seit den 1970er Jahren hierzu zahlreiche Studien mit Hilfe überregionaler Tageszeitungen erstellt wurden, blieb die Analyse von Regionalzeitungen in diesem Kontext weitestgehend unberücksichtigt.99 Französische Studien haben ihr Forschungsinteresse auf die Untersuchung von Migranten in audiovisuellen Medien gelegt; vereinzelt wurden auch nationale Qualitätszeitungen berücksichtigt. Für Luxemburg liegen vereinzelt unveröffentlichte Abschlussarbeiten zum Printmedienbereich vor, während andere Mediengattungen bisher ausgespart wurden. Printmedien, insbesondere Tageszeitungen, sind dabei das dankbarste Untersuchungsmaterial für eine Analyse: »Sie bilden einzelne, physisch überschaubare Einheiten, die nebeneinandergelegt, mitgenommen und archiviert werden können. Sie werden von öffentlichen Einrichtungen wie Pressearchiven oder Bibliotheken gesammelt und sind noch lange Zeit nach Erscheinen zugänglich, oft auch durch die Dokumentation auf Mikrofiche«.100 Für das Saarland, Lothringen und Luxemburg wurde jeweils die auflagenstärkste Tageszeitung berücksichtigt. Während es sich bei der Saarbrücker Zeitung und beim Le Républicain Lorrain um Regionalzeitungen handelt, ist das Verbreitungsgebiet des Luxemburger Worts im Sinne einer überregionalen Tageszeitung sowohl regional als auch nationenübergreifend. Die luxemburgische Tageszeitung ist im gesamten Kleinstaat zu beziehen und verfügt über einen überdurchschnittlich umfangreichen Politik-, Feuilleton- und Wirtschaftsteil. Die geringe Größe des Großherzogtums führt dazu, dass Medien meist lokale und nationale Medien zugleich sind.101 Die Verfügbarkeit der drei berücksichtigten Tageszeitungen ist durch die Verfilmung der Bestände (Mikrofilme) bzw. ihre Digitalisierung gegeben. Allerdings vari-
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Eine der wenigen Studien, die Regionalzeitungen in Betracht ziehen, stellt die bereits erwähnte Untersuchung von Betina Meißner und Georg Ruhrmann über die Darstellung von Migranten in den Thüringer Tageszeitungen dar: B. Meißner/G. Ruhrmann: Ausländerbild. Zudem haben die bereits mehrfach angeführten Arbeiten von Hayer, Schmäl und Kreutzer im letzten Band der dreibändigen Publikation »Medienlandschaft Saar« mit der Analyse der Saarbrücker Zeitung eine Regionalzeitung und einige ihrer Lokalteile einbezogen.
100 Rössler, Patrick: Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis, Stuttgart, 2. Aufl. 2010, S. 64f. 101 Vgl. Barth, Christof/Hemmer, Martine: »Medien und Medienpolitik«, in: Wolfgang Lorig/Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 208-230, hier S. 208.
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iert der Bestand der digitalen Archivdatenbanken. Während für die Saarbrücker Zeitung digitale Archivrecherchen bereits ab 1993 möglich sind, sind Artikel im Républicain Lorrain und im Luxemburger Wort erst ab 1999 in den Online-Archiven einsehbar. Im Folgenden werden die Entwicklungsgeschichte und Spezifika der Saarbrücker Zeitung, des Républicain Lorrain und des Luxemburger Worts in den jeweiligen nationalen Medienlandschaften und -systemen näher erläutert, die für die Beschreibung der medialen Berichterstattungen sowie für darüberhinausgehende Schlussfolgerungen von Relevanz sind. 3.2.1 Saarbrücker Zeitung: Zwischen Pressekonzentration und dem Aufstieg von Regionalzeitungen Die Saarbrücker Zeitung ist die themenführende Tageszeitung des Saarlandes mit einer derzeitigen Auflage von ca. 140 000 Exemplaren und einem breiten Publikum als Abonnenten.102 Seit dem 1. Januar 2013 gehört sie mehrheitlich zur Rheinische Post Mediengruppe. Vorher war sie Teil der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Tanja Moser-Praefcke erarbeitete auf Basis der Beiträge von Natalie Pohl103 zur französischen und saarländischen Printmedienpolitik sowie zur saarländischen Zeitungslandschaft im Zeitraum 1945 bis 1955 vier Etappen der Gründungsgeschichte der saarländischen Tageszeitung: Das älteste Blatt des Saarlandes war seit seiner Gründung 1761 im Besitz der Familie Hofer. Die in diesem Jahr unter dem Titel Nassau-Saarbrückisches Wochenblatt im Auftrag des Fürsten Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken erstmals erschienene Zeitung wurde vom Hofbuchdrucker Bernhard Gottfried Hofer herausgegeben. 1861 erhielt die Zeitung den bis heute geführten Titel Saarbrücker Zeitung. Mit der Rückgliederung des Saargebietes ins Deutsche Reich nach dem Referendum von 1935 gingen die in der Familie Hofer
102 Vgl. Zimmermann, Clemens/Hudemann, Rainer/Kuderna, Michael: »Einführung in das Gesamtprojekt«, in: dies. (Hg.), Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Bd. 1: Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1945-1955), München 2010, S. 1-18, hier S. 4. 103 Vgl. Pohl, Natalie: »Demokratisierung im inneren Widerspruch. Französische und saarländische Printmedienpolitik 1945-1955«, in: C. Zimmermann/R. Hudemann/M. Kuderna (Hg.): Medienlandschaft Bd. 1, S. 61-100; Pohl, Natalie: »Die Saarbrücker Zeitung in der saarländischen Zeitungslandschaft 1945-1955«, in: C. Zimmermann/R. Hudemann/M. Kuderna (Hg.): Medienlandschaft Bd. 1. Medien zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1955-2005), S. 311-343.
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verbliebenen Anteile an staatlich gelenkte Einrichtungen über. Die Zeitung entwickelte sich so zu einem »Verlautbarungsorgan« der Nationalsozialisten.104 Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich die Anteile des Zeitungsverlages bei der HeroldVerlagsanstalt GmbH, einer Tochtergesellschaft des Franz-Eher-Verlages München und damit des Zentralverlags der NSDAP.105 Die Neue Saarbrücker Zeitung (NSZ) war eine der ersten neugegründeten Zeitungen der französischen Besatzungszone; zuständig für die saarländische Pressepolitik war auf regionaler Ebene die Direction de l’Information der Militärregierung.106 Ihre erste Ausgabe erschien am 27. August 1945.107 Seit dem 3. September 1946 erschien sie wieder unter dem Titel Saarbrücker Zeitung, um eine Verwechslung mit der früheren nationalsozialistischen Zeitung, der NSZ-Rheinfront, zu vermeiden.108 In der zweiten Phase von 1947 bis 1956 wurde die der französischen Direction de l’Information unterstellte Saarbrücker Zeitung ein saarländisches Unternehmen: Die Gründung der Presse-Verlag Saarbrücker Zeitung GmbH am 10. Juni 1947 bedurfte gemäß den politischen Bestimmungen des Besatzungsstatuts der Zustimmung der französischen Militärregierung. Nach dem Saarreferendum vom 23. Oktober 1955 sollte die saarländische Tageszeitung in den Besitz des am 1. Januar 1957 in das Gebiet der Bundesrepublik eingegliederten Saarlandes übergehen. 109 Dafür sorgte auch das im Vorfeld im Juli 1955 verabschiedete neue Pressegesetz, das den Weg für eine legale saarländische Oppositionspresse öffnete.110 Das am 27. Oktober 1956 unterzeichnete Luxemburger Abkommen zur Regelung der Angelegenheit Saarbrücker Zeitung steht am Beginn der nächsten Phase: Das Abkommen sah einen Treuhandvertrag zwischen der Regierung des Saarlandes und der Saarländischen Kreditbank AG sowie der Landesbank und Girozentrale Saar in Saarbrücken vor, der am 11. Januar 1957 von allen Partnern unterzeichnet wurde.111 Ab 1967 rückte die Frage der Reprivatisierung der Saarbrücker Zeitung auf die politische und öffentliche Tagesordnung. Nach längeren Diskussionen in der Saarbrücker
104 Vgl. Herbst, Peter Stefan (Hg.): Saar und die Welt im Spiegel der Saarbrücker Zeitung, 250 Jahre Saarbrücker Zeitung 1761-2011, Saarbrücken 2011, S. 6. 105 Vgl. Moser-Praefcke, Tanja: »Die Entwicklung der Zeitungslandschaft«, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hg.), Medienlandschaft Saar. Bd. 2: Medienpolitik und mediale Strukturen (1955-2005), München 2010, S. 71-110, hier S. 80. 106 Vgl. N. Pohl: Demokratisierung, S. 64. 107 Vgl. A. Heinen: Saarjahre, S. 64. 108 Vgl. N. Pohl: Zeitung, S. 322. 109 Vgl. T. Moser-Praefcke: Entwicklung, S. 80f. 110 Vgl. N. Pohl: Demokratisierung, S. 97. 111 Vgl. N. Pohl: Saarbrücker Zeitung, S. 341.
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Staatskanzlei wurde der Reprivatisierung der Saarbrücker Zeitung durch Anteilsverkauf an die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck zugestimmt.112 Mit der Vertragsunterzeichnung am 12. Februar 1970 setzte die letzte Phase ein, in der die Anteile der Zeitung allmählich vom Zeitungsverlag auf die Mediengruppe übergingen. Der bundesdeutsche Konzentrationsprozess im Medienbereich seit den 1960er und 1970er Jahren führte seit 1972 im Saarland zur Monopolstellung der Saarbrücker Zeitung.113 Dabei unterlag die Zeitung nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Phase der Integration des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland einem Wechsel zwischen Regionalisierung und Überregionalisierung, bevor sie seit Anfang der 1970er Jahre auf die Regionalisierung der Medieninhalte als Grundstrategie setzte. 114 Wie die Kulturwissenschaftlerin Susanne Dengel in ihrer Inhaltsanalyse zu den Strukturveränderungen der Medieninhalte der Saarbrücker Zeitung festgestellt hat, äußert sich die Regionalisierung darin, dass die saarländische Tageszeitung den Anteil von Saarlandthemen im Mantel kontinuierlich steigerte.115 3.2.2 Le Républicain Lorrain: Regionalzeitung mit grenzüberschreitendem Selbstverständnis Der Républicain Lorrain mit Sitz in Metz ist mit einer durchschnittlichen Auflage von 140 000 Exemplaren und 500 000 Lesern die auflagenstärkste und am meisten rezipierte Tageszeitung in Lothringen. Sie erscheint in den Départements Moselle und Meurthe-et-Moselle. Der lothringische Journalist Victor Demange (1888-1971) gründete das Blatt 1919 unter dem deutschen Titel Metzer Freies Journal, ab 1939 erschien es als Le Républicain Lorrain. Nachdem die Zeitung in der Folge zunächst von der Tochter des Gründers, Margueritte Demange, dann von ihrem Ehemann und schließlich ihrem Sohn weitergeführt wurde, ging sie 2007 in den Besitz der Gruppe
112 Vgl. T. Moser-Praefcke: Entwicklung, S. 84. 113 Vgl. ebd., S. 76. 114 Vgl. Dengel, Susanne: »Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung im Wandel«, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hg.), Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Bd. 3: Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005), München 2010, S. 181-220; dies., »Regionalisierung als Grundstrategie der Saarbrücker Zeitung«, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hg.), Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Bd. 3: Mediale Inhalte, Programme und Region (1955-2005), München 2010, S. 425-483. 115 Die Erhöhung des Anteils ist auf die Veröffentlichung von Saarlandberichten auf der Titelseite und der Aufmacherposition sowie die Publikation saarlandspezifischer Beilagen zurückzuführen; vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 482.
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Crédit Mutuel Centre Est Europe über.116 Die Zeitung erscheint in sieben Ausgaben im Gebiet des Départements Moselle und des nördlichen Teils des Départements Meurthe-et-Moselle. Um die Spezifika dieser Regionalzeitung zu erfassen, ist die französische Medienlandschaft näher zu beleuchten. Das Rundfunk- und Pressewesen in Frankreich gilt seit seiner Entstehung während des Zweiten Weltkriegs bzw. nach der Befreiung als Bestandteil des politischen Systems und unterstand zunächst dem Staat.117 Mit dem Aufstieg des Fernsehens in den 1960er Jahren fand eine allmähliche Verlagerung der Staatsaufsicht von der Kontrolle der Medieninhalte auf die Marktregulierung statt.118 Demnach sieht sich der Staat in der Pflicht, den Medienwettbewerb zu regulieren. Zudem hat der politische Zentralismus zur Folge, dass eine Konzentration der überregionalen Tageszeitungen in Paris festzustellen ist, wodurch sich eine Hauptstadtpresse etabliert hat. Regionale Zeitungen hingegen werden zumeist nur von der dortigen Leserschaft rezipiert. Zwar werden in Deutschland ebenfalls überregionale Tageszeitungen herausgegeben, die regional verankert sind, aber im Gegensatz zu Frankreich werden diese auch in ganz Deutschland verkauft und gelesen und nicht nur im Verbreitungsgebiet.119 Die große Bedeutung der Hauptstadtpresse in Frankreich führt unweigerlich zu einer politischen, ökonomischen und medialen Machtkonzentration in der Metropole. Gleichwohl werden die bekanntesten überregionalen Tageszeitungen Le Monde und Le Figaro in ganz Frankreich rezipiert, obwohl sie trotz vereinzelt gegründeter Redaktionen in den Regionen keinen Lokaljournalismus anstreben und es keine lokaljournalistische Nähe zur Bevölkerung der Regionen gibt.120 So liest jeder zweite Franzose eine Regionalzeitung, aber nur jeder fünfte eine überregionale Tageszeitung. Zwar belief sich im Jahre 2006 in den Regionen die Anzahl der Regionalzeitungen auf 60, jedoch zeigt die durchschnittliche Auflagenstärke der Regionalzeitungen (auf 1000 Einwohner kommen 150 Zeitungsexemplare), dass Zeitungen in Frankreich weniger rezipiert werden als beispielsweise in Deutschland: Lag die Leserdichte der Tageszeitungsexemplare im Jahr 2005 je 1000 Einwohner in der Bundesrepublik bei 333, betrug diese in Frankreich 164.121 Dass in den französischen Regionen zudem verschiedene Interessengruppen wie konservative regionale 116 Vgl. Scholz, Christian/Bollendorf, Tanja/Eisenbeis, Uwe: Medienstandort Saar(LorLux). Bestandsaufnahme, Entwicklungsperspektiven, Umsetzungsstrategie, München 2005, S. 57. 117 Vgl. Tümmers, Hans: Das politische System Frankreichs, München 2006, S. 207. 118 Vgl. Bourgeois, Isabelle: »Frankreichs Medien zwischen Staat und Markt«, in: Marieluise Christadler/Henrik Uterwedde (Hg.), Länderbericht Frankreich. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Opladen 1999, S. 423-440, hier S. 423. 119 Vgl. H. Tümmers: System, S. 209. 120 Vgl. U. Kempf: System, S. 296. 121 Vgl. E. U. Große/H.-H. Lüger: Frankreich, S. 252.
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Presseverleger, Anzeigenkunden sowie Lokal- bzw. Regionalpolitiker zusammentreffen, führt nicht zu der notwendigen Imageverbesserung der ohnehin bereits seit längerem in einer wirtschaftlichen und ideellen Modernisierungskrise steckenden Medienbranche. Die aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ererbten Besitzstände und veralteten Herstellungsprozesse wiederum führten zu hohen Produktions- und Vertriebskosten sowie traditionsverhafteten, aber überholten inhaltlichen oder strukturellen Leitlinien, die eine erfolgreiche, rezipientenorientierte Arbeit im Medienbereich bis heute erschweren.122 So existieren in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland und Luxemburg keine Abonnentenverträge. Stattdessen erwerben zwei Drittel der Zeitungsleser ihre Zeitungen an Kiosken, was zur Verkaufsförderung eine sensationsjournalistisch visuelle Aufmachung der Zeitungen notwendig macht.123 Allerdings gibt es in Frankreich keine explizit dem Sensationsjournalismus zuzuordnende Zeitung. Die Presse in Frankreich gilt zunehmend als Meinungspresse. Der politisch einseitige, investigativ ausgerichtete Journalismus, der sich beispielsweise in politisierenden Kommentaren äußert, lässt Rückschlüsse auf die Parteizugehörigkeit des Redakteurs zu.124 Der investigative Journalismus wird in Frankreich neben der geringen Anzahl der Abonnenten durch geringe Werbeeinnahmen sowie die steigende Bedeutung von Gratiszeitungen und insbesondere das Internet verstärkt. 125 Der Erhalt der Tagespresse ist in Anbetracht dieser wirtschaftlichen Umstände lediglich durch eine öffentliche Subventionierung mit jährlich 300 Millionen Euro zu bewerkstelligen.126 Die Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft Frankreichs befindet sich aber nicht nur wegen struktureller und politischer Veränderungen in einer Krise. Sie wird auch durch den Konzentrationsprozess in der französischen Tagespresse bedroht.127 Die derzeit größten Medienkonzerne sind die Gruppe Socpresse und der Medienkonzern Hachette-Filipacchi Médias (HFM), der einen Großteil der auflagenstarken Regionalzeitungen besitzt. Darüber hinaus ist die HFM einer der größten Pressekonzerne Frankreichs, der neben Télé 7 jours, Elle, Paris-Match auch die einzige Pariser Sonntagszeitung, Le Journal de Dimanche, herausgibt.128 Um dem Konzentrationsprozess und damit der Krise des Pressewesens entgegenzuwirken, wurde 1986 ein Anti-Konzentrationsgesetz erlassen. Es sollte, verhindern, dass mehr als 30 % der in Frankreich
122 Vgl. I. Bourgeoi: Medien, S. 427. 123 Vgl. H. Tümmers: System, S. 209. 124 Vgl. U. Kempf: System, S. 294. 125 Vgl. ebd., S. 293. 126 Vgl. H. Tümmers: System, S. 209. 127 Vgl. U. Kempf: System, S. 294. 128 Vgl. ebd., S. 294f.
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erscheinenden Tageszeitungen einer Mediengruppe angehörten. Dennoch beherrscht ein Konzern weitgehend die jeweilige Regionalpresse.129 3.2.3 Luxemburger Wort: Zwischen Meinungspresse und katholischer Zeitung Als erste luxemburgische Zeitung erschien 1704 das katholische Blatt La Clef du cabinet des princes. Die Monatsschrift hatte einen Umfang von 60 bis 70 Seiten. 1788 in Luxemburg verboten, verschwand das Medium 1794 infolge der Wirren der Französischen Revolution endgültig vom Markt. Nach der Abschaffung der Pressezensur durch Ferdinand I. im Jahr 1848 wurde die bis heute bedeutendste Tageszeitung, das Luxemburger Wort, gegründet. Sie ist die führende (ca. 70 000 Exemplare täglich seit 2004)130, trilinguale (Deutsch, Französisch, Luxemburgisch) Tageszeitung Luxemburgs. Das Luxemburger Wort wird vom Verlagshaus Saint-Paul Luxembourg herausgegeben. Die Medienlandschaft Luxemburgs ist durch die wirtschaftliche Bindung der meisten Pressehäuser an die katholische Kirche, Parteien oder Gewerkschaften gekennzeichnet. Beim Luxemburger Wort sind diese Abhängigkeitsverhältnisse die Folge des Besitzes der Verlagsgruppe durch das Erzbistum Luxemburg und eine ausgeprägte Nähe des Luxemburger Worts zur Christlich-Sozialen Volkspartei CSV. Heute erscheinen rund 400 periodische Publikationen in Luxemburg, davon allein sechs Tageszeitungen, deren Auflage sich auf insgesamt mehr als 142 000 Exemplare beläuft. Die Vielfalt auf dem luxemburgischen Pressemarkt lässt sich vorwiegend dadurch erklären, dass der Staat die Mehrheit der Publikationen finanziell unterstützt. Die staatliche »Pressehilfe« wurde 1976 gesetzlich festgelegt und in den Jahren 1991 und 1998 angesichts der Konkurrenz durch die Rundfunkliberalisierung deutlich erhöht. Sie ermöglicht das Überleben einer hohen Anzahl an Presseerzeugnissen und somit auch indirekt einen parteipolitischen Pluralismus. Denn fünf der sechs Tageszeitungen haben sich seit ihrer Gründung einer ideologischen Ausrichtung verschrieben und stehen den entsprechenden Parteien und Gewerkschaften nahe. Derzeit teilen sich das christlich-konservative Luxemburger Wort, das sozialistische Tageblatt (1913), die kommunistische Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek (1946), das liberale Lëtzebuerger Journal (1948) und der Quotidien (2001) den luxemburgischen Tageszeitungsmarkt.131
129 Vgl. ebd., S. 295. 130 Vgl. Hilgert, Romain: Zeitungen in Luxemburg 1704-2004, Luxemburg 2004, S. 67. 131 Vgl. Elsen, Anne: Journalisten und Politiker im Kommunikationsraum Luxemburg. Eine Befragung, München 2004, S. 31.
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Luxemburgs Medienlandschaft zeichnet sich – verglichen mit angrenzenden Ländern – durch verschiedene Besonderheiten aus.132 Diese lassen sich auf die Größe des Landes sowie die Bevölkerungszahl und -struktur zurückführen. Bei einer Gesamtbevölkerung von 451 600 Einwohnern, wovon zwei Drittel der Staatsangehörigkeit nach Luxemburger sind (ca. 277 400), ist die Zahl der potentiellen Mediennutzer verglichen mit anderen Ländern sehr klein, wegen des hohen Anteils an Migranten aber sehr heterogen.133 Medien in Luxemburg sind aufgrund der Landesgröße auch zugleich nationale und lokale Medien. Ein drittes Charakteristikum stellt die Oligopolstellung der drei Medienhäuser Imprimerie Saint-Paul (ISP), Radio-Télé Lëtzebuerg (RTL) sowie der Editpress-Gruppe in der luxemburgischen Medienlandschaft dar. Ungeachtet überwiegender Mischformen von Regional- und Tageszeitungen sowie einer Konzentration auf wenige Verlagshäuser mangelt es der luxemburgischen Presselandschaft nicht an Vielfalt: Erstens durch eine – gemessen an der erreichbaren Einwohnerzahl – große Anzahl von Presseerzeugnissen: Luxemburger Wort und Tageblatt, ihre französischsprachigen Pendants La Voix du Luxembourg (bis Ende September 2011) und Le Quotidien sowie die liberale Tageszeitung Lëtzebuerger Journal und die kommunistische Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek. Als Wochenpresse sind die drei Zeitungen Woxx, Le Jeudi sowie D’Lëtzebuerger Land, die Familien- und Fernsehzeitschriften Télécran und Revue, die auf Portugiesisch veröffentlichten Publikationen Contacto und Correio sowie die Satirezeitschrift Den neie Feierkrop zu nennen. Zweitens wird die Pluralität von Printtiteln durch eine staatliche Pressehilfe gefördert, die nahezu alle Pressehäuser unterstützt. Zwar ist Luxemburg durch eine vielfältige Medienlandschaft gekennzeichnet, Expansionsmöglichkeiten bieten sich den luxemburgischen Medienprodukten jedoch nicht, da sie im Ausland auf geringes Interesse stoßen und der heimische Markt klein ist. Die Pressehilfe besteht zum einen aus einem für alle Zeitungen gleichen Sockelbetrag und zum anderen aus einem im Verhältnis zur Seitenzahl errechneten Betrag. Die Auflagenstärke spielt dabei keine Rolle, um kleinere Blätter nicht zu benachteiligen. Tageszeitungen erhalten jährlich eine Million Euro, das Gesamtbudget der »Pressehilfe« liegt bei mittlerweile über sechs Millionen Euro pro Jahr. Sie fördert die Pluralität auf dem Pressemarkt, in dem sie ermöglicht, dass jede Partei Luxemburgs ein Sprachrohr zur Verfügung hat. Die Verbundenheit der Medien mit bestimmten politischen Lagern wird seit Ende der 1990er Jahre zunehmend schwächer. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass das
132 Vgl. Barth, Christof/Bucher, Hans-Jürgen: Forschungsbericht und Entwurf eines Verhaltenskodex für Funkmedien des Großherzogtums Luxemburg, Trier 2003 (öffentlicher Forschungsbericht),
http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb2/prof/MED/POM/Projektbe
richt_ Verhaltenskodex_Luxemburg.pdf, S. 8 vom 15.12.2014. 133 Vgl. C. Barth/H.-J. Hemmer: Medien, S. 209.
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Luxemburger Wort sowohl die Politik der CSV als auch anderer Parteien positiv bewertet, Selbstdarstellungen und Gastkommentare verschiedener politischer Gruppierungen veröffentlicht und neben der CSV auch andere Wahlwerbung machen wie in den Jahren 1999 und 2004.134 Eine dritte Besonderheit ist die durch die Besitzverhältnisse bedingte Bindung der meisten Pressehäuser an gesellschaftliche Institutionen wie die katholische Kirche, die Parteien, internationale Medienkonzerne oder Gewerkschaften.135 Tageszeitungen sind die wichtigsten politischen Informationsquellen in Luxemburg. Die Radio- und Fernsehanstalt RTL als europäischer Mediengigant gilt im Großherzogtum zwar als wichtiger Wirtschaftsfaktor, weniger jedoch als Politikvermittler.136 In der luxemburgischen Zeitungslandschaft nimmt das Luxemburger Wort hinsichtlich Informationsangebot und -funktion als regionale Tageszeitung eine Monopolstellung ein.137 Im Gegensatz zu Frankreich werden in Luxemburg Tageszeitungen sehr oft über Abonnements vertrieben. So hatte das Luxemburger Wort im Jahr 1998 eine Abonnentenrate von 92,5 %, der verbleibende Prozentsatz bezog die Zeitung im freien Verkauf.138 Die steigende Bedeutung der Gratiszeitungen im Großherzogtum führt – wie auch in Deutschland und Frankreich – zu einem sich verringernden Stellenwert von Abonnentenverträgen bei den Tageszeitungen.
3.3 R ÄUMLICHE V ERGLEICHSEBENE : S AAR L OR L UX -R EGION Bei der räumlichen Vergleichsebene handelt es sich um eine Gegenüberstellung des deutschen Bundeslandes Saarland, der ostfranzösischen Region Lothringen und des Großherzogtums Luxemburg. Seit 1970 sind diese Teilgebiete als SaarLorLux-Region unter einen grenzüberschreitenden Kooperationsraum gefasst; die institutionalisierte Zusammenarbeit findet dabei im Rahmen einer gemischten deutsch-französischen Regierungskommission statt, der 1971 auch das Großherzogtum beigetreten ist.139
134 Vgl. ebd., S. 584. 135 Vgl. ebd., S. 208. 136 Vgl. Schroen, Michael: »Das politische System Luxemburgs«, in: Wolfgang Ismayr (Hg.), Die politischen Systeme Westeuropas, Opladen 3. Aufl. 2003, S. 415-444, hier S. 436. 137 Vgl. ebd., S. 437. 138 Vgl. Hellinghausen, Georges: 150 Jahre Luxemburger Wort. Selbstverständnis und Identität einer Zeitung 1973-1998, Luxemburg 1998, S. 43. 139 Vgl. R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 64.
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Zum zur Großregion erweiterten Gebiet zählen ein Nationalstaat (das Großherzogtum Luxemburg), eine französische Region (Lothringen), zwei deutsche Bundesländer (Rheinland-Pfalz und das Saarland) und eine Region Belgiens (Wallonien) mit ihren beiden Sprachgemeinschaften (Französisch und Deutsch). Dabei stellt die europäische Grenzregion SaarLorLux ein Beispiel multilateraler Formen interregionaler Kooperation dar und ist damit Teil der Diskussion um ein »Europa der Regionen«: »Das Schlagwort vom ›Europa der Regionen‹ ist in den letzten Jahren zum festen Bestandteil der politischen wie auch wissenschaftlichen Debatten über die Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft und über die Struktur einer Europäischen Union geworden.«140 Der Begriff und das ihm zu Grunde liegende Konzept sind indes nicht erst mit den verstärkten integralföderalistischen Regionalismusbestrebungen der 1980er und 1990er Jahren entstanden, sondern schließen an Denkansätze der 1920er Jahre an.141 Undine Ruge wies im Rahmen einer kritischen Ideengeschichte für die Genese des Konzepts nach, dass es sich um »konservative, personalistisch-organologische und antinationalstaatliche Traditions- und Tradierungslinien«142 handelt. Auf Basis der Analysen integralföderalistischer Europakonzepte der Zwischenkriegszeit von Denis de Rougemont (»Europe des Régions«) und Guy Héraud (»Europe des Ethnies«) verifiziert sie die Grundthese ihrer Untersuchung, wonach es sich beim Entwurf »Europa der Regionen« um ein ursprünglich konservatives und antiliberales Europakonzept handelt.143 Die substaatlichen Varianten des »Europa der Regionen«-Konzepts aus den 1960er bis 1980er Jahren, die auf einem dreistufigen Aufbau Europas gründen und wozu auch der grenzüberschreitende Kooperationsraum SaarLorLux zählt, betrachtet Ruge als »politikfähige« Transformation des Konzepts »Europa der Regionen«. Durch die regionalistischen Bewegungen und interregionalen Disparitäten erwuchs – so Ruge – ein Problemdruck bei den europäischen Nationalstaaten, der mit der Existenz von Nationalstaaten kompatible Europakonzepte verlangte. Dabei konnte sie nachweisen, dass die Konzepte bzw. Begriffe von Denis de Rougement und Guy Héraud in zahlreichen deutschen und französischen Schriften der 1960er bis 1980er Jahre aufgegriffen wurden.144 Diese Schriften werteten mit Hilfe der Erfindung des »Europa der Regionen« die personalistisch verstandene Region als »wahres Vaterland« sowie als »organische Grundeinheit eines integral-föderalistischen Europas«145 auf. 140 Ebd., S. 13. 141 Vgl. Ruge, Undine: Die Erfindung des »Europa der Regionen«. Kritische Ideengeschichte eines konservativen Konzepts, Frankfurt am Main 2003, S. 13f. 142 Vgl. ebd., S. 14. 143 Vgl. ebd., S. 21. 144 Vgl. ebd., S. 279. 145 Ebd., S. 320.
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Ohne auf diese von Ruge erarbeitete Genese und politikstrategischen Transformationen des Konzepts Bezug zu nehmen, verweisen Rudolf Hrbek und Sabine Weyand auf drei Konzeptionen und Vorstellungen des Konzepts »Europa der Regionen«: »In seiner radikalsten Interpretation wird das Schlagwort ›Europa der Regionen‹ oft als Forderung verstanden, daß Regionen an die Stelle der Staaten als Bausteine des europäischen Zusammenschlusses treten sollen.«146 Die zweite, weniger radikale Vorstellung eines »Europa der Regionen« geht davon aus, dass interregionale Zusammenschlüsse mit ihren rechtlichen sowie administrativen Bestimmungen, aber auch kulturellen und medialen Initiativen nationale Grenzen in der Europäischen Union überschreiten und damit die nationalen Staatsgebilde durchlässiger gestalten. Regionale Kooperationen fördern durch intensive Kommunikationsbeziehungen den Integrationsprozess und damit die zwischenstaatliche Zusammenarbeit und können folglich Fehlentwicklungen in der EU vorbeugen.147 Die dritte Konzeption sieht die Notwendigkeit eines bereits weiter oben erwähnten dreistufigen Aufbaus der Europäischen Union und fasst damit die zweite in ein rechtsgültiges Ordnungssystem, »[das] die Regionen neben den Nationalstaaten und der supranationalen Ebene als eigenständige Akteure im Integrationsprozess anerkennt«.148 Diese substaatliche Konzeption, die nichts mehr mit der einstigen antinationalstaatlichen Stoßrichtung gemein hat, verweist zum einen darauf, dass Länder, Regionen und autonome Gemeinschaften Europas in den »europäischen Politikformulierungs- und Implementierungsprozess«149 integriert werden sollten; zum anderen auf ein funktionales Europakonzept, das überparteilich Politiker und Funktionäre auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene ansprach. Zwar lebte im Rahmen der EU-Osterweiterung die originäre Variante als ethnisch-antinationalstaatliches Konzept in der europapolitischen Debatte erneut auf, die Begriffs- und Konzeptdiskussion verdeutlicht dennoch »das gewachsene Selbstbewußtsein subnationaler territorialer Einheiten«.150 Unter das substaatliche »Europa der Regionen«-Konzept der 1960er bis 1980er Jahre ist auch die im »Montandreieck« Saarland, Lothringen und Luxemburg 1971 im Rahmen einer zunächst deutsch-französischen Regierungskommission institutionalisierte Zusammenarbeit zu fassen. Erst ein Notenwechsel zwischen den Außenministern der beteiligten Staaten führte zu einer formalen Absicherung dieser Zusammenarbeit. Die Nationalregierungen setzten hierfür 1971 zur Be-
146 R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 13. 147 Vgl. ebd., S. 14. 148 Ebd., S. 14. 149 U. Ruge: Erfindung, S. 316. 150 R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 15.
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teiligung der regionalen Gebietskörperschaften eine Regionalkommission SaarLorLux-Trier/Westpfalz ein. 151 Das Gebiet der Regionalkommission SaarLorLux schloss die Gesamtheit des Großherzogtums, die gesamte Region Lothringen, das Saarland, aber nur Teile von Rheinland-Pfalz ein. Die schrittweise Weiterentwicklung und vertragliche Festschreibung152 zur europäischen Großregion Saar-Lor-LuxRheinland-Pfalz-Wallonie umfasst seit 1995 auch die französische und deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens.153
151 Vgl. B. Groß/P. Schmitt-Egner: Regionen, S. 109. 152 Im Rahmen des Ersten Gipfels der Großregion am 20. September 1995 wurde von folgenden Teilnehmern eine gemeinsame Grundsatzerklärung festgelegt: dem Premierminister des Großherzogtums Luxemburg, dem Ministerpräsidenten des Landes RheinlandPfalz, dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, dem Präfekt der Region Lothringen, dem Präsidenten des Regionalrates von Lothringen, dem Präsidenten des Generalrates der Meurthe-et-Moselle, dem Präsidenten des Generalrates der Moselle, dem Ministerpräsidenten der Wallonischen Region, dem Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens; vgl. 1. Gipfel der Großregion, 20. September 1995, Bad Mondorf, Gemeinsame Grundsatzerklärung: http://www.granderegion.net/de/documents-officiels/ declarations-communes-finales/1_gipfel_gemeinsame_erklaerung.pdf vom 03.07.2015. 153 Vgl. Schmitt-Egner, Peter: »Von der ›Grenzüberschreitenden Region‹ Saar-Lor-Lux zur europäischen ›Großregion‹ Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz-Wallonien. Rahmenbedingungen, Strukturwandel und Akteure der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Saar-Lor-Lux«, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Hg.), Jahrbuch des Föderalismus, Tübingen 2001, S. 357-378, hier S. 360f.
4. Erhebungsmethoden
Um die Darstellung von Migranten in den Printmedien der europäischen Grenzregion SaarLorLux zu untersuchen, bedient sich die vorliegende Arbeit zweier textanalytischer Ansätze: der Inhalts- und der Interdiskursanalyse. Bei der zunächst durchgeführten Inhaltsanalyse handelt es sich um ein empirisches Datenerhebungsverfahren, das sich von hermeneutischen Vorgehensweisen unterscheidet. Das Ziel dieser Inhaltsanalyse ist die Beschreibung textimmanenter und textexterner Zusammenhänge.1 Sie verfolgt demgemäß zwei Absichten: zum einen die Beschreibung der medialen Migrationsberichterstattungen im engeren Sinn in der Saarbrücker Zeitung, dem Républicain Lorrain und dem Luxemburger Wort anhand vorab definierter Kriterien, um darüber auch Differenzen und Konkordanzen in den Darstellungen herauszustellen. Zum anderen ist das Ziel, über die deskriptive Ebene hinaus Schlussfolgerungen auf weitere Aspekte zu ziehen: den Kommunikator, den Rezipienten und die historische, politische sowie soziale Situation.2 Da eine umfassende Rezeptionsstudie nicht ohne weiteres möglich ist, beziehen sich die Inferenzschlüsse überwiegend auf Kommunikatoren (Journalisten bzw. Aussagenträger) und den sozio-politischen Kontext. Inferenzen auf den Kommunikator wurden auf Basis der Nachrichtenwert-Forschung gezogen, die die Selektionskriterien der Journalisten bei der Auswahl von Nachrichten untersucht. Inferenzen auf die sozio-politische Situation hingegen lieferte primär die Themenanalyse.3 Das Bestreben von Diskursanalysen ist hingegen, die dahinterstehenden diskursiven Regelungen (z.B. über die Herausarbeitung sprachlicher Mittel) zu untersuchen. Das
1 2
Vgl. Früh, Werner: Inhaltsanalyse. Theorie und Praxis, Konstanz 6. Aufl. 2007, S. 65. Vgl. Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, Berlin 12. Aufl. 2008, S. 181f.
3
Vgl. K. Merten: Inhaltsanalyse, S. 169.
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Heranziehen eines explizit qualitativen Analyseinstrumentariums in der vorliegenden Studie ist mit der qualitativen Wende zu dieser Art der Erkenntnismethoden zu begründen.4 Wie die weiter unten skizzierte »qualitativ-quantitativ-Debatte« aufzeigt, sieht die Inhaltsanalyse zwar qualitative Analyseschritte vor, die jedoch aus Quantitäten ihre inhaltlichen Schlüsse zieht. Um ein ausschließlich qualitatives Analyseinstrumentarium handelt es sich bei der Inhaltsanalyse somit nicht. Die Diskursanalyse bedient sich im Kern inhaltsanalytischer Verfahren und ist damit ebenfalls sowohl quantitativ als auch qualitativ angelegt; originär ist sie aber ein Textanalyseverfahren der qualitativen Sozialforschung. Die Grundannahme aller diskursanalytischen Ansätze ist, dass Kommunikatoren durch Kommunikationsstrategien – zum Beispiel die Verwendung bestimmter symbolischer oder argumentativer Mittel – bestimmte Wirklichkeitsvorstellungen in die Gesellschaft hineintragen.5 Ziel der diskursanalytischen Untersuchung ist dabei, die Ideologien, die hinter dem gezielten Einsatz von Sprache stehen, aufzudecken. Unter dem Sammelbegriff »discourse analysis« ist eine Vielzahl (sozio-)linguistischer, ethno-methodologisch-konversationsanalytischer, soziologischer und psychologischer Forschungsansätze zu fassen.6 Dabei ist die Mehrheit der Diskursanalysen insofern quantitativ angelegt, als sie das Augenmerk darauf legen, welche wiederkehrenden Formulierungen an der Textoberfläche auf diskursiven Regelungen beruhen. Erst in der Reihe von wiederkehrenden Diskurselementen kann sie auf die diskursiven Regelungen, die dahinterstehen, zurückschließen. Qualitativ ist eine Diskursanalyse aber dabei insofern, als diese diskursiven Regelungen nicht zu identischen Formulierungen an der Textoberfläche führen müssen, sondern es dabei durchaus Spielräume (diskursive Positionen) gibt. Während die Inhaltsanalyse die Quantitäten und Qualitäten an der Oberfläche durchaus untersucht, schließt die Diskursanalyse auf dahinterstehende diskursive Regelungen. Im Sinne der sozialwissenschaftlichen Diskursforschung stellen die diskursiven Regelungen die »institutionellen Regulierungen von Aussagepraktiken und deren performative, wirklichkeitskonstituierende Macht«7 heraus. Dementsprechend standen folgende Fragen im Mittelpunkt der Diskursanalyse: Welche symbolisch-argumentativen Mittel im Sinne der Erfassung von Kollek-
4
Vgl. Mayring, Philipp: Einführung in die qualitative Sozialforschung, Weinheim/Basel 5. Aufl. 2002, S. 9.
5
Vgl. Maurer, Marcus/Reinemann, Carsten: Medieninhalte. Eine Einführung, Wiesbaden 2006, S. 67f.
6
Vgl. Keller, Reiner: Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen, Opladen 4. Aufl. 2011, S. 20.
7
Ebd., S. 8.
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tivsymbolen und Topoi werden in den Migrationsberichterstattungen der europäischen Grenzregion SaarLorLux eingesetzt? Wann tauchen welche Mittel auf und wann verschwinden sie wieder? Zu ihrer Beantwortung bedient sich die Studie des diskurstheoretischen Ansatzes von Jürgen Link, der Interdiskursanalyse; die Analyse berücksichtigt im Rahmen einer Bestandsaufnahme die wiederkehrenden symbolisch-argumentativen Textelemente Kollektivsymbole und Argumentationstopoi. Dabei bilden Kollektivsymbole einen Spezialfall der Argumentationstopoi.8 Während es sich bei den Kollektivsymbolen um kulturell verankerte, »relativ stabile, häufig wiederkehrende Teilstrukturen […], z.B. kollektiv verwendete und ebenso kollektiv rezipierbare Symbole […]«9 handelt, ermittelt die Analyse von Topoi die Dominanz bestimmter Argumentationsmuster in einem bestimmten Zeitraum für oder gegen (weitere) Zuwanderung durch die absolute Auszählung ihrer Häufigkeit sowie ihrer quantitativen Veränderung. Durch die Topos-Analyse wird somit das Vorherrschen bestimmter Denk- und Argumentationsmuster und deren Veränderung im Betrachtungszeitraum erfasst. Die Interdiskursanalyse ist somit über die inhaltsanalytischen Zielsetzungen – Beschreibung des Gegenstandes und Schlussfolgerungen auf medialer und sozio-historischer Ebene – hinaus eine textanalytische Ergänzung, die sprachlich wiederkehrende Charakteristika von Textelementen in den Vordergrund stellt. Im Folgenden wird zunächst die Erhebungsmethodik der Inhaltsanalyse im Hinblick auf die Kriterien der Datenerhebung (Fallauswahl, Grundgesamtheit, Analyseeinheit und Codierbuch) vorgestellt. Im Anschluss erfolgt die Darlegung der Interdiskursanalyse und der ihr inhärenten Interdiskurstheorie. Das Kapitel schließt mit Hinweisen zur Qualitätssicherung (Äquivalenz, Reliabilität und Validität), die beide Methoden gleichermaßen betreffen.
4.1 E RHEBUNGSMETHODIK DER I NHALTSANALYSE Das in den empirischen Sozialwissenschaften gängige Verfahren der Inhaltsanalyse ist eine in den 1930er und 1940er Jahren in den USA entwickelte wissenschaftliche Forschungsmethode mit weitestgehend standardisierten Anwendungsregeln für die
8
Vgl. Link, Jürgen: Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe. Eine programmierte Einführung auf strukturalistischer Basis, München 5. Aufl. 1993, S. 192.
9
Parr, Rolf: »Interdiskurstheorie/Interdiskursanalyse«, in: Clemens Kammler/ders./Ulrich Johannes Schneider, Foucault-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart 2008, S. 202-206, hier S. 203.
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Untersuchung von Mitteilungen und Kommunikationsprozessen. 10 Die Inhaltsanalyse basiert auf mehreren Definitionen, von denen die wichtigsten – die Definitionen von Berelson, Früh und Merten – im Folgenden gegenübergestellt werden: Der amerikanische Verhaltensforscher Bernard Berelson fasste die damals bereits vorhandenen Ergebnisse und Regeln zur Inhaltsanalyse 1952 in seiner einflussreichen Schrift »Content Analysis in Communication Research« wie folgt zusammen: »Content analysis is a research technique for the objective, systematic, and quantitative description of the manifest content of communication.«11 Er beschränkte sich auf die quantitative Beschreibung manifester Inhalte von Kommunikation; über Textinhalte hinausgehende Schlussfolgerungen etwa auf Kommunikatoren oder Rezipienten erwähnt er indes nicht.12 Zwar verzichtet der deutsche Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten in seiner Definition der Inhaltsanalyse auf die Begriffe »objektiv« und »quantitativ«, jedoch nicht auf »manifest«: »Inhaltsanalyse ist eine Methode zur Erhebung sozialer Wirklichkeit, bei der von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nichtmanifesten Kontextes geschlossen wird.«13 Der ebenfalls aus Deutschland stammende Medien- und Kommunikationswissenschaftler Werner Früh betrachtet im Gegensatz zu Bernard Berelson und Klaus Merten den Begriff »manifester Inhalt« neben den Termini »objektiv« und »quantitativ« nicht als konstitutiven Definitionsbestandteil: »Die Inhaltsanalyse ist eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten Inferenz auf mitteilungsexterne Sachverhalte.«14 Die Früh’sche Definition bedarf ebenfalls der Erläuterung, da sich die Begriffe »empirisch«, »systematisch«, »intersubjektiv nachvollziehbar« und »Inferenz« nicht aus sich selbst heraus erklären. Als »empirisch« wird die Methode dann bezeichnet, wenn Forschungsergebnisse durch Experimente, Beobachtungen oder Messverfahren ermittelt werden. Dabei beruhen die Ergebnisse auf gezielten, systematisch verlaufenden Untersuchungen: Ein Ausschnitt aus der sozialen Realität wird nach definierten, im Untersuchungsinstrument festgelegten Regeln gemessen. Die Ergebnisse aus der Inhaltsanalyse müssen von anderen Forschern intersubjektiv nachvollziehbar sein, d.h. reproduzierbar, kommunizierbar und kritisierbar. 15 Über die deskriptive Ebene hinaus ziehen Inhaltsanalysen von Medien meist weitergehende Schlussfolgerungen aus der analysierten Medienberichterstattung, so genannte Inferenzen, auf 10 Vgl. Noelle-Neumann, Elisabeth/Schulz, Winfried/Wilke, Jürgen (Hg.): Publizistik Massenkommunikation, Frankfurt am Main 2004, S. 42. 11 Berelson, Bernard: Content Analysis in Communications Research, Glencoe 1952, S. 18. 12 Vgl. P. Atteslander: Methoden, S. 188. 13 K. Merten: Inhaltsanalyse, S. 15. 14 W. Früh: Inhaltsanalyse, S. 27. 15 Vgl. ebd., S. 28.
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mitteilungsexterne Sachverhalte. Wichtigste Kontexte für Inferenzschlüsse sind der Kommunikator, etwa der Journalist und/oder andere Aussagenträger, der Rezipient sowie die historische, politische und soziale Situation. 16 Patrick Rössler verweist im Gegenzug wegen der fehlenden Stellungnahme zum Begriff des manifesten Inhaltes im Analysebegriff Frühs auf die bei der Definition von Merten enthaltene Übertragung »von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nicht-manifesten Kontextes«. Damit würden nicht nur Inhalte erfasst, die »schwarz auf weiß« vorhanden seien, sondern auch »versteckte« Medienbotschaften wie Bewertungen oder Ironie.17 Neben der Beschreibung der Berichterstattung sind aber gerade die Inferenzschlüsse auf die soziale Wirklichkeit eine grundsätzliche Zielsetzung von Inhaltsanalysen, die auch für die vorliegende Inhaltsanalyse von großer Bedeutung ist. Seit den 1970er-Jahren fand in Deutschland eine Auseinandersetzung um quantitative und qualitative Methoden in den empirischen Sozialwissenschaften statt. 18 Nach Früh ist eine von anderen Kommunikationswissenschaftlern wie Siegfried Kracauer, Alexander George, Holger Rust, Siegfried Lamnek und Philipp Mayring seit den 1950er Jahren vorgenommene Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Inhaltsanalyse abzulehnen.19 Die Benennung als »quantitative« Inhaltsanalyse sei irreführend, da sie nach Werner Früh »implizit eine Scheinalternative zu ›qualitativen‹ Analyseverfahren [anbietet], wo im Grunde nur eine quantifizierende Ergänzung vorliegt«.20 In der Regel sei zwar von einer quantitativen Methode zu sprechen, da im Rahmen einer repräsentativen Grundgesamtheit die Entdeckung zahlenmäßiger Zusammenhänge angestrebt werde; diese setze jedoch im Allgemeinen
16 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 31f. 17 Vgl. ebd., S. 24. 18 Vgl. Kübler, Hans-Dieter: »Qualitative versus quantitative Methoden in der Medienanalyse«, in: Armin Burkhardt/Hugo Steger/Herbert Ernst Wiegand, Handbücher zur Sprachund Kommunikationswissenschaft. Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen. 1. Teilband, Berlin/New York 1999, S. 256-271, hier S. 256. 19 Vgl. Kracauer, Siegfried: »The Challenge of Qualitative Content Analysis«; in: Public Opinion Quarterly 16 (1952), S. 631-642; vgl. George, Alexander: »Quantitative and Qualitative Approaches to Content Analysis«, in: Ithiel de Sola Pool (Hg.), Trends in Content Analysis, Urbana 1959, S. 7-32; Rust, Holger: »Qualitative Inhaltsanalyse. Begriffslose Willkür oder wissenschaftliche Methode? Ein theoretischer Entwurf«, in: Publizistik 25 (1980), S. 5-23; vgl. Lamnek, Siegfried: Qualititive Sozialforschung, Bd. 1: Methodologie, Weinheim 3. Aufl. 1995; Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim/Basel 11. Aufl. 2010; ders.: Einführung, S. 114-121. 20 W. Früh: Inhaltsanalyse: S. 38.
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eine qualitative Analyse voraus: »Jede Beobachtung bzw. Identifizierung eines inhaltlichen Textmerkmals ist zunächst ein ›qualitativer‹ Analyseakt, dessen zählendquantifizierende Weiterverarbeitung diesen Charakter nicht aufhebt.« 21 Demnach ziehen die so genannten »qualitativen« Inhaltsanalysen zumeist aus zuvor ermittelten quantitativen Befunden inhaltliche Schlüsse22, wodurch sich quantitative und qualitative Methoden ergänzen und einer Wechselwirkung unterliegen. 23 Die Grenzen zwischen qualitativen und quantitativen Inhaltsanalysen sind somit fließend, da sie beide letztlich über die Erhebung empirischer Daten darauf abzielen, die soziale Wirklichkeit aus diesen herauszufiltern.24 Auch der Sozialforscher Philipp Mayring als renommiertester Vertreter der qualitativen Inhaltsanalyse plädiert für eine Überwindung des Gegensatzes qualitativ versus quantitativ, indem er mit Früh darauf hinweist, dass der Forschungs- und Erkenntnisprozess in einer inhaltsanalytischen Studie qualitative Analyseschritte voraussetze 25, obgleich wesentliche Differenzen in Theorie, Aufgabe und Ethik der beiden Methoden festzustellen seien.26 Folglich kann – wie Daniel Müller zu Recht anführt – »qualitativ« und »quantitativ« nur idealtypisch zu verstehen sein27. Die vorliegende Inhaltsanalyse strebt somit keine Unterscheidung in quantitativ – qualitativ an, sondern umfasst beide Ebenen. 4.1.1 Kriterien der Datenerhebung Als Kriterien der Datenerhebung wurden festgelegt: die Fallauswahl, die Grundgesamtheit, die Analyseeinheit und das Codierbuch. Aufgrund des umfangreichen Datenmaterials wurde eine Stichprobe und keine Vollerhebung durchgeführt. Auf der Grundlage der Stichprobe der künstlichen Woche, das die Codierung aller themenbezogenen Artikel an einem festgelegten Werktag pro Woche über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren vorsah (Beginn der künstlichen Woche: Montag, 1. Januar 1990), wurde ein verkleinertes, strukturgleiches Abbild der Grundgesamtheit erzeugt. Der Repräsentationsschluss dieser kleinen Auswahl auf die Merkmale aller Elemente, auf die sich die Forschungsfrage bezieht (Grundgesamtheit), war durch ein angemessenes Auswahlverfahren möglich. Bei der Festlegung der Analyseeinheiten wurde das Untersuchungsmaterial hierarchisch auf verschiedene Ebenen verteilt: vom Allgemeinen (d.h. der Zeitung) zum
21 Ebd., S. 38. 22 Vgl. ebd., S. 67. 23 Vgl. H.-D. Kübler: Methoden, S. 268. 24 Vgl. K. Merten: Inhaltsanalyse, S. 15. 25 Vgl. P. Mayring: Inhaltsanalyse, S. 19. 26 Vgl. H.-D. Kübler: Methoden, S. 268. 27 Vgl. D. Müller: Darstellung, S. 86.
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Besonderen (d.h. Ressorts und Artikel). Durch diese Gliederung des Untersuchungsmaterials können strukturelle Merkmale verschiedener Ebenen der Berichterstattung identifiziert werden. Diese Ebenen werden dadurch konstituiert, dass sie Träger bestimmter Informationen sind. Die Definition jeder Ebene als eigene Analyseeinheit ermöglicht wiederum eine optimale Codierung ohne Informationsverluste. 28 Beim Thema des Artikels sowie der Benennung von Statusgruppen mit ausländischer Herkunft wird sinnvollerweise auf der Analyseeinheit der Artikelebene codiert. Die Auswahleinheit, d. h nach welchen Kriterien das der Inhaltsanalyse zu Grunde liegende Material ausgewählt wird,29 wurde auf unterster Ebene, dem Ressort, definiert. Dabei wurden alle redaktionellen Zeitungsteile einbezogen. In der Saarbrücker Zeitung wurden im Zeitungsmantel die Ressorts Politik, Kommentar-Hintergründe, Region, Leserseite, Sport, Blick in die Welt, Saarlandseite, Wirtschaft und Soziales sowie Kultur berücksichtigt; ferner wurden alle Lokalausgaben der saarländischen Tageszeitung einbezogen: Stadtverband Saarbrücken, Völklingen, Merzig-Wadern, Neunkirchen, Homburg, Dillingen, Sankt Ingbert, Saarlouis und Sankt Wendel. Im Républicain Lorrain umfasst der Mantelteil die Ressorts France, Étranger, Économie, Région, Départementale und Sports; als Lokalteile werden geführt: Metz, Hagondange, Orne, Thionville, Hayange, Briey, Longwy, Forbach, Sarreguemines, Sarrebourg und Saint-Avold. Bis 2002 erschien zudem der Lokalteil »Luxembourg«. Das Luxemburger Wort führt im Mantelteil folgende Ressorts: Politik/Gesellschaft, Wirtschaft, Buntes/Campus, Kultur und Sport; die luxemburgische Tageszeitung publiziert keine Lokalausgaben im Sinne von Kopfblättern, sondern Rubriken: Stadt und Land, Norden, Süden, Osten, Zentrum/Lokales, Varia, Region/Großregion. Beim Thema des Artikels wurde auf Artikelebene codiert. Da manche Artikel auch mehrere Themen behandelten, musste in solchen Fällen eine Mehrfachcodierung vorgenommen werden. Um Handlungs- und Aussagenträger auszuwerten, war es notwendig, eine weitere Analyseeinheit, d.h. »jene Elemente aus dem Untersuchungsmaterial, für die im Rahmen der Codierung eine Klassifizierung vorgenommen wird«30, unterhalb der Artikelebene einzuführen: die Aussagenebene. Eine feingliedrige Erhebung von Inhalten, die keine pauschale Codierung von Urhebern oder Bewertungen auf Artikelebene vornimmt, erfordert die Codierung von Aussagen als selbstständige Analyseeinheit. Dadurch wird jede einzelne Aussage in jedem Artikel als eigener Fall dargestellt.31 Dieses Vorgehen ermöglicht zudem – wie in der vorliegenden Inhaltsanalyse zu den Handlungs- und Aussagenträgern – Mehrfachcodierun-
28 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 78f. 29 Vgl. ebd., S. 50. 30 Vgl. ebd., S. 70. 31 Vgl. ebd., S. 75f.
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gen. Die errechneten Prozentwerte auf der Artikelebene (Themenanalyse) und Aussagenebene (Analyse der Handlungs- und Aussagenträger) bezogen sich dabei auf die Anzahl der Fälle. 4.1.2 Codierbuch Das Kategoriensystem des Codierbuchs ist das Herzstück jeder Inhaltsanalyse. Dabei wurden mit der formalen und inhaltlichen Kategorie klassische inhaltsanalytische Kategorien erstellt. Daneben erfasst das Codierbuch eine weitere, gesondert unter den Interdiskursanalysen diskutierte sprachliche Kategorie. Dem Codierbuch lag ein Nominalskalenniveau zu Grunde, d.h. die berücksichtigten Variablen stellen Namen und qualitative Bezeichnungen dar. Zur intersubjektiven Überprüfbarkeit (vgl. Kap. 4.1.3) liegt der Arbeit das Codierbuch bei (vgl. Kap. 9). Das Codierbuch wurde vor der Hauptanalyse in einer Voruntersuchung (Pretest) angewandt. Dabei verschlüsselte die Forscherin in drei Phasen jeweils 30 Artikel. Die Ergebnisse wurden verglichen, daraufhin Abweichungen und problematische Variablen bzw. Ausprägungen modifiziert. Die Variablen zur Themenanalyse wurden beispielsweise an die Erfordernisse eines trilingualen Codierbuchs angepasst. Die Statusgruppe Illegale bzw. sans-papiers war eine erst nach dem Pretest aufgenommene Bezeichnung, die sich in der Voruntersuchung sowohl in den deutschen als auch französischen Artikeln als bedeutsam erwiesen hatte. Die Liste zur Benennung von Handlungs- und Aussagenträgern umfasst fünf Ebenen: die nationale (n), transnationale (tn), supranationale, grenzüberschreitende und globale Ebene. Da die auf der nationalen und transnationalen Ebene aufgeführten Personenbezeichnungen identisch sind, wurde durch das jeweils dahinter folgende Kürzel »n« oder »tn« bestimmt, ob es sich um eine auf nationaler oder auf transnationaler Ebene agierende bzw. kommunizierende Person handelt. Formales Die Kategorie »Formales« basiert auf den rein äußerlichen Codiereinheiten des Codebuchs. Darunter sind manifeste Sachverhalte zu fassen, die meist durch Zählen und Messen festgehalten werden und keine Inferenzen des Codierers vorsehen.32 Als formale Kategorien wurden festgelegt: Position der Artikel in den Zeitungsteilen, Platzierung im redaktionellen Kontext, journalistische Darstellungsformen, Bebilderungen und Nationalitäten. Die Position ermittelte, in welchem Zeitungsteil der Artikel erschienen ist: Titelseite, Mantelteil oder Lokalteile. Die Platzierung im redaktionellen Kontext bezieht sich darauf, in welchen Ressorts die Textbeiträge erschienen sind. Als journalistische Darstellungsformen wurden folgende sach- und meinungs-
32 Vgl. ebd., S. 113.
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betonten Textsorten bestimmt: Agenturnachrichten, organeigene Berichte, Mischformen (Agenturberichte kombiniert mit organeigenen Berichten), Korrespondentenberichte, Reportagen, Interviews, Kommentare/Glossen/Leitartikel und Leserbriefe. Zwar wurde als Analyseeinheit der journalistische Beitrag in Textform festgelegt, dem Textbeitrag zugeordnete Bilder, Karikaturen, Grafiken sowie geschlossene Text- und Bildelemente wie Infokästen fanden aber als weitere formale Kategorie ebenfalls Berücksichtigung. Bei der Messung der Größe des Beitrages in cm² wurden dementsprechend die den Beiträgen zugeordneten Bilder und Titelüberschriften mit einbezogen. Die Analyse des Wechselverhältnisses von Text und Bild setzt zusätzliche bildanalytische, z.B. kunsthistorische Verfahren zur Ikonografie und Ikonologie, oder Analyseinstrumentarien des Fotojournalismus voraus. 33 Ohne die genannten bildanalytischen Verfahren in der vorliegenden Studie anzuwenden, erlaubt es die Analyse der bildimmanenten Inhalte aber nach Personen und Ereignissen in jedem Bild zu suchen. Ferner gehört es in der Medienanalyse der Migrationsberichterstattung zur (formalen) Standardprozedur, die Angabe von Nationalitäten in den Artikeln zu ermitteln. Inhaltliches Als inhaltliche Kategorien wurden bestimmt: Artikel, Themen, Statusgruppen, Handlungs- und Aussagenträger, Ereignis- und Bezugsort. Zwar zählt die Entwicklung der Artikelanzahl ebenfalls zu quantifizierbaren »manifesten Sachverhalten«, durch die Bestimmung so genannter medialer Peaks in der Artikelverteilung führt diese jedoch unmittelbar zur Themenanalyse. Schließlich hängt ein besonders häufiges Vorkommen von Artikeln für bestimmte Zeitpunkte oder -räume mit Schlüsselereignissen bzw. Themenanlässen zusammen. Folglich wurde auch die Codiereinheit Artikel wie die Codiereinheit Themen unter die inhaltliche Kategorie subsumiert. Die Zeitungsartikel wurden themenanalytisch für alle drei Printmedien in je drei Themenebenen eingeordnet: die politische, die zivilgesellschaftliche und die migrantenspezifische. Auch die unter den einzelnen Themenebenen behandelten, mitunter zahlreichen Themenschwerpunkte wurden pro Medium dargestellt. Eine weitere inhaltliche Kategorie stellen die Statusgruppen dar. Der Terminus Statusgruppe geht auf juristische Begriffe zurück, die dem Völkerrecht, der jeweiligen nationalen und europäischen Migrationspolitik und dem länderspezifischen Ausländerrecht entstammen. Aus dem deutschen migrationspolitischen Rechtskontext 33 Eine systematische Analyse der Pressefotografie würde zudem die Einordnung in einen publizistischen oder historischen Kontext voraussetzen, vgl. Hoppe, Nicole: Bilder in der Tagespresse. Die Saarbrücker Zeitung und die FAZ im Vergleich (1955-2005), Korb 2007, S. 12.
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wurden folgende Statusgruppen herangezogen: Ausländer, Zuwanderer/Einwanderer, Migranten und Illegale, Asylbewerber bzw. Asylanten, Aussiedler, Flüchtlinge. In der Migrationspolitik Frankreichs begegnet man folgenden Statusgruppen: immigrés, étrangers, sans-papiers, réfugiés, demandeurs d’asile und clandestins. Durch die bilinguale, deutsche und französische Berichterstattung in Luxemburg wurden die Statusgruppen vorgegeben: Das luxemburgische Ausländerrecht ist durch zwei französischsprachige Gesetzestexte bestimmt: Loi du 29 août 2008 sur la libre circulation des personnes et lʼimmigration und Loi du 16 décembre 2008 sur lʼintégration et lʼaccueil des étrangers; die Mediensprache hingegen ist trotz des Aufkommens französischer Printerzeugnisse nach wie vor in erster Linie Deutsch. Bei der Artikelauswahl im Luxemburger Wort, welches deutsche und französische Textbeiträge beinhaltet, wurden somit sowohl die oben erwähnten deutschen als auch französischen Bezeichnungen einbezogen. Eine weitere inhaltliche Kategorie stellten die Handlungs- und Aussagenträger dar. Als Handlungsträger gelten Personen oder Gruppen, die im Beitrag unmittelbar als Aktive und damit als zentrale Akteure benannt wurden, aber weder in direkter noch indirekter Rede zu Wort kamen.34 Unter den Aussagenträgern bzw. Zu-WortKommenden wurden, angelehnt an die Begriffsdefinition des deutschen Zeitungsforschers Günther Rager, Personen oder Gruppen bezeichnet, die in den Artikeln direkt oder indirekt zitiert werden und/oder von denen Äußerungen in Form von Zusammenfassungen wiedergegeben wurden.35 Aus der dem Codierbuch zugehörigen Liste von Handlungs- und Aussagenträgern war eine Mehrfachkodierung für bis zu drei Akteuren bzw. Zu-Wort-Kommenden möglich. Die Handlungs- und Aussagenträger agierten und kommunizierten nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf der nationenübergreifenden Ebene. Daher wurden fünf Ebenen aus dem Datenmaterial ermittelt und in der zugehörigen Liste ausgezeichnet: die nationale, transnationale, supranationale, grenzüberschreitende und globale Ebene. Um der Fragestellung nachzugehen, ob und inwiefern Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Printmedien vorliegen, war mitunter die Information bedeutsam, an welchem Ort sich das berichtete Ereignis abspielt (Ereignisort) bzw. auf welchen Ort sich die Auswirkungen des (zentralen) Ereignisses beziehen (Bezugsort).36 34 Definiert nach der bei Günther Rager und Norbert Jonscher vorgenommenen Begriffsbestimmung von »Handlungsträgern«, vgl. Rager, Günther: Publizistische Vielfalt im Lokalen. Eine empirische Analyse, Tübingen 1982, S. 62 und Jonscher, Norbert: Lokale Publizistik. Theorie und Praxis der örtlichen Berichterstattung. Ein Lehrbuch, Opladen 1995, S. 463. 35 Vgl. G. Rager: Vielfalt, S. 65. 36 Rössler definiert den Ereignisort folgendermaßen: »Codiert wird hier, wo das Ereignis faktisch stattfand, d.h. der Ort, an dem sich das faktische Geschehen abspielte.« Davon unterscheidet er den Bezugsort: »Codiert wird hier, auf welchen Ort sich die Auswirkungen des
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Zur Erfassung der inhaltsanalytischen Variable Ereignis- und Bezugsort wurde erneut die Logik der hierarchischen Codierung angewendet: Von den Kontinenten, über die Europäische Union (supranationale Organisation) bis hin zu Nationen wurden die Ausprägungen bis auf die Grenzregion SaarLorLux und die Regionen heruntergebrochen. Die Inhaltsanalyse hatte zum Ziel, Differenzen und Konkordanzen zwischen den Migrationsberichterstattungen in der Saarbrücker Zeitung, im Républicain Lorrain und im Luxemburger Wort herzustellen. Diesen gingen die medienanalytischen Beschreibungen der Migrationsberichterstattungen in den berücksichtigten Printmedien und den Schlussfolgerungen hinsichtlich Kommunikator und sozio-politischer Verhältnisse voraus. 4.1.3 Qualitätsstandards: Äquivalenz, Reliabilität und Validität Thomas Hanitzsch und Klaus-Dieter Altmeppen kritisieren auf der Grundlage ausgewerteter komparativer Forschungsstudien in deutschen kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften im Betrachtungszeitraum 1948 bis 2005 einen Mangel an Transparenz und intersubjektiver Überprüfbarkeit und damit die Zuverlässigkeit (Reliabilität) und Gültigkeit (Validität) inhaltsanalytischer Messinstrumente.37 Erfolgsmerkmale eines inhaltsanalytischen Instruments sind die Gütekriterien Reliabilität und Validität. Das erarbeitete Instrumentarium und die durchgeführte Messung sollten in der Lage sein, die Forschungsfragen zu beantworten. Die Reliabilität und Validität des Messinstruments stellen inhaltsanalytische Erfolgsmerkmale hierfür dar. Die Validität gilt dabei als übergeordnete Begrifflichkeit; sie prüft die Gültigkeit des gesamten Messvorgangs. 38 Die Reliabilitätsmessung gilt als Standardprozedur im Verlauf einer Inhaltsanalyse. Reliabilitätskoeffizienten sind Garanten für eine intersubjektiv nachvollziehbare Messung und damit eine Qualitätsstudie.39 Die Reliabilität eines Messinstruments stellt die Zuverlässigkeit einer Messung fest, d.h., dass bei wiederholter Messung das gleiche Ergebnis erzielt wird. Dabei sind drei wesentliche Typen der Reliabilitätsmessungen inhaltsanalytischer Instrumente zu nennen: Im Rahmen der Intercoder-Reliabilität wird – erstens – die Übereinstimmung mehrerer Codierer am selben Textmaterial gemessen; darüber hinaus misst die Intracoder-Reliabilität bei langer Projektdauer – zweitens –, wie sich die Übereinstimmung eines jeden Codierers Ereignisses konzentrieren, wobei zur Beurteilung das zentrale Ereignis herangezogen wird.« vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 144. 37 Vgl. T. Hanitzsch/K. D. Altmeppen: Vergleichen, S. 200. 38 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 195. 39 Vgl. ebd., S. 197.
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zu Beginn und am Ende der Feldphase verhält.40 Einen dritten Typus der Reliabilitätsmessung stellt die Forscher-Codierer-Reliabilität dar. Sie misst, inwiefern Übereinstimmungen von Codierer und Forscher vorliegen, und gilt als Beleg für die Validität einer Studie.41 In inhaltsanalytischen Studien zur Migrationsberichterstattung wird zumeist die Intercoder-Reliabilität geprüft. So wurde in der von Betina Meißner und Georg Ruhrmann durchgeführten quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse zum Ausländerbild in den Thüringer Tageszeitungen zu Beginn und am Ende des Pretests codiert. Das Codierteam verschlüsselte mit dem überarbeiteten Codierbuch eine über den im Pretest hinaus vorgesehene Artikelanzahl für die Variablentypen formal-syntaktisch, semantisch und pragmatisch. Bei den formal-syntaktischen Variablen erzielten die Codierer mit 99,5 % einen hohen Grad an Übereinstimmung, bei den semantischen und pragmatischen mit 86,7 % bzw. 82,5 % einen hohen Grad.42 Mit Blick auf international vergleichende Untersuchungen sind bei der Reliabilitätsprüfung mit diesen Messungen zwei Probleme zu nennen. Erstens: Die Projektsprachenkompetenz von Codierer und Forscher fällt bei einem internationalen Codierteam schwerer ins Gewicht, als wenn Forscher und Codierer dieselbe Person sind. Lauf und Peter beschreiben in ihrer Methodenstudie zur Intercodierer-Reliabilität bei verschiedensprachigen Inhalten, dass Variationen in der Projektsprachenkompetenz zu erheblich abweichenden Reliabilitätswerten führen können. Um ähnliche Reliabilitäten wie bei einem Codieren in der Muttersprache und eine hohe Übereinstimmung mit der vom Forscher beabsichtigten Codierung zu erreichen, seien daher muttersprachliche oder äquivalente Fremdsprachenkenntnisse der Codierer Voraussetzung.43 Zwar sieht Rössler die Notwendigkeit, in international vergleichenden Analysen eine Kombination aus projektsprachlichem und sprach-spezifischem Test-Retest-Design durchzuführen, räumt zugleich aber als zweites Problem bei der Reliabilitätsmessung ein, dass die Realisierung eines solchen Vorhabens an der Forschungspraxis vorbeigehe.44
40 Vgl. W. Früh: Inhaltsanalyse, S. 188. 41 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 197. 42 Vgl. B. Meißner/G. Ruhrmann: Ausländerbild, S. 21. 43 Vgl. Lauf, Edmund/Peter, Jochen: »Die Codierung verschiedensprachiger Erhebungsinstrumente und Gütemaße«, in: Werner Wirth/Edmund Lauf (Hg.), Inhaltsanalyse. Perspektiven, Probleme, Potentiale, Köln 2001, S. 199-217, hier S. 213. 44 Vgl. Rössler, Patrick: »Gütekriterien bei international vergleichenden Inhaltsanalysen«, in: Gabriele Melischek/Josef Seethaler/Jürgen Wilke (Hg.), Medien & Kommunikationsforschung im Vergleich. Grundlagen, Gegenstandsbereiche, Verfahrensweisen, Wiesbaden 2008, S. 419-434, hier S. 428.
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Die Anwendung der für Inhaltsanalysen typischen Messungen der Intercoder-Reliabilität und Intracoder-Reliabilität führt vor allem im Rahmen komparativer Forschung somit zu sprachlichen und im weiteren Sinne kulturellen Äquivalenzproblemen. Über die drei wesentlichen Typen der Reliabilitätsmessungen hinaus ist ein weiteres, überwiegend in der Psychologie und in den Sozialwissenschaften angewandtes Reliabilitätskriterium, Cronbachs Alpha, zu nennen: Dieses Modell ist einsetzbar bei Forschungsprojekten ohne ein zur Verfügung stehendes Codierteam sowie bei computergestützten Inhaltsanalysen; die vorliegende Arbeit reiht sich in diese Projektbedingungen ein. Der zweite Qualitätsstandard, die Validität, steht für die Gültigkeit der Messung, wobei Klaus Merten zwischen externer und interner Gültigkeit unterscheidet: »Unter externer Gültigkeit versteht man die Korrespondenz von Analyseergebnissen und sozialer Wirklichkeit. Interne Gültigkeit ist vor allem Zuverlässigkeit […] und definiert als Übereinstimmung zwischen dem, was ein Instrument tatsächlich erhebt bzw. mißt und dem, was es erheben bzw. messen soll.«45
Patrick Rössler nimmt diese Unterscheidung nicht vor, bezieht sich aber definitorisch auf die interne Gültigkeit, wenn er unter der Validität einer Erhebung die Gültigkeit der Messung versteht, d.h., ob das Instrument tatsächlich das misst, was es messen soll.46 Der deutsche Kommunikationsforscher Thomas Hanitzsch stellt im Rahmen aufgearbeiteter Problemzonen kulturvergleichender Medienforschung zum Qualitätskriterium Äquivalenz fest: »Die Sicherstellung von Äquivalenz ist mithin das Grundproblem komparatistischer Forschung und kann als das vielleicht wichtigste Qualitätskriterium betrachtet werden. Äquivalenz spielt im Hinblick auf die verwendeten Konstrukte, Forschungsmethoden, administrativen Prozeduren, Forschungsinstrumente, Populationen und – falls zutreffend – Stichproben eine Rolle.«47
45 K. Merten: Inhaltsanalyse, S. 302. 46 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 205. 47 Hanitzsch, Thomas: »Problemzonen kulturvergleichender Kommunikatorforschung. Methodologische Fallstudien«, in: Gabriele Melischek/Josef Seethaler/Jürgen Wilke, Medien & Kommunikationsforschung im Vergleich. Grundlagen, Gegenstandsbereiche, Verfahrensweisen, Wiesbaden 2008, S. 253-270, hier S. 256.
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Die Herstellung bzw. Überprüfung von Äquivalenz ermittelt, ob in den zu vergleichenden Systemen vergleichbare Objekte ausgewählt und auf vergleichbare Weise mit vergleichbaren Methoden erfasst wurden. Äquivalenz zu sichern bzw. herzustellen, kann als das Grundproblem komparativer Forschung bezeichnet werden, weil die zu vergleichenden sozialen Phänomene in differierende Systemkontexte eingebunden sind.48 Äquivalenz wird dabei zumindest als funktionale Äquivalenz verstanden, d.h. die Funktion von empirischen Tatbeständen für eine übergeordnete Generalisierungsebene muss zwischen den Kulturen übereinstimmen. Bezüglich vergleichender Inhaltsanalysen, die den Schwerpunkt auf zwei- bzw. dreisprachige Medienhalte legen, eröffnen sich aufgrund eben solcher Äquivalenzprobleme in der sprachlichen Anpassung der Messinstrumente einige Codierungsschwierigkeiten. Nach Edmund Lauf und Jochen Peter sei die Frage nach einer zuverlässigen Codierung verschiedensprachiger Inhalte im Rahmen einer Inhaltsanalyse noch nie direkt gestellt worden, wobei der Nachweis einer reliablen Codierung verschiedensprachiger Inhalte gerade für international vergleichende Studien, aber auch auf nationaler Ebene für verschiedensprachige Inhalte in einem Medium unabdingbar sei, um Probleme der Dateninterpretation zu vermeiden.49 Patrick Rössler hat versucht, den von Lauf und Peter dargestellten Defiziten bei der Vorgehensweise in solchen international vergleichenden Inhaltsanalysen entgegenzuwirken, indem er explizite Gütekriterien aufgestellt hat. Spezielle Gütekriterien für Vergleichsstudien anzulegen, erscheint umso wichtiger, wenn man sich neben der erwähnten Reliabilitätsproblematik auch die Schwierigkeiten von Inferenzen, d.h. interpretatorischen Schlussfolgerungen vom Text auf dessen Autor vor Augen führt. Inferenzen sind in international angelegten Vergleichsstudien nicht ohne weiteres gegeben, da diese zumeist lediglich auf zusammengesetzten nationalen Samples und Teilstudien basieren. Um aussagekräftige Inferenzen ziehen zu können, sind jedoch Kenntnisse der zu vergleichenden Medien-, Kultur- sowie Sprachsysteme unabdingbar, was eine nicht unerhebliche Anforderung darstellt.50 Rössler setzt die drei Ebenen, nach denen Gütekriterien im Allgemeinen unterschieden werden – Objektivität, Reliabilität und Validität – mit den für die Inhaltsanalyse verbreiteten Reliabilitätsmaßen der Intercodierer-, Intracodierer- und Forscher-Codierer-Reliabilität in Beziehung und berücksichtigt darüber hinaus weitere Gütekriterien wie die Identifikations-
48 Vgl. Wirth, Werner/Kolb, Steffen: »Äquivalenz als Problem. Forschungsstrategien und Designs der komparativen Kommunikationswissenschaft«, in: Frank Esser/Barbara Pfetsch (Hg.), Politische Kommunikation im internationalen Vergleich. Grundlagen, Anwendungen und Perspektiven, Wiesbaden 2003, S. 104-131, hier S. 105. 49 Vgl. E. Lauf/J. Peter: Codierung, S. 199f. 50 Vgl. P. Rössler: Gütekriterien, S. 422.
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Reliabilität, die Inhalts-, Inferenz- und Kriteriumsvalidität sowie die »sampling« bzw. »semantic validity«.51 Auf dem Gebiet der international vergleichenden Inhaltsanalyse wird mit der trinational angelegten Studie und den Fragen zu Äquivalenz Neuland betreten. Die Sicherung von Äquivalenz hinsichtlich der vergleichenden Systeme und vergleichbaren Objekte ist bei der Darstellung des komparativen Forschungsaufrisses (vgl. Kap. 3) mit Blick auf die thematische, mediale und räumliche Vergleichsebene bereits ausgiebig diskutiert worden. Ob die komparative Studie aber in allen (nationalen) Systemen vergleichbare Methoden angewendet hat, soll im Folgenden überprüft werden. Bei der Inhaltsanalyse stellt sich diese Überprüfung im Gegensatz zur Interdiskursanalyse erst gar nicht, da es sich dabei um eine international anerkannte Methode der empirischen Sozialforschung handelt. Der in den Kapiteln 2.1 und 2.2 diskutierte Forschungsstand zur Topos- und Kollektivsymbolanalyse gab bereits erste Hinweise zur Überprüfung der (methodischen) Äquivalenz. Die für den Vergleich verwendete Forschungsmethode ist die Inhaltsanalyse, die durch die Erfassung von Interdiskurselementen aus der Interdiskursanalyse ergänzt wird. Diese berücksichtigten Datenerhebungsmethoden kombinieren somit quantitative und qualitative Methoden. Der vorliegende Methodenbias ist somit eine mehrfache Komplexität von vergleichender Studie und quantitativ-qualitativen Erhebungsmethoden. Die zunächst geplante Vollerhebung hätte ein Sample von über 10 000 Artikeln hervorgebracht. Für derart große Textmengen sind repräsentative Stichproben notwendig, die den Vergleich zwischen verschiedenen Tageszeitungen sowie auch Trendaussagen im Zeitverlauf ermöglichen. Dabei wurde das effektivste Stichprobenverfahren, d.h. das mit einem zu erwartenden maximalen strukturgleichen, verkleinerten Abbild der Grundgesamtheit ausgewählt: die künstliche Woche. 52 Erstmals erprobt wurde das Verfahren der künstlichen Woche durch eine inhaltsanalytische Studie von Mintz über kriminalitätsbezogene Berichterstattung.53 Obgleich die künstliche Woche hauptsächlich zur Reduzierung des Arbeitsaufwandes eingesetzt wird, ist nicht von beispielsweise ein oder zwei künstlichen Wochen (d.h. aus jedem Monat wird ein rotierender Wochentag ausgewählt) auf die Grundgesamtheit zu
51 Vgl. ebd., S. 425. 52 Vgl. zum Verfahren der künstlichen Woche: P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 58f.; vgl. W. Früh: Inhaltsanalyse, S. 109. 53 Vgl. Mintz, Alexander: »The Feasibility of the Use of Samples in Content Analysis«, in: Harold Lasswell (Hg.), Language of Politics. Studies in Quantitative Semantics, Cambridge 1965, S. 127-145.
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schließen.54 Dadurch ist kein »einwandfreier Repräsentationsschluss von den Ergebnissen der Stichprobe auf die Grundgesamtheit«55 gegeben. Folglich sind die Interpretation der Befunde und das Ziehen von Inferenzschlüssen nur eingeschränkt möglich. Pro Jahr wurde deswegen aus jeder Woche ein rotierender Wochentag (inklusive der Samstagsausgaben) ausgewählt, woraus sich neun künstliche Wochen pro Jahr ergaben. Für die Analyse wurden über den Untersuchungszeitraum hinweg der erste Montag im Januar des ersten Jahres, der Dienstag in der nächsten Woche und dann immer ein Wochentag weiter für jede darauffolgende Woche ausgewählt. Um die künstlichen Wochen nicht zu unterbrechen, wurde am letzten ausgewählten Wochentag eines Jahres mit dem nächsten anstehenden Wochentag im nächsten Jahr fortgesetzt. Das Hauptproblem international komparativer Studien zeigt sich darin, dass die zu untersuchenden sozialen Phänomene in differierende nationale Systemkontexte eingebunden sind und der Forscher immer aus seiner eigenen kulturellen, gesellschaftlichen, methodisch-theoretischen Sicht heraus die Deskription und Analyse einer Studie vornimmt. 56 Diese weitestgehend als ethnozentristische Sicht zu bezeichnende Position der Forscherin soll im Folgenden hinsichtlich der angewandten Interdiskurstheorie erläutert und problematisiert werden. Theorien können, wie Kleinsteuber festhält, über Kulturgrenzen hinaus wandern und fruchtbare Denkanstöße geben.57 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann dieser Prozess etwa bei Adaption der Linkʼschen Interdiskursanalyse für Frankreich bzw. Luxemburg aber nicht geleistet werden. Fest steht, dass die Interdiskurstheorie nach Jürgen Link in Frankreich weitgehend nicht rezipiert wird. Wie die Betrachtung des Forschungsstands herausgestellt hat, konzentrieren sich sowohl die deutsche als auch französische Interdiskursanalyse bei ihrer Vorgehensweise stark auf Kollektivsymbole. Wegen ihrer stärker theoretischen Fundierung ist jedoch für den deutschen Kontext eine weitergehende Denomination als Interdiskurstheorie durchaus angebracht, wohingegen dies für den französischen Fall nicht zutreffend wäre. Der Forschungsstand zur französischen Topos-Analyse konnte aufzeigen, dass die französische Topos-Analyse in Theorie und Anwendung der deutschen gleicht, wodurch die kulturelle Äquivalenz gewährleistet ist, d.h. der jeweilige nationale Forschungsstand dazu den gleichen Diskussionsstand in der Theorie aufweist. 54 Vgl. W. Früh: Inhaltsanalyse, S. 109. 55 Brosius, Hans-Bernd/Koschel, Friedericke/Haas, Alexander: Methoden der empirischen Kommunikationsforschung. Eine Einführung, Wiesbaden 6. Aufl. 2012, S. 80. 56 Vgl. Niedermayer, Oskar: »Vergleichende Umfrageforschung. Probleme und Perspektiven«, in: Dirk Berg-Schlosser/Ferdinand Müller-Rommel (Hg.), Vergleichende Politikwissenschaft. Ein einführendes Studienhandbuch, Opladen 1992, S. 71-85, hier S. 75. 57 Vgl. H. Kleinsteuber: Medien, S. 87.
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Bezüglich der luxemburgischen Kollektiv- und Topos-Analyse können aufgrund der dünnen empirischen sowie theoretischen Forschungslage hierzu (noch) keine eindeutigen Hinweise transkultureller Gemeinsamkeiten oder Unterschiede ermittelt werden. Obgleich die Autorin aus ihrem nationalen Referenzrahmen heraus argumentiert und sich in dieser Arbeit explizit auf die Interdiskurstheorie nach Jürgen Link bezieht, reflektiert sie zumindest die gegenseitige Rezeption der Interdiskurstheorie in den Ländern Deutschland, Frankreich und Luxemburg. Wegen der unitheoretischen, kontextuierten Forschungsstrategie wird demnach nicht von einer spezifischen (deutschen) Theoriesicht ausgegangen und ihre Anwendbarkeit auf andere Länder überprüft.58 Auf Basis einzelner Ausgangstheorien eine metatheoretische Orientierung zu entwickeln, konnte die vorliegende Studie allenfalls leisten, indem die originäre Theoriekonzeption mitreflektiert und nicht im Sinn einer »avoidance strategy« umgangen wurde. In inhaltsanalytischen Studien zur Migrationsberichterstattung wird wegen der begrenzten Anzahl an Codierern des Öfteren die Intracoder-Reliabilität geprüft. Sie bezieht sich darauf, inwieweit Inhaltsklassifikationen im Zeitverlauf stabil und unverändert bleiben, und ist dann gegeben, wenn der gleiche Inhalt von einem Codierer jeweils gleich codiert wurde. Da sich die Frage der Stabilitätsprüfung nur auf einen einzigen Coder bezieht, gilt die Intracoder-Reliabilität als schwächste Form der Reliabilität.59 In der von Betina Meißner und Georg Ruhrmann durchgeführten quantitativen und qualitativen Inhaltsanalyse zum Ausländerbild in den Thüringer Tageszeitungen wurde zu Beginn und am Ende des Pretests codiert. Das Codierteam verschlüsselte mit dem überarbeiteten Codierbuch eine über die im Pretest hinaus vorgesehene Artikelanzahl für die Variablentypen formal-syntaktisch, semantisch und pragmatisch.60 Aus der Reliabilitätsmessung wurde allerdings nicht deutlich, ob zusätzlich die Intercoder-Reliabilität geprüft wurde, um Klarheit darüber zu gewinnen, wie gut die beiden Codierer bei der Verschlüsselung desselben Materials zu Beginn und am Ende des Pretests übereinstimmten. Dieses Vorgehen ist bei einem aus mehreren Codierern bestehenden Projekt gerechtfertigt. Bei Studien ohne ein Codiererteam ergibt sich die Schwierigkeit, dass Codierer und Forscher zwei Personen darzustellen haben, wobei der Forscher das Untersuchungsmaterial in der Regel nicht codiert. Folglich ist er weder an der Reliabilitätsmessung der Inter- noch der Intracoder-
58 Vgl. W. Wirth/S. Kolb: Äquivalenz, S. 110. 59 Vgl. Schnell, Rainer/Hill, Paul/Esser, Elke: Methoden der empirischen Sozialforschung, München 10. Aufl. 2013, S. 403. 60 Vgl. B. Meißner/G. Ruhrmann: Ausländerbild, S. 21.
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Reliabilität beteiligt.61 Selbst bei der Forscher-Codierer-Reliabilität, die die Übereinstimmung der Verschlüsselungen zwischen Forscher und Codierer misst, ist neben dem Forscher mindestens ein weiterer Codierer erforderlich. Der wissenschaftliche Anspruch, den Forscher aus der Reliabilitätsmessung so weit wie möglich auszuschließen, dient indes der Objektivierung des Messvorgangs. Da die vorliegende Studie bei der Auswertung des Datenmaterials kein Codierteam vorsah, konnten zur Reliabilitätsprüfung auch nicht die oben dargestellten gängigen Messverfahren für inhaltsanalytische Instrumentarien durchgeführt werden. Die Reliabilitätsprüfung der vorliegenden Untersuchung musste daher auf anderen Wegen erfolgen. Mit Cronbachs Alpha wurde ein in den Human- und Sozialwissenschaften gängiges Reliabilitätsmodell der internen Konsistenz angewandt, welches auf der durchschnittlichen Korrelation zwischen den Variablen beruht.62 Der Alpha-Koeffizient gilt als Standardeinstellung und als klassisches Reliabilitätskriterium bei Vorliegen von Daten eines Messzeitpunkts. Der jeder Reliabilitätsmessung zu Grunde liegenden Idee, Messwiederholungen anhand desselben Materials durchzuführen, wird mit Anwendung dieses Reliabilitätsmodells Rechnung getragen.63 Wenn alle Variablen des Instruments dieselbe Dimension messen, können die Variablen – ohne die Zuhilfenahme von Codierern – als unabhängige Messwiederholungen aufgefasst werden, sodass eine interne Konsistenz des Messinstruments vorliegt. Auf Basis dieser internen Konsistenz ist eine Reliabilitätsschätzung möglich.64 Diese Reliabilitätsmessung erfolgte mit dem Programm IBM SPSS Statistics zur Datenanalyse. Cronbachs Alpha-Koeffizient wurde für die einzelnen Datensätze zur Analyse der Saarbrücker Zeitung, des Républicain Lorrain sowie des Luxemburger Worts erstellt. Auf einzelne Itemstatistiken, die den Reliabilitätskoeffizienten pro Variable ausweisen, wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. Die folgende Zuverlässigkeitsstatistik dokumentiert jedoch im Inter-Media-Vergleich die Ausgabe des Alphakoeffizienten (α) für drei Variablentypen (VT) und einer darauf basierten Anzahl an Variablen (n). Dabei handelt es sich um die formal-syntaktischen (fs), semantischpragmatischen (sp) und symbolisch-argumentativen (sa) Variablentypen. Bei der Anzahl der Testcodierungen pro Variablentyp orientierte sich die Studie an dem von
61 Vgl. H.-B. Brosius/F. Koschel/A. Haas: Methoden, S. 151; Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Reinbek bei Hamburg 20. Aufl. 2009, S. 247-249. 62 Vgl. Bortz, Jürgen/Döring, Nicola: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler, Heidelberg 4. Aufl. 2009, S. 198f. 63 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 197. 64 Vgl. R. Schnell/P. Hill/E. Esser: Methoden, S. 142f.
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Patrick Rössler und Klaus Merten für die Beurteilung von Codiererübereinstimmungen im Rahmen von Reliabilitätstests angegebenen Minimum von 30 bis 50 Codierungen.65 Je nach Variablentyp und Schwierigkeitsgrad der Kategorien wurde in der vorliegenden Untersuchung eine Steigerung um weitere zehn Testcodierungen festgelegt: 30 Testcodierungen für die formal-syntaktischen Variablen, 40 für semantisch-pragmatische und 50 für symbolisch-argumentative Variablen: Tabelle 1: Zuverlässigkeitsstatistik zur Ausgabe von Cronbachs Alpha, unterteilt nach Variablentyp und Anzahl der Testcodierungen Saarbrücker Zeitung
Le Républicain Lorrain
Luxemburger Wort
VT
fs
sp
sa
fs
sp
sa
fs
sp
sa
α
1.0
.83
.75
1.0
.71
.70
1.0
.72
.74
n
30
40
50
30
40
50
30
40
50
Die Reliabilitätswerte nehmen mit Variablentypen und steigendem Schwierigkeitsgrad der Kategorien ab. Für die Saarbrücker Zeitung liegen alle Werte höher als für das Luxemburger Wort und den Républicain Lorrain. Die Werte für den Républicain Lorrain rangieren an letzter Stelle, im mittleren Bereich liegen die Werte für das Luxemburger Wort. Der für alle Zeitungen nachgewiesene Wert von 1.0 bei den formalen Kategorien ist in der Testkonstruktion und -evaluation ein sehr hoher Übereinstimmungswert. Zwar wird für inhaltliche Kategorien der Wert von .80 und höher als hinreichende Qualität interpretiert,66 bei Kategorien mit komplizierten thematischen und/oder sprachlich-argumentativen (fremdsprachigen) Sachverhalten kann aber bereits ein Wert ab .70 als Richtwert angesetzt werden.67 Während sich die höchsten Übereinstimmungswerte für alle Variablentypen im Datensatz der Saarbrücker Zeitung zeigen und für das Luxemburger Wort noch relativ hoch sind, nehmen die Reliabilitätswerte für die sprachlich-pragmatischen und sprachlich-argumentativen Variablentypen im Datensatz des Républicain Lorrain deutlich ab. Dieser Befund ist auf die Codierarbeit in der Fremdsprache zurückzuführen. Zwar können Messungen stets dasselbe Resultat erbringen (d.h. reliabel sein), dennoch nicht zwangsläufig das messen, was zu messen gewesen wäre. Zu klären ist
65 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 203; W. Früh: Inhaltsanalyse, S. 189. 66 Vgl. Häder, Michael: Empirische Sozialforschung. Eine Einführung, Wiesbaden 2006, S. 105. 67 Vgl. H.-B. Brosius/F. Koschel/A. Haas: Methoden, S. 53.
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demnach, ob ein Messinstrument valide ist.68 Dabei ist die Reliabilität eine Minimalvoraussetzung valider Messinstrumente. 69 In der vorliegenden Qualitätskontrolle handelt es sich im Wesentlichen um die Prüfung der beiden Validitätstypen Inhaltsvalidität und Kriteriumsvalidität.70 Zwar ist die Häufigkeit eines untersuchten Gegenstands ein Indiz für die Validität des Kategoriensystems, dennoch stellt jede Studie eine Momentaufnahme unter jeweils gültigen Rahmenbedingungen dar. Die Aufgabe bestand darin, aus dem vorhandenen Material unter Berücksichtigung der Ergebnisse bisheriger Forschungsarbeiten das für die vorliegende konkrete Forschungsfrage relevante Kategoriensystem abzuleiten. 71 Die Inhaltsvalidität hat bereits bei der Kategorienbildung eine Rolle gespielt. Dort wurde versucht, auf Basis früherer Forschungsarbeiten und in Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial ein Kategoriensystem zu eruieren. Zur Prüfung der so genannten Kriteriumsvalidität wurde die Interdiskursanalyse als ergänzende qualitative Methode herangezogen. Als externe Vergleichsquellen geben qualitative Erhebungen mitunter wertvolle Hinweise.72 Die durchgeführte qualitative Erhebung von Interdiskurselementen kann folglich als eine solche externe Vergleichsquelle bezeichnet werden. Sie ergänzt das verstärkt auf quantitative Merkmale ausgerichtete Forschungsdesign mittels – im besten Fall – Aufdecken weitergehender empirischer Phänomene. Je besser die Resultate des inhaltsanalytischen Messinstruments mit den Ergebnissen aus der (externen) qualitativen Erhebung übereinstimmen, desto valider ist das Messinstrument. In der vorliegenden Studie kann generell von einem hohen Maß an Validität ausgegangen werden. Darauf deuten nicht nur die Ähnlichkeiten des Kategoriensystems mit bereits aus anderen Forschungsarbeiten vorliegenden Kategoriensystemen hin. Des Weiteren spricht im Sinne der Kriteriumsvalidität für die Güte der gewonnenen Daten, dass das qualitative Analyseinstrumentarium zur Erfassung der Interdiskurselemente mit den inhaltsanalytisch festgestellten Charakteristika der Berichterstattung in den drei Printmedien in nicht wenigen Ergebnispunkten korreliert (vgl. Kap. 6.2).
68 Vgl. R. Schnell/P. Hill/E. Esser: Methoden, S. 144. 69 Vgl. A. Diekmann: Sozialforschung, S. 261. 70 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 205-207. 71 Vgl. H.-B. Brosius/F. Koschel/A. Haas: Methoden, S. 151. 72 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 207.
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4.2 E RHEBUNGSMETHODIK DER I NTERDISKURSANALYSE Der deutsche Soziologe Rainer Diaz-Bone hebt die interdisziplinäre und konzeptionelle Entwicklung der Diskurstheorie und -analyse hervor: »Unter der Bezeichnung ›Diskursanalyse‹ ist in den letzten Jahrzehnten ein interdisziplinäres und internationales Forschungsfeld entstanden. Dabei haben nicht nur verschiedene Disziplinen von der Linguistik, der Geschichtswissenschaft, der Psychologie bis hin zur Soziologie Beiträge zur Theorie des Diskurses und der Methode seiner Analyse eingebracht, es haben sich auch innerhalb einzelner Disziplinen verschiedene Diskurstheorien mit je unterschiedlichen Konzepten von ›Diskurs‹ herausgebildet«.73 Die vorliegende Arbeit orientiert sich an einem solchen im Anschluss an Michel Foucault vom deutschen Literaturwissenschaftler Jürgen Link entwickelten Konzept von Diskurs, der Interdiskurstheorie und -analyse. Die Einbeziehung der Interdiskursanalyse Links liegt in der Erhebung einer speziellen Sorte wiederkehrender Textelemente im Rahmen der zunächst durchgeführten Inhaltsanalyse begründet. Diese Textelemente ließen sich nicht in die formalen und inhaltlichen Kategorien des inhaltsanalytischen Erhebungsinstruments einordnen. Bei diesen Elementen handelt es sich zum einen um Argumentationstopoi, zum anderen um Kollektivsymbole. Diese stellen Kernelemente aus der Interdiskurstheorie und -analyse dar. Die Durchführung einer umfassenden Interdiskursanalyse konnte aufgrund der methodischen Komplexität des Untersuchungsdesigns nicht gewährleistet werden; diese hätte über die Bestandsaufnahme der Interdiskurselemente und damit der empirisch-materiellen Deskription diskursiver Regularitäten die historische Emergenz, aber auch den Verfall bzw. die Ablösung eines Diskurses durch neue Diskurselemente erfordert. Ziel war es hingegen, Beispiele aus dem Korpus zu geben und darüber medien- bzw. kulturspezifische Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen den Printmedien zu ermitteln. Damit wurde eine Interdiskursanalyse durchgeführt, die sich auf eine quantitative Erfassung der Interdiskurselemente Topoi und Kollektivsymbole beschränkte. Demnach geht es in der vorliegenden Arbeit darum, zum einen über die Inhaltsanalyse die medialen Darstellungsmerkmale zu erfassen und darüber auch Inferenzen auf den Kommunikator sowie die sozio-politische Situation zu schließen, zum anderen sollen wiederkehrende Textelemente kultur- und ländervergleichend erfasst und damit eine »hermeneutische Tiefe«74 analysiert werden. Im Gegensatz zu Inhaltsanalysen, die in der Regel deduktiv oder induktiv Hypothesen formulieren und diese 73 Diaz-Bone, Rainer: »Diskursanalyse«, in: Lothar Mikos/Claudia Wegener (Hg.), Qualitative Medienforschung. Ein Handbuch, Konstanz 2005, S. 538-552, hier S. 538. 74 Gerhards, Jürgen: »Diskursanalyse als systematische Inhaltsanalyse. Die öffentliche Debatte über Abtreibungen in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich«, in: Reiner Keller u. a. (Hg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 2: Forschungspraxis, Opladen 2003, S. 299-324, hier S. 307.
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mit ihren Messinstrumenten verifizieren oder falsifizieren, geht es in Diskursanalysen um »eine Diskursgeschichte als narrative Darstellung von Denk- und Argumentationsweisen, die zu bestimmten Zeiten öffentlich das Denken und Reden über ein Thema bestimmt und somit auch die ›Wirklichkeit‹ dieses Themas konstituiert oder organisiert haben«.75 Da Medien einen sozialen Ort darstellen, »von dem aus gesprochen wird und in dem Diskurse auftreten, geändert, bearbeitet sowie ausgeschlossen werden«76, wird im Rahmen der Interdiskursanalyse von Medien- bzw. Migrationsdiskursen die Rede sein. Der Terminus »Diskurs« wird bisweilen in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft inflationär als alltagssprachliches Modewort gebraucht.77 Im Kontext der Interdiskursanalyse wird er jedoch ausschließlich für den konkreten Sprachgebrauch im sozio-politischen Alltag und das daraus erwachsende Wechselverhältnis zwischen Sprachgebrauch und sozialer Struktur verwendet.78 Dabei sind die mitunter komplexen medienpolitischen Diskurse um die Auseinandersetzungen in der Einwandererfrage mit den Prämissen und Verfahren der Diskursanalyse adäquat zu erklären. Eine Inhaltsanalyse, die den Textinhalt nach quantitativen und ansatzweise qualitativen Kriterien untersucht, kann kaum leisten, »Texte als Produkte geistig-sprachlicher Auseinandersetzungen mit der Wirklichkeit und als Fragmente von übergreifenden gesellschaftlichen Diskursen zu verstehen und zu hinterfragen«. 79 Um sprachlich-diskursive Textbausteine und sozio-politische Entstehungsbedingungen von Texten zu erfassen und damit qualitative Analysen auf der konkreten Ebene von Texten zu generieren, reichen bloße Auflistungen von Argumenten, wie sie in gängigen inhaltsanalytischen Verfahren vorkommen 80, nicht aus. Obgleich Inhaltsanalysen bei der Interpretation der Ergebnisse darauf abzielen, Inferenzschlüsse auf den Kommunikator, den Rezipienten oder auf die soziale Situation zu ziehen, stellen sie lediglich Hilfskonstruktionen dar: Sie untersuchen Medientexte und nicht den für die Produktion dieser Texte verantwortlichen Forschungsgegenstand wie Journalisten, Wähler oder bestimmte politische Entscheidungen.81 Zur systematischen Beschreibung medialer Kommunikation leisten Inhaltsanalysen jedoch einen enormen Beitrag, insbesondere wenn sie den Vergleich von zwei und mehr medialen Quellen, Entwicklungen im Zeitverlauf sowie die Charakterisierung 75 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 290f. 76 Vgl. Jäger, Siegfried/Zimmermann, Jens (Hg.): Lexikon Kritische Diskursanalyse. Eine Werkzeugkiste, Münster 2010, S. 84. 77 Vgl. Jäger, Siegfried: Text- und Diskursanalyse. Eine Anleitung zur Analyse politischer Texte, Duisburg 1993, S. 24. 78 Vgl. Bonfadelli, Heinz: Medieninhaltsforschung, Konstanz 2002, S. 134. 79 Ebd., S. 135. 80 Vgl. T. Niehr/K. Böke: Diskursanalyse, S. 336. 81 Vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 249.
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der medialen Diskurse zu einem bestimmten Thema zum Ziel haben.82 Um darüber hinaus Interpretationen der »Prozesse der sozialen Konstruktion und Kommunikation symbolischer Ordnungen in institutionellen Feldern der Gesellschaft […]«83 zu ermöglichen, ist die Diskursanalyse heranzuziehen. Im Vergleich zur Inhaltsanalyse und anderen Ansätzen lassen sich drei Spezifika ausmachen:84 Erstens werden im Sinne Foucaults mit der Interdiskursanalyse Macht- und Subjekteffekte in (Medien-) Diskursen nachgewiesen. Gleichsam geht die Interdiskurstheorie über die Foucaultʼsche Spezialdiskurstheorie hinaus, wenn über analogiebildende Interdiskurselemente eine Re-Integration innerhalb der ausdifferenzierten Spezialdiskurse verfolgt wird. Die Interdiskurstheorie stellt somit in medienwissenschaftlicher Hinsicht ein theoretisches Modell zur Kopplung von Alltags-, Medien- und Spezialdiskursen dar, wodurch verschiedene Dimensionen des Medialen, wie am Beispiel der Presse die Dimensionen Bild und Text, aber eben auch des Diskurses in Verbindung zueinander treten. Zweitens ermöglicht die Interdiskursanalyse prognostische Aussagen im Migrationsdiskurs auf Basis ereignisorientierter juristischer sowie politischer Begebenheiten. Zur Veranschaulichung dieser interdiskursiven Spezifik dient folgendes Beispiel: Dass bei jeglicher Änderung des Ausländer- und Asylrechts, beispielsweise des Asylverfahrensgesetzes von 1993, als Legitimierungsgrundlage zur Gesetzesänderung von Politik wie Medien Zahlenmetaphoriken oder Flutsymbole zur imaginativen Darstellung der Asylbewerberzahlen herangezogen werden, ist medienanalytisch bereits nachgewiesen worden. Für die Gestaltung integrationsfreundlicher Verhaltensgrundsätze durch Journalist(inn)en stellt die Interdiskursanalyse ein entscheidendes Orientierungsinstrument dar, indem über die in der journalistischen Produktion eingesetzten Kollektivsymbole ihr mögliches negatives Wirkungspotential aufgezeigt wird und in der Folge ein kritischer Umgang mit der symbolischen Logik der Zahlen, Statistiken und Karikaturen im Migrationsdiskurs nahegelegt werden kann.85 Andernfalls besteht die Gefahr, dass politisch und medial aufgeladene Diskurse Eingang in den Alltagsdiskurs finden, wie beispielsweise der Diskurs um den Terroranschlag vom 11. September 2001, der sowohl von der Politik und in der Folge auch von Medien pauschal dem Islam zugeschrieben wurde, indem eine diffamierende Berichterstattung über Muslime bzw. die Integration muslimischer Migranten in der
82 Vgl. ebd., S. 24-28. 83 R. Keller: Diskursforschung, S. 69. 84 Vgl. R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 205f. 85 Vgl. Gerhard, Ute: »Sprachbilder der Bedrohung und ihre Folgen«, in: Beate Winkler (Hg.), Was heißt hier fremd? Thema Ausländerfeindlichkeit: Macht und Verantwortlichkeit der Medien, München 1994, S. 51-56, hier S. 56.
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Boulevard- wie auch Qualitätspresse stattfand.86 Im Rahmen des internationalen Vergleichs können – so die dritte Spezifik der Interdiskursanalyse – Brüche im jeweiligen nationalen Gebrauch mit den Interdiskurselementen konstatiert werden. Unter der Voraussetzung, dass sich negativ verwendete Interdiskurselemente wie Bedrohungsmetaphern in Richtung positiv oder neutral konnotierter Zuschreibungen verschieben, können diese sodann als Vorbild für andere nationale Interdiskurselemente dienen. Aus der vorangegangenen Beschreibung zur Interdiskurstheorie und zu den Charakteristika der Interdiskursanalyse bzw. -theorie ergeben sich zwei Ziele für die vorliegende Untersuchung: Ziel ist es zum einen, zu klären, »aus welchen Spezialdiskursen dominantes und akzentuiertes Wissen in die Interdiskurse einfließt und wie es symbolisiert, narrativiert und damit subjektiviert wird«.87 Das Diskurssystem, in welchem die konkreten Interdiskurselemente eingebettet sind, wird demzufolge über eine quantitative Bestandsaufnahme von Interdiskurselementen in den Migrationsberichterstattungen der Saarbrücker Zeitung, des Républicain Lorrain und des Luxemburger Worts rekonstruiert. Zum anderen gilt es vor dem Hintergrund einer komparativ erstellten Bestandsaufnahme an Interdiskurselementen zu überprüfen, welche Brücken die Interdiskurselemente über die Grenzen der Spezialdiskurse hinweg schlagen. Daher interessiert, ob und inwiefern die Grenzen der Reichweite kulturell spezifischer Topoi- und Symbol-Systeme mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammenfallen und ob sich damit ein kulturübergreifender Fundus an stabilen, immer wiederkehrenden Bildlichkeiten empirisch identifizieren lässt.88 Für die europäische Grenzregion SaarLorLux ist mit Rolf Parr für den vorliegenden Spezialdiskurs zu erwarten, dass ein gemeinsamer Grundbestand an Symbolen existiert, der von (regional-)kulturellen Interdiskurselementen ergänzt wird: »Für hochgradig interkulturelle Grenzregionen wie Saar-Lor-Lux wäre es […] ideal, über die Kompetenz zum Verstehen von und zur Artikulation in mehreren kulturellen Interdiskursen zu verfügen, kurz über die Kompetenz zur Multi-Interdiskursivität.«89 Luxemburg etwa verfügt aufgrund der Mehrsprachigkeit bereits per se über eine andere Interkulturalitätssituation als Deutschland oder Frankreich. Betrachtet man das Luxemburger Wort mit seinen trilingualen Inhalten, stellt sich umso mehr die Frage,
86 Jäger, Siegfried: »Sprachliche Gewalt gegenüber Minderheiten. Formen der sprachlichen Diffamierung in den Medien und im politischen Diskurs«, in: Der Deutschunterricht 59 (2007), S. 11-21, hier S. 20. 87 Link, Jürgen: »Kulturwissenschaft, Interdiskurs, Kulturrevolution«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 45/46 (2003), S. 10-23, hier S. 15. 88 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 89f. 89 Ebd., S. 96.
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»ob es einen spezifischen Interdiskurs in Luxemburg gibt oder ob womöglich deutschsprachige Artikel […] dem deutschen und französischsprachige dem französischen Interdiskurs folgen oder ein Mix aus französischem, deutschem oder vielleicht lëtzebuergischem Interdiskurs hergestellt wird bzw. nur für einzelne Themen auf Mischformen zurückgegriffen wird«.90
Im Folgenden soll zunächst die Interdiskurstheorie im Zusammenhang mit den Begriffsklärungen »Diskurs«, »Spezialdiskurs« und »Interdiskurs« erläutert und im Weiteren die »Interdiskurstheorie« vertiefter dargestellt werden, bevor auf die Genese der in der vorliegenden Inhaltsanalyse berücksichtigten Interdiskurselemente Topoi und Kollektivsymbole eingegangen wird. 4.2.1 Interdiskurstheorie Die folgende Diskussion stützt sich auf die theoretischen Ausführungen Jürgen Links, die – wie bereits im Kapitel zum Forschungsstand ausgeführt – überwiegend für den deutschen Kontext erprobt wurden. Die sozialwissenschaftliche Verwendungstradition des Diskursbegriffs richtet sich im Allgemeinen »auf die Analyse von Sprachgebrauch bzw. von mündlichen oder schriftlichen Texten und untersucht diese im Hinblick auf (formale) Regelstrukturen oder inhaltliche Strukturierungen.«91 Jürgen Link spezifizierte diese allgemeine Begriffsverwendung von Diskurs – ausgehend von Foucault, der einzelne Diskurse auf je spezielle Wissensausschnitte bezieht,92 – wie folgt: »Diskurse sind im Unterschied zu natürlichen Sprachen historisch-kulturell sehr viel stärker variabel und legen [sprachübergreifend] jeweils spezifische Sagbarkeits- und Wissensräume sowie deren Grenzen fest. Es sind institutionalisierte, geregelte Redeweisen als Räume möglicher Aussagen, die an Handlungen gekoppelt sind.«93
Nach Link sind Foucaults »Diskurse« als Spezialdiskurse zu definieren, da sie in den eng begrenzten Sagbarkeits- und Wissensräumen spezielles Wissen transferieren.
90 Ebd., S. 96. 91 Keller, Reiner u. a.: »Zur Aktualität sozialwissenschaftlicher Diskursanalyse. Eine Einführung«, in: ders. u. a. (Hg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 1: Theorien und Methoden, Wiesbaden 2. Aufl. 2006, S. 7-27, hier S. 9. 92 Vgl. R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 202. 93 Link, Jürgen: »Diskursanalyse unter besonderer Berücksichtigung von Interdiskurs und Kollektivsymbolik«, in: Reiner Keller u. a. (Hg.), Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd. 1: Theorien und Methoden, Wiesbaden 2. Aufl. 2006, S. 407-430, hier S. 410.
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Diese Spezialdiskurse werden in sozio-politischen und/oder journalistischen Alltagsdiskursen mittels Mechanismen der Integration in »re-integrierende, inter-diskursive Verfahren«94 transformiert, d.h. für weite Teile der Bevölkerung allgemein verständlich gestaltet. Links Konzept des Interdiskurses geht somit im Gegensatz zum Foucaultʼschen Diskursbegriff von einer systematischen Definition des Begriffs Diskurs aus, schließt jedoch auch die machtanalytische Begriffskomponente Foucaults ein. Dabei generiert sich der Machteffekt der Diskurse bei Foucault und Link aus eng begrenzten Sagbarkeits- und Wissensräumen, die bestimmten Subjekten als spezielles Wissen zur Verfügung stehen. 95 Die Wissensproduktion, die aus der Negation der Wissensspezialisierung entsteht, führt schließlich zur Herausbildung eigener »Interdiskurse«, deren Charakteristika die Nicht-Spezialität ist.96 Die Interdiskurstheorie und -analyse nach Link ist vor allem als Weiterentwicklung für den Spezialfall »Literatur« zu verstehen, da Foucault die Diskursanalyse nicht explizit als Theorie des literarischen Diskurses entwickelt hatte. Folglich erfuhr das Konzept des Interdiskurses sukzessive eine Erweiterung in kultur- und vor allem medienwissenschaftlicher Hinsicht,97 was eine Adaption des Konzeptes für die vorliegende Arbeit ermöglicht. Die Interdiskurstheorie bzw. -analyse betrachtet sowohl literarische Diskurse als auch Mediendiskurse »als Orte der Häufung solcher Diskurselemente und diskursiver Verfahren […], welche der Re-Integration des in den Spezialdiskursen arbeitsteilig organisierten Wissens dienen«.98 Diese der Interdiskurstheorie zu Grunde liegende Definition von literarisch-medialen Diskursen lehnt sich an andere Theorien wie die Systemtheorie Niklas Luhmanns99, die historische Semantik Reinhart Kosellecks 100 sowie die marxistische Gesellschaftstheorie101 an, die allesamt im Zuge der europäischen Industrialisierung und der damit zusammenhängenden technischen Entwicklung ein beschleunigtes Auseinanderdriften von Wissen konstatieren.102 Die technische Entwicklung führte innerbetrieblich in der Industriellen Revolution zur Arbeitsteilung. Sozio-kulturell betrachtet entstanden arbeitsteilig 94
R. Parr: Diskursanalyse, S. 100.
95
Vgl. J. Link: Diskursanalyse S. 410f.
96
Vgl. ebd., S. 412.
97
Vgl. R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 202.
98
Parr, Rolf/Link, Jürgen/Gerhard, Ute: »Interdiskurs, reintegrierender«, in: Ansgar Nünning (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart/Weimar 4. Aufl. 2008, S. 324.
99
Vgl. Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1997.
100 Vgl. Koselleck, Reinhart: Historische Semantik und Begriffsgeschichte, Stuttgart 1979. 101 Vgl. Marx, Karl: Zur Kritik der politischen Ökonomie. Erstes Heft, Berlin 1859. 102 Vgl. R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 203.
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bzw. disziplinär organisierte Spezialdiskurse wie beispielsweise der in Naturwissenschaften geführte, der human- und sozialwissenschaftliche sowie kultur- und geisteswissenschaftliche Diskurs.103 Um eine Verständigung über die Grenzen der Spezialdiskurse hinaus zu ermöglichen, bedarf es zugleich einer gegenläufigen Entwicklung, die über die Interdiskurse vorangetrieben wird. Diese leisten eine Re-Integration innerhalb der ausdifferenzierten Spezialdiskurse, d.h. »als kompensatorische Antwort auf das immer weitere Auseinanderdriften der Spezialwissensbereiche [wurden] auch solche diskursiven Verfahren entwickelt, die zwischen den Spezialisierungen wieder neue Verbindungen herstellen, also gleichsam Brücken schlagen.«104 Dies erfolgt über analogiebildende Interdiskurselemente wie Argumentationstopoi und Kollektivsymbole.105 4.2.2 Interdiskurselemente Als wiederkehrende Interdiskurselemente wurden Argumentationstopoi und Kollektivsymbole ausgewählt, die im Codierbuch als sprachliche Kategorie gekennzeichnet wurden. Argumentationstopoi Ein Topos ist ein Bestandteil diskursiven Wissens, der aus sprachlichen Äußerungen zu erschließen ist. Zwar stellt der Topos wie auch einzelne Begriffe oder Metaphern nur eines von vielen Diskurssegmenten dar, das jedoch als eine »diskursive Regelmäßigkeit« zu den Möglichkeitsbedingungen konkreter Äußerungen gehört.106 Aufbauend auf dem rhetorischen Topos-Begriff, wie er in Aristoteles’ Topik- und Rhetorik-Schrift eingeführt wurde,107 hat Stephen Toulmin ein prototypisches Argumentationsverfahren mit einem Dreischritt aus Argument/Aussage, Konklusion und Schlussregel erarbeitet. Für die vorliegende Analyse von Topoi ist nur der in der Schlussregel hergestellte Zusammenhang, der damit gegebene »Topos« interessant, weil er wiederkehrende Denkmuster, die versprachlicht und argumentativ eingesetzt werden, aufdeckt: Eine strittige Aussage wird deshalb valide, weil ein unstrittiges Argument geäußert wird. Das Argument überzeugt, weil es durch eine Schlussregel
103 Vgl. R. Parr/J. Link/U. Gerhard: Interdiskurs, S. 324. 104 R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 203. 105 Vgl. S. Jäger/J. Zimmermann: Lexikon, S. 70-72. 106 Vgl. Wengeler, Martin: »Topos und Diskurs – Möglichkeiten und Grenzen der topologischen Analyse gesellschaftlicher Debatten«, in: Ingo Warnke (Hg.), Diskurslinguistik nach Foucault. Theorie und Gegenstände, Berlin 2007, S. 165-183, hier S. 165. 107 Vgl. Aristoteles: Rhetorik, übersetzt und erläutert von Franz Sieveke, München 5. Aufl. 1995.
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gestützt wird.108 Martin Wengeler führt in seiner einschlägigen Arbeit »Topos und Diskurs. Begründung einer argumentationsanalytischen Methode und ihre Anwendung auf den Migrationsdiskurs (1960-1985)« exemplarisch ein normativ kausales Schlussschema zum Einwanderungsdiskurs an: Die zeitlich und logisch der Konklusion vorgelagerte Aussage »Das Asylrecht wird von vielen missbraucht« führt zur Konklusion »Das Asylrecht muss jetzt geändert werden«. Als Schlussregel dient die Aussage: »Wenn ein Recht von vielen missbraucht wird, sollte die rechtliche Grundlage verändert werden.«109 Bei Argumentationen kommt es also darauf an, dass der Rezipient die Schlussregel versteht und akzeptiert. Sie muss nicht ausgesprochen werden, sondern kann vom Rezipienten mitgedacht werden. Schlussregeln sind implizite Prämissen in Argumentationen, da sie genuines Weltwissen einer Sprachgemeinschaft darstellen.110 Solche Schlussregeln, die im Folgenden zur Definition von Topoi verwendet werden, sind erstmals von Aristoteles in seiner Schrift »Topik« gesammelt worden. Dort tauchte die Unterscheidung zwischen »allgemeinen« und »besonderen« Topoi auf.111 Allgemeine Topoi sind kontextabstrakte Strukturprinzipien von Argumentationen. Manfred Kienpointner erstellte 1992 eine solche Typologie allgemeiner Topoi, die allerdings einem sehr allgemeinen und formalen Schlussschema folgen:
108 Vgl. Toulmin, Stephen: Der Gebrauch von Argumenten, Kronberg 1975, S. 89. 109 M. Wengeler: Topos Möglichkeiten, S. 180. 110 Vgl. Kienpointner, Manfred: Alltagslogik. Struktur und Funktion von Argumentationsmustern, Stuttgart 1992, S. 46. 111 Vgl. M. Wengeler: Topos Möglichkeiten, S. 181.
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Abbildung 1: Struktur und Funktion von Argumentationsmustern
Quelle: M. Kienpointner: Alltagslogik, S. 246.
Die auf formalen Mustern der Alltagsargumentation fußende Typologie von Kienpointner ist für den Zweck der Interdiskursanalyse in dieser Arbeit zu kontextabstrakt formuliert. Um die wiederkehrenden Argumentationen im medialen Migrationsdiskurs zu definieren, müssen vielmehr die besonderen, kontextspezifischen Topoi herausgearbeitet werden, weil diese am Thema des Diskurses haften und nicht wie die kontextabstrakten in allen beliebigen öffentlich diskutierten Themen vorkommen. Als besondere Topoi gelten dagegen kontextspezifische Schlussregeln im Sinne Toulmins: »Die besonderen Topoi sind im Gegensatz zu den allgemeinen formalen Schlussmustern also inhaltlich spezifizierte ›Schlussregeln‹, die entsprechend nur in einem bestimmten inhaltlichen Bereich verwendbar sind, um plausible Argumentationen zu realisieren.«112 Eine kontextspezifische Klassifikation für den deutschen Migrationsdiskurs im Betrachtungszeitraum 1960 bis 1985 hat Martin Wengeler – wie bereits im Forschungsstand erwähnt – erarbeitet. Darüber hinaus hat Wengeler eine nicht auf systematischer Zeitungslektüre basierende Topos-Analyse für den Zeitraum 1990 bis 112 Wengeler, Martin: »Argumentationsmuster und die Heterogenität gesellschaftlichen Wissens. Ein linguistischer Ansatz zur Analyse kollektiven Wissens am Beispiel des Migrationsdiskurses«, in: Willy Viehöver/Reiner Keller/Werner Schneider (Hg.), Diskurs – Sprache – Wissen. Interdisziplinäre Beiträge zum Verhältnis von Sprache und Wissen in der Diskursforschung, Wiesbaden 2013, S. 145-166, hier S. 154.
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2002 durchgeführt.113 Wengeler bestimmte bei der Anwendung der Topos-Analyse auf den deutschen Migrationsdiskurs jeweils kontextspezifische Topoi, die als Argumentationsmuster pro Einwanderung und contra Einwanderung eingesetzt wurden. Die Differenzierung der Topoi nach »+« und »– « impliziert, dass die Verwendung von Topoi hinsichtlich der verschiedenen, in den Texten explizit diskutierten migrationspolitischen Fragestellungen im Allgemeinen pro oder contra Einwanderung verwendet werden. Topische Muster wurden demzufolge nur soweit berücksichtigt, als ihnen eine solche Funktion, pro oder contra Einwanderung zu fungieren, zugeordnet werden konnte. Die von Martin Wengeler erarbeiteten kontextspezifischen Topoi waren für die durchgeführten Interdiskursanalysen in allen drei Printmedien maßgeblich, wenngleich sie für die französische und luxemburgische Tageszeitung vom deutschen Kontext dementsprechend auf den jeweiligen nationalen Kontext übertragen werden mussten. Für die Formulierungen der einzelnen kontextspezifischen Topoi bzw. Argumentationsmuster ergab sich eine Wenn-dann-Formulierung in Form eines vollständigen Syllogismus mit Ober- und Unterprämisse sowie Konklusion. Für den HumanitätsTopos würde beispielsweise folgen: 1. Wenn eine politische Entscheidung oder deren Folgen lehrt, dass sie mit den Menschenrechten übereinstimmen, sollte eine anstehende Entscheidung getroffen werden. 2. Die bisherigen politischen Entscheidungen zeigen, dass sie mit den Menschenrechten übereinstimmen. 3. Also sollte die anstehende Entscheidung getroffen werden. Vielmehr wurden Formulierungen mit kausalen Nebensätzen eruiert, mit denen der Schluss in einem Satz komprimiert werden konnte. Der Humanitäts-Topos lautet dementsprechend: Weil eine Entscheidung/Handlung oder deren Folgen mit den Menschenrechten übereinstimmen bzw. aus humanitären Überlegungen geboten sind, ist die Entscheidung/Handlung zu befürworten bzw. auszuführen. Für die Topos-Analyse erfolgte dementsprechend in einem ersten Schritt die Herausarbeitung relevanter kontextspezifischer Schlussregeln aus der Migrationsberichterstattung, die sich anschließend unter einer Anzahl (maximal zehn) prototypisch formulierter Argumentationsmuster einordnen ließen. Den Argumentationsmustern lag eine auf Zweisträngigkeit (pro und contra) basierte Einteilung zu Grunde. Durch die Herausarbeitung wiederkehrender und quantitativ dominierender Argumentationsmuster wurden nicht nur öffentliche Wirklichkeitskonstruktionen, sondern auch ein 113 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 13-46.
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größeres Spektrum von öffentlichen Äußerungen in einem thematisch bestimmten »Diskurs« erfasst. Innerhalb dieser komparativen Topos-Analyse war das Ziel, zu klären, ob in den Migrationsberichterstattungen der Saarbrücker Zeitung, des Républicain Lorrain und des Luxemburger Worts die gleichen Topoi verwendet werden oder nicht, Parallelen bestehen und/oder medienspezifische Argumentationsmuster zeitgleich oder phasenverschoben auftreten.114 Zielsetzung eines internationalen Diskursvergleichs ist es demnach, zum einen prototypische, d.h. für ein Land charakteristische, zum anderen länderübergreifend gültige Argumente zu benennen. 115 Über die Typologisierung sowie Klassifizierung von Topoi in den Migrationsberichterstattungen der SaarLorLux-Region wurde über dominierende argumentative Denkfiguren die Wirklichkeit des Themas konstruiert. Dabei wurden aus forschungspragmatischen Gründen im Pretest zehn dominierende Argumentationstopoi pro Zeitung festgelegt; bei der Interpretation kulturspezifischer und -übergreifender Topoi ist die unvollständige, aber systematische Erfassung der Topoi stets zu berücksichtigen. Diese Denk- und Argumentationsweisen prägten den medialen Migrationsdiskurs in allen drei Printmedien und gelten daher als »kollektive Wissenssegmente«.116 Im Sinne der Interdiskursanalyse handelt es sich bei den Topoi demnach um re-integrierende, inter-diskursive Textelemente, die durch ein normatives kausales Schlussschema für weite Teile der Bevölkerung allgemein verständlich sind. Kollektivsymbole Kollektivsymbole stellen nach Link einen Spezialfall der Topoi dar.117 Kollektivsymbole als wichtigstes Element der Link’schen Diskurstheorie zeigen, dass innerhalb der Interdiskurse über die Herstellung von Analogien ebenfalls Wissen erzeugt wird. Aufgrund des sich wiederholenden und damit suggestiven Charakters von Kollektivsymbolen bildet das darüber generierte Wissen jedoch kein eigenes Spezialwissen, sondern stellt ein Verbindungsglied zwischen den verschiedenen Spezialwissensbereichen dar und ist damit kollektiv für einen größeren Teil der Bevölkerung, beispielsweise über Zeitungstexte, zugänglich. Link fasst Kollektivsymbole im Sinne einer übergreifenden Begrifflichkeit als expandierte metaphorische Komplexe (metaphorae continuatae).118 Kollektivsymbole sind Brückenschläge zwischen Spezialdiskursen. Sie gelten als Verbindungsglieder zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Praxisbereichen und ermöglichen es, an Alltagserfahrungen jedweder
114 Vgl. ebd., S. 337. 115 Vgl. ebd., S. 337. 116 M. Wengeler: Argumentationsmuster, S. 155. 117 Vgl. J. Link: Grundbegriffe, S. 192. 118 Vgl. J. Link: Diskursanalyse, S. 413.
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Person anzuschließen. Als »komplexe, ikonisch motivierte, paradigmatisch expandierte Zeichen«119 vereinen sie eine Bildseite (Pictura) und eine Seite des eigentlich Gemeinten (Subscriptio). Das Kollektivsymbol als typisches Interdiskurselement bildet eine »Analogie bzw. Isomorphie zwischen mindestens einer rudimentären komplexen Bild- und mindestens einer (meistens mehreren) entsprechenden SinnEbene(n)«.120 Um Spezialdiskurse etwa in der (medialen) Öffentlichkeit zu popularisieren, schlagen Journalisten Brücken. Das Ziel der Medienschaffenden ist es, Spezialdiskurse über deren Träger hinaus für die Gesellschaft zugänglich zu machen; als Mittel hierzu dienen Interdiskurse.121 Dabei hilft die Kollektivsymbolik der evaluativen Konnotation: Selbst ohne Intention seitens des Urhebers kollektiver Symbolik werden durch den Gebrauch einer bildhaften Sprache bestimmte Aspekte hervorgehoben und andere verdeckt. Kollektivsymbolen ist somit ein interpretativer und sogar realitätskonstituierender Charakter zu eigen, die »Denkgewohnheiten« (aus-)prägen. Metaphern als bildliche »Erklärungen« unterliegt ein kognitiver Mehrwert, sie prägen Inhalt und Konzeption von Texten und Diskursen entscheidend mit. Da die Logik der Symbole keinen oder kaum Widerspruch erlaubt, wirken bestimmte Ansichten bisweilen sogar als unangreifbar. Zahlreiche Arbeiten zum Reizwort »Asylanten«, zu Neorassismus, Migration und Multikultur aus der Bibliografie von Rolf Parr und Matthias Thiele zu den Konzepten »Interdiskurs« und »Kollektivsymbolik« weisen den Einsatz von Kollektivsymbolen im medialen Migrationsdiskurs nach.122 Kollektivsymbole gelten als »Gesamtheit aller am weitesten verbreiteten Allegorien und Embleme, Vergleiche und metaphorae continuatae (als komplexes Bild ausgeführte Metaphern), pars pro toto (synekdochai coninuatae), Exempelfälle, anschaulichen Modelle und Analogien einer Kultur.«123 Sie sprechen Alltagserfahrungen an und generieren damit ein sich durch alle sozialen Schichten durchziehendes Alltagswissen. Damit unterliegt die Grundstruktur der Pictura von Kollektivsymbolen einem allgemeinen Bekanntheitsgrad und bedarf keiner jeweils erneut anzuführenden Erklärung.124 Für die Kollektivsymbol-Analyse ist es daher notwendig, in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der Picturaund Subscriptio-Elemente zu machen.125 Im Anschluss an die Rekonstruktion der interdiskursiven Elemente sind mögliche ergänzende Elemente ausfindig zu machen, die sich daran orientieren, welche Migrationsbereiche auf die Agenda gesetzt werden 119 R. Parr: Diskursanalyse, S. 101. 120 J. Link: Konturen Kollektivsymbolik, S. 105. 121 Vgl. S. Reddeker: Werbung, S. 31f. 122 Vgl. R. Parr/M. Thiele: Link(s), S. 79-92. 123 Link, Jürgen: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Göttingen 3. Aufl. 2006, S. 42. 124 Vgl. J. Link: Grundbegriffe, S. 192. 125 Vgl. R. Parr: Interdiskurstheorie, S. 205.
E RHEBUNGSMETHODEN | 109
und in welchem Verhältnis die (nicht) berücksichtigten Bereiche zum geführten Diskurs des für die Studie festgelegten Untersuchungszeitraums stehen. Für die Analyse der Kollektivsymbolik lässt sich vor allem die Isotopie-Analyse im Anschluss an den Semiotiker Algirdas Julien Greimas technisch nutzen. Das Isotopiekonzept wurde 1966 durch Greimas in seinem Werk »Sémantique structurale« entwickelt.126 Isotopien sind die »rekurrente semantische Achse eines Textes«127, wobei ein Text grundsätzlich aus mehreren Isotopien besteht. Analog dazu ist die interdiskursive Kombination mehrerer Spezialdiskurse als Kombination entsprechender Isotopien aufzufassen. Durch die Zuhilfenahme von Isotopien ist der Unterschied zwischen Kollektivsymbolen und Metaphern genauer zu fassen: »Metaphern sind nichts anderes als punktuelle Verknüpfungen (bzw. Schnittstellen) zweier deutlich distinkter Isotopien – bei Kollektivsymbolen handelt es sich darüber hinaus bereits um systematische interdiskursive Verknüpfungen […].«128
126 Vgl. Greimas, Julien Algirdas: Sémantique structurale. Recherche de méthode, Paris 1966; deutsch: Strukturale Semantik. Methodologische Untersuchungen, Braunschweig 1971. 127 J. Link: Diskursanalyse, S. 420f. 128 Ebd., S. 421.
5. Empirische Analysen
Die empirische Untersuchung der Darstellung von Migranten in der europäischen Grenzregion SaarLorLux erfolgt im Rahmen eines strikten Parallelverfahrens in Medienstudien zur Saarbrücker Zeitung, zum Républicain Lorrain und zum Luxemburger Wort. In der Inhaltsanalyse wurden formale und inhaltliche Kategorien erfasst. Als formale Kategorien wurden Position der Artikel in den Zeitungsteilen, Platzierung im redaktionellen Kontext, journalistische Darstellungsformen, Bebilderungen und Nationalitäten festgelegt. Unter die inhaltlichen Kategorien wurden Artikel, Themen, Statusgruppen, Handlungs- und Aussagenträger, Ereignis- bzw. Bezugsort subsumiert. Die Interdiskursanalyse berücksichtigte die sprachlichen Kategorien Topoi und Kollektivsymbole. Dabei erfolgen zwischen den einzelnen Medienanalysen komparative Rückverweise auf Einzelergebnisse der im Vorfeld durchgeführten Inhaltsund Interdiskursanalyse. Im letzten Abschnitt zu den empirischen Analysen werden die für die Überprüfung der Hypothesen wichtigen Ergebnisse in einem Inter-MediaVergleich zusammengefasst.
5.1 D IE M IGRATIONSBERICHTERSTATTUNG IN DER S AARBRÜCKER Z EITUNG Die Inhalts- und Interdiskursanalysen zur Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung bilden die Grundlage für die spätere vergleichende Analyse mit dem Républicain Lorrain und dem Luxemburger Wort. Wie bereits im Kapitel »Erhebungsmethoden« dargelegt, wurden im Codierbuch drei Typen von Kategorien unterschieden: formale, inhaltliche und sprachliche. Dabei dienen die sprachlichen Kategorien innerhalb der Interdiskursanalyse zur Erfassung der wiederkehrenden
112 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Textelemente Argumentationstopoi und Kollektivsymbole und sind daher nicht Teil der folgenden inhaltsanalytischen Ergebnisse. 5.1.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: parteipolitische Debatten 5.1.1.1 Formales Unter die formalen Kategorien wurden folgende Variablen subsumiert: Position der Artikel in den Zeitungsteilen, Platzierung im redaktionellen Kontext, journalistische Darstellungsformen, Bebilderungen und Nationalitäten. Position Die Saarbrücker Zeitung setzt sich für den Betrachtungszeitraum 1990 bis 2010 im Wesentlichen aus folgenden Teilen zusammen:1 1. 2. 3.
Mantelteil: Titelseite, Themen des Tages, Region/Land, Politik, Panorama/Uni/ Internet/Kultur, Sport, Wirtschaft, Leserbrief, Sonderprodukte Lokalteile: Stadtverband Saarbrücken, St. Wendel, Köllertal, Merzig, Völklingen, Sulzbach, St. Ingbert, Homburg, Neunkirchen, Dillingen, Saarlouis, Lebach Anzeigen, Service und Termine (nichtredaktioneller Inhalt)
Die Analyse der Artikelposition hat ermittelt, dass 60,3 % der Artikel im Mantelteil, 33,1 % in den Lokalteilen und 6, 6 % auf der Titelseite erschienen sind. Auf der Titelseite fanden sich neben Leitartikeln kurze »Anreißer« mit Verweisen auf den Innenteil. Die Spartennamen unter den Kurzhinweisen lenkten zumeist auf die Politik- oder Lokalseiten, was die Bedeutung der hierfür verantwortlichen Ressorts hinsichtlich der Migrationsberichterstattung hervorhebt. Die Titelseite wurde im Verlauf des Untersuchungszeitraums nunmehr zu einem bunten Nebeneinander an Themen und war nicht wie zuvor eine reine Politikseite. Sie ist als verkürztes Inhaltsverzeichnis zu betrachten, indem sie den Leser auf die entsprechenden Artikel in den einzelnen Ressorts verweist.2 33,1 % der Artikel erschienen in den Lokalteilen. Dabei entfällt mit 19,7 % der größte Anteil auf die auch vom Seitenumfang größte Lokalausgabe Stadtverband Saarbrücken. Die übrigen 13,4 % der Artikel verteilen sich folgendermaßen auf die übrigen Lokalausgaben: Völklingen (2,7 %), Merzig-Wadern (2,2 %), Neunkirchen (1,6 %), Homburg (1,6 %), Dillingen (1,5 %), St. Ingbert (1,4 %), Saarlouis (1,3 %), St. Wen-
1 2
Vgl. P. Wiermer: Nachrichtengeografie, S. 131. Vgl. Schneider, Wolf/Raue, Paul-Josef: Handbuch des Journalismus, Reinbek bei Hamburg 2009, S. 259-264.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 113
del (1,1 %). Die Zahl der Lokalteile hat sich bis 2010, dem Ende des Untersuchungszeitraums, nicht geändert. Allerdings konnten in geringem Maße zwischen 1990 und 1995 und verstärkt für die Jahre 2005 bis 2010 Überschneidungen von Artikeln zwischen den geografisch aneinandergrenzenden Lokalteilen St. Wendel und MerzigWadern sowie Homburg und St. Ingbert festgestellt werden, d.h., bestimmte Artikel erschienen sowohl in dem einen als auch anderen Lokalteil. Auch Susanne Dengel stellte für das Jahr 2005 eine stärkere Überschneidung geografisch benachbarter Lokalausgaben fest, während 1995 die lokalen Ausgaben praktisch keine identischen Inhalte aufwiesen.3 Im Vergleich zu den oftmals klar voneinander getrennten Sparten Politik, Wirtschaft und Kultur eines Mantelteils herrscht im Lokalteil als Querschnittsressort die größte Themenvielfalt. Dieser Regionalisierungstrend setzte sich nach inhaltsanalytischen Befunden von Susanne Dengel zur Themenverteilung auf der Titelseite allerdings erst allmählich durch. Während in den 1950er Jahren vorwiegend europäische und globale Ereignisse aus dem Sachgebiet Politik, insbesondere Außenpolitik und internationale Politik, auf der Titelseite der Saarbrücker Zeitung standen, verdrängten Artikel aus der Region zunehmend das globale Weltgeschehen.4 Die verstärkte Ausrichtung der saarländischen Tageszeitung auf regionale/lokale Inhalte geht mit einem Anstieg der Lokalteile von sieben im Jahr 1955 auf zwölf im Jahr 2005 einher.5 Zwar kritisiert der Historiker und Erfinder des Lokaljournalistenprogramms Dieter Golombek den Lokaljournalismus als einst rückständig und konservativ, bezeichnet aber in einem Gesamturteil die Artikel des neuen Lokaljournalismus mit seinem Hang zu universellen Themen als leserorientiertes »Herzstück einer Zeitung«6, da dieser Teil darüber entscheide, wie sich der Leser mit seiner Zeitung zu Hause fühle. Der Anstieg der Lokalberichterstattung und damit der Regionalisierungstrend kann in der Folge als (politische) Strategie der Saarbrücker Zeitung betrachtet werden, nachdem sie 1972 die Monopolstellung im Saarland errungen hatte.7 In der Folge wurden Lokalteile der Zeitung ausgebaut, indem der Seitenumfang erhöht8 und zwischen 1995 und 2005 neue Lokalteile eingerichtet wurden. Darüber hinaus stärkte die Saarbrücker Zeitung die Ausrichtung auf das regionale Verbreitungsgebiet durch Positionierung von Artikeln mit regionalem/lokalem Bezug nicht nur in den lokalen Zeitungsteilen: Seit 1955 ist ein kontinuierlicher Anstieg von 3
Vgl. P. Wiermer: Nachrichtengeografie, S. 212.
4
Vgl. S. Dengel: Berichterstattung, S. 190.
5
Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 454.
6
Zitiert nach: W. Schneider/P.-J. Raue: Handbuch, S. 280.
7
Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 440.
8
Dengel ermittelt einen Anstieg des Zeitungsumfangs von elf Seiten im Jahr 1955 auf 44 Seiten für das Jahr 2005; vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 444.
114 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Saarlandthemen im Mantel sowie eine zunehmende Platzierung von Saarlandberichten auf Titelseite und Aufmacherposition zu konstatieren.9 Da viele Leser Nachrichten aus der unmittelbaren Umgebung schätzen, sind auf der Titelseite verstärkt Anreißer mit Verweisen auf die entsprechenden Lokalteile zu finden. Platzierung im redaktionellen Kontext Im Folgenden wurde die Platzierung der Artikel in den Sparten bzw. Ressorts des Mantelteils berechnet.10 Diagramm 1: Saarbrücker Zeitung: Platzierung der Artikel in den Sparten bzw. Ressorts des Mantelteils andere Ressorts
1,1%
Sport
1,3%
Sparten bzw. Ressorts
Regionales Blick in die Welt
2,7% 3,4%
Kommentare-Hintergründe
3,8%
Leserseite
4,1%
Saarland-Seite Lokales Mantel
4,7% 5,1%
Themen des Tages
13,4%
Politik 0,0%
9
20,7% 5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
Vgl. ebd., S. 441.
10 Bis ins 19. Jahrhundert waren die meisten Zeitungen ungegliedert, wobei einige Qualitätszeitungen bereits im 18. Jahrhundert einzelne Rubriken und feste Sparten aufwiesen. Mit wachsender Ressortgröße war die Frage nach der Spezialisierung verbunden. Zur Orientierung werden auf der Titelseite jeder Zeitung die Spartennamen der Seite angegeben, auf welcher der Artikel zu finden ist; die Redaktion, welche die jeweilige Sparte verantwortet, ist indes in Ressorts unterteilt. Dabei wird ab dem Zeitpunkt von einem Ressort gesprochen, ab dem eigens ein Redakteur für ein bestimmtes Themengebiet eingesetzt wird. Da diese Frage für die Saarbrücker Zeitung nicht vollständig zu klären ist (bis auf die Entstehung der Hauptressorts), werden sowohl die Begriffe Sparte als auch Ressort verwendet; vgl. Meier, Klaus: Ressort, Sparte, Team. Wahrnehmungsstrukturen und Redaktionsorganisation im Zeitungsjournalismus, Konstanz 2002, S. 120f.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 115
20,7 % der Artikel zur Migrationsberichterstattung sind im Ressort Politik erschienen. Da insbesondere in den 1990er Jahren häufig parteipolitisch kontroverse Debatten die bundesdeutsche Ausländerpolitik prägten, lässt sich der hohe Anteil der durch dieses Ressort verantworteten Artikel erklären. Zudem ist der Anstieg politischer Beiträge in der Migrationsberichterstattung mit allgemeinen inhaltlichen Strukturentwicklungen der Saarbrücker Zeitung ab 1955 zu begründen: Zwischen 1955 und 2005 stieg der Seitenumfang zu Politik und Zeitgeschichte bis auf fast 3,5 Seiten an.11 Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Politik-Seiten in den Jahren 1990 und 2010 Veränderungen im Titel unterlagen: 1990 bis 1995 wurden sie unter dem Spartennamen »Politik« oder »Zeitgeschehen« geführt, 1995 bis 2005 als »Kommentare und Hintergrund« sowie »Themen des Tages« und ab 2005 als »Themen des Tages«, »Standpunkt« und »Politik«.12 Dabei erklärt sich die zwischen 1995 und 2005 unter der Sparte »Kommentare und Hintergrund« eingeführte und im Balkendiagramm mit 3,8 % ausgewiesene vertiefte Berichterstattung zu den Politik-Seiten dadurch, dass sich die Saarbrücker Zeitung in der Auseinandersetzung mit der steigenden Popularität anderer Medien, insbesondere des Fernsehens, und der seit den 1950er Jahren anhaltenden Pressekonzentration als Regionalzeitung mittels weitgehender Transparenz und vielfältiger Artikulationschancen zu behaupten versuchte.13 Neben Titelveränderungen einzelner Ressorts ist auch eine Differenzierung in den Redaktionen festzustellen, die sich an den Sparten »Themen des Tages« (13,4 %), »Saarlandseite« (4,7 %), »Leserseite« (4,1 %) und »Blick in die Welt« (3,4 %) zeigt. Im Ressort »Blick in die Welt« fanden sich Ereignisse von globaler Bedeutung wie etwa Fluchtmigrationen aufgrund der Krisenentwicklung in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie politisch brisante transnationale Themen wie das Europawahlrecht für Unionsbürger. Das starre Organisationskonzept der klassischen, voneinander abgegrenzten Ressorts wird bei der Saarbrücker Zeitung durch »fließende Ressortgrenzen« ergänzt.14 Dieser Typus bezeichnet neue Organisationsmodelle, die ressortübergreifende Teams mit flexibleren, durchlässigeren Strukturen und damit einer zunehmenden Auflösung kleinteiliger Einheiten vorsehen.15 Die »Themen des Tages« etwa stellen aufgrund der regelmäßigen, in einer eigenen Sparte gebündelten Präsentation eine redaktionell inhaltliche Auslagerung dar. Weil die Abfassung dieser Sparte jedoch keiner eigenen organisatorischen Einheit obliegt, ist sie im Layout rein äußerlich in das Großressort 11 Vgl. S. Dengel: Berichterstattung, S. 217. 12 Die Titelveränderungen zum Politikressort der Saarbrücker Zeitung arbeitete Susanne Dengel in ihrer Analyse über die inhaltlichen Veränderungen der Zeitung für den Zeitraum 1955 bis 2005 heraus; vgl. ebd., S. 193. 13 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 479. 14 Vgl. K. Meier: Ressort, S. 140. 15 Vgl. ebd., S. 135.
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Politik integriert. Die Sparte ist primär output-orientiert; sie enthält Beobachtungen gesellschaftlicher Teilsysteme.16 5,1 % der Artikel aus dem Mantel gehören zur Sparte Lokales, 2,7 % zur Sparte Regionales. Beiträge über das lokale, aber auch regionale Verbreitungsgebiet der Zeitung erscheinen somit längst nicht nur in den Lokalteilen, sondern zunehmend auch im Zeitungsmantel und mitunter auch auf der Titelseite der Regionalzeitung.17 Der mit 4,1 % ermittelte Anteil der Leserbriefe – im Balkendiagramm nimmt die Leserseite den fünften von zehn Rängen ein – zeigt, dass die Redaktion die Leserpost (zum Thema Migration) als wichtiges Instrument der Leser-Blatt-Bindung erachtet.18 Dieser Befund basiert auf dem veränderten Stellenwert der Leserbriefe in der Saarbrücker Zeitung: Die Anzahl der abgedruckten Leserbriefe stieg über die Jahre 1955 bis 2005 auf durchschnittlich sieben am Tag an.19 Im Zeitverlauf zeigt sich ein Spitzenwert von 14 veröffentlichten Leserbriefen für das Jahr 1997. Dabei handelt es sich um Zusendungen politischen Inhalts. Die Leserbrief-Forschung kommt zu ähnlichen Ergebnissen: Sie belegt, dass die meisten Verfasser politische Themen aufgreifen.20 Beiträge im Ressort Sport nahmen einen Anteil von 1,3 % ein. Artikel im Sportressort behandelten insbesondere die Ausländerklausel im Profi-Fußball. Obgleich das Sport- auf den ersten Blick als ein im Vergleich zum Politikressort unbedeutendes und zu vernachlässigendes Ressort erscheint,21 lag der Anteil der Sportberichterstattung vor 1914 in den deutschen Tageszeitungen zwischen drei und vier Prozent. Die Sportberichterstattung in Bezug auf Einwanderer wurde in keiner der bisher durchgeführten Studien explizit berücksichtigt. Zwar stellt Merten als Konsequenz seiner Studie fest, dass ausländische Sportler in der Bundesrepublik durchaus erwünscht seien, jedoch thematisiert er nicht die für ausländische Berufssportler wichtigen juristischen Aspekte wie etwa die seit 1985 in Mannschaftssportarten geltende Ausländerklausel. Mit den Ergebnissen von Merten übereinstimmend zeigt auch der Befund der vorliegenden Studie, dass Migranten als Sportler in der (Sport-) Berichterstattung eine hohe Akzeptanz genießen. Gleichwohl stellt die Sportsoziologie das von Politik 16 Vgl. ebd., S. 279. 17 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 425f. 18 Vgl. Mlitz, Andrea: Dialogorientierter Journalismus. Leserbriefe in der deutschen Tagespresse, Konstanz 2008, S. 14. 19 Vgl. S. Dengel: Berichterstattung, S. 219. 20 Vgl. Stockinger-Ehrnstorfer, Karin: Der Leserbrief, Salzburg 1980, S. 39-42; Loreck, Sabine: Leserbriefe als Nische öffentlicher Diskussion. Eine Untersuchung in lerntheoretischer Sicht, Münster 1982, S. 295. 21 Zwar gilt das Sportressort als das »jüngste« der klassischen fünf Kernressorts bei Tageszeitungen, jedoch nahm die Berichterstattung ab 1850 zu, als der Sport zu einem Massenphänomen wurde. Vgl. Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866-1918. Bd. 1: Arbeitswelt und Bürgergeist. Sonderausgabe, München 1998, S. 172.
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und Medien hervorgebrachte universelle Integrationspotential des Sports als Sinnbild für Multikulturalität, Völkerverständigung und Toleranz in Frage, wenn neben den integrativen auch die erschwerenden oder gar verhindernden Möglichkeiten des Sports betont werden.22 Studien, die sich mit dem Sportteil in der deutschen Tagespresse im Allgemeinen beschäftigen, deuten auf ein kontinuierliches Anwachsen der Sparte seit den 1950er Jahren hin und bestätigen damit dem Befund Dengels für die Saarbrücker Zeitung. Auf den medialen Migrationsdiskurs bezogen spielt der Sportteil aber eben nur in Verbindung mit bestimmten Ereignissen, etwa dem Bosman-Urteil, eine Rolle, obgleich der Sportteil 2005 im Durchschnitt drei Seiten umfasste und damit dem Politikteil mit einem Seitenumfang von 3,5 Seiten annähernd gleichzusetzen ist. Auf »andere Ressorts« entfielen im Balkendiagramm die Ressorts Wirtschaft und Soziales (0,7 %) sowie Kultur (0,4 %). Journalistische Darstellungsformen Unter die journalistischen Darstellungsformen wurden Agenturnachrichten, Mischformen aus verschiedenen journalistischen Darstellungsformen (z.B. Agenturnachrichten und organeigene Berichte), organeigene Berichte, Korrespondentenberichte23, meinungsbetonte Textsorten wie beispielsweise Kommentare oder Satiren und andere Darstellungsformen (z.B. Interviews) subsumiert:
22 Vgl. Seiberth, Klaus: »Sport und Integration«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 158-162, hier S. 159-160. 23 Bei den Korrespondentenberichten handelt es sich um von In- oder Auslandskorrespondenten verfasste Beiträge. Dabei berichten Korrespondenten für einen bestimmten Zeitraum über ein Land, eine Region oder ein besonderes Ereignis. Verfasser von organeigenen Berichten übernehmen hingegen redaktionelle, ereignisunabhängige Aufgaben innerhalb der Redaktion; vgl. W. Schneider/P.-J. Raue: Handbuch, S. 237-239.
118 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Diagramm 2: Saarbrücker Zeitung: Journalistische Darstellungsformen in Prozent 35,0%
31,4%
30,6%
30,0% 25,0% 20,0% 15,0%
10,3%
9,6%
10,0%
8,7%
6,2%
5,0%
3,2% andere Darstellungsformen
Leserbriefe
Korrespondentenberichte
meinungsbetonte Darstellungsformen
Mischformen
organeigene Berichte
Agenturnachrichten
0,0%
Agenturnachrichten dominierten die Berichterstattung mit 31,4 %, dicht gefolgt von organeigenen Berichten mit 30,6 %. Der restliche Wert von 38 % teilt sich wie folgt auf: Mischformen (10,3 %), meinungsbetonte Darstellungsformen (9,6 %), Korrespondentenberichte (8,7 %), Leserbriefe (6,2 %) und andere Darstellungsformen (3,2 %). Die Titelseite avancierte in der Saarbrücker Zeitung in den journalistischen Darstellungsformen zunehmend zu einem »bunten Schaufenster«24: Neben Agenturnachrichten und organeigenen lokalen Berichten fanden sich als Aufmacher auf den Titelseiten zunehmend Mischformen sowie von Korrespondenten erstellte Analysen. Bebilderungen Wie bereits oben dargelegt, wurde als Analyseeinheit der journalistische Beitrag in Textform festgelegt, die aber auch dem Textbeitrag zugeordnete Bilder und grafische Darstellungen berücksichtigte. Ebenso wie die Platzierung der Artikel in Zeitungen geben auch formale Auffälligkeiten wie farbliche Hervorhebungen und Bebilderungen von Themen Hinweise auf ihren Stellenwert und auf die zu erzeugende Aufmerksamkeit. Insgesamt waren 11,4 % aller auf Einwandererthemen bezogenen Berichte bebildert oder durch Diagramme und Schaubilder ergänzt (siehe unten). Dabei wurden Beitrage auch mittels Karikaturen sowie Statistiken visualisiert.
24 Ebd., S. 279.
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Die Karikatur aus dem Beitrag »Kohl: Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland« 25 vom 12. August 1991 etwa zeigt zwei Wellen, die sich aufeinander zu bewegen. Der höchste Wellengang enthält in Großbuchstaben die Bezeichnung »Asylanten«, die unaufhaltsam auf eine zweite, kleinere Welle zurollt. Die zweite Welle ist ebenfalls in Großbuchstaben mit einem »D« für Deutschland und der Bezeichnung »Fremdenfeindlichkeit« versehen. Die Karikatur ist mit »Wellengang« untertitelt. Waren es zu diesem Zeitpunkt noch die Asylbewerber, die im Mittelpunkt der Begrenzungs- und Medienpolitik standen, so wurde der Betroffenenkreis kurze Zeit später auf die Aussiedler ausgedehnt. Die neben der Karikatur im selben Artikel aufgeführte Statistik mit der Bildunterschrift »Mehr Asylbewerber und weniger Aussiedler als in den Vorjahren sind in diesem Jahr zu erwarten« macht diese Entwicklung deutlich. Seit 1993 wurde zudem der Aussiedlerzuzug durch eine festgelegte Quote von maximal 200 000 pro Jahr eindeutig gesteuert und der Begriff »Spätaussiedler« eingeführt. Dieser trifft auf ab dem 1. Januar 1993 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogene Menschen zu. Ähnliche parteipolitische und mediale Diskussionen über eine Quotenregelung bei Asylbewerbern fanden ab Ende der 1980er Jahre bei der so genannten Asyldebatte statt. Weitere Artikel in diesem Untersuchungszeitraum verwendeten Grafiken, um beispielsweise eine »Beliebtheitsskala« darzustellen, die anzeigt, welche westeuropäischen Länder von Asylbewerbern bevorzugt wurden. In dem am 21.09.1991 veröffentlichten Artikel »Die meisten Asylbewerber drängt es nach Deutschland« wurde Deutschland in einer zusätzlich angeführten Infografik als »einsame Spitze« bezüglich der aufgenommenen Zahl von Asylbewerbern innerhalb der europäischen Einwanderungsländer herausgestellt.26 Nationalitäten In 27,6 % der Artikel wurde die Nationalität der Migranten aufgeführt; in 72,4 % der Fälle differenzierte die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung hingegen nicht zwischen den verschiedenen Nationalitäten. Dabei konnte eine Konzentration auf bestimmte nationale Minderheiten festgestellt werden. Es handelt sich überwiegend um die Angabe türkischer (8,1 %), italienischer (5,4 %), kroatischer, serbischer und bosnischer (4,0), aber auch französischer (3,3) und zum Teil luxemburgischer Nationalität (1,7 %). Für das Saarland ist Italien das traditionell bedeutendste Zuwanderungsland.27 Seit Ende der 1960er Jahre zeigt sich für das übrige Bundesgebiet hingegen
25 Associated Press: »Kohl: ›Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 12.08.1991, S. 2. 26 Franz, Gerhard: »Die meisten Asylbewerber drängt es nach Deutschland«, in: Saarbrücker Zeitung vom 21./22.09.1991, S. 4. 27 Vgl. J. Hayer: Wahrnehmung, S. 275.
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eine starke Präsenz der türkischen Minderheit, die sich im Rahmen der überregionalen Berichte im Mantel auch in der saarländischen Migrationsberichterstattung festmacht. Auf die Darstellung eines Zusammenhangs zwischen Nationalitäten- und Statusgruppennennung im Rahmen von Kriminalitätsberichten wurde aufgrund nicht möglicher Inferenzschlüsse auf die soziale Wirklichkeit verzichtet. Zwar weist der Deutsche Presserat in seinen »Publizistischen Grundsätzen« darauf hin, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit nur dann erwähnt werden solle, »wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründeter Sachbezug besteht«, aber aus inhaltsanalytischen Befunden zur Nennung der nationalen Herkunft Rückschlüsse auf eine stigmatisierende Berichterstattung oder Arbeitsweise der Journalisten zu ziehen, wäre nicht haltbar. Hierfür bedürfe es – wie Katrin Schmäl im Rahmen ihrer Studie zur Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung in den 1980er Jahren zurecht festhält – weiterer qualitativer Analyseschritte, etwa Befragungen von Journalisten, inwiefern den Redaktionen Polizeiberichte mit Nachrichten über Straftaten mit Beteiligung von Migranten vorlagen und Sensibilisierungsmaßnahmen für Journalisten im Umgang mit der Berichterstattung über Ausländer-Kriminalität in den 1990er und 2000er Jahren stattfanden.28 Auch grenzüberschreitende Wanderungen und damit ein Anstieg der Zahl von Franzosen und Luxemburgern im Saarland sind seit den 2000er Jahren zu beobachten. Insbesondere der Zuzug von Luxemburgern ins Saarland hat sich im Zeitraum 2003 bis 2010 verdreifacht. Hiervon ist in besonderem Maße der grenznah gelegene Landkreis Merzig-Wadern im nordwestlichen Teil des Saarlandes betroffen. Er verzeichnet seit einigen Jahren einen stetigen Anstieg so genannter Wohnmigranten aus Luxemburg. Diese »atypischen Grenzgänger« verlagern ihren Wohnort zwar in das Nachbarland, arbeiten jedoch weiterhin in ihrem Heimatland.29 5.1.1.2 Inhaltliches Unter den inhaltlichen Kategorien wurden die Variablen Artikel, Themen, Statusgruppen, Handlungs- und Aussagenträger, Ereignis- bzw. Bezugsort zusammengefasst. Artikel In der Saarbrücker Zeitung sind innerhalb der künstlichen Woche 949 Artikel zum Thema Migration erschienen. Der Verlauf der Kurve belegt, dass es Spitzenjahre der Migrationsberichterstattung gibt. Durchschnittlich wurden rund 47 Artikel pro Jahr zu diesem Thema veröffentlicht. Auffallend sind die fünf absoluten Spitzen (peaks) 28 Vgl. K. Schmäl: Wahrnehmung, S. 312f. 29 Vgl. Frys, Wioletta/Nienaber, Birte: »Die Situation der Wohnmigranten im ländlichen Saarland«, in: Hans-Peter Hege u. a. (Hg.), Schneller, öfter, weiter? Perspektiven der Raumentwicklung in der Mobilitätsgesellschaft, Hannover 2011, S. 94-104, hier S. 98.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 121
dieser Kurve, die bei rund 60 Artikeln liegen: 1991 (59 Artikel), 1992 (68 Artikel), 1993 (92 Artikel), 1996 (61 Artikel) und 1999 (59 Artikel): Diagramm 3: Saarbrücker Zeitung: Artikelverteilung zum Thema »Migration« 1990 bis 2010 100
92
Artikelanzahl
80
68 59
60 40
49
61 52
59 44 36
49 49 50
28
27
20
45 29 32 33 21
31
35
0
Zeitachse
Jeder dieser Peaks kann im Rahmen von Schwerpunktsetzungen mit spezifischen, zu diesen Zeitpunkten aktuellen und häufig parteipolitischen Debatten der bundesdeutschen Ausländerpolitik in Verbindung gebracht werden. Eine schwerpunktmäßige Themenverteilung liegt vor, wenn mindestens 50 % der in den absoluten Spitzen ausgewiesenen Artikelanzahl bestimmten Protestaktionen zugewiesen werden können:
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Zeitachse
Diagramm 4: Saarbrücker Zeitung: Mediale Peaks und Themenschwerpunkte
1999
33
26
Staatsbürgerschaftsrecht Asylschutz
1996
32
29
Urteil: BVG Aussiedler-Streit
1993
48
1992
43
1991
31
0
20
Asylkompromiss
44
25
Asylrechtsänderung Anti-Rassismus-Aktionen
Ausländerrecht Asyldebatte
28
40 60 Artikelanzahl
80
100
Während die schwarzen Balken(an)teile die in den Kästen rechts dargestellten parteipolitischen Debatten darstellen, thematisieren die grauen Balken(an)teile andere Inhalte. Wie bereits Teun Dijik für den Rassismusdiskurs in der deutschen Presse nachweisen konnte, ist der Mediendiskurs eng mit dem Politikdiskurs verbunden: In einer zwischen Januar und Juni 1989 durchgeführten Untersuchung zu ethnisch geprägten Berichten ermittelte van Dijk in den britischen Tageszeitungen The Guardian, The Times, The Sun, The Daily Mirror, The Daily Telegraph und The Independant, dass weiße Elitegruppen wie Politiker und Beamte die häufigsten Akteure in den Nachrichten darstellten. Darüber hinaus zeigten sich die Machtbeziehungen zwischen Politik und Presse an der herausragenden Rolle der britischen Parteipolitik in der Themenwahl.30 Ferner ergab die qualitative Analyse, dass Quel-
30 Vgl. Djik, Teun Adrianus van: »Eliten, Rassismus und die Presse«, in: Siegfried Jäger/Jürgen Link (Hg.), Die vierte Gewalt. Rassismus und Medien, Duisburg 1993, S. 80-130, hier S. 92f.
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len, Perspektiven und Interpretationen autochthoner Gesellschaftsgruppen zu ethnischen Ereignissen favorisiert würden, um die einheimische Rhetorik zu unterstützen.31 Der Politikdiskurs fungiert somit als »Stichwortgeber« für den Mediendiskurs: In den Spitzenjahren der Berichterstattung zur Migration 1991 und 1992 wurden folgende ausländerpolitische Entscheidungen getroffen bzw. gab es folgende Entwicklungen: Am 1. Januar 1991 trat unter dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ein neues Ausländerrecht in Kraft, welches zwar das Aufenthaltsrecht für die ehemaligen Gastarbeiter und die zweite Einwanderergeneration erleichterte, jedoch keine entscheidende Verbesserung bei Einbürgerungsbestimmungen brachte. Der hohe Anteil von Artikeln über Asylbewerber ist darauf zurückzuführen, dass in den Jahren 1991 und 1992 die Asylbewerberzahlen sowohl auf Bundesebene wie auch im Saarland sprunghaft angestiegen sind. Der bundesweit daraus abgeleitete innenpolitische Regelungsbedarf zur Begrenzung der Zahl von Asylbewerbern löste die »Asyldebatte« aus, die durch die Ausschreitungen in Hoyerswerda im September 1991 zusätzlichen Auftrieb erhielt. Gewalttätige Attacken rechtsgerichteter Täter mit Brandsätzen auf einen vor allen Dingen von Vietnamesen bewohnten Gebäudekomplex waren über fünf Tage hinweg in der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung. Die kontroverse, öffentlich-mediale Diskussion um die Asylrechtsänderung ist durch derartige ausländerfeindliche Gewaltausschreitungen allerdings nicht abgeebbt. Die Angriffe gegen Ausländer dienten Politikern als Argument für die Notwendigkeit einer Asylrechtsänderung. Dies rechtfertigte auch, die Asylrechtsänderung als Wahlkampfthema in der Bundestagswahl des Jahres 1994 einzusetzen. Das Jahr 1993 stellt mit 92 Artikeln das Spitzenjahr im Kurvenverlauf dar. Dieser »mediale« Peak konzentriert sich in seiner thematischen Schwerpunktsetzung auf die von CDU/CSU und SPD 1992 vereinbarte und durch den Bundestag am 26. Mai 1993 beschlossene Neuregelung des Asylrechts durch das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG). 32 Dem ging die Debatte voraus, die 1992/1993 zum Asylkompromiss zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP sowie der SPD-Opposition führte. Der Asylkompromiss ist ein Paket von Regelungen zu Einwanderung, Integration und Einbürgerung. Er zielte auf die Begrenzung der Asylbewerberzahl ab und schränkte das in Artikel 16 des Grundgesetzes garantierte Recht auf Asyl ein.33 Vom Asylverfahren ausgeschlossen werden sollten hingegen die im Vergleich zu ihren Heimatländern auf bessere Lebensbedingungen in der Bundesrepublik setzenden »Wirtschaftsflüchtlinge«. Im Einzelnen sah der Asylkompromiss vor, dass
31 Vgl. ebd., 126f. 32 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 75. 33 Vgl. ebd., S. 73.
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aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder aus anderen »sicheren Drittstaaten« in die Bundesrepublik eingereiste Asylbewerber unverzüglich und ohne rechtliche Prüfung vorliegender Bedingungen für den Erwerb eines Aufenthaltstitels wieder in diese Länder abgeschoben werden sollten. Zudem wurde für Antragsteller aus »verfolgungsfreien Herkunftsländern« ein vereinfachtes, meistens auf eine sofortige Ablehnung und Abschiebung hinauslaufendes Prüfungsverfahren geschaffen. Im Mai 1996 wurde durch das Bundesverfassungsgericht die seit 1993 geltende Einschränkung des von Artikel 16 Grundgesetz garantierten Asylrechts bestätigt, was den medialen Peak von 66 Artikeln für das Jahr 1996 erklärt. Gleichzeitig löste der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine durch seine Forderung, das Staatsangehörigkeitsrechts zu reformieren, eine ausländerpolitische Auseinandersetzung aus. Hiernach sollte künftig vermieden werden, dass Aussiedler gegenüber seit Generationen in der Bundesrepublik lebenden Ausländern bevorzugt werden. Infolge des »Aussiedler-Streits« wurde 1996 die Prüfung deutscher Sprachkenntnisse der deutschen Minderheiten in Rumänien, Polen und der ehemaligen Sowjetunion eingeführt, welche seitdem als Nachweis für die deutsche Volkszugehörigkeit dient.34 Die im Kosovo erneut aufflammenden Unruhen führten im Jahre 1999 zu einer Spitze der Berichterstattung über Flüchtlinge aus diesem Gebiet. Der zerfallende Vielvölkerstaat Jugoslawien war von 1990 bis 1999 Hauptherkunftsland von Asylbewerbern bundesweit sowie im Saarland. Die überwiegend politischen Themenschwerpunkte zu den medialen Peaks spiegeln sich auch in der Themenanalyse der übrigen Jahre des Untersuchungszeitraums wider. Themen Die Themenanalyse hat drei Ebenen mit folgender Rangfolge ermittelt: die politische (68,1 %), zivilgesellschaftliche (23,1 %) und migrantenspezifische (8,8 %) Themenebene. Die politische Themenebene setzt sich aus folgenden Hauptbeitragssäulen zusammen: die restriktive Migrationspolitik auf Bundes- und Länderebene (39,3 %), favorable (Integrations-)Maßnahmen aus Politik, Wirtschaft und Recht auf Bundesund Länderebene (28,8 %) und Hinweise auf europäische Asyl- und Migrationspolitik sowie zu Migrationspolitiken in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern (11,6 %):
34 Vgl. ebd., S. 82.
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Tabelle 2: Saarbrücker Zeitung: Politische Themenebene Politische Themenebene Restriktive Maßnahmen auf Bundes-, Länder- sowie kommunaler Ebene • Quotenregelung/Kontingent-Regelung bei Aussiedlern • Rückkehraufforderungen/Abschiebungen • Asyldebatte • Asylrechtsänderung • Grundgesetzänderung bzw. Asylkompromiss • Arbeitsverbot für Flüchtlinge und Asylbewerber • Aussiedler-Streit • Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zur Änderung des Asylrechts • finanzielle Einsparungen auf Kosten der Migranten zum Schutz deutscher Ressourcen (Kürzung der Sozialhilfe/Verschärfung des Asylbewerber-Leistungsgesetzes) • negative Arbeitsmarktentwicklung
Prozent 39,3
Favorable (Integrations-)Maßnahmen aus Politik, Wirtschaft und Recht auf Bundes-, Länder- sowie kommunaler Ebene • keine Abschiebung von Bürgerkriegsflüchtlingen in Krisengebiete/Härtefall-Regelung • Einrichtung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie des Amtes des Ausländerbeauftragten • Green-Card-Regelung • politische Maßnahmen gegen Ausländerfeindlichkeit/Solidaritätsbekundungen von Politikern • Staatsangehörigkeitsrecht/Doppelte Staatsangehörigkeit/Einbürgerungen • Zuwanderungsgesetz • Integrationsgipfel/Nationaler Integrationsplan (NIP) und Nationaler Aktionsplan Integration (NAP-I) • Islamkonferenz • Ausbau einer Willkommens- und Anerkennungskultur • Netzwerk »Integration durch Qualifizierung« (IQ) • Maßnahmen (neu gegründeter) Ämter, Institutionen, Stabsstellen im Saarland (z.B. Zuwanderungs- und Integrationsbüro) • Kommunalwahlrecht für Bürger der Europäischen Union
28,8
Hinweise auf europäische Asyl- und Migrationspolitik sowie Migrationspolitiken in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern
11,6
Auf der politischen Themenebene dominieren mit 39,3 % restriktive Maßnahmen des Bundes und des Bundeslandes Saarland, die sich – wie an den Spitzenjahren bereits aufgezeigt – auf die 1990er Jahre beziehen: die Quotenregelung/Kontingent-Regelung bei Aussiedlern, Rückkehraufforderungen/Abschiebungen von Bürgerkriegsflüchtlingen, die Grundgesetzänderung durch den Asylkompromiss, Arbeitsverbot
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für Flüchtlinge und Asylbewerber, finanzielle Einsparungen zu Ungunsten der Migranten zum Schutz deutscher Ressourcen, z.B. die Kürzung der Sozialhilfe wegen vermeintlicher Belastung der sozialen Sicherungssysteme und der öffentlichen Haushalte sowie die Verschärfung des Asylbewerber-Leistungsgesetzes. Während im Fokus dieser Begrenzungspolitik und der damit verbundenen politischen und medialen Debatten Anfang der 1990er Jahre die Asylbewerber standen, rückten Ende der 1990er Jahre mit dem Aussiedler-Streit die Spätaussiedler in den Fokus der Politik und der Medien.35 Die zahlreichen favorablen politischen (Integrations-)Maßnahmen auf Bundesund Länderebene treten hingegen erst nach 2000 verstärkt in den Mittelpunkt der saarländischen Berichterstattung. Dabei berichtet die Saarbrücker Zeitung zunehmend über Integrationsmaßnahmen auf kommunaler Ebene. Dazu gehört u. a. die Gründung des saarländischen Zuwanderungs- und Integrationsbüros 2003 als Stabsstelle im Dezernat für Umwelt, Migration und Recht sowie das 2005 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gegründete Netzwerk »Integration durch Qualifizierung« (IQ) bzw. seine regionale Umsetzung, das IQ Netzwerk Saarland, zur Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Personen mit Migrationshintergrund. Diese Maßnahmen sind Teil eines 2012 einsetzenden Paradigmenwechsels in der bundesdeutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik, »von einem problem- und risikoorientierten Blick auf Einwanderer hin zu deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen und Potenzialen«.36 Diesem Wandel gingen im Rahmen einer Initiative des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 2012 von Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Migrations- und Integrationsarbeit entworfene praxisorientierte Empfehlungen zur Etablierung einer so genannten »Willkommens- und Anerkennungskultur« voraus. Dabei fordert dieses Konzept nicht einseitig Integrationsbereitschaft von den Migranten, sondern nimmt im Sinne eines wechselseitigen Integrationsverständnisses auch die Aufnahmegesellschaft in den Blick, z.B. über die Einrichtung von Willkommens-Zentren oder Beratungsangeboten in Kommunen, Maßnahmen zur Vorintegration und -information in den Herkunftsländern oder die Gründung des bundesweiten Netzwerks »Integration durch Qualifizierung« mit dem Ziel der nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund über Erstanlaufstellen und Kompetenzzentren für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Eine auf verschiedenen politischen Ebenen in der Bundesrepublik Deutschland – Bund, Länder und Kommunen – (medial) diskutierte und umgesetzte Maßnahme ist ferner die Festlegung eines Nationalen Integrationsplanes (NIP). Bei den Medien 35 Vgl. ebd., S. 72. 36 Merx, Andreas/Ruster, Jakob/Szukitsch, Yvonne: »Willkommens- und Anerkennungskultur«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 248-250, hier S. 248.
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stieß der Nationale Integrationsplan und der darauf aufbauende Nationale Aktionsplan auf reges Interesse, wenngleich eine schleppende Umsetzung der Inhalte kritisiert wurde.37 Der am 3. November 2010 von Bundeskanzlerin Merkel in die Wege geleitete Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) sah neben »Medien und Integration« zwei weitere Bereiche als Weiterentwicklung des Nationalen Integrationsplans vor: »Migranten im öffentlichen Dienst« sowie »Gesundheit und Pflege von Menschen mit Migrationshintergrund«.38 Die in 11,6 % der Artikel vorzufindenden Hinweise auf die europäische Asylund Migrationspolitik sowie auf Migrationspolitiken in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern weisen auf die heterogenen Ursprünge des Ausländerrechts hin. Neben dem nationalen Recht, das auf den politischen Ebenen Bund, Länder und Kommunen in der Bundesrepublik gilt, stammen die Grundlagen des Ausländerrechts einschließlich des Asyl- und Flüchtlingsrechts aus zwei weiteren Rechtsquellen: dem Recht der Europäischen Union und dem Völkerrecht.39 Die zivilgesellschaftliche Themenebene stützt sich auf folgende Säulen: Nebenerscheinungen von Migration in der Aufnahmegesellschaft (10,1 %), Bürgerbeteiligung des Einzelnen (6,5 %) und Förder- sowie Betreuungsmaßnahmen durch Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen der Aufnahmegesellschaft, welche sich um die Belange von Personen mit Migrationshintergrund kümmern (6,5 %): Tabelle 3: Saarbrücker Zeitung: Zivilgesellschaftliche Themenebene Zivilgesellschaftliche Themenebene Nebenerscheinungen von Migration in der Aufnahmegesellschaft • Ausländerfeindlichkeit/Fremdenfeindlichkeit/Rechtsextremismus • Diskriminierung von ausländischen Berufssportlern/BosmanUrteil • Illegale Einreise/Irreguläre Migration • Illegale Beschäftigung • Migranten und Kriminalität
Prozent 10,1
37 Vgl. Weiss, Karin/Birsan, Alan: »Integrationsgesetze in den Bundesländern«, in: ebd., S. 125. 38 Vgl. H. Engin: Integrationskurse, S. 203. 39 Vgl. Geiß, Bernd: »Bund und Länder«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 191-193, hier S. 191.
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Bürgerbeteiligung des Einzelnen durch • Solidarität mit der ausländischen Bevölkerung/Lichterketten und Mahnwachen gegen fremdenfeindliche Übergriffe • Ehrenamtliche/Humanitäre Initiativen, z.B. Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen/Spendenaktionen/Benefizkonzerte/Theaterinszenierungen für Bürgerkriegsflüchtlinge • Abbau von Vorurteilen • Schutz vor fremdenfeindlichen Übergriffen/Verurteilung von Gewalt/Ursachenklärung
6,5
Förder- und Betreuungsmaßnahmen durch Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen bzw. »deutsche« Organisationen, welche sich um die Belange von Personen mit Migrationshintergrund kümmern • Integrationskurse • Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer durch Wohlfahrtsverbände/Migrations- und Integrationsdienste der Arbeiterwohlfahrt Saar • Werbekampagnen gegen Ausländerfeindlichkeit der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Bezirk Saar • Aufklärungs- und Integrationsarbeit durch Nichtregierungsorganisationen
6,5
Als prozentual dominant wurde die Säule »Nebenerscheinungen von Migration in der Aufnahmegesellschaft« ermittelt. Dabei handelt es sich überwiegend um negative Nebenerscheinungen bzw. gesellschaftliche Probleme, die die freiheitliche Grundordnung und das friedliche Mit- und Nebeneinander in Deutschland belasten. Dazu gehören primär Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus, aber auch die Diskriminierung von ausländischen Berufssportlern, die illegale Einreise bzw. irreguläre Migration, die illegale Beschäftigung und Kriminalität. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich ausschließlich auf Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit.40 Unter dem Begriff Fremdenfeindlichkeit werden in den Sozialwissenschaften (latent) ablehnende oder auch abwertende Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber als »fremd« definierten Menschen verstanden. Solche Haltungen können auch auf Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit zielen, die »fremd« aussehen, einen Migrationshintergrund aufweisen oder religiösen Minderheiten angehören. 41 Rechtsextremismus gründet u. a. auf Ungleichheitsvorstellungen, wonach Menschen genuin ungleichwertig sind und/oder ungleich behandelt werden dürfen, 40 Vgl. Möller, Kurt: »Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus«, in: Karl-Heinz MeierBraun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 174-177, hier S. 174. 41 Vgl. Jaschke, Hans-Gerd: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Begriffe – Positionen – Praxisfelder, Wiesbaden 2. Aufl. 2001, S. 62-64.
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mit daraus abgeleiteter und legitimierter Gewalt.42 Hierfür sind die rechtsextremen Übergriffe Anfang der 1990er ein Beispiel. Beiträge zu den Themen Ausländerfeindlichkeit, Fremdenfeindlichkeit und/oder Rechtsextremismus berichten primär in aufklärender Absicht über Migranten als Opfer rechter Gewalt bei Anschlägen auf Asylbewerberheime. Dabei handelte es sich bei den Opfern nicht nur um Ausländer bzw. Asylbewerber, sondern gelegentlich auch um (Spät-)Aussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge.43 Neben Aufklärungsberichten zu ausländerfeindlichen Anschlägen sind Beiträge über die Diskriminierung von Berufssportlern als eine weitere Nebenerscheinung von Migration in der Aufnahmegesellschaft zu nennen. Die im Sportressort veröffentlichten Artikel befassten sich insbesondere mit dem Bosman-Urteil und der damit zusammenhängenden Abschaffung der Ausländerklauseln.44 Bis 1995 existierten »Ausländerklauseln« oder »Ausländersperrklauseln«, welche die Möglichkeit der Verpflichtung und des Einsatzes von ausländischen Sportlern in Mannschaftssportarten einschränkten.45 Diese Begrenzung wurde vom direkten Verbot ausländischer Sportler durch eine Mindestquote deutscher Spieler oder über einen finanziellen Anreiz bis hin zu anderen Mitteln ausgeübt. Im Fußball beispielsweise galt zunächst eine absolute Obergrenze des Einsatzes ausländischer Fußballspieler, die Anfang der 1990er Jahre in der »Ausländerregelung und -beschränkung« ihren Ausdruck fand. Maximal durften drei ausländische Spieler pro Begegnung eingesetzt werden zuzüglich zweier Spieler, die bereits fünf Jahre im betreffenden Land als Fußballer tätig waren.46 In den 1990er Jahren entbrannt eine Debatte über Diskriminierung von ausländischen Berufssportlern, die auch in der Sportberichterstattung der Saarbrücker Zeitung verstärkt zu verfolgen war: »Nur drei Ausländer dürfen in der Bundesliga eingesetzt werden. Das gilt auch für Spieler aus EG-Staaten. Und deshalb gibt es auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Europa-Politikern und den Fachverbänden. [...] Alle bestehenden Höchstmarken von EG-Ausländern im Profi42 Vgl. K. Möller: Fremdenfeindlichkeit, S. 174f. 43 Als Kontingentflüchtlinge gelten Juden und ihre Angehörigen, die seit 1991 in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurden. Dabei handelt es sich überwiegend um Personen mit einem humanitären Flüchtlingsstatus, die nach einem festgelegten Prozentsatz, also nach Kontingenten, auf die Bundesländer verteilt werden; vgl. Tröster, Irene: »Jüdische Kontingentflüchtlinge«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 81-83, hier S. 81. 44 EuGH vom 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921. 45 Vgl. Scherrer, Urs: Sportrecht. Eine Begriffserläuterung, Zürich 2001, S. 43. 46 Vgl. Fritzweiler, Jochen/Pfister, Bernhard/Summerer, Thomas: Praxishandbuch Sportrecht, München 2007, S. 489.
130 | M IGRATION IN DEN M EDIEN Fußball verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot nach Artikel 48 in den Römischen Verträgen.«47
Die Ausländerklauseln schränkten zwar nicht die Beschäftigung ausländischer Spieler ein, jedoch deren Einsatzmöglichkeit pro Spiel. Der Europäische Gerichtshof erkannte – durch den Fall des belgischen Fußballspielers Bosman – in den Ausländerbeschränkungen der Sportverbände einen eindeutigen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht. Damit würden ausländische Spieler in ihren Beschäftigungsmöglichkeiten zwar nicht behindert werden, hätten jedoch Nachteile im Vergleich zu den uneingeschränkt einsetzbaren inländischen Sportkollegen.48 Die illegale Einreise von Migranten stellt ein weiteres Thema der Säule »Nebenerscheinung von Migration« dar. In den Medien zumeist als »Illegale« bezeichnet, verwenden Politik und Statistik bei dieser Migrantengruppe primär die international gängige Form der »irregulären Migranten«. Der illegale Aufenthalt stellt nach dem deutschen Strafgesetzbuch eine Straftat dar (StGB § 95). Allerdings wird den Betroffenen damit eine kriminelle Handlung unterstellt, die aber nicht vorliegt, da sie lediglich ihr Handeln der Beobachtung durch den Rechtsstaat entziehen.49 Im Fokus der Beiträge der Saarbrücker Zeitung standen zumeist illegale, von Schlepperbanden organisierte Einreisen von Migranten. Wird eine Einreise in die Bundesrepublik angestrebt, die keinen legalen Aufenthaltstitel durch die Beantragung eines Visums vorsieht, spielen international organisierte Schlepperbanden eine beachtliche Rolle. 50 Nach Angaben der Bundespolizei werden mittlerweile mehr als die Hälfte der illegalen Einreisen durch Schleuser gelenkt.51 Der am 4. März 1993 in der Saarbrücker
47 Wettlaufer, Günther: »Darum läßt der DFB nur drei Ausländer zu«, in: Saarbrücker Zeitung vom 27.05.1993, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken. 48 EuGH vom 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, S. I-4921. 49 Vgl. Wilmes, Maren: »Irreguläre Migranten«, in: Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 93-95, hier: S. 93. 50 Daneben gibt es noch eine weitere Gruppe von irregulären Migranten, die sich nach legaler Einreise bis zum Ablauf des Visums nur befristete Zeit legal im Bundesgebiet aufhält, die so genannten »visa overstayers«. Aber auch Personen, die die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung nicht mehr erfüllen und nicht ausreisen wie zum Beispiel abgelehnte Asylbewerber, zählen zu den irregulären Migranten; vgl. M. Wilmes: Migranten, S. 93. 51 Vgl. Rupprecht, Reinhard: »Zuwanderung und Innere Sicherheit«, in: Steffen Angenendt (Hg.), Migration und Flucht. Aufgaben und Strategien für Deutschland, Europa und die internationale Gemeinschaft, Bonn 1997, S. 87-95, hier S. 89f.
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Zeitung erschienene Bericht der Deutschen Presseagentur spricht etwa vom »blühenden Geschäft mit der ›Ware‹ Mensch«52, dem Schlepperbanden an der tschechischdeutschen Grenze durch Schleusungen nachgingen. Eng mit der illegalen Einreise ist die in der Berichterstattung thematisierte »illegale Beschäftigung« verknüpft. Diese gewinnt seit Ende der 1990er Jahre im politischen Diskurs zunehmend an Bedeutung: Trotz des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) vom 23. Juli 200453 ist die Arbeitsaufnahme in der Schattenwirtschaft für Betroffene attraktiv: Das Lohngefälle zwischen dem Heimatland und Deutschland lässt die irregulären Migranten selbst in unqualifizierten und nicht sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten ein vielfach höheres Einkommen erzielen als im Herkunftsland. Auch bei sozialversicherungspflichtigen und zumeist höher bezahlten Arbeiten spart der Arbeitgeber viel Geld, indem er keine Abgaben zahlt.54 Der Themenbereich »Migranten und Kriminalität« nimmt mit 2,8 % auf den ersten Blick einen marginalen Stellenwert in der Hauptbeitragssäule »Nebenerscheinungen von Migration in der Aufnahmegesellschaft« ein, jedoch nur, weil die illegalen Handlungen der Einreise ohne Visum und die illegale Beschäftigung einem anderen Themenbereich zugeordnet wurden. Dieser Befund ist dennoch umso erstaunlicher, als in inhaltsanalytischen Studien zur Migrationsberichterstattung in deutschen Tageszeitungen Migranten deutlich häufiger mit Kriminalität und mit bestimmten Delikten, etwa Drogen und Gewalt, in Verbindung gebracht werden als Deutsche und auch proportional häufiger als nach der Polizeistatistik.55 Auch in den inhaltsanalytischen Studien von Judith Hayer und Katrin Schmäl über die Gastarbeiter- bzw. Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung, die den Betrachtungszeitraum 1950 bis 1980 abdecken, treten Migranten seltener als Opfer denn als Täter krimineller Handlungen in Erscheinung.56 So ermittelt etwa Judith Hayer für den Betrachtungszeitraum 1950 bis 1970, dass in der medialen Wahrnehmung der italienischen »Gastarbeiter« das Thema Kriminalität im saarländischen Alltag mit 41,9 % der in
52 Janovska, Sylvia: »Vom blühenden Geschäft mit der ›Ware‹ Mensch. Schlepperbanden an tschechisch-deutscher Grenze wittern Morgenluft«, in: Saarbrücker Zeitung vom 04.03.1993, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken. 53 SchwarzArbG (2004), Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung v. 23.7.2004, BGBl. I, S. 1842. 54 Vgl. M. Wilmes: Migranten, S. 94. 55 Daniel Müller hat auf Basis älterer Synopsen einige Studien bezüglich ihrer Parameter, u. a. zur Ausländerkriminalität, zusammengefasst; vgl. D. Müller: Darstellung, S. 100. 56 Vgl. K. Schmäl: Wahrnehmung, S. 312.
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der Saarbrücker Zeitung erschienenen Artikel eine herausragende Stellung einnahm.57 In der Studie von Katrin Schmäl für die 1980er Jahre differenziert die Autorin weiter, dass im Rahmen der Berichterstattung über Ausländer-Kriminalität ein nicht unerheblicher Anteil auf kriminelle Handlungen von Migranten untereinander entfällt.58 Eine Erklärung für die vergleichsweise wenigen Kriminalitätsberichte in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung ab 1990 bieten die in der redaktionellen Praxis der saarländischen Tageszeitung nach 1980 stärker umgesetzten »Publizistischen Grundsätze« des Deutschen Presserats. Um einer stigmatisierenden Wirkung bei Nennung des ethnischen Hintergrunds in der Kriminalitätsberichterstattung entgegenzuwirken, formulierte der Deutsche Presserat in seinen »Publizistischen Grundsätzen« die Richtlinie 12.1: Demnach ist die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten in der Berichterstattung über Straftaten nur dann erwähnenswert, »wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründeter Sachbezug besteht.«59 Sowohl für die Nationalitäten- als auch Statusgruppennennungen wurde dieser geforderte Sachbezug in den wenigen Artikeln ermittelt. Vor dem Hintergrund einer bereits 1980 beginnenden regen Auseinandersetzung bezüglich der Stigmatisierung ethnischer, religiöser oder anderer Minderheiten in Kriminalitätsberichten ist anzunehmen, dass die saarländischen Redakteure der 1990er und 2000er Jahre diesbezüglich sensibilisiert worden sind. Als weitere Hauptbeitragssäule der zivilgesellschaftlichen Themenebene wurde die »Bürgerbeteiligung des Einzelnen« ermittelt. Diese zeigt sich in Solidaritätsbekundungen einzelner Bürger der Aufnahmegesellschaft, beispielsweise über die Teilnahme an Lichterketten oder Mahnwachen gegen fremdenfeindliche Übergriffe. Des Weiteren berichtet die Saarbrücker Zeitung vor allem im Kontext der Aufnahme kroatischer, serbischer und bosnischer Bürgerkriegsflüchtlinge über humanitäre Initiativen wie die Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen in saarländischen Privathaushalten, aber auch Spendenaktionen, Benefizkonzerte und Theaterinszenierungen, Förder- und Betreuungsmaßnahmen durch Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen der Aufnahmegesellschaft, welche sich um die Belange von Personen mit Migrationshintergrund kümmern. Dabei handelt es sich bei den Maßnahmen der Wohlfahrtsver-
57 Vgl. J. Hayer: Wahrnehmung, S. 280. 58 Vgl. K. Schmäl: Wahrnehmung, S. 312. 59 Zitiert nach: Pöttker, Horst: »Diskriminierungsverbote und Beschwerdepraxis des Deutschen Presserats. Eine quantitative und qualitative Analyse«, in: Rainer Geißler/Horst Pöttker (Hg.), Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Problemaufriss – Forschungsstand – Bibliographie, Bielefeld 2005, S. 185-222, hier S. 185.
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bände zum einen um Ankündigungen (und in der Folge Umsetzungen) von Integrationskursen, zum anderen um Beiträge zur »Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE)« durch Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, u. a. den Landesverband Saarland des Deutschen Roten Kreuzes, sowie um Migrations- und Integrationsdienste der Arbeiterwohlfahrt Saar. Auch Gewerkschaften, wie die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Bezirk Saar, treten in der Saarbrücker Zeitung durch Aktionen gegen Ausländerfeindlichkeit vereinzelt als zivilgesellschaftliche Akteure in Erscheinung. Neben den Veranstaltungen von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften fanden in dieser Säule aber auch Hinweise auf Migrations- und Integrationsfachdienste bzw. zur Aufklärungs- und Integrationsarbeit von Nichtregierungsorganisationen sowie von »deutschen« Organisationen Eingang in die Berichterstattung. Unter der »migrantenspezifischen Themenebene« wurden die Artikel codiert, die zum einen eine Partizipation von Migranten in der deutschen Aufnahmegesellschaft in Form einer politischen, kulturellen und medialen Teilhabe beschreiben, zum anderen Einblicke in ihre persönlichen Lebensgeschichten über Human-Interest-Beiträge gewähren. Tabelle 4: Saarbrücker Zeitung: Migrantenspezifische Themenebene Themen Politische, kulturelle und mediale Teilhabe durch: • aktive politische Partizipation durch Mitwirkung in der kommunalen Integrationspolitik, im Ausländer- bzw. Migrationsbeirat sowie in Migrations- und Integrationsausschüssen • Mandatsträger mit Migrationshintergrund • parteipolitisches Engagement von Migranten • Engagement in Migranten(selbst)organisationen/Vereinsarbeit • Forderungen, Migranten an der Herstellung von Medieninhalten zu beteiligen • Ausrichtung multikultureller Feste
Prozent 3,3
Lebensgeschichten und -alltag/Human-Interest-Themen: • Darstellung von Einzelschicksalen • Politische Situation im Herkunftsland/Fluchtursachen • Alltag in Unterkünften für Aussiedler und Asylbewerber
2,7
Die migrantenspezifische Themenebene nimmt mit 8,8 % einen im Vergleich zu den anderen beiden Themenebenen deutlich geringeren Raum ein. Dieser Befund unterscheidet sich darin kaum von der für den Zeitraum 1990 bis 2005 angelegten Studie über Einwanderer in der Wahrnehmung der Saarbrücker Zeitung. Der Anteil der
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»Einwanderer als handelnde Subjekte«, wie die partizipierende Themenebene bezeichnet wurde, erreichte mit 7,9 % einen vergleichbaren Wert ebenfalls unter zehn Prozent. Allerdings wurde insbesondere in den Lokalteilen Stadtverband Saarbrücken und Merzig-Wadern ein höherer Anteil an Berichten über die politische Teilhabe von Migranten im Ausländer- bzw. Migrationsbeirat oder entsprechenden Ausschüssen ermittelt als im Zeitungsmantel.60 3,3 % der auf der migrantenspezifischen Themenebene erschienenen Artikel fallen auf die »politische, kulturelle und mediale Teilhabe von Migranten.« Die politische Teilhabe der im Saarland lebenden Migranten manifestiert sich in der Berichterstattung über deren Mitwirkung in der kommunalen Integrationspolitik mittels Ausländer- bzw. Integrationsbeiräten, Migrations- und Integrationsausschüssen, als Mandatsträger sowie im parteipolitischen Engagement. Die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung über Migranten(selbst)organisationen bzw. Vereinsarbeiten betrifft sowohl die Ebene der politischen als auch kulturellen Partizipation von Migranten: »Migrantenorganisationen sind – so das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge – Vereine, die überwiegend von Zuwanderern gegründet wurden und deren Mitglieder überwiegend Migrantinnen und Migranten sind. […] Neben religiösen, kulturellen oder politischen Vereinen gibt es Vereine bestimmter Zuwanderergruppen, Vertriebenenverbände, Studierendenvereinigungen, Fachverbände, Sportvereine, Unternehmerverbände oder Bildungsträger, […] Vereine von Frauen, Müttern, Männern, Vätern, Eltern, Senioren und Jugendlichen.«61
Zumeist nehmen Migranten bzw. Personen mit Migrationshintergrund eine Führungsposition in diesen Organisationen ein. Der 1991 gegründete gemeinnützige Verein Ramesch – Forum für Interkulturelle Begegnung e. V. zeichnet sich durch sein vielfältiges Vereins- und Angebotsprofil im Bereich der Integrationsarbeit aus. Mit seinem Schwerpunktthema 2010 »Gesundheit und Migration« fand Ramesch ein so großes saarländisches und bundesweites (Medien-)Echo, dass dem Verein im Rahmen des 16. Kongresses für Jugendmedizin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. der Jugendmedizinpreis 2010 verliehen wurde.62
60 Vgl. E. Kreutzer: Einwanderer, S. 336f. 61 Zitiert nach: Thränhardt, Dietrich: »Migrantenorganisationen«, in: Karl-Heinz MeierBraun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 211-213, hier S. 211. 62 Anonymus: »Jugendmedizin-Preis für den Saarbrücker Verein Ramesch«, in: Saarbrücker Zeitung vom 24.03.2010, S. 4.
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Der gelegentlich ebenfalls in der Berichterstattung der saarländischen Tageszeitung erscheinende Fußballverein in Deutschland mit (überwiegend) türkischen Spielern, »Türkgücü«, der 1994 gegründet wurde, zeigt als Sportverein die Partizipationsmöglichkeiten von Migranten in Migranten(selbst-)organisationen auf der kulturellen Ebene auf.63 Der Sport rückt ohnehin von Seiten der Politik und der Medien als »symbolträchtige[s] Beispiel […] für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund«64 häufig in den Blickpunkt. Daneben traten Migranten auch bei der Organisation und Gestaltung eigenkultureller Festlichkeiten »aktiv« auf der kulturellen Ebene in Erscheinung. Die mediale Teilhabe der Migranten steht im Gegensatz zum Vorwurf einer unsensiblen Migrationsberichterstattung bzw. der Forderung, Migranten an der Herstellung von Medieninhalten zu beteiligen. Der damalige saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine warf der Saarbrücker Zeitung im August 1990 vor, die Berichterstattung zur Überbelegung der Landesaufnahmestelle für Asylbewerber und Flüchtlinge in Lebach überzeichnet und in Folge Vorurteile bei den Rezipienten geschürt zu haben. Die Saarbrücker Zeitung startete daraufhin eine Telefonaktion, um Lesermeinungen zu diesem Sachverhalt zu sammeln.65 Human-Interest-Beiträge, die Lebensgeschichten der Migranten, persönliche Flüchtlingsschicksale, aber auch den Alltag in Unterkünften darstellen, spielen mit 2,7 % eine untergeordnete Rolle.66
63 Hierzu zählen folgende Artikel: Reinert, Ralf: »Türkgücü bestreitet erstes Punktespiel«, in: Saarbrücker Zeitung vom 06.08.1994, Lokalteil Homburg; Anonymus: »Gegen Rassismus«, in: Saarbrücker Zeitung vom 28.09.1994, Lokalteil Homburg; Quack, Brigitte: »Fußball überwindet Grenzen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 04.02.1998, Lokalteil St. Ingbert; Becker, Karlheinz: »Ay Yildiz siegreich im eigenen Turnier«, in: Saarbrücker Zeitung vom 08.01.2002, Lokalteil Völklingen, S. 5; Klein, Thorsten: »Ali Tanriverdi heißt der Neue. Neues bei Türkgücü Schmelz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.08.2005, Lokalteil Dillingen. 64 K. Seiberth: Sport, S. 158. 65 Bernarding, Bernard: »Lager in Lebach ist wieder normal belegt. Telefonaktion der SZ fand große Resonanz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 07.08.1990, Lokalteil Lebach, Titelseite. 66 Vgl. S. Ruß-Mohl: Journalismus, S. 134.
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Statusgruppen Eine weitere Inhaltskategorie stellen die Statusgruppen dar. Die Festlegung der Statusgruppen für die Codierung im Deutschen geht auf juristische Begriffsbezeichnungen zurück, die der bundesdeutschen und europäischen Migrationspolitik (Ausländer, Zuwanderer/Einwanderer, Migranten und Illegale), dem in Deutschland geltenden Ausländerrecht (Asylbewerber bzw. Asylanten und Aussiedler) sowie dem Völkerrecht (Flüchtlinge) entstammen. Nach der Definition des § 2 Abs. 1 AufenthG gilt als Ausländer jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. Diese juristische Begriffsbestimmung erfasst ehemalige Gastarbeiter aus den Anwerbeperioden 1955 bis 1973, ihre Familienangehörigen und deren Nachkommen, die bereits seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik leben, hier geboren und aufgewachsen sind. Als Asylbewerber gelten Personen, die in einem fremden Staat Schutz vor (politischer) Verfolgung, wirtschaftlicher Not und Krieg suchen. Nach dem Asylverfahrensgesetz genießen Asylberechtigte »im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge«.67 Asylant ist ein in der Politikund Mediensprache zeitweilig für Asylbewerber verwendetes Synonym. Die Definition von Personen mit Flüchtlingsstatus wurde in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge festgelegt.68 Flüchtling ist nach Art. 1 A Nr. 2 GFK eine Person, wenn sie sich »aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht Anspruch nehmen will«.69
Als Aussiedler gilt, wer mit deutscher Staats- oder Volkszugehörigkeit nach Abs. 2 Nr. 3 Bundesvertriebenengesetz (BVG) »nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen vor dem 1. Juli 1990 oder danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 die ehemals unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, die ehemalige Sowjetunion, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien oder China verlassen hat oder verlässt, es sei denn, dass er, ohne aus diesen Gebieten vertrieben 67 AsylVfG (1982), Asylverfahrensgesetz v. 16.7.1982, BGBl. I, S. 1798. 68 Vgl. ebd., S. 396. 69 Zitiert nach: Maier-Borst, Michael: »Asyl- und Flüchtlingsrecht«, in: Karl-Heinz MeierBraun/Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 119-122, hier S. 119.
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und bis zum 31. März 1952 dorthin zurückgekehrt zu sein, nach dem 8. Mai 1945 einen Wohnsitz in diesen Gebieten begründet hat […]«.70
Eine weitere Statusgruppe stellen die Zuwanderer/Einwanderer dar. 2001 nahm die »Süssmuth-Kommission« eine Begriffsdifferenzierung zwischen Zuwanderung und Einwanderung vor. Während »Zuwanderung« die Gesamtheit aller Migrationen in die Bundesrepublik bezeichnet, ist unter Einwanderung eine dauerhafte Niederlassung zu verstehen. 71 Da die Begriffe in ihrer Merkmalsausprägung keiner Trennschärfe unterliegen, wurden sie im Rahmen der Inhaltsanalyse der Statusgruppen unter eine einzige Bezeichnung (Zuwanderer/Einwanderer) subsumiert. Der Begriff Migranten hat vor allem über das seit 2005 im Mikrozensus verwendete statistische Ordnungskriterium »Migrationshintergrund« Eingang in die Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung gefunden. Unter dem Begriff der Migration werden in den Sozialwissenschaften »solche Bewegungen von Personen und Personengruppen im Raum (spatial movement) verstanden, die einen dauerhaften Wohnortwechsel (permanent change of residence) bedingen«.72 Die Illegalen sind aufgrund der zunehmend selektiven Einwanderungsregeln in der nationalen sowie europäischen Migrations- und Asylpolitik eine stärker in Erscheinung tretende Gruppe. In der Übersetzung der englischen Bezeichnung »irregular migrants« wird in Einwanderungs- und Asylfragen von »irregulären Migranten« gesprochen; alternative, in anderen europäischen Ländern wie Luxemburg oder Frankreich verwendete Bezeichnungen sind u. a. »Menschen ohne Aufenthaltsstatus«, »Statuslose« oder »Menschen ohne Papiere«. 73 Dabei sind »irreguläre Migranten« Personen, »die unerlaubt nach Deutschland einreisen und/oder sich unerlaubt in Deutschland aufhalten«.74
70 BVFG, Bundesvertriebenengesetz v. 19.5.1953, BGBl. I S. 3554. 71 Vgl. Zuwanderung gestalten – Integration fördern. Bericht der Unabhängigen Kommission »Zuwanderung«, 04.07.2001, Berlin 2001, http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/content blob/123148/publicationFile/9076/Zuwanderungsbericht_pdf.pdf, S. 13 vom 07.03.2015. 72 P. Han: Soziologie, S. 7. 73 Vgl. M. Wilmes: Migranten, S. 93. 74 Vgl. Alt, Jörg: Leben in der Schattenwelt. Problemkomplex »illegale Migration«. Neue Erkenntnisse zur Lebenssituation »illegaler« Migranten aus München und anderen Orten Deutschlands, Berlin 2003, S. 20.
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Diagramm 5: Saarbrücker Zeitung: Anteilswerte der Statusgruppen in Prozent
5,7%
Ausländer
4,3%
Asylbewerber
7,6%
31,3%
8,0%
Flüchtlinge Aussiedler Zuwanderer/ Einwanderer Migranten
16,9% 25,2%
Illegale
Die Statusgruppe Ausländer wurde mit einem Wert von 31,3 % am häufigsten in der Berichterstattung eruiert. Die Statusgruppe Asylbewerber erreichte in der Analyse einen Prozentwert von 25,2 %, gefolgt von der Gruppe der Flüchtlinge (16,9 %). Aussiedler stellen einen Wert von 8,0 % dar; Zuwanderer/Einwanderer rangieren mit 7,6 % auf dem fünften Platz; Migranten mit 5,7 % auf dem sechsten. Die Statusgruppe der Illegalen nimmt in der Saarbrücker Zeitung mit 4,3 % den letzten Rang ein. Die zeitliche Entwicklung der Berichterstattung zu den Statusgruppen eröffnete weitergehende sozio-politische Erklärungszusammenhänge.
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Diagramm 6: Saarbrücker Zeitung: Zeitliche Entwicklung der Artikel
Ausländer 60 Asylbewerber 50
Flüchtlinge Aussiedler
Artikelanzahl
40 Zuwanderer/ Einwanderer 30
Migranten Illegale
20
10
0
Zeitachse
Im Spitzenjahr 1993 wurde über fast alle Statusgruppen verstärkt berichtet. Mit einem Wert von 41 Artikeln trifft dies insbesondere auf die Ausländer zu. Der Begriff Ausländer tritt vor allem im Zusammenhang mit dem Kompositum »Ausländerfeindlichkeit« auf. Bereits im Jahr 1992 ist ein Anstieg der Artikel zur Statusgruppe Ausländer zu verzeichnen. Dies ist – wie bereits mehrfach erwähnt – auf die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung um eine Änderung des Grundrechts auf politisches Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen. 1993 stellt aber nicht nur einen medialen Peak der Berichterstattung über Ausländer dar, sondern mit einem Artikelwert von 50 auch der über Asylbewerber. Eine Erklärung bietet der historische Kontext. Die ereignisreichen Jahre zwischen Mitte der 1980er und 1990er Jahre führten wegen des Zusammenbruchs der osteuropäischen Diktaturen zu einer verstärkten Migration. 75 Unter die Statusgruppe der 75 Vgl. U. Herbert: Geschichte, S. 288.
140 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Asylbewerber wurde auch die Bezeichnung Asylant subsumiert. Im Betrachtungszeitraum der vorliegenden Studie nimmt der Anteil der Berichterstattung über Asylanten mit 4,8 % zwar eher eine untergeordnete Rolle ein. Aber die Konzentration der Bezeichnung auf die Jahre 1990 bis 1993 mit einem durchschnittlichen Artikelwert von zehn und ihr nur vereinzeltes Auftreten mit maximal zwei Artikeln in den Folgejahren bedarf einer Erklärung. Ob der Begrifflichkeit Asylant eine subtile Bewertungstendenz inhärent ist, wurde in der Medienlinguistik viel und kontrovers diskutiert.76 Die Bezeichnung Asylant ist morphologisch nur teilweise interpretierbar. Zwar handelt es sich um eine Personenbezeichnung in Verbindung mit Asyl, jedoch mit einer systematischen Unschärfe in der Begrifflichkeit: Handelt es sich um anerkannte Asylanten, um mitten im Asylverfahren befindliche Personen oder aber um abgelehnte, jedoch geduldete bzw. abgeschobene Flüchtlinge?77 Mit der vor allem von Jürgen Link geäußerten und von anderen fortgeführten Kritik am Begriff Asylant hat sich Evelyn Meyer auseinandergesetzt. Link teilte die Substantive auf -ant in drei Gruppen ein: in wissenschaftliche Fachbegriffe, neutrale Berufsbezeichnungen und in negative Begriffe für üble Charaktere.78 Asylant ordnet er der pejorativen Gruppe zu, die Ute Gerhard noch deutlicher als Begriffe der Ausgrenzung und als sprachlichen Pogromausdruck definiert.79 Auch das Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch von Strauß, Haß und Harras von 1989 wies auf die häufig abwertende Bedeutung der Substantive mit der Endung -ant hin.80 Darüber hinaus erkannte Georg Ruhrmann eine eindeutige Stigmatisierung in der Berichterstattung über das Asylthema durch Verwendung der Bezeichnung Asylant in Verbindung mit Flutmetaphern oder mit pauschal diffamierenden Bezeichnungen wie Asylschwindler oder Asylbetrüger. Mit der Bezeichnung Asylant treten nach Ruhrmann Assoziationen zu negativ besetzten Begriffen wie Bummelanten, Querulanten und Simulanten auf.81
76 Vgl. U. Predelli: Fremde, S. 115. 77 Vgl. Thränhardt, Dietrich: Migration in Deutschland und in Europa. Mit einem Beitrag von Bernhard Santel, Münster 1993, S. 37. 78 Vgl. Link, Jürgen: »Medien und ›Asylanten‹. Zur Geschichte eines Unwortes«, in: Dietrich Thränhardt/Simone Wolken (Hg.), Flucht und Asyl. Informationen, Analysen, Erfahrungen aus der Sicht der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg im Breisgau 1988, S. 50-61, hier S. 50. 79 Vgl. Gerhard, Ute: Wenn Flüchtlinge und Einwanderer zu »Asylantenfluten« werden. Eine kommentierte Dokumentation zum Rassismus im Mediendiskurs, Bochum 1991, S. 4. 80 Vgl. Strauß, Gerhard/Haß, Ulrike/Harras, Gisela: Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch, Berlin/New York 1989, S. 86. 81 Vgl. Ruhrmann, Georg: »Fremde im Mediendiskurs. Ergebnisse empirischer Presse-, TVund PR-Analyse«, in: Matthias Jung/Martin Wengeler/Karin Böke (Hg.), Die Sprache des
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Meyer problematisierte die negative semantische Klassifizierung durch Link, Gerhard und Ruhrmann u. a. zum einen insofern, als Substantive wie Gratulant, Informant, Repräsentant oder Demonstrant in keine der von Link zugewiesenen Einteilungen passen würden.82 Zum anderen weise sie keine durchgängig negative Konnotation des Begriffs nach. Personen werden – so Thomas Kirwel – nur dann als Asylant negativ konnotiert, wenn das Motiv des im Heimatland politisch Verfolgten vom Verfasser eines Beitrags angezweifelt oder als unwahr eingeschätzt werde.83 Die Bewertung des am 24. September 1991 auf der Titelseite der Saarbrücker Zeitung abgedruckten Beitrags »Asylanten werden umquartiert. Hoyerswerda: Rechtsextreme drohen mit weiterer Gewalt«84 ist per se nicht abwertend und könnte durch neutrale oder positiv konnotierte Bezeichnungen wie Asylbewerber substituiert werden. Im weiteren Textinhalt wurde auch auf die neutrale Bezeichnung Asylbewerber zurückgegriffen. Der organeigene Bericht »Fast alle Saarländer sind Asylanten« liefert ebenfalls ein Beispiel, dass die Bezeichnung Asylant nicht notwendigerweise pejorativ verwendet wird: »Am 20. Januar beginnt im Café Exodus ein Theaterprojekt, das die Geschichte(n) von tausend Jahren Asyl in Saarbrücken erzählen soll und von Jugendlichen erarbeitet wird. Ein Theaterprojekt bringt deutsche und ausländische Jugendliche gemeinsam auf die Bühne und beleuchtet die Einwanderungs-Geschichte des Saarlandes.«85
Die Überschrift hebt – wie aus dem Textinhalt abzuleiten –eine Personenbezeichnung in Verbindung mit Asyl hervor. Für die Statusgruppen Aussiedler, Zuwanderer/Einwanderer und Migranten gilt indes: Während die Artikelzahl zur Statusgruppe der Aussiedler im Betrachtungszeitraum kontinuierlich abnimmt und ab 2008 gänzlich aus dem Mediendiskurs ausscheidet, treten die Statusgruppen Zuwanderer/Einwanderer und insbesondere Migranten verstärkt auf. Sowohl für die Bundesrepublik als auch für das Saarland spielten Aussiedler und Spätaussiedler bereits seit den 1970er Jahren eine wichtige Rolle. Während Ende der 1970er Jahre die Zahl der Aussiedler in der Bundesrepublik anstieg, konstatierte das Migrationsdiskurses. Das Reden über »Ausländer« in Medien, Politik und Alltag, Opladen 1997, S. 58-70, hier S. 60. 82 Vgl. E. Meyer: Sprachgebrauch, S. 152. 83 Vgl. T. Kirwel: Ausländerfeindlichkeit, S. 66. 84 Deutsche Presse-Agentur: »Asylanten werden umquartiert«, in: Saarbrücker Zeitung vom 24.09.1991, S. 1. 85 Anonymus: »Fast alle Saarländer sind ›Asylanten‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 15.01.1999.
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Statistische Bundesamt in den 1980er Jahren rückläufige Wanderungszahlen, bevor mit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs 1990 die Zahl der Aussiedler mit 400 000 ihren Höhepunkt erreichte. 86 Durch Diskussionen um Zuzugsbegrenzungen für Aussiedler sowie den Aussiedlerstreit 1996 stand diese Zuwanderergruppe im Fokus des medialen Geschehens in der Saarbrücker Zeitung.87 Die Statusgruppe Migrant nimmt mit 5,7 % den sechsten Rang in der Abfolge der Statusgruppen ein. Die erstmalige Verwendung des Begriffs ist in der Berichterstattung im Jahr 2001 zu finden. Während die Statusgruppe Ausländer im Betrachtungszeitraum zunehmend an medialer Bedeutung verliert, tritt an ihre Stelle die Bezeichnung Migrant. Seit 2005 findet sich diese verstärkt in Kombination mit »Personen mit Migrationshintergrund.« Da sich die Unterscheidung zwischen deutscher und ausländischer Nationalität in der amtlichen deutschen Statistik wegen zahlreicher Einbürgerungen als unzureichend erwiesen hat, wird seit 2005 im Rahmen des Mikrozensus auch der Migrationshintergrund erfasst. 88 Laut Statistischem Bundesamt zählen zu den Menschen mit Migrationshintergrund »alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderte, sowie alle in Deutschland als Deutsche Geborene mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil«. 89 Obgleich der Begriff Migrationshintergrund bisweilen sperrig wirkt, zeigt sich für die Saarbrücker Zeitung, dass er die Kategorie Ausländer zum Ende des Betrachtungszeitraums hin fast abgelöst hat. Die Benennung Illegale verteilt sich gleichmäßig auf den Untersuchungszeitraum der Saarbrücker Zeitung, wobei sie ab 2001 tendenziell ansteigt. Damit verbunden ist ein zunehmendes politisches Interesse der Bundesregierung an dieser Zuwanderer-
86 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 79. 87 Hierzu zählen folgende Artikel: Deutsche Presse-Agentur: »Aussiedler-Streit geht weiter«, in: Saarbrücker Zeitung vom 29.02.1996; Mahren, Gabriel: »Es geht um Wähler«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996; Pachten, Stefan: »Populist Lafontaine«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996; Liebhardt, Samuel: »Keine Sündenböcke«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996; Pfeifer, Elisabeth: »Enttäuscht über die SPD«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996. 88 Vgl. Meier-Braun, Karl-Heinz: »Migrationshintergrund«, in: ders./Reinhold Weber (Hg.), Migration und Integration in Deutschland. Begriffe – Fakten – Kontroversen, Bonn 2013, S. 235-237, hier S. 235. 89 Statistisches Bundesamt: Fachserie 1, Reihe 2.2 Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Bevölkerung mit Migrationshintergrund, Wiesbaden 2010, online einzusehen: https:// www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Mig rationshintergrund2010220147004.pdf?__blob=publicationFile, Wiesbaden 2015 vom 03.08.2015.
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gruppe. Der Bericht des Bundesministeriums des Inneren zum Prüfauftrag »Illegalität« aus der Koalitionsvereinbarung vom 11. November 2005 nannte zwar keine belastbaren Zahlen illegaler Migranten in Deutschland, sah aber eine sich entwickelnde öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik zur Thematik »Illegalität«. Diese beträfe auf der einen Seite die ordnungspolitische Sichtweise, auf der anderen Seite die menschenrechtliche Position. 90 Die Visa-Affäre, welche Missbrauchsfälle in verschiedenen deutschen Botschaften und Konsulaten im Zuge der Neufassung der Visavergabepraxis durch die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnet, hat die Bundesregierung schließlich veranlasst, 2004 ein ständiges behördenübergreifendes Informations- und Kooperationszentrum, das Gemeinsame Analyse- und Stategiezentrum illegale Migration, zur Bekämpfung der illegalen Migration sowie ihrer Begleit- und Folgekriminalität einzurichten.91 Handlungs- und Aussagenträger Eine weitere inhaltliche Kategorie wurde unter Handlungs- und Aussagenträger erfasst. Bei der Codierung von Handlungs- und Aussagenträgern war die Einführung einer weiteren Analyseeinheit unterhalb der Artikelebene erforderlich: die Aussagenebene. Als Handlungsträger oder Akteure gelten Personen oder Gruppen, die im Beitrag unmittelbar als zentral Handelnde benannt wurden, aber weder in direkter noch indirekter Rede zu Wort kamen.92 Als Aussagenträger wurden angelehnt an die Begriffsdefinition von Günther Rager Personen oder Gruppen bezeichnet, die in den Artikeln direkt oder indirekt zitiert und/oder von deren Äußerungen Zusammenfassungen wiedergeben werden.93
90 Vgl. Illegal aufhältige Migranten in Deutschland. Datenlage, Rechtslage, Handlungsoptionen. Bericht des Bundesministeriums des Innern zum Prüfauftrag »Illegalität« aus der Koalitionsvereinbarung vom 11. November 2005, Kapitel VIII 1.2, Februar 2007, vgl. http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/151394/publicationFile/13641/Pruefbe richt_Illegaliaet, S. 4 vom 07.03.2015. 91 Vgl. J. Alt: Leben, S. 500-502. 92 Definiert nach der bei Günther Rager und Norbert Jonscher vorgenommenen Begriffsbestimmung von »Handlungsträgern«, vgl. G. Rager: Vielfalt, S. 62 und N. Jonscher: Publizistik, S. 463. 93 Vgl. G. Rager: Vielfalt, S. 65.
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Handlungsträger Bezüglich der Analyse von Handlungsträgern wurden ausschließlich Akteure auf nationaler Ebene (n) ermittelt. Dabei zeigte sich eine Überrepräsentation politischer Handlungsträger, allen voran von Bundes- und Landespolitikern. Kommunale und lokale Handlungsträger nahmen unerwarteter Weise hintere Ränge ein. Die Lokalkommunikationsforschung ermittelte, dass lokale Handlungsträger aufgrund ihrer Ämter und Funktionen von Journalisten häufiger kontaktiert werden. Diese soziale Nähe förderte in der Regel eine verstärkte Berichterstattung über lokale Vereine, Parteien oder Bürgerinitiativen.94 Dieser Regel folgt die Analyse der Handlungsträger in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung nicht:
Akteure in absoluten Zahlen
Diagramm 7: Saarbrücker Zeitung: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger Migrantische Initiativen/ Vereine Kommune (n) Bundesrat Bundestag/Parlament (n) Regierungsparteien (n) Regierung (n) Wohlfahrtsverbände/ Hilfsorganisationen (n) Öffentlichkeit konkret/ Teilöffentlichkeit (n) Landesminister und -politiker (n) Bundesminister/Minister (n) 0
10
20
30
40
50
60
70
Artikelanzahl
Zwar zeigt der Forschungsstand zu den Strukturveränderungen der Medieninhalte in der Saarbrücker Zeitung, dass der dortige Regionalisierungstrend im Vergleich zu anderen Regionalzeitungen im bundesdeutschen Raum ausgeprägter ist. 95 Für den 94 Vgl. Kretzschmar, Sonja/Möhring, Wiebke/Timmermann, Lutz: Lokaljournalismus, Wiesbaden 2009, S. 55. 95 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 482.
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Migrationsdiskurs ist jedoch eine verstärkte Berichterstattung zu migrationspolitischen Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene zu konstatieren, die aber auch regionale Ereignisse nicht gänzlich außer Acht lässt. Politiker nehmen auf Bundeswie Landesebene als Handlungsträger eine stärkere Bedeutung ein als Migranten. Da Migranten keine eigenständige, anerkannte politische Vertretung mit Entscheidungskompetenz haben, fällt die Berichterstattung dementsprechend gering aus. In der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung wurde mehr über sie gesprochen, als dass Migranten als Handlungs- oder Aussagenträger in Erscheinung treten. Aussagenträger Bei der Untersuchung der Aussagenträger in der lokalen und regionalen Berichterstattung wurde methodisch analog verfahren. Als Aussagenträger bzw. Zu-WortKommende wurden auf der Basis der Begriffsdefinitionen von Günther Rager Personen oder Gruppen bezeichnet, die in den Artikeln direkt oder indirekt zitiert und/oder von denen Zusammenfassungen ihrer Äußerungen wiedergeben wurden. Diagramm 8: Saarbrücker Zeitung: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger Statusgruppen Zu-Wort-Kommende in absoluten Zahlen
Migrantenselbstorganisationen
25 30
Ausländerbeirat
34
Wohlfahrtsverbände
35
Europäisches Parlament
39
Kommune (n)
40
Landesminister und -politiker (n)
54
Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums
76
Parteien des Mitte-Links-Spektrums
88
Bundesminister/Minister (n)
89 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Artikelanzahl
Mit der Rangfolge der Handlungsträger übereinstimmend wurden im obigen Balkendiagramm Aussagenträger nachgewiesen, die bis auf das Europäische Parlament der nationalen Ebene (n) zugehörig sind. Dennoch zeigt sich eine zum Teil andere Abfolge hinsichtlich der Ränge der Aussagenträger im Vergleich zu denjenigen der Handlungsträger. Zwar waren es – zumindest im Mantelteil – die Bundesminister, die in erster Linie zu Wort kamen, gefolgt von Vertretern der beiden Volksparteien
146 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
CDU/CSU und SPD. Auf dem dritten und vierten Platz rangieren mit den Landesministern und -politikern sowie Vertretern der Kommunen Handlungsträger der Landes- und kommunalen Ebene, bevor sich darunter Abgeordnete des Europäischen Parlaments platzieren. Zudem treten auch ausländische Statusgruppen als Aussagenträger auf, wenngleich auf dem letzten Rang. Der Befund deckt sich mit dem Susanne Dengels in ihren Medieninhaltsanalysen in der Saarbrücker Zeitung. Sie hat ebenfalls aufgezeigt, dass Politiker im Zeitraum 1955 bis 2005 den ersten Platz bei den Aussagenträgern einnehmen. Äußerungen von (zivil-)gesellschaftlichen Organisationen wurden und werden hingegen vergleichsweise selten abgedruckt.96 Ereignis- und Bezugsort Um im Anschluss an die medialen bzw. mediensprachlichen Beschreibungen der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung der Fragestellung nachzugehen, ob und inwiefern Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Zeitungen vorliegen, war mitunter die Information bedeutsam, an welchem Ort sich das berichtete Ereignis abspielte (Ereignisort) bzw. auf welchen Ort sich die Auswirkungen des (zentralen) Ereignisses bezogen (Bezugsort). Zur Erfassung der inhaltsanalytischen Variable Ereignis- und Bezugsort wurde die Logik der hierarchischen Codierung angewendet. 97 Tabelle 5: Saarbrücker Zeitung: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent Ereignisort in Prozent Bundesland Saarland
42,1
Bezugsort in Prozent Bundesland Saarland
38,8
Deutschland andere Bundesländer
33,3 9,2
Deutschland andere Bundesländer
27,6 9,2
Staatengruppierungen z.B. EU, NATO-Staaten, OECDStaaten etc.
6,4
Staatengruppierungen z.B. EU, NATO-Staaten, OECDStaaten etc.
15,4
Europäische Grenzregion SaarLorLux Einzelne Mitgliedsstaaten der EU (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
3,9
3,9
2,7
Europäische Grenzregion SaarLorLux Einzelne Mitgliedsstaaten der EU (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
Kontinente
2,4
Kontinente
2,4
2,7
96 Vgl. ebd., S. 467f. 97 Bei der hierarchischen Codierung können die Ausprägungen von einzelnen Kontinenten über supranationale Organisationen, Nationen, Grenzregionen und Regionen bis auf die Ebene von Städten und Gemeinden heruntergebrochen werden; vgl. P. Rössler: Inhaltsanalyse, S. 130.
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Der Ereignisort war primär auf den Nationalstaat, d.h. das Bundesland Saarland, andere Bundesländer, den Staat Deutschland eingeschränkt: Mit 42,1 % spielten sich die Ereignisse vor allem im Bundesland Saarland ab. 33,3 % der Artikel hatten als Ereignisort Deutschland. 9,2 % richteten im Rahmen einer überregionalen Perspektive ihr Augenmerk auf andere Bundesländer in Deutschland. Der Ereignisort Staatengruppierungen wurde bei 6,4 % der Artikel ermittelt, wobei hier das Geschehen primär in Europa stattfand. 3,9 % der berichteten Ereignisse spielten in der Grenzregion, d.h. in den Teilgebieten bzw. der übergeordneten räumlichen Ebene Deutschland, Frankreich und Luxemburg; 2,7 % fanden in einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg) statt. Ereignisse, die sich auf Kontinente wie Europa, Amerika oder Afrika bezogen, hatten einen Wert von 2,4 %. Die teilweise abweichende prozentuale Aufteilung von Ereignis- und Bezugsort zeigt, dass sich Ereignis- und Bezugsort zwar oftmals decken wie bei den Variablen andere Bundesländer, Europäische Grenzregion SaarLorLux, einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie Kontinente. Die Wirkungen eines Ereignisses entfalten sich jedoch offensichtlich geografisch weitläufiger, wenn die Variable Staatengruppierungen (15,4 %) als Bezugsort auftritt. Zwar wurde beispielsweise über bestimmte Treffen von EU-Außenministern in Brüssel berichtet (Ereignisort Brüssel bzw. einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union); dabei ging es etwa um die Sicherung der EU-Außengrenzen mit Hilfe der Gründung einer gemeinsamen Grenzschutzagentur (Bezugsort Europäische Union). In der Migrationsberichterstattung wurde das Saarland sowohl als Ereignis- als auch als Bezugsort am stärksten codiert (42,1 bzw. 34,8 %). Die Saarbrücker Zeitung setzt gezielt auf Regionalisierungskonzepte, um die Bindung ihrer Abonnenten an das Blatt zu erhöhen. Der Aufbau der Regionalzeitung verleitet den Rezipienten dazu, sich standortbezogen über seinen geografischen Nahbereich zu informieren: Über die Hauptausgabe im Stadtverband Saarbrücken hinaus erscheint das saarländische Medium in den umliegenden Nebenausgaben mit nicht selbstständigen Kopfblättern, denen bei einem nahezu identischen Mantel ein jeweils anderer Lokalteil beigelegt ist. Susanne Dengel fasst diesen Regionalisierungstrend in der Saarbrücker Zeitung folgendermaßen zusammen: »Wo vor 50 Jahren noch über das große Weltgeschehen berichtet wurde, handeln die Beiträge heute vom wirtschaftlichen Aufschwung der Unternehmen der Region, von Grundschulschließungen in der Gemeinde oder vom Sieg des ortsansässigen Fußballvereins.«98 Dieser auf das Saarland ausgerichtete Regionalisierungstrend umfasst nur ansatzweise ein zusammenhängendes nationenübergreifendes Gebiet wie die europäische
98 S. Dengel: Regionalisierung, S. 426.
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Grenzregion SaarLorLux;99 die Ereignisbezüge gehen somit nur teilweise über die Grenzen des Nationalstaates hinaus: Grenzüberschreitende Bezugnahmen in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung teilen sich für die Ereignis- und Bezugsorte prozentual wie folgt auf: 2,4 % der Beiträge entfallen auf die SaarLorLux-Region allgemein, 0,8 % auf Luxemburg und 0,7 % der Beiträge auf Lothringen. Andere Studien, die ihren Fokus auf grenzüberschreitende Ereignisse in der SaarLorLux-Region legen, verweisen auf andere Befunde hinsichtlich des grenzüberschreitenden Ereignis- und Bezugsrahmens in der Saarbrücker Zeitung. Die Studie von Merle Schmidt zum Jugendphänomen der »Halbstarken« bzw. »Blousons-Noirs« für die Jahre 1956 bis 1962 ermittelte ebenfalls nur eine marginale grenzüberschreitende Berichterstattung des Phänomens. Allerdings stellte den Ereignis- und Bezugsort in der saarländischen Zeitung öfters Lothringen dar als umgekehrt in der lothringischen Zeitung das Saarland. Im Républicain Lorrain ermittelte Schmidt eine regionale Selbstreferenzialität, die auf die verstärkte Selbstorganisation der »Blousons-Noirs« in Metz zurückzuführen ist. Entsprechende Organisationsstrukturen fehlten den »Halbstarken« an der Saar, weswegen der Blick über die Grenzen hinweg ins lothringische Ausland fiel.100 Von einem (medialen) »Transferraum der ›Halbstarkenkultur‹« 101 im saarländisch-lothringischen Grenzraum kann – nach Schmidt – jedoch keine Rede sein, da über keine gemeinsamen grenzüberschreitenden Aktivitäten berichtet wurde. Der Fokus des Ereignis- und Bezugsorts in der Saarbrücker Zeitung lag für die vorliegende Studie im Gegensatz zum Phänomen der Halbstarken bzw. BlousonsNoirs auf dem saarländischen Verbreitungsgebiet. 5.1.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Instrumentalisierungs- und Flutdiskursen Die Inhaltsanalyse erfasste die medialen Darstellungsmerkmale und schloss daraus Inferenzen auf den Kommunikator sowie auf die sozio-politische Situation. Um die wiederkehrenden Textelemente kultur- und ländervergleichend zu eruieren, wurde eine Interdiskursanalyse durchgeführt. Die Interdiskurselemente wurden im Codierbuch als sprachliche Kategorie ausgewiesen. Dabei handelt es sich um die Interdiskurselemente Topoi und Kollektivsymbole, deren Typologie und Häufigkeit in einer empirischen Bestandsaufnahme festgestellt wurden.
99
R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 16.
100 Vgl. M. Schmidt: Halbstarke, S. 362f. 101 Ebd., S. 361.
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5.1.2.1 Argumentationstopoi Bei den in der Saarbrücker Zeitung im Betrachtungszeitraum 1990 bis 2010 ermittelten Topoi konnten traditionelle von neuen Topoi unterschieden werden. Die neuen Topoi treten zusammen mit globalen diskursiven Ereignissen oder der Zuwanderungsdebatte in der Bundesrepublik Deutschland ab 2002 auf. Die in der Saarbrücker Zeitung dargestellten asyl- und migrationspolitischen Themen wirkten sich auf die Verwendung der Argumentationstopoi aus. Seit Beginn der 1990er Jahre erreichte die Zuwanderung von Asylbewerbern und Aussiedlern ihren Höhepunkt und löste (partei-)politische Diskussionen um Einwanderung und Integration aus. Wie in Diagramm 4 »Mediale Peaks und Themenschwerpunkte« dargestellt, galten als bedeutende Ereignisse in diesem Migrationsdiskurs: die Asyldebatte Anfang der 1990er Jahre, der daraus folgende Asylkompromiss 1993, der Aussiedler-Streit 1996, das im Januar 2000 in Kraft getretene Staatsangehörigkeitsrecht, die Einführung der »Green-Card« zur Anwerbung von Computerexperten im Jahr 2000 sowie der Prozess bis zur Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes im Januar 2005. Einen Strang des Einwanderungsdiskurses bildeten demnach Steuerungsmöglichkeiten von Zuwanderung, mittels landespolitischer und kommunaler Integrationsmaßnahmen äußerten. Dieser Aspekt des Diskurses zeigt sich umso stärker im Jahr 2001, als einerseits die Schulleistungsuntersuchung PISA die mangelnde schulische Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund aufdeckte, andererseits die Terroranschläge des 11. September Sicherheitsfragen und die Integration muslimischer Migranten in den Fokus der politischen Diskussionen rückten. Nach der Identifikation der Argumentationsmuster wurde deren Häufigkeit und die Quantität ihres Vorkommens im Betrachtungszeitraum ausgezählt, jeweils getrennt nach pro und contra Einwanderung genutzten Topoi, um so eine Aussage über dominante Denk- und Argumentationsweisen treffen zu können.
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Diagramm 9: Saarbrücker Zeitung: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation 16,0% 12,0% 8,0% 4,0%
Pro-Argumentation
NutzlosigkeitsTopos
Demokratie-Topos
Anti-Instrumentalisierungs-Topos
Realitäts-Topos
Aufklärungs-Topos
AnpassungsTopos
Belastungs-Topos
Topos des wirtsch. Nutzens
Gefahren-Topos
Zahlen-Topos
0,0%
Contra-Argumentation
Dabei zeigt sich, dass die parteipolitischen Diskussionen, die sowohl die zeitliche Entwicklung der Artikel sowie die Themenverteilung in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung dominierten, auch bei der Verwendung sowie bei den sozialen Trägern von Argumentationstopoi ausschlaggebend sind. In 72,5 % der Artikel wurden Argumentationstopoi verwendet. Für die Saarbrücker Zeitung überwiegen deutlich Topoi mit einer Contra-Argumentation. Als contra Einwanderung und damit ausschließlich oder überwiegend Contra-Argumentationen beinhaltende quantitativ zentrale Topoi sind der Zahlen-Topos (18,0 %), der Gefahren-Topos (10,2 %), der Belastungs-Topos (7,6 %), der Anpassungs-Topos (6,7 %), der Aufklärungs-Topos (5,4 %) und der Nutzlosigkeits-Topos (2,8 %) zu nennen. Als pro Einwanderung ermittelte und damit ausschließlich oder überwiegend Pro-Argumentationen nachgewiesene Topoi gelten der Topos des wirtschaftlichen Nutzens (8,8 %), der Realitäts-Topos (5,0 %), der Anti-Instrumentalisierungs-Topos (4,9 %) und der Demokratie-Topos (3,1 %). Der Trend ihres Vorkommens wurde im Zeitintervall 1990 bis 2010 ermittelt und anhand des folgenden Flächendiagramms veranschaulicht:
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Anzahl der Artikel in absoluten Zahlen
Diagramm 10: Saarbrücker Zeitung: Topoi im Zeitverlauf 50
Nutzlosigkeit
45
Demokratie
40 35 30
AntiInstrumentalisierung Realität
25
Aufklärung
20
Anpassung
15
Belastung
10 5 0
wirtschaftlicher Nutzen Gefahren Zahlen
Zahlen-Topos Zahlen-Topoi gelten als Stützen anderer kontextspezifischer Topoi und sind inhaltlich daher unspezifisch. Sie unterliegen folgender Schlussregel: »Weil die Zahlen einen bestimmten, in einem inhaltlich spezifischeren Topos behaupteten Zusammenhang belegen, sollte eine bestimmte Handlung ausgeführt/unterlassen werden.«102 Sie traten in der Migrationsberichterstattung des Öfteren in Kombination mit Gefahrenund Belastungs-Topoi auf: Folgendes Textbeispiel mit der Überschrift »Warnung vor Zuwanderer-Welle« wurde zwar aufgrund einer scheinbar objektiven Grundlage mit Datenmaterial ergänzt, nimmt jedoch gleichzeitig einen subtilen Eingriff in die Denkweise des Rezipienten vor; eine bestimmte Art der Wirklichkeitsinterpretation wird verstärkt:103 »Hielte der Januar-Trend an, würden in diesem Jahr fast 700 000 Übersiedler und mehr als 400 000 Aussiedler in die Bundesrepublik kommen – nach 344 000 Übersiedlern und 377 000 Aussiedlern im vergangenen Jahr.«104 Wenngleich die Auswahl bestimmter Zahlen oder deren (grafische) Darstellung zur ausländischen Bevölkerungsentwicklung vordergründig neutral wirkt, sind sie sekundär oftmals negativ einzuordnen. Unter einer Überschrift wie beispielsweise
102 Ebd., S. 324. 103 Vgl. E. Meyer: Sprachgebrauch, S. 156. 104 Anonymus: »Warnung vor Zuwanderer-Welle«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14.02. 1990, Titelseite.
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»Asylbewerberzahl wieder gestiegen«105 subsumierte Artikel basieren zwar auf einer objektiv-statistischen Grundlage und bedienen sich auf der kognitiven Ebene daher zahlreicher Informationen, rufen jedoch auf der emotiven Ebene beim Rezipienten das Bild einer Bedrohung Deutschlands durch Asylsuchende hervor. Auch die umgekehrte Argumentation »Deutlich weniger Asylbewerber«106 ist nicht per se neutral angelegt, da sie den Rückgang einer einstigen unkontrollierten Masse impliziert, die jederzeit wieder in eine »Flut« anschwellen kann.107 Die Beschreibung der Bevölkerungsentwicklung verbindet sich ferner des Öfteren mit der Nennung von Nationalitäten, wodurch dem Rezipienten die zahlenmäßige Dominanz einer bestimmten Einwanderergruppe vor Augen geführt werden soll. So heißt es etwa in dem bereits oben erwähnten Artikel »Asylbewerberzahl wieder gestiegen«: »Ein Drittel aller Asylbewerber im Januar sei aus Osteuropa gekommen. An der Spitze standen die Jugoslawen mit fast 1900 Asylbewerbern, gefolgt von einer fast gleich großen Zahl aus der Türkei.«108 Gefahren-Topos Um Gefahren-Topoi zu ermitteln, wurden inhaltsanalytische Befunde zur Kategorie Gefahren heranzogen, nicht zuletzt um dabei die Tendenz des Topos als pro oder contra Einwanderung zu ermitteln. Die auf Basis der Inhaltsanalyse zusammengestellten Artikel mit einer spezifischen Gefahrenthematik lassen weitergehende Analysen im Hinblick auf die Topoi zu. Innerhalb des 15,4 %-Anteils des inhaltsanalytischen Codes »Gefahren/Beeinträchtigungen« an allen Artikeln konnten Gefahrentopoi in einem Teil der Artikel ermittelt werden. Dabei reichte es jedoch nicht aus, dass Gefahren in diesen Artikeln lediglich benannt wurden, was weitaus häufiger geschah. Es galt, über ihren sozialen Träger, d.h. denjenigen, der die (vermeintliche) Gefahr vermittelt, folgende Schlussregel zu formulieren: »Weil eine politische Handlung/Entscheidung bestimmte gefährliche Folgen hat, sollte sie nicht ausgeführt werden/ist sie abzulehnen.«109 Über die Analyse der Benennung und Häufigkeit der in den Artikeln nachgewiesenen Gefahren ist zudem eine Pro- oder Contra-Tendenz in den Argumentationsstrukturen ersichtlich:
105 Anonymus: »Asylbewerberzahl wieder gestiegen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 05.02. 1991, S. 18. 106 Glaesener, Dieter: »Deutlich weniger Asylbewerber«, in: Saarbrücker Zeitung vom 26.09.2005, S. 2. 107 Vgl. E. Meyer: Sprachgebrauch, S. 153. 108 Anonymus: »Asylbewerberzahl wieder gestiegen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 05.02. 1991, S. 18. 109 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 306.
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• • • • • •
Gefahr der Überbevölkerung bzw. Überfremdung (4,1 %), Gefahr eines Anstiegs von Ausländerfeindlichkeit (3,9 %), Gefahr der Islamisierung (2,4 %), Segregationsgefahren (2,1 %), Gefährdung der kollektiven Sicherheit, etwa durch Kriminalität (1,5 %), (finanzielle) Risiken, die z.B. durch das Gewähren von Sozialleistungen entstehen könnten (1,4 %).
Aus den in 15,4 % der Artikel nachgewiesenen Gefahren wurden in 10,2 % GefahrenTopoi ermittelt. Der Gefahren-Topos tritt in 6,8 % und damit überwiegend als Contra-Argument auf, wie folgendes Beispiel zur Warnung vor einer »ZuwandererWelle« zeigt: »Der Präsident der kommunalen Spitzenorganisation, der CDU-Bundestagsabgeordnete Theo Margin, warnte am Dienstag in Bonn vor den Folgewirkungen der Zuwandererwelle und erklärte: ›Eine Ansiedlung im Bundesgebiet darf keine erstrangige Lebensperspektive mehr darstellen‹.«110 Der diesem Textbeispiel inhärente Gefahren-Topos erhält eine zusätzlich implizite Wirkungskraft durch das Kollektivsymbol »Welle«. Als pro Einwanderung verwendet, tritt der Topos u. a. im Zusammenhang mit dem Argumentationsmuster auf, dass durch politische Entscheidungen/wirtschaftliche Folgen ein Anstieg an Ausländerfeindlichkeit zu erwarten und diese Gefahr durch Gegenmaßnahmen einzudämmen sei. Diese Argumentationsweise wiederum steht Anfang der 1990er Jahre zusammen mit den fremdenfeindlichen Ausschreitungen in der Bundesrepublik im Fokus der Berichterstattung: »In der Studie, die Liselotte Funcke [damalige Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland] zum Problem der Fremdenfeindlichkeit in der Ex-DDR bei ihrem Abschied vorgelegt hat, heißt es: ›Das vorherrschende Grundgefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein, ruft als Reaktion hervor, das Eigene aufzuwerten und das Fremde abzuwerten‹. Wer will, dass der Rechtsradikalismus nicht weiter um sich greift, muß genau an diesem Punkt ansetzen.«111
110 Anonymus: »Warnung vor Zuwanderer-Welle«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14.02. 1990, S. 1. 111 Wein, Wulf: »Angst vor dem ›Schlachthof des Rassismus‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 19.07.1991, S. 3.
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Topos des wirtschaftlichen Nutzens Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens nimmt mit 8,8 % den dritten Rang in der Topos-Analyse ein und findet sich in der Saarbrücker Zeitung verstärkt ab der GreenCard-Debatte im Februar 2000. Wengeler konstatiert, dass dieser Topos bereits seit den 1960er und 1970er Jahren in Printmedien feststellbar war und mit der ausländerpolitischen Wende nach 1982 abnahm.112 Er weist demnach eine Kontinuität dieses Argumentationsmusters auf, wenngleich es – wie an der vorliegenden Analyse ersichtlich – bis zur Green-Card-Debatte eine geringe Rolle gespielt hat. Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens ist unter folgende Schlussregel zu fassen: »Weil eine Handlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen/keinen Nutzen bzw. Schaden bringt, sollte sie ausgeführt/nicht ausgeführt werden.«113 Als pro Einwanderung sieht die Argumentation – wie am folgenden Beispiel zum Zusammenhang zwischen ausländischem Zuzug und Wirtschaftswachstum im Saarland (konkret die Landeshauptstadt Saarbrücken) illustriert – folgendermaßen aus: »Wenn das so weitergeht, sind es 2010 gerade mal noch 174000 Einwohner. Und ohne die ausländischen Mitbürger sind es sogar nur noch 145000 Menschen, die dann in Saarbrücken leben. Das könnte schlimme Folgen für die Stadt haben. Denn weniger Einwohner bedeutet nämlich weniger Wirtschaftswachstum und mehr Schulden für Saarbrücken. Fehlen die jungen Leute, dann fehlen auch die Ideen! Und weniger Unternehmen werden sich in der Stadt ansiedeln. Saarbrücken verliert an Attraktivität.«114
Zur zusätzlichen Stützung der kontextspezifischen Schlussregel wurde in diesem Textbeispiel zudem ein Zahlen-Topos verwendet. Zahlen dienen dazu, die ökonomischen Folgen eines weiter anhaltenden deutschen und ausländischen Bevölkerungsrückgangs im Saarland zu demonstrieren. Im Zuge dieses Topos werden Migranten aber nicht nur als wirtschaftlicher Faktor im demografischen Wandel, sondern auch im Rahmen des Bundestagswahlkampfes von 2001 herangezogen, der die Debatten um ein Zuwanderungsgesetz in den Mittelpunkt des Wahlkampfes, rückte: »Bundespräsident Johannes Rau appellierte eindringlich an die Kompromissbereitschaft der Parteien. Er plädierte für einen sensiblen Umgang mit dem Thema Einwanderung im Bundestagswahlkampf. Einwanderung und Asyl dürften nicht miteinander vermengt werden. Es müsse vielmehr deutlich gemacht werden, dass es ›bei Zuwanderung um das Eigennützige und die 112 Vgl. M. Wengeler: Argumentationsmuster, S. 155f. 113 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 316. 114 Pfeiffer, Christine: »Saarbrücken braucht Ausländer, sonst wird in der Stadt das Geld knapp«, in: Saarbrücker Zeitung vom 21.02.2002, Lokalteil Sulzbach, S. 1.
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Interessen unserer Wirtschaft und Demographie geht und beim Asyl um das Uneigennützige und darum, dass derjenige, der um Leib und Leben fürchten muss, zu uns kommen kann.‹ Dies dürfe man nicht miteinander verwechseln, ›und das darf man nicht füreinander verkaufen‹, betonte Rau.«115
Rau warnt dem Zitat zufolge davor, wirtschaftlich gewollte Einwanderung (eigennützig) mit Asyl (uneigennützig) zu verwechseln. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft, dass man nur die besten und die ökonomisch am leichtesten zu integrierenden Zuwanderer favorisiert, ist im Rahmen einer solchen Argumentation jedoch durchaus legitim. Belastungs-Topos Der Belastungs-Topos kann als Variante des Nutzen-Topos verstanden werden, der den Fokus allerdings auf negative Folgen legt. Das heißt, es wird nicht mit einem (wirtschaftlichen) Nutzen, sondern mit einem Schaden argumentiert.116 Der weiter oben erwähnte Gefahren-Topos unterscheidet sich vom BelastungsTopos darin, dass er von einer zukünftigen Folge auf die zu vermeidende Ursache schließt (z.B. ein erwartbarer starker Zuzug von Einwanderern in die bundesdeutsche Aufnahmegesellschaft ist durch Anpassungen der Höhe und Form von Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz zu vermeiden). Der Belastungs-Topos hingegen argumentiert – wie Wengeler trennscharf festgelegt hat – umgekehrt »von einer aktuellen Situationseinschätzung auf eine zu vermeidende zukünftige Entwicklung«.117 Folglich gilt für ihn die Schlussregel: »Weil eine Person/eine Institution/ein Land mit bestimmten Problemen stark belastet oder überlastet ist – oder weil eine solche Belastung droht, sollten Handlungen ausgeführt werden, die diese Belastung vermindern bzw. verhindern.«118 Dem Topos des wirtschaftlichen Nutzens stand als ein zentrales Argumentationsmuster der Belastungs-Topos gegenüber. Das aus der Associated Press stammende Textbeispiel ist prototypisch für den Belastungs-Topos. Es befasst sich mit der Änderung des Asylrechts aus der Perspektive des saarländischen Innenministeriums und stellt die negative Folge »hohe Zuzugszahl von Asylbewerbern« im Rahmen des Belastungs-Topos heraus:
115 Associated Press: »Bewegung im Einwanderungs-Streit«, in: Saarbrücker Zeitung vom 22.12.2001, S. 5. 116 Vgl. M. Wengeler: Topos Begründung, S. 306f. 117 M. Wengeler: Kontinuität, S. 19. 118 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 303.
156 | M IGRATION IN DEN M EDIEN »Der saarländische Innenminister Friedel Läpple will mit drastischen Einschnitten ins bisherige Sozialrecht die Zuwanderung von Asylbewerbern und Aussiedlern in die Bundesrepublik eindämmen. […] Die hohe Zahl von Asylbewerbern führt Läpple auf eine ›Armutswanderung von Ost nach West und auch von Süd nach Nord‹ zurück, die das Grundrecht auf Asyl ernsthaft gefährde.«119
Die Argumentation beruft sich darauf, dass durch die Zuwanderung die Belastungsgrenzen Deutschlands bzw. des Saarlandes erreicht seien. Darüber hinaus wird die »Belastung« durch die implizite »Deich-Symbolik« und den Süd-Nord-Topos (»Armutswanderung« von Süd nach Nord) zusätzlich verschärft. Die Verwendung des Belastungs-Topos geht nach Wengeler mit einer Wirkungswahrscheinlichkeit beim Rezipienten einher: »Der Belastungs-Topos kann als ein prägnantes Beispiel für die öffentliche sprachliche Konstruktion von Wirklichkeit betrachtet werden, von deren Gelingen die Durchsetzung bestimmter politischer Forderungen abhängt, die aber auch […] den gesellschaftlichen Umgang mit (ethnischen) Minderheiten beeinflusst.«120
Anpassungs-Topos Der Anpassungs-Topos gehört zu den von Wengeler ermittelten neueren Argumentationsmustern, die ab den 1990er Jahren verstärkt in den Medienberichterstattungen genutzt werden. In der Saarbrücker Zeitung findet sich dieser Topos in 6,7 % der Artikel, wobei er gleichermaßen als Pro- und Contra-Argument auftaucht (3,4 % bzw. 3,3 %). In der »Kopftuch«-Debatte wurde dieser Topos dahingehend verwendet, dass sich Migranten für eine erfolgreiche Integration an eine deutsche Leitkultur oder allgemeiner an westlich-demokratische Werte, Grundregeln und Gesetze anzupassen hätten. Dieser Topos betont somit die »kulturelle Andersartigkeit« der Zuwanderer, fordert aber die einheimische Bevölkerung im Gegenzug nicht auf, durch mehr Verständnis und Toleranz die Integration der Zuwanderer zu fördern.121 Er kann damit als Variante des unter der Topos-Analyse im Républicain Lorrain diskutierten Überfremdungs-Topos (vgl. Kap. 5.2.2) betrachtet werden. Durch die Forderung nach einer Anpassung an die »Kultur« des Aufnahmelandes und damit an eine im Sinne der Leitkultur-Debatte proklamierte nationale Identität erhält der Anpassungs-Topos jedoch eine – im Vergleich zum Überfremdungs-Topos – neue, nationalistisch gefärbte
119 Anonymus: »Läpple will Zuwanderung stoppen. Weniger Rechte für Asylbewerber und Aussiedler«, in: Saarbrücker Zeitung vom 18.02.1991, S. 1. 120 M. Wengeler: Kontinuität, S. 19. 121 Vgl. ebd., S. 17.
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Qualität.122 Die dem Anpassungs-Topos zu Grunde liegende Schlussregel ist folgendermaßen zu formulieren: »Wenn das Zusammenleben zwischen Migranten und Einheimischen erfolgreich sein soll, ist (k)eine Anpassung der Migranten an die deutsche Leitkultur notwendig und zu verlangen.« Als prototypisches Beispiel für einen im weiteren Sinn als pro Einwanderung verwendeten Anpassungs-Topos dient folgendes Textbeispiel: »Auch der von Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) in die Debatte eingebrachte umstrittene Begriff der ›Leitkultur‹, den die bayerische Schwesterpartei in ihrem Zuwanderungskonzept noch aufgegriffen hatte, taucht in dem gemeinsamen Papier nicht mehr auf. Stattdessen heißt es nun, dass die Zuwanderer verpflichtet seien, sich aktiv um die Einordnung und Teilnahme am Zusammenleben in Deutschland zu bemühen. Ausländer, die in Deutschland leben möchten, sollen nach dem Willen der Unionsparteien künftig verpflichtet werden, an so genannten Integrationskursen teilzunehmen, in denen Deutsch und Grundkenntnisse der Rechtsund Gesellschaftsordnung gelehrt werden.«123
Das Beispiel kann im weiteren Sinn als pro Einwanderung gedeutet werden, in dem der Leitkultur-Begriff zwar offiziell vermieden wird. Im engeren Sinn wird nichtsdestotrotz auf eine Leitkulturorientierung verwiesen, wenn über die (verpflichtende) Teilnahme an Integrationskursen die deutsche Sprache sowie die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit die deutsche Leitkultur vermittelt werden sollen. Der Begriff der Leitkultur war zugleich ein kontrover diskutierter Begriff für SPD und Union im Bundestag bei der Frage der Integration von Migranten, wie folgendes Contra-Argument aus dem Artikel »Aufgeheizte Debatte über Leitkultur, Patriotismus und Integration« zeigt: »Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach verteidigte dagegen erneut den Begriff der Leitkultur als Ausdruck für einen ›gemeinsamen werteorientierten Konsens‹.«124 Aufklärungs-Topos Der Aufklärungs-Topos konnte in 5,4 % der Artikel ermittelt werden und verteilt sich konstant auf den gesamten Betrachtungszeitraum. Er gilt als verstärkt in der Pro-Argumentation verwendeter Topos:
122 Vgl. ebd., S. 18. 123 Seydewitz, Rolf: »Integrationskurse statt Leitkultur«, in: Saarbrücker Zeitung vom 11.05.2001. 124 Agence France Presse: »Aufgeheizte Debatte über Leitkultur, Patriotismus und Integration«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.12.2004, S. 6.
158 | M IGRATION IN DEN M EDIEN »Trotz der hohen Arbeitslosigkeit fordern Wirtschaft und Arbeitsmarktexperten eine rasche Regelung der Zuwanderung. Auch wenn die Zahl der Arbeitslosen über vier Millionen schnellen werde, sei ›das Thema Fachkräftemangel nicht vom Tisch‹, hob der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) am Mittwoch hervor. Ähnlich äußerten sich auch mehrere Sachverständige bei einer Anhörung zum Zuwanderungsgesetz im Innenausschuss des Bundestages. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, sagte, es gebe keine Kollision zwischen dem Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit und den Zielen des Gesetzentwurfs. Die Union blieb indes bei ihrer Kritik und lehnte den rot-grünen Entwurf ab. BDI-Präsident Michael Rogowski sagte der ›Berliner Zeitung‹, mit der Qualifizierung inländischer Arbeitskräfte allein lasse sich das Problem nicht lösen. Deutschland brauche Zuwanderung von Hochqualifizierten und dringend benötigten Fachkräften.«125
Wie das Textbeispiel aufgezeigt hat, ist der Aufklärungs-Topos unter folgende Schlussregel zu subsumieren: »Wenn ein politisches Vorhaben nur öffentlich gut erklärt/den Wählern vermittelt wird, dann kann/darf/sollte man es durchführen.«126 Realitäts-Topos Als ein überwiegend pro Einwanderung verwendeter Topos wurde an siebter Stelle mit 5,0 % der Realitäts-Topos ermittelt. Er wird im deutschen Migrationsdiskurs in der Regel eingesetzt, um für eine Haltung zu werben, die die Zugewanderten als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft ansieht oder die politischen Entscheidungen, die zur Verbesserung von deren Lebenssituation bzw. Integration beitragen, unterstützt. Im Sinne der argumentationsanalytischen Schlussregel kann der Realitäts-Topos nach Wengeler wie folgt formuliert werden: »Wenn die Wirklichkeit so ist, wie sie ist, sollte eine bestimmte Handlung/Entscheidung ausgeführt/getroffen bzw. nicht ausgeführt/nicht getroffen werden.«127 Prototypisch für diesen Topos etwa in den Debatten um das Zuwanderungsgesetz oder um die doppelte Staatsbürgerschaft ist die Feststellung, dass die Bundesrepublik de facto ein Einwanderungsland (geworden) sei und daher bestimmte politische Maßnahmen, z.B. ein Zuwanderungsgesetz oder die Einführung der doppelten Staatsangehörigkeit, erforderlich seien. Bei der Korrespondentin der Saarbrücker Zeitung, Esther Braun, sieht eine Pro-Argumentation des Realitäts-Topos folgendermaßen aus: »Deutschland hat zwar ein verschärftes Asylrecht, aber immer noch kein Zuwanderungsgesetz. Deutsche Sprache, deutsche Schule, deutsche Freunde haben die Kinder der Familie Günnaz geprägt. Zwei sind hier geboren. Doch Deutschland, das über Nachwuchs jammernde Land der 125 Agence France Presse: »Wirtschaft will mehr Zuwanderung«, in: Saarbrücker Zeitung vom 17.01.2002, S. 4. 126 M. Wengeler: Kontinuität, S. 17. 127 M. Wengeler: Argumentationsmuster, S. 147.
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Rentner, will diese Kinder nicht haben. Es gilt ein vormodernes Blutrecht, nicht wie in Frankreich oder den USA das Geburtsrecht. […] Ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz muss her. Damit Menschen wie Familie Günnaz nicht mehr durch die Löcher des Asylrechts als auch des Ausländerrechts fallen können. Wer jahrelang in Deutschland lebt, Arbeit findet und sich integriert, ist wertvoll für unsere Gesellschaft und muss bleiben können.«128
Der an diesem Textbeispiel als Pro-Argument dargestellte Realitäts-Topos kann denselben Sachverhalt betreffend im Sinne einer Contra-Argumentation völlig anders aussehen, wie die Überschrift des 1991 erschienenen Artikels »Kohl: Deutschland ist kein Einwanderungsland«129 zeigt. Um dieser Erklärung auch eine auf der »Realität« basierende Aussagekraft zu verleihen, fügte die Associated Press noch eine Grafik bei. Die Grafik stellt die Zuwanderung von Aussiedlern und Asylbewerben in den Jahren 1982 bis 1991 und damit die »Realität« im Sinne eines – die Aussiedler betreffenden – Rückgangs des ausländischen Anteils an der Bevölkerung dar. Von einem Einwanderungsland könne – so Kohl in dem Beitrag – in der Folge nicht gesprochen werden; die Wirklichkeit zeige, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei und damit auch keine politischen Maßnahmen wie etwa ein Zuwanderungsgesetz ergriffen werden müssten. An den beiden ausgewählten Beispielen des Realitäts-Topos lässt sich die historische Kontinuität von Argumentationsmustern und ihre Wandlung von einem Anfang der 1990er Jahre noch überwiegend als Contra-Argument zu einem zehn Jahre später ausschließlich als Pro-Argument verwendeten Topos – wenngleich anhand zweier vereinzelter Beispiele nicht durchgängig – belegen, zumindest aber andeuten. Anti-Instrumentalisierungs-Topos Gegen Ende des Green-Card-Sofortprogramms 2004 trat der vom damaligen Bundesinnenminister Schily geschaffene Anti-Instrumentalisierungs-Topos auf: »Weil trotz Arbeitslosigkeit in Teilbereichen ausländische Arbeitskräfte gesucht werden, forderte Schily den politischen Gegner auf, dieser solle Arbeitslose und Zuwanderer nicht gegeneinander ausspielen, um seine Ablehnung des Einwanderungsgesetzes zu legitimieren.«130 Allgemeiner kann der Anti-Instrumentalisierungs-Topos wie folgt definiert werden: »Weil trotz Arbeitslosigkeit in Teilbereichen ausländische Arbeitskräfte gesucht werden, muss Zuwanderung gefördert werden. «
128 Braun, Esther: »Wir brauchen dringend ein Zuwanderungsgesetz. Ausländer rein!«, in: Saarbrücker Zeitung vom 17.04.2001, Lokalteil Saarlouis. 129 Anonymus: »Kohl: ›Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 12.08.1991, S. 2. 130 M. Wengeler: Kontinuität, S. 21.
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Das Zitat der damaligen CDU-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth »Deutschland braucht trotz der hohen Arbeitslosigkeit in begrenztem Umfang qualifizierte Zuwanderer«131 illustriert beispielhaft dieses Pro-Argument. Das vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 dem damaligen CDU-Landesvorsitzenden Jürgen Rüttgers zugeschriebene Wahlkampf-Schlagwort »Kinder statt Inder« löste kontroverse Diskussionen um die im Bund geplante Einführung der Green-Card aus. Mit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes wurde die Green-Card-Regelung in die Beschäftigungsverordnung aufgenommen und daher kamen die zuvor in der öffentlichen Diskussion verwendeten Topoi außer Gebrauch. Demokratie-Topos Der Demokratie-Topos fand in der Saarbrücker Zeitung in der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraums erstmals Verwendung. Wengeler ermittelte diesen hingegen in seiner Analyse erst ab 2000 vor Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes. Er definierte folgende Schlussregel für diesen Topos: »Wenn die Mehrheit der Bevölkerung (nicht) hinter einer geplanten Entscheidung steht, sollte diese (nicht) durchgeführt werden.« Wengeler formulierte den Topos allerdings nur im Sinne einer ProArgumentation, da er sich ausschließlich auf das Zuwanderungsgesetz bezog: »Nur wenn die Mehrheit etwas für richtig hält, sollte es getan werden.«132 Der Topos dient als Begründung für das Zuwanderungsgesetz: »Der Prozess der Einwanderung müsse administrativ und nachvollziehbar gestaltet werden, weil eine neue Migrationspolitik, die aus den Elementen ›Anwerben‹ einerseits und ›Zuzug begrenzen‹ andererseits bestehe, die Unterstützung der Bevölkerung brauche.«133 In der Diskussion um die Situation der Asylbewerber in der Landesaufnahmestelle Lebach zeigt sich die Contra-Argumentation dieses Topos in der Saarbrücker Zeitung bereits 1990: »›Nicht nur im Lager Lebach droht ein Kollaps, die Polizei in Lebach leidet mit, und damit auch der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger an eine funktionierende Strafrechtspflege‹, weist der Gewerkschaftssprecher auf gravierende Mißstände und Personalengpässe hin.«134 In diesem Textbeispiel wird die »Demokratie« indirekt in die Argumentation eingebunden, wenn aus den Defiziten im öffentlichen Dienst Folgen für die Demokratie abgeleitet werden. Somit wäre es – der Argumentation des Gewerkschaftssprechers folgend – auch von den Lebachern nicht zu befürworten, wenn sich Asylbewerber in Lebach mit jedweden Anliegen in die Polizeidienststelle begeben würden. 131 Vetter, Stefan: »Süssmuth will Facharbeiter anwerben«, in: Saarbrücker Zeitung vom 20.02.2004, S. 2. 132 M. Wengeler: Kontinuität, S. 16. 133 Ebd., S. 16. 134 Jungmann, Michael: »Wenn Asylbewerber in Lebach die Polizeidienststelle belagern«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14./15.07.1990, S. 3.
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Nutzlosigkeits-Topos Einen verstärkt in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums verwendeten Topos im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung stellt der sowohl als Pro- als auch Contra-Argumentation verwendete Nutzlosigkeits-Topos dar. Er argumentiert damit, dass die Idee, eine in der Zukunft durchzusetzende rechtliche Änderung, z.B. des Asylrechts, zur Lösung bestimmter Probleme einzusetzen, illusionär sei bzw. weitere Gefahren mit sich bringe. Damit bezieht er sich auf eine prognostizierte Folgenlosigkeit. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurden auch Prognosen erfasst. Wie bei der inhaltsanalytischen Erhebung von Gefahren reichte es nicht aus, dass die Prognosen lediglich benannt wurden, um als Nutzlosigkeits-Topos zu gelten. Die Prognosen mussten auch eine Schlussregel beinhalten. Auf Basis dieser inhaltsanalytischen Befunde konnten dann Artikel mit folgender Schlussregel eruiert werden: »Wenn abzusehen ist, dass prognostizierte/erwartete Folgen einer Entscheidung oder Handlung nicht eintreten oder weil andere politische Handlungen dem erklärten Ziel eher dienen, ist die Entscheidung abzulehnen, bzw. weil bestehende Regelungen den erklärten Zielen nicht genutzt haben, sind sie zu ändern.«135 21 % der Artikel beinhalteten folgende Prognosen: • einen Anstieg des ausländischen Bevölkerungsanteils in der Bundesrepublik Deutschland (5,2 %), • eine Zunahme der Ausländerfeindlichkeit (5,1 %), • einen Anstieg der europäischen Bevölkerung (4,8 %), • ein Wirtschaftswachstum durch den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte (3,1 %), • eine Abnahme der Ausländerfeindlichkeit (1,4 %), • eine erfolgreiche Integration (1,4 %). 2,8 % der Artikel wiesen Nutzlosigkeits-Topoi im Sinne der oben formulierten Schlussregel auf, die phasenweise im Betrachtungszeitraum auftraten: während der Debatte um die Asylrechtsänderung 1993, vor und nach Verabschiedung der Ausländerklausel im Fußball 1995 sowie vor Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes 2005. Im Vorfeld der Asylrechtsänderung und als der Asylkompromiss am 1. Juli 1993 in Kraft trat, fanden die Argumente der Demonstranten im Sinne von Pro-Argumentationen Eingang in die Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung, wie folgendes Zitat belegt: »Die Demonstranten, von denen einige türkische Fahnen
135 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 329.
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hochhielten, warfen der Bundesregierung vor, sie erhöhe mit der geplanten Gesetzesänderung die Rechtsunsicherheit der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer.«136 Neben der Asylrechtsänderung wiesen auch Berichte zu Diskussionen vor und nach Verabschiedung der Ausländerklausel im Fußball Nutzlosigkeits-Topoi nach. Nach Verabschiedung der Ausländerklausel kam – zumindest von Akteuren aus dem Sport – Unmut auf, wie folgendes Contra-Argument verdeutlicht: »Allerdings werden auch die Gefahren der mit der Einführung des EG-Binnenmarktes am 1. Januar 1993 einhergehenden Liberalisierung der Ausländerklausel nicht verkannt: ›Bedenklich ist die drohende Überfremdung unserer Mannschaft, weil dadurch dem Zuschauer die Identifikation schwerer fällt‹, argumentiert Präsident Norbert Thines vom Bundesliga-Tabellenführer 1. FC Kaiserslautern.«137
5.1.2.2 Kollektivsymbole Kollektivsymbole enthielten 22,6 % der Artikel zur Migrationsberichterstattung. Da diese nicht ständig neu produziert werden, wurden für den medialen Migrationsdiskurs in der Saarbrücker Zeitung elf im Betrachtungszeitraum wiederkehrende Symbole empirisch identifiziert. Die Auswertung des Materials ergab vier Klassen: Natur (11,5 %), Zivilisation (7,9 %), Kultur (2,1 %) und Raum (1,1 %). Darin enthalten sind folgende Subklassen sowie Pictura, d.h. Bild- und Subscriptio, d.h. Zuschreibungs-Elemente: Tabelle 6: Saarbrücker Zeitung: Prozentuale Verteilung der Kollektivsymbole Klasse Natur
Zivilisation
Subklasse Naturerscheinung
Pictura (p1-p11) Flut
Subscriptio (s1-s9)
Prozent 5,3
(Zu-)Strom Welle
Migration
2,4 2,0
Körper
Schläfer bzw. schlafen Boot
(noch) nicht aktiver Terrorist Saarland/Deutschland
1,8
einschleppen/ Schlepper/ Schleuser
Kriminelle Banden, die illegale Einwanderung ermöglichen
Technik Medizin
3,4 2,7
136 Anonymus: »Proteste wegen Ausländergesetz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.04. 1990, S. 2. 137 Anonymus: »Ja zu fünf Ausländern«, in: Saarbrücker Zeitung vom 23.04.1991, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken, S. 15.
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Militär
Festung
Nationalstaatlichkeit
0,9
Belagerung
Erfolgreiche (illegale) (Massen-)Einwanderung ins Saarland/ nach Deutschland Unterkünfte für Asylbewerber Islam/Rückständigkeit/Fundamentalismus
0,8
Grenze
1,1
(Zeit-)Bombe Kultur
Kleidung
Schleier/Kopftuch
Raum
Trennlinie
Deich/Damm bzw. eindämmen
0,1 2,1
Die größte Bedeutung im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung ist mit 11,5 % der Klasse Natur zuzuschreiben, die in die Subklassen Naturerscheinung und Körper unterteilt wurde. Die Klasse Zivilisation (7,8 %) nimmt den zweiten Rang ein. Die Belege verteilen sich auf die drei Subkategorien Technik, Medizin und Militär. Kultur- und Raumklassen haben indes mit jeweils einer Subkategorie (Kleidung bzw. Trennlinie) nur eine marginale Bedeutung (2,1 bzw. 1,1 %). Der Trend der Pictura-Elemente über das Zeitintervall 1990 bis 2010 stellt sich im Flächendiagramm folgendermaßen dar: Diagramm 11: Saarbrücker Zeitung: Pictura-Elemente in Zeitachse Flut (Zu-)Strom
12
Welle
Artikelanzahl
10
Schläfer
8
Boot Schleuser/Schlepper
6
Festung 4
Belagerung (Zeit-)Bome
2
Kopftuch/Schleier 0
Deich/Damm Zeitachse
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Im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung dominierten Anfang der 1990er Jahre Pictura-Elemente wie brechende Dämme und das volle Boot. Ab Ende der 1990er Jahre tauchten neue Symbole wie Kopftuch/Schleier oder Schläfer auf. Daneben wurden Kollektivsymbole wie (Zu-)Strom festgestellt, die sich konstant durch den Betrachtungszeitraum zogen. Demgegenüber spielten andere, vor allem im Islamdiskurs verwendete Metaphern wie Krankheits- oder Parentalmetaphern138 für den Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung im Betrachtungszeitraum eine marginale Rolle. Allenfalls mit der Symbolik des Schleppers und Einschleppens kann die Vorstellung assoziiert werden, dass Krankheiten »eingeschleppt« werden. 139 Die Verwendung solcher metaphorischer, mitunter stereotyper Konzepte im Islamdiskurs ist – wie Kai Hafez nachweisen konnte – verstärkt aus der Auslandsberichterstattung und damit aus internationalen Nachrichtenagenturen und/oder Korrespondentenberichten entnommen. 140 Zwar waren im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung Agenturnachrichten mit 31,4 % und organeigene Berichte mit 30,6 % prozentual annähernd gleich verteilt; Korrespondentenberichte zählten mit 8,7 % hingegen eher zu den marginal verwendeten journalistischen Darstellungsformen. Entsprechende bedrohliche Symboliken oder Modebegriffe aus dem gängigen Islamdiskurs wurden dennoch durch das bewusste oder unbewusste Ausklammern einer solchen bildlichen Sprache im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung nicht verwendet. Die genannten Beispiele stehen für die Symbolik des Innen und Außen. Zudem zeigt sich, dass Kollektivsymbole in der Saarbrücker Zeitung nur mit bestimmten Formen der Zuwanderung in Verbindung gebracht wurden: Die Mehrheit der Kollektivsymbole, so Flut, (Zu-)Strom/Welle, Boot, Schleuser/Schlepper, Deich/Damm und Belagerung, trat im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die internationale Migration infolge von Flucht und Asylsuche und nicht über die EU-Binnenmigration auf. Schilderungen über Flüchtlinge und Asylbewerber wurden demnach überproportional häufig mit einer Katastrophenbzw. Wassermetaphorik und mit Negativimplikationen verknüpft. Flut Eine Verwendung von Flutmetaphern in Begriffskomposita wurde in der Saarbrücker Zeitung verstärkt für das Jahr 1991 festgestellt. Da Flut-Symboliken überwiegend mit den Statusgruppen Asylbewerber, Asylanten und Flüchtlinge auftraten, 138 Vgl. Schiffer, Sabine: »Die Verfestigung des Islambildes in deutschen Medien«, in: Siegfried Jäger/Dirk Halm (Hg.), Mediale Barrieren. Rassismus als Integrationshemmnis, Münster 2007, S. 167-200, hier S. 191f. 139 Vgl. J. Link: Medien, S. 61. 140 Vgl. Hafez, Kai: Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Bd. 2: Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse, Baden-Baden 2002, S. 231f.
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überrascht die Verwendung von Begriffskomposita wie Asylantenflut oder Flüchtlingsstrom nicht. Daneben traten Flutmetaphoriken auch in Kombination mit so genannten »Killwörtern« wie (Schein-)Asylanten oder Wirtschaftsflüchtlingen auf. Killwörter wie Asylant werden nach Jürgen Link in stereotypen öffentlichen Redeweisen bisweilen mit Kollektivsymbolen verwendet, die zugleich soziales Verhalten und Handeln stereotypisieren und dem Urheber dieser Wörter folglich einen Machtstatus zuschreiben.141 Dabei war der Ende der 1970er Jahre entwickelte Neologismus Asylant zunächst ein im juristischen und ausländerbürokratischen Spezialdiskurs verwendeter Ausdruck, der nach und nach Eingang in den Politik- sowie Mediendiskurs fand. Im Jahr 1980 wurde der Begriff dann auch in den westdeutschen Duden aufgenommen.142 Klaus Hildebrand konnte einen Zusammenhang zwischen der Bezeichnung Asylant und einer tendenziell negativen Assoziation beim Rezipienten im Rahmen einer Testreihe nachweisen. Dabei wurde Schülern in verschiedenen Klassen ein Katalog von Wortpaaren mit entgegengesetzter Bedeutung vorgegeben und die diesen Paaren von den Befragten beigelegte Konnotation gemessen. Daraus erstellte Hildebrand ein Polaritätsprofil, indem er das semantische Differential dieser Begriffe ermittelte.143 Das aus der Psychologie stammende Verfahren des semantischen Differentials misst dabei, welche Vorstellungen Personen mit bestimmten Begriffen verbinden. Das Profil für »politischer Flüchtling« tendierte in allen Schulklassen zu den positiv wertenden bzw. Hilfe erfordernden Nomen. Beim Begriff »Asylant« war eine leichte Tendenz zu negativ wertenden Adjektiven erkennbar, überwiegend bewegte sich das Profil aber im neutralen Bereich. Diese nicht polarisierenden Wertungen der Begriffe Flüchtling und Asylant konnten damit erklärt werden, dass die Probanden aufgrund der Flüchtlings- bzw. Vertriebenenerfahrungen der Eltern- und Großelterngeneration nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht aus den deutschen Ostgebieten und der sowjetisch besetzten Zone, aber auch der Flüchtlingsberichte aus Medien sensibilisiert waren und den Begriffen deswegen nicht ablehnend gegenüberstanden.144 Zusätzlich zum Begriff DDR-Flüchtling wurden in der Nachkriegszeit
141 Vgl. Link, Jürgen: »Asylanten – ein Killwort«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 2 (1983), S. 36-38, hier S. 36. 142 Vgl. Link, Jürgen: »Über Kollektivsymbolik im politischen Diskurs und ihren Anteil an totalitären Tendenzen, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 17/18 (1988), S. 47-53, hier S. 50. 143 Vgl. Hildebrand, Klaus: »Wenn Flüchtlinge Asylanten genannt werden, werden es mehr«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 10 (1985), S. 52f., hier S. 52. 144 Vgl. ebd., S. 53.
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auch die Bezeichnung Um- bzw. Übersiedler oder auch Komposita wie (Sowjet-)Zonenflüchtling für Flüchtlinge aus der DDR verwendet.145 In einer Gegenüberstellung der Begriffe Flüchtlinge und Asylant schreibt Jürgen Link dem Wort Asylant die politische Funktion zu, vor allem für Personen aus Entwicklungsländern der südlichen Hemisphäre zu gelten.146 Durch diese Terminologie würde – so argumentiert Siegfried Jäger weitergehend – eine Differenzierung von Migranten in gute, berechtigte und im weitesten Sinn erwünschte bzw. schlechte, nicht berechtigte sowie unerwünschte Personengruppen vorgenommen.147 Komposita wie Asylantenflut, Asylantenzustrom oder Scheinasylanten wurden generiert. Die Negativzuschreibung »Schein-« verstärkte den Ausgrenzungsdruck, den der Begriff »Asylant« an sich schon vermittelt.148 Ruhrmann spricht bei diesen Reizwörtern von Versatzstücken, die als kognitive und emotionale Schemata verwendet werden.149 Die Folge war, dass solche Komposita in der öffentlichen Meinung durchgängig negative Assoziationen hervorriefen und als Modellfall für stereotype öffentliche Redeweise galten. Beiträge wie »Flüchtlingswelle aus dem Osten könnte zu einer Asyl-Flut werden« weisen nicht nur auf mögliche Gefahren und Befürchtungen für die deutsche Aufnahmegesellschaft hin, sondern ordnen diese – wie in der folgenden Textpassage aus diesem Artikel ersichtlich – zugleich in den sozio-historischen Kontext ein: »Der Bankrott der kommunistischen Systeme und die Wirtschaftskrise in Osteuropa haben einen Flüchtlingsstrom in Richtung Westen in Bewegung gesetzt, der die Deutschen zutiefst beunruhigt.«150 Den wenigen negativ konnotierten Flüchtlings-Komposita wie Flüchtlingsproblem oder Wirtschaftsflüchtlinge stünde nach Ruhrmann hingegen eine vor allem in politischen, weniger medialen Debatten verwendete Fülle neutraler Zusammensetzungen wie Flüchtlingsland oder Flüchtlingsarbeitnehmer gegenüber. Während der Flüchtling moralische und soziale Handlungsweisen in der Bevölkerung hervorrufe, würde der Asylant in Kombination mit der Kollektivsymbolik Belastung als unzumutbare bzw. nicht mehr verkraftbare Strapaze für die Öffentlichkeit dargestellt. 145 Vgl. Niehr, Thomas: »Flüchtlinge und Asylsuchende«, in: Matthias Jung/Thomas Niehr/Karin Böke, Ausländer und Migranten im Spiegel der Presse. Ein diskurstheoretisches Wörterbuch zur Einwanderung seit 1945, Wiesbaden 2000, S. 27-52, hier S. 28. 146 Vgl. J. Link: Kollektivsymbolik Diskurs, S. 50. 147 Vgl. S. Jäger: Gewalt, S. 15. 148 Vgl. Wolken, Simone: »Asylantenfluten im Deutschen Bundestag?«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 12 (1986), S. 6-9, hier S. 7. 149 Vgl. Ruhrmann, Georg: »Die Konstruktion des ›Fremden‹ in den Medien«, in: Siegfried Jäger/Jürgen Link (Hg.), Die vierte Gewalt. Rassismus in den Medien, Duisburg 1993, S. 190-212, hier S. 199. 150 Bering, Klaus: »Flüchtlingswelle aus dem Osten könnte zu einer Asyl-Flut werden«, in: Saarbrücker Zeitung vom 01.08.1991, S. 3.
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Auch Bildbrüche, Katachresen, konnten in Zusammenhang mit der Flut-Symbolik vereinzelt festgestellt werden. Dabei handelt es sich um eine Verkettung von Symbolen aus äquivalenten und/oder unterschiedlichen Bildspendebereichen. Link spricht deswegen von einem synchronen System von Kollektivsymbolen, da alle Kollektivsymbole einer Kultur nicht einzeln, sondern stets zusammen Teilstrukturen des Interdiskurses generieren. Als Grundfigur des medialen Interdiskurses kann er deswegen den »Katachresen-Mäander« nachweisen: Dabei sind unter Mäandern verschiedene Symbole zu bezeichnen, die innerhalb des Systems in Äquivalenz- und Oppositionsserien zueinander stehen; der Katachresen-Mäander verkettet somit mehrere Symbole.151 Das von Jürgen Link konzipierte Textbeispiel »Die Lokomotive des Fortschritts kann durch Fluten von Einwanderern gebremst werden, so daß unser Land ins Abseits gerät« verdeutlicht diese Grundfigur: Lokomotive (Verkehrssymbol) ist äquivalent mit Ankurbelung (Auto-Symbol) oder Aufschwung (Ballon- bzw. Sport-Symbol). Dieses (innere) System kann aber durch äußere Bedrohungen wie Fluten (Natur- bzw. Wasser-Symbol) gebremst werden. Der Diskurs wechselt somit in ständigen Mäandern zwischen den Bildern hin und her.152 Solche Kopplungsmöglichkeiten innerhalb der Kollektivsymbolik weisen einen besonders starken integrierenden Effekt auf: Mit ihrer Hilfe lässt sich »jede Veränderung – und sei sie noch so dramatisch – symbolisch integrieren, und es lässt sich eben zwischen ›Normalität‹ und ›Abweichung‹ unterscheiden«.153 Dabei werden nach Jürgen Link unter Normalismus diskursive Verfahren verstanden, »durch die in modernen Gesellschaften ›Normalitäten‹ produziert und reproduziert werden«.154 Bei der Festlegung und Beurteilung dessen, was als »normal« gilt, kommt den Medien eine besondere Bedeutung zu. Sie legen nicht nur fest, über was berichtet wird, sondern auch, wie Ereignisse vermittelt werden. In der Berichterstattung der Saarbrücker Zeitung über Migranten dominiert etwa der Einsatz von Kollektivsymboliken des Innen und Außen, in denen das »Innen«, d.h. Deutschland, aufgrund der äußeren Bedrohung durch die Migranten (und andere Statusgruppen) gefährdet ist. »Der Bankrott der kommunistischen Systeme und die Wirtschaftskrise in Osteuropa haben einen Flüchtlingsstrom in Richtung Westen in Bewegung gesetzt, der die Deutschen zutiefst beunruhigt.«155 Mittels Verknüpfung einzelner Kollektivsymbole (hier: Bankrott und Flut) nehmen interdiskursive Elemente eine Mittlerfunktion ein: Zum einen integrieren sie Ereignisse, deren Auswirkungen nicht absehbare Formen annehmen können (z.B. 151 Vgl. J. Link: Kollektivsymbolik Diskurs, S. 48f. 152 Vgl. ebd., S. 48. 153 Vgl. S. Jäger/J. Zimmermann: Lexikon, S. 70. 154 Link, Jürgen: Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Göttingen 3. Aufl. 2006, S. 60. 155 Bering, Klaus: »Flüchtlingswelle aus dem Osten könnte zu einer Asyl-Flut werden«, in: Saarbrücker Zeitung vom 01.08.1991, S. 3.
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Bankrottansage), als »normal«, da sie als systeminhärente Folgen begriffen werden und Gegenmaßnahmen für das bestehende System dysfunktional wären. Zum anderen werden beispielsweise Systeme, die nicht dem westlichen Bündnis angeschlossen sind und die als (staatspolitische) Gegen-Systeme gelten (z.B. Kommunismus), mittels der verwendeten Kollektivsymbolik ausgeschlossen.156 (Zu-)Strom und Welle Neben der Flut-Symbolik war die Strom- und Wellenmetaphorik in Begriffen wie Flüchtlingsströme, Zustrom von Asylbewerbern oder Asylanten-Zustrom ein weiterer fester Bestandteil der Wassermetapher. Diese Metapher findet sich in der Saarbrücker Zeitung in 4,4 % der Artikel. Da diese Gruppen oft mit Zuzugszahlen in der Migrationsberichterstattung präsentiert werden, gewann die Strom-Metapher daraus ihre Darstellungskraft. Dabei sind dieser Symbolik die Konnotationen »breit« und »schnell fließend« zu eigen. Wenn in der öffentlichen Kommunikation von Flüchtlingsströmen, dem Zustrom von Asylbewerbern oder dem Asylanten-Zustrom die Rede ist, werden die Asylsuchenden als eine bedrohliche, unkontrollierbare, aber auch anonyme, keine Einzelschicksale berücksichtigende »Masse« dargestellt.157 Boot Boot-Metaphern gelten als Symbole, die kollektiv verankert, allgemein verständlich sind und damit als »Sinn-Bilder« gelten.158 »Das Boot ist voll« ist folglich zwar zu einem sprechenden Zitat geworden, es zeigen sich aber auch dagegen argumentierende Textbeispiele: Der Korrespondentenbericht von Guido Peters »Dran bleiben, Herr Schily« vom 25. November 1998 bezieht sich auf den Ausruf des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily »Das Boot ist voll«, das als direktes Zitat von der Saarbrücker Zeitung unter der Artikelüberschrift »Schily: Das Boot ist voll«159 übernommen wurde: »Bedauerlich, daß auch der rot-grüne Koalitionsvertrag in Sachen Ausländerpolitik lediglich in Allgemeinplätzen schwelgt statt Perspektiven einer akzeptablen Zuwanderungspolitik aufzuzeigen. Aber, da ist Zündstoff drin. Und die Koalitionäre, diese Bonner Hasenfüßler, haben mächtig Fracksausen. Natürlich, Freund und Feind zeigten sich überrascht, daß gerade der ehemalige Anwalt der Außerparlamentarischen Opposition der 60er Jahre einen solchen innenpolitischen Kracher losläßt. Und in der Tat ist Schily vorzuwerfen, daß seine wenig differenzierte ›Das Boot ist voll‹-Feststellung nur allzu leicht zu Mißverständnissen führen kann. Es sehen
156 Vgl. Jäger, Siegfried: BrandSätze. Rassismus im Alltag, Duisburg 3. Aufl. 1993, S. 251. 157 Vgl. E. Meyer: Sprachgebrauch, S. 159. 158 Vgl. J. Link: Grundbegriffe, S. 156. 159 Peters, Guido: »Dran bleiben, Herr Schily«, in: Saarbrücker Zeitung vom 25.11.1998.
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sich nämlich auch jene verblendeten Zeitgenossen von ›ganz oben‹ bestätigt, die in diesem Land mit ausländerfeindlichen Parolen Haß säen.«
Der am 20. April 2000 im Ressort Themen des Tages erschienene Artikel des Korrespondenten Friedhelm Fiedler »Die Green-Card-Debatte zeigt Deutschlands Schwächen. Inder und Kinder« verurteilt die Bootsmetaphorik nicht nur als »globalen Giftpfeil«, sondern liefert darüber hinaus einen zu favorisierenden Slogan mit, der auf den von der CDU geäußerten Spruch »Kinder statt Inder« anspielt: »›Inder und Kinder‹, so muss die neue Zukunftsformel deshalb lauten. Und wir brauchen dringend ein schlüssiges Einwanderungskonzept. Der globale Giftpfeil ›Das Boot ist voll‹ schießt da haarscharf am Thema vorbei und wird den tatsächlichen Bedürfnissen nicht gerecht.«160 Schleuser/Schlepper Die Symbolik des Einschleusens, Einschleppens bzw. der kriminellen Schlepperbanden ist eine aus dem Bildspendebereich der Schifffahrt bzw. Krankheit entnommene Metapher.161 Bei der Symbolik des Einschleppens spielt also immer auch die Vorstellung von Krankheiten mit, die eingeschleppt werden. Im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung tritt diese Symbolik bei 2,7 % der Artikel auf und zwar hauptsächlich in Kombination mit den Statusgruppen Asylbewerber, Flüchtlinge und Asylanten. Insbesondere das Determinativkompositum »Asylanten-Schlepper« rückt jedoch das Determinans Asylant in den Fokus des Neologismus und nicht das Determinatum Schlepper. Kopftuch/Schleier Im berücksichtigten Korpus der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung taucht der Begriff »Kopftuch« zum ersten Mal am 14. Juli 1998 in Verbindung mit dem Fall der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin auf.162 Ihre Einstellung als Beamtin auf Probe in den Schuldienst von Baden-Württemberg wurde ihr von der Schulbehörde mit der Begründung verweigert, das Kopftuch sei Ausdruck kultureller Abgrenzung und damit nicht nur religiöses, sondern auch politisches Symbol. Mit der öffentlichen Definition des Kopftuchs als Abgrenzungs-Symbol durch die damalige baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan wurde das Kopftuch
160 Fiedler, Friedhelm: »Die Green-Card-Debatte zeigt Deutschlands Schwächen. Inder und Kinder«, in: Saarbrücker Zeitung vom 20.04.2000. 161 Vgl. J. Link: Medien, S. 60. 162 Agence France Presse: »›Abgrenzungs-Symbol‹. Moslemin mit Kopftuch wird nicht als Lehrerin übernommen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14.07.1998.
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auch durch die Medien allmählich zum Kollektivsymbol für Unterdrückung, Fanatismus und Rückschritt.163 Aus dem Einzelfall entwickelte sich eine Kopftuch-Debatte, die bis heute heftige Reaktionen hervorruft. Das Kopftuch wird bisweilen zum Verdichtungssymbol, indem es allein anstelle weiterer Informationen platziert wird.164 Es steht damit nicht nur für den Islam in genere, sondern auch für Islamismus oder Frauenunterdrückung: Dadurch, dass das Thema Islam häufig auf das Bild einer Kopftuchträgerin reduziert wird, findet darüber eine Beurteilung des Islams insgesamt statt. Das Kopftuch wird in der Folge Beleg für die Unterdrückungsmechanismen des Islam. Die Verknüpfung des Kopftuchs mit den Dichotomien traditionell/modern bzw. unterdrückt und unzivilisiert/emanzipiert und zivilisiert ist für den Rezipienten naheliegend.165 Diese Art der Text-Bild-Konstellation erfüllt die Funktion eines Verdichtungssymbols, eines doppelt besetzten Symbols. Aus den dichotomen Assoziationen zum Kopftuch erwächst die Vorstellung einer Bedrohung von außen durch die politischen bzw. religiösen Systemgegensätze Okzident/Orient bzw. Christentum/Islam. Schläfer Schläfer ist eine Kollektivsymbolik, die erst seit den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung in Verbindung mit dem Islam bzw. mit verdeckt lebenden islamistischen Terroristen auftaucht und sich unter diesem Sinn-Bild allmählich kollektiv im Alltagsdiskurs verankert hat. Die Kollektivsymbolik Schläfer tritt in der Saarbrücker Zeitung insbesondere seit den missglückten Kofferbomben-Anschlägen vom 31. Juli 2006 mit Sicherheitsfragen und der Integration muslimischer Migranten auf. Zudem findet sie sich ausschließlich in Artikeln mit den Statusgruppen Ausländer und Zu- bzw. Einwanderer. Das Bild des terroristischen Schläfers hat einen deutlich negativen Beitrag zum Islambild geleistet. Mehmet Ata konstatiert in seiner vergleichenden Diskursanalyse zum MohammedKarikaturenstreit in den deutschen und türkischen Medien: »[D]ie Konstruktion des gut integrierbaren, unauffälligen Schläfers, der jederzeit aktiviert werden kann, verbreitet ein Gefühl der omnipräsenten und unsichtbaren Gefahr, die prinzipiell von
163 Vgl. Farrokhzad, Schahrzad: »Exotin, Unterdrückte und Fundamentalistin. Konstruktionen der ›fremden Frau‹ in deutschen Medien«, in: Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges (Hg.), Massenmedien, Migration und Integration. Herausforderungen für Journalismus und politische Bildung, Wiesbaden 2. Aufl. 2006, S. 55-86, hier S. 62f. 164 Vgl. Schiffer, Sabine: Die Darstellung des Islams in der Presse. Sprache, Bilder, Suggestionen. Eine Auswahl von Techniken und Beispielen, Würzburg 2005, S. 82. 165 Vgl. S. Farrokhzad: Exotin, S. 74.
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jedem vermeintlichen Muslimen ausgehen kann. Das Bild bedeutet eine Verunsicherung der Normalität; der Terrorist kommt als scheinbarer ›Normalbürger‹ daher.«166
Wie bereits an mehreren miteinander verzahnten Symboliken, den Mäandern, aufgezeigt, ist auch die Kollektivsymbolik des Schläfers ein Beispiel dafür, wie Medien Verständigungs- und Orientierungshilfen zu geben versuchen, die im Rahmen einer auf Normalität hin orientierten Gesellschaft einen besonderen Stellenwert haben. Deich/Damm Die Kollektivsymbolik Deich/Damm erschien zumeist in Verbindung mit anderen kollektiven Symbolen, etwa wenn von Asylanten-Fluten die Rede war, gegen die man »Dämme« errichten müsse. Als Beispiel für die Deich-Symbolik folgender Artikel vom 18. Februar 1991: »Der saarländische Innenminister Friedel Läpple will mit drastischen Einschnitten ins bisherige Sozialrecht die Zuwanderung von Asylbewerbern und Aussiedlern in die Bundesrepublik eindämmen.«167 Während eine Flut für den Überfluteten negativ konnotiert ist, ist ein Deich entsprechend positiv. Migranten stellen im Rahmen dieser Metaphorik allerdings zumeist die Exklusionsgruppe dar. Festung Das Interdiskurselement Festung fand im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung in lediglich 0,9 % der Artikel und auch nur in Kombination mit den Statusgruppen Asylbewerber und Flüchtlinge Erwähnung. Da Asylbewerber und Flüchtlinge insbesondere in der fünften Phase der bundesdeutschen Ausländerpolitik von 1990 bis 1998 im Zentrum der Begrenzungspolitik standen168, wurde die öffentliche Auseinandersetzung um diese Statusgruppen durch solche Kollektivsymbole der Abgrenzung und Abschottung zusätzlich aufgeladen. Allerdings bezieht sich dieses Interdiskurselement nachweislich nicht auf den Nationalstaat Deutschland; die FestungsSymbolik tritt überwiegend im Begriffspaar Festung Europa auf. In einem Artikel folgt die Symbolik dem französischen Interdiskurs, wenn die Saarbrücker Zeitung die von der linksliberalen französischen Tageszeitung Libération als »Festung Frankreich« bezeichnete Einwanderungspolitik des damaligen Innenministers Nicolas Sarkozy als Kollektivsymbol aufgreift.169
166 M. Ata: Mohammed-Karikaturenstreit, S. 82. 167 Anonymus: »Läpple will Zuwanderung stoppen. Weniger Rechte für Asylbewerber und Aussiedler«, in: Saarbrücker Zeitung vom 18.02.1991, S. 1. 168 Vgl. K.-H. Meier-Braun: Deutschland, S. 71. 169 Gesper, Jürgen: »Die ›Festung Frankreich‹ erhitzt politische Gemüter«, in: Saarbrücker Zeitung vom 28.07.2006, S. 3.
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Belagerung/Invasion Auch die aus dem Bildspendebereich des Militärs auf den saarländischen Migrationsdiskurs übertragene Kollektivsymbolik Belagerung/Invasion tritt nur in Zusammenhang mit den Zuwanderergruppen Flüchtlinge und Asylbewerber auf. Zwar scheint diese Symbolik wegen ihres seltenen Vorkommens vernachlässigbar zu sein, jedoch trat sie gehäuft mit anderen Kollektivsymbolen aus der Subklasse des Militärs auf. Folgendes Beispiel soll als Beleg für diese Verbindung von Belagerung und Ansturm dienen: »Von einem ›Belagerungszustand‹ sprechen Schutz- und Kriminalpolizeibeamte in Lebach immer dann, wenn die gemeinsame Dienststelle in der Dillinger Straße wieder einmal einen Ansturm von Asylbewerbern aus dem nahen Landesaufnahmelager zu verkraften hat.«170 (Zeit-)Bombe Die ebenfalls aus dem Bildspendebereich des Militärs entnommene Kollektivsymbolik Zeitbombe wurde in einem einzigen Beispiel nachgewiesen. Auf der Saarlandseite vom 25. Januar 1990 fand sich die Artikelüberschrift »Wohncontainer eine ›Zeitbombe‹«. Dabei handelte es sich um einen in St. Ingbert aufgestellten Wohn-Container für Asylbewerber, der für »einigen Zündstoff« gesorgt habe. Der Grund für die heftigen Diskussionen läge nach der St. Ingberter Stadtverwaltung darin, dass »im Vergleich zu den Schulturnhallen, in denen die DDR-Übersiedler untergebracht sind, […] die Wohn-Container für die Asylbewerber nun recht komfortable Unterkünfte dar[stellen]«.171 Die am Beispiel des Migrationsdiskurses in der Saarbrücker Zeitung aufgezeigten Kollektivsymbole lassen Grundstrukturen eines Kollektivsymbol-Systems der Bundesrepublik Deutschland erkennen: Jürgen Link bezeichnet das 1984 erstmals skizzierte System der bundesdeutschen Kollektivsymbolik als eine dualistische, auf Binäroppositionen hin angelegte Struktur, die sich durch die Gegensätze Innen-Außen, Oben-Unten sowie durch eine Rechts-Links-Achse auszeichnet.172
170 Jungmann, Michael: »Wenn Asylbewerber in Lebach die Polizeidienststelle belagern«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14./15.07.1990, S. 3. 171 Anonymus: »Wohncontainer eine ›Zeitbombe‹. Wirbel in St. Ingbert um die Unterkünfte für Asylbewerber«, in: Saarbrücker Zeitung vom 25.01.1990, Lokalteil St. Ingbert, S. 4. 172 Vgl. Link, Jürgen: Diskursive Rutschgefahren ins vierte Reich? Rationales Rhizom«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 5 (1984), S. 12-20, hier S. 14.
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Abbildung 2: Binäroppositionen in der bundesdeutschen Kollektivsymbolik
Quelle: J. Link: Rutschgefahren, S. 14.
Die erste Dimension des Symbol-Systems stellt die Rechts-Links-Achse (HorizontalTopik) dar, die über die Symbolik der Waage versinnbildlicht wird. Sie steht für Stabilität und wird vom Ort der »Herz/Mitte« favorisiert.173 Die zweite konstitutive Dimension thematisiert die Oben-Unten-Achse (Vertikal-Topik) und wird in der Regel durch Körper-Symboliken dargestellt. Die dritte, diagonal verlaufende Achse von rechts unten nach links oben ist dynamisch angelegt: Sie steht für Fortschritt und Modernisierung versus Rückschritt mit den jeweils zugehörigen Symbolserien Licht, Sonne, vorwärts und Fortschritt auf der einen, rückwärts, Rückschritt, finsteres Mittelalter/Steinzeit auf der anderen Seite.174 Der Binnenraum des Systems, in der Skizze als »Innen« bezeichnet, wird jedoch von einer Bedrohung von »außen«, z.B. durch das umgebende Untergrund-Chaos ohne Subjektcharakter erweitert. Zu dieser äußeren Bedrohung zählen dann auch die im medialen Migrationsdiskurs der Saarbrücker
173 Vgl. Disselnkötter, Andreas/Parr, Rolf: »Kollektivsymbolsystem. Didaktisch aufbereitet«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 30 (1994), S. 5265, hier S. 52. 174 Vgl. M. Jäger: Einzeltätern, S. 21.
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Zeitung auftretenden Symbole Flut, (Zu-)Strom oder Welle. Zudem zeigt das Kollektivsymbol-System zwei Schnittstellen, durch welche die äußere Bedrohung für das innere System zur Realität wird: Zum einen das »Loch« in der Systemaußengrenze, welches mit dem neueren Symbol Schläfer versinnbildlicht werden kann, zum anderen das exponierte Glied in Form einer System-Exklave »draußen«. Während des Kalten Krieges galt etwa Berlin als eine solche System-Exklave im feindlichen Territorium. System-Exklaven im 21. Jahrhundert sehen anders aus, weil hier von einem freiwilligen Aufenthalt im feindlichen Territorium gesprochen werden kann. Neben der konkreten Bedrohung des Systems durch die beiden Schnittstellen »Loch« und »exponiertes Glied« ist eine ganz anders gelagerte Form zu nennen: die Bedrohung durch ein Gegensystem. Dieses hat im Kontrast zum »Untergrund« ebenfalls den Status eines Subjekts. Als alte Systemgegensätze gelten etwa Ost/West oder Freiheit/Sozialismus. Die bis heute noch im Kollektivsymbol-System der Bundesrepublik Deutschland anzutreffenden Systemgegensätze »demokratisch/totalitär« oder »Christentum/Islam« treffen in den entsprechenden Symbolen wie »Kopftuch« auch auf den Migrationsdiskurs in der Saarbrücker Zeitung zu. Das in Form der obigen Abbildung durch Link nachgezeichnete Kollektivsymbol-System trifft nach der Kollektivsymbol-Analyse in der Saarbrücker Zeitung vollständig zu. Ob das bundesdeutsche Kollektivsymbol-System mit Rolf Parr und Mehmet Ata als repräsentativ für alle modernen Industriestaaten angesehen werden kann und empirisch nachweisbar ist, 175 bleibt bis zum Abschluss der KollektivsymbolAnalysen zum Républicain Lorrain und zum Luxemburger Wort abzuwarten. 5.1.3 Zwischenfazit Die Inhaltsanalyse zur Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung hat aufgezeigt, dass eine verstärkte Berichterstattung zu migrationspolitischen Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene zu konstatieren ist, die sich in journalistischen Strukturmerkmalen, Themen und beteiligten Staatsakteuren spiegelt. Akteure und Sprecher der Zivilgesellschaft nahmen einen marginalen Stellenwert ein, wenngleich sie phasenweise, etwa im Zuge der rechtsradikalen Ausschreitungen Anfang der 1990er Jahre, in Form von Antirassismus-Demonstrationen auftraten. Auch Migranten selbst spielten in ihrem Engagement in Selbstorganisationen oder der Darstellung von Einzelschicksalen eine deutlich geringere Rolle als Wohlfahrtsverbände oder gar Politiker. Der Politikdiskurs fungiert bisweilen als Stichwortgeber für den Mediendiskurs.
175 Vgl. M. Ata: Mohammed-Karikaturenstreit, S. 20; vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 90.
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Zwar zeigte der Forschungsstand zur Saarbrücker Zeitung, dass der Regionalisierungstrend in der saarländischen Tageszeitung im Vergleich zu anderen Regionalzeitungen im bundesdeutschen Raum ausgeprägter ist. 176 Die Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung umfasst dennoch auch andere politische Ebenen. Die Berichterstattung über die Festschreibung des Nationalen Integrationsplanes (NIP) im Jahr 2007 etwa bezog Bund, Länder und Kommunen mit ein. Bei den Medien stießen dieser und der darauf aufbauende Nationale Aktionsplan auf reges Interesse.177 Der Nationale Aktionsplan Integration (NAP-I) nahm 2010 schließlich die Medien selbst mit ihrer Integrationsfunktion auf.178 Die parteipolitischen Debatten, die sowohl die zeitliche Entwicklung der Artikel sowie die Themenverteilung in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung dominierten, manifestierten sich auch in der Verwendung der Interdiskurselemente. Parallel zu den Spitzenwerten in der Artikelverteilung ließen sich in der Periodisierung für die 1990er Jahre Phasen erhöhten Aufkommens bestimmter Argumentationstopoi ermitteln (Zahlen-Topos, Gefahren-Topos, Belastungs-Topos und Nutzlosigkeits-Topos), wohingegen sich die Verwendung von Kollektivsymbolen auch für die 2000er Jahre nachweisen ließ. Für die zweite Hälfte des Betrachtungszeitraums zeigte sich ferner, dass Kollektivsymbole wie Kopftuch oder Schläfer den Islamdiskurs zunehmend mit dem Migrations- bzw. Integrationsdiskurs verschränkten. Ihre Verwendung ist auf diskursive Ereignisse wie etwa die Terroranschläge vom 11. September 2001, die Mohammed-Karikaturen-Affäre im Frühjahr 2006 oder die Kopftuch-Debatten zurückzuführen. Anhand einiger Topoi wie zum Beispiel des Realitäts-Topos konnte aufzeigt werden, dass der Migrationsdiskurs in der Saarbrücker Zeitung nicht pauschal rassistisch oder einwanderungsfeindlich geprägt ist. 179 Daraus ist jedoch nicht auf eine durch und durch integrationsfördernd eingestellte Migrationspolitik zu schließen. Öffentliche Diskussionen waren und sind auch gegenwärtig durch einwanderungsablehnende Haltungen mitgeprägt: Widerstände gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, die Leitkultur-Debatte, die Diskussionen vor der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes und die Frage der Integration muslimischer Migranten, verknüpft mit den Themen Zwangsheirat, Ehrenmorde, das Tragen des Kopftuches, die Gestaltung eines islamischen Religionsunterrichts unter staatlicher Aufsicht sowie
176 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 482. 177 Vgl. K. Weiss/A. Birsan: Integrationsgesetze, S. 125. 178 Vgl. H. Engin: Integrationskurse, S. 203. 179 Vgl. Jäger, Siegfried: »Der Karikaturenstreit im Rechts-Mitte-Links-Diskurs deutscher Print-Medien«, in: ders./Dirk Halm (Hg.), Mediale Barrieren. Rassismus als Integrationshemmnis, Münster 2007, S. 51-103, hier S. 55f.
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die Stellung muslimischer Migrantenorganisationen. Zugleich haben ebendiese Diskussionen, die sich durch eine stärkere Diffusion von Contra- und Pro-Argumentationen und nicht durch eine Dominanz von Pro-Argumenten auszeichnen, auch zu Änderungen in der bundesdeutschen Migrationspolitik geführt: die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes, der Dialog zwischen der Bundesrepublik und den in Deutschland lebenden Muslimen durch die Einberufung der Ersten Deutschen Islamkonferenz am 27. September 2006. Die Topos-Analyse hat ergeben, dass die mit dem Migrationsdiskurs einhergehenden, oftmals bundes- und parteipolitisch geführten Auseinandersetzungen – wie durch Martin Wengeler bereits mehrfach untersucht – nicht nur Eingang in die überregionalen Tageszeitungen finden, sondern auch übermäßig stark Berichtsanlässe für die Regionalpresse bieten. Als Unterschied zur Studie Wengelers konnte aber aufgezeigt werden, dass im Migrationsdiskurs der saarländischen Regionalzeitung Pro-Argumentationsmuster stärker auftreten als bei überregionalen Printmedien. Aufgrund des zwanzig Jahre in die Vergangenheit reichenden Betrachtungszeitraums der vorliegenden Studie überwiegen klassische Topoi in der Saarbrücker Zeitung. Spezifischere und von Wengeler abweichende Topoi aus medial und politisch besonders herausgestellten diskursiven Ereignissen wie etwa dem Islamdiskurs konnten sich hingegen nicht auf den zehn berücksichtigten Rängen platzieren, wenngleich sie in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung durchaus vorkamen. Folglich nahmen spezifischere Topoi für die Topos-Analyse in der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung eher eine marginale Rolle ein, wohingegen sich den Islamdiskurs bestimmende Kollektivsymbole wie Schleier oder Schläfer durchaus fanden. Kollektivsymbole entfielen auf 22,6 % der Artikel zur Migrationsberichterstattung, wobei sie sich wie folgt auf vier Klassen verteilten: Natur (11,5 %), Zivilisation (7,9 %), Kultur (2,1 %) und Raum (1,1 %). Die Mehrheit der Kollektivsymbole, so Flut, (Zu-)Strom/Welle, Boot, Schleuser/Schlepper, Deich/Damm und Belagerung, trat im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die internationale Migration infolge von Flucht und Asylsuche auf. Schilderungen über Flüchtlinge und Asylbewerber gingen demnach überproportional häufig mit einer Katastrophen- bzw. Wassermetaphorik und mit Negativimplikationen einher. Durch die gelegentlich ermittelte Verwendung von Flut-, Strom- und Bootmetaphoriken in Kombination mit Zahlentopoi die »Daten, Kurven, Durchschnitts- und Toleranzwerte […]«180 repräsentie-
180 Vgl. ebd., S. 64.
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ren, tragen Kommunikatoren zur Etablierung des Normalismus bei. Dadurch informieren sie nicht nur, sondern formieren Bewusstsein 181 in Richtung des vorherrschenden Typs »Normalismus« in westlichen Industriegesellschaften.182
5.2 D IE M IGRATIONSBERICHTERSTATTUNG IM R ÉPUBLICAIN L ORRAIN Auch die Analyse zur Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain setzt sich aus inhaltsanalytischen Befunden zu formalen und inhaltlichen Kategorien sowie aus interdiskursanalytischen Ergebnissen zur sprachlichen Kategorie zusammen. Diese inhalts- und diskursanalytischen Befunde zur Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain werden komparativ mit den bereits dargestellten zur Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung präsentiert. Dabei handelt es sich um einen integrativen Vergleich, der im Zuge der Einzelanalysen durchgeführt und nicht im Zwischenfazit gesondert dargestellt wird. 5.2.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: Protestaktionen sozialer Bewegungen Im Rahmen der Inhaltsanalyse geht es erstens um die Beschreibung der medialen Berichterstattung und zweitens um Inferenzen auf Kommunikatoren und die soziopolitische Situation, innerhalb deren sie entstanden ist. Die Inferenzen werden nicht getrennt von der medialen Beschreibung, sondern zu Erklärungszwecken im Anschluss an einzelne inhaltsanalytische Befunde angeführt. 5.2.1.1 Formales Als formale Kategorien wurden folgende Variablen erfasst: Position der Artikel in den Zeitungsteilen, Platzierung im redaktionellen Kontext, journalistische Darstellungsformen, Bebilderungen und Nationalitäten.
181 Vgl. Jäger, Siegfried/Jäger, Margarete: »Medienanalyse zur Berichterstattung über den NATO-Krieg in Jugoslawien. Eine Einleitung«, in: dies. (Hg.), Medien im Krieg. Der Anteil der Medien an der Erzeugung von Ohnmachts- und Zerrissenheitsgefühlen, Duisburg 2002, S. 11-27, hier S. 15; Jäger, Margarete/Jäger, Siegfried: »Der Beitrag der Medien zur Akzeptanz des Krieges. Ergebnisse und Schlussfolgerungen«, in: ebd., S. 289296, hier S. 296. 182 Vgl. S. Jäger/J. Zimmermann: Lexikon, S. 88.
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Position Der Républicain Lorrain setzt sich im Wesentlichen aus folgenden Teilen zusammen: 1. 2.
3.
Mantelteil: Titelseite, France, Étranger, Économie, Région, Départementale, Sports und Sonderseiten (z.B. Entre Forbach et Sarreguemines) Lokalteile: Bis 2007 verfügte der Républicain Lorrain über zwölf Lokalausgaben: Metz, Hagondange, Orne, Thionville, Hayange, Briey, Longwy, Forbach, Sarreguemines, Sarrebourg, Saint-Avold, Luxembourg (bis 2001); seit September 2007 durch Zusammenlegungen nur noch über sieben: Metz-Vallée de l’Orne, Thionville-Hayange, Meurthe-et-Moselle-Nord, Forbach, Sarreguemines, Sarrebourg, Saint-Avold Anzeigen (nichtredaktioneller Teil)
61,4 % der migrationsbezogenen Artikel erschienen im Mantelteil, 34,9 % in den Lokalteilen. Auf die Titelseite gelangten lediglich 3,7 % dieser Artikel. Die Analyse der prozentualen Verteilung der Sparten bzw. Ressorts eröffnet weitergehende Zusammenhänge. Platzierung im redaktionellen Kontext Die Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain fand nur in bestimmten Sparten und Ressorts statt: 34,8 % der Artikel erschienen im Ressort France, gefolgt von den Ressorts Départementale (13,9 %) und Région (12,4 %). Dabei handelt es sich ausschließlich um den Mantelteil. Auf Positionen vier bis acht folgen Beiträge aus den Lokalteilen Metz, Luxembourg, Forbach, Thionville und Sarreguemines. Das Ressort Sport (2,4 %) rangiert an neunter Stelle, bevor erneut drei Lokalteile – Longwy, Hagondange/Orne, Saint-Avold – folgen. Artikel aus dem Ressort Étranger sind gering vertreten. Obwohl die französische Regionalpresse, die presse quotidienne régional (PQR), dem Selbstverständnis nach den Fokus der Berichterstattung auf die Region des Verbreitungsgebiets legt, berichtete es in über einem Drittel der Artikel aus dem Ressort France und damit verstärkt aus der Hauptstadt. Die französische presse quotidienne nationale (PQN) ist per definitionem als Hauptstadtpresse auf Paris und den Gesamtstaat ausgerichtet.183 Den Abschluss der Rangliste bilden die Lokalteile Sarrebourg mit 0,9 und Briey mit 0,6 Prozentpunkten. Obgleich die
183 Vgl. Woltersdorff, Stefan: »Die französische Presse zwischen Globalisierungsdruck und Selbstbehauptung«, in: Thomas Weber/ders. (Hg.), Wegweiser durch die französische Medienlandschaft, Marburg 2001, S. 31-66, hier S. 51; Mathien, Michel: »Entwicklungen in der französischen Presse«, in: Cornelia Frenkel/Heinz-Helmut Lüger/Stefan Woltersdorff (Hg.), Deutsche und französische Medien im Wandel, Landau 2004, S. 105-143, hier S. 128-133.
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betreffenden Artikel aus dem Républicain Lorrain deutlich öfter im Mantelteil erschienen, sind die Lokalteile, die von grenznahen Gebieten wie Luxemburg, Forbach, Thionville und Sarreguemines berichten, ebenfalls von großer Bedeutung. Patrick Wiermer ermittelte in seiner Studie zur Nachrichtengeografie des SaarLorLux-Raumes Nennungen von Orten und Städten, die sich überwiegend innerhalb eines Grenzsaums von etwa 20 Kilometern Breite auf wallonischer, luxemburgischer, saarländischer und pfälzischer Seite von Virlon bis nach Zweibrücken lokalisieren lassen.184 Nennungen von Orten aus dem angrenzenden Ausland sind demnach für den Républicain Lorrain bedeutsam. Journalistische Darstellungsformen Weitere Besonderheiten des Républicain Lorrain zeigen sich in den journalistischen Darstellungsformen. 41,3 % der Beiträge stellen eine Mischform zwischen Agenturund organeigenen Berichten dar. 31,6 % der Nachrichten stammen von der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse. 12,2 % der Artikel wurden als organeigene Berichte verfasst. Korrespondentenberichte lagen bei 7,6 % vor. Die französische Regionalpresse gilt als »journalisme de connivence«, d.h. es besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Lokalpolitikern und Medien vor Ort. Um Lokalpolitiker und Rezipienten günstig zu stimmen, verzichten Regionalzeitungen zumeist auf organeigene Berichte und beschränken sich weitestgehend auf Meldungen der nationalen Nachrichtenagentur Agence France Presse.185 Daraus erklärt sich auch der in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain festgestellte geringe Anteil an meinungsbetonten Darstellungsformen wie Kommentaren, Glossen und Leitartikeln (zusammen 2,3 %) und Leserbriefen (2,1 %). Andere journalistische Darstellungsformen sind bei 2,9 % der Artikel vertreten. Bebilderungen In 37,4 % aller migrationsbezogenen Artikel im Républicain Lorrain wurden Abbildungen festgestellt. 17,3 % stellten Migranten dar, 12,6 % Inländer, allen voran Politiker, 5,2 % Migranten und Inländer zusammen, 2,6 % Grafiken, Infokästen oder Karikaturen. Bei den Infokästen wurden verstärkt veranschaulichende Stilmittel in Form von Zahlen in Kombination mit Personenvisualisierungen, wie sie in der Regel Infografiken aufweisen, ermittelt.186
184 Vgl. P. Wiermer: Nachrichtengeografie, S. 139. 185 Vgl. S. Woltersdorff: Presse, S. 52. 186 Exemplarisch genannt werden sollen: Anonymus: »Les étrangers à Saint-Avold«, in: Le Républicain Lorrain vom 20.02.1992; Anonymus: »Les réfugiés de l’ex-yougoslawie à Saint-Avold«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992.
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Um dem rückläufigen Trend bei der Auflagenentwicklung der Regionalpresse entgegenzuwirken und die Leser-Blatt-Bindung zu stärken, setzen die regionalen Tageszeitungen in Frankreich verstärkt auf kumulative Formen von Bebilderungen, z.B. Infografiken, in den Artikeln.187 Eine optische und sprachliche Abgrenzung von Information und Kommentar in Form ausgewählter Text- und vor allem Bildsignale entspräche – so der deutsche Literaturwissenschaftler Stefan Woltersdorff – nicht dem französischen Nachrichtenjournalismus. Statt auf den Informationsauftrag der Presse legen französische Journalisten primär Wert auf ihre Meinungsfreiheit.188 Ferner werden mittels Infografiken über Medien vermittelte Normalisierungsstrategien verfolgt. Die mit dem Normalismus einhergehende Verdatung wird über Statistiken, Prognosen und eben auch Grafiken realisiert.189 Nationalitäten 43,3 % der Artikel enthalten Angaben zu den Nationalitäten der Migranten. Diese Angaben betreffen überwiegend maghrebinische Staatsangehörige (10,7 %), gefolgt von türkischen (6,6 %), asiatischen (4,1 %), (ex)-jugoslawischen (3,7 %), italienischen (3,5 %) Staatsangehörigen sowie von Personen aus afrikanischen Ländern, die nicht zu den Maghreb-Staaten zählen (3,2 %). Die übrigen 13,8 % der Artikel mit Nationalitätenangaben verteilen sich wie folgt: rumänisch (2,6 %), kosovarisch/albanisch (2,4 %), deutsch (2,0 %), portugiesisch (1,2 %), luxemburgisch (1,2 %) und andere190 (2,1 %). Deutsche werden im Zusammenhang mit den so genannten Wohnmigranten thematisiert.191 Bei den Wohnmigranten handelt es sich um Personen aus einer Teilregion der SaaLorLux-Region, die ins Nachbarland gezogen sind, während sie weiterhin in dieser Teilregion arbeiten. Diese traten insbesondere in den am 18. Juli 1995192 187 Vgl. M. Mathien: Entwicklungen, S. 128f. 188 Vgl. S. Woltersdorff: Presse, S. 33f. 189 Vgl. Link, Jürgen: »Konturen eines Konzepts«, in: kultuRRevolution – zeitschrift für angewandte diskurstheorie 27 (1992), S. 50-70, hier S. 50. 190 Dazu zählen folgende Nationalitäten: Kap Verden (0,6 %), afghanisch (0,6 %), rumänisch (0,5 %), spanisch (0,2 %) und polnisch (0,2 %). 191 Zur Situation der Wohnmigranten in der Großregion vergleiche das an der Universität Luxemburg unter Leitung von Elisabeth Boesen vom 01.04.2012 bis 31.03.2015 durchgeführte Forschungsprojekt »Cross border residence. Identity experience and integration processes in the Greater Region«. 192 Anonymus: »8000 Allemands en Moselle-Est«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995 édition de Forbach, S. 9; Anonymus: »Entre Forbach et Sarreguemines«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach S. 9; Anonymus: »Leur nombre a augmenté de 1400 en deux ans«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9; Anonymus: »Départs annuels de Sarrois vers la France«, in: Le
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sowie 12. Mai 1999193 im Républicain Lorrain erschienenen Sonderseiten zur deutschen Wohnbevölkerung in Lothringen in Erscheinung. In den 1990er Jahren intensivierte sich der Zuzug von Saarländern in die grenznahen Départements Moselle und Meurthe-et-Moselle, insbesondere in den Grenzbereich zwischen Forbach und Sarreguemines.194 In der Folge rückte die grenzüberschreitende Wohnort- und atypische Arbeitnehmermobilität von Saarländern in diesen Jahren in den Fokus der Berichterstattung des Républicain Lorrain.195 Seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Saarländer im Département Moselle und Meurthe-et-Moselle rückläufig. Dementsprechend konnte auch nur noch ein Bericht zur grenzüberschreitenden Wohnortmobilität nach 2000 ermittelt werden.196 Die Gründe für den Wohnortwechsel sind vielfach finanziell-wirtschaftliche Motive, die sich aus den attraktiven Grundstücks- und Immobilienpreisen in Lothringen sowie den niedrigeren Steuersätzen in Frankreich ergeben. Dabei genießen in Lothringen wohnende Deutsche Steuervorteile, da seit dem 1959 eingeführten Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich die Einkommensteuer Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9; Anonymus: »Cherche maison ancienne…«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9; Anonymus: »La tranquilité de Spicheren«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9; Anonymus: »Bien intégré à Bouzonville«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. 193 Anonymus: »Les Sarrois attirés par la Moselle-Est«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999; Anonymus: »Qualité de la vie«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999; Anonymus: »La scolarité de la vie«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999. 194 Im Républicain Lorrain erschienen hierzu folgende Artikel: Anonymus: »Bilan 89 l’immigration. Sarreguemines attire les Allemands«, in: Le Républicain Lorrain vom 24.03.1990, édition de Sarreguemines; Anonymus: »Ouverture d’un bureau syndical pour les frontaliers à Florange«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition de Thionville; Anonymus: »Bureau syndical pour les frontaliers«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Travailleurs frontaliers de la Moselle: Pour un Europe de la Justice sociale«, in: Le Républicain Lorrain vom 05.10.1992, édition de Sarreguemines. 195 Da diese Saarländer aus dem benachbarten Lothringen nunmehr ins Saarland an ihren Arbeitsplatz einpendeln, werden sie als atypische Grenzgänger bezeichnet; vgl. Wille, Christian: »Atypische Grenzgänger in der Großregion«, in: Digitaler und interaktiver Atlas der Großregion. Interdisziplinäres Online-Projekt der Forschungseinheit IPSE der Universität
Luxemburg,
2011,
S.
1-33,
hier
S.
15
(http://orbilu.uni.lu/bit
stream/10993/1012/1/Skript_GR-Atlas_atyp_GG_C.Wille_27-04-2011.pdf vom 08.03. 2015). 196 Anonymus: »Voeux du maire: des chantiers importants«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.01.2009, édition de Metz, S. 3.
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am Wohn- und nicht am Arbeitsort abzuführen ist.197 Daher überrascht es nicht, dass man bei Wohnmigranten auf denselben problemorientierten Zugang stößt wie bei der inhaltsanalytischen Migrationsforschung zu Asylbewerbern. 198 So zieht »Sarreguemines verstärkt Deutsche« an, die »Region Moselle-Est wird immer attraktiver für Saarländer« und »der stetige Anstieg von Wohnmigranten« ist nicht von der Hand zu weisen. Bei Wirtschaftsflüchtlingen wird zum Teil dieselbe Gefahrensymbolik aufgegriffen, wenn der »Asylmissbrauch« oder der »Missbrauch« des französischen Sozialstaats in den Fokus der Berichterstattung rückt. Dabei ziehen Politik und Medien jedoch überwiegend das Kostenargument heran, wenn über (atypische) Grenzgänger oder andere Statusgruppen berichtet wird. Schließlich stärken die Deutschen den lokalen Konsum, obwohl sie nicht zwangsläufig integriert sind. Bei den 1,2 % der Beiträge, die Luxemburger thematisieren, geht es um die Mobilität luxemburgischer Grenzgänger.199 Die für das Jahr 2008 von Christian Wille ermittelte Anzahl von lediglich 200 luxemburgischen Einpendlern nach Lothringen spiegelt sich damit auch in der geringen Artikelanzahl wider. Im Vergleich dazu wurden 68605 lothringische Auspendler für das Jahr 2008 ermittelt, was mit der Strukturschwäche Lothringens zu erklären ist.200 Insgesamt ist anhand der Verteilung der Nationalitäten in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain festzustellen: Die in den 1980er Jahren in der französischen Politik verstärkt diskutierten Maghrebiner spielen in der lothringischen Migrationsberichterstattung der 1990er und 2000er Jahre mit einem Prozentsatz von 10,7 % eine zentrale Rolle. Die in der Artikelstatistik nachfolgenden Nationalitätenzugehörigkeiten stimmen mit der ausländischen Bevölkerungsentwicklung und der zahlenmäßigen Verteilung der Immigrantenpopulationen in den französischen Regionen überein. In den 1990er Jahren wurden Türken zu einer weiteren dominierenden Zuwanderergruppe in Lothringen und anderen Regionen Frankreichs: Bis 2002 stieg die türkische Minderheit in Frankreich auf 300 000 Personen an.201 Auch die Zuwanderung asiatischer Bevölkerungsgruppen, allen voran Vietnamesen, nach Frankreich 197 Vgl. C. Wille: Atypische Grenzgänger, S. 17f. 198 Vgl. H. Bonfadelli: Darstellung, S. 97-101. 199 Vgl. hierzu folgende Artikel: Anonymus: »Ouverture d’un bureau syndical pour les frontaliers à Florange«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition de Thionville; Anonymus: »Bureau syndical pour les frontaliers«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Travailleurs frontaliers de la Moselle: Pour un Europe de la Justice sociale«, in: Le Républicain Lorrain vom 05.10.1992, édition de Sarreguemines; Anonymus: »Le ciel se couvre sur la tête des frontaliers«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.04.1993, édition d’Hayange. 200 Vgl. C. Wille: Grenzgänger Räume, S. 34. 201 Vgl. Karakaşoğlu, Yasemin: »Türkische Arbeitswanderer in West-, Mittel- und Nordeuropa seit der Mitte der 1950er Jahre«, in: Klaus Bade/Pieter Emmer/Leo Lucassen (Hg.),
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nahm seit den 1970er Jahren aufgrund der Kontingentverteilung der Europäischen Union zu.202 Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten Ost-, Ostmittelund Südosteuropas nach 1989 stieg ferner die Anzahl der Zuwanderer aus ost- und südosteuropäischen Regionen in Frankreich an.203 Damit zeigen sich ab 1990 erhebliche Veränderungen in der ethnischen Zusammensetzung der in Frankreich ansässigen Zuwanderer: Während die Einwanderung von Arbeitsmigranten aus traditionellen Anwerbeländern absolut und relativ gesunken ist – dies gilt auch für Algerier –, war ein Anstieg der sonstigen Nordafrikaner, Türken und von Menschen aus Schwarzafrika, Südosteuropa, Südostasien und weiteren Entwicklungsländern zu verzeichnen.204 Die Angabe von Nationalitäten erfolgt im Républicain Lorrain unter anderem im Zusammenhang mit der Herkunft von Straftätern in Kriminaldelikten. In der Charte d’éthique professionnelle des journalistes (SNJ), dem französischen Pressekodex, beinhaltet die Déclaration des devoirs et des droits des journalistes einen Aufgaben- und Rechtekatalog.205 Ein Verbot der Angabe der Herkunft von Straftätern in journalistischen Texten wie im deutschen Pressekodex findet sich darin nicht. 206
Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 3. Aufl. 2007, S. 1054-1061, hier S. 1054. 202 Vgl. Beuchling, Olaf: »Vietnamesische Flüchtlinge in Frankreich seit den 1970er Jahren«, in: Klaus Bade/Pieter Emmer/Leo Lucassen (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 3. Aufl. 2007, S. 1072-1076, hier S. 1072. 203 Vgl. Morawska, Ewa: »Polnische Arbeitswanderer in Mittel- und Westeuropa seit 1989«, in: Klaus Bade/Pieter Emmer/Leo Lucassen (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 3. Aufl. 2007, S. 860-864, hier S. 860. 204 Vgl. Leggewie, Claus: »SOS France. Ein Einwanderungsland kommt in die Jahre«, in: Deutsch-Französisches Institut (Hg.), Frankreich-Jahrbuch 1990, Opladen 1990, S. 131156, hier S. 134. 205 Vgl. Grevis, Benoît: Déontologie du journalisme. Enjeux éthiques et identités professionnelles, Brüssel 2010, S. 256f. 206 In Deutschland zeichnet sich eine rückläufige Entwicklung ab, die für eine Modifikation des Pressekodexes im Sinne einer bedingungslosen Angabe der Nationalität von Straftätern plädiert. So betont der Kommunikationswissenschaftler Horst Pöttker die professionelle Aufgabe des Journalismus, ein Optimum an gesellschaftlicher Transparenz herzustellen, umfassend zu informieren und in Folge die Herkunft von Straftätern zu nennen; vgl. Pöttker, Horst: »Wann werden Diskriminierungsverbote von Journalist(inn)en ak-
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5.2.1.2 Inhaltliches Als inhaltliche Kategorien wurden bestimmt: Artikel, Themen, Statusgruppen, Handlungs- und Aussagenträger, Ereignis- bzw. Bezugsort. Artikel Die Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain beläuft sich auf 658 Artikel. Die Artikelverteilung zeigt, dass die Jahre 1991 (50 Artikel), 2005 (46 Artikel), 1997 (41 Artikel) und 2001 (40 Artikel) die Spitzenjahre in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain waren: Diagramm 12: Le Républicain Lorrain: Artikelverteilung 1990 bis 2010 60 50
50
46
Artikelanzahl
41
39 40
40 33
32 30 20
27
38 33 33
24
27 27
30
27 22
20
22
27
19
10 0
Zeitachse
Die Anzahl der Artikel pro Jahr zeigt – wie auch bei der Saarbrücker Zeitung – einen durch Spitzen- und Flautenjahre gekennzeichneten Verlauf. Die Häufigkeitsvertei-
zeptiert? Eine Untersuchung zum Widerspruch von Migrantenschutz und Öffentlichkeitsaufgabe«, in: Rainer Geißler/ders. (Hg.), Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland, Bd. 2: Forschungsbefunde, Bielefeld 2009, S. 181-187, hier S. 184.
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lung ist jedoch im Vergleich mit den anderen beiden Printmedien, die starke Schwankungen aufweisen, für den gesamten Betrachtungszeitraum moderat oszillierend. Dabei beträgt die maximale Wertedifferenz zwischen dem untersten und obersten Wert 31. Themen Die medialen Peaks im Républicain Lorrain für die Jahre 1991, 1997, 2001, 2005 und 2006 sind die Folge spezifisch französischer, zu diesen Zeitpunkten aktueller Protestaktionen sozialer Bewegungen. Diese sozialen Bewegungen bestimmen ab den 1990er Jahren in verstärktem Maß die politische Kultur Frankreichs.207
Zeitachse
Diagramm 13: Le Républicain Lorrain: Mediale Peaks und Themenschwerpunkte
2006
24
2005
23
2001
21
24
1991
25 10
Banlieue-Proteste/ Contrat d’accueil et d’intégration
23
Sangatte-/ Flüchtlingsunruhen
19
1997
0
Legalisierungsbewegung
14
Pro-Regularisierungsbewegung
17
BanlieueProteste/ Hungerstreiks
25 20 30 Artikelanzahl
40
50
Für die Jahre 1991, 1997, 2001, 2005 und 2006 stehen schwerpunktmäßig208, anhand der schwarzen Balken(anteile) aufgezeigt, Protestaktionen jugendlicher BanlieueBewohner, Legalisierungsbewegungen von Personen ohne legalen Aufenthaltstitel sowie Unruhen im Flüchtlingslager »Sangatte« als Kristallisationspunkte im Streit
207 Vgl. Waters, Sarah: Social Movements in France. Towards a New Citizenship, New York 2003, S. 11. 208 Eine schwerpunktmäßige Themenverteilung liegt vor, wenn mindestens 50 % der in den absoluten Spitzen ausgewiesenen Artikelanzahl bestimmten Protestaktionen zugewiesen werden können.
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um illegale Migranten auf der Agenda der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain. Damit verbunden sind personalisierte Darstellungsformen in den Artikeln, etwa Einzelportraits der an den Aktionen beteiligten Migranten. Die grauen Balken(an)teile thematisieren über diese Themenschwerpunkte hinaus dargestellte Inhalte des Républicain Lorrain. 1991 bildet mit 50 Artikeln die absolute Spitze der Kurve. Dabei dominieren die Ausschreitungen jugendlicher immigrés und étrangers in den Vororten von Paris die Berichterstattung des Républicain Lorrain. Die ansonsten auf lokale und regionale Geschehen orientierte presse quotidienne régionale greift dieses Ereignis in der Hauptstadt auf. Nach dem Regierungswechsel 1993, bei dem Édouard Balladur Premierminister der bürgerlichen Partei Rassemblement pour la République (RPR) wurde, setzten Neuerungen im republikanischen Integrationsmodell ein, die sich in restriktiven Maßnahmen äußerten: das Gesetz vom 10. August 1993 über verschärfte Identitätskontrollen, die Pasqua-Gesetze vom 24. August 1993, benannt nach dem damaligen Innenminister Charles Pasqua, und das Gesetz vom 30. Dezember 1993 zur Änderung der Ordonnance 45-2658 vom 2. November 1945.209 Die Pasqua-Gesetze sahen zwar modifizierte Grundlagen für die Einreise und Niederlassung von Migranten nach bzw. in Frankreich vor, waren aber primär auf die Ausweisung von Irregulären im Sinne einer anzustrebenden »immigration zéro« ausgerichtet.210 Im weiteren Spitzenjahr 1997 wurde vermehrt über die so genannte französische ProRegularisierungsbewegung berichtet: Seit Mitte der 1990er Jahre sind in einigen Staaten Westeuropas, u. a. in Frankreich, illegale Migranten an die Öffentlichkeit 209 Ordonnance no 45-2658 du 2 novembre 1945 relative aux conditions d’entrée et de séjour des étrangers en France. Die Ordonnance regelt in erster Linie die Einreise- und Aufenthaltsgenehmigungen nach bzw. in Frankreich. Die Ordonnance unterscheidet eine kurzzeitig befristete, bis zu einem Jahr gültige (Carte de séjour temporaire) und eine auf zehn Jahre befristete, aber im Regelfall zu verlängernde Aufenthaltserlaubnis (Carte de résident). Im Zuge der innenpolitischen Auseinandersetzungen über das Zuwanderungsrecht wurde die Ordonnance in den 1980er und 1990er Jahren durch modifizierte ausländerrechtliche Bestimmungen weiterentwickelt. Mit den europarechtlichen Harmonisierungsbestrebungen gelten für Unionsbürger zusätzlich die europarechtlichen Freizügigkeitsbestimmungen infolge des Schengener Durchführungsabkommens. Daneben sind ausländerrechtliche Vorgaben auch in anderen Gesetzestexten kodifiziert, z.B. im Code du travail, Code civil, Code de la sécurité und Code de la nationalité; vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 47; H. Aden: Frankreich, S. 64f. 210 Vgl. Wihtol de Wenden, Catherine: »Une logique de fermeture double de la question de l’intégration«, in: Yves Lequin (Hg.), Historie des étrangers et de l’immigration en France, Paris 2006, S. 461-518, hier S. 477-480.
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getreten, um unter dem Motto »Papiere für alle« das Recht auf eine legale und dauerhafte Bleibe in diesen Ländern einzufordern.211 Ein Anstieg der Artikel manifestiert sich für die Statusgruppen sans-papiers und clandestins in bestimmten Protestphasen und für bestimmte Ereignisse. Der Républicain Lorrain berichtete bereits 1996 über die Besetzung der Kirche Saint-Bernard in Paris. Dabei tritt vor allem die lothringische Wohlfahrtsorganisation Collectif d’Accueil des Solliciteurs d’Asile en Moselle (CASAM) als Befürworter der sans-papiers-Proteste in Erscheinung. Sowohl diese karitativen Organisationen als auch Demonstranten kritisieren in diesen Berichten und Reportagen das brutale Vorgehen der Polizei gegen die afrikanischen sans-papiers bei der Räumung der Kirche. Die Entwicklung der Illegalität in Frankreich verlief in drei Phasen: die offizielle Beendigung der zwischen 1974 und 1997 andauernden freien Arbeitsmigration, die Sicherung der öffentlichen Ordnung (1986-1997) und die Lockerung der Nullmigrationspolitik im Loi Chevènement nach familiären und humanitären Gesichtspunkten (1997-2006).212 Pro-Regularisierungsbewegungen traten bereits Anfang der 1980er Jahre in Erscheinung, weswegen 1982 ein erstes Legalisierungsprogramm durchgeführt wurde. Im März 1996 gründete sich eine weitere soziale Protestbewegung zur Regularisierung illegaler Migranten.213 Die Ursache für den Ausbruch der sans-papiers-Proteste und deren Fortdauer ist auf die Veränderung der französischen Einwanderungspolitik und die damit verbundenen Gesetze zur Regelung der Einreise und des Aufenthalts zurückzuführen. Je nach amtierender Regierungspartei – die Parti socialiste (PS) und die Parti communiste français (PCF) auf der Linken, die liberal-konservative Parteienkonföderation Union pour la démocratie française (UDF) und die gaullistische Rassemblement pour la République (RPF) auf der Rechten – hat das restriktive oder favorable Auswirkungen auf die französische Migrations- und Integrationspolitik.214 Die Regulierung von Einwanderung in den 1980er und 1990er Jahren beinhaltete ein verstärktes Vorgehen gegen illegale Migration. Die zwischen 1989 und 1993 vorgenommenen gesetzlichen Einschränkungen der Ordonnance vom 2. November 1945 zielten auf die illegale Migration ab. Das Gesetz vom 31. Dezember 1991 legte eine höhere Strafe für die Beihilfe zur irregulären Einreise und zum irregulären Aufenthalt fest. Darüber hinaus verschärfte das Gesetz vom 26. Februar 1992 Sanktionen gegen Transportunternehmen, die Personen ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Einreisepapiere nach Frankreich befördern. Darüber hinaus sah das Gesetz vom 6. Juli 1992 211 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 17. 212 Vgl. Ludwig, Katharina: Citoyen Sans-Papiers. Irreguläre MigrantInnen als politische AkteurInnen in Frankreich, Frankfurt am Main 2008, S. 59-62. 213 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 54. 214 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 46.
188 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
die Einrichtung einer zone d’attente an Häfen, Flughäfen und internationalen Bahnhöfen vor, in denen Personen nach einer verweigerten Einreise bis zu 20 Tagen festgehalten werden konnten.215 Der Beginn der Proteste ist auf den 18. März 1996 zu datieren, als sans-papiers die Kirche Saint-Ambroise im Zentrum von Paris besetzten. Am 1. August 1998 endeten die Proteste. Mit den Besetzungen der Kirchen Saint-Ambroise und Saint-Bernard im Jahre 1996 traten die sans-papiers öffentlich in Erscheinung. Als Folge wurde mit dem Debré-Gesetz216 vom 6. November 1996 das repressive System weiter ausgebaut. Mit der Wahl des Sozialisten Lionel Jospin zum Premierminister im Juni 1997 wurde ein zweites Legalisierungsprogramm aufgelegt. Per Dekret erhielten 87 000 von 150 000 Antragstellern einen legalen Aufenthaltstitel. Zudem sah das Programm eine Modifizierung der Pasqua-Debré-Gesetze durch das Loi Chevènement vor.217 Die Proteste der illegalen Migranten bewirkten eine »Personalisierung« im medialen Umgang mit den bestehenden Einwanderungsgesetzen, da die Zeitungen die Migranten des Öfteren portraitierten. Dabei wurden als Personen vor allem Frauen und Kinder in der Berichterstattung berücksichtigt, zahlreiche Artikel wurden zudem mit Fotos von Familien und Kindern bebildert. Durch die Schilderung persönlicher Situationen wurden bestimmte Folgen der Einwanderungsgesetzgebung von den Zeitungen verdeutlicht und teilweise kritisiert. Die Berichte unterstützten so den Legitimationsdiskurs der Migranten, der besagte, dass die Pasqua-Gesetze insbesondere Familien in ungerechter Weise träfen.218 2001 liegt der Fokus der Berichterstattung des Républicain Lorrain auf den Unruhen im Flüchtlingslager »Sangatte«. Das Flüchtlingslager »Sangatte« hatte sich im Sommer 2001 zum politischen Streitthema zwischen Frankreich und Großbritannien in asyl- und migrationspolitischen Fragen entwickelt. Das französische Dorf Sangatte (Pas-de-Calais) liegt in der Nähe des Hafens von Calais und des Eingangs des Eurostar-Tunnels und ist zur Bezeichnung für das außerhalb des Dorfes gelegene Flüchtlingslager geworden.219 Im Oktober und November 2005 dominieren erneut die Banlieue-Unruhen die Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain. Am 27. Oktober 2005 entbrannte 215 Vgl. ebd., S. 40. 216 Der von 1995 bis 1997 amtierende französische Innenminister Jean-Louis Debré regelte u. a. in einem 1997 verabschiedeten Debré-Gesetz die Vorgehensweise gegen neue irreguläre Migranten; vgl. ebd., S. 42f. 217 Vgl. K. Ludwig: Citoyen, S. 61. 218 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 96. 219 Vgl. H. Schwenken: Papiere, S. 129.
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ein Lokalkonflikt, nach dem zwei Jugendliche bei einer Verfolgungsjagd durch die Polizei im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois ums Leben kamen. Zwischen dem 3. und 8. November 2005 gab es weitere Krawalle Jugendlicher auch in anderen französischen Agglomerationen sowie Mittelstädten. Zwischen dem 27. Oktober und dem 17. November 2005 lieferten sich jugendliche Vorstadtbewohner in ganz Frankreich Straßenschlachten mit der Polizei. 220 In deren Verlauf brannten mehr als 10 000 Fahrzeuge. Hunderte öffentliche Gebäude wurden zerstört, darunter Schulen, Kindergärten, Sporthallen, Postämter, Rathäuser und Polizeidienststellen. Am 8. November ließ die Regierung erstmals seit dem Algerienkrieg den Ausnahmezustand ausrufen. Nach dem allmählichen Rückgang der Revolten hob der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy am 17. November 2005 den Ausnahmezustand schließlich wieder auf.221 Neben den Banlieue-Protesten bildet die Berichterstattung zum »Loi portant reconnaissance de la Nation et contribution nationale en faveur des Français rapatriés« (Gesetz zur Anerkennung der Heimkehrer durch die Nation) vom 23. Februar 2005 den medialen Peak dieses Jahres. Das auch als »Kolonialismusgesetz« bezeichnete Dekret hatte ursprünglich die materielle und ideelle Entschädigung von Franzosen zum Gegenstand, die während der Entkolonialisierung in Afrika oder Asien Schaden erlitten hatten. Konservative Abgeordnete ideologisierten jedoch das Vorhaben im Laufe der parlamentarischen Lesungen. Vor allem der Artikel 4 des Gesetzentwurfes stand im Mittelpunkt der Debatten. Er forderte Forscher, Lehrkräfte, aber auch Verfasser von Schulbüchern auf, die positive Rolle der französischen Kolonialisierung in Übersee und besonders in Nordafrika hervorzuheben. 222 Der Républicain Lorrain veröffentlichte bereits im März 2005 eine erste Reaktion auf das »Kolonialismusgesetz«, in der angesichts der Kontroversen um das Vorhaben auf anhaltende Spannungen zwischen Algerien und Frankreich auch 40 Jahre nach Ende des Algerienkriegs verwiesen wurde.223
220 Vgl. Hüser, Dietmar: »Die sechs Banlieue-Revolten im Herbst 2005 – oder: Überlegungen zur sozialen, politischen und kolonialen Frage in Frankreich«, in: ders. (Hg.), Frankreichs Empire schlägt zurück. Gesellschaftswandel, Kolonialdebatten und Migrationskulturen im frühen 21. Jahrhundert, Kassel 2010, S. 15-54, hier S. 16. 221 Vgl. Castel, Robert: Negative Diskriminierung. Jugendrevolten in den Pariser Banlieues, Hamburg 2009, S. 54-60. 222 Vgl. Ebert, Alice: »Frankreichs Umgang mit belasteter Vergangenheit – Die Debatten und Kontroversen um das ›Kolonialismusgesetz‹ von 2005«, in: Dietmar Hüser (Hg.), Frankreich Empire schlägt zurück. Gesellschaftswandel, Kolonialdebatten und Migrationskulturen im frühen 21. Jahrhundert, Kassel 2010, S. 189-216, hier S. 198f. 223 Anonymus: »La guerre d’Algérie fait toujours débat quarante ans après«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.03.2005, édition de Longwy, S. 3.
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Die Herbstunruhen in den französischen Banlieues waren ein Auslöser dafür, dass die sozialdemokratischen Abgeordneten am 29. November 2005 einen letztlich erfolgreichen Antrag auf Streichung des umstrittenen Artikels 4 stellten. Reaktionen hierzu folgten dennoch bis in den Januar 2006 hinein.224 In der Tages- und Wochenpresse hat das umstrittene Gesetz allerdings stärkere Reaktionen ausgelöst als im Républicain Lorrain. Die nationale Tageszeitung Le Monde sowie das Wochenmagazin Le Nouvel Observateur berichteten in zeitlichen Schwerpunkten umfangreicher als die lothringische Tageszeitung.225 Dieser Unterschied ist aber auch auf die oben beschriebene Stellung der Hauptstadtpresse zurückzuführen. Sowohl Parlamentsdiskussion als auch Banlieue-Ausschreitungen fanden in Paris statt. 2006 berichtet der Républicain Lorrain in einem weiteren medialen Peak zum Einwanderungsgesetz dieses Jahres und einer gesetzlich verankerten immigration choisie über die Abschaffung der automatischen Status-Legalisierung von Einwanderern, die ohne entsprechende Erlaubnis seit mindestens zehn Jahren in Frankreich gelebt haben. Somit stellt das Gesetz eine Abkehr von nachträglichen Legalisierungen als Instrument im Umgang mit der irregulären Zuwanderung dar. Der französische Gesetzgeber nahm vormals gewährte Sicherheiten für bestimmte ausländische Bevölkerungsgruppen zurück. Modifikationen oder Gegenreformen im französischen Ausländerrecht erklären sich aus den wechselnden politischen Mehrheiten in der französischen Nationalversammlung.226 Themen Die Themenanalyse im Républicain Lorrain ergab die gleichen Themenebenen wie in der Saarbrücker Zeitung: die politische (57,9 %), zivilgesellschaftliche (27,4 %) und migrantenspezifische (14,7, %) Themenebene. Die politische Themenebene setzt sich aus folgenden Hauptsäulen zusammen: restriktive Maßnahmen (35,5 %), favorable (Integrations-)Maßnahmen aus Politik,
224 Anonymus: »Emeutes: les expulsions ont fait long feu«, in: Le Républicain Lorrain vom 27.01.2006, édition de Metz, S. 23. 225 Ebert hat in ihrer Medienanalyse zur Berichterstattung von Le Monde und Le Nouvel Observateur über das »Kolonialismusgesetz« folgende zeitliche Schwerpunkte ermittelt: Für Le Monde zeigten sich diese vor allem von März bis Mai, Ende November bis Mitte Dezember 2005 und dann wieder Ende Januar 2006. Der Nouvel Observateur publizierte im Mai 2005 eine erste Reaktion auf das »Kolonialismusgesetz«, dann allerdings erst wieder im Dezember 2005 und Januar 2006, vgl. A. Ebert: Umgang, S. 201. 226 Vgl. Davy, Ulrike: »Frankreich«, in: dies. (Hg.), Die Integration von Einwanderern. Rechtliche Regelungen im europäischen Vergleich, Wien 2001, S. 425-518, hier S. 425.
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Wirtschaft und Recht (17,8 %) und Hinweise auf europäische Asyl- und Migrationspolitik sowie zu Migrationspolitiken in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern (4,6 %):
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Tabelle 7: Le Républicain Lorrain: Politische Themenebene Themen
Prozent
Restriktive bzw. kontrovers diskutierte Maßnahmen: • Pasqua-Debré-Gesetze/ Identitätskontrollen/immigration zéro (Null-Immigrationspolitik) • Abschiebungen/Ausweisungen/Rückführungen • Contrat d’accueil et d’intégration (Aufnahme- und Integrationsvertrag/Einwanderungsgesetz 2006/immigration choisie • Diskussionen über Laizismus/Kopftuchaffäre (affaires du voile islamique)/Kopftuch-/Burkaverbot • Dialog mit anderen Religionen, v. a. mit dem Islam (Einrichtung des nationalen Islamrates Conseil français du culte musulman) • Aufenthaltserlaubnis/Asylverfahren • restriktive Maßnahmen ministère de l’immigration, de l’intégration, de l’identité nationale et du développement solidaire (Kontrolle der Migrationsströme, Förderung der französischen Identität) • Sicherheitsmaßnahmen vor dem Hintergrund der Sangatte-Unruhen • Wohnungs- und Stadtpolitik/Ausnahmezustand im Zuge der Banlieue-Krawalle • Kolonialismusgesetz
35,5
Favorable Maßnahmen: • Loi Chevènement • Legalisierungsprogramme • Einrichtung des Office Français de Protéction et Réfugiés Apatrides (OFPRA) • Einrichtung kommunaler Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber in Lothringen (Centre d’accueil de demandeurs d’asile; Accueil d’urgence des demandeurs d’asile)
17,8
Hinweise auf europäische Asyl- und Migrationspolitik
4,6
Die Ergebnisse im Bereich politischer Diskurs zeigen, dass sich Themen von nationalem Interesse mit Themen von lokalem oder regionalem Ereignisbezug abwechseln. Im Spitzenjahr 2005 geht es im Rahmen der Wohnungs- und Stadtpolitik nicht nur um die Pariser Unruhen gewalttätiger Jugendlicher in den Problemgebieten der Zones Urbaines Sensibles (ZUS). Der Républicain Lorrain berichtete neben den Banlieue-Unruhen sowohl über die lothringische Wohnungs- und Stadtpolitik als auch
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über die Beispiele erfolgreicher Integrationen in Lothringen227, den als Protest gegen geplante Abschiebungen durchgeführten Hungerstreik von Türken in der Gemeinde Fameck 228 (Département Moselle) oder auch den Anstieg der Zahlen bestimmter ausländischer Bevölkerungsgruppen in Lothringen. 229 Dabei standen insbesondere die Gemeinde Fameck, Abschiebungen algerischer Flüchtlinge, Berichte von Einzelschicksalen (z.B. von der Fluchterfahrung von Kosovaren) und die Wohnungsbaupolitik bzw. Integrationsmaßnahmen in den Départements Moselle sowie Meuse im Fokus des politischen Themenbereichs.230 Mit Erreichen des Höhepunkts der BanlieueUnruhen im November 2005 rückt dieses »Pariser Ereignis« dementsprechend auch erst Ende 2005 ins Blickfeld der Berichterstattung des Républicain Lorrain.231 227 Anonymus: »Intégration des immigrés: les exemples lorrains«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.03.1991. 228 Anonymus: »Ressortissant turc invité à quitter la France«, in: Le Républicain Lorrain vom 16.04.1991, édition de Sarrebourg; Anonymus: »Turcs de Fameck: dans l’expectative«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Rencontre dans un café turc«, in: Le Républicain Lorrain vom 24.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Les Turcs de St-Dizier refusent les autorisations de séjour et de travail«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.05.1991, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Réfugiés turcs. Les grévistes de la faim reçus«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.12.1991, édition meurthe-et-mosellanes. 229 Sousse, Michel: »La Lorraine, nouvel Eldorado des réfugiés albanais«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.08.1991, édition meurthe-et-mosellanes. 230 Anonymus: »Famille algérienne menacée d’expulsion«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.03.2005, édition de Sarrebourg, S. 5; Anonymus: »Fameck. L’immigration au cœur de la ville«, in: Le Républicain Lorrain vom 08.04.2005, édition Fameck – Florange – Uckange, S. 11; Schmitt, Laurence: »Elan pour une famille kosovar«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Thionville, S. 3; Anonymus: »Un plaidoyer pour l’intégration«, in: Républicain Lorrain vom 04.05.2005, édition du pays de Phalsbourg, S. 5; Bastuck, Nicolas: »Infrastructures. Un centre de rétention verra le jour à Metz-Queuleu«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.06.2005, édition meurthe-et-mosellanes, S. 22; Anonymus: »Une visite culturelle pour comprendre la vie des immigrés«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Freyming-Merlebach, S. 12; Anonymus: »Inter Service Migrants fait le point«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Metz, S. 10; Anonymus: »Metz, terre d’accueil«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.08.2005, édition de Metz, S. 18; Raux, Monique: »Un centre de rétention pour étrangers à Martincourt«, in: Le Républicain Lorrain vom 11.10.2005, édition meurthe-et-mosellanes, S. 2. 231 Anonymus: »Alvaro Makiesse: ›Nous voulons juste avoir une vie normale‹«, in: Le Républicain Lorrain vom 04.11.2005, édition de Freyming-Merlebach, S. 1; Anonymus: »Vers des expulsions très limitées«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.11.2005, édition
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Im Sinne der Nachrichtenwertforschung beruht die Häufung von Lokal- oder Regionalthemen und die marginale Bedeutung von Nachrichten aus der Hauptstadt auf dem Nachrichtenfaktor »Nähe«. Dabei ist neben der politischen und kulturellen die geografisch-räumliche Nähe entscheidend: Der Nachrichtenwert einer Meldung steigt mit der Nähe zwischen Ereignisort und Verbreitungsgebiet des Mediums.232 In Frankreich lebt die größte islamische Gemeinde der EU mit etwa fünf Millionen Muslimen. Seit einigen Jahren und verstärkt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA versucht die französische Regierung, einen moderaten Islam zu stärken, der mit der französischen Verfassung vereinbar ist. Im Jahr 2003 wurde der islamische Dachverband in Frankreich (Conseil français du culte musulman) mit Unterstützung des damaligen französischen Innenministers Nicolas Sarkozy gegründet. Dieser soll eine einheitliche Vertretung aller in Frankreich lebenden Muslime gegenüber der Regierung sein und auch die Ausbildung der Imame organisieren. Gleichzeitig wird angestrebt, die laizistischen Werte der Republik, welche 1905 gesetzlich niedergelegt wurden, zu verteidigen. Hierzu wurde das Gesetz »Loi sur les signes religieux dans les écoles publiques françaises« zum Verbot religiöser Zeichen in Schulen verabschiedet, das am 2. September 2004 mit dem Beginn des neuen Schuljahres in Kraft trat. Dem Gesetz ging eine lange Diskussion über Laizismus, d.h. über die Form der Trennung zwischen Staat und Kirche/Religion, voraus. Laut Gesetz sind auffällige Symbole aller Religionen an Schulen verboten, darunter auch das Tragen von Kopftüchern durch muslimische Schülerinnen, was die Diskussionen ausgelöst hatte. Die Einführung der neuen Regelung verlief jedoch weitgehend konfliktfrei. Seit Beginn der affaires du voile islamique im Oktober 1989 stellte sich aufgrund des Laizismus als offizieller Staatsdoktrin immer wieder die Frage, ob sich Schülerinnen staatlicher und laizistischer Schulen, verschleiern dürfen. Lehrern war es seit der Trennung von Staat und Kirche im Jahr 1905 bereits untersagt, an staatlichen Schulen, im öffentlichen Unterricht auffällige religiöse Symbole zu tragen. Silverman führt die Kopftuch-Debatte in Frankreich auf eine Krise des Nationalstaats zurück, die aus einer »konstruierte[n] Dichotomie zwischen der assimilationistisch-
de Metz, S. 1; Anonymus: »Solidarité. ›Nous sommes bien seuls‹«, in: Le Républicain Lorrain vom 04.11.2005; Anonymus: »Banlieues: fermeté malgré l’accalmie«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.11.2005, édition de Metz, S. 11; Anonymus: »Football et racisme«, in: Le Républicain Lorrain vom 22.11.2005; Anonymus: »Coup de frein à l’immigration«, in: Le Républicain Lorrain vom 30.11.2005, édition de Metz, S. 31. 232 Vgl. S. Ruß-Mohl: Journalismus, S. 110.
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universalistischen Tradition Frankreichs und der differentialistisch-partikularistischen Tradition anderer Länder«233 resultiert. Der deutsche Politologe und Friedensforscher Werner Ruf argumentiert in die gleiche Richtung, wenn er in der französischen Debatte zum Kopftuch-Verbot ein Aufeinandertreffen zwischen dem Konzept der multikulturellen Gesellschaft mit seinem Toleranzversprechen gegenüber anderen kulturellen Eigenheiten und dem seit der Französischen Revolution gewachsenen Selbstverständnis von Laizität sieht.234 Mit dem vom Parlament verhängten Verbot des Tragens größerer religiöser Zeichen wie des Kopftuchs durch Schülerinnen und Studenteninnen vom 10. Februar 2004 kamen auch die Debatten im Républicain Lorrain allmählich zum Erliegen. Die zivilgesellschaftliche Themenebene nimmt mit 27,4 % den zweiten Rang ein. Tabelle 8: Le Républicain Lorrain: Zivilgesellschaftliche Themenebene Themen
Prozent
Zivilgesellschaftliche Partizipation von betroffenen Migranten sowie von nicht betroffenen (französischen) Bürgern an
27,4
• Maßnahmen von Akteuren der Antirassismus- und Menschenrechtsbewegungen SOS Racisme, Ligue des droits de l’homme (LDH), Ligue internationale contre le racisme et l’antisémitisme (LICRA), Mouvement contre le racisme et pour l’amitié des peuples (MRAP), Comité Inter-Mouvements Auprès Des Evacués (CIMADE) • Pro-Regularisierungsaktionen (z.B. in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Bildung ohne Grenzen und des Comités de sans-logis) • zivilgesellschaftliche Maßnahmen bei der Unterstützung von Asylbewerbern (z.B. durch das Collectif d’Accueil des Solliciteurs d’Asile en Moselle) • Protestaktionen • Humanitäre Auslandshilfe Auf der zivilgesellschaftlichen Themenebene legt der Républicain Lorrain seinen Fokus mit 8,6 % verstärkt auf Bürgerbeteiligungen in den Aktionsrepertoires von 233 Vgl. Silverman, Maxim: Rassismus und Nation. Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, Hamburg 1994, S. 119. 234 Vgl. Ruf, Werner: »Politische und ökonomische Ursachen und Folgen der Migration am Beispiel Algeriens«, in: Rassismus und Migration in Europa. Beiträge des Kongresses »Migration und Rassismus in Europa«, Hamburg 26. bis 30. September 1990, Hamburg 1991, S. 66-76, hier S. 76.
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Antirassismus- und Menschenrechtsbewegungen. Dieser Befund ist mit Veränderungen innerhalb der französischen Zivilgesellschaft erklärbar, die sich in einem enormen Zuwachs an zivilgesellschaftlicher Partizipation mit Beginn der 1990er Jahre zeigten.235 Sowohl Betroffene als auch andere – französische – gesellschaftliche Akteure gründeten Organisationen mit dem Ziel, soziale und politische Rechte für marginalisierte Gruppen einzufordern. Eine als Gegenentwurf zum Front National 1985 gegründete Organisation ist die von Jugendlichen getragene Massenbewegung SOS Racisme. Während sich Deutschland Anfang der 1990er Jahre angesichts der massiven Zunahme rechtsextremer Ausschreitungen mit einer politischen und öffentlichen Tatenlosigkeit konfrontiert sah, hatten die Antirassismusorganisationen in Frankreich Aktionsstrategien zur Eindämmung dieses Phänomens entwickelt. Die letzte Themenebene ist die migrantenspezifische mit 14,7 %. Tabelle 9: Le Républicain Lorrain: Migrantenspezifische Themenebene Themen
Prozent
Politische und kulturelle Partizipation von Migranten: • Engagement in Migrantenselbstorganisationen • Literarische, musikalische und filmische Ausdrucksformen der Beurs in der französischen Kulturszene (Slogan black-blanc-beur) • Ausrichtung multikultureller Feste
5,5
(Visuelle) Personalisierungen bestehender Einwanderungsgesetze • Darstellung von Einzelschicksalen • Darstellung erfolgreich integrierter Migranten, z.B. Sportler
4,9
Alltag in den Centres d’accueil de demandeurs d’asile und dem Accueil d’urgence des demandeurs d’asile
4,3
Die migrantenspezifische Themenebene zeigt sich primär in der politischen und kulturellen Partizipation von Migranten mittels der Gründung von Selbstorganisationen, in der Black-Blanc-Beur-Bewegung und bei der Ausrichtung multikultureller Feste. Zwar existiert keine allgemeingültige Definition von Migrantenselbstorganisationen. In der Regel weisen sie aber folgende Merkmale auf: Ihre Ziele ergeben sich aus der Situation und den Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund und deren Einwanderungsgeschichten; die Mehrheit der Mitglieder hat des Weiteren ei-
235 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 110.
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nen Migrationshintergrund; Personen mit Migrationshintergrund nehmen in den internen Strukturen und Prozessen dieser Organisationen häufig Führungspositionen ein.236 Über das Engagement in Migrantenselbstorganisationen hinaus kündigte der Républicain Lorrain Veranstaltungshinweise von Beurs an. Die vielfach vorhandenen politischen, sozialen und kulturellen Herausforderungen der Beurs, die sich aus der Spannung zwischen erwünschter Anpassung an die französische Zielkultur und der Pflege außereuropäischer und islamischer Herkunftskulturen ergaben, verarbeiteten sie zumeist literarisch237, musikalisch238 oder filmisch (Cinema Beur239). In den 1980er Jahren entstand zudem in wortspielerischer Anlehnung an die Farben der Landesflagge (bleu-blanc-rouge) der französischen Trikolore der Neologismus blackblanc-beur (»Schwarze, Weiße, Maghrebiner«). In diesem Zusammenhang formierte sich eine gleichnamige, multiethnische Tanz-Gruppe aus jungen Arbeitslosen der Pariser Vororte. Aufgrund der personellen Zusammensetzung der französischen Fußballnationalmannschaft weist der Slogan black-blanc-beur spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 1998 in Frankreich einen Symbolcharakter auf und dient als »französische Ausprägungsform kultureller Hybridität«.240 Des Weiteren nahmen Migranten an der Berichterstattung als Subjekte teil, indem sie im Zusammenhang mit der Pro-Regularisierungsbewegung als Betroffene der Einwanderungsgesetze auftraten: Frauen und Kinder wurden sowohl in Texten als auch
236 Vgl. D. Thränhardt: Migrantenorganisationen, S. 211. 237 Zur literarischen Beurs-Kultur: vgl. Hargreaves, Alec: La littérature beur: Un guide biobibliographique, New Orleans 1992; Laronde, Michel: Autour du roman beur. Immigration et identité, Paris 1993; Reeck, Laura: Writerly Identities in Beur Fiction and Beyond. Lexington 2011. 238 Am bekanntesten in der literarischen culture beur ist die unter der Bezeichnung Raï subsumierte algerische Volks- und Populärmusik; vgl. Hüser, Dietmar/Schüssler, Linda: »Klänge aus Algerien, Botschaften für Frankreich. Der Raï-Beur als Musik französischer Jugendlicher aus maghrebinischen Migrationskulturen«, in: ders. (Hg.), Frankreichs Empire schlägt zurück. Gesellschaftswandel, Kolonialdebatten und Migrationskulturen im frühen 21. Jahrhundert, Kassel 2010, S. 299-329. 239 Zur maghrebinischen Einwanderung und nationalen Kinokultur in Frankreich mit ausführlicher Bibliografie zum Cinéma Beur vgl. Hannig, Daniela: »Cinéma beur. Maghrebinische Einwanderung und nationale Kinokultur in Frankreich«, in: ebd., S. 273-298. 240 Vgl. Lüsebrink, Hans-Jürgen: »Black-Blanc-Beur. Tendenzen der aktuellen französischen Kulturszene«, in: ebd., S. 253-271, hier S. 266.
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auf Fotos portraitiert und damit in den Mittelpunkt der Berichterstattung des Républicain Lorrain gerückt.241 Statusgruppen Die prozentuale Verteilung der im Républicain Lorrain berücksichtigten Statusgruppen immigrés, étrangers, sans-papiers, réfugiés, demandeurs d’asile und clandestins ergab folgenden Befund: Diagramm 14: Le Républicain Lorrain: Anteilswerte der Statusgruppen in Prozent
5,8% 9,4%
immigrés 33,0%
9,9%
étrangers sans papiers réfugiés
11,6%
demandeur d'asiles clandestins 30,3%
Sowohl in der französischen Migrationssoziologie als auch in der Bevölkerungsstatistik wird zwischen Einwanderern (immigrés) und Ausländern (étrangers) unterschieden. Als immigrés gelten nach dem Haut Conseil à l’intégration Personen, die im Ausland mit nichtfranzösischer Staatsbürgerschaft geboren sind. Auch wenn sie später die französische Staatsbürgerschaft annehmen, bleiben sie weiterhin als immigrés erfasst. Zu den étrangers zählen hingegen Personen mit nicht-französischer
241 Laubenthal konnte im Rahmen ihrer Untersuchung der Presse Quotidienne Nationale ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Pro-Regularisierungsbewegung und einer damit einhergehenden erhöhten Personalisierung ermitteln, vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 96.
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Staatsbürgerschaft. 242 Die prozentuale Verteilung der immigrés (33,0 %) und étrangers (30,3 %) in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain entspricht der Verteilung in der Bevölkerungsstatistik. Für das Jahr 2008 machen die immigrés 8,4 % der Gesamtbevölkerung Frankreichs aus. Die étrangers liegen mit 5,8 % um einige wenige Prozentpunkte unterhalb des für die immigrés ermittelten Wertes in der Statistik des Institut national de la statistique et des études économiques.243 Eine weitere wichtige Statusgruppe stellen mit einem ermittelten Prozentwert von 11,6 % die sans-papiers dar. Über eine auch im Républicain Lorrain starke mediale Aufbereitung der Pro-Regularisierungsproteste, die sich insbesondere im Rahmen der Kirchenbesetzungen von Saint-Ambroise und Saint-Bernhard 1996 äußerten, treten die sans-papiers als eigenständige Personen einer sozialen Bewegung in der lothringischen Regionalzeitung auf. Vor der Entstehung der Pro-Regularisierungsbewegung im Frühjahr 1996 war der Mediendiskurs zu illegaler Einwanderung dadurch gekennzeichnet, dass im Républicain Lorrain über illegale Migranten überwiegend als clandestins berichtet wurde.244 Die Statusgruppe der clandestins nahm in der Berichterstattung einen Prozentwert von 5,8 % und damit den letzten Rang ein. Als clandestins wurden und werden sie als Folge einer fehlgeschlagenen Kontroll- und Sicherheitspolitik betrachtet. 245 Im Zuge der Pro-Regularisierungsbewegung 1996 bis 1998 zeigt sich eine rhetorische Veränderung des medialen Diskurses zu illegaler Migration, die maßgeblich zu einem allmählichen Wandel des Diskurses zur Protestbewegung beitrug: »Durch die Ersetzung des negativ konnotierten Begriffs clandestin durch den für eine Regularisierung programmatischen Ausdruck sans-papiers fand eine positive Umdeutung der Situation illegaler Migranten statt, deren öffentliche Wahrnehmung sich von einer anonymen, mit Kriminalität konnotierten Gruppe zu den Opfern ungerechter Verhältnisse wandelte.«246
242 Vgl. Institut de la statistique et des études économiques: Les immigrés en France, Paris 2005, S. 34. 243 Vgl. »Étrangers – Immigres«, in: Institut nationale de la statistique et des études économiques, http://www.insee.fr/fr/ffc/tef/tef2012/T12F037/T12F037.pdf vom 07.03.2015. 244 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 93. 245 Vgl. G. Noiriel: Immigration, S. 608. 246 B. Laubenthal: Kampf, S. 113.
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Dementsprechend ist der Terminus clandestin in Politik, Gesellschaft und Medien negativ konnotiert. In der politisch zumeist rechten Wahrnehmung sind die clandestins eine potentielle Bedrohung. Dabei wird insbesondere das Problem der Arbeitslosigkeit mit ihnen assoziiert.247 Der Begriff sans-papiers hebt das Fehlen eines Aufenthaltstitels hervor, beinhaltet die erreichbare Legalität nach erfolgreicher Regularisierung und trennt zugleich die Frage der Legalisierung von den negativen Konnotationen des Begriffs clandestins. Rhetorisch reihen sich somit die sans-papiers in andere »sans-Gruppen«, z.B. die sans-abris (Obdachlosen) oder die sans-emplois (Arbeitslosen), ein.248 Vor 1998 und vor allem in der Hochphase der Pro-Regularisierungsbewegung im April 1996 wurden illegale Migranten noch durchaus als clandestins bezeichnet. Ab August 1996 taucht der Begriff sans-papiers kontinuierlich in der lothringischen Regionalzeitung auf. Dass nicht nur die National-, sondern auch die Regionalpresse den Terminus sans-papiers sukzessive aufgriff und damit den Begriff clandestins ersetzt hat, zeigt sich im sinkenden Gebrauch des Begriffs clandestins in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain: Während in 144 Artikeln der Ausdruck sanspapiers verwendet wurde, steht der Terminus clandestins lediglich in 54 Artikeln mit einer rückläufigen Tendenz ab dem Jahre 1998 (vgl. Diagramm 15). Das Kreisdiagramm beinhaltete ferner zwei weitere Statusgruppen, die sowohl in der Berichterstattung des Républicain Lorrain als auch in der Statistik zur ausländischen Bevölkerung in Lothringen in Erscheinung traten: réfugiés (9,9 %) und demandeurs d’asile (9,4 %). Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus Bosnien, Tschetschenien, Angola, Algerien und dem Kongo, aber auch aus asiatischen Ländern sowie dem Mittleren Osten.249 Die réfugiés und demandeurs d’asile sind in Lothringen in so genannten CADAs (Centre d’accueil de demandeurs d’asile) oder AUDAs (Accueil d’urgence des demandeurs d’asile) untergebracht. Diese befinden sich in den Départements Meurthe-et-Moselle (Fameck) sowie Moselle (Essey-lèsNancy) und in der Communauté de communes du Bassin de Pompey (CCBP), einem französischen Gemeindeverband im Département Meurthe-et-Moselle. Die Gemeinde Fameck gilt als sozialer Brennpunkt des Départements Meurthe-et-Moselle. Im Républicain Lorrain wird sie daher auch im Rahmen von Wohnraumdiskussionen, Integrationsmaßnahmen, aber auch von Kirchenbesetzungen genannt. Dabei rückten auch die von Abschiebung bedrohten Türken und Kurden im April 1991 stärker in den Fokus der Berichterstattung.250 247 Vgl. Breyer, Insa: Keine Papiere – Keine Rechte? Die Situation irregulärer Migranten in Deutschland und Frankreich, Frankfurt am Main 2011, S. 89. 248 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 94f. 249 Vgl. S. Piralla: Immigrés, S. 2. 250 Folgende Artikel aus dem Républicain Lorrain thematisieren die soziale Lage sowie Wohn- und Integrationsprobleme der Migranten in Fameck: Anonymus: »8ème jour de
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Da diese kommunalen Einrichtungen nur eine begrenzte Aufnahmekapazität bieten, wurden Ersatzunterkünfte, so genannte résidences sociales oder hôtels sociaux (Sozialhotels) wie das Hôtel du Nord, Hôtel du Terminus in Metz oder das Top Hôtel, in Thionville eingerichtet. Die Darstellung der Statusgruppen im Zeitverlauf erlaubt es, weitergehende Zusammenhänge aufzuzeigen. Die Jahre 1996, 2006 und 2007 verzeichnen Hochphasen für die Statusgruppe sans-papiers. Diese Hochphasen haben ihre Ursache in der Berichterstattung über parteipolitische Diskussionen zur Bekämpfung irregulärer Migration vor Verabschiedung bestimmter Gesetze wie des Debré- (24. April 1997), des Chèvenement- (11. Mai 1998) oder des Einwanderungsgesetzes (loi relative à l’immigration et à l’intégration, 24. Juli 2006) und den damit zusammenhängenden Protesten der sans-papiers. Diagramm 15: Le Républicain Lorrain: Statusgruppen im Zeitverlauf
Artikelanzahl
30
immigrés/migrants
25
demandeurs d’asile sans-papiers
20
clandestins
15
étrangers réfugiés
10 5 0
grève de la faim«, in: Le Républicain Lorrain vom 16.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Turcs de Fameck: dans l’expectative«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Grève de la faim à Fameck pour sauver la situation des harkis«, in: Le Républicain Lorrain vom 01.10.1997, édition de Thionville; Anonymus: »Fameck. L’immigration au cœur de la ville«, in: Le Républicain Lorrain vom 08.04.2005, édition Fameck – Florange – Uckange, S. 11.
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Das gestapelte Liniendiagramm zeigt einen Trend zur Heterogenität. Während in der Saarbrücker Zeitung ausländerpolitische und -rechtliche Entscheidungen, beispielsweise die Asyldebatte Anfang der 1990er Jahre, den Anstieg der Statusgruppe »Asylbewerber« sowie auch der Artikel im Allgemeinen auslösen, zeigt der Républicain Lorrain eine eher von sozialen Bewegungen und Protestaktionen bestimmter Statusgruppen abhängige Entwicklung. Statusgruppen mit einem ungeklärten Aufenthaltsstatus in Frankreich – sans-papiers, demandeurs d’asile, réfugiés und clandestins – sind die Hauptakteure dieser Protestaktionen. Die immigrés werden gelegentlich in Kombination mit drei weiteren Bezeichnungen angeführt: den harkis, den pieds-noirs sowie den beurs. Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden, da sie gängige Bezeichnungen im sozio-historischen, wegen ihres umgangssprachlichen Gebrauchs aber weniger im medialen Migrationsdiskurs darstellen. Als harkis gelten französische Muslime, die im algerischen Unabhängigkeitskrieg auf Seiten Frankreichs gekämpft haben. Gegen Ende des Kriegs 1962 sind sie mit den pieds-noirs repatriiert worden. Die Bezeichnung pieds-noirs geht auf die militärische Inbesitznahme Algeriens durch französische Truppen im Jahre 1830 zurück. 251 In Folge siedelten sich Europäer in dem nordafrikanischen Land an. Der Begriff beur, ein Verlan-Ausdruck für »Araber«, bezeichnet den Nachwuchs der Immigranten aus den Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien in Frankreich.252 Die beurs sind entweder nach Frankreich eingereiste oder bereits als zweite Generation in Frankreich geborene Kinder. Handlungs- und Aussagenträger Wie bereits in der Saarbrücker Zeitung wurden als eine weitere inhaltliche Kategorie Handlungs- und Aussagenträger bestimmt. Handlungsträger Die zentralen Handlungsträger im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain gehen aus den Befunden der Themenanalyse hervor. Diese sind zugleich die Träger der Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen. Dabei handelt es sich primär um Mitglieder der Menschenrechts- und Antirassismusbewegung. Bereits im 19. Jahrhundert wurden in Frankreich Menschenrechtsorganisationen wie beispielsweise die Ligue des droits de l’homme (LDH) gegründet. In den 1930er und 1940er Jahren kamen Antirassismus- und kirchliche Organisationen hinzu: die Ligue internationale contre le racisme et l’antisémitisme (LICRA), das auf die kommunistische Bewegung zurückgehende Mouvement contre le racisme et pour l’amitié des peuples (MRAP) und 251 Vgl. W. Ruf: Ursachen, S. 66. 252 Vgl. Noiriel, Gérard: Le creuset français. Histoire de l’immigration XIXe-XXe, Paris 1988, S. 211f.
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das aus der evangelischen Jugendbewegung innerhalb der Résistance hervorgegangene Comité Inter-Mouvements Auprès Des Evacués (CIMADE).253 Dazu treten in den 1990er Jahren neue Akteure, die Folge einer stärkeren zivilgesellschaftlichen Partizipation in Form von Vereinsgründungen und Demonstrationen sind.254 Ihr Ziel war es unter dem Leitmotiv der exclusion sociale, soziale und politische Rechte für marginalisierte Gruppen einzufordern, indem sich Betroffene selbst organisierten. 255 Diagramm 16: Le Républicain Lorrain: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger
Typologie der Handungsträger in absoluten Zahlen
Europäischer Rat
46
Europäische Kommission
50
Europäisches Parlament
53
Polizei (n)
54
Wohlfahrtsverbände (n)
67
Statusgruppen (n)
72
Demonstranten (n)
82
Minister (n)
85
Premierminister (n)
88
Staatspräsident (n)
124 0
20
40
60 80 100 120 140 Artikelanzahl
Die zentralen Handlungsträger in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain sind der Staatsminister, der Premierminister und die Minister und damit politische Handlungsträger, gefolgt von weiteren Akteuren der nationalen Ebene (n): Demonstranten, Statusgruppen, Wohlfahrtsverbänden und der Polizei. Die letzten drei Ränge nehmen mit dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat supranationale Handlungsträger ein.
253 Vgl. ebd., S. 66-69. 254 Vgl. S. Waters: Movements, S. 11. 255 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 110f.
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Da der Staatspräsident in der politischen Ordnung Frankreichs über zahlreiche Befugnisse verfügt – von seinen Einflussmöglichkeiten bei Regierungsbildungen über seine Rolle im Gesetzgebungs- und Dekretprozess bis hin zu weitreichenden außenpolitischen Kompetenzen256 –, erklärt sich auch seine exponierte Bedeutung für die Medienberichterstattung. Im Betrachtungszeitraum 1990 bis 2010 sind die Regierungszeiten der drei Präsidenten François Mitterrand (21. Mai 1981 bis 17. Mai 1995), Jacques Chirac (17. Mai 1995 bis 16. Mai 2007) und Nicolas Sarkozy (16. Mai 2007 bis 15. Mai 2012) festzumachen. Im Wahlprogramm des damaligen Präsidentschaftskandidaten François Mitterrand aus dem Jahr 1981 war das Wahlrecht für die in Frankreich lebenden Nicht-EUBürger der 80. Programmpunkt in seinen »110 propositions pour la France«. Da die Linksregierung unter Mitterrand ab 1981 dann auch eine Reihe von Reformen zu Gunsten der politischen Partizipation der Immigranten ohne französische Staatsangehörigkeit unternahm – das Recht auf legale Vereinsgründung, auf Teilnahme an Betriebsrats- und Personalvertretungswahlen sowie an den Wahlen von Mieterparlamenten –, stand der Präsident als Akteur im Medienfokus. An das Wahlrecht zum Nationalparlament wagte sich die damalige Linksregierung allerdings nicht, auch nicht in den Folgejahren, als die extreme Rechte unter Jean-Marie Le Pen Wahlerfolge feierte.257 In die Präsidentschaft von Jacques Chirac fiel beispielsweise das im Rahmen der Laizität in Politik und Medien verstärkt diskutierte Kopftuchverbot. 258 Unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy und seiner Regierung fand diese Debatte mit der Einführung des Burkaverbots ein Ende. Während der Amtszeit Sarkozys von 2007 bis 2012 wurden Sarkozy und seine Regierung für ihre restriktive und populistische Einwanderungs- und Integrationspolitik, die u. a. im Burkaverbot sowie in einer restriktiven Abschiebepolitik und der Erschwerung des Familiennachzugs zum Ausdruck kamen, im In- und Ausland kritisiert.259 In der französischen Verfassung verfügt neben dem Staatspräsidenten auch der Premierminister über weitreichende politische Kompetenzen. Daher übernimmt dieser auch verstärkt die Rolle eines Akteurs, allerdings im Balkendiagramm in der Rangfolge hinter dem Staatspräsidenten. Zwar war das Amt des Regierungschefs in den
256 Vgl. U. Kempf: System, S. 16. 257 Vgl. Requate, Jörg: Frankreich seit 1945, Göttingen 2011, S. 190f. 258 Vgl. G. Noiriel: Immigration, S. 634. 259 Vgl. Kuschel, Sebastian: Integrationspolitik in Deutschland und Frankreich. Der politische Umgang mit Migranten im Vergleich, Hamburg 2012, S. 3f.
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Anfangsjahren der V. Republik bis 1968 durch eine hohe Stabilität gekennzeichnet, dies änderte sich jedoch unter de Gaulles Nachfolgern.260 Als Handlungsträger traten die Premierminister zumeist zusammen mit den Staatspräsidenten und den migrationspolitischen Bestimmungen der jeweiligen Regierungen in Erscheinung, aber auch mit Reaktionen auf Protestbewegungen gegen ihre Politik. Mit 85 Nennungen platzieren sich die Minister auf dem dritten Rang. Wie bei den Premierministern ist in den späteren Kabinetten der V. Republik auch bei den Regierungsmitgliedern, d.h. den Ministern, beigeordneten Ministern und Staatssekretären, eine hohe Fluktuation zu konstatieren. Den drei Minderheitskabinetten François Mitterrands gehörten zwischen Frühjahr 1988 und März 1993 immerhin 85 Mitglieder an.261 Den nächsten Rang belegen die »Demonstranten« mit der absoluten Häufigkeit von 82 Nennungen. Die Bedeutung von Demonstranten als Handlungsträger im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain hängt überwiegend mit der Zunahme zivilgesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten in der politischen Kultur Frankreichs zusammen. Diese zeigen sich zum ersten Mal in einer aufkommenden französischen Bürgerrechtsbewegung in den Unruhen vom Mai 1968, als ein zunächst studentischer Protest in eine soziale und schließlich eine zeitweilige Staatskrise umschlug.262 Es entstanden neue, vor allem direkte Aktionsformen, deren sich die Studenten im Mobilisierungsprozess bedient hatten: »von der ›demonstrativ-appellativen‹, d.h. an die Öffentlichkeit sich wendenden symbolischen, provokatischen Aktion bis zur ›direktkoerziven‹, d.h. unmittelbaren Zwang auf Institutionen ausübenden Aktion«.263 Die Protestaktionen gegen Rassismus und für Frieden in den 1990er Jahren waren nicht in gleichem Maße organisiert wie die Maiunruhen aus dem Jahr 1968, hatten aber einen ebenfalls groß angelegten Aktionsradius.264 Die Akteure der Antirassismus-Bewegung waren bzw. sind vielfältig und meist über die Antirassismus-Bewegung hinaus aktiv. Dies lässt sich sowohl in der sozialen Realität Frankreichs als auch der medialen des Républicain Lorrain auf drei Ebenen festmachen: Da sind erstens kollektive politische Mobilisierungen gegen den Front National, die sich ab 1995 in sporadischen Demonstrationen von primär politisch links bzw. Mitte links orientierten
260 Vgl. U. Kempf: System, S. 95. 261 Vgl. ebd., S. 96. 262 Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland, Westeuropa, USA, München 2. Aufl. 2003, S. 80-90. 263 Ebd., S. 121. 264 Vgl. Schild, Joachim: »Wertewandel diesseits und jenseits des Rheins. Umweltbewußtsein und politisches Protestverhalten«, in: Dokumente 51 (1995), S. 217-222, hier S. 221.
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Bürgern in Städten wie Grenoble, Le Havre, Toulon und Straßburg Aufmerksamkeit verschaffen. Zweitens: Zu den demonstrierenden Akteuren zählen auch Migrantenvereine und bestimmte Statusgruppen, allen voran die sans-papiers bei der Pro-Regularisierungsbewegung 1996 bis 1998 sowie jugendliche Ausländer. Dabei handelte es sich um eine Generation von Immigrantenkindern, die frustriert und wütend über die formalen Prinzipien des republikanischen Integrationsmodells das französische Gesellschaftssystem ablehnt. Diese innere Distanz zeigt sich »[i]n der Zerstörung von öffentlichen bzw. staatlichen Einrichtungen, im ›Abfackeln‹ von Supermärkten und Möbelhäusern, im Anzünden von 40.000 Autos allein im Jahre 2005, im Werfen von Molotow-Cocktails auf Polizei und Feuerwehr in den trostlosen Vorortsiedlungen der Banlieues«.265 Da die Ereignisse auf Konflikte, Kontroversen, Aggressionen und Zerstörungen ganz im Sinne des Nachrichtenwerts Valenz bzw. seiner Dimension Negativismus bezogen werden können, gelten sie in allen Mediengattungen sowohl dem Umfang als auch der Aufmachung nach als besonders berichtenswert. Drittens manifestiert sich die Vielfalt der protestierenden Akteure in einer bedeutsamen zivilgesellschaftlichen Dimension, die keine politische oder migrationsspezifische Organisationsstruktur aufweist, sondern Intellektuelle, Filmemacher, Schauspieler ebenso einschließt wie gewöhnliche Bürger aus allen Gesellschaftsschichten. Die Aktionen umfassen dabei Handlungen zivilen Ungehorsams, Märsche, Petitionsbewegungen und »comités de vigilance« (Komitees ziviler Wachsamkeit), die durch Solidarisierungen von Bürgern mit den Opfern rechter Gewalt entstehen.266 Auch Zeitungen engagieren sich im Rahmen ihrer politischen sowie ihrer Kontroll- und Kritikfunktion zivilgesellschaftlich. Die Kontroll- und Kritikfunktion ist Aufgabe der politischen Bildung, indem Medien das notwendige Wissen für die Willensbildung des Einzelnen vermitteln und auf diese Weise die Teilnahme am politischen Prozess ermöglichen.267 Der am 23. August 1996 erschienene Artikel »Communiqué. Affaire des ›sanspapiers‹«: la déposition de J.-M. Demange« im Républicain Lorrain berichtete zwar nicht über eine Demonstration, aber über die kontroversen Positionen von lothringischen Politikern und Menschenrechtsorganisationen zur Besetzung der Kirche SaintBernard in Paris durch sans-papiers.268 Da ist die Ligue des Droits de l’Homme, die auf die Notwendigkeit der Anerkennung der sans-papiers aufmerksam macht und eine rechtliche Unterscheidung der 265 U. Kempf: System, S. 370. 266 Vgl. S. Waters: Movements, S. 64f. 267 Vgl. O. Jarren/W. Meier: Mediensysteme, S. 105f. 268 Anonymus: »Communiqué. Affaire des ›sans-papiers‹: la déposition de J.-M. Demange«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.08.1996, édition de Thionville.
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sans-papiers von den clandestins fordert; ferner der ehemalige Präsident des konservativen Rassemblement Pour la République269 (RPR) im Département Moselle, Abgeordneter in der Nationalversammlung sowie Bürgermeister 270 von Thionville, Jean-Marie Demange, der zwar sein Mitgefühl für die sans-papiers ausdrückt und auch den französischen Status einer terre d’asile betont, aber unter Verweis auf die getreue Einhaltung republikanischer Prinzipien.271 Des Weiteren äußerten auch die lothringischen Abgeordneten der RPR in der Nationalversammlung, François Grosdidier und Alphonse Bourgasser, ihre Meinung zur Pro-Regularisierungsbewegung der sans-papiers. Sie begründeten ihre ablehnende Haltung damit, dass die sans-papiers die französischen republikanischen Rechte zu wahren hätten. Eine Nichteinhaltung führe zur Unterminierung des republikanischen Systems, wie François Grosdidier im Artikel »Sans-papiers de Paris: de nombreuses réactions« vom 23. August 1996 feststellt: »Violer les lois quelque soit leur objet, quelque soit le caractère passionnel qui peut s’attacher à certaines d’entre elles, c’est dans tous les cas, saper les fondements de la République.«272 Alphonse Bourgasser weist zudem die Europäische Union auf ihre Zuständigkeit für die Bereiche Migration und Asyl hin und fordert für die europäischen Mitgliedsstaaten die Festlegung verbindlicher Richtlinien zum Umgang mit den sans-papiers. Zum Schluss des Artikels werden 34 Organisationen namentlich genannt, die sich geschlossen für mehr Solidarität mit den sans-papiers von Saint-Bernard aussprechen. Somit übt der Républicain Lorrain innerhalb seiner politischen Funktion zivilgesellschaftliches Engagement im Sinne der dritten Akteurs-Ebene aus: Er verschafft 269 Am 21. September 2002 schlossen sich durch Mehrheitsbeschluss des Sonderparteitags in Villepinte die RPR, die Partei Démocratie Libérale (DL), Teile der Union pour la Démocratie Française (UDF), die Parti Radical und einige bürgerliche Splittergruppen zur konservativen Sammlungsbewegung Union pour un mouvement populaire (UMP) zusammen; vgl. U. Kempf: System, S. 204. 270 Im Rahmen der französischen Kommunalpolitik und trotz Dezentralisierungsreform sehen sich französische Bürgermeister zugleich mit zwei Rollen konfrontiert: Zum einen der Rolle des Vertreters seiner Kommune, zum anderen derjenigen des Staatsrepräsentanten. Als solcher kann er auch als Abgeordneter für die Nationalversammlung kandidieren und im Falle eines Wahlerfolgs in das Parlament einziehen. In einem Land, in dem weitestgehend alles in Paris entschieden wird, gilt ein Bürgermeister stets auch als Botschafter seiner Gemeinde in der Hauptstadt. Bei einer Doppelfunktion als Bürgermeister und Abgeordneter, also Député-Maire, erhofft sich die Gemeinde eine besonders schnelle Berücksichtigung ihrer Wünsche; vgl. U. Kempf: System, S. 309-313. 271 Anonymus: »Communiqué. Affaire des ›sans-papiers‹: la déposition de J.-M. Demange«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.08.1996, édition de Thionville. 272 Anonymus: »Sans-papiers de Paris: de nombreuses réactions«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.08.1996, édition de Metz.
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der Gesellschaft die Möglichkeit, informiert, aufgeklärt und aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und darüber eine Eigenverantwortlichkeit zu entwickeln.273 Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Der Républicain Lorrain bietet sowohl politischen Machtträgern als auch Menschenrechts- und Wohlfahrtsorganisationen Artikulationschancen, um weitgehende Transparenz über politische und gesellschaftliche Zusammenhänge bei der Kirchenbesetzung von Saint-Bernard und der Situation illegaler Migranten in Frankreich herzustellen. Die Demonstranten werden – wie aus deren Typologien ersichtlich – nicht selten mit bestimmten Statusgruppen gemeinsam genannt, z.B. manifestations en faveur de sans-papiers/manifestations des sans-papiers. Die Handlungsträger »Demonstranten« und »Statusgruppen« wurden zwar getrennt codiert, nehmen aber wegen ihrer häufig gleichzeitigen Nennung aufeinanderfolgende Ränge ein. Mit der als quantitativ dominanten zivilgesellschaftlichen Themenebene einher geht auch die Bedeutung von Wohlfahrtsverbänden als Handlungsträgern in der Berichterstattung des Républicain Lorrain. Sie nehmen hier den sechsten Rang ein. Bereits in den 1980er Jahren fanden durch Antirassismus- und Menschenrechtsorganisationen sowie von Migranten initiierte Massenmobilisierungen mit dem Ziel statt, die »Rechte von Migranten« zu stärken.274 Die Polizei ist der siebte Handlungsträger in der Abfolge. Sie wird beispielsweise bei den Identitätskontrollen infolge der Pasqua-Gesetze aktiv. Das im August 1993 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung von Identitätskontrollen (loi relative aux contrôle et vérifications d’identité) erweiterte die Befugnisse der Polizei. Während vor der Gesetzesverabschiedung lediglich bei einem konkreten Verdacht Personen überprüft werden konnten, war dies nunmehr auch ohne Anlass möglich. Das Gesetz enthielt ferner kompensatorische Regelungen für die im Schengen-Abkommen festgeschriebene Freizügigkeit zwischen mehreren EU-Staaten. Demnach erlaubte es der Polizei, jede Person im Landesinneren im Umkreis von 30 Kilometern von Einreisepunkten ohne Angabe von Gründen zu überprüfen.275 Zum anderen begegnet man dem Akteur Polizei auch in einer Vielzahl von Artikeln zur Regulierung von Legalisierungsbewegungen (z.B. Räumungen besetzter Kirchen) sowie insbesondere zur Kontrolle der Vorstädte. Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und der Europäische Rat nehmen als Handlungsträger die Ränge acht bis zehn ein. Die Bedeutung supranati-
273 Vgl. O. Jarren/W. Meier: Mediensysteme, S. 105f. 274 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 110. 275 Vgl. ebd., S. 65f.
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onaler Handlungsträger ist auf die Orientierung Frankreichs an den ausländerrechtlichen Gesetzesbestimmungen der europäischen Asyl- und Migrationspolitik aus den 1990er Jahren zurückzuführen. In den 1990er und 2000er Jahren harmonisierte Frankreich seine nationalen Regelungen mit den europäischen Gesetzesbestimmungen. Das Schengener Durchführungsabkommen etwa strebte eine europaweite Vereinheitlichung der Einwanderungs- und Asylpolitik der EU-Staaten an, die beispielsweise im politischen Konzept des »Freien Personenverkehrs« der Europäischen Union Anwendung finden. Drittstaatsangehörige allerdings sind von diesem Recht auf Freizügigkeit ausgeschlossen. Auf die Exklusion der Drittstaatsangehörigen gründen dann auch die 1993 erlassenen Pasqua-Gesetze in Frankreich, wenn sie die ausschließlich EU-Bürgern vorbehaltene Personenfreizügigkeit bekräftigen.276 Aussagenträger Im Républicain Lorrain zeigt sich die gleiche Zusammensetzung von Aussagenträgern wie bei den Handlungsträgern, jedoch bei veränderter Reihenfolge.
Typologie der Aussagenträger in absoluten Zahlen
Diagramm 17: Républicain Lorrain: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger Europäischer Rat
25
Statusgruppen (n)
27
Demonstranten (n)
38
Polizei (n)
41
Europäische Kommission
42
Europäisches Parlament
45
Wohlfahrtsverbände (n)
45
Minister (n)
62
Premierminister (n)
65
Staatspräsident (n)
83 0
276 Vgl. K. Ludwig: Citoyen, S. 56.
20
40 60 Artikelanzahl
80
100
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Als Aussagenträger nehmen wie bei den Handlungsträgern Politiker den ersten Rang ein. Für die französische Regionalpresse wäre allerdings ein erhöhtes mediales Interesse an der lokalen Prominenz aus Regionen, Départements und Gemeinden, etwa den Regionalräten, den Präfekten, den Generalräten oder den Bürgermeistern, zu erwarten. Stattdessen ist im Républicain Lorrain die kommunikative Dominanz nationaler politischer Eliten, d.h. des Staatspräsidenten, des Premierministers sowie der Minister, festzustellen. Wie bei der Themenverteilung zeigt sich sowohl für die Handlungsträger als auch Aussagenträger im Républicain Lorrain, dass der mediale Migrationsdiskurs stark von Paris und weniger von Lothringen beeinflusst wird. Die französische Migrationspolitik und das Ausländerrecht werden zentral von Paris aus gesteuert. Im Gegensatz zum sechsten Rang als Handlungsträger nehmen Wohlfahrtsverbände als Aussagenträger den vierten Rang ein. Die Europäischen Institutionen, zumindest das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, rücken als Aussagenträger in der Rangliste ebenfalls nach vorn: Sie belegen Rang fünf bzw. sechs und nicht mehr acht bzw. neun wie auf der Rangliste der Handlungsträger. Die Polizei nimmt sowohl als Akteur als auch Zu-Wort-Kommender Rang acht ein. Demonstranten und Statusgruppen fallen am weitesten nach hinten. Belegten sie auf der Rangliste der Handlungsträger noch die Ränge vier und fünf, nehmen sie auf der Rangliste der Zu-Wort-Kommenden die Plätze acht und neun ein: Somit wird wie schon in der Saarbrücker Zeitung auch im Républicain Lorrain deutlich, dass zwar durchaus über Migranten gesprochen wird, aber weniger mit ihnen. Den letzten Platz nimmt wie auch schon auf der Rangliste der Handlungsträger der Europäische Rat ein. Zwar ist er ein offizielles Organ der Europäischen Union und legt als solches auch die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der Europäischen Union fest. Die marginale Rolle des Europäischen Rates als Handlungs- und Aussagenträger erklärt sich jedoch möglicherweise daraus, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die Mitglieder des Europäischen Rates, lediglich zweimal pro Halbjahr treffen und keine gesetzgeberischen Befugnisse innehaben. Infolge des seltenen Erscheinens auf der politischen Bühne sowie der auf einer allgemeinen Richtlinienkompetenz basierenden Gestaltungsmöglichkeit des Europäischen Rates bietet er sowohl als Handlungs- sowie Aussagenträger wenig Anlass zu Berichten. Ereignis- bzw. Bezugsort Bei der Erfassung der inhaltsanalytischen Variable Ereignis- und Bezugsort stand wie bereits in der vorangegangenen Analyse der Saarbrücker Zeitung im Fokus, an welchem Ort sich das berichtete Ereignis abspielt (Ereignisort) und auf welchen Ort die Auswirkungen des (zentralen) Ereignisses referieren (Bezugsort).
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Tabelle 10: Le Républicain Lorrain: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent Ereignisort in Prozent
Bezugsort in Prozent
Region Lothringen
40,9
Region Lothringen
37,4
Frankreich
31,2
Frankreich
26,9
Europäische Grenzregion SaarLorLux
4,2
Europäische Grenzregion SaarLorLux
15,7
andere französische Regionen
4,1
Staatengruppierungen, z.B. Europäische Union, NATOStaaten, OECD-Staaten etc.
10,3
Staatengruppierungen, z.B. Europäische Union, NATOStaaten, OECD-Staaten etc.
3,5
Einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
5,4
Einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
2,4
Kontinente
4,3
Kontinente
2,2
andere französische Regionen
3,4
Der Ereignisort war primär auf die Region Lothringen (40,9 %) bezogen, gefolgt vom Ereignisort Frankreich (31,2 %). Die übrigen genannten Ereignisorte nehmen Werte unter zehn Prozent an: der Ereignisort SaarLorLux liegt bei 4,2 %, der Ereignisort andere französische Regionen bei 4,1 %, Staatengruppierungen bei 3,5 %, einzelne Mitgliedsstaaten bei 2,4 % und Kontinente bei 2,2 %. Beim Républicain Lorrain zeigt sich eine Orientierung an Lothringen als Ereignisort und nicht etwa an Paris. Dieses Ergebnis lässt sich durch die Verbreitungsgebiete der presse quotidienne nationale (PQN) und der presse quotidienne régionale (PQR) erklären, die wiederum mit den trotz administrativer Reformen immer noch zentralistischen Strukturen in Frankreich zusammenhängen. Paris bleibt – zumindest für die überregionalen Blätter – die Meinungsmetropole. Um sich von den französischen nationalen Konkurrenzblättern Le Monde, Le Figaro und Libération abzuheben, die als Hauptstadtzeitungen einen ausgeprägten »Parisianismus« hegen und kaum über die französischen Regionen berichten, liegt das Hauptinteresse der PQR auf lokalen sowie regionalen Ereignissen.277 Durch die von dem damaligen Staatspräsidenten François Mitterrand eingeleitete Regionalisierung in den 1980er Jahren
277 Vgl. S. Woltersdorff: Presse, S. 44.
212 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
und die Krise der PQN278 in den 1990er Jahren verstärkte sich bei den französischen Zeitungslesern der Trend zur Regionalzeitung, was sich an den zunächst konstant hohen Auflagenstärken der PQR noch Anfang der 1990er Jahre zeigte.279 Seit Mitte der 1990er Jahre ist allerdings eine Abnahme der Auflagenstärke bei der Regionalpresse festzustellen, der durchaus mit dem Auflagenrückgang der überregionalen Presse vergleichbar ist.280 Michel Mathien führt folgende Erklärungen zum damit zusammenhängenden Leserschwund an: den relativ hohen Verkaufspreis der Tagesund Regionalpresse, verspätete Modernisierungen im Herstellungsbereich, die sich auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Zeitungen auswirkten, veraltete und »schwerfällige« Zustelllogistik für Presseerzeugnisse durch die Zeitungsvertriebsgesellschaften (messageries de presse).281 Regionalzeitungen haben im Gegensatz zur PQN jedoch die Vorteile, dass sie die Leser-Blatt-Bindung durch die Konzentration auf das unmittelbare geografische Umfeld stärken, auch kleinere Werbepotentiale erschließen und folglich ernst zu nehmende Konkurrenten der digitalen Medien sind.282 Diese Vorteile ergeben sich auch durch die Monopolstellung der Regionalzeitungen bei den Pressetiteln, die sich durch eine große Leserdichte verstärken. Der Républicain Lorrain etwa erscheint im Gebiet des Départements Moselle und des nördlichen Teils des Départements Meurthe-et-Moselle und hat damit in diesen Teilen eine Monopolstellung inne. Zudem hat Lothringen mit über 50 % der Bevölkerung neben dem Elsass, der Auvergne und der Bretagne eine der größten Leserdichten, was sich mit den (noch) deutschen Lese(r)traditionen erklären ließe.283 Trotz des Schwerpunktes auf Regional- und Lokalnachrichten spielt für den Républicain Lorrain der Ereignisort Gesamt-Frankreich mit 31,2 % der Artikel eine wichtige Rolle. 278 Im Unterschied zu Deutschland legt die überregionale Presse in Frankreich ihren Fokus auf die Hauptstadt und wird daher auch von dort aus gesteuert. Da sich die Hauptstadtblätter ihrem Selbstverständnis nach als eine für ganz Frankreich zuständige Presse betrachten, gelten sie auch als presse nationale. Die Krise der überregionalen Presse ist auf vielfältige Gründe zurückzuführen: der zu hohe Verkaufspreis, veraltete Produktionsabläufe, zu hohe, nicht selten durch Kämpfe mit den Gewerkschaften durchgesetzte Löhne und ein überholtes Vertriebssystem. Im Gegensatz zur PQN prosperiert die PQR zumeist. Die Leser-Blatt-Bindung wird durch die politische Neutralität dieser Blätter, die durch ihren regionalen Monopolcharakter gefördert wird, wesentlich gestärkt; vgl. U. Kempf: System, S. 294-300. 279 Vgl. S. Woltersdorff: Presse, S. 49. 280 Vgl. M. Mathien: Entwicklungen, S. 128f. 281 Vgl. ebd., S. 121. 282 Vgl. Wrobel-Leipold, Andreas: Warum gibt es die Bild-Zeitung nicht auf Französisch? Zu Gegenwart und Geschichte der tagesaktuellen Medien in Frankreich, Wiesbaden 2010, S. 126. 283 Vgl. S. Woltersdorff: Presse, S. 49.
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Während über einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie in globaler Hinsicht über Kontinente marginal als Ereignisorte berichtet wurde (2,4 % bzw. 2,2 %), spielten andere französische Regionen mit einem fast doppelt so hohen Prozentwert eine stärkere Rolle. Dies ist ebenfalls mit der steigenden Bedeutung der Regionalzeitungen zu erklären. Der ebenfalls nicht zu vernachlässigende quantitative Stellenwert des Ereignisorts SaarLorLux sowie von Staatengruppierungen wie der Europäischen Union deckt sich mit dem Selbstverständnis der Zeitung, grenzüberschreitenden Informationen besondere Beachtung zu schenken. Stefan Leiner ermittelte für den saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass sich das Migrationsgeschehen in einem regional determinierten Umkreis von maximal 80 Kilometern innerhalb der SaarLorLux-Region abspielte; mobil zu sein bedeutete zu dieser Zeit, innerhalb eines regionalen Zusammenhangs mobil zu sein. 284 Obgleich die geografische Mobilität mit Beginn des 20. Jahrhunderts über Nachbarzonen hinaus massiv zugenommen hat, zeigt sich die Bedeutung grenzüberschreitender Wanderungsbewegungen für Lothringen trotz der nunmehr fehlenden ökonomischen Verflechtung noch heute. Ferner ist die Bedeutung Frankreichs als Gründungsmitglied der Europäischen Union bei europapolitischen Fragestellungen nicht zu verkennen. Die Prozentwerte der Bezugsorte Region Lothringen und Frankreich sind geringer als diejenigen der entsprechenden Ereignisorte. Die Prozentwerte des Bezugsorts zur europäischen Grenzregion und zu den Staatengruppierungen sind hingegen mit 15,7 % bzw. 10,3 % über den dreifachen Wert der entsprechenden Ereignisorte angestiegen. Offensichtlich fanden Ereignisse faktisch weniger an diesen Orten statt, als dass diese Orte im Zusammenhang mit Auswirkungen bestimmter Ereignisse in den Blick der Zeitung traten. Im Rahmen der SaarLorLux-Region als Bezugsort wurden überwiegend Auswirkungen der saarländischen Wohnmigration in Lothringen bzw. ihrer Arbeitsmobilität ins Saarland codiert. Diese traten ausschließlich für die 1990er Jahre in Sonderseiten zur deutschen Wohnbevölkerung in Lothringen in Erscheinung. In den 1990er Jahren intensivierte sich die grenzüberschreitende Wohnortmobilität durch Zuzüge von Saarländern in die grenznahen Départements Moselle und Meurthe-et-Moselle, insbesondere in den Grenzbereich zwischen Forbach und Sarreguemines. Daher wurde sie in den 1990er Jahren in der Berichterstattung des Républicain Lorrain stärker berücksichtigt.285
284 Vgl. S. Leiner: Wanderungsbewegungen, S. 122. 285 Anonymus: »Bilan 89 l’immigration. Sarreguemines attire les Allemands«, in: Le Républicain Lorrain vom 24.03.1990, édition de Sarreguemines; Anonymus: »Ouverture d’un bureau syndical pour les frontaliers à Florange«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition de Thionville; Anonymus: »Bureau syndical pour les frontaliers«, in:
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Der hohe Prozentsatz an grenzüberschreitenden Beiträgen, die die SaarLorLuxRegion als Bezugsort herausstellten, deckt sich mit dem Selbstverständnis des Républicain Lorrain als grenzüberschreitend berichtender Tageszeitung. Die Saarbrücker Zeitung greift mit 3,9 % hingegen vergleichsweise selten die SaarLorLuxRegion bzw. die Teilregionen Lothringen oder Luxemburg als Ereignis- sowie Bezugsorte auf. Auswirkungen bestimmter Ereignisse auf die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurden in 5,4 % der Artikel codiert, 3,0 Prozentpunkte mehr als für den Ereignisort. Auch Kontinente traten als Bezugsorte (4,3 %) stärker in der Berichterstattung auf als im Rahmen von Ereignisorten. Der Républicain Lorrain berichtete dagegen über Ereignisse in anderen französischen Regionen stärker als über die Auswirkungen von Ereignissen auf diese Orte. 5.2.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Exklusions- und Festungsdiskursen Wie auch in der Saarbrücker Zeitung wurden für die Analyse im Républicain Lorrain in der sprachlichen Kategorie Argumentationstopoi und Kollektivsymbole als wiederkehrende Interdiskurselemente analysiert. 5.2.2.1 Argumentationstopoi Die Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain beinhaltet in 71,3 % der Beiträge Argumentationstopoi. Die folgenden zehn Topoi sind die inhaltlich zentralen Argumentationsmuster für den Betrachtungszeitraum 1990 bis 2010:
Le Républicain Lorrain, 29.07.1992, édition meurthe-et-mosellanes; Anonymus: »Travailleurs frontaliers de la Moselle: Pour un Europe de la Justice sociale«, in: Le Républicain Lorrain vom 05.10.1992, édition de Sarreguemines.
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Diagramm 18: Républicain Lorrain: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation 16,0% 14,0% 12,0% 10,0% 8,0% 6,0% 4,0% 2,0% 0,0%
Pro-Argumentation
Contra-Argumentation
Als dominant konnte der Topos der exclusion sociale mit einem Wert von 14,2 % ausgemacht werden. Die soziale Destabilisierung (10,5 %) ist ein als contra Einwanderung verwendeter Topos im Migrationsdiskurs der lothringischen Tageszeitung. Auch im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain ist der Zahlen-Topos (9,9 %) ein sowohl als pro sowie contra Einwanderung gebrauchter Topos mit einer Tendenz contra Einwanderung. Als inhaltlich unspezifischer Topos tritt er zur Stützung anderer Topoi auf, vornehmlich des Belastungs-Topos (5,4 %), des Fremdenfeindlichkeits- und Überfremdungs-Topos (4,9 % bzw. 3,7 %) sowie des überwiegend pro Einwanderung verwendeten Topos des wirtschaftlichen Nutzens (5,2 %). Bei den ausgewiesenen Prozentzahlen der Topoi handelt es sich um die Gesamtprozentzahl und nicht um die Anteile, in denen der Zahlen-Topos als Unterstützung dient. Zwischen Zahlen-Topos und dem Topos »le droit à la différence« (6,3 %) ordnet sich der nur pro Einwanderung verwendete Humanitäts-Topos mit einem Wert von 8,4 % ein. Den letzten Rang nimmt der Topos »Integration und Kontrolle« mit 2,8 % ein. Neben der Identifikation der Topoi wurde auch die Quantität ihres Vorkommens im Betrachtungszeitraum ausgezählt:
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Diagramm 19: Le Républicain Lorrain: Topoi im Zeitverlauf
Anzahl der Artikel in absoluten Zahlen
12 exclusion sociale
10
soziale Destabilisierung Zahlen
8
Humanität le droit à la différence
6
Belastung wirtschaftlicher Nutzen
4
Fremdenfeindlichkeit Überfremdung
2
Integration und Kontrolle
0
Das Flächendiagramm zeigt den Trend für die Werte im Zeitintervall 1990 bis 2010 an. Dabei markieren die Spitzenwerte politische Ereignisse. Der Topos der exclusion sociale etwa zeigt für das Jahr 2002 einen Spitzenwert an, der auf dem intensiven Schlagabtausch zwischen politischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren im Rahmen der Legalisierungsmaßnahmen beruht. Topos der exclusion sociale Die exclusion sociale, die soziale Ausgrenzung, gilt als theoretisches Konzept der Zivilgesellschaft in den 1990er Jahren und wurde zunehmend auch in der politischen Debatte um Randgruppen der französischen Gesellschaft wichtig.286 Der Begriff der exclusion sociale wanderte aus dem französischen Regierungs- und Verwaltungs- in den Mediendiskurs. 287 Die dem Topos der exclusion sociale zu Grunde liegende Schlussregel kann wie folgt formuliert werden: »Weil durch bestimmte sozio-politische Handlungen Menschen ausgeschlossen werden, sollen diese Handlungen unterbunden werden.« 286 Die Rezeption dieses Begriffs in Frankreich geht auf das Buch »Les exclus« von René Lenoir aus dem Jahr 1974 zurück, wie Laubenthal nachweist: Lenoir, René: Les exclus, un Français sur dix, Paris 1974; vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 70. 287 Ebd., S. 70.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 217
Der ausschließlich als Pro-Argumentation genutzte Topos taucht gelegentlich zur Stützung des Humanitäts-Topos auf: Unter dem Leitmotiv der exclusion sociale subsumieren sich Argumente von Sprechern der Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen, die z.B. Forderungen nach Regularisierung oder nach Integration benachteiligter Jugendlicher aus Vororten französischer Metropolen unterstützten, um einer exclusion sociale entgegenzuwirken. Folgendes Beispiel vom 14. Oktober 1996 zur Aufhebung des Kopftuchverbots im Fall einer Schülerin aus einem Straßburger Gymnasium verdeutlicht die dem politischen Diskurs folgende unterschiedliche Argumentationsstruktur und zudem die religiöse Tragweite des Topos: »Le Conseil d’Etat a annulé l’exclusion d’une lycéenne strasbourgeoise de confession musulmane qui portait le foulard islamique. […] Selon le Conseil d’Etat, qui a déjà tranché plusieurs fois dans le même sens, notamment dans le cas de plusieurs lycéennes musulmanes de Strasbourg, la jeune fille entendait ›seulement‹ manifester ses convictions religieuses en portant le voile. ›Le seul port de ce foulard ne saurait être considéré comme un signe présentant par nature un caractère ostentatoire ou revendicatif, ni un acte de pression, de prosélytisme ou de propagande.‹«288
Der Staatsrat argumentiert gegen den Ausschluss der Schülerin aus dem Unterricht aufgrund ihrer Kopfbedeckung mit dem Argument, dass das Kopftuch in diesem Fall »lediglich« ein Symbol ihres religiösen Glaubens und nicht automatisch der Unterdrückung oder Rückschrittlichkeit sei. Das topische Muster der exclusion sociale nimmt in diesem Beispiel Züge des von Daniela Wehrstein in ihrer Untersuchung deutscher und französischer Presstexte zum Thema Islam eruierten Schutztopos an, wenn der Staatsrat sich für die Haltung stark macht, dass den Schwachen und Unterdrückten geholfen werden müsse.289 Bei den von Wehrstein vorgestellten Beispielen wird das Kopftuch jedoch als Zeichen der Unterdrückung wahrgenommen, sodass der Schutztopos vielmehr ex negativo thematisiert wird: »Weil Frauen im Islam unterdrückt werden, sind sie zu bedauern/müssen sie geschützt werden/müssen sie befähigt werden, sich zu emanzipieren.«290 Zwar wurde der Topos der exclusion sociale ausschließlich als Pro-Argumentation in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain im Rahmen des zivilgesellschaftlich geführten Gegendiskurses zum politischen Diskurs ermittelt. Die sozi-
288 Anonymus: »Foulard islamique. L’exclusion d’une lycéenne de Strasbourg annulée«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.10.1996, édition meurthe-et-mosellanes. 289 Vgl. D. Wehrstein: Pressetexte, S. 268. 290 Ebd., S. 269.
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ale Exklusion stellt jedoch – trotz des als pro Einwanderung in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain vorhandenen theoretischen Konzepts – nach wie vor ein Bestandteil der gesellschaftlichen Wirklichkeit Frankreichs dar, die im politischen Schlagabtausch gegen (weitere) Einwanderung nach Frankreich eingesetzt wird: »Die Virulenz der gesellschaftlichen Spaltungen hat sogar zugenommen und die politischen Auseinandersetzungen sind komplexer geworden, denn zu den klassischen Verteilungsfragen sind nun (auch) in Frankreich Fragen der Anerkennung und Identität getreten.«291 Topos der sozialen Destabilisierung Unter dem contra Einwanderung verwendeten Topos der sozialen Destabilisierung wird im französischen Migrationsdiskurs eine »soziale Stabilisierung« der Gesellschaft gefordert; die Destabilisierung ist wiederum Folge sozialer Segregation und fehlgeschlagener Assimilierung, wodurch kein Zusammenhalt zwischen Menschen unterschiedlicher Kultur, Rasse, Religion und Hautfarbe hergestellt werden kann.292 Die Schlussformel für diesen Topos kann dementsprechend folgendermaßen definiert werden: Weil Migranten die Integration nicht geglückt ist, sollten bestimmte Handlungen/Entscheidungen eingeleitet werden, um eine sozialen Stabilität wiederherzustellen. Dieser Topos der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von Sozialleistungen ist im Républicain Lorrain Anfang der 1990er Jahre stärker als in der Saarbrücker Zeitung vertreten. Auf deutscher Seite konzentriert sich die Kritik fast ausschließlich auf die Gruppe der Asylbewerber bzw. das am 30. Juni 1993 veröffentlichte Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).293 Das AsylbLG ist das Ergebnis des im Dezember 1992 vereinbarten Asylkompromisses zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und FDP sowie der oppositionellen SPD. Als Katastrophenszenarien ausufernder sozialer Konflikte werden stets die Rassenunruhen nord-amerikanischer, zeitweise auch britischer Großstädte herangezogen. Dies geschieht auf deutscher allerdings sehr viel intensiver als auf französischer Seite. In Frankreich scheint eine gewisse Abneigung zu herrschen, Verhältnisse im eigenen Land mit denen in den USA zu vergleichen. Die immer wieder auftretenden gewaltsamen Ausschreitungen (z.B. die Banlieue-Unruhen 2001, die Sangatte-Unruhen 2001 oder die Herbstunruhen von 2005) haben keine Angst vor einem Heraufziehen »amerikanischer Verhältnisse« hervorgerufen. Die bedrohliche Entwicklung 291 Ruß, Sabine: »Die ›sichtbaren‹ Franzosen und die Republik. Zur Frage der Ethnifizierung der französischen Politik«, in: Dietmar Hüser (Hg.), Frankreichs Empire schlägt zurück. Gesellschaftswandel, Kolonialdebatten und Migrationskulturen im frühen 21. Jahrhundert, Kassel 2010, S. 75-94, hier S. 76. 292 Vgl. K. Manfrass: Türken, S. 99. 293 AsylbLG (1993), Asylbewerberleistungsgesetz v. 30.6.1993, BGBl. I, S.1074.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 219
in Großbritannien wurde in Frankreich gegen Ende der 1980er Jahre vielmehr als Argument für das eigene Integrationsmodell herangezogen. Daraus wird eine paradoxe Situation ersichtlich: Auf deutscher Seite wurde intensiv die Bedrohung für die eigene Gesellschaft nach nordamerikanischen bzw. angelsächsischen Szenen im Sinne von Rassenunruhen und gewaltsamen Ausschreitungen beschworen, obwohl es solche extremen Entwicklungen bislang in Deutschland gar nicht gegeben hatte. Auf französischer Seite hingegen, wo die Unruhen durchaus Ähnlichkeiten mit den USA und Großbritannien aufwiesen, hatte es in den Jahren zuvor kaum vergleichbare Warnungen gegeben. Der Grund für diese Diskrepanz mag darin liegen, dass die Ursachen der sozialen Spannungen in Frankreich (Wohnsituation) lange Zeit einfach ignoriert wurden. Ihre selektive Wahrnehmung unterlag zudem einer weitgehenden Tabuisierung, da sie an die »räumliche Segregation« der Klassengesellschaft in Frankreich gerührt hätte.294 Unter dem Topos der sozialen Destabilisierung wurde auch der immer stärker aufkommende religiöse Gegensatz zwischen Christentum und Islam bzw. zwischen europäischer und nicht-europäischer Einwanderung subsumiert. Der Gegensatz zwischen europäischen und nicht-europäischen Zuwanderern in Frankreich geht auf Unterscheidungen zurück, die bereits in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die Ausländerpolitik beeinflusst haben. In der Bundesrepublik ist die Differenzierung jedoch erst mit dem Spürbarwerden der massiven Zuwanderung der Türken sowie mit dem Ansteigen der Zahl außereuropäischer Asylbewerber aktuell geworden. Die innere Wirkung ist jedoch in beiden Ländern durchaus vergleichbar. Vorbehalte der öffentlichen Meinung existieren durch benennbare Unterschiede der Kultur, Religion, Rasse und Hautfarbe und schließlich des sozialen Verhaltens. Die verstärkten Bemühungen von Seiten der französischen Regierung zur Kontrolle illegaler Einwanderung, des Aufenthalts und der Beschäftigung seit 1981 wirkten sich vorwiegend auf die Zuwanderung aus Nordafrika aus.295 Eine vergleichbare Festlegung, nicht zwischen Europäern und Nichteuropäern zu unterscheiden, gibt es auf deutscher Seite nicht. Hier findet die Grundströmung öffentlicher und medialer Meinung durchaus ihr Pendant in der regierungsoffiziellen Ausländerpolitik. Seit Ende der 1960er Jahre ist im Einwanderungsdiskurs eine Neuformulierung des Assimilationsbegriffs zu beobachten: Als die ›Nicht-Assimilierbaren‹ werden nicht wie Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Italiener oder wie in der Zwischenkriegszeit die Polen bezeichnet, sondern die Nicht-Europäer aus Nordafrika.296 Die-
294 K. Manfrass: Türken, S. 216. 295 Vgl. ebd., S. 222f. 296 Vgl. M. Silverman: Rassismus, S. 83.
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sem (politischen) Denken haftet eine auf die rassische Bedrohung ausgerichtete Dichotomie an: »[D]ie einfache Assimilation der vormaligen (europäischen) MigrantInnen wird gegen die Nichtassimilierbarkeit der neuen (afrikanischen) MigrantInnen ausgespielt.«297 Mit der Unterscheidung zwischen europäischen und nicht-europäischen Einwanderern wird die Ausländerproblematik in die übergreifende Nord-SüdFrage eingeordnet. Dieser Nord-Süd-Bezug ist im französischen Fall aufgrund der kolonialen Vergangenheit und der vielfältigen Beziehungen zu den Ländern der Dritten Welt intensiver als im deutschen. Die innenpolitischen Auseinandersetzungen um die Ausländerproblematik stehen somit in enger Verbindung zur Frage nach dem Verhältnis zur Dritten Welt und knüpfen ferner an Polarisierungen aus der Zeit der Konflikte um die Entkolonialisierung an.298 Als Beispiel eines für die (nicht geduldete) Andersartigkeit des Islam innerhalb der französischen Gesellschaft (und damit contra Einwanderung) verwendeten Topos dient folgendes Argumentationsmuster: »›La femme turque‹, par rapport à la femme française, selon l’Association des travailleurs de Turquie, est ›beaucoup moins libérée, cela est précisément dû à la religion islamique. Cette religion, dont les hommes se servent pour réduire la femme à l’état d’esclavage. Ces hommes qui parlent de l’honneur et du péché et qui, eux-mêmes, en commettent. C’est la raison pour laquelle la femme turque est beaucoup plus opprimée et que tout lui est interdit‹, conclut l’association.«299
In diesem Textbeispiel wird vor dem Hintergrund eines aufkommenden religiösen Dualismus »die« türkische, islamische Frau mit der französischen, christlichen Frau verglichen, wobei lediglich die Position und Rolle der Türkin beschrieben wird. Der Islam steht dabei verallgemeinernd für Unterdrückung, Versklavung der Frau und Verbote. Das folgende Textbeispiel gilt zwar – wie für den Topos der sozialen Destabilisierung typisch – ebenfalls als Contra-Argumentation, die jedoch durch den so genannten Verständnis-Topos300 etwas abgemildert wird.
297 Silverman, Maxim: »Rassenkonstruktion und Einwanderung in Frankreich«, in: Rassismus und Migration in Europa. Beiträge des Kongresses »Migration und Rassismus in Europa«, Hamburg 26. bis 30. September 1990, Hamburg 1992, S. 314-332, hier S. 323. 298 Vgl. K. Manfrass: Türken, S. 221. 299 Anonymus: »Association des travailleurs de Turquie. Préserver le droit des femmes«, in: Le Républicain Lorrain vom 19.04.1990, édition de Metz. 300 Der Verständnis-Topos wird im Rahmen der Topos-Analyse zum Luxemburger Wort unter Kap. 5.3.2.1 genauer ausgeführt.
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»L’islam est une religion qui fait peur. L’affaire du foulard islamique n’a pas arrangé les choses. Là encore, il s’agit surtout d’une question de méconnaissance de l’autre. Ce problème s’estompera lorsque l’on donnera un réel droit du culte aux musulmans de notre pays.«301 In diesem Beispiel wird über den Glauben (in diesem Fall über den Islam) der anderen aufgeklärt und damit der Versuch unternommen, Verständnis in der Aufnahmegesellschaft zu erzeugen. Der Vertreter dieses Argumentes ist der damalige Abgeordnete des nationalen Büros der Organisation »France plus Metz«, Brahim Lounici, der hier zwar eine starke Position des Islam in Frankreich kritisiert und damit dem Denkmuster eines religiösen Dualismus Vorschub leistet, zugleich aber für einen kulturell-religiösen Dialog plädiert. Der von Klaus Manfrass ermittelte Topos des religiösen Dualismus302 geht in diesem Textbeispiel somit mit dem Verständnis-Topos einher. Zwar beklagt Lounici das organisatorische Vordringen des Islam in Frankreich (z.B. über das Tragen religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen), zugleich plädiert er aber für einen Dialog zwischen Einheimischen und Zuwanderern, um religiös-kulturellen Missverständnissen und damit der sozialen Destabilisierung entgegenzuwirken. Zahlen-Topos Der Zahlen-Topos zieht sich in konstanter Quantität durch den Betrachtungszeitraum. Am 7. November 1990 ist beispielsweise von einem »Boom« von Asylbewerbern im Républicain Lorrain zu lesen. Der hier als contra Einwanderung fungierende Zahlen-Topos dient zur Stützung des Bedrohungs-/Gefahren-Topos und steht unter der Zwischenüberschrift im Artikel »Le ›boom‹ des demandeurs d’asile«: »Mais l’augmentation la plus forte reste celle des demandeurs d’asile: plus 79,2 % en un an (plus de 61.000 en 1989 contre 27.000 en 1988).«303 Als Pro-Argumentation soll der auf die portugiesische Minderheit in Lothringen bezogene Zahlen-Topos im Artikel »4.800 Portugais: une intégration réussie« angeführt werden. Er unterstreicht die erfolgreiche Integration der in Thionville ansässigen Portugiesen, indem sie wie folgt beschrieben werden: »[t]ravailleurs sérieux, appréciés des employeurs, ils ont acquis des postes à responsabilité, et certains ont créé leur propre entreprise.«304
301 Anonymus: »France plus Metz. L’intégration passe par le dialogue«, in: Le Républicain Lorrain vom 03.04.1990, édition de Metz. 302 Vgl. K. Manfrass: Türken, S. 217-219. 303 Anonymus: »Stabilité en Moselle d’étrangers«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.11. 1990, édition de Metz. 304 Anonymus: »4.800 Portugais: une intégration réussie«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.05.1990, édition de Thionville.
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Humanitäts-Topos Humanitäre Argumentationsmuster nehmen quantitativ in den 1990er und 2000er Jahren in der Migrationsberichterstattung der lothringischen Tageszeitung zu. Sie treten überwiegend in Berichten über die Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen auf. Als Urheber dieser Argumente sind – wie in den inhaltsanalytischen Befunden zu den Handlungs- und Aussagenträgern bereits aufzeigt – neben Menschenrechtsinitiativen, Antirassismus-Organisationen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden Individuen der Protest- sowie Pro-Regularisierungsbewegungen zu nennen. Als prototypisches Beispiel für diesen ausschließlich pro Einwanderung verwendeten Topos dient folgendes Argumentationsmuster: Zu den im Anschluss an die Pariser Kirchenbesetzung von Saint-Ambroise am 18. März 1996 erfolgten zahlreichen Ausweisungen positioniert sich die Ligue des Droits de l’Homme (LDH) folgendermaßen: »Pour la LDH, ›cette expulsion ne résoudra pas les problèmes humains dramatiques que pose aujourd’hui, à de nombreuses personnes, la mise en pratique des Lois Pasqua, qu’il faut effectivement réformer pour permettre un meilleur respect des droits fondamentaux de toutes les personnes qui résident sur le territoire français.‹«305
Im Sinne des Humanitäts-Topos beruft sich die LDH auf Menschenrechte bzw. Grundwerte. Daraus lässt sich folgende Schlussregel ableiten: Weil die Ausweisung von Flüchtlingen bzw. abgelehnten Asylbewerbern die humanitären Probleme nicht löst, ist diese Entscheidung nicht zu befürworten. Vielmehr müssten die Grundrechte respektiert und auf alle in Frankreich lebenden Bürger angewendet werden. Topos »Le droit à la différence« Das topische Muster »Le droit à la différence« (das Recht, anders zu sein) ist in der französischen Migrations- und Integrationspolitik ein neuerer, in den 1990er Jahren aufgekommener Argumentationstopos. Zwar basiert die republikanische Integrationsideologie auf der Fiktion gleicher Mitglieder, sodass fremdkulturelle Unterschiede bisher schwer toleriert und ethnischen Minderheiten kaum Rechte zugestanden wurden. Dennoch formierte sich insbesondere in den Großstädten eine interkulturell ausgeprägte französische Gesellschaft.306 Der als Gegenpol zum Anpassung-Topos – dieser fordert eine Anpassung der Migranten an die Leitkultur der Aufnahmegesellschaft307 – gefasste Topos »Le droit
305 Anonymus: »Maliens sans papiers expulsées vers Bamako«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.03.1996, édition de Longwy. 306 Vgl. H. Aden: Frankreich, S. 68. 307 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 17.
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à la différence« kann in diesem Sinne durch folgende Schlussregel dargestellt werden: »Wenn sich Migranten in die Aufnahmegesellschaft integrieren sollen, muss es ihnen auch gestattet sein, ihre Herkunftskultur zu pflegen.« Er nimmt den fünften Rang im Diagramm 18 ein und ist ein konstant auftretender Topos im Betrachtungszeitraum. Er stellt eine relativ neue Argumentationsfigur in der Migrations- und Integrationspolitik Frankreichs in einer sich entwickelnden multikulturellen französischen Gesellschaft dar. Der Topos ergibt sich – wie bereits angedeutet – aus der Integrationsideologie republikanischer Einheitlichkeit, die Unterschiede zwischen Menschen nur schwer akzeptiert und ihnen aufgrund des Andersseins auch keine Rechte zugesteht. Vielmehr forderte Frankreich seit den 1970er Jahren mit Blick auf Probleme und Konflikte bei der Integration von Migranten, die sich etwa in der Bildung von Einwandererghettos in heruntergekommenen Hochhaussiedlungen (Cités) am Rande der Großstädte zeigten, kulturelle und soziale Assimilation von Migranten ein. Mit der wachsenden multikulturellen Zusammensetzung der Gesellschaft trat jedoch die zunehmend von Migranten geäußerte Argumentationsfigur des »Le droit à la différence« (das Recht, anders zu sein) hinzu: Diese betrifft das Bedürfnis von Zuwanderern, ihre Herkunftskultur zu pflegen, indem sie beispielsweise vom weltanschaulich neutralen, laizistischen Frankreich Rechte aufgrund religiöser Überzeugungen verlangten. Außerhalb des Zuwanderungskontextes impliziert diese Argumentationsform aber auch die Pflege kultureller Besonderheiten in französischen Regionen, etwa die Verwendung von Minderheitensprachen in der Bretagne und im Baskenland, galten doch kulturelle Besonderheiten französischer Regionen lange Zeit allenfalls dann als legitim, wenn sie sich – wie im Bereich der Küche – als spezifische Ausprägung französischer Kultur darstellen ließen.308 Der Topos zeigt sich im Républicain Lorrain an zahlreichen wiederkehrenden Berichten zu Aktivitäten von Migranten in Migrationsvereinen. Als prototypisches Beispiel soll folgendes Zitat des ehemaligen Präsidenten des portugiesischen Migrantenvereins »Fédération des associations d’expression portugaise de Lorraine« in Longwy, Fernando Da Silva, angeführt werden. »Pour cette communauté tranquille et laborieuse, forte de 20.000 personnes dans les trois départements de Meurthe-et-Moselle et Meuse, intégration réussie signifie également préservation de son identité. Et le meilleur moyen de préserver cette spécificité portugaise c’est de continuer à parler la langue natale et de l’enseigner aux enfants dans le cadre scolaire.«309
308 Vgl. H. Aden: Frankreich, S. 67f. 309 Anonymus: »Les Portugais protègent leurs racines«, in: Le Républicain Lorrain vom 08.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes, S. 12.
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Belastungs-Topos Der naturgemäß ausschließlich contra Einwanderung verwendete Belastungs-Topos rangiert auf dem sechsten Platz. Er gilt als kontextrelevanter Topos und folgert nach Wengeler aus einer bestimmten (negativen) Wahrnehmung der Realität entsprechende für notwendig gehaltene, oftmals politisch-rechtliche Maßnahmen: »Weil eine Person/Institution/ein Land mit bestimmten Problemen stark belastet oder überlastet ist – oder weil eine solche Belastung droht, sollten Handlungen ausgeführt werden, die diese Belastung vermindern bzw. verhindern.«310 »Il [Jacques Chirac] estime, dans le Figaro-Magazine, que l’immigration va ›peser durablement sur notre avenir‹, et discerne une ›modification de la nature socio-économique de l’immigration‹, celle-ci passant de la notion ›d’arrivée d’étrangers désireux de s’installer dans un pays à une notion d’invasion‹.«311
Topos des wirtschaftlichen Nutzens Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens platzierte sich in Diagramm 18 auf dem siebten Rang und wurde überwiegend pro Einwanderung verwendet, wie folgendes Beispiel darstellt: »›Pour nous, la situation est claire‹, nous a expliqué l’un des ressortissants turcs, ›nous sommes en France depuis plusieurs années pour la plupart. Tout le monde s’accorde à dire que nous sommes d’excellents travailleurs et que nous rendons de grands services. Nous n’avons pas envie de rentrer en Turquie parce que nous n’y serons pas libres.‹«312
Der türkische Aussagenträger aus diesem Textbeispiel verweist auf die Ausländerbeschäftigung in der französischen Wachstumsgesellschaft. Wegen des geringen Bevölkerungsanstiegs wurde in Frankreich lange Zeit eine stärkere Zunahme durch ausländische Arbeitskräfterekrutierung angestrebt. Darin liegt auch der Grund, weshalb der Erwerb der Staatsbürgerschaft in Frankreich traditionell liberal gehandhabt wurde. Das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1927 zielte in diesem Sinne darauf ab, mittels Einwanderung und Einbürgerung eine expansive Bevölkerungsentwicklung zu erreichen. Mit dem Code de la nationalité française (CNF) von 1945 und insbe-
310 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 303. 311 Suffert, Georges: »Immigration: l’opposition relance le débat«, in: Le Républicain Lorrain vom 21.09.1991, édition meurthe-et-mosellanes. 312 Anonymus: »8ème jour de grève de la faim. Les Turcs de Fameck déterminés«, in: Le Républicain Lorrain vom 16.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes.
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sondere dem am 1. September 1998 in Kraft getretenen, in Teilen revidierten Staatsangehörigkeitsrechts (Gesetz Nr. 98-170 vom 16. März 1998) wurde dem Grundsatz des ius soli wieder eine größere Bedeutung eingeräumt.313 Fremdenfeindlichkeits-Topos Auf dem achten Rang positioniert sich mit 4,9 % der Fremdenfeindlichkeits-Topos. Dieser findet sich in den Artikeln des gesamten Betrachtungszeitraums, wenngleich er in den 1990er Jahren stärker auftritt als in den 2000er Jahren. Er wird überwiegend contra Einwanderung (2,9 %) verwendet. Die auf der Topos-Analyse von Martin Wengeler gründende Schlussregel lautet: »Weil bestimmte Handlungen/Entscheidungen/Entwicklungen die Ablehnung der ›Fremden‹ in der ›einheimischen‹ Bevölkerung fördern, sollten sie nicht ausgeführt/nicht getroffen/sollte ihnen entgegengewirkt werden.«314 Das Auftreten dieses Fremdenfeindlichkeits-Topos ist mit dem Rassismus-/Antirassismus-Diskurs in Frankreich verbunden. Dieser bedient sich – wie Silverman zu Recht festhält – sowohl in Alltags- als auch Mediendebatten eines biologischen Diskurses, indem der (anzustrebende) gesellschaftlich-nationale Zusammenhang als Körper dargestellt wird: »[D]er nationale Körper muß die fremden Körper [Migranten] absorbieren oder verdauen (Assimilation, Integration und ›Insertion‹ sind konnotativ mit dem Vorgang der Absorption verbunden) oder sie ausstoßen (Ausweisung, Repatriierung usw.).«315 Der Vorgang des Ausstoßens wird seit 1993 und den Pasqua-Gesetzen zugunsten der ordre public (öffentlichen Ordnung) überwiegend durch die éloignement (die »Entfernung«) irregulärer Migranten umgesetzt.316 Ende der 1960er Jahre/Anfang der 1970er Jahre wurde eine neue rassische Konstruktion in der Migrationspolitik Frankreichs entwickelt. Die als Laissez-Faire-Haltung bezeichnete offizielle Einwanderungspolitik der frühen und mittsechziger Jahre wich einer Politik des staatlichen Interventionismus, die sowohl die Einwanderungskontrollen verschärfte als auch Maßnahmen ergriff, um die Integration der bereits im Land ansässigen Migranten zu erleichtern.317 Infolge der neuen Konstruktion änderte sich die Zusammensetzung der französischen Einwanderergesellschaft, indem sich der Herkunftsbereich der Migranten von Europa überwiegend nach Afrika verlagerte. Während nach Frankreich eingewanderten EU-Staatsangehörigen eine genuin kulturelle Nähe zu Frankreich zugeschrieben wurde – so der Conseil Économique et Social vom Mai 1968 –, die den Assimilierungsprozess begünstige, behindere die kulturelle 313 Vgl. U. Davy: Frankreich, S. 485f. 314 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 305. 315 M. Silverman: Rassismus, S. 129. 316 Vgl. K. Ludwig: Citoyen, S. 60. 317 Vgl. M. Silverman: Rassenkonstruktion, S. 314f.
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Distanz der neuen, überwiegend aus (Nord-)Afrika stammenden Migranten die Assimilierung in die französische Gesellschaft und damit den sozialen Zusammenhalt des Landes.318 Demgegenüber gibt es bereits seit dem 18. Jahrhundert starke antirassistische Bewegungen. In der Nachfolge der seit langem etablierten Antirassismus- und Menschenrechtsorganisationen hat die Diskussion um Einwanderung, Rassismus und Integration Mitte des 20. Jahrhunderts eine stark theoretische Dimension angenommen. Mit Rückgriff auf die aufklärerischen und revolutionär-republikanischen Traditionen des Rationalismus und der allgemeinen Menschenrechte stellt diese den Begriff der französischen Identität in Frage.319 Daraus entstanden aber auch praktische Handlungskonzepte wie die Förderung von interkulturellen Beziehungen oder Diskursen in der Tradition der politischen Theorie. Als Urheber von pro Einwanderung gebrauchten Fremdenfeindlichkeits-Topoi treten nahezu ausschließlich Menschenrechts-, Antirassismus- oder Wohlfahrtsorganisationen in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain auf: »La Commission européenne contre le racisme et l’intolérance (ECRI), organe du Conseil de l’Europe, a engagé la France à réviser ›sa philosophie égalitaire‹ qui a des effets pervers sur les populations issues de l’immigration tout comme sur les non-ressortissants, dans un rapport publié hier à Strasbourg.«320 Die ECRI weist Frankreich auf die Folgen seiner »philosophie égalitaire« hin, die trotz der damit verbundenen Devise der Französischen Republik Liberté, Egalité, Fraternité negative Folgen für die Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft habe. Die Grundannahme des französischen Einwanderungsmodells besteht darin, eine Assimilation von Migranten an die französische Gesellschaft in dem »creuset français«321 zu fördern. Die Assimilation ist die Voraussetzung für eine nationale Identität; in der Überwindung der Differenzen und der Zurückdrängung von Partikularinteressen (z.B. das Tragen religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen) entsteht eine Teilhabe aller Menschen am politischen Projekt Frankreich.322 Die Werte dieser universalistischen »philosophie égalitaire« werden in der Praxis durch 318 Vgl. ebd., S. 317f. 319 Vgl. Lloyd, Cathie: »›Race Relations‹ in Großbritannien und Frankreich«, in: Institut für Migrations- und Rassismusforschung (Hg.), Rassismus und Migration in Europa, Hamburg 1992, S. 469-482, hier S. 477. 320 Anonymus: »Minorités: la France épinglée«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.06.2000, édition de Metz, S. 48. 321 Der französische Historiker Gérard Noiriel verweist mit dem Begriff des creuset français auf den Bezug zur angelsächsischen Idee des melting pot; vgl. G. Noiriel: Creuset, S. 340. 322 Vgl. Taïeb, Eric: Immigrés: l’effet générations. Rejet, assimilation, intégration d’hier à aujourd’hui, Paris 1998, S. 207.
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Institutionen der Republik, den Staat und die Nation vermittelt und umgesetzt. Diese auf einem voluntaristischen Konzept basierende Aneignung der nationalen Identität funktionierte zwar noch bis Anfang der 1970er Jahre, jedoch nicht mehr in den Folgejahren. Die Institutionalisierung des ökonomischen und kulturellen Bereichs der Gesellschaft führte aber langfristig zu einem Bedeutungsverlust der nationalen Identität für die Französische Republik und damit auch für die Migranten.323 Der Verlust des republikanischen Assimilationsideals stürzte das französische Einwanderungsmodell mit den von der ECRI im obigen Artikel angedeuteten Folgen (z.B. Rassismus oder die Jugendrevolten in den Pariser Banlieues) in die Krise. Innerhalb der Berichte zu den Ausweisungen der Imame von Woippy und Borny im Oktober und November 1994 wurden contra Nicht-Integration und Spaltung der Gesellschaft (und damit indirekt contra Einwanderung) genutzte FremdenfeindlichkeitsTopoi festgestellt: »L’arrête, qui indique que l’expulsion de l’imam [de Woippy] est une ›nécessité impérieuse pour la sûreté de l’Etat et la sécurité publique‹, assure également qu’il proférait des ›propos appelant à la ségrégation religieuse, à l’antisémitisme et qui portaient atteinte à l’égalité des sexes et à la laïcité‹ en incitant les jeunes filles scolarisées au port du tchador en classe et en recommandant la ›désobéissance aux principes fondamentaux de la République‹ ou même en diffusant des publications pro-palestiniennes. Autant d’éléments qui ont été niés publiquement par l’imam dès son arrivée au Maroc.«324
Der damalige französische Innenminister Charles Pasqua ordnete Abschiebungen des »Imam de Woippy« (Abdellali Hamdoune) im Oktober 1994 und des »Imam de Borny« (Zahr Eddine Nafa) im November 1994 an. Basierend auf Artikel 23 der Ordonnance aus dem Jahr 1945 ist der französische Innenminister befugt, die Ausweisung einer Person mit der Begründung einer schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung (»menace grave pour l’ordre public«) mit vorheriger Zustimmung einer unabhängigen Kommission anzuordnen. Im Falle des Imams von Woippy wurde die Gefährdung der öffentlichen Ordnung mit dem Anstieg von Antisemitismus begründet. Überfremdungs-Topos Der ausschließlich contra Einwanderung verwendete Überfremdungs-Topos rangiert an vorletzter Stelle des Säulendiagramms. Er tritt vornehmlich in Artikeln mit Fokus 323 Vgl. Schnapper, Dominique: La France de l’intégration. Sociologie de la nation en 1990, Paris 1991, S. 54. 324 Anonymus: »L’imam de Woippy était lié aux mouvements terroristes«, in: Le Républicain Lorrain vom 25.10.1994, édition meurthe-et-mosellanes.
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auf die (»bedrohliche«) irreguläre Migration von Personen aus Drittstaaten nach Frankreich und damit in Phasen vor oder während Pro-Regularisierungsprotesten (1991, 1993, 1999, 2001, 2005 und 2007) in Erscheinung. Während EU-Ausländer in Frankreich Freizügigkeit genießen, sind Minderheiten aus Drittstaaten zumeist unerwünscht und unterliegen restriktiven Einwanderungsbestimmungen.325 So stellt der von 1988 bis 1991 amtierende französische Premierminister Michel Rocard etwa fest »[…] que la France était ›à la veille, si nous n’y prenons garde, d’une nouvelle vague massive venant d’un Sud plus lointain, d’un Est plus incertain‹, qui devait être ›endiguée‹.«326 Topos »Integration und Kontrolle« Der in 2,8 % der Artikel ermittelte Topos »Integration und Kontrolle« im Républicain Lorrain ist bezüglich der Argumentationsweise eng verwandt mit dem AnpassungsTopos aus der Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung. Wie der Anpassungs-Topos fordert, dass sich Migranten für eine erfolgreiche Integration an eine deutsche Leitkultur anzupassen hätten, appelliert die hinter dem Topos »Integration und Kontrolle« stehende Argumentationsweise zunächst ebenfalls an die Zuwanderer, sich an die westlich-demokratischen Werte, Grundregeln und Gesetz der Aufnahmekultur anzupassen, um Teil der Gesellschaft zu werden. Darüber hinaus fordert dieser Topos gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung weiterer (illegaler) Einwanderung. Er kann unter folgende Schlussregel gefasst werden: Um mit Migration einhergehende Probleme in Frankreich zu lösen, ist es notwendig, auf der einen Seite die Integration von bereits in Frankreich ansässigen Migranten zu fördern, auf der anderen Seite neue oder illegale Zuwanderung zu kontrollieren. Der Topos geht zurück auf parteienpolitische Auslegungen des Ausländerrechts und ist damit über den Politik- in den Alltags- und Mediendiskurs gewandert. Die Entwicklungsgeschichte des französischen Ausländerrechts orientiert sich an wechselnden politischen Mehrheiten in der französischen Nationalversammlung. Während unter rechten Regierungen überwiegend die Kontrolle von Einwanderung auf der Politikagenda stand, setzten linke auf das Konzept der Integration. Die Standardformel lautet somit »Integration und Kontrolle«.327 Folgendes Beispiel, das zwei parallele Handlungsstränge zur Lösung des Immigrationsproblems vorsieht, nämlich Integration und Bewahrung einer nationalen Identität, illustriert diese Formel:
325 Vgl. A. Fathi: Einwanderungspraxis, S. 220. 326 Daniel, Jacques: »Immigration: le consensus en panne«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.05.1990, édition de Metz. 327 Vgl. U. Davy: Frankreich, S. 425.
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»Plus d’un Français sur cinq considère que, pour résoudre les problèmes de l’immigration, il faut utiliser les procèdes recommandés par Jean-Marie Le Pen. Contrôle rigide aux frontières, renvoi des clandestins, arrêt du regroupement familial, expulsion des immigrés délinquants, etc. […] De quoi s’agit-il en réalité? De deux réalités parallèles. L’immigration, d’une part; la prise de conscience de ce qu’elle représente pour l’identité nationale, de l’autre.«328
Der Topos beinhaltet, wie am Textbeispiel ersichtlich, Widersprüche und Ambivalenzen: Integrationsmaßnahmen gehen mit der Einführung ethnischer, rassistischer oder rechtspolitischer Kontrollen einher. Migranten gelten einerseits als Bedrohung und soziales Problem, weswegen (illegale) Migrationsbewegungen kontrolliert und reguliert werden müssen, andererseits durch Gewähren der französischen Staatsbürgerschaft als potentielle Bürger der Gesellschaft.329 Dabei dient der Topos »Integration und Kontrolle« wie möglicherweise kein anderer dazu, die Rechts-/Linksspaltung in der politischen Kultur Frankreichs aufzuzeigen: Bis Mitte der 1960er Jahre verfolgten die französischen Regierungen zunächst eine Kontrolle und Regulierung der großen Immigrantenpopulationen. Erst in den 1970er Jahren ging Frankreich im Bestreben, die Einwanderung zu begrenzen, zu einer Politik der sozialen und kulturellen Integration der Migranten über. Zu den frühen Integrationsmaßnahmen zählten vor dem Hintergrund der Respektierung der Unterschiede und eines Schutzes der Identität die Verbesserung der Wohnverhältnisse, die Beseitigung von Elendsquartieren, die (eingeschränkten) Rechte am Arbeitsplatz und die Förderung eigenkultureller Ausdrucksmöglichkeiten. Zugleich setzte die Politik aber auf eine zunehmende Beschränkung des Einreise- und Aufenthaltsrechts in Frankreich: 1977 wurde die staatlich unterstützte Repatriierung eingeführt; in den frühen 1980er Jahren richteten sich die Reformen aller Regierungen gegen die illegale Migration.330 Im Rahmen des Topos »Integration und Kontrolle« und im Zusammenhang mit der Themenkategorie »Staatsbürgerschaft« begegnet man im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain zwischen den Jahren 1993 und 1998 verstärkt dem an das voluntaristische Konzept der Französischen Republik angelehnten Ausdruck »manifestation de volonté«. Dieser wurde mit der Reform des Jahres 1993 eingeführt und bezieht sich auf eine besondere »Willensbekundung«, die bei Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit bei Volljährigkeit zum Ausdruck gebracht werden muss. Die Voraussetzung für den Erwerb war der zu erbringende Nachweis für eine besondere Hinwendung oder Verbindung zu Frankreich (z.B. Identifikation mit der laizistischen Republik). Das Kabinett Jospin machte diese von der konservativen Partei Union
328 Anonymus: »Une donnée nationale«, in: Le Républicain Lorrain vom 21.09.2001, édition de Metz, S. 3. 329 Vgl. M. Silverman: Rassenkonstruktion, S. 325. 330 Vgl. C. Lloyd: Race, S. 478.
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pour un mouvement populaire (UMP) durchgesetzte Neuerung 1998 wieder rückgängig. Seitdem spielt beim Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit eine »positive« Willensbekundung keine Rolle mehr.331 5.2.2.2 Kollektivsymbole 28,9 % der Artikel zur Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain enthalten Kollektivsymbole. Die Auswertung des Materials ergab vier Klassen: Natur, Kultur, Zivilisation und Raum. Darunter befinden sich Subklassen sowie Pictura- und Subscriptio-Elemente. Dabei wurden in folgender Tabelle die aus den französischsprachigen Ursprungstexten (französische Zeitungsartikel) entnommenen Pictura-Elemente auf Französisch angeführt, die Zuschreibungen hingegen ins Deutsche übersetzt. Tabelle 11: Le Républicain Lorrain: Prozentuale Verteilung der Pictura-Elemente Klasse
Subklasse Militär
Zivilisation
Alchimie/ Medizin
Naturerscheinungen
forteresse
Frankreich/Europa
invasion
passeur bateau vague flux agent dormant
Mode
voile/foulard/ tchador/burka
Sport(-disziplin)/Tanz Trennlinie
(illegale) (Massen-) Einwanderung Gift (zwischen Rassismus und Integration)
3,5 2,3
2,0
Migration
2,9 2,2
(noch) nicht tätiger Terrorist Islam/Rückständigkeit/Fundamentalismus
pirouette
ein politischer Vorstoß
digue
Grenze
331 Vgl. U. Davy: Frankreich, S. 486.
Prozent 3,6
Förderung illegaler Einwanderung durch kriminelle Banden Frankreich
coulée/couler
Körper
Kultur
Raum
Subscriptio (s1-s10)
amalgame
Technik/ Verkehr
Natur
Pictura (p1-p12)
2,1
1,2 1,4 3,7
1,9 2,1
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Der Migrationsdiskurs generiert Kollektivsymbole aus einem französischen Kollektivsymbol-System, das Elemente aus den Klassen Zivilisation (13,5 %), Natur (7,7 %), Kultur (5,6 %) und Raum (2,1 %) umfasst. Eine im Vergleich zur Kollektivsymbol-Analyse aus der Saarbrücker Zeitung spezifisch französische Bildwelt zeigt sich anhand der Pictura-Elemente amalgame und pirouette aus den Subklassen Alchimie und Sport(-disziplin). Die prozentual stärkste Klasse Zivilisation setzt sich aus den Subklassen Militär, Alchimie/Medizin und Technik/Verkehr mit den Pictura-Elementen forteresse (3,6 %), invasion (3,5 %), amalgame (2,3 %), passeur (2,1 %) und bateau (2,0 %) zusammen. Unter der Klasse Natur und der Subklasse Naturerscheinungen weisen 6,3 % der Artikel die Pictura-Elemente vague, flux und coulée/couler, also Flut- und Wellenmetaphoriken, auf. Während in der Saarbrücker Zeitung Kollektivsymbole wie Überflutung oder Überfremdung für die 1990er Jahre verstärkt auftraten, werden diese im Républicain Lorrain marginal verwendet. Flutmetaphern gelten für den französischen Mediendiskurs als relativ unbedeutend, »da ein langfristiges Aufgehen der Zuwanderer in der französischen Gesellschaft im Sinne von Assimilierung gerade aus demographischen Gründen stets […] befürwortet worden ist«.332 Deutschland galt hingegen bis zum Zuwanderungsgesetz 2005 de jure nicht als Einwanderungsland. Eine soziale und kulturelle Integration von Migranten in die deutsche Aufnahmegesellschaft wurde auch über Generationen hinweg nicht als Problem betrachtet, der demografische Zuwachs zugleich von Politikern als Bedrohung dargestellt und von den Medien infolge über Flutmetaphoriken in die Öffentlichkeit transportiert. Die Klasse Kultur weist mit 5,6 % in der Interdiskursanalyse zum Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain einen höheren Prozentwert auf als diejenige in der Saarbrücker Zeitung. Unter den Subklassen Mode und Sport/Tanz wurden die Pictura-Elemente voile, foulard, tchador, burka (3,7 %) und pirouette (1,9 %) subsumiert. Die Raum-Klasse rangiert mit 2,1 % und dem zugehörigen Pictura-Element (digue) an letzter Stelle. Der Prozentanteil der Pictura-Elemente über das Zeitintervall 1990 bis 2010 stellt sich im Flächendiagramm für den Républicain Lorrain folgendermaßen dar:
332 K. Manfrass: Türken, S. 99.
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Diagramm 20: Le Républicain Lorrain: Pictura-Elemente in Zeitachse
Prozentanteil der Einzelwerte
3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0
forteresse invasion amalgame passeur bateau vague flux coulée agent dormant voile pirouette digue
Vier Spitzenwerte zeigen sich für die Jahre 1990 (voile), 1998 (vague), 2000 (forteresse) und 2002 (invasion). Der in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain ermittelte saarländische und lothringische Interdiskurs ist überwiegend stereotyp verwendeten Sprachpaaren zuzuordnen: forteresse (Festung); invasion (Invasion); passeur (Schlepper); bateau (Boot); vague (Welle); flux (Flut); coulée (Strom); agent dormant (Schläfer); voile (Kopftuch); digue (Deich). Einige Pictura-Elemente wie z.B. die Kopftuch-Symbolik treten im Vergleich zu den entsprechenden Pictura-Elementen in der Saarbrücker Zeitung zeitversetzt auf: Nach der Ende der 1980er Jahre in Frankreich aufgekommenen Kopftuch-Debatte trat diese in Kombination mit den Kollektivsymbolen voile, foulard, burka und tchador im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain erstmals 1996 auf, drei Jahre früher als in der Saarbrücker Zeitung. Dabei war 1996 die mediale Debatte in der lothringischen Regionalzeitung noch nicht in dem Maße ideologisch aufgeladen, wie folgendes Textbeispiel aufzeigt: »Le seul port de ce foulard ne saurait être considéré comme un signe présentent par nature un caractère ostentatoire ou revendicatif, ni un acte de pression, de prosélytisme ou de propagande.«333 Der Conseil d’État hat – so die deutsche Übersetzung des Beispiels – den Ausschluss einer Gymnasiastin aus dem Unterricht mit dem Hinweis rückgängig ge-
333 Anonymus: »Foulard islamique. L’exclusion d’une lycéenne de Strasbourg annulée«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.10.1996, édition meurthe-et-mosellanes.
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macht, dass das alleinige Tragen eines religiösen Symbols in öffentlichen Einrichtungen nicht automatisch als Zeichen der Unterdrückung oder des Bekehrungseifers zu interpretieren sei. Diese moderate Haltung in Politik und Gesellschaft änderte sich im Rahmen der sozio-politischen Diskussionen um das Für und Wider eines Kopftuch-Verbots: Der Artikel »Mobilisation contre le foulard à l’école« aus dem Lokalteil Orne des Républicain Lorrain vom 6. Januar 1999 nimmt über die reine Aufzählung von Tatsachen Stellung zur Extremposition Kopftuch, die als nicht zur Institution Schule gehörig dargestellt wird: »La plupart des enseignants d’un collège de Flers (Orne) ont décidé de se mettre en grève et de manifester vendredi à la suite de l’inscription à la rentrée des vacances de Noël d’une élève musulmane portant un foulard, exemple suivi hier par une autre élève.«334 Dabei zeigen sich erneut im Sinne der Devise Liberté, Egalité, Fraternité die Werte der französischen Republik und Nation: Nach dem Prinzip des Laizismus sehen diese in der Schule keinen Religionsunterricht vor, unabhängig von der Glaubensrichtung; Partikularinteressen des citoyen français werden somit in die Privatsphäre zurückgedrängt.335 Über solche stereotyp im deutsch-französischen Interdiskurs verwendeten Sprachpaare hinaus zeigt sich eine spezifisch im Républicain Lorrain ermittelte Bildwelt, repräsentiert durch die Interdiskurselemente amalgame und pirouette aus den Subklassen Medizin und Sport(-disziplin). amalgame Die aus der Alchimie in den Migrationsdiskurs gewanderte Kollektivsymbolik amalgame336, ein Wort arabischen Ursprungs,337 steht für integrationsverhindernde
334 Anonymus: »Mobilisation contre le foulard à l’école«, in: Le Républicain Lorrain vom 06.01.1999, édition meurthe-et-mosellanes. 335 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste, S. 28. 336 Der französische Mediziner und Chemiker Paul-Jacques Malouin definierte amalgam im enzyklopädischen Werk von Denis Diderot und Jean le Rond d’Alembert wie folgt: »Amalgame, s. m. en Chimie est une combinaison ou un alliage du mercure avec quelqu’un des métaux. Voyez Amalgamation, Mercure, Métal. Ce mot est formé du Grec ἄμα, simul, ensemble, & de γάμειν, jungere, joindre.«; vgl. Malouin, Paul-Jacques: »amalgam«, in: Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert, Encylopédie ou Dictionnaire raisonné des science, des arts et des métiers, Bd. 1, Paris 1751, S. 314. 337 Das arabische Wort Amalgam als Bezeichnung für die Verbindung von Quecksilber und anderen Metallen fand über die Alchemie Eingang in den europäischen Wortschatz; vgl. Osman, Nabil (Hg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft, München 1993, S. 28.
234 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Nebenerscheinungen der Migration wie bspw. Rassismus. Sie gilt als medienspezifische Kollektivsymbolik in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain, da sie in der Saarbrücker Zeitung nicht ermittelt wurde. »Après avoir évoqué, tout comme la plupart des orateurs, le crime de Carpentras, et multiplié les attaques directes et indirectes contre l’extrême droite, M. Rocard a récusé ›l’amalgame‹ entre racisme et immigration.«338 Mit dem Bild der Quecksilberlegierung und damit einer Mischung von verschiedenen chemischen Elementen beschreibt der damalige Premierminister Michel Rocard im übertragenen Sinn die soziale Hybridität der französischen Gesellschaft. pirouette Die aus dem Bereich klassischer Tanz bzw. Ballett in die Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain übernommene Kollektivsymbolik pirouette339 steht für den Abschluss einer erfolgreichen migrationspolitischen Verhandlung. Der damalige französische Premierminister Michel Rocard proklamierte 1990 beispielsweise den Vorstoß im Rahmen des französischen Ausländerwahlrechts als Erfolg und zeigte sich demgemäß zufrieden über eine »[…] ›pirouette‹ sur le vote des étrangers«.340 Diese für die Rezipienten allgemein bekannte und verständliche Symbolik wurde vom Républicain Lorrain wörtlich zitiert und in den medialen Migrationsdiskurs eingebracht. 5.2.3 Zwischenfazit Die Häufigkeitsverteilung der Artikel im Zeitverlauf wies beim Républicain Lorrain einen nichtlinearen, hinsichtlich der Wertedifferenz jedoch nur moderat oszillierenden Kurvenverlauf auf. Auch beim Républicain Lorrain wurden wie bei der Saarbrücker Zeitung Spitzenwerte ermittelt. Diese zeigten sich für die Jahre 1991, 1997, 2001, 2005 sowie 2006 und konnten schwerpunktmäßig mit nationalspezifischen, zu diesen Zeitpunkten aktuellen Protestaktionen bestimmter Statusgruppen in Verbindung gebracht werden. Bei der Saarbrücker Zeitung hingen die Spitzenwerte indes
338 Daniel, Jacques: »Immigration: le consensus en panne«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.05.1990, édition de Metz. 339 Der französische Philosoph und Schriftsteller Louis de Jaucourt definierte pirouette folgendermaßen: »Pirouette, s. f. en terme de Danse, se dit d’un ou de plusieurs tours de corps que le danseur fait sur le pointe des piés sans changer de place.«; vgl. de Jaucourt, Louis: pirouette«, in: Denis Diderot/Jean le Rond d’Alembert, Encylopédie ou Dictionnaire raisonné des science, des arts et des métiers, Bd. 12, Paris 1751, S. 655. 340 Daniel, Jacques: »Immigration: le consensus en panne«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.05.1990, édition de Metz.
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mit bundesdeutschen Diskussionen und Entscheidungen in der Migrationspolitik Deutschlands zusammen. Somit gilt wie für die Protestkultur Frankreichs, dass die Akteure der Zivilgesellschaft sowie der sozialen Bewegungen weitaus stärker im öffentlichen Diskurs repräsentiert sind als in Deutschland und damit die Chance erhalten, am Migrationsdiskurs zu partizipieren. Themenschwerpunkte stellen der Islam mit Berücksichtigung der Kopftuch-Debatte, die Partizipation von Migranten, der Rassismus, die illegale Beschäftigung und/oder Einwanderung, die Wohnungs- und Stadtpolitik und schließlich Abschiebungen/Ausweisungen/Rückführungen dar. Die zentralen Handlungsträger im Migrationsdiskurs des Républicain Lorrain gehen aus den Befunden der Themenanalyse hervor. Sie gehören den Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen an. Als Handelnde spielen hierbei zum einen etablierte Menschenrechts- und Antirassismus-Organisationen (v. a. LDH, LICRA, MRAP, CIMADE) eine wichtige Rolle. Daneben wurden neue Akteure wie die Protest- und Pro-Regularisierungsbewegung im Betrachtungszeitraum ermittelt, deren Auftreten mit einem Anstieg zivilgesellschaftlicher Partizipation in Form von Vereinsgründungen und Demonstrationen zusammenhing. In ihrem Aktionsrepertoire (z.B. illegale Aktionen oder Androhung von Gewalt) entsprach die französische Protest- und Pro-Regularisierungsbewegung dem generellen Profil von Protestbewegungen in Frankreich. 341 Als Bezugsort tritt die SaarLorLux-Region mit 15,7 % im Républicain Lorrain im Vergleich zu entsprechenden Kategorie in der Saarbrücker Zeitung verstärkt auf. Die grenzüberschreitenden Ereignisse in der Saarbrücker Zeitung richteten sich überwiegend auf partielle Migrationsformen wie die Wohnmigration von Saarländern nach Lothringen und umgekehrt die Arbeitsmigration der in Lothringen lebenden Saarländer ins Saarland. Ähnlich standen auch im Républicain Lorrain Wohn-Saarländer im Fokus des grenzüberschreitenden Ereignisbezugs. Diese wurden allerdings ausschließlich in Sonderseiten ermittelt. Die Topos-Analyse stellt im Vergleich zwischen Saarbrücker Zeitung und Républicain Lorrain eine Übereinstimmung bezüglich folgender Topoi heraus: dem ZahlenTopos, dem Topos des wirtschaftlichen Nutzens, dem Belastungs-Topos und dem Anpassungs-Topos. Als medienspezifische Topoi traten in der Migrationsberichterstattung des Républicain Lorrain der Topos der exclusion sociale, der Topos der sozialen Destabilisierung, der Topos Le droit à la différence und der Fremdenfeindlich-
341 Vgl. B. Laubenthal: Kampf, S. 113f.
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keits-Topos auf. Ob es sich bei all diesen Topoi um kultur- und/oder medienspezifische Argumentationsmuster handelt, ist erst im Vergleich mit der Topos-Analyse zur Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts abschließend zu beantworten. 28,9 % der Artikel zur Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain enthielten Kollektivsymbole. Der Migrationsdiskurs generierte Kollektivsymbole aus einem französischen Kollektivsymbol-System, das Elemente aus den Klassen Zivilisation (13,5 %), Natur (7,7 %), Kultur (5,6 %) und Raum (2,1 %) umfasst. Eine im Vergleich zur Kollektivsymbol-Analyse aus der Saarbrücker Zeitung spezifisch französische Bildwelt zeigte sich anhand der Pictura-Elemente amalgame und pirouette aus den Subklassen Alchimie und Sport(-disziplin). Allerdings ist der Geltungsbereich dieser Aussage zu relativieren, da es sich mit 2,3 bzw. 1,9 % um marginal verwendete Kollektivsymbole handelt.
5.3 D IE M IGRATIONSBERICHTERSTATTUNG IM L UXEMBURGER W ORT Den Abschluss der empirischen Analysen bilden die inhalts- und diskursanalytischen Ergebnisse zur Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort. Sowohl die inhalts- als auch interdiskursanalytischen Betrachtungen stellen aufgrund der bi- bzw. trilingualen Inhalte in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts andere Herausforderungen als in den beiden zuvor behandelten Printmedien dar. Zu fragen ist etwa im Rahmen der Interdiskursanalyse, ob es einen spezifischen Interdiskurs innerhalb Luxemburgs gibt oder aufgrund der Mehrsprachigkeit eine Überschneidung verschiedener Interdiskurse vorliegt. 5.3.1 Inhaltsanalytische Ergebnisse: regionale, nationale und europäische Ereignisse Auch im Rahmen der Inhaltsanalyse im Luxemburger Wort wurden inhaltsanalytische Standardkategorien erstellt: formale und inhaltliche. Die sprachliche Kategorie wird wie für die Saarbrücker Zeitung und den Républicain Lorrain gesondert unter der Interdiskursanalyse aufgeführt. 5.3.1.1 Formales Unter die formalen Kategorien wurden folgende Variablen subsumiert: Position der Artikel in den Zeitungsteilen, Platzierung im redaktionellen Kontext, journalistische Darstellungsformen, Bebilderungen und Nationalitäten.
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Position Das Luxemburger Wort setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: 1. Mantelteil: Titelseite, Politik und Gesellschaft, Außenpolitik, Wirtschaft Buntes/Campus, Kultur, Sport, Briefe an die Redaktion, Sonderprodukte (Kirche in der Zeit, Glaube und Leben, Extra-Seiten, Analyse und Meinung), Sonderseiten zu Migrationsthemen 2. Lokalteile: Norden, Süden, Osten und Zentrum zusammen; daneben existierte phasenweise auch der Lokalteil Region/Großregion/Aus dem Minett 3. Anzeigen, Service und Termine (nichtredaktioneller Inhalt) Innerhalb des zuvor skizzierten Aufbaus erschienen 70,2 % der Artikel zur Migration im Mantelteil und 25,8 % in den Lokalteilen. Der auf der Titelseite erschienene Prozentwert von 4,0 % der Artikel betrifft überwiegend die Auslandsberichterstattung. Platzierung im redaktionellen Kontext Neben der rein formalen Feststellung der Platzierung gilt es, die prozentuale Verteilung der Artikel auf die Sparten bzw. Ressorts zu ermitteln und damit auf die redaktionellen Substrukturen der Zeitung zu schließen: Diagramm 21: Luxemburger Wort: Ressortverteilung in Prozent Andere
6,5%
Sonderseiten
1,8%
Wirtschaft
1,8%
Kultur
3,5%
Sport
4,1%
Briefe an die Redaktion
4,2%
Lokales
17,9%
Politik
60,2% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Im Luxemburger Wort ist im Vergleich zur Saarbrücker Zeitung und zum Républicain Lorrain die stärkste interne Differenzierung der Ressorts festzustellen, jedoch
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unter Beibehaltung der klassischen Struktur mit den fünf Hauptressorts Politik (60,2 %), Lokales (17,9 %), Sport (4,1 %), Kultur (3,5 %) und Wirtschaft (1,8 %). Neben diesen fünf klassischen Ressorts der Tageszeitung und der Rubrik Briefe an die Redaktion (4,2 %) finden sich auch Sonderseiten (1,8 %) zu migrationsspezifischen Großereignissen. Zu Themenanlässen wie dem Weltflüchtlingstag oder dem Europäischen Jahr gegen Rassismus erschienen Sonderseiten: Journée internationale des réfugiés am 13. Oktober 1994342, Journée internationale contre la discrimination raciale am 21. März 1997343 sowie Im Fokus am 19. Juni 2010344. Das Ressort Politik ist in Innen- und Außenpolitik gegliedert. Im Ressort Innenpolitik, welches im Luxemburger Wort phasenweise auch als »Politik und Gesellschaft« übertitelt war, erschienen mit 34,8 % die meisten Beiträge. Mit 26,4 % ist ein ebenfalls hoher Anteil von Artikeln im Ressort Außenpolitik zu verzeichnen. Dieses Ressort bearbeitet überwiegend das Themengebiet »europäische Asyl- und Zuwanderungspolitik«, wie anhand der Themenverteilung festzustellen war.
342 Exemplarisch genannt seien: Rausch, Agnes: »Vom zeitbegrenzten Asyl für Kriegsflüchtlinge«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Besch, Sylvain: »Bedenken des Flüchtlingsrates beim Gesetzesprojekt zur Einführung eines Überprüfungsverfahrens für Asylanträge«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Anonymus: »Les réfugiés d’ex-Yougoslavie et Pax Christi«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Anonymus: »Nécessité de normes minimales dans les procédures d’asile«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Anonymus: »Remise du cœur en or pour réfugiés«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Anonymus: »Das schönste Geburtstagsgeschenk«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés; Anonymus: »Kein Asyl«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. 343 Vink-Ruppert, Rita: »Zusammenleben von Luxemburgern und Ausländern. Das Modell Fels: mehr als nur schulische Integration«, in: Luxemburger Wort vom 21.03.1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale; Anonymus: »Amitiés Portugal – Luxembourg. Une amitié vivante«, in: Luxemburger Wort vom 21.03.1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale; Anonymus: »›Contacto‹, un journal de liaison en langue portugaise«, in: Luxemburger Wort vom 21.03. 1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale. 344 Anonymus: »Die Genfer Konvention. Asyl in Luxemburg«, in: Luxemburger Wort vom 19.06.2010, S. 2; Gantenbein, Michèle: »Es geht ums nackte Überleben«, in: Luxemburger Wort vom 19.06.2010, S. 2; Gantenbein, Michèle: »Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Ankommen in einem fremden Land«, in: Luxemburger Wort vom 19.06.2010, S. 2.
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Zudem setzte eine redaktionelle Differenzierung im Luxemburger Wort ein: Neben den fünf klassischen Ressorts ist ein Aus- und Umbau der Redaktion durch mehrere zusätzliche Sparten festzustellen, die unter Andere (6,5 %) subsumiert wurden: Landeschronik (3,0 %), Aus dem Minett345 (0,4 %), Kirche in der Zeit bzw. Glaube und Leben346 (1,0 %) und Extra-Seiten347 (2,1%). Die eingerichteten Ressorts Kirche in der Zeit sowie Glaube und Leben lassen auf den Besitzer des Luxemburger Worts, 345 Anonymus: »Ettelbruck. Inauguration d’une bibliothèque à l’école portugaise«, in: Luxemburger Wort vom 26.09.1990, S. 19; Anonymus: »Commune de Larochette. L’Association des Parents d’Elèves depuis six années au service des enfants«, in: Luxemburger Wort vom 20.10.1990, S. 17; Borschette, Aly: »Dudelange. En route vers la ›Journée des migrants‹«, in: Luxemburger Wort vom 20.10.1990, S. 17. 346 Katholische Nachrichtenagentur: »Nach den Wahlen: Papst mahnt Italien zur Fremdenfreundlichkeit«, in: Luxemburger Wort vom 19.05.2001, S. 21; Katholische Nachrichtenagentur: »US-Bischöfe: Menschenrechte bei Einwanderungsproblematik wahren«, in: Luxemburger Wort vom 14.06.2001, S. 2; Katholische Nachrichtenagentur: »Vatikan: Glaube und Rassismus unvereinbar«, in: Luxemburger Wort vom 06.09.2001, S. 23; Katholische Nachrichtenagentur: »Welttag der Migranten: Johannes Paul II. plädiert für ›Königsweg des Dialogs‹«, in: Luxemburger Wort vom 03.11.2001, S. 28; Katholische Nachrichtenagentur: »Papst: Absage an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«, in: Luxemburger Wort vom 04.12.2002, S. 27; Rausch, Agnes: »Vom ökumenischen Treffen in Sibiu und von dem, was nachklingt«, in: Luxemburger Wort vom 19.01.2008, S. 20; Katholische Nachrichtenagentur: »Kirche im Dienst der Menschen (VII)«, in: Luxemburger Wort vom 31.10.2008, S. 23. 347 Lorang, Pierre: »Nichtstun ist das Schlimmste. Der ›Service Réfugiés‹ als Anwalt der Rechtlosen«, in: Luxemburger Wort vom 15.06.2007, S. 14; Mohr, Christian: »Fausto Gardini kam als Achtjähriger aus Italien nach Oberkorn«, in: Luxemburger Wort vom 04.08.2007, S. 23; Mohr, Christian: »Einwanderung in Differdingen: Italiener und Deutsche zog es an die Korn«, in: Luxemburger Wort vom 04.08.2007, S. 22; Mohr, Christian: »Einwanderung und ihre Auswirkungen auf die ›Forge du Sud‹«, in: Luxemburger Wort vom 03.10.2007, S. 18; Mohr, Christian: »Portugiesische Bibliothek in der Ettelbrücker ›Schintgenshaal‹«, in: Luxemburger Wort vom 27.10.2007, S. 34; Anonymus: »Centre de documentation et d’animations interculturelles«, in: Luxemburger Wort vom 18.12.2007, S. 15; Merges, Joelle: »Menschliche Schicksale zwischen Europa und Afrika«, in: Luxemburger Wort vom 18.12.2007, S. 9; Schumacher, Dani: »Zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Migrationspolitik?«, in: Luxemburger Wort vom 18.12.2007, S. 8; Keup, Marc: »Ein historischer Rückblick: Migration – kein neues Phänomen«, in: Luxemburger Wort vom 18.12.2007, S. 14; Langenbrink, Christophe: »Les étudiants africains à l’université du Luxembourg«, in: Luxemburger Wort vom 18.12.2007, S. 12; Benedictus PP. XVI: »Eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft aufbauen«, in: Luxemburger Wort vom 11.01.2008, Sonderseite: Journées de migrations.
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das Erzbistum Luxemburg, schließen. Der Herausgeber des Luxemburger Worts ist das dem Erzbistum unterstellte Verlagshaus Saint-Paul Luxembourg. Zum »Typus der Ressortabgrenzung« tritt somit ein weiterer, der »Typus der fließenden Ressortgrenzen«, was sich etwa in der Gestaltung von Sonderseiten zeigt und neue Organisationsmodelle mit ressortübergreifenden Teams sowie flexiblere und durchlässigere Strukturen ermöglicht.348 Unter »Andere« wurden Sparten bzw. Ressorts und Lokalteile subsumiert, deren Artikelanteile sich auf unter ein Prozent belaufen. Dabei handelt es sich um folgende: die Sparte Kirche in der Zeit/Glaube im Leben (0,9 %), den Lokalteil Norden (0,8 %), die Sparte Region/Großregion/Aus dem Minett (0,6 %), die Sparte bzw. das Ressort Sport (0,6 %), die Sparte Analysen und Meinung (0,5 %) sowie den Lokalteil Osten (0,3 %). Zudem wurden – wie oben bereits angemerkt – die Sonderseiten hier erfasst. Die Artikel zum Themenkomplex Migration im Luxemburger Wort sind hauptsächlich auf Deutsch (68,2 %) verfasst, knapp ein Drittel der Artikel auf Französisch (29,7 %), ein recht kleiner Teil (2,1 %) auf Luxemburgisch. Deutsch und Französisch verteilen sich folgendermaßen auf die Ressorts:
Artikelanzahl
Diagramm 22: Luxemburger Wort: Ressortzuteilung und Sprachverteilung 500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Politik luxemburgisch
Lokales
Briefe an die Redaktion
Sport
Kultur
Wirtschaft
Sonderseiten
Andere
4
4
3
3
3
0
0
0
französisch
122
38
14
14
15
6
4
18
deutsch
343
97
16
15
9
8
10
33
Auffällig ist die geringe Anzahl an luxemburgischen Artikeln in der Migrationsberichterstattung: Die auf Luxemburgisch verfassten 17 Artikel verteilen sich auf die Ressorts Politik, Lokales, Briefe an die Redaktion, Sport und Kultur. 348 Vgl. K. Meier: Ressort, S. 140.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 241
Im Kulturressort überwiegt die französische Sprache, was durch den starken nachbarschaftlichen Einfluss der französischen Kultur in Luxemburg und dementsprechende Berichtsanlässe erklärt werden kann. In anderen Ressorts findet sich ein Übergewicht des Deutschen, etwa in der politischen Inlands-, Auslands- oder der Lokalberichterstattung. Dass vorrangig die deutsche Sprache im Luxemburger Wort verwendet wird, ist kein Alleinstellungsmerkmal dieser Tageszeitung, sondern betrifft einen Großteil der nationalen luxemburgischen Printmedien.349 Dabei sind folgende Gründe anzuführen, welche die Dominanz der deutschen Sprache und die geringe Bedeutung des Luxemburgischen in den Printmedien im Allgemeinen sowie in der Migrationsberichterstattung im Speziellen erklären: Um einen großen Teil an ausländischen Arbeitnehmern in Luxemburg wie Bedienstete der europäischen Institutionen sowie der Banken, insbesondere aber Grenzgänger zu erreichen, ist nicht auf Medienangebote in luxemburgischer, sondern in deutscher und französischer Sprache zu setzen. Darüber hinaus müssen sich luxemburgische Medienunternehmen wie RTL Group an den großen europäischen Anstalten messen lassen und dementsprechend den Sprachen der »großen« Nachbarn einen hohen Stellenwert beimessen.350 Zweitens: Anne Elsen ermittelte in ihrer Studie »Journalisten und Politiker im Kommunikationsraum Luxemburg«, dass 41 % der luxemburgischen Journalisten keinem spezifischen Ressort angehören und damit keine profunden Kenntnisse zu einzelnen Themenbereichen aufweisen.351 Die wenigen auf Luxemburgisch erschienenen Artikel aus dem Themenbereich Migration und Integration lassen im Umkehrschluss auf einen hohen Anteil an deutsch- und französischsprachigen Agenturnachrichten schließen; ein Befund, der sich im nächsten Unterkapitel »Journalistische Darstellungsformen« bestätigen wird. Eine weitere Erklärung für die starke Bedeutung des Deutschen und Französischen und geringe Nutzung des Luxemburgischen als Mediensprache hängt mit der Ausbildung der luxemburgi-
349 Vgl. C. Barth/M. Hemmer: Medien, S. 211. 350 Vgl. C. Barth/H.-J. Bucher: Forschungsbericht S, 8. 351 Vgl. A. Elsen: Journalisten, S. 66.
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schen Journalisten zusammen: Im Gegensatz zur vielfach differenzierten Journalistenausbildung in anderen Ländern Europas, so auch in Deutschland352 und Frankreich353, hat Luxemburg bislang keine eigene Institution zur Heranbildung des journalistischen Nachwuchses. Die Ausbildung der luxemburgischen Journalisten erfolgt primär in Deutschland, ein geringer Teil absolviert die Journalistenausbildung in Frankreich. Dies hat zur Folge, dass keine spezifisch luxemburgischen Berufsanforderungen – wie etwa die Beherrschung der drei (Medien-)Sprachen Luxemburgisch, Französisch und Deutsch – im umliegenden Ausland vermittelt werden.354 Um dieses sprachliche Defizit sowie den Personalmangel auszugleichen, nutzt die luxemburgische Presse die Ressourcen des deutschen und französischen Journalistenmarktes sowie der großen deutschen bzw. französischen Nachrichtenagenturen Agence France Presse und Deutsche Presseagentur. Dies hat jedoch unmittelbare Konsequenzen für die verwendeten Kollektivsymbole oder Argumentationstopoi und damit die Mediensprache wie im Abschnitt zur Interdiskursanalyse (vgl. Kap. 5.3.2) noch ausgeführt werden wird.
352 Die Ausbildung zum Journalisten in Deutschland erfolgt über unterschiedliche Wege und Berufszugänge: Neben den »traditionellen« und offenen Journalistenschulen (Berliner Journalisten-Schule, Deutsche Journalistenschule München, Evangelische Journalistenschule Berlin, Henri-Nannen-Schule Hamburg, Kölner Journalistenschule) bilden zahlreiche private oder verlagseigene Akademien und Institute im Rahmen von Volontariaten die zukünftigen Redakteure für Presse, Rundfunk und Online-Medien aus. Das Absolvieren eines (Fach-)Hochschulstudiums der Kommunikationswissenschaft, Publizistik oder Journalistik bietet einen weiteren Einstieg, wobei der häufigste Zugang über das Volontariat erfolgt; vgl. W. Schneider/P.-J. Raue: Handbuch, S. 297-301. 353 Die Journalistenausbildung in Frankreich erfolgt primär über den universitären Weg und nicht etwa über Journalistenschulen. Dies steht im Kontrast zum frühen Entstehen der französischen Einrichtungen. So wurde die erste Journalistenschule bereits 1899 in Paris gegründet. 1924 folgte die École supérieure de journalisme (ESJ) in Lille als Teil der dortigen Universität. 1946 initiierten ehemalige Journalisten der französischen Widerstands- und Untergrundpresse eine weitere wichtige Neugründung, das bis heute existierende »Centre de Formation des Journalistes« (CFJ) in Paris, vgl. Fröhlich, Romy: »Modelle der Journalistenausbildung im internationalen Vergleich – oder: Über die Unmöglichkeit, sich von der Außenposition aus zu nähern«, in: Gabriele Melischek/Josef Seethaler/Jürgen Wilke (Hg.), Medien- und Kommunikationsforschung im Vergleich. Grundlagen, Gegenstandsbereiche, Verfahrensweisen, Wiesbaden 2008, S. 291-308, hier S. 302. 354 Vgl. C. Barth/M. Hemmer: Medien S. 216.
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Journalistische Darstellungsformen Aus dem zuvor Dargelegten erklärt sich der hohe Anteil von 37,9 % an Agenturnachrichten in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts (17,2 % Deutsche Presseagentur, 15,4 % Agence France Presse, 5,3 % Katholische Nachrichtenagentur). Die weiteren Formen sind vor allem organeigene Berichte (44,9 %), Korrespondentenbeiträge (9,5 %), Leserbriefe (4,1 %) sowie meinungsbetonte Textsorten (3,6 %) wie Kommentare, Glossen oder Leitartikel. Als überregionale Zeitung ist das Luxemburger Wort dennoch eine Mischform zwischen regionaler und überregionaler Tageszeitung. Obgleich das Luxemburger Wort eine überregionale Tageszeitung ist, gleicht es mit seinem verstärkten Rückgriff auf Dienste der Nachrichtenagenturen den Strukturmerkmalen von Regional- und Lokalzeitungen, die ebenfalls einen nicht unerheblichen Anteil ihrer überregionalen Seiten mit Agenturmaterial füllen.355 Bebilderungen 32,1 % der Artikel aus der Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort ist bebildert. Dabei wurden mit 11,5 % die vor 1999 erschienenen Artikel deutlich weniger visualisiert, was auf eine steigende Bedeutung von Text- und Bildsignalen in der luxemburgischen Tageszeitung hinweist. 12,8 % stellen Migranten dar, 12 % entfallen auf die Wiedergabe von Inländern, allen voran Politikern, 4,3 % sind Grafiken und Karikaturen, 3,1 % visualisieren Migranten und Inländer zusammen. Für die reiche Bebilderung können zwei Erklärungen angeführt werden: Zum einen ist sie auf die Strukturveränderungen im Luxemburger Wort hinsichtlich der Artikellänge und der optischen Aufmachung zurückzuführen. So wurden die Artikel von den 1970er bis 1990er Jahren immer kürzer, prägnanter und deutlicher, parallel stieg die Zahl der Bilder an, um den entstandenen Raum durch Visualisierungen und bildliche Informationen zu füllen. Um sich in Luxemburgs vielfältiger Presselandschaft – bestehend aus sechs Tageszeitungen, drei Wochenzeitungen und einer ganzen Reihe weiterer Printtitel – zu behaupten, hat sich ferner der Akzent zunehmend auf Bildsignale verschoben.356 Das Luxemburger Wort und der Républicain Lorrain unterscheiden sich von der Saarbrücker Zeitung durch die optische Aufmachung. Sowohl im Luxemburger Wort als auch im Républicain Lorrain ist ein Anstieg der Bilderzahl im Betrachtungszeitraum festzustellen. Obgleich in beiden Migrationsberichterstattungen verstärkt Abbildungen mit Migranten ermittelt wurden (im Luxemburger Wort in 12,8 % der Abbildungen), existieren eindeutig bildimmanente Unterschiede: Während das Luxem-
355 Vgl. H. Kleinsteuber: Medien, S. 91. 356 Vgl. C. Barth/M. Hemmer: Medien, S. 208f.
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burger Wort häufig am Alltag partizipierende Migranten zeigt, geht es im Républicain Lorrain ganz im Sinne des Nachrichtenwerts Valenz357 und der ihm inhärenten Dimension Negativismus verstärkt um die Visualisierung von Negativszenarien und kumulative Bebilderungen in Form von Infografiken. Nationalitäten Im Luxemburger Wort gab es in 65 % der Artikel keine Nennung einer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit. In 8,0 % der Artikel nennt der Journalist die bosnische, serbische, kroatische oder mazedonische Herkunft des im Artikel erwähnten Migranten. Die häufigere Nennung von Zuwanderern mit bosnischer, serbischer, kroatischer oder mazedonischer Herkunft in der Migrationsberichterstattung ist Folge der verstärkten Aufnahme dieser Migrantengruppen während des Bürgerkrieges im ehemaligen-Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre. Einen portugiesischen Hintergrund gibt es in 7,2 % der Artikel, gefolgt von der Nennung afrikanischer (4,9 %) und italienischer Herkunft (4,4 %). Dabei entspricht die prozentuale Verteilung der Ethnien in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts nicht der ethnischen Zusammensetzung der dortigen Bevölkerung (Bezugsjahr 2013)358: Die portugiesische Minderheit ist die größte und entspricht 16,4 % der luxemburgischen Gesamtbevölkerung, gefolgt von der französischen (6,6 %) und italienischen (3,4 %). Während über Franzosen nur marginal berichtet wird, stehen Italiener stärker im Fokus der Berichterstattung, als ihrem Anteil an der Bevölkerung nach zu erwarten wäre. Dabei greift das Luxemburger Wort auch auf Berichts- und Ereignisanlässe zurück, die auf die erste Einwanderungswelle der Italiener Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs zurückgeführt werden können, beispielsweise die Ehrung des bereits 1925 nach Düdelingen emigrierten Italieners Umberto Contato: »Im Rahmen einer kleinen Feierstunde im italienischen Konsulat wurde am Samstagvormittag dem in Düdelingen wohnenden Umberto Contato eine hohe Ehrung zuteil. Er wurde zum ›Cavaliere‹ des Verdienstordens der Italienischen Republik ernannt. […] In Anwesenheit der Familienangehörigen sowie von Bürgermeister Louis Rech und Gemeinderat Mars Di Bartolo-
357 Beim Nachrichtenwert »Valenz« muss man die Dimensionen Negativismus und Positivismus unterscheiden, wobei Medien dem Negativismus in der Regel in der Berichterstattung größeren Wert beimessen als dem Positivismus; vgl. S. Ruß-Mohl: Journalismus, S. 113f. 358 Vgl. Institut national de la statistique et des études économiques du Grand-Duché du Luxembourg, Luxemburg in Zahlen, 2013, S. 9, http://www.statistiques.public.lu/cata logue-publications/luxembourg-en-chiffres/luxemburg-zahlen.pdf vom 08.03.2015.
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meo aus Düdelingen wies Konsul Mauro Carfagnini auf die unermüdliche Arbeit und die großen Verdienste von Umberto Contato hin, der auch heute noch in verschiedenen italienischen Institutionen tätig ist und seinen Landsleuten immer wieder weiterhilft.«359
5.3.1.2 Inhaltliches Als inhaltliche Kategorien wurden bestimmt: Artikel, Themen, Statusgruppen, Handlungs- und Aussagenträger sowie Ereignis- bzw. Bezugsort. Artikel In der luxemburgischen Tageszeitung sind 779 Artikel im Untersuchungszeitraum 1990 bis 2010 zur Migration erschienen. Bei der Artikelzahl pro Jahr zeichnen sich auch beim Luxemburger Wort Spitzen- und Flautenjahre ab. Spitzenwerte konnten für die Jahre 1991, 1993, 1994, 2001 und 2008 festgestellt werden. Diagramm 23: Luxemburger Wort: Artikelverteilung 1990 bis 2010 60
Artikelanzahl
50
55 50
48
43
51 46
46 38
40 30 20
45
44 37 34
26
29
29
36
31
27 23
21 20
10 0
Zeitachse
Im Gegensatz zur Saarbrücker Zeitung und zum Républicain Lorrain wurden für das Luxemburger Wort keine Themenschwerpunkte ermittelt. Stattdessen wurde eine binäre Aufteilung zwischen Artikeln mit nationalen/regionalen und europäischen Ereignissen eruiert. Darunter subsumierten sich in der Synopse folgende beispielhaft angeführte nationale bzw. regionale und europäische Ereignisse: 359 Bettendorf, Paul: »Hohe italienische Auszeichnung für Umberto Contato aus Düdelingen«, in: Luxemburger Wort vom 27.01.1992, S. 8.
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Tabelle 12: Luxemburger Wort: Synopse regionaler/nationaler und europäischer Ereignisse Luxemburger Wort: Synopse regionaler/nationaler und europäischer Ereignisse nationale/regionale Ereignisse:
europäische Ereignisse:
1991
• Humanitäre/karitative Hilfe von Wohlfahrtsverbänden • Situation von Illegalen in Luxemburg • Jubiläum der portugiesischen Zeitschrift Contacto
• Schengen • Asyl- und Einwanderungskonvention • Kritik am Schengener Abkommen
1993
• Service d’immigration • Kritiken von Pro Asyl
• UNO-Berichte zur globalen Flüchtlingssituation • Schengener Durchführungsübereinkommen
1994
• Nationale Flüchtlingssituation
• Europäische Unionsbürgerschaft • Ratifizierung des europäischen Asyl- und Visarechts
2001
• Diskussionen um neues Staatsbürgerschaftsrecht • (Protest-) Aktionen gegen Rassismus
• Migrationspolitische Diskussionen von Europarat und -parlament zwecks Aufbaus eines Sicherheitsraums/ Frontex
2008
• Aktionen von Wohlfahrtsorganisationen • Staatsbürgerschaftsgesetz vom 23. Oktober 2008
• Irreguläre Migration in Europa
Die Themenschwerpunkte umfassten zum einen Berichtsanlässe in Form nationaler/regionaler migrationsspezifischer Ereignisse, zum anderen politische Diskussionen um Gesetzesbestimmungen in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik Themen Die Themen verteilten sich im Gesamtbetrachtungszeitraum im Luxemburger Wort wie auch in der Saarbrücker Zeitung und dem Républicain Lorrain auf eine politische (67,6 %), zivilgesellschaftliche (19,3 %) und migrantenspezifische (13,1 %) Ebene.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 247
Tabelle 13: Luxemburger Wort: Politische Themenebene Politische Themenebene
67,6
Europäische Migrations- und Asylpolitik: • Etappen der europäischen Migrations- und Asylpolitik: Schengener Durchführungsabkommen, Vertrag von Maastricht, Vertrag von Amsterdam, Vertrag von Lissabon, Dubliner Asylübereinkommen • Beschlüsse des Europäischen Parlaments (z.B. zum Umgang mit illegal eingereisten Ausländern, zum Ausländerwahlrecht oder zur Familienzusammenführungsrichtlinie von 2003) • Beschlüsse des Europäischen Rates/Betonung der humanitären Grundlagen der europäischen Asylpolitik und die Geltungskraft der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 durch den Europäischen Rat von Tampere • Urteile des Europäischen Gerichtshofes (Einkommensteuerregelung) • Legislative Initiativen durch die Europäische Kommission in asyl- und migrationspolitischen Fragen/Blue-Card-Initiative für Hochqualifizierte aus Drittstaaten • Zusammenfassungen der jährlichen Berichte der Europäischen Kommission über Einwanderung und Integration • Visapolitik/elektronisches Visa-Informationssystem (VIS) • Grenzpolizeiliche Zusammenarbeit • Sicherung der Außengrenzen der Europäische Union über die gemeinsame Grenzschutzagentur Frontex • Europäisches Jahr gegen Rassismus • Statuten des nationalen Fußballverband Luxemburgs, der Fédération Luxembourgeoise de Football
35,8
Nationale Migrations- und Integrationsmaßnahmen: • Förderung von Luxemburgischkursen • Staatsangehörigkeitsrecht/Doppelte Staatsangehörigkeit/ Einbürgerungen • Einrichtung des Aufnahme- und Integrationsamtes (Office luxembourgeoise de l’accueil et de l’intégration) • Gesetz zur Asylprozedur • Stellungnahmen der CSV zum kommunalen Ausländerwahlrecht • Passives Wahlrecht (Mindestaufenthaltsdauer von zwölf Jahren) und aktives Wahlrecht (Mindestaufenthaltsdauer von sechs Jahren) für EU-Bürger bei Gemeindewahlen (Umsetzung der EG-Direktive 94/80 in die nationale Gesetzgebung) • Ausweitung des Gemeindewahlrechts auf Ausländer aus NichtEU-Ländern mit dem Wahlgesetz vom 18. Februar 2003
31,8
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Der journalistische Blick des Luxemburger Worts richtet sich über nationale Themen hinaus verstärkt auf einen der Kernbereiche der europäischen Integration, die europäische Asyl- und Migrationspolitik.360 Beschlüsse supranationaler Akteure wie des Europaparlamentes und des Europarates, aber auch legislative Initiativen durch die in Luxemburg ansässige Europäische Kommission sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofes standen verstärkt im Fokus der luxemburgischen Tageszeitung. So berichtete das Luxemburger Wort etwa regelmäßig aus dem Europa-Parlament oder dem Conseil de l’Europe und erstellt eine Zusammenfassung der jährlichen Berichte der Europäischen Kommission über Migration und Integration in Europa. Daneben diskutierte das luxemburgische Printmedium im Rahmen seiner Migrationsberichterstattung auch die grenzpolizeiliche Zusammenarbeit sowie die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union über die gemeinsame Grenzschutzagentur Frontex. Der ausgewiesene Wert von 35,8 % für europäische Einwanderungs- und Asylfragen hängt nicht nur mit der geopolitischen Situation Luxemburgs in der SaarLorLux-Region, da das Großherzogtum als souveräner Staat in diesem Gebilde gesonderte Handlungsmöglichkeiten genießt (z.B. privilegierte Informations- und Konsultationsmöglichkeiten auf internationaler, europäischer und zivilstaatlicher Ebene), 361 sondern vor allem in Europa zusammen. Zwar ist das in Westeuropa liegende Luxemburg als eines der Gründungsmitglieder der Europäischen Union pro-europäisch, weswegen dieses Ergebnis nicht überraschen dürfte. Diese Kriterien gelten allerdings auch für Frankreich und damit indirekt für Lothringen sowie Deutschland und damit das Saarland (mit verspäteter Rückkehr in die Bundesrepublik). Der Unterschied zu den anderen Ländern, der einen historischen Hinweis für obigen Befund liefert, liegt in der Eigenstaatlichkeit Luxemburgs begründet. Die jahrhundertelange Fremdherrschaft vor allem der spanischen und österreichischen habsburgischen Niederlande führte im Nationsbildungsprozess nach der Luxemburgkrise 1867 zu einem verstärkten Bemühen um eigenkulturelle Entwicklung der neuen Nation (z.B. mittels Rückbesinnung auf die luxemburgische Sprache).362 Sukzessive Gebietsabtrennungen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit sowie insbesondere Einverleibungsversuche in
360 Vgl. C. Barth/M. Hemmer: Medien, S. 216. 361 Vgl. S. Thiel/W. Lorig: Luxemburg, S. 376. 362 Vgl. Hudemann, Rainer: »Luxemburg: Eigenstaatlichkeit in europäischer Vernetzung«, in: ders. (Hg.), Stätten grenzüberschreitender Erinnerung – Spuren der Vernetzung des SaarLorLux-Raumes im 19. und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière – Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles, Saarbrücken 2002, 3. Aufl. 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter www.memotransfront.unisaarland.de; hier: http://www.memotransfront.uni-saarland.de/pdf/luxemburg.pdf, S. 1f. vom 08.03.2015.
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das Deutsche Reich während des Nationalsozialismus machten Luxemburg empfänglich für den Europa-Gedanken.363 Daraus resultiert die Erklärung für die stärkere Berichterstattung zur europäischen Asyl- und Migrationspolitik: Luxemburg ist erstens Nationalstaat und damit Gesetzgeber, zweitens Sitz zahlreicher Behörden der Europäischen Union und daher ihr enger verbunden als Lothringen und das Saarland; drittens ist der Migrantenanteil um ein Vielfaches höher als in den anderen beiden Regionen, woraus eine doppelte Betroffenheit resultiert: einerseits der »Original-Luxemburger« und andererseits der Migranten (sofern sie deutsche, französische und luxemburgische Artikel lesen können bzw. wollen). Auf der politischen Themenebene standen neben der europäischen Migrationsund Asylpolitik auch die nationalen Migrations- und Integrationsmaßnahmen verstärkt (31, 8 %) im Zentrum der Berichterstattung des Luxemburger Worts. Die vom luxemburgischen Ministerium für Familie und Integration initiierten nationalen Migrations- und Integrationsmaßnahmen rückten allerdings parallel zu den politischen Initiativen erst nach 2000 auf die Themenagenda des Luxemburger Worts. Diese Maßnahmen wie die Erlangung von Grundkenntnissen des Luxemburgischen zu Einbürgerungszwecken oder die doppelte Staatsbürgerschaft wurden vom Luxemburger Aufnahme- und Integrationsamt (Office luxembourgeoise de l’accueil et de l’intégration) umgesetzt.364 Unter die zivilgesellschaftliche Themenebene wurden 19,3 % der Artikel gefasst. Tabelle 14: Luxemburger Wort: Zivilgesellschaftliche Ebene Zivilgesellschaftliche Themenebene
19,3
Darstellungen/Berichte/redaktionelle Meinungsäußerungen zu folgenden luxemburgischen Organen mit Entscheidungs-, Beratungs- und Koordinationsrechten in integrationspolitischen Fragen: • Comité interministériel coordonnant la politique en faveur des étrangers • Commissariat du gouvernement aux étrangers • Conseil national pour étrangers (nur über bestimmte Gesetzesvorlagen) • Commissions consultatives pour étrangers
10,7
Darstellungen über Integrations- und Hilfsmaßnahmen der Organisationen Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI) und Comité de Liaison et d’Action des Etrangers (CLAE):
4,6
363 Vgl. Majerus, Jean-Marie: »Entwicklung der Europapolitik«, in: Wolfgang Lorig/Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs, Wiesbaden 2008, S. 311-329, hier S. 312. 364 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 75.
250 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
• Pro-Regularisierungsproteste, Aktionen gegen Rassismus • Kritik an restriktiven asyl- und migrationspolitischen Bestimmungen, z.B. am Asylverfahren • Grenzüberschreitende Aktionen, z.B. gemeinsame Anti-Rassismus-Demonstrationen von im Saarland, Lothringen und Luxemburg tätigen Wohlfahrtsverbänden
Berichte über nationale und grenzüberschreitende Aktionen anderer Wohlfahrtsorganisationen und der Kirche bzw. kirchlicher Vereine: • das Sozialwort der katholischen Kirche • die Jahresberichte des Roten Kreuzes und der Caritas • Kampagnen der »Ligue Internationale Contre le Racisme et l’Antisémitisme« (LICRA) gegen Intoleranz, Rassismus und Xenophobie • Aktionen des Lëtzeburger Flüchtlingsrot (Flüchtlingsrat), von Help Y und von SOS Racisme • MigraTouren in der QuattroPole Luxemburg, Saarbrücken, Trier und Metz organisiert vom Städtenetz QuattroPole in Zusammenarbeit mit dem Saarbrücker Verein »Geografie ohne Grenzen«
4,0
Auf der zivilgesellschaftlichen Themenebene wurden als quantitativ stärkste mit einem Anteil von 10,7 % Darstellungen, Berichte und redaktionelle Meinungsäußerungen zu luxemburgischen Organen mit Entscheidungs-, Beratungs- und Koordinationsrechten in integrationspolitischen Fragen wie dem Conseil national pour étrangers erfasst. Eine zweite Themenebene, worunter 4,6 % der Artikel fielen, befasste sich mit Darstellungen über Integrations- und Hilfsmaßnahmen der Organisationen Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI) und Comité de Liaison et d’Action des Etrangers (CLAE). Bei diesen Organisationen handelt es sich nicht im Sinne von Migrantenselbstorganisationen um Vereine, die überwiegend von Zuwanderern gegründet wurden und deren Mitglieder mehrheitlich Migrantinnen und Migranten sind. Folglich wurden Artikel hierzu nicht unter die migrantenspezifische Themenebene gefasst. 4,0 % der unter die zivilgesellschaftliche Themenebene gefassten Artikel stellten Berichte über nationale und grenzüberschreitende Aktionen anderer Wohlfahrtsorganisationen und der Kirche bzw. kirchlicher Vereine dar. Die Partizipation von Migranten stand im Gegensatz zur Migrationsberichterstattung in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain stärker im Fokus des Luxemburger Worts. 13,1 Prozent der Artikel wurden unter die migrantenspezifische Themenebene gefasst.
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Tabelle 15: Luxemburger Wort: Migrantenspezifische Themenebene Migrantenspezifische Themenebene
13,1
Politische, kulturelle und mediale Teilhabe durch: • Engagement in Migranten(selbst)organisationen, z.B. in der 1969 gegründeten portugiesischen Organisation Amitiés Portugal oder in der 1979 entstandenen italienischen Organisation Associazione Lavatori Abruzzesi la Maiella Emigranti nel Lussemburgo (ALAMEL) • Engagement in Gewerkschaften, z.B. der portugiesischen Gewerkschaft Confederação Geral de Trabalhadores Portugueses (CGTP) • Mitspracherecht für Nicht-Luxemburger auf Gemeindeebene durch die Commissions consultatives pour étrangers • Passives und aktives Wahlrecht für EU-Bürger und Migranten aus Nicht-EU-Ländern bei Gemeindewahlen (aber nicht Parlamentswahlen) • Ausrichtung multikultureller Feste und des jährlich stattfindenden Festival de l’immigration • Gestaltung von Ethnomedien, z.B. des portugiesischen Inlandsmediums Contacto
7,4
Lebensgeschichten und -alltag: • Schilderung von Einzelschicksalen in Luxemburg (z.B. der kurdischen Journalistin Zubeyde Ersöz) • Alltag in Immigrantenheimen (z.B. in Wiltz)
3,2
Ausländer- und Drogenkriminalität
2,5
Dabei handelt es sich um Berichte, die eine politische, kulturelle und mediale Teilhabe der Migranten darstellen. Über die politische Teilhabe von Migranten berichtete das Luxemburger Wort während der Diskussionen politischer und zivilgesellschaftlicher Akteure um Mitspracherecht von Nicht-Luxemburgern auf Gemeindeebene durch die Einrichtung der Commissions consultatives pour étrangers im Jahr 1989 sowie um das passive und aktive Wahlrecht für EU- und Nicht-EU-Bürger bei Gemeindewahlen. Des Weiteren äußerte sich die politische Teilhabe über das Engagement von Migranten in (Selbst)organisationen wie der 1969 gegründeten portugiesischen Amitiés Portugal, der 1979 ins Leben gerufenen italienischen Associazione Lavatori Abruzzesi la Maiella Emigranti nel Lussemburgo (ALAMEL) oder die Interessen portugiesischer Arbeiter vertretenden Gewerkschaft CGTP. Die kulturelle Teilhabe von Migranten zeigte sich etwa über Berichte oder Veranstaltungshinweise zu multikulturellen Festen wie des jährlich stattfindenden Festival de l’immigration. Pressemitteilun-
252 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
gen von so genannten ethnischen Medien oder Ethnomedien zeigen die mediale Aktivität von Migranten in der Gesellschaft. Unter Ethnomedien lassen sich Medien zusammenfassen, die drei nicht notwendigerweise gleichzeitig zutreffende Kriterien erfüllen: die Zielgruppe, die Produktion und/oder die Kontrolle/der Besitz. Ethnomedien haben sich folglich entweder inhaltlich überwiegend an die ethnischen Minderheiten zu richten (Kriterium Zielgruppe), werden überwiegend von Mitgliedern der ethnischen Minderheit produziert (Kriterium Produktion) oder werden von ethnischen Minderheiten herausgegeben bzw. deren publizistische Leitlinien unterstehen den Herausgebern (Kriterium Kontrolle, Besitz).365 Als ein berichtenswertes ethnisches Medium ist das von Portugiesen in eigener Regie in Luxemburg produzierte Inlandsmedium »Contacto« zu nennen. Neben Berichten zur politischen, kulturellen und medialen Teilhabe wurden in 3,2 % auch Lebensgeschichten veröffentlicht. Dabei handelte es sich überwiegend um Darstellungen von Einzelschicksalen. Als Beispiel für die Berichterstattung über Einzelpersonen dient das zwischen April und September 2006 im Luxemburger Wort diskutierte Flüchtlingsschicksal der kurdischen Journalistin Zübeyde Ersöz. Ersöz stellte im Februar 2006 einen Asylantrag in Luxemburg, da wegen ihres Engagements für die Rechte der Kurden in der Türkei gegen sie ein Haftbefehl vorlag. Die türkische Regierung hatte Zubeyde als Terroristin abgestempelt, um ihr die Möglichkeit, Asyl zu beantragen, zu verweigern. Nach der Wiederaufnahme des vom luxemburgischen Außenministerium gestoppten Asylverfahrens setzten sich das eigens von zivilgesellschaftlichen Akteuren gegründete »Comité de Défense pour Zübeyde Ersöz«366 und das UN-Hochkommissariat gegen eine Auslieferung der Journalistin ein. Schließlich gewährte ihr der damalige Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn politisches Asyl.367
365 Vgl. Müller, Daniel: »Die Inhalte der Ethnomedien unter dem Gesichtspunkt der Integration«, in: Rainer Geißler/Horst Pöttker (Hg.), Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland. Problemaufriss – Forschungsstand – Bibliographie, Bielefeld 2005, S. 323-355, hier S. 323-335. 366 Mitglied dieser Vereinigung war u. a. die ehemalige hauptstädtische Gemeinderätin der sozialistischen Partei Déi Lénk, Janine Frisch; vgl. Bressan, Serge: »Fall Frisch: Staatsministerium dementiert«, in: Luxemburger Wort vom 18.09.2013, S. 6. 367 Thill, Marc: »Kurdische Journalistin in Untersuchungshaft. Die Sorge um Zubeyde Ersöz wächst«, in: Luxemburger Wort vom 07.04.2006, S. 29; ders.: »Fall Zubeyde Ersöz. ›Asylverfahren aufrechterhalten‹«, in: Luxemburger Wort vom 08.04.2006, S. 2; ders.: »Zübeyde Ersöz in Untersuchungshaft. Kurdische Journalistin im Hungerstreik«, in: Luxemburger Wort vom 19.04.2006, S. 3; ders.: »Dritte Anhörung vor Gericht. Am 31. Mai trifft Ratskammer Urteil im Fall Ersöz«, in: Luxemburger Wort vom 20.05.2006, S. 30; ders.: »Petition für kurdische Journalistin Ersöz«, in: Luxemburger Wort vom
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Der Themenschwerpunkt Partizipation von Migranten zeigt zweierlei: Einerseits ist das Bemühen der Journalisten erkennbar, die Perspektive zu wechseln. So ließen – wie im Fall Ersöz – Luxemburger Redakteure Personen zu Wort kommen, die ebenfalls um politisches Asyl baten. 368 Dass Migranten in der Berichterstattung nicht überwiegend als Objekte, sondern als zum Teil aktiv in der Aufnahmegesellschaft partizipierende Subjekte auftreten, kann dabei günstigstenfalls zum einen auf das ideologische Selbstverständnis des Luxemburger Worts als christlich-humanistische Tageszeitung, zum anderen auf die kulturelle Vielfalt favorisierende luxemburgische Aufnahmekultur zurückgeführt werden.369 Überprüfbar sind diese Inferenzschlüsse auf die soziale Wirklichkeit jedoch nur unter Berücksichtigung vielfacher Selektionsprozesse, weswegen einmal mehr die Grenzen inhaltsanalytischer Ergebnisse ersichtlich werden. Andererseits fand sich eine Reihe von Artikeln, die eine Sichtweise der Aufnahmegesellschaft auf die Alltagswelt der Migranten dokumentieren. Ähnlich wie im Luxemburger Wort zeigte sich auch schon im Républicain Lorrain die Bedeutung der Dimension Personalisierung des Nachrichtenwerts Identifikation, indem Frauen und Kinder sowohl in Texten als auch auf Fotos porträtiert wurden. Diese Personalisierung fand sich im Républicain Lorrain allerdings verstärkt im Zusammenhang mit der Pro-Regularisierungsbewegung der sans-papiers. Nach eigenem Selbstverständnis behandelt und beurteilt die luxemburgische Tageszeitung gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Themen, etwa Flüchtlingsschicksale, aus einer christlich-humanistischen Perspektive.370 Diese in der katholischen Moral- und Gesellschaftslehre wurzelnde Einstellung gilt als eines der Grundprinzipien der Zeitung. Fragen der Familienpolitik, die in Kombination mit Familienzusammenführungen Bereiche der Migrations- und Asylpolitik betreffen können, stehen somit im besonderen Interesse des Mediums.371 Wegen der ideologischen Ausrichtung der Zeitung gilt das Luxemburger Wort wie übrigens die gesamte luxemburgische Presse als Gesinnungs- und Tendenzpresse (presse d’opinion). Ferner wird das Luxemburger Wort wie andere 22.05.2006, S. 16; ders.: »Nach fast vier Monaten Haft. Zubeyde Ersöz ist frei«, in: Luxemburger Wort vom 02.06.2006, S. 26; ders.: »Zubeyde Ersöz bekommt politisches Asyl. Eine neue Zukunft in Luxemburg«, in: Luxemburger Wort vom 27.09.2006, S. 11. 368 Vgl. Thill, Marc: »Zubeyde Ersöz bekommt politisches Asyl. Eine neue Zukunft in Luxemburg«, in: Luxemburger Wort vom 27.09.2006, S. 21. 369 Vgl. Hellinghausen, Georges: »Partei, Kirche und ›Luxemburger Wort‹«, in: Gilbert Trausch (Hg.), CSV. Spiegelbild eines Landes und seiner Politik? Geschichte der Christlich-Sozialen Volkspartei Luxemburgs im 20. Jahrhundert, Luxemburg 2008, S. 549-625, hier S. 564. 370 Vgl. G. Hellinghausen: 150 Jahre, S. 233. 371 Als weitere medienspezifische Themen werden Euthanasie, Abtreibung und andere bioethische Problemstellungen genannt; vgl. G. Hellinghausen: Partei, S. 583.
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luxemburgische Tageszeitungen als »befreundete Presse«, als presse amie372 eingeschätzt. Dabei besteht zwischen dem Luxemburger Wort und der Christlich-Sozialen Volkspartei (CSV) ein Wechselverhältnis, das auf einer, so der Chefredakteur des Luxemburger Worts von 1995 bis 2009, Léon Zeches, »weltanschauliche[n] Verbundenheit«373 im Sinne einer Ausrichtung an der modernen christlichen Soziallehre basiert. Diese weltanschauliche Nähe zwischen Printmedium und Partei geht auf die staatliche Pressehilfe zurück, wie bereits unter Kapitel 3.2.3 erläutert wurde. Sie fördert damit die Pluralität auf dem Pressemarkt, indem jeder Partei Luxemburgs ein Sprachrohr zur Verfügung hat. Statusgruppen Die Berechnung der prozentualen Anteile der Statusgruppen in deutschen und französischen Bezeichnungen erfolgte auf Basis von Mehrfachcodierungen. Pro Artikel konnten minimal eine, maximal drei Statusgruppen codiert werden. Auf die Grundgesamtheit von 779 Artikeln entfielen auf diese Weise 984 Nennungen von Statusgruppen. Die ermittelten Prozentwerte beziehen sich demnach auf die Anzahl der (Statusgruppen-)Nennungen und nicht der Artikel. Die Berechnung ergibt Folgendes: Diagramm 24: Luxemburger Wort: Prozentuale Anteilswerte der Statusgruppen (deutsche Bezeichnungen)
2,4% 6,0% Ausländer 21,9%
8,3%
Flüchtlinge Asylbewerber Zuwanderer/Einwanderer
11,0%
Migranten Aussiedler 18,6%
372 Vgl. R. Hilgert: Zeitungen, S. 224; G. Hellinghausen: Partei, S. 573. 373 Zitiert nach: G. Hellinghausen: Partei, S. 583.
E MPIRISCHE A NALYSEN | 255
Das Kuchendiagramm zeigt, dass neben Ausländer (21,9 %) vor allem die Bezeichnungen Flüchtlinge (18,6 %) und Asylbewerber (11,0 %) in den Artikeln Verwendung fand. Von der Statusgruppe Asylbewerber entfiel lediglich 1,2 % auf die Bezeichnung Asylanten. Die Bezeichnung Zuwanderer/Einwanderer (8,3 %) und Migranten (6,0 %) nahmen den vierten und fünften Rang ein. Die Gruppe der Aussiedler (2,4 %) platzierte sich auf den letzten Rang. Diagramm 25: Luxemburger Wort: Prozentuale Anteilswerte der Statusgruppen (französische Bezeichnungen)
3,5% étrangers 4,2%
9,7% immigrés réfugiés demandeurs d’asiles
6,7% 8,1%
sans-papiers
Das Kuchendiagramm zu den französischen Statusgruppen zeigt, dass die Bezeichnung étrangers mit 9,7 % auf dem ersten Platz rangiert, gefolgt von den immigrés mit 8,1 %. Die Statusgruppe réfugiés platziert sich mit 6,7 % auf dem dritten Rang. Die demandeurs d’asile nehmen mit 4,2 % den vierten und die sans-papiers mit 3,5 % den letzten Platz bei den französischen Bezeichnungen ein. Die Verteilung der deutschen und französischen Statusgruppen im Zeitverlauf weist Spitzen- und Flautenwerte auf. Dabei ist festzustellen, dass die Verteilung der deutschen und französischen Statusgruppen nicht homogen ist. Während beispielsweise die französische Statusgruppe réfugiés im Jahr 1991 einen Spitzenwert einnimmt, trifft dies für die deutsche Statusgruppe Flüchtlinge nicht zu. Dies hängt mit dem unterschiedlichen politischen Interesse an den jeweiligen Gruppen und somit an ihren deutsch- bzw. französischsprachigen Bezeichnungen zusammen.
256 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Diagramm 26: Luxemburger Wort: Statusgruppen im Zeitverlauf (deutsche Bezeichnungen) 25
Artikelanzahl
20 15 10 5
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
0
Zeitachse Ausländer
Flüchtlinge
Asylbewerber
Asylant
Aussiedler
Migranten/Immigranten
Einwanderer
Analysiert man die Häufigkeit der deutschen Bezeichnungen für die Statusgruppen im Zeitverlauf, so zeigt sich folgendes Bild: Es gibt eindeutig Spitzenjahre, aber auch absolute Flautenjahre, in denen für bestimmte Statusgruppen der Wert mitunter bei 0 lag. Die Spitzenjahre (1990, 1994, 1999, 2001, 2004 und 2008) stehen mit spezifischen aktuellen Ereignissen in der luxemburgischen und europäischen Migrationspolitik in Verbindung. 1990 und 1994 steht die Statusgruppe Ausländer im Interesse der Medienöffentlichkeit, 1999 und 2001 Flüchtlinge, 2004 Ausländer, dicht gefolgt von Asylbewerbern und 2008 die Statusgruppen Ausländer bzw. Flüchtlinge. Die Hochphasen der Berichterstattungen hängen zum einen mit bestimmten Bewegungen von Einwanderungsgruppen aufgrund weltpolitischer Ereignisse zusammen, zum anderen mit der Verabschiedung ausländerpolitischer Gesetze in Luxemburg sowie mit Etappen der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Diktaturen zeigt sich der erste Anstieg der Zahl der Einwanderer und zugleich der Artikel für das Jahr 1990. Die darauf folgenden Spitzenjahre 1999 und 2001 sind durch Flüchtlingsbewegungen aus
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dem Kosovo entstanden, worauf die luxemburgische Regierung mit ausländerpolitischen Maßnahmen reagierte: Am 14. April 1999 verabschiedete sie die Autorisation d’occupation temporaire (AOT), die Albanern und Kosovaren eine sechsmonatige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Luxemburg erteilte. 374 Dabei orientierte sich Luxemburg hinsichtlich Zielgruppe und Inhalt am Nachbarland Frankreich.375 Um den Anstieg der Asylzuwanderung zu begrenzen, wurde Luxemburg zu einem nachdrücklichen Fürsprecher einer gemeinsamen Asylpolitik in der Europäischen Union. Der 1999 einberufene Europäische Rat von Tampere unterstrich dabei die humanitären Grundlagen der europäischen Asylpolitik und die Geltungskraft der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.376 Der Anteil von 18,7 % der Artikel, der auf die europäische Zuwanderungs- und Asylpolitik entfällt, belegt die wachsende Bedeutung des Themas der Zusammenarbeit der Europäischen Union in Einwanderungs- und Asylfragen. Somit zeigt sich nicht zuletzt durch die AOT, dass die Asylund Zuwanderungspolitik Luxemburgs zwischen dem humanitären Schutz von Flüchtlingen einerseits und der Furcht vor massiver Zuwanderung andererseits schwankt.377 Am 8. Mai 2001 folgte ein zweiter vom luxemburgischen Parlament verabschiedeter Erlass, der – wie nicht zuletzt am häufigen Vorkommen dieser Bezeichnungen für das Jahr 2001 im obigen Liniendiagramm ersichtlich – neben den Flüchtlingen auch die sans-papiers betraf.378 Zum Lastenausgleich richtete das Europaparlament den Europäischen Flüchtlingsfonds ein. Dieser sollte vor allem Deutschland unterstützen, das einen großen Teil der Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge der 1990er Jahre aufgenommen hatte, und eine gleichmäßige Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten gewährleisten.379 Flüchtlinge wurden in der luxemburgischen Tageszeitung aber nicht nur im Kontext (europa-)politischer Maßnahmen dargestellt, sondern auch im Zusammenhang
374 Vgl. Besch, Sylvain: »Les réfugiés entre droit et politique (1990-2009)«, in: Michel Pauly (Hg.), ASTI 30+. 30 ans de migrations, 30 ans de recherches, 30 ans d’engagements, Luxemburg 2010, S. 106-123, hier S. 112. 375 Vgl. Caestecker, Frank: »Belgien und Luxemburg«, in: Klaus Bade/Pieter Emmer/Leo Lucassen (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 3. Aufl. 2007, S. 110-121, hier S. 119. 376 Vgl. D. Herz/A. Blätte: Migrationspolitik, S. 282. 377 Vgl. S. Besch: Réfugiés, S. 120. 378 Vgl. ebd., S. 114. 379 Vgl. Bendel, Petra: »Migrationspolitik der Europäischen Union. Aufbruch oder Blockade?«, in: Thomas Fischer/Daniel Gossel (Hg.), Migration in internationaler Perspektive, München 2009, S. 190-222, hier S. 202.
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mit zivilgesellschaftlichen Solidaritätsbekundungen und Hilfsmaßnahmen seitens luxemburgischer Wohlfahrtsverbände, Organisationen oder Kulturinstitute. 380 Nach dem 11. September 2001 diskutierte das Luxemburger Wort als einen Aspekt der Themen Extremismus und Islamismus die Zuwanderung von Flüchtlingen und anderer ausländischer Bevölkerungsgruppen nach Luxemburg verstärkt unter nationalstaatlichen Sicherheitsaspekten, z.B. die Bestrafung demokratiefeindlicher, religiös motivierter Handlungen. Das Spitzenjahr in der Berichterstattung über die Statusgruppen Flüchtlinge und Ausländer stellt 2008 dar. Dabei konzentrieren sich die Beiträge zu den Ausländern auf die von der Europäischen Kommission 2008 vorgeschlagene »Blue-Card«-Initiative für Hochqualifizierte aus Drittstaaten. Das Luxemburger Wort diskutierte über Flüchtlinge im Zusammenhang mit Einsätzen luxemburgischer Wohlfahrtsverbände bei den politischen Unruhen in Kenia und in der Demokratischen Republik Kongo 2007/2008 sowie bei der 2008 von den Außenministern der 27 EU-Staaten beschlossenen Tschad-Mission.381 Die Bezeichnungen Aussiedler, Migranten und Asylanten nahmen einen marginalen Stellenwert in der luxemburgischen Berichterstattung ein. Die ausländische Bevölkerungsgruppe der Aussiedler ist kein Charakteristikum der luxemburgischen Einwanderungsgesellschaft. Die Aussiedler erlangen allenfalls im Zusammenhang mit Meldungen der Deutschen Presseagentur im Ressort Außenpolitik eine gewisse Aufmerksamkeit. Die Statusgruppe Migrant gewann ab 2002 an Bedeutung und erreichte ihren Höchstwert im Jahr 2007. In der Saarbrücker Zeitung wurde die Bezeichnung Migrant erstmals 2001 verwendet. Der Gebrauch des Wortes Migrant im Luxemburger 380 Im Jahr 2001 fanden sich zahlreiche Artikel zu zivilgesellschaftlichen Solidaritätsbekundungen: Nilles, Roger: »Es fehlt am Grundsätzlichsten«, in: Luxemburger Wort vom 13.01.2001, S. 10; Muller, Nico: »Gestern im Kino-Komplex Utopolis auf Kirchberg. Ausstellung über Flüchtlingsproblematik eröffnet«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001; Zacherl, Michael: »In besonderer Sorge. Stellungnahme der europäischen Jesuitenprovinziäle zum Thema Flüchtlinge«, in: Luxemburger Wort vom 24.02.2001, S. 4; »Lycée technique d’Ettelbruck (Klasse 9 PR 3), Nijaz soll bleiben!«, in: Luxemburger Wort vom 30.06.2001, S. 38; Biever, Tatiana: »ASTI-Picknick als Zeichen gegen die Zwangsausweisung«, in: Luxemburger Wort vom 02.07.2001, S. 15; Zwank, Raphel: »Protestmarsch gegen Ausweisung von Asylbewerbern«, in: Luxemburger Wort vom 21.08.2001, S. 8; Anonymus: »Hilfe für afghanische Flüchtlinge und bedrohte Christen in Pakistan«, in: Luxemburger Wort vom 18.10.2001, S. 11; Schlesser-Knaff, Christine: »Dans le cadre de la semaine monténégrine«, in: Luxemburger Wort vom 26.10.2001, S. 15. 381 Von Leipzig, Wolf: »Tschad-Mission: EU-Verteidigungsminister stimmen sich ab«, in: Luxemburger Wort vom 22.02.2008, S. 4.
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Wort gibt einer neutralen Begrifflichkeit den Vorzug, um keine Ressentiments zu wecken. Die Verwendung des Wortes Asylant ist geprägt von semantischen Konjunkturen. Wie bereits die Analyse zur Migrationsberichterstattung der Saarbrücker Zeitung ergeben hat, stehen diese auch im Luxemburger Wort im Zusammenhang mit migrationspolitischen Diskussionen. Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre ist nicht nur bundesweit, sondern auch im luxemburgischen sozio-politischen Migrationsdiskurs vom »Asylbewerber- und Asylantenproblem« die Rede. Dies führte zu einer strikten luxemburgischen Asylprozedur mit Anerkennungsraten zwischen zwei und fünf Prozent.382 Dadurch lässt sich der Spitzenwert des Begriffes Asylant für das Jahr 1991 erklären. Diagramm 27: Luxemburger Wort: Statusgruppen im Zeitverlauf (französische Benennungen) 18 16 Artikelanzahl
14 12 10 8 6 4 2 0
Zeitachse étrangers
réfugiés
immigrés
demandeurs d'asile
sans-papiers
Andere
Die réfugiés nahmen für das Jahr 1991 einen Spitzenwert an. Dabei handelt es sich primär um Artikel aus der Agence France Presse, wodurch der französische Systemkontext ursächlich für diesen medialen Befund ist: Die politisch vermittelnde Haltung
382 Vgl. H. Willems/P. Milmeister: Migration, S. 77.
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Frankreichs im Balkankonflikt und seine humanitäre Unterstützung von Bürgerkriegsflüchtlingen ist als eine Erklärung anzugeben; die andere betrifft die zugleich in Frankreich durch den damaligen Premierminister Rocard weitestgehend unterstützten repressiven Bestimmungen, die seit Einführung der Pasqua-Gesetze bis in die 1990 Jahre fortdauerten und in den Jahren 1991 und 1992 zu über 30 000 Ausweisungen führten.383 Ferner ermöglichte die mit dem Schengener Abkommen auf europäischer Ebene koordinierte Politik gegenüber Flüchtlingen eine zusätzliche Kontrolle außerhalb des französischen Staates.384 Seit 1992 war im Kurvenverlauf eine Verringerung der Berichterstattung über alle Statusgruppen hinweg festzustellen. Seither oszillierten die Werte nur noch zwischen 0 und 7. Ein für die deutschen Bezeichnungen im Luxemburger Wort ausgewiesener Zusammenhang zwischen semantischen Konjunkturen und der Aktualität politischer Problemlagen ist nicht feststellbar. Allerdings ist mit Beginn der 1990er Jahre verstärkt vom Flüchtlingsproblem in der französischen Migrationspolitik die Rede, die sich auf die Medien überträgt. Für die weiteren Statusgruppen ist eine Zuweisung zwischen gehäufter medialer Darstellung einer Statusgruppe und der gleichzeitigen verstärkten Diskussion in der Politik nicht nachzuweisen. Vielmehr treten die unterschiedlichen Bezeichnungen zusammen mit zivilgesellschaftlichen Aktionsformen wie etwa Protestaktionen von Pro-Regularisierungsbewegungen auf; ein Befund, der auch für die Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain ermittelt wurde. Bei den deutschen Bezeichnungen dominiert eine in der saarländischen Migrationsberichterstattung nachgewiesene Diskussion nach Problemlagen. Die Berichterstattung zu den französischen Bezeichnungen der Statusgruppen hingegen orientiert sich am Vorbild des Aktionsrepertoires der französischen Zivilgesellschaft und nimmt sich in erster Linie der Partizipation von Migranten an, etwa über die Darstellung von Einzelschicksalen. Dass einige Themenschwerpunkte im Luxemburger Wort mit denjenigen aus den anderen beiden Zeitungen korrespondieren, ist mitunter auf die Bedeutung internationaler Nachrichtenagenturen (v. a. der Deutschen Presseagentur und der Agence France Presse) für das luxemburgische Medium zurückzuführen.
383 Das am 2. August 1989 verabschiedete Joxe-Gesetz schuf zumindest wieder Rechtssicherheit bei den Aufenthaltsbewilligungen, Familienzusammenführungen sowie Rückkehrbestimmungen und machte damit die repressivsten Verfügungen des Pasqua-Gesetzes rückgängig; vgl. D’Amato, Gianni: Vom Ausländer zum Bürger. Der Streit um die politische Integration von Einwanderern in Deutschland, Frankreich und der Schweiz, Münster 2001, S. 156. 384 Vgl. ebd., 157.
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Handlungs- und Aussagenträger Die Handlungs- und Aussagenträger verteilen sich in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts wie folgt: Handlungsträger Die Inhaltsanalyse hat eine dialektische Aufteilung der räumlichen Zuordnung der Handlungsträger ergeben: Zwar wurden verstärkt Handlungsträger aus der nationalen Ebene (n) ermittelt wie z.B. luxemburgische Minister und Wohlfahrtsverbände, auf der anderen Seite nahmen quantitativ betrachtet Handlungsträger der europäischen Ebene (z.B. EU-Kommissare, EU-Minister oder das Europäische Parlament) eine starke Rolle ein. Folgende Abbildung zeigt die detaillierte Rangfolge der in Erscheinung tretenden Handlungsträger:
Typologie der Akteure in absoluten Zahlen
Diagramm 28: Luxemburger Wort: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger 27
Europäischer Rat
32
Europäisches Parlament Vereinte Nationen/ UN-Sonderorganisationen
41 44
EU-Minister supranationale Migrantenorganisationen
56
EU-Kommissare
58
Migranten(selbst-)organisationen (n)
61
Statusgruppen (n)
62
Wohlfahrtsverbände/ Hilfsorganisationen (n)
80 113
Minister (n)
0
20
40
60
80
100 120
Eine weitergehende Beschreibung der Typologie der Handlungsträger erfolgt unter Betrachtung der ermittelten Typologie der Aussagenträger. Aussagenträger Die Inhaltsanalyse zu den Aussagenträger hat wie bei der Analyse der Handlungsträger sowohl eine starke Präsenz von Aussagenträgern der nationalen (n) als auch der
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supranationalen Ebene ermittelt. Der Befund zu den gehäuft auftretenden supranationalen Handlungs- und Aussagenträgern erklärt sich nicht lediglich aufgrund der Ansiedlung zahlreicher europäischer Institutionen und Organe (z.B. des Sekretariats des Europaparlaments, des Europäischen Gerichtshofs oder der Europäischen Investitionsbank) in Luxemburg.385 Vielmehr resultiert er daraus, dass die europäische Integration und der ihr vorausgegangene europäische Einigungsgedanke Rechtssicherheit für kleinere europäische Staaten bedeutet. Als Werte- und Rechtsgemeinschaft gilt für alle europäischen Mitgliedsstaaten der Primat des gleichen Rechts, unabhängig von ihrer Staatengröße. 386 Folgende Abbildung gibt die detaillierte Typologie der Aussagenträger wieder: Diagramm 29: Luxemburger Wort: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger
Zu-Wort-Kommende in absoluten Zahlen
Statusgruppen (n)
32
Migranten(selbst)organisationen (n)
34
Europäischer Rat
36
Europäisches Parlament
39
Vereinte Nationen/ UN-Sonderorganisationen
44
EU-Kommissare
56
supranationale Migrantenorganisationen
58
EU-Minister
61
Wohlfahrtsverbände/ Hilfsorganisationen (n)
100
Minister (n)
113 0
20
40
60
80
100
120
Die Minister Luxemburgs traten primär als Handlungs- und Aussagenträger auf.387 Die Kleinstaatlichkeit des Landes und das damit verbundene Zusammenfallen der
385 Vgl. Hirsch, Mario: »Luxemburg«, in: Werner Weidenfeld (Hg.), Die Staatenwelt Europas, Bonn 2004, S. 231-238, hier S. 331. 386 Vgl. J.-M. Majerus: Entwicklung, S. 313. 387 Dieses Ergebnis korrespondiert mit bundesdeutschen Untersuchungen, in denen in Lokalberichterstattungen ebenfalls Politiker als Akteure an erster Stelle rangieren; vgl. N. Jonscher: Publizistik, S. 464; vgl. Benzinger, Josef-Paul: Lokalpresse und Macht in
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lokalen und nationalen Ebene erklären die Überrepräsentation politischer Eliten in der luxemburgischen Berichterstattung. Strukturelle und personelle Verflechtungen stellen daher keine Seltenheit dar, wodurch für Akteure dieses Kommunikationsraums die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Nähe und Distanz erschwert wird.388 Die zweitstärkste Gruppe sowohl der Handlungs- als auch Aussagenträger stammte aus der Praxis der Sozialen Arbeit. Als Handlungs- und Aussagenträger traten staatliche, Wohlfahrts- und Nichtregierungsorganisationen auf. Als eine zentral in Erscheinung tretende staatliche Organisation ist der Service National de la Jeunesse (SNJ) zu nennen. Der SNJ wurde 1984 vom luxemburgischen Bildungsministerium, dem Ministère nationale de l’Enfance et de la Jeunesse, gegründet und engagierte sich verstärkt im Rahmen der Zuwanderung aus Portugal für die Integration von Kindern und Jugendlichen. Die sozialpädagogischen Fachkräfte betreuten zunehmend auch Jugendliche anderer Nationalitäten.389 Dass die interkulturell orientierte Jugendarbeit und damit auch der SNJ in Luxemburg einen hohen Stellenwert einnehmen, wird auch in den Zielsetzungen der Jugendpolitik deutlich. Artikel 1 des Loi de Jeunesse (2008) verfolgt die Förderung von Solidarität und gegenseitiger Anerkennung in der multikulturellen Gesellschaft Luxemburgs.390 Eine weitere staatliche Organisation fand in der luxemburgischen Berichterstattung vor allem in Verbindung mit den Statusgruppen Flüchtlinge und Asylbewerber Erwähnung. Aus dem ehemaligen Comissariat du Gouvernement aux étrangers (CGE) ging am 1. Juni 2009 das Office luxembourgeoise de l’accueil et de l’intégration (OLAI) hervor. Dieses unterstützt vor allem Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Luxemburg leben. Nach Einreichen des Antrags auf Asyl beim Außenministerium werden die Asylsuchenden an das OLAI verwiesen. Dieses ist während des Verfahrens sowie auch in der ersten Zeit nach einem positiven Entscheid für die Betreuung zuständig. 391 Dabei treten der SNJ und das OLAI im Rahmen der Analyse der Handlungs- und Aussagenträger in Kombination mit dem Fonds Européen pour les Réfugiés (FER)
der Gemeinde. Nürnberger Forschungsberichte, Nürnberg 1980, S. 491; vgl. G. Rager: Vielfalt, S. 65. 388 Vgl. A. Elsen: Journalisten, S. 42. 389 Vgl. Schneider, Marie/Willems, Helmut: »Soziale Arbeit mit Migranten in Luxemburg«, in: Michel Pauly (Hg.), ASTI 30+. 30 ans de migrations, 30 ans de recherches, 30 ans d’engagements, Luxemburg 2010, S. 198-217, hier S. 203. 390 Vgl. »Loi du 4 juillet 2008 sur la jeunesse«, in: Journal Officiel du Grand-Duché de Luxembourg vom 25. Juli 2008, S. 1534; http://www.legilux.public.lu/leg/a/archi ves/2008/0109/a109.pdf#page=2 vom 08.03.2015. 391 Vgl. M. Schneider/H. Willems: Arbeit, S. 204.
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auf, was auf die Zusammenarbeit zwischen OLAI und FER in politischen, aber auch juristischen Belangen verweist.392 Seit dem Anstieg der Fluchtmigration nach Luxemburg in den 1990er Jahren waren die Caritas und das Rote Kreuz als Wohlfahrtsorganisationen bei der Versorgung und Unterstützung der Flüchtlinge stärker beansprucht. Dabei sind diese Hilfsorganisationen sowohl für in Luxemburg ankommende Asylbewerber, Flüchtlinge und sans-papiers wie auch für dort ansässige Migranten zuständig. Dadurch erklärt sich auch ihre Bedeutung als Handlungs- und Aussagenträger in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts. Zumeist erschien die Caritas im Rahmen der Berichterstattung über ihren service réfugiés in Beiträgen, die Beratungs- und Hilfsangebote darstellten, des Weiteren als wesentlicher Handlungsträger bei Rückkehrerprogrammen sowie internationalen Einsätzen. Die Nichtregierungsorganisationen CLAE und ASTI stellen einen besonders hohen Anteil an Handlungs- und Aussagenträgern innerhalb der Berichte über Soziale Arbeit dar. Das CLAE ist eine seit 1985 existierende Plattform, die für die Koordination der über hundert verschiedenen Ausländervereinigungen in Luxemburg zuständig ist.393 Es taucht in Beiträgen zur politischen Sensibilisierung sowie zum interkulturellen Dialog auf, etwa im Rahmen des jährlich stattfindenden Festival des Migrations, des Cultures et de la Citoyenneté, des Salon du livre et des cultures und der Fête de la musique. Daneben wird auch das Projekt »A citoyenneté égale« thematisiert, bei dem es um die Initiierung von Dialog- und Austauschplattformen zwischen Drittstaatsangehörigen und Aufnahmegesellschaften in der Großregion geht. Daher ist CLAE nicht nur auf nationaler, sondern auch internationaler Ebene tätig, was sich an den vielfältigen Kooperationen mit den Organisationen der Europäischen Union zeigt.394 Außerdem wird CLAE bei Veranstaltungshinweisen auf Informationsabende über Rechte und Pflichten der in Luxemburg lebenden Migranten genannt. Neben der Plattform CLAE ist die ASTI die zweite große Nichtregierungsorganisation Luxemburgs, die sich auf die Unterstützung, Betreuung sowie die Ausarbeitung und Bereitstellung von integrationsfördernden Projekten für Arbeitsmigranten, Flüchtlinge, Asylbewerber und sans-papiers konzentriert. Die ASTI wurde 1979 gegründet und ging aus der portugiesischen Migrantenselbstorganisation União hervor.395 Sie ist seitdem ein fester Bestandteil des kulturellen Lebens in Luxemburg. Als weitere nichtstaatliche Organisation, die als Aussagenträger in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts eine nicht unbedeutende Rolle spielt, 392 Vgl. Ebd., S. 205. 393 Vgl. Kollweiter, Serge/Zuccoli, Laura: »Chronique de l’ASTI 1979-2010«, in: Michel Pauly (Hg.), ASTI 30+. 30 ans de migrations, 30 ans de recherches, 30 ans d’engagements, Luxemburg 2010, S. 24-59, hier S. 39. 394 Vgl. M. Schneider/H. Willems: Arbeit, S. 210. 395 Vgl. S. Kollweiter/L. Zuccoli: Chronique, S. 26.
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ist der Service pastorale socio-intercommunautaire (SESOPI) zu nennen, der 2010 an das Centre dʼétudes et de formation interculturelles et sociales (CEFIS) angeschlossen wurde.396 Der SESOPI trat seit 1999 insbesondere mit seinen Wahlanalysen in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts in Erscheinung. Ab dem dritten Rang setzt eine Differenzierung der Abfolge der Handlungsträger im Vergleich zur Abfolge der Aussagenträger ein: Während als Handlungsträger der nationalen Ebene Statusgruppen (dritter Rang) und Migranten(selbst)organisationen (vierter Rang) ermittelt wurden, gefolgt von Handlungsträgern der supranationalen Ebene (EU-Kommissare, supranationale Migrantenorganisationen, EU-Minister, Vereinte Nationen bzw. UN-Sonderorganisationen, das Europäische Parlament und der Europäische Rat), setzt bei den Aussagenträgern zwischen Rang 3 und 8 die europäische Ebene ein: EU-Minister, supranationale/internationale Migrantenorganisationen (z.B. Amnesty International, die International Trade Union Confederation und die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, vormals Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit), EU-Kommissare, Vereinte Nationen bzw. UN-Sonderorganisationen, das Europäische Parlament und der Europäische Rat. Auf den letzten beiden Rängen der Typologie der Aussagenträger platzieren sich mit Migranten(selbst)organisationen (n) und Statusgruppen (n) erneut Aussagenträger der nationalen Ebene. Ereignis- und Bezugsort Auch beim Luxemburger Wort wurde überprüft, an welchem Ort sich das berichtete Ereignis abspielt (Ereignisort) bzw. auf welchen Ort sich die Auswirkungen des (zentralen) Ereignisses beziehen (Bezugsort). Zur Erfassung der inhaltsanalytischen Variable Ereignis- und Bezugsort wurde die Logik der hierarchischen Codierung angewendet: Von den Kontinenten, über Staatengruppierungen wie die Europäische Union und Nationen wurden die Ausprägungen bis auf die Grenzregion SaarLorLux und die Bundesländer bzw. Regionen heruntergebrochen. Tabelle 16: Luxemburger Wort: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent Ereignisort in Prozent
Bezugsort in Prozent
Luxemburg
42,8
Luxemburg
38,7
Staatengruppierungen, z.B. Europäische Union, NATOStaaten, OECD-Staaten etc.
26,4
Staatengruppierungen, z.B. Europäische Union, NATOStaaten, OECD-Staaten etc.
32,1
396 Vgl. M. Schneider/H. Willems: Arbeit, S. 205.
266 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
15,2
Einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg)
11,2
Europäische Grenzregion SaarLorLux
7,9
Europäische Grenzregion SaarLorLux
9,4
Kontinente
7,7
Kontinente
8,6
Regionale und überregionale Ereignis- und Bezugsorte spielen hier im Gegensatz zum saarländischen und lothringischen Printmedium keine Rolle; der Ereignisort ist Luxemburg-Stadt oder Luxemburg-Land (42,8 %). Das Luxemburger Wort ist demnach lokal, national als auch transnational zugleich. Supranationale Ereignisanlässe (26,4 %) nahmen ebenfalls einen hohen Stellenwert ein. Darüber hinaus berichtete das Luxemburger Wort gehäuft über einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (15,2 %). Der Ereignisort SaarLorLux-Region positionierte sich im Luxemburger Wort mit 7,9 % zwischen den entsprechenden Prozentwerten in der Saarbrücker Zeitung (3,9 %) und im Républicain Lorrain (15,4 %). Kontinente als Ereignisorte wurden in 7,7 % der Artikel ermittelt. Die Überschaubarkeit des Landes fördert die Auswahl auswärtiger Nachrichten. Die Aufnahme trans-, inter- und insbesondere supranationaler Ereignisorte ist mit regionalstrukturellen Gegebenheiten in Luxemburg zu erklären. In der Grenzlage zwischen Frankreich, Deutschland und Belgien behauptet sich Luxemburg durch seine intensive europäische Zusammenarbeit.397 Dementsprechend kennzeichnen europäische Fragen zahlreiche Politikbereiche im Großherzogtum. Besonders ausgeprägt ist diese Ausrichtung in der Sozial- und Migrationspolitik, in der es einen institutionalisierten Trialog zwischen der Regierung bzw. Regierungsvertretern, den Gewerkschaften und den (europäischen) Sozialpartnern gibt: die so genannte Tripartite.398 Die Auswirkungen des Ereignisses beziehen sich verstärkt auf die Nation und die Staatengruppierungen. Mitgliedsstaaten der europäischen Union sind weniger oft als Bezugsorte (11,2 %) codiert worden. Dagegen konzentrieren sich die Auswirkungen von Ereignissen stärker auf die SaarLorLux-Region (9,4 %) sowie auf Kontinente (7,7 %), als dass die Ereignisse dort stattfänden. Dabei geht es beim Bezugsort europäische Grenzregion SaarLorLux beispielsweise um Auswirkungen der europäischen Regionalisierungs- und Integrationspolitik, wie das »Sozialwort der katholischen Kirche in Luxemburg« vom 14. Oktober 2006 zeigt:
397 Vgl. Lorig, Wolfgang: »Politische Kultur«, in: ders./Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs, Wiesbaden 2008, S. 29-44, hier S. 33. 398 Vgl. M. Hirsch: Luxemburg, S. 231.
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»Die Großregion in den Blick nehmen. Die noch recht wenig umrissene und ansatzhaft gestaltete Großregion wartet immer noch vergebens auf eine großpolitische Initiative der Luxemburger Regierung. Die Großregion in der Luxemburger Gestaltungspolitik mitzudenken und sich aktiv in der Großregion zu beteiligen, sind zukunftsversprechende Wege für den Regionalismus in Europa und eine innovative europäische Integrationspolitik überhaupt. Initiativen wie Luxemburg als Kulturhauptstadt in der Großregion sollten politisch und gesellschaftlich genutzt werden, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln und umzusetzen. Der Fremde und das Fremde erinnern uns an unsere eigenen Differenzen und ungenutzten Potenzialitäten. Teils lösen sie Ängste aus, teils faszinieren sie und ziehen an.«399
5.3.2 Interdiskursanalytische Ergebnisse: Zwischen Europa- und Flutdiskursen Die Interdiskursanalyse im Luxemburger Wort hat wie bei den anderen beiden Printmedien der SaarLorLux-Region im Rahmen der sprachlichen Kategorie Topoi und Kollektivsymbole ermittelt. Für Luxemburg stellt sich die Frage nach einem möglicherweise spezifischen System von Interdiskurselementen für die Migrationsthematik aufgrund der trilingualen Inhalte im Luxemburger Wort allerdings anders als in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain. Zu fragen ist erstens, ob es einen spezifischen Interdiskurs in Luxemburg gibt, oder zweitens, ob womöglich deutschsprachige Artikel dem deutschen Interdiskurs und die französischsprachigen dem französischen Interdiskurs entsprechen. Denkbar wäre auch eine Kombination aus französischen, deutschen und luxemburgischen Interdiskursen oder Mischformen, die nur für einzelne Themen gelten.400 Die luxemburgischen Artikel belaufen sich auf 16, darunter kulturelle Veranstaltungshinweise (z.B. zum Festival de l’immigration); Interdiskurselemente wurden bei dieser geringen Artikelanzahl deswegen nicht ermittelt. Die Interdiskursanalyse beschränkt sich somit auf die deutschen und französischen Artikel. 5.3.2.1 Argumentationstopoi Der Vergleich der Argumentationsanalyse für das Luxemburger Wort mit den Ergebnissen für die Saarbrücker Zeitung und den Républicain Lorrain ergab, dass die drei Tageszeitungen über einen gemeinsamen Grundbestand an Argumentationsmustern verfügen. Die Reichweiten einzelner Topik-Systeme in der europäischen Grenzregion SaarLorLux fallen – wie Rolf Parr für Symbol-Systeme hypothetisch formuliert401 – demnach nicht mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammen. Hinzu treten 399 Schlammes, Marc: »Sozialwort der katholischen Kirche in Luxemburg. Migration und Flucht«, in: Luxemburger Wort vom 14.10.2006, S. 4. 400 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 96. 401 Vgl. ebd., S. 90.
268 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
länder- und kulturspezifische Denk- und Argumentationsmuster, die mit unterschiedlichen sozialen Trägern der Topoi verbunden sind: Diagramm 30: Luxemburger Wort: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation 16,0% 12,0% 8,0% 4,0% 0,0%
pro-Argumentation
contra-Argumentation
In 74,9 % der Artikel fanden sich Argumentationsmuster. Als pro Einwanderung und damit ausschließlich oder überwiegend Pro-Argumentationen beinhaltende quantitativ zentrale Topoi sind der Europa-Topos (15,7 %), der Zahlen-Topos (10,8 %), der Topos des wirtschaftlichen Nutzens (9,2 %), der Humanitäts-Topos (8,9 %), der Verständnis-Topos (7,7 %), der Realitäts-Topos (4,2 %) und der Demokratie-Topos (3,9 %) zu nennen. Als contra Einwanderung ermittelte und damit ausschließlich oder überwiegend über Contra-Argumentationen funktionierende Topoi gelten der Gefahren-Topos (4,3 %), der Image-Topos (6,4 %) und der Aufklärungs-Topos (3,8 %). Neben der Identifikation der Topoi wurde auch die Quantität ihres Vorkommens für das Zeitintervall 1990 bis 2010 ermittelt:
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Diagramm 31: Luxemburger Wort: Topoi im Zeitverlauf
Anzahl der Artikel in absoluten Zahlen
14 12 10 8 6
Europa-Topos Zahlen-Topos Topos des wirtschaftlichen Nutzens Humanitäts-Topos Verständnis-Topos Image-Topos Gefahren-Topos Realitäts-Topos Demokratie-Topos Aufklärungs-Topos
4 2 0
Im Folgenden werden die einzelnen Topoi in ihrer zeitlichen Entwicklung sowie exemplarisch anhand von Textbeispielen in ihrer Verwendung als pro und/oder contra Einwanderung illustriert: Europa-Topos Der Europa-Topos (15,7 %) ist für Luxemburg das inhaltlich zentrale Argumentationsmuster, verteilt sich aber in absoluten Zahlen auf die Hochphasen 1993, 1999, 2000 und 2001. Diese Verteilung geht mit Entwicklungsschritten der europäischen Migrations- und Asylpolitik und damit verbundenen Diskussionen zwischen Europapolitikern einher. Der Europa-Topos folgt der Argumentationsstruktur »Weil eine bestimmte Entwicklung der Idee und Praxis der europäischen Vereinigung (nicht) förderlich ist oder auf der Ebene der EU (nicht) gewollt ist, sollten bestimmte Handlungen (nicht) ausgeführt werden.«402 Er wird im Luxemburger Wort bei 9,1 % der Artikel und damit überwiegend pro Einwanderung verwendet, aber bei 6,6 % der Artikel tritt er auch als Contra-Argumentation auf: 402 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 305.
270 | M IGRATION IN DEN M EDIEN »Pro Jahr gelangen geschätzte 400 000 illegale Einwanderer in die Europäische Union (EU), die meisten nach Deutschland und Großbritannien, das voriges Jahr erstmals über 100 000 zählte. […] Nur wenn es der Union gelingt, das Problem gemeinsam und geschlossen anzupacken, bleibt ihr die Totalpleite erspart, die Binnengrenzen wieder zu schließen, also die historisch größte Errungenschaft des Zusammenschlusses rückgängig machen zu müssen.«403
An diesem Beispiel zeigt sich ein über den befürchteten Anstieg der nicht gesetzeskonformen Einwanderung vermittelter Euroskeptizismus, der die europäische Idee in Frage stellt bzw. stellen könnte: Weil die (illegale) Einwanderung nach Europa den europäischen Integrationsprozess stören und unweigerlich zur Rücknahme des Schengener Durchführungsabkommens führen könnte, wird vor dem Hintergrund einer europäischen Zuwanderungs- und Asylpolitik zum gemeinsamen Handeln aufgefordert. Dabei betrifft der Europa-Topos nicht nur (migrations-)politische Entscheidungen in der Supranation Europa, sondern auch grenzüberschreitende Handlungsempfehlungen bezüglich europäischer Grenzregionen, wie folgendes Beispiel zur Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Sinne einer Pro-Argumentation in der SaarLorLux-Region demonstriert. »Durch den Abbau nationaler Barrieren in Europa können die Regionen auch grenzüberschreitende Kontakte aufbauen. Dies ermöglicht Gebieten, die in der Geschichte früher einmal zusammengehörten, wieder enger zusammenzuwachsen. Ein Beispiel dafür ist der Saar-Lor-LuxRaum, auf dem Gebiet des früheren Lotharingien, dem einstigen Reich des Enkels Karls des Großen.«404
Obgleich sich zu Beginn der 1990er Jahre eine europakritische Haltung im bundesdeutschen Politik- und später Mediendiskurs feststellen lässt, die sich im Schlagwort
403 Bohle, Hermann: »Rat der EU-Innen- und Justizminister in Stockholm. 400 000 illegale Einwanderer im Jahr«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001, S. 3. 404 Werle, Gerd: »Luxemburg profitiert von seiner EU-Mitgliedschaft«, in: Luxemburger Wort vom 16.03.1994, S. 5.
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vom Demokratiedefizit405 der Europäischen Union manifestierte,406 zeigt sich diese Entwicklung für die Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort nicht. Offensichtlich setzt man hier u. a. auf die historische Rückbesinnung auf europäische Grenzregionen zur Stärkung des europäischen Gedankens. Eine Pro-Argumentation, die auf den Nutzen von Migranten in Luxemburg und Europa abzielt, ist an folgendem Textausschnitt ersichtlich: In der Neujahrsrede des damaligen Justizministers Marc Fischbach für das Jahr 1991 ging es unter anderem im Hinblick auf die Abschaffung der Binnengrenzen darum, »Lösungen zu finden, die die Sicherheit innerhalb der EG gewährleisteten und die Harmonisierung der Gesetzgebung herbeiführten«.407 Zahlen-Topos Zahlen-Topoi dienen überwiegend der Stützung anderer kontextspezifischer Topoi und sind inhaltlich daher zumeist unspezifisch. Dennoch können sie auch alleine als Topoi auftreten. Sie unterliegen folgender Schlussregel: »Weil die Zahlen einen bestimmten, in einem inhaltlich spezifischeren Topos behaupteten Zusammenhang belegen, sollte eine bestimmte Handlung ausgeführt/unterlassen werden.«408
405 Unter Demokratiedefizit ist eine Nichtübereinstimmung von Herrschaftsträgern und Bürgern zu verstehen, insofern als »der Adressat von Herrschaftsbeschlüssen der EU nicht identisch ist mit dem ›demos‹, der die Herrschaftspositionen ausgewählt hat.«; vgl. Gerhards, Jürgen: »Europäisierung von Ökonomie und Politik und die Trägheit der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit«, in: Maurizio Bach (Hg.), Die Europäisierung nationaler Gesellschaften, Sonderheft 40/2000 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen 2000, S. 277-305, hier S. 287. Mit dem Begriff Demokratiedefizit eng verknüpft ist die Begrifflichkeit Öffentlichkeitsdefizit. Sie bezeichnet die Inkongruenz von Politik und Öffentlichkeit, insofern als »politische Entscheidungen immer häufiger nicht von den Nationalstaaten, sondern von der EU gefällt werden, die Berichterstattung der Öffentlichkeit aber nationalstaatlich verhaftet bleibt und nicht oder nur im geringen Maße von den europäischen Entscheidungen und Diskussionen informiert werden.«, ebd., S. 287. 406 Vgl. Jung, Matthias/Wengeler, Martin: »Nation Europa und Europa der Nationen. Sprachliche Kontroversen in der Europapolitik«, in: Georg Stötzel/Martin Wengeler, Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin/New York 1995, S. 93-128, hier S. 113. 407 Anonymus: »Neujahrsempfang im Justizministerium. ›Trevi 92‹ und Immigrationsproblematik im Mittelpunkt der EG-Präsidentschaft«, in: Luxemburger Wort vom 04.01.1992, S. 2. 408 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 324.
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In der Topos-Analyse des Luxemburger Worts wurde dieses topische Muster in 10,8 % der Artikel ermittelt; in 5,1 % als Belege für Pro- und in 5,7 % für ContraArgumentationen. In den folgenden Beispielen werden die ausgewiesenen Topoi zugleich mit dem inhaltlich spezifischeren Topos genannt. Als für eine Pro-Argumentation verwendeter Topos soll folgendes Beispiel dienen: »Im ersten Trimester dieses Jahres stieg die Zahl der Asylbewerber mit der Ankunft der Flüchtlinge aus der Balkanregion bedeutend an. Zahlreiche Familien aus Montenegro, Albanien, Kosovo und Mazedonien kamen nach Luxemburg, um dem Krieg zu entfliehen. Wegen der spezifischen Lage der einzelnen Kinder setzt die Unterrichtsministerin zwei Prioritäten: Zum einen soll den Kindern und Jugendlichen ein Sicherheits- und Beständigkeitsgefühl vermittelt werden, damit sie ein normales Leben führen können; zum anderen, sollen sie eine oder mehrere Sprachen lernen können, um sich mit Gleichaltrigen verständigen oder eine Ausbildung absolvieren zu können. Die Einschulung der Flüchtlingskinder konfrontiert das Lehrpersonal und die Erziehungsbehörden aufgrund der Verständigungsschwierigkeiten mit den Kindern und Familien mit schwierigen Situationen. Aus diesem Grunde hat das Erziehungsministerium interkulturelle Vermittler aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge auf begrenzte Zeit eingestellt, um die Kontakte und den Dialog zwischen den Kindern, den Erziehern und den Eltern zu erleichtern.«409
Der verwendete Zahlen-Topos fußt zwar nicht auf einer konkreten Angabe, verweist aber auf einen »bedeutenden« Anstieg von Kriegsflüchtlingen aus der Balkanregion nach Luxemburg, der beim Rezipienten eine bedrohliche Wirkung auslösen kann. Der Zahlen-Topos steht in Zusammenhang mit dem kontextspezifischen HumanitätsTopos, wodurch ein möglicher negativer Wirkmechanismus beim Rezipienten verhindert wird: Mit der Spezifizierung der Fluchtursache Bürgerkrieg, also einer ungewollten Migration, werden die schwierige Lage der Flüchtlinge anerkannt und temporäre Integrationsmaßnahmen aus humanitären Überlegungen heraus befürwortet. Als Humanitäts-Topos ist der dargestellte Zusammenhang unter folgende Schlussregel zu fassen: »Weil Handlungen aus humanitären Gründen geboten sind, ist die Handlung zu befürworten.«410 Zudem sollen Verständigungsprobleme zwischen den jugendlichen Flüchtlingen und Personen aus der Aufnahmegesellschaft durch den Einsatz interkultureller Vermittler teilweise gelöst werden. Neben dem HumanitätsTopos zeigt sich mit dem Verständnis-Topos ein weiterer kontextspezifischer Topos, der als Stützung des Zahlen-Topos fungiert. Der letzte Satz des Textbeispiels »Aus 409 Schmitz, Anne-Aymone: »1 169 schulpflichtige Flüchtlingskinder leben in Luxemburg«, in: Luxemburger Wort vom 22.11.1999, S. 1. 410 Vgl. M. Wengeler: Argumentationsmuster, S. 164f.
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diesem Grunde hat das Erziehungsministerium interkulturelle Vermittler aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge auf begrenzte Zeit eingestellt, um die Kontakte und den Dialog zwischen den Kindern, den Erziehern und den Eltern zu erleichtern.« stellt folgende generalisierte Schlussregel dar: »Wenn Einheimische und Zuwanderer sich besser kennen lernen und mehr Verständnis füreinander aufbringen, können die mit Zuwanderung und Integration verbundenen Probleme und Konflikte gelöst werden.«411 Folgender als contra Einwanderung verwendeter Korrespondentenbericht stellt einen im Ressort Außenpolitik erschienenen Zahlen-Topos dar: »29 000 Asylbewerber, die meisten davon aus dem Mittleren Osten, hatten im letzten Jahr ihre Anträge bei den schwedischen Behörden abgegeben, 10 000 mehr als 1988. Um diese Entwicklung, die in vielen Kommunen zu Unterbringungsproblemen führen, zu bremsen, beschloß die Stockholmer Regierung unter anderem schärfere Kontrollen auf den Flugplätzen mit erweiterten Kompetenzen für die Polizei, Ankömmlinge unmittelbar wieder außer Land zu schicken.«412
Die Asylbewerberzahlen dienen zusammen mit dem Vorjahresvergleich dazu, eine Aus- bzw. Überlastung des Systems zu belegen und restriktive Einwanderungsbestimmungen bzw. schnelle, ohne juristische Verfahren vollzogene Ausweisungen zu rechtfertigen. Dementsprechend unterstützt der Zahlen-Topos hier den BelastungsTopos: Weil durch die Zuwanderung die Grenzen der Aufnahmefähigkeit überschritten seien, ist eine weitere Einwanderung zu verhindern. Von einer aktuellen Situationseinschätzung wird hier auf eine zu vermeidende Entwicklung geschlossen.413 Topos vom wirtschaftlichen Nutzen Der Topos vom wirtschaftlichen Nutzen zeigt sich in 9,2 % der Artikel, überwiegend um die Argumente pro Einwanderung zu stützen (6,6 %). Dabei ist eine kontinuierliche Verwendung dieses Argumentationsmusters im Betrachtungszeitraum festgestellt worden, denn die luxemburgische Wirtschaft muss sich vor allem wegen seiner ökonomischen Bedeutung immer stärker mit dem Grenzgängerphänomen auseinandersetzen: Ab Ende des 20. Jahrhunderts spielen die grenzüberschreitenden Pendler eine zunehmend wichtige Rolle bei der Deckung des Arbeitskräftebedarfs im Großherzogtum.414 Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens legt den Fokus der Argumen-
411 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 319. 412 Anonymus: »Schweden. Regierung mitverantwortlich für Attentatswelle gegen Asylbewerber?«, in: Luxemburger Wort vom 31.05.1990, S. 2. 413 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 19-20. 414 Vgl. M. Pauly: Phénomène, S. 70.
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tation daher verstärkt auf das Grenzpendlerphänomen. Aufgrund einer in Studien empirisch nachgewiesenen ambivalenten Haltung der Luxemburger gegenüber Grenzgängern sind diesem Topos Pro- und Contra-Argumentationen eigen.415 In der ProArgumentation wird das Phänomen der Grenzgänger von den Luxemburgern als Notwendigkeit für das wirtschaftliche Wachstum und für den Erhalt des eigenen Wohlstandsniveaus gesehen. In der Contra-Argumentation werden Grenzgänger als Gefahr für die luxemburgische Sprache, Kultur, aber auch das Sozialsystem (siehe Beispiel unten) und damit auch als eine Bedrohung der Identität dargestellt: »Minister François Biltgen hatte bereits im Oktober darauf hingewiesen, dass rund 10 000 arbeitslose Grenzgänger jährliche Kosten von 210 Millionen Euro verursachen würden. Mit dem jetzt erzielten Kompromiss beläuft sich diese Summe nur noch auf 25 bis 30 Millionen Euro.«416 Aus diesem Beispiel geht hervor, dass es sich um arbeitslose ehemalige Grenzgänger handelt, die in die luxemburgische Sozialkasse einbezahlt haben und nun zu Recht Arbeitslosengeld beziehen. Humanitäts-Topos Humanitäts-Topoi, bei welchen sich der Handlungs- und/oder Aussagenträger in den Beiträgen auf Grundwerte, Menschenrechte oder eine gebotene humanitäre Behandlung beruft,417 um liberale Einwanderungsreglungen zu legitimieren, nahmen quantitativ im Laufe des Betrachtungszeitraums im Luxemburger Wort zu. Für den kontinuierlichen Anstieg des Humanitäts-Topos ist verantwortlich, dass die Lobby aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Menschenrechtsinitiativen durch die Zunahme internationaler Migration die gesellschaftliche Regulierung der Integration übernahm und sich zur Fürsprecherin der Migranten entwickelte.418 In den 1990er Jahren wurde dieser Topos durch den Anstieg der Zahl von Kriegsflüchtlingen zum wichtigsten pro Einwanderung verwendeten Argumentationsmuster. Folgendes Textbeispiel des Redakteurs des Luxemburger Worts, Nico Müller, zeigt eine Pro-Argumentation, in der die luxemburgische Öffentlichkeit für Einzelschicksale von Flüchtlingen sensibilisiert werden sollte: »Durch die Flüchtlingswoche wolle man [der Lëtzebuerger Flüchtlingsrot] die Öffentlichkeit für eine Problematik sensibilisieren, die heutzutage wieder dramatische Ausmaße angenommen habe. In der ganzen Welt seien derzeit nämlich nicht weniger als 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Auch Luxemburg sei in den vergangenen Jahren nicht vom Flüchtlingsproblem 415 Vgl. C. Wille: Grenzgänger Räume, S. 328. 416 Werle, Gerd: »EU-Arbeitsministerrat in Brüssel. Kein Arbeitsortprinzip für arbeitslose Grenzgänger«, in: Luxemburger Wort vom 02.12.2003, S. 3. 417 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 22. 418 Vgl. M. Schneider/H. Willems: Arbeit, S. 198.
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verschont geblieben. 1998 hätten 1 709 Menschen hierzulande einen Asylantrag gestellt, ein Jahr später 2 129 und im vergangenen noch 628. Hinter diesen Zahlen versteckten sich menschliche Schicksale, weshalb auch ein Thema der Ausstellung dem Respekt vor den Flüchtlingen gewidmet sei.«419
Zwar liegt der Fokus des Artikels auf dem für Luxemburg unzureichend erfüllten Lastenausgleich im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds, gleichzeitig aber konstatiert Sylvain Besch vom Lëtzebuerger Flüchtlingsrot, wie an dem ausgewählten Textabschnitt ersichtlich, dass sich hinter den anonymen Zahlen menschliche Schicksale verbergen. Hinter der Entscheidung, eigens eine Ausstellung zu eröffnen, lägen humanitäre Überlegungen und der Respekt vor den Flüchtlingen. Im Luxemburger Wort zeigt sich die Partizipation von Migranten in Verbindung mit dem Humanitäts-Topos als ein zentrales Argumentationsmuster. Dies ist auf die Bedeutung von zahlreichen luxemburgischen Organisationen und Vereinen zurückzuführen, die in Fragen rund um Einwanderung und Integration Entscheidungs-, Beratungs- und Koordinationsrechte innehaben. Verständnis-Topos Der auf dem fünften Platz rangierende Verständnis-Topos ist ein in den 1990er Jahren verstärkt nachgewiesenes Argumentationsmuster in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts. Das jährlich stattfindende Festival de l’immigration auf dem Limbertsberg dient nicht nur als Verständigungsplattform zwischen Einheimischen und Zuwanderern, sondern schafft zudem jedes Mal einen Berichtsanlass im Luxemburger Wort, in welchem der Verständnis-Topos ermittelt wurde. Das folgende Beispiel mit einer implizit angedeuteten Schlussregel spielt mittels des Slogans »Vivre, travailler et décider ensemble« auf lernpsychologische Mechanismen beim Erlernen interkultureller Kompetenz an und stützt somit den Verständnis-Topos in verhaltenspsychologischer Hinsicht: »Xe Festival de l’immigration à Limpertsberg. Vivre, travailler et décider ensemble. Pour une Europe sans discrimination, pour une mosaïque de cultures.«420 Folgende Auszüge des Artikels »Die multikulturelle Gesellschaft – ein politisches Reizwort« fallen unter die Schlussregel des Verständnis-Topos. Der damalige Leiter des Institutes für angewandte Kommunikationsforschung in der außerschulischen 419 Muller, Nico: »Gestern im Kino-Komplex Utopolis auf Kirchberg. Ausstellung über Flüchtlingsproblematik eröffnet«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001, S. 10. 420 Anonymus: »Xe Festival de l’immigration à Limpertsberg. Vivre, travailler et décider ensemble. Pour une Europe sans discrimination, pour une mosaïque de cultures«, in: Luxemburger Wort vom 15.03.1993, S. 5.
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Bildung und des European Community Youth Exchange Bureau in Brüssel, Dr. Hendrik Otten, stellte im Rahmen seines Vortrags über Voraussetzungen, Inhalt und Ziele einer multikulturellen Gesellschaft fest: »Interkulturelles Lernen solle helfen, Unsicherheiten zu überwinden, die bei diesem Lernprozeß entstehen. Sei das nicht möglich, und beharre jede Seite hundertprozentig auf ihrer kulturellen Identität, dann könne es keine friedliche Konfliktlösung geben, so Dr. Otten, denn eben diese Unsicherheit führe zu fremdenfeindlichen und rassistischen Anschauungen und Verhaltensweisen.«421
Image-Topos Image-Topoi fanden sich in 6,4 % der Artikel, wobei sie in 3,8 % pro Einwanderung, in 2,6 % contra Einwanderung verwendet wurden. Der Image-Topos sieht folgende Schlussregel vor: »Wenn eine politische Handlung ausgeführt wird/unterbleibt, wird das Ausland positiv/negativ über [Luxemburg bzw. Deutschland oder Frankreich] denken. Daher ist die Handlung abzulehnen/nicht abzulehnen bzw. auszuführen/nicht auszuführen.«422 Der Image-Topos wird als Pro-Argument beispielhaft folgendermaßen verwendet: »Der Redner [Robert Almann von amnesty international] verwies auf die bemerkenswerte Regierungserklärung und hob hervor, dass die Bevölkerung Übergriffe auf ausländische Mitbürger einstimmig verurteile. Diese Haltung könne den Nachbarstaaten als Vorbild dienen.«423 Infolge einiger verbaler und handgreiflicher Attacken auf ausländische Mitbürger im November 1991 verfassten die vier Vereinigungen Association de soutien aux travailleurs immigrés (ASTI), Comité de liaison et d’action des étrangers (CLAE), Ligue internationale contre le racisme et l’antisémitisme (LICRA) und SOS-Racisme eine Erklärung gegen Rassismus und Fremdenhass. Zugleich besteht aber – wie am folgenden Contra-Argument des Image-Topos ausgeführt – auch für Luxemburg die Notwendigkeit zu handeln, beispielsweise durch ein modifiziertes Asylverfahren, für das hier plädiert wird:
421 Anonymus: »Die multikulturelle Gesellschaft – ein politisches Reizwort. Vortrag über politische Bildung, Verständigung und interkulturelles Lernen in der Thomas-Mann-Bibliothek«, in: Luxemburger Wort vom 11.12.1990, S. 4. 422 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 327. 423 Engels, Guy: »Toleranz ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1991, S. 4.
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»Als typisches Immigrationsland, das zudem noch eine Ausländerbeschäftigung von 30 bis 50 % aufzuweisen habe, könne Luxemburg, so der Delegierte des UNO-Hochkommissariats [Ruprecht von Arnim], die bisher an es gestellten Ansprüche eigentlich mit der linken Hand erledigen. […] Ein echter Handlungsbedarf stelle sich in Luxemburg in besonderer Weise auf prozeduraler Ebene. […] Vor allem müssten die derzeit einjährigen Laufzeiten der Asylverfahren auf maximal drei Monate verkürzt werden.«424
Gefahren-Topos Der Gefahren-Topos zieht, von einer zukünftigen Folge ausgehend, Schlüsse auf die zu vermeidende Ursache, beispielsweise eine einwanderungsfreundliche Gesetzgebung.425 Der weiter oben im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung verwendete Belastungs-Topos unterscheidet sich vom Gefahren-Topos dahingehend, dass er umgekehrt von einer aktuellen Situationseinschätzung auf eine zu vermeidende zukünftige Entwicklung schließt.426 Um Gefahren-Topoi zu ermitteln, leistete die zuvor durchgeführte Inhaltsanalyse große Dienste, nicht zuletzt um die Pro- oder Contra-Tendenz in dem topischen Muster zu ermitteln. Die auf Basis der Inhaltsanalyse ermittelten Artikel mit einer spezifischen Gefahrenthematik lassen weitergehende Analysen im Hinblick auf die Topoi zu. Der Gefahren-Topos konnte durch den inhaltsanalytischen Code Gefahren/Beeinträchtigungen und den ermittelten Anteil von 10,8 % auf diese Beiträge eingegrenzt werden. Dabei reichte die reine Benennung der Gefahren nicht aus. Es galt, über ihren sozialen Träger folgende Schlussregel formulieren zu können: »Weil eine politische Handlung/Entscheidung bestimmte gefährliche Folgen hat, sollte sie nicht ausgeführt werden/ist sie abzulehnen.«427 Über die Analyse der Benennung und Häufigkeit der in den Artikeln nachgewiesenen Gefahren ist zudem eine Pro- oder Contra-Tendenz in den Argumentationsstrukturen ersichtlich: • • • • •
Gefahr eines Anstiegs von Ausländerfeindlichkeit (3,4 %) Gefahr der Überbevölkerung bzw. Überfremdung (2,7 %) Gefahr der illegalen Einwanderung (2,4 %) Gefahr der Konkurrenz um Arbeitsplätze (1,2 %) Gefahr der Islamisierung (1,1 %)
Dabei zeigt sich eine im Vergleich zur Gefahrenhierarchie in der Saarbrücker Zeitung umgekehrte Reihenfolge der ersten zwei Ränge: 4,1 % der Artikel unterstrichen 424 Kieffer, Marcel: »In der Asylantenpolitik. Auch in Luxemburg besteht ein Handlungsbedarf«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1991, S. 3. 425 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 20. 426 Vgl. ebd., S. 19f. 427 M. Wengeler: Topos Begründung, S. 306.
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die Gefahr der Überbevölkerung bzw. Überfremdung, vor der Gefahr eines Anstiegs der Ausländerfeindlichkeit wurde in 3,9 % der Artikel gewarnt. Aus den Artikeln mit einer expliziten Nennung von Gefahren beinhalteten 4,3 % Gefahren-Topoi. Dabei handelt es sich bei 2,7 % der Artikel um Pro-Argumentationen und bei 1,6 % um Contra-Argumentationen. Beim organeigenen Bericht »Le ministre de l’Education nationale s’adresse aux directions des lycées« vom 20.11.1991 hebt der damalige Bildungsminister Marc Fischbach die wachsende Gefahr eines Anstiegs von Ausländerfeindlichkeit in Luxemburg hervor, die jedoch wegen des proklamierten erfolgreichen Integrationsmodells in der Luxemburger Öffentlichkeit verkannt würde. Folglich wird argumentativ der Gefahren-Topos mit dem Image-Topos kombiniert. Es handelt sich um ein pro Einwanderung verwendetes Beispiel des Gefahren-Topos: »Le climat malsain de xénophobie et de racisme que se développe dans plusieurs pays européens ne semble, hélas, pas épargner le Luxembourg. Même si les rumeurs concernant les agissements de quelques individus irresponsables et totalement incapables d’appréhender les réalités luxembourgeoises sont amplement grossies, voire dénuées de fondement, elles n’en sont pas moins alarmantes. Accorder trop d’importance à ces phénomènes constituerait une imprudence, les ignorer serait une erreur grave.«428
Als contra Einwanderung verwendetes Argument soll prototypisch folgendes Textbeispiel angeführt werden: »Tous les Etats membres du Conseil de l’Europe sont soumis aujourd’hui a de fortes pressions migratoires de formes et d’origines nouvelles : les demandes d’asile (fondées ou non fondées) connaissent une croissance spectaculaire – entre 1983 et 1990 elles sont passés de 100.000 à 550.000 pour l’Europe et l’Amérique du Nord –, l’immigration clandestine prend des dimensions inquiétantes, les flux ›Est-Ouest‹ nés des bouleversements historiques en cours dans les pays d’Europe centrale orientale ne cessant de croître alors qu’apparaissent des flux ›Sud-Nord‹ de pays en développement vers des pays de l’Europe du Sud autrefois pays d’émigration.«429
Zur Hervorhebung der Gefahr durch illegale Einwanderung wird der Gefahren-Topos überwiegend durch den Zahlen-Topos sowie Bedrohungsattribute (inquiétant) unterstützt.
428 Anonymus: »Racisme et xénophobie. Le ministre de l’Education nationale s’adresse aux directions des lycées«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1994, S. 4. 429 Anonymus: »Conseil de l’Europa. Conférence sur l’immigration à Luxembourg«, in: Luxemburger Wort vom 05.09.1991, S. 3.
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Die folgende Contra-Argumentation des Gefahrentopos arbeitet mit symbolischen Mechanismen (Flutmetaphorik), um die Gefahr zu benennen: »Wenn die Flut der ausländischen Spieler nach Luxemburg nicht gestoppt wird, dann kann es gut sein, dass in einigen Jahren fast kein luxemburgischer Spieler mehr auf einem Schiedsrichterbogen zu finden ist. Nicht weniger als 102 Ausländer wurden am vergangenen Mittwoch am ersten Spieltag bei den verschiedenen Nationaldivisionsvereinen aufgestellt. Von den insgesamt 165 eingesetzten Spielern waren also nur 63 Fußballer im Besitz der luxemburgischen Nationalität.«430
Realitäts-Topos An vorletzter Stelle rangiert der Realitäts-Topos, der dahingehend argumentiert, dass ein bestimmter (z.B. politischer) Prozess stattgefunden hat, auf dem man (z.B. die Regierung) reagieren muss (oder nicht). Das folgende am 13.05.2003 erschienene Textbeispiel »ASTI fordert Regularisierung nach 30 Monaten« spricht sich im Sinne einer Pro-Argumentation für eine juristische Anpassung der bisher gültigen Einwanderungsgesetze in Luxemburg aus: »Eine Anpassung des Einwanderungsgesetzes von 1972 an heutige Gegebenheiten sei erforderlich. Die Zahl der ›sans-papiers‹ in Luxemburg chiffrierte Serge Kollwelter [der damalige ASTI-Präsident] nach einer vorsichtigen Schätzung auf 1 000 bis 1 500. Die Immigrationspolitik bezeichnete Serge Kollwelter als restriktiv und ›à la tête du client‹.«431
Als Folge einer mit der Realität nicht mehr übereinstimmenden Formulierung fordert Kollwelter die Anpassung des luxemburgischen Einwanderungsgesetzes mit Berücksichtigung der sans-papiers und von Pro-Regularisierungs-Maßnahmen. Wie in der Saarbrücker Zeitung wird der Realitäts-Topos im Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts einerseits – wie im Beispiel oben – zugunsten zuzugs- oder integrationsfreundlicher Maßnahmen, andererseits – wie im folgenden Textbeispiel – zur Legitimierung restriktiver Bestimmungen vor allem im politischen Bereich verwendet. »Les nouvelles technologies de l’information dans la vie quotidienne (nouveau services d’information électronique, ordinateurs personnels etc.) ont engendré un certain nombre de pro-
430 Anonymus: »Akzente in der Nationaldivision. Nur zwei luxemburgische Spieler bei Schifflingen aufgeboten«, in: Luxemburger Wort vom 20.08.1999, S. 21. 431 Zwank, Raphael: »ASTI fordert Regularisierung nach 30 Monaten«, in: Luxemburger Wort vom 13.05.2003, S. 10.
280 | M IGRATION IN DEN M EDIEN blèmes juridiques particuliers les que la protection des données à caractère personnel et la criminalité informatique. […] La réponse à ces problèmes appelle une coopération à l’échelle européenne et notamment entre la Commission des Communautés européennes et le Conseil de l’Europe.«432
Die mit dem Schengener Durchführungsabkommen verbundenen Personenkontrollen an den Außengrenzen zu Drittstaaten, die über das Schengener Informationssystem (SIS) geregelt werden, rechtfertigen diesen 1990 eingeführten elektronischen Fahndungsverbund mit dem Wegfall der Personenkontrollen (bis auf einzelne Identitätskontrollen) innerhalb des Schengen-Gebiets. Mit dieser europaweiten Datenbank gingen elektronische Betrugsfälle einher, die mit weiteren (restriktiven) Beschlüssen unterbunden werden sollten. Demokratie-Topos Der Demokratie-Topos war zumindest in der Saarbrücker Zeitung ein neueres, sich in der Zuwanderungsdebatte manifestierendes Argumentationsmuster. Im Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts tauchte dieser nur vereinzelt im Betrachtungszeitraum auf und bezog sich ausschließlich auf das europäische Demokratiedefizit, d.h. auf eine durch fehlende Transparenz ausgelöste Nichtbeteiligung des europäischen Bürgers an europapolitischen Entscheidungen. Die Schlussregel des Demokratie-Topos lautet für das Luxemburger Wort deswegen abweichend zur Wengel’schen Schlussregel: »Nur wenn die europäische Mehrheit sich gemeinsam für (migrationspolitische) Belange der Europäischen Union einsetzt, hat die europäische Migrationsund Asylpolitik/die Europäische Union Bestand.«433 Er ist wie in der Saarbrücker Zeitung auch im Luxemburger Wort ein ausschließlich pro Einwanderung verwendeter Topos: »Nur wenn es der Union gelingt, das Problem gemeinsam und geschlossen anzupacken, bleibt ihr die Totalpleite erspart, die Binnengrenzen wieder zu schließen, also die historisch größte Errungenschaft des Zusammenschlusses rückgängig machen zu müssen.«434
432 Anonymus: »Services d’information électroniques. Vers un cadre européen de protection juridique«, in: Luxemburger Wort vom 24.03.1990, S. 15. 433 M. Wengeler: Kontinuität, S. 16. 434 Bohle, Hermann: »Rat der EU-Innen- und Justizminister in Stockholm. 400 000 illegale Einwanderer im Jahr«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001, S. 3.
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Aufklärungs-Topos Der auf dem letzten Platz rangierende Aufklärungs-Topos argumentiert, dass ein politisches Vorhaben den Wählern nur gut erklärt werden muss, damit es (nicht) durchzuführen ist.435 Der folgende, am 8. September 1990 vom ehemaligen ASTI-Präsidenten Serge Kollwelter formulierte Leserbrief »Welches Ausländerwahlrecht und wozu?« befasst sich mit den Pro-Argumenten für die Einführung des über das kommunale Ausländerwahlrecht hinausreichende Wahlrecht für nach Luxemburg zugewanderte Menschen, das er mit der politischen und demografischen Entwicklung des Landes rechtfertigt: »Die sooft beschworene Integration der Ausländer umfaßt den ganzen Menschen, somit auch seine gesellschaftliche und politische Dimension: welch bessere Voraussetzung zum Zusammenleben, als Mitsprache beim Lösen der gemeinsamen Probleme? Luxemburg ist nicht nur auf die jetzigen Ausländer angewiesen, sondern braucht deren noch mehr: Die Zahlen der neuen – gerufenen – Immigranten der letzten Jahre und zahlreiche Prognosen für die nächste und weitere Zukunft belegen es. Werden diese Menschen als mündige Bürger für das Allgemeinwohl angesprochen werden?«436
5.3.2.2 Kollektivsymbole Die Kollektivsymbol-Analyse der Migrationsberichterstattungen in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain hat einen Grundbestand an Kollektivsymbolen in beiden Migrationsdiskursen mit kulturspezifischen Elementen herausgearbeitet. Wie Rolf Parr in einem heuristisch angelegten Vergleich deutscher, US-amerikanischer und luxemburgischer Kollektivsymbol-Systeme zu Recht konstatiert, existiert für Luxemburg wegen seiner Mehrsprachigkeit eine Interkulturalitätssituation. Beim Luxemburger Wort stellt sich daher die Frage nach einem möglicherweise spezifisch luxemburgischen System von Kollektivsymbolen anders als etwa bei der Saarbrücker Zeitung und dem Républicain Lorrain: »Zu fragen ist […], ob es einen spezifischen Interdiskurs in Luxemburg gibt oder ob womöglich deutschsprachige Artikel in Luxemburger Zeitungen dem deutschen und französischsprachige dem französischen Interdiskurs folgen oder ein Mix aus französischem, deutschem und vielleicht lëtzebuergeschem Interdiskurs hergestellt bzw. nur für einzelne Themen auf Mischformen zurückgegriffen wird. Oder stellt Luxemburg gegenüber Frankreich, Deutschland oder Belgien im Sinne des in der Interkulturalitätsliteratur vielfach verwendeten Konzepts insofern
435 Vgl. M. Wengeler: Kontinuität, S. 17. 436 Kollwelter, Serge: »Welches Ausländerwahlrecht und wozu?«, in: Luxemburger Wort vom 08.09.1990, S. 8.
282 | M IGRATION IN DEN M EDIEN einen ›dritten Raum‹ dar, als der Luxemburgische Interdiskurs immer schon aus komplexen kulturellen Austausch- und Wechselbeziehungen resultiert?«437
Neben Rückschlüssen auf die sozio-politischen Symbolbedingungen, unter welchen (Medien-)Texte entstehen,438 ermögliche die Erforschung des luxemburgischen Kollektivsymbol-Systems dem Untersuchenden gerade für die interkulturelle Grenzregion SaarLorLux, eine soziale Kompetenz zur Multi-Diskursivität und damit zum interkulturellen Handeln zu entwickeln, d.h. die Kompetenz zum Verstehen von und zur Artikulation in mehreren kulturellen Interdiskursen. 439 Dieser handlungsorientierte Ansatz ist über das luxemburgische hinaus auf das grenzüberschreitende Kollektivsymbol-System in der SaarLorLux-Region im Allgemeinen übertragbar. Im Vergleich zur Saarbrücker Zeitung und dem Républicain Lorrain finden sich im Luxemburger Wort mit 42,1 % die meisten Kollektivsymbole. Dieser Befund erklärt sich daraus, dass die Analyse zum luxemburgischen Printmedium im Gegensatz zu den anderen beiden eine Recherche sowohl nach luxemburgischen, deutschen und französischen Symboliken umfasste. Stellt man den deutschen und französischen Kollektivsymbolen aus dem Luxemburger Wort die deutschsprachigen aus der Saarbrücker Zeitung und die französischsprachigen aus dem Républicain Lorrain entgegen, relativiert sich allerdings der hohe Prozentwert. 24,4 % stellten deutschsprachige, 17,7 % französischsprachige Kollektivsymbole im Luxemburger Wort. Im Gegensatz dazu wiesen die Saarbrücker Zeitung 22,6 %, der Républicain Lorrain 28,9 % an Kollektivsymbolen auf. Das Luxemburger Wort platziert sich somit mit einigen wenigen Prozentpunkten höher als bei der Saarbrücker Zeitung, dafür aber um über zehn Prozentpunkte niedriger als im Vergleich zum Républicain Lorrain. Der Befund zu dieser sprachlichen Differenz erklärt sich sowohl aus der ermittelten Sprachaufteilung im Luxemburger Wort (68,2 % der Artikel sind deutschsprachig, 29,7 % französischsprachig) als auch aus der marginalen Bedeutung von Agenturnachrichten aus der Agence France Presse (3,3 %). Die 2,1 % der auf Luxemburgisch verfassten Artikel wiesen keine Kollektivsymbole auf. Diese relativ kleine Stichprobe an luxemburgischen Artikeln erlaubt keine einwandfreien Inferenzschlüsse von den Ergebnissen der (Kollektivsymbol-)Analyse auf die Grundgesamtheit. So ist das Ergebnis der Kollektivsymbolanalyse aufgrund der geringen Fallzahlen auch nicht als eine gänzliche Nicht-Existenz von luxemburgischen Kollektivsymbolen in der Migrationsberichterstattung zu interpretieren. Eine Vollerhebung von luxemburgischen Artikeln würde wegen der an sich marginalen Verwendung des Luxemburgischen als Mediensprache zwar nicht zu einem höheren
437 R. Parr: Kompetenz, S. 96. 438 Vgl. R. Parr: Diskursanalyse, S. 105. 439 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 96.
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Durchschnittswert, auf Basis einer größeren Grundgesamtheit zumindest jedoch zu höheren Fallzahlen führen und die Voraussetzung für eine Trendaussage schaffen. Die Auswertung des deutsch-französischen Datensatzes aus dem Luxemburger Wort ergab wie bei der Saarbrücker Zeitung und dem Républicain Lorrain vier Klassen, deren prozentuale Anordnung der Saarbrücker Zeitung gleicht: Natur (19,1 %), Zivilisation (14,7 %), Kultur (4,2 %) und Raum (3,2 %). Darunter lassen sich folgende Subklassen sowie Pictura- und Subscriptio-Elemente fassen: Tabelle 17: Luxemburger Wort: Prozentuale Verteilung der Pictura-Elemente Klasse
Subklasse
Naturerscheinungen Natur
Körper/Organe Körper/ Tätigkeit
Militär
Krankheit Zivilisation
Flut
Prozent 2,6
flux Welle
2,3 2,3
Pictura (p1-p25)
vague
(starke) Migrationsbewegungen
(Zu-)Strom coulée/couler Insel Herz cœur Schläfer agent dormant Belagerung/ Invasion invasion Festung forteresse (ein-)schleppen/ Schlepper/ Schleuser passeur
Technik
Subscriptio (s1-s13)
Motor
Boot Verkehr bateau
2,1 1,6 1,4
Luxemburg/Europa Luxemburg (noch) nicht tätiger Terrorist (illegale) (Massen-) Einwanderung Luxemburg/Europa Förderung illegaler Einwanderung durch kriminelle Banden Wirtschaftskraft Luxemburg/EU-Zentrum Luxemburg Deutschland (da Pictura-Element aus DPA) Frankreich (da Pictura-Element aus AFP)
1,2 1,4 1,2 1,9 1,1 1,7 1,5 1,8 1,1 1,8
1,3 1,4
2,1
2,0
284 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Mode Kultur Heraldik Raum
Trennlinie
Kopftuch/ Schleier voile/foulard/ tchador/burka Mauerkrone Deich/Damm digue
Islam/Rückständigkeit/Fundamentalismus Großherzogtum Luxemburg/ Europa Grenze
1,6 1,6 1,0 2,0 1,2
Der luxemburgische Interdiskurs erscheint – zumindest für die vorliegende Analyse des Migrationsdiskurses – unter weitgehendem Ausschluss des Luxemburgischen als Synopse des deutschen und französischen Interdiskurses mittels der stereotyp verwendeten Sprachpaare Flut (flux), Welle (vague), Strom (coulée), Schläfer (agent dormant), Kopftuch (voile), Invasion (invasion), Festung (forteresse), Schlepper (passeur), Boot (bateau), Deich (digue). Zum anderen zeigt sich in 6,2 % der Artikel eine im Vergleich spezifisch luxemburgische Bildwelt, die sich aus deutsch-französischen Interdiskurselementen Insel, Herz ↔ cœur, Motor und Mauerkrone zusammensetzt. Zwar handelt es sich bis auf die Symbolik Mauerkrone bei diesen Symbolkomplexen um universal verwendete Bilder, die jedoch in der luxemburgischen Berichterstattung spezifisch interpretiert werden. Die Insel- und damit auch Festungssymbolik dient beispielsweise auf der einen Seite als Sinnbild für die Abschottung Luxemburgs gegen weiteren ausländischen Zuzug und die Abgrenzung des Nationalstaates Luxemburg gegen die Nachbarn, auf der anderen Seite dazu, die Kleinstaatlichkeit. Die sich temporär im Land aufhaltenden Grenzgänger bringen eine von außen vermittelte, multikulturelle Öffnung des Landes, welche die von anderen Ländern getrennte Stellung Luxemburgs wieder aufhebt.440 Dieser Befund weist auf kulturtheoretische Identitätsentwürfe aus der luxemburgischen Literatur hin. Luxemburgische Schriftsteller wie Frantz Clément (18921942) oder Batty Weber (1860-1940) propagierten den Begriff der »Mischkultur« für Luxemburg als eine »Aufwertung der eigenen Zwischenstellung [zwischen Frankreich und Deutschland]«. 441 Mit Verweis auf das vom ungarischen Germanisten Csaba Földes entwickelte Konzept der Tertiärkultur442 spricht der luxemburgische 440 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 97. 441 Götzinger, Germaine: »Die Referenz auf das Fremde. Ein ambivalentes Begründungsmoment im Entstehungsprozeß der luxemburgischen Nationalliteratur«, in: Yoshinori Shichiji (Hg.), Begegnung mit dem »Fremden«. Grenzen – Traditionen – Vergleiche. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kongresses Tokyo 1990, München 1991, S. 179-188, hier S. 185. 442 Földes, Csaba: Interkulturelle Kommunikation. Positionen zu Forschungsfragen, Methoden und Perspektiven, Veszprém/Wien 2007, S. 34.
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Germanist und Literaturwissenschaftler Claude Conter auf der einen Seite von einer Positionierung des Luxemburgischen als eigenständiger Kultur zwischen der deutschen und französischen, auf der anderen Seite als einer von der Adaption kultureller Einflüsse der Nachbarländer geprägten, auf den Bilingualismus zurückzuführenden Kultur, wodurch Luxemburg eine Mittlerrolle zwischen beiden Ländern einnehme.443 Die kulturtheoretische Vorstellung der Mischkultur diffundierte – zumindest auf den ersten Blick – in andere Bereiche, etwa in die Politik oder Wirtschaft, wodurch sie auch von Medien aufgegriffen wurde. Dies zeigt sich etwa an den aus der Kollektivsymbol-Analyse ermittelten kulturellen Symboliken sowie aus den inhaltsanalytischen Ergebnissen zu deutschen bzw. französischen Benennungen der Statusgruppen. Zwar wird in deutschen Statusgruppen z.B. über Flüchtlinge in politischen Problemlagen berichtet, die nunmehr in der Bundesrepublik vorerst eine Heimat gefunden haben; die Berichterstattung über die französischen Statusgruppen orientiert sich indes am französischen Aktionsrepertoire der französischen Zivilgesellschaft. Über eine Mischkultur würde man allenfalls reden, wenn in französischsprachigen Artikeln deutsche Kollektivsymbole auftauchen und umgekehrt in deutschsprachigen Artikeln französische Kollektivsymbole. Wenn es aber eine grenzüberschreitende, europäische Symbolik gibt, dann kann das Luxemburger Wort nichts mischen, sondern nur am gemeinsamen europäischen Kollektivsymbol-System teilhaben, das die Symbole in die jeweilige (Landes)Sprache übersetzt. Ob Luxemburg im Sinne der oben beschriebenen kulturtheoretischen Vorstellung der Mischkultur ein »diskursiver Raum [ist], in dem sich unterschiedliche Symbolwelten mischen«444, kann indes abschließend nicht beantwortet werden. Hierzu bedarf es einer zusätzlichen Kollektivsymbol-Analyse luxemburgischer Kollektivsymbole; aufgrund der dünnen Datenlage an luxemburgischen Artikeln wurden diese jedoch nicht ermittelt. Die prozentuale Entwicklung der Pictura-Elemente über das Zeitintervall 1990 bis 2010 stellt sich im Flächendiagramm für das Luxemburger Wort folgendermaßen dar:
443 Vgl. Conter, Claude: »Aspekte der Interkulturalität des literarischen Feldes in Luxemburg«, in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 1 (2010), S. 119-133, hier S. 120. 444 S. Reddeker: Werbung, S. 268.
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Diagramm 32: Luxemburger Wort: Kollektivsymbole in der Zeitachse 6
Flut/flux Welle/vague (Zu-)Strom/coulée
Prozentanteil der Einzelwerte
5
Insel Herz/cœur
4
Schläfer/agent dormant Kopftuch/voile
3
Belagerung/invasion Festung/forteresse
2
Schlepper/passeur Motor Boot/bateau
1
Mauerkrone Deich/digue
0
Zeitachse
Die Berechnung hat fünf Spitzenwerte für drei Interdiskurselemente ergeben: 1990 (Flut/flux), 1997 (Flut/flux), 2000 (Welle/vague), 2001 (Schläfer/agent dormant), 2003 (Schläfer/agent dormant). Diese Symboliken wurden zum Teil in Nachrichten aus der Deutschen Presseagentur, die beispielsweise bundesrepublikanische Ereignisse herausstellten, zum Teil in anderen Nachrichtenagenturen sowie organeigenen Berichten mit globalen Ereignissen (z.B. Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs, Terroranschläge vom 11. September 2001) nachgewiesen. Folgende Textbeispiele dokumentieren die Bildelemente, die ausschließlich im luxemburgischen Systemkontext ermittelt wurden: Mauerkrone Im Beispiel »Schengener Abkommen nicht ratifizieren« wurde erstmals die Verwendung der nur im Luxemburger Wort nachgewiesenen Kollektivsymbolik »Mauerkrone« eruiert. Das aus der Subklasse der Militärbauten sowie Heraldik stammende Bildelement bezieht sich auf den deutschen bzw. europäischen Migrationskontext und erhält durch die Kollektivsymbolik Festung eine weitergehende Brisanz:
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»Gegen eine Ratifizierung des ›Schengener Abkommens‹ durch den Bundestag hat sich die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge ›Pro Asyl‹ ausgesprochen. Das europäische Abkommen über Flüchtlinge sei ›die Mauerkrone der Festung Europa und der erste bedeutende Pakt der Nachkriegszeit, der nicht zum Schutz von, sondern vor Flüchtlingen abgeschlossen wurde‹, kritisierte Pro-Asyl-Sprecher Herbert Leuninger in Frankfurt.«445
Die Äußerung stammt von einem bundesdeutschen Repräsentanten von Pro Asyl. Daraus ist abzuleiten, dass die Kollektivsymbolik Mauerkrone zwar – zumindest auf den ersten Blick – eine medien-, aber keine kulturspezifische Kollektivsymbolik ist. Einschränkend ist jedoch anzunehmen, dass die Katholische Nachrichtenagentur diesen Artikel auch an andere deutschsprachige Medien weitergegeben hat, wodurch sogar eine medienspezifische Bedeutung dieser Kollektivsymbolik in Frage gestellt werden würde. Insel Die Insel-Symbolik, ein weiteres ausschließlich im Luxemburger Wort ermitteltes Interdiskurselement, ist ein »gemischt repräsentativ-metaphorische[s] Symbol« 446 , d.h. »eines, das durch seine Realreferenz als Erinnerungsort zusätzliche Signifikanz gewinnt«447: »Luxemburg gilt seit jeher als ein europäisches Modellland, nicht nur historisch, außenpolitisch, demographisch oder sprachwissenschaftlich gesehen, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Unser Land hat jeweils in Rekordzeit und ohne größere sozial- und innenpolitische Spannungen und Umwälzungen den Sprung vom Agrar- zum Industrieland und vom Industriestaat zum Banken- und Dienstleistungsstaat, den wir heute kennen, geschafft. […] Dabei ist das, was man als einen ›Gewinneinbruch‹ der luxemburgischen Wirtschaft bezeichnen muss, leider nicht mehr wegzureden. Dramatische haushaltspolitische Kurskorrekturen blieben bis jetzt aus; man wird sie auch tunlichst vermeiden wollen, zumindest bis zum nächsten Urnengang. Niemand soll auch nur den Eindruck gewinnen, dass diesseits der Grenze Probleme und Verhältnisse eintreten könnten wie bei unseren deutschen und französischen Nachbarn.«448
Wie im vorliegenden Leitartikel aus dem Ressort Innenpolitik vom 1. Oktober 2003 symbolisiert sie einerseits eine aus der Wirtschaftsprosperität des Landes abgeleitete Abgrenzung der Nationalstaatlichkeit Luxemburgs gegen die Nachbarn, andererseits
445 Katholische Nachrichtenagentur: »Pro Asyl: Schengener Abkommen nicht ratifizieren!«, in: Luxemburger Wort vom 22.06.1993, S. 4. 446 R. Parr: Kompetenz, S. 98. 447 Ebd., S. 98. 448 Gengler, Claude: »Die Insel«, in: Luxemburger Wort vom 01.10.2003, S. 3.
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zielt die Symbolik auf die europäische Öffnung aufgrund der – wie an der Artikelüberschrift erkennbar – »Insellage« des Kleinstaates ab. Auf der nationalen Ebene wird diese Gebrauchsvariante der Insel-Symbolik über die temporär im Land sich aufhaltenden Grenzgänger realisiert, indem eine nach außen hin vermittelte multikulturelle Öffnung des Landes proklamiert wird zugunsten einer Aufhebung der oftmals beklagten provinziellen, von den anderen Ländern isolierten Stellung Luxemburgs.449 Auf der supranationalen Ebene argumentierte das Luxemburger Wort vereinzelt gegen eine »Festung Europa«: »Schon am Dienstag/Mittwoch nach Pfingsten beginnen die abschließenden Arbeiten der Europäischen Gemeinschaft zur Steuerung des Zuwandererstroms aus der übrigen Welt einschließlich Ost- und Mitteleuropas. […] Daraus darf keine ›Festung Europa‹ werden.«450 Der vom Korrespondenten Hermann Bohle verfasste Bericht stellt das geplante Dublin-Übereinkommen in seinen Grundzügen dar. Unter Verwendung der Kollektivsymbolik Festung Europa signalisiert der Brüsseler Korrespondent vor allem seine Missbilligung des »Konsularischen Handbuchs«, das für die Konsulate aller EU-Länder Weisungen zum Umgang mit illegalen Überschreitungen der EU-Außengrenzen beinhalte. Stattdessen fordert er eine Koordinierung der europäischen Migrationsund Asylpolitik mit den Herkunftsländern. Herz/cœur Im Luxemburger Kollektivsymbol-System beschreibt die aus dem Bildspendebereich der (Körper-)Organe stammende Herz-Symbolik Luxemburg als EU-Zentrum.451 Im Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts wurde dieses Pictura-Element hingegen verstärkt in Kombination mit dem Humanitäts-Topos verwendet. »›Ganz viel Herz, eine klare Linie und Entschlossenheit‹: Diese Richtlinien sollen künftig die Asylpolitik des Großherzogtums bestimmen. Festgelegt hat sie der zuständige Minister Jean Asselborn, der Mitte Dezember die rechtlichen Grundzüge der neuen Flüchtlingspolitik vorgestellt hatte.«452 In diesem Sinne beschrieb die Herz-Symbolik favorable Maßnahmen in der luxemburgischen Asyl- und Flüchtlingspolitik, wie der obige, organeigene Bericht aus dem Lokalteil Zentrum zeigt.
449 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 97. 450 Bohle, Hermann: »EG. Asyl- und Einwanderungskonvention kommt«, in: Luxemburger Wort vom 27.05.1993, S. 2. 451 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 96f. 452 Rottigni, Michel: »38 Familien haben Aussicht auf dauerhaftes Bleiberecht«, in: Luxemburger Wort vom 26.02.2005, S. 13.
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Auch politische Handlungsanweisungen wie die Einführung von Luxemburgischkursen zu Integrationszwecken werden mit Hilfe von Herz- bzw. cœur-Metaphern gerechtfertigt, indem sie im Zusammenhang mit nationalen und europäischen Idealen der Güte und Liebe dargestellt werden. So schreibt Steffi Franke in ihrem Beitrag »Politische Räume und nationale Identität« der Herzmetapher positive Konnotationen zu, indem sie das Herz als Motor und Zentrum des Organismus »Europa« beschreibt.453 Auch das folgende Textbeispiel aus dem Luxemburger Wort nutzt die Herzmetapher, allerdings verbunden mit dem nationalen Ideal der (sprachlichen) Integration: »Dʼaprès le CLAE, il est évident que les auteurs du projet de loi ont à cœur de valoriser la langue luxembourgeoise comme facteur dʼintégration. Il serait dʼailleurs indéniable quʼune connaissance du luxembourgeois facilite lʼintégration dans le tissu social, culturel, économique et politique du pays.«454
Wie die Herz-Symbolik bezieht sich das Symbol Motor darauf, wie Luxemburg seine herausragende Rolle als Vorreiter in der europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik realisiert. Diese Pionierfunktion wird vereinzelt auch von den Benelux-Staaten wahrgenommen, wie die Überschrift des am 10. Juli 2001 auf der Titelseite erschienenen Leitartikels »Asyl- und Einwanderungspolitik in Europa« verdeutlicht. »Die Benelux-Staaten wollen binnen sechs Monaten ein Positionspapier für eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik in der EU vorlegen. […] Was die Benelux-Gemeinschaftsinitiative anbelangt, so erklärte der Justizminister, mit einer gemeinsamen Position wolle man die Diskussionen in der EU voranbringen.«455
Das über den Migrationsdiskurs im Luxemburger Wort für das Großherzogtum nachgewiesene Kollektivsymbol-System lässt auf drei parallel vorhandene Kollektivsymbol-Systeme zurückschließen: ein System mit deutschsprachigen Kollektivsymbolen, die auch in der Saarbrücker Zeitung auftauchten und damit repräsentativ für deutsche Printmedien sind; ein System mit französischsprachigen, im Républicain Lorrain ebenfalls verwendeten Kollektivsymbolen und ein luxemburgisches System. Dieses
453 Vgl. Franke, Steffi: »Politische Räume und nationale Identität. Der Mitteleuropadiskurs in der Tschechischen Republik«, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen 11 (2004), S. 203-239, hier S. 219. 454 Lichtfous, Jean: »Projet de loi sur la nationalité luxembourgeoise. Le CLAE demande l’introduction d’un ›droit du sol‹«, in: Luxemburger Wort vom 30.06.2001, S. 2. 455 Glesener, Marc: »Asyl- und Einwanderungspolitik in Europa. Die Benelux-Staaten als Motor«, in: Luxemburger Wort vom 10.07.2001, S. 2.
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setzt sich auf der einen Seite aus Kollektivsymbolen wie Insel oder Mauerkrone zusammen, die die nationalstaatliche Entität Luxemburgs versinnbildlichen; auf der anderen Seite aus Kollektivsymbolen wie Herz oder Motor, in einem weiteren Bedeutungsgehalt erneut Insel, die auf Luxemburg als EU-Zentrum und damit auf die supranationale Bedeutung des Kleinstaates abheben.456 5.3.3 Zwischenfazit Das Zwischenfazit stellt zunächst zentrale inhalts- und diskursanalytische Befunde entlang der im Schema ausgewiesenen formalen, inhaltlichen und sprachlichen Kategorien heraus. Des Weiteren werden diese mit den Ergebnissen aus den vorangegangenen Medienanalysen der Saarbrücker Zeitung und des Républicain Lorrain verglichen. Analysiert man die Häufigkeit der Berichterstattung im Zeitverlauf, zeigt sich ein Kurven- und Linienverlauf mit Spitzen- und Flautenwerten: Spitzenjahre waren 1991, 1993, 1994, 2001 und 2008, die mit jeweils aktuellen Ereignissen in der luxemburgischen und europäischen Migrationspolitik in Verbindung gebracht werden konnten. Diese sind zum einen die Folge damaliger Gesetzgebungen in der europäischen Asyl- und Migrationspolitik, zum anderen luxemburgischer migrationsspezifischer Ereignisse. Daraus konnten regionalpolitische (darunter ist nicht die SaarLorLux-Region zu subsumieren), akteursbezogene sowie pressewirtschaftliche Schlussfolgerungen gezogen werden: Das Luxemburger Wort ist überregionales, nationales und regionales bzw. lokales Medium, wobei sich bezogen auf die vorliegende Studie verstärkt Charakteristika einer Regionalpresse zeigen.457 Diese betreffen den nicht unerheblichen Anteil von Agenturnachrichten in den überregionalen Seiten sowie die Analysen zu Handlungs- und Aussagenträgern. Der Berichtsstil ist auf eine breite Zielgruppe ausgerichtet, sodass in den Artikeln liberale bis eher neutrale Positionen widergespiegelt werden. In dieser Zurückhaltung zeigt sich im Luxemburger Wort eine Nähe zum französischen Mediensystem: Die französischen Medien praktizieren kaum Medienkritik, da diese als Kollegenschelte gilt.458 Im Luxemburger Wort wurden kritische Beiträge über die Untersuchung von expliziten Bewertungen durch Leserbriefe, 456 Vgl. R. Parr: Kompetenz, S. 96f. 457 Vgl. Zeches, Léon: »Kleiner Markt mit großen Problemen. Luxemburgs Presse ist anders«, in: Romain Kirt/Adrien Maisch (Hg.), Innovation – Integration: Festschrift für Pierre Werner, Luxemburg 1993, S. 513-523; hier S. 513. 458 Vgl. Bourgeois, Isabelle/Grosser, Alfred: »Frankreich. Eine komplexe Informationskultur. Der ›brillante Kommentar‹ hat Vorrang vor Fakten und Quellen«, in: Rudolf Gerhardt/Hans-Wolfgang Pfeifer (Hg.), Wer die Medien bewacht. Medienfreiheit und ihre Grenzen im internationalen Vergleich, Frankfurt am Main 2000, S. 53-65, hier S. 55.
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Handlungsanweisungen und Erfolgs-Misserfolgsmeldungen erfasst. Die Analyse der Leserbriefe zeigt durchaus, dass insbesondere »Experten« wie Wohlfahrtsverbände und Politiker kritische Bewertungen beispielsweise zu ausländerpolitischen Entscheidungen äußern. Die Erfolgs-Misserfolgsmeldungen im Sachgebiet »Human Touch« hingegen stellten die Dominanz neutraler Meldungen heraus. Dies kann aber eher auf den expliziten Verzicht eines boulevardesken Stils im Luxemburger Wort, denn auf damit zu vermeidende negative Bewertungen verweisen. Durch die Handlungsanweisungen zeigen sich verstärkt Forderungen von Seiten der Wohlfahrtsverbände an Politiker beispielsweise die Anerkennungsrate im Asylverfahren anzuheben, aber auch an Migranten, sich kulturell und sprachlich zu integrieren. Der Mantelteil, der überwiegend überregionale Berichte umfasst, ist zugleich Ort der Lokalberichterstattung. Während in der Hauptkategorisierung knapp über die Hälfte der Artikel den nationalen Migrationsdiskurs (50,1 %) thematisieren, setzt sich die andere Hälfte der Artikel (49,9 %) aus grenzüberschreitenden, transnationalen, supranationalen und globalen migrationspolitischen Ereignissen zusammen. Die territoriale Größe Luxemburgs und die daraus resultierenden Berichtanlässe zu luxemburgischen (Migrations-)Themen sind begrenzt. Die in der Migrationsberichterstattung ermittelte vergleichsweise geringe Artikelanzahl lokaler, regionaler und nationaler Ereignisse ist mit der Veränderung der Artikellänge und der optischen Aufmachung im Luxemburger Wort zu erklären. Artikel wurden im Betrachtungszeitraum zunehmend kürzer; den frei gewordenen Raum nahmen Bilder ein.459 Als Akteur im Rahmen der nationalen Themen tritt verstärkt die luxemburgische Zivilgesellschaft auf, sei es in Form von Sozialer Arbeit der Wohlfahrtsverbände oder Partizipation mittels Antirassismus-Aktionen. Dabei sind Handlungsträger der Sozialen Praxis die staatlichen Organisationen Service National de la Jeunesse (SNJ) und Office luxembourgeoise de l’accueil et de l’intégration (OLAI), die beiden größten Wohlfahrtsorganisationen Caritas und Rotes Kreuz sowie die größten Nichtregierungsorganisationen des Landes Comité de Liaison des Associations d’Etrangers (CLAE), Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés (ASTI) und Service socio-pastoral intercommunautaire (SESOPI). Weil die Hauptsprache im Luxemburger Wort Deutsch ist, wurde ein hoher Anteil an Meldungen aus der Deutschen Presseagentur ermittelt; Luxemburgisch nahm hingegen einen äußerst geringen Stellenwert ein. Zwar erscheinen die meisten Artikel zur Migration im Betrachtungszeitraum nach wie vor im Politikressort, ab der zweiten Hälfte zeigt sich jedoch ein Rückgang. Diese Entwicklung ist Folge einer redaktionellen Differenzierung im Luxemburger Wort,
459 Vgl. G. Hellinghausen: 150 Jahre, S. 83.
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die sich weder in der Saarbrücker Zeitung noch im Républicain Lorrain trotz ähnlicher Umstrukturierungen zeigt. Neben den fünf klassischen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Lokales ist ein Aus- und Umbau der Redaktion durch mehrere zusätzliche autonome Ressorts festzustellen: Landeschronik, Aus dem Minett und Kirche in der Zeit, später geändert in Glaube und Leben. Damit verbunden ist eine thematische, auch die Migranten als Partizipationsgruppe einschließende Vielfalt im medialen Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts. Die Themenverteilung zeigt, dass der Fokus im Vergleich zu bundesdeutschen Regionalzeitungen460 verstärkt auf der Partizipation von Migranten liegt. Zugleich wird deutlich, dass im Luxemburger Wort nicht nur über Flüchtlinge und Asylbewerber gesprochen wird, sondern sie auch Gesprächspartner sind. Der kategoriale Zusammenhang zwischen dem Thema »Partizipation von Migranten« sowie den Statusgruppen ergibt, dass die Statusgruppe Flüchtlinge die am stärksten partizipierende Migrantengruppe ist. Berichtet wurde zugleich auf nationaler bzw. regionaler sowie verstärkt europäischer Ebene. 51,2 % der Artikel stellten über das Großherzogtum hinausgehende Ereignisanlässe dar. Die Entwicklung im Zeitverlauf zeigt zudem, dass der supranationale Bezugsrahmen ab 1990 kontinuierlich anstieg. Parallel diskutierte auch das Luxemburger Wort durchgängig die schon seit Ende der 1980er Jahre angestrebte Zusammenarbeit der Europäischen Union in Einwanderungs- und Asylfragen.461 Hinweise auf einen grenzüberschreitenden Zusammenhang zeigen sich für das Luxemburger Wort nur marginal. Als Ereignis- und Bezugsort taucht die SaarLorLux-Region in 7,9 bzw. 9,4 % der Artikel auf. Demnach wurde stärker über die Auswirkungen eines grenzüberschreitenden Ereignisses berichtet, als dass die Grenzregion selbst als Ereignis aufgegriffen wurde. Die Topos-Analyse zum Migrationsdiskurs im Luxemburger Wort ergab folgende Befunde: Der Zahlen-Topos und der Topos des wirtschaftlichen Nutzens waren sowohl im Luxemburger Wort, in der Saarbrücker Zeitung als auch im Républicain Lorrain nachzuweisen. Der Gefahren-Topos, der Aufklärungs-, Realitäts- und Demokratie-Topos fanden sich sowohl in der Saarbrücker Zeitung als auch im Luxemburger Wort wieder. Der Humanitäts-Topos hingegen zeigte sich in der luxemburgischen und der lothringischen Zeitung als Argumentationsmuster auf dem vierten Rang. Als medien- und kulturspezifische topische Muster des Luxemburger Worts, die weder in der Saarbrücker Zeitung noch im Républicain Lorrain verwendet wurden, sind der Europa-Topos, der Verständnis-Topos und der Image-Topos zu nennen.
460 In anderen Studien zur Migrationsberichterstattung in bundesdeutschen Printmedien liegt der ermittelte prozentuale Anteil von Migranten als partizipierende Subjekte in der Gesellschaft mehrheitlich unter 10 %; vgl. E. Kreutzer: Einwanderer, S. 336. 461 Vgl. P. Bendel: Migrationspolitik, S. 190.
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Die Kollektivsymbolanalyse zeigte für das Luxemburger Wort primär unter die Klassen Natur und Zivilisation (19,1 % und 14,7 %) zu subsumierende interdiskursive Elemente; Kollektivsymbole der Klassen Kultur und Raum (4,2 % bzw. 3,2 %) nahmen einen marginalen Stellenwert ein. Daraus konnte folgendes Kollektivsymbol-System für Luxemburg eruiert werden: ein System mit deutschsprachigen und eines mit französischsprachigen Kollektivsymbolen sowie ein luxemburgisches System. Dieses setzt sich auf der einen Seite aus (deutsch- und französischsprachigen) Kollektivsymbolen wie Insel oder Mauerkrone zusammen, die die nationalstaatliche Entität Luxemburgs versinnbildlichen; auf der anderen Seite aus Kollektivsymbolen wie Herz oder Motor, die auf Luxemburg als EU-Zentrum und damit auf die supranationale Bedeutung des Kleinstaates abheben. Das Ergebnis der Kollektivsymbolanalyse zu den (fehlenden) luxemburgischen Kollektivsymbolen ist aufgrund der geringen Fallzahlen jedoch nicht als eine gänzliche Nicht-Existenz von luxemburgischen Kollektivsymbolen in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts zu interpretieren. Folglich ist anzunehmen, dass sich in das luxemburgische System auch luxemburgische Kollektivsymbole einreihen.
5.4 D IE M IGRATIONSBERICHTERSTATTUNG IM I NTER -M EDIA -V ERGLEICH Im Rahmen des Inter-Media-Vergleichs wurden Konkordanzen und Differenzen entlang der formalen, inhaltlichen und sprachlichen Kategorientypen herausgearbeitet. Bei einem Inter-Media-Vergleich werden »im Allgemeinen die alltagssprachlich als Presse, Print, Radio, Internet usw. bezeichneten Arrangements im Hinblick auf ihre organisatorischen, rechtlichen, ökonomischen, journalistischen, semiotischen oder wahrnehmungspsychologischen Eigenschaften oder im Hinblick auf ihre Verbreitung, Nutzung, Rezeption und Wirkung.«462
Dabei beschränkt sich der vorliegende Inter-Media-Vergleich auf die wichtigsten, in fast jeder standardisierten Inhaltsanalyse vorkommenden formalen und inhaltlichen Kategorien: Position und journalistische Darstellungsformen (formale Kategorien); Themen, Handlungsträger, Ereignis- sowie Bezugsort (inhaltliche Kategorien). Bei den sprachlichen Kategorien wurden sowohl Topoi als auch Kollektivsymbole im Inter-Media-Vergleich dargestellt. Ferner zeigen die berücksichtigten Kategorientypen mit Blick auf die Überprüfung der Differenz- und Konkordanzhypothese anhand besonders abweichender und/oder übereinstimmender Werte Varianzen bzw. Analogien auf. 462 W. Schulz: Kommunikationsforscher, S. 21.
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Der Inter-Media-Vergleich zum formalen Kategorientyp legt den Fokus dementsprechend auf die Variablen Position und journalistische Darstellungsformen: Diagramm 33: Inter-Media-Vergleich: Position der Artikel
80,0% 70,1%
70,0% 60,0%
61,4% 57,3%
50,0%
Saarbrücker Zeitung
40,0%
36,1% 34,9%
30,0%
Républicain Lorrain Luxemburger Wort
25,8%
20,0% 6,6%
10,0%
4,1% 3,7%
0,0% Mantelteil
Lokalteile
Titelseite
Dabei stellten sich Konkordanzen dahingehend heraus, dass die Artikel im Wesentlichen in den Mantelteilen erschienen. Im Luxemburger Wort dominierte dieser Befund stärker als in den anderen beiden Printmedien. Die Saarbrücker Zeitung platzierte hingegen die meisten Artikel auf der Titelseite; die Lokalberichterstattung weist im saarländischen Printmedium ebenfalls den größten Prozentwert auf. Damit ist der im bundesdeutschen Vergleich besonders ausgeprägte Regionalisierungstrend für die Saarbrücker Zeitung auch in der Gegenüberstellung der auflagenstärksten Printmedien in der SaarLorLux-Region festzustellen,463 wohingegen das Luxemburger Wort – zumindest auf Basis der Positionsanalyse – mehr als überregionales denn regionales Medium in Erscheinung tritt. Der Républicain Lorrain rangiert hingegen im mittleren Wertefeld; neben dem Fokus auf dem Zeitungsmantel, ist die Lokalberichterstattung ebenfalls bedeutsam.
463 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 482.
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Beim Vergleich der journalistischen Darstellungsformen stellte sich eine große Heterogenität zwischen den Zeitungen heraus. Diagramm 34: Inter-Media-Vergleich: Journalistische Darstellungsformen 50,0% 45,0% 40,0%
Saarbrücker Zeitung
35,0%
Républicain Lorrain
30,0%
Luxemburger Wort
25,0% 20,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0%
Während die Saarbrücker Zeitung Agenturnachrichten und organeigene Berichte mit einem nahezu gleichen Prozentwert (31,4 % und 30,6 %) aufweist, dominieren im Républicain Lorrain Mischformen aus organeigenen Berichten sowie Agenturnachrichten und im Luxemburger Wort organeigene Berichte. Obgleich die Artikelzahl im Mantelteil in der luxemburgischen Tageszeitung den ersten Rang einnimmt, rangieren nicht – wie das verstärkte Beziehen von Agenturnachrichten erwarten lässt – Agenturmeldungen an erster Stelle. Die internationale Sicht der Agenturen erfüllt hier nicht das Interesse der Redakteure an regionaler Ausrichtung. Das Luxemburger Wort verbindet daher nationale Nachrichten mit einer spezifischen Aufmerksamkeit für regionale Themen mittels organeigener Berichte. Der Vergleich zur inhaltlichen Kategorie konzentriert sich auf Befunde zu den Kategorien Themen, Handlungsträger und Ereignis- sowie Bezugsort. Im Rahmen der Themenanalyse zeigten sich auf Basis der Artikelverteilung unterschiedliche Spitzenwerte mit verschiedenen Themenschwerpunkten in den drei Printmedien. In der
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Saarbrücker Zeitung wurden die Spitzenwerte in erster Linie auf bundesdeutsche Gesetzesbestimmungen aus den 1990er Jahren zurückgeführt, der Républicain Lorrain legte seinen thematischen Schwerpunkt hingegen auf nationale Protest- und Legalisierungsbewegungen, im Luxemburger Wort wurden national-regionale wie supranationale Ereignisse gleichermaßen in der Berichterstattung herausgearbeitet. Die über die Ermittlung der Spitzenwerte hinaus durchgeführte Themenanalyse hat zugleich drei medienübergreifende Themenfelder in den Berichterstattungen ermittelt: die politische, zivilgesellschaftliche und migrantenspezifische Themenebene. Diagramm 35: Inter-Media-Vergleich: Themenebenen
Dabei verfügt die politische Themenebene in allen drei Zeitungen über den größten Prozentwert. Unterschiede zeigen sich hingegen auf der zivilgesellschaftlichen und migrantenspezifischen Themenebene: Der Républicain Lorrain positioniert sich in beiden Werten vorne. In der Saarbrücker Zeitung lag der prozentuale Anteil mit 8,8 % für die migrantenspezifische Themenebene am niedrigsten. Die bei zehn Prozentpunkten liegende Wertedifferenz auf der politischen Themenebene zwischen Républicain Lorrain und Luxemburger Wort ist mitunter auf die nationale Selbstreferenzialität der lothringischen Regionalzeitung bzw. die supranationale Öffnung der luxemburgischen Tageszeitung zurückzuführen. Der medial festgemachte Befund lässt auf zwei Kontroversen im europapolitischen Umgang mit Migration schließen:
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die Spannung zwischen Vergemeinschaftung der Migrations- und Integrationsprozesse auf Basis supranationaler Regelungen und die nationalstaatliche Gestaltung von Zuwanderung und Integration von Zugewanderten, die einen Perspektivenwechsel von einem problem- und risikoorientierten Blick auf Migration und Migranten hin zu deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen und Potentialen einschließt. Zwar treten die Zivilgesellschaft und die Migranten mit vergleichbaren Prozentwerten in den Berichterstattungen auf, was bei aller nationaler Souveränität auf eine Konvergenz in migrationspolitischen Fragen zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich und Luxemburg hindeuten könnte.464 Darauf verweisen nicht durch die medialen Durchlässigkeiten im Rahmen der Themenanalyse, sondern auch die Analyse zu Ereignis- und Bezugsorten sowie zu Handlungsund Aussagenträgern. Diese prozentualen Annäherungen bedeuten jedoch nicht automatisch, dass mit gleicher Absicht berichtet werden muss oder eine Annäherung der (nationalen) Politiken stattfindet. Konfrontiert mit dem anhaltenden externen Migrationsdruck sowie der demografischen Entwicklung in der Europäischen Union, manifestierte sich auch auf der politischen Themenebene in allen drei Printmedien eine Kontroverse: Die (Aus-)Gestaltung einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik favorisierende Berichte gehen einher mit veröffentlichten Diskussionen um eine widerwillige Harmonisierung bei wenig vorschreibender Koordination. Mit der Themenanalyse verbanden sich die Befunde zur Akteursanalyse: Die politischen Eliten stellen für alle drei Printmedien zentrale Handlungsträger dar. Während der Républicain Lorrain und das Luxemburger Wort ihre Aufmerksamkeit auch organisierten Akteuren der sozialen Bewegungen widmeten, nahmen diese in der Saarbrücker Zeitung einen marginalen Stellenwert ein. Vielmehr zeigte sich in der saarländischen Tageszeitung neben politischen Handlungsträgern das Aktionsrepertoire freier, spontanerer Organisationsformen in der saarländischen und bundesdeutschen Zivilbevölkerung. Der Inter-Media-Vergleich der inhaltlichen Kategorie Ereignis- und Bezugsort stellte die starke Bedeutung des regionalen auf der einen und nationalen Ereignis- und Bezugsrahmens auf der anderen Seite für alle drei Printmedien heraus; ein Ergebnis, das sich aus der Analyse der formalen Kategorie Position aufgrund der sowohl im Zeitungsmantel als auch in den Lokalteilen gleichermaßen veröffentlichten Artikel bei allen drei Printmedien vermuten ließ. Überregionale Ereignisse und Bezüge spielten für die Saarbrücker Zeitung darüber hinaus ebenfalls eine wichtige Rolle, weniger 464 Vgl. Hunger, Uwe u. a.: »Migrations- und Integrationsprozesse in Europa. Vergemeinschaftung oder nationalstaatliche Lösungswege?«, in: ders. u. a. (Hg.), Migrations- und Integrationsprozesse in Europa. Vergemeinschaftung oder nationalstaatliche Lösungswege?, Wiesbaden 2008, S. 8-13, hier S. 8.
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aber für den Républicain Lorrain. Bei der lothringischen Regionalzeitung zeigte sich anhand gehäufter Berichtsanlässe aus der Hauptstadt nach wie vor eine Orientierung an Paris als Meinungsmetropole. Aufgrund seiner abweichenden regionalpolitischen Strukturen wies das Luxemburger Wort andere räumliche Berichterstattungsmuster auf: Als regionales und nationales Medium zugleich ist nicht immer eindeutig zu unterscheiden, auf welche luxemburgischen Raumdimensionen sich die in den Beiträgen genannten Orte auswirken (auf Luxemburg-Stadt oder Luxemburg-Nation). Dadurch entfiel die Codierung eines überregionalen Bezugs- oder Ereignisorts. Der überregionale bzw. übernationale Blick ersetzte dieses Vakuum, in dem verstärkte räumliche Bezugnahmen auf Staatengruppierungen, insbesondere die Europäische Union, aber auch deren einzelne Mitgliedsstaaten eruiert wurden. Hinsichtlich der Frage nach grenzüberschreitenden Bezügen in den Migrationsberichterstattungen der drei Printmedien lieferten die Untersuchungen unterschiedliche Ergebnisse: Die Saarbrücker Zeitung griff vergleichsweise selten Migrationsereignisse und -bezüge aus der SaarLorLux-Region bzw. den Teilregionen Lothringen oder Luxemburg auf. Ein geringfügig höherer Prozentanteil wurde für grenzüberschreitende Bezüge im Luxemburger Wort nachgewiesen. Der Républicain Lorrain wies indes einen fast doppelt so hohen grenzüberschreitenden Ereignis- und Bezugsrahmen auf wie die Saarbrücker Zeitung und der Républicain Lorrain. Allerdings hatte dieser grenzüberschreitende Sonderseiten zu Wohnmigration zum Gegenstand, weswegen er als »einmaliger« Ausreißer zu charakterisieren ist: Im Rahmen des Bezugsorts galten die saarländischen Wohnmigranten in Lothringen bzw. ihre Arbeitsmobilität ins Saarland als Berichtanlass. Diese traten ausschließlich für die 1990er Jahre in Sonderseiten zur deutschen Wohnbevölkerung in Lothringen in Erscheinung. In den 1990er Jahren intensivierte sich – wie bereits in Kapitel 5.2.1 erläutert – die grenzüberschreitende Wohnortmobilität in die grenznahen lothringischen Départements Moselle und Meurthe-et-Moselle. In der Folge rückte die grenzüberschreitende Wohnortmobilität von Saarländern in den 1990er Jahren in den Fokus der Berichterstattung des Républicain Lorrain. Kleinräumige und damit »nah gelegene« Migrationserscheinungen fanden demnach eher Eingang in die Berichterstattung der lothringischen Regionalzeitung als globale Migrationsereignisse. Ein naheliegender Erklärungsansatz ist die Orientierung des Républicain Lorrain an der Nachrichtenwerttheorie: Demnach steigt der Nachrichtenwert Nähe, wenn Ereignisse den Leser direkt betreffen. Hierbei können drei Dimensionen unterschieden werden: die geografischräumliche, die politisch-wirtschaftliche und die kulturelle Nähe.465 Diese griffen bei den luxemburgischen Wohnmigranten im Saarland oder den saarländischen Migranten in Lothringen: durch die geringe Entfernung zwischen Ereignisort und Verbreitungsgebiet (räumlich-geografische Nähe), die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in der SaarLorLux-Region (politisch-wirtschaftliche Nähe) und die auf 465 Vgl. S. Ruß-Mohl: Journalismus, S. 110.
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historische und teilweise sprachliche Verbindungen zurückzuführende kulturelle Nähe. Die Nachrichtenwerttheorie kann jedoch nicht als einziger Erklärungsansatz angeführt werden, da diese gleichermaßen auf die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort zutreffen müsste. Ein weiterer erschließt sich aus den Befunden zum Ereignis- und Bezugsrahmen. War der Prozentwert des grenzüberschreitenden Ereignis- und Bezugsrahmens für den Républicain Lorrain deutlich überproportional, fanden einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und Kontinente als Ereignis- und Bezugsorte sowohl in der lothringischen als auch saarländischen Regionalzeitung lediglich marginal Erwähnung. Zwar schließt das Themenspektrum von deutschen Regionalzeitungen und insbesondere der lokalen Ressorts die politische Berichterstattung europäischer und globaler Entscheidungen ein;466 je nach Phase jedoch unterschiedlich stark. Während die Saarbrücker Zeitung in den 1950er Jahren den Fokus auf Themen und Ereignisse außerhalb Deutschlands richtete, verdrängten seit 1985 Artikel aus der Region zunehmend das große Weltgeschehen.467 Ursächlich für diesen Regionalisierungstrend waren grundlegende Veränderungen in der Medienlandschaft durch das Aufkommen neuer Medien: Während die (Regional-)Presse bis Ende der 1950er Jahre nur mit dem Hörfunk konkurrierte, kam in den 1980er Jahren verstärkt die Nutzung des Satellitenfernsehers dazu; um sich hier zu behaupten, legte die Saarbrücker Zeitung ihren Fokus auf das regionale Verbreitungsgebiet. 468 Der Regionalisierungstrend im Républicain Lorrain resultiert indes aus einer starken intermedialen Konkurrenzsituation zwischen regionaler und nationaler Presse: Um die Leser-Blatt-Bindung zu stärken und darüber einen weiteren Auflagenrückgang bei den regionalen Tageszeitungen zu verhindern, setzt die presse d’information locale im Gegensatz zur presse d’information nationale auf das lokale bzw. regionale Verbreitungsgebiet.469 Der Inter-Media-Vergleich der sprachlichen Kategorie arbeitete die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Interdiskurselementen Topoi und Kollektivsymbole heraus. Die vergleichende Topos-Analyse ergab, dass teilweise ähnliche Argumentations- und Denkmuster die medialen Migrationsdiskurse in der europäischen Grenzregion SaarLorLux prägen.
466 Vgl. N. Jonscher: Publizistik, S. 462. 467 Vgl. S. Dengel: Berichterstattung, S. 190. 468 Vgl. S. Dengel: Regionalisierung, S. 426. 469 Vgl. M. Mathien: Entwicklungen, S. 128.
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Diagramm 36: Inter-Media-Vergleich: Topoi 45,0%
Saarbrücker Zeitung
40,0%
Républicain Lorrain
35,0%
Luxemburger Wort
30,0% 25,0% 20,0% 15,0% 10,0% 5,0% Destabilisierung
exclusion sociale
Fremdenfeindlichkeit
Le droit à la différence
Überfremdung
Integration/Kontrolle
Image
Verständnis
Europa
Instrumentalisierung
Anpassung
Nutzlosigkeit
Belastung
Aufklärung
Demokratie
Realität
Gefahren
Wirtschaft
Humanität
Zahlen
0,0%
Diese Ähnlichkeiten zeigten sich innerhalb einer gemeinsamen Sprache (Saarbrücker Zeitung und Luxemburger Wort) oder einer zumindest phasenweise ähnlichen politischen Ausrichtung in den nationalen Migrationspolitiken (Saarbrücker Zeitung und Républicain Lorrain), bis hin zu den Printmedien mit einer annähernd homogenen Akteursstruktur im Rahmen von Mobilisierungsbewegungen (Luxemburger Wort und Républicain Lorrain). Darüber hinaus verwendeten alle drei Tageszeitungen zwei gleiche Topoi: den Zahlen-Topos und den Topos des wirtschaftlichen Nutzens. Einschränkend ist anzumerken, dass der Zahlen-Topos als unspezifisch verwendeter Topos zur Stützung anderer Topoi verwendet wird. Als »neutraler« Topos, der sich mit (fast) allen anderen kombinieren lässt und sie so stärkt, nahm er einen quantitativ prominenten Rang in allen berücksichtigten Printmedien ein. Die medienund grenzüberschreitende Bedeutung des Topos des wirtschaftlichen Nutzens geht zurück auf die gemeinsame erste Phase der Zuwanderung in der SaarLorLux-Region von 1945 bis zur Ölkrise 1973, in der er vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren die Diskussion um Zuwanderung beherrschte.470 Nach dem 1974 verhängten Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte, der in Frankreich nur einige Monate später 470 Vgl. M. Wengeler: Argumentationsmuster, S. 155f.
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kam als in Deutschland und Luxemburg, sowie einer daraus folgenden Abnahme der Bedeutung dieses Topos, wurde er mit den Herausforderungen der 1990er Jahre wieder wichtiger. Der rapide Geburtenrückgang in Deutschland und Luxemburg sowie der Fachkräftemangel ließen dieses Argumentationsmuster wieder nach vorne rücken. Wie in früheren Jahrzehnten wurde der Topos in den 1990er Jahren allerdings auch contra Zuwanderung verwendet: Im deutschen Einwanderungsdiskurs wurde er nach der 2000 gestarteten Green-Card-Initiative dazu benutzt, die Anzahl der arbeitslosen deutschen IT-Fachkräfte hervorzuheben, um die ökonomische Notwendigkeit von Zuwanderung zu bestreiten.471 Der Zahlen-Topos ist ein in allen drei Printmedien prominent platziertes Argumentationsmuster, das überwiegend contra Einwanderung Verwendung fand. Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens belegt ebenfalls einen vorderen Rang in allen drei Printmedien, wobei er bei der Saarbrücker Zeitung und dem Luxemburger Wort auf dem annähernd gleichen Platz rangiert (zweiter und dritter Rang), während er beim Républicain Lorrain nur den siebten Rang einnimmt. Zwar wird im Rahmen von topischen Mustern nicht gleich stark mit dem wirtschaftlichen Nutzen argumentiert; anhand angeführter Infografiken stellt der Républicain Lorrain aber zusätzlich einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktsituation und der Notwendigkeit ausländischer Fachkräfte her und stützt damit diesen Topos indirekt. Die drei Zeitungen weisen die gleiche Entwicklung darin auf, dass der Topos des wirtschaftlichen Nutzens im Zeitverlauf zunehmend als Pro-Argument Verwendung findet. Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens hat wegen der in allen drei Ländern phasenweise feststellbaren ausländischen Arbeitskräfterekrutierung nicht an Popularität eingebüßt und blieb daher Argumentationsmuster in allen drei Berichterstattungen. Weiterhin zeigt sich eine verstärkte Übereinstimmung in der Verwendung gleicher Topoi zwischen der Saarbrücker Zeitung und dem Luxemburger Wort. Die Topoi nahmen jedoch unterschiedliche Rangfolgen ein. Während sich der GefahrenTopos in der saarländischen Tageszeitung an zweiter Stelle als überwiegend contra Einwanderung genutztes Argument platziert, nimmt dieser im Luxemburger Wort den siebten Rang ein und findet dort überwiegend als pro Einwanderung genutzter Topos Verwendung. Als pro Einwanderung verwendet tritt der Topos u. a. im Zusammenhang mit der Argumentation auf, dass durch politische Entscheidungen/wirtschaftliche Folgen ein Anstieg an Ausländerfeindlichkeit zu erwarten und diese Gefahr durch Gegenmaßnahmen einzudämmen sei. Auch Aufklärungs-, Realitäts- und Demokratie-Topoi fanden sich sowohl in der Saarbrücker Zeitung als auch im Luxemburger Wort wieder und zwar auf den hinteren Rängen und überwiegend in der äquivalenten Kontrastierung. Dabei handelt es sich bis auf den Aufklärungs-Topos um Argumentationsmuster, die überwiegend in einer Pro-Aussage auftreten.
471 Vgl. M. Wengler: Kontinuität, S. 18.
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Der Belastungs-Topos konnte sowohl in der Saarbrücker Zeitung als auch im Républicain Lorrain ermittelt werden. Dabei handelt es sich in beiden Medien um einen ausschließlich contra Einwanderung genutzten Topos. Die zwei Regionalzeitungen fördern damit eine als Konflikt- und Negativdiskurs geführte Migrationsberichterstattung, die sich in einer phasenweise argumentativen Kongruenz der Printmedien mit politischen Debatten um die zunehmende Belastung der Sozialsysteme äußert. 472 Beim Républicain Lorrain und dem Luxemburger Wort wurde außerdem der Humanitäts-Topos als kulturenübergreifend belegt, der ausschließlich auf diese beiden Printmedien zutraf. An dieser Stelle sei erneut darauf verwiesen, dass der Humanitäts-Topos mit Verweis auf die Topos-Forschung Wengelers zweifellos auch im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung nachweisbar ist, sich jedoch nicht unter die ersten zehn berücksichtigten topischen Muster platzieren konnte. Die Verwendung dieses Argumentationsmusters in der französischen und luxemburgischen Tageszeitung verweist auf die große Bedeutung zivilgesellschaftlicher humanitärer Aktionsformen für den luxemburgischen und französischen Einwanderungsdiskurs und bestärkt die Ergebnisse aus der inhaltsanalytischen Themen- und Akteursanalyse. Als kulturspezifische Topoi galten für die Saarbrücker Zeitung der Anti-Instrumentalisierungs-Topos, der Anpassungs-Topos und der Nutzlosigkeits-Topos, für den Républicain Lorrain der Topos der »exclusion sociale«, der Topos der sozialen Destabilisierung, der Topos »le droit à la différence«, der Fremdenfeindlichkeits-Topos, der Überfremdungs-Topos und der Topos »Integration und Kontrolle« und für das Luxemburger Wort der Europa-, Verständnis- sowie Image-Topos. Mit Blick auf die Topos-Forschung von Martin Wengeler ist hinzuzufügen, dass der Fremdenfeindlichkeits- und Überfremdungs-Topos – zumindest für die Jahr 1965 bis 2001 – auch im deutschen Migrationsdiskurs genutzte Topoi darstellen.473 Zweifellos fielen diese aufgrund der festgelegten Auswahlkriterien im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung heraus. Kulturspezifische Topoi in der Migrationsberichterstattung des Luxemburger Worts stellten der Europa-, Verständnis- sowie Image-Topos dar. Diese länder- und kulturspezifischen Argumentationsmuster spiegeln die nationalen Besonderheiten politischer Debatten über Einwanderung wider: Für die Saarbrücker Zeitung stellte sich der ausschließlich pro Einwanderung genutzte Anti-Instrumentalisierungs-Topos im Rahmen der Berichterstattung zur bundesdeutschen Debatte um das Zuwanderungsgesetz als kulturspezifischer Topos heraus. Die kulturspezifischen Topoi in der lothringischen Regionalzeitung zeigen einen ambivalenten Diskurs über Einwanderung: Der Topos der exclusion sociale und der Topos le droit à la différence weisen auf die stark zivilgesellschaftlichen Aktionsformen in
472 Vgl. S. Kuschel: Integrationspolitik, S. 2. 473 Vgl. M. Wengeler: Topos Begründung, S. 305 und ders.: Kontinuität, S. 17.
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Frankreich im Kampf um Partizipation, Integration, Gleichberechtigung und Akzeptanz von Migranten hin. Der Topos der sozialen Destabilisierung sowie der Fremdenfeindlichkeits-Topos sind indes mit dem konservativen, eine immigration zéro propagierenden Frankreich verbunden. Die beiden ambivalenten Topoi-Paare exclusion sociale/le droit à la différence auf der einen und der Topos der sozialen Destabilisierung/Fremdenfeindlichkeits-Topos auf der anderen Seite verdeutlichen somit die Kontinuitäten und Diskontinuitäten im französischen Diskurs über Einwanderung. Kontinuitäten in den topischen Mustern exclusion sociale und le droit à la différence zeigen sich über die darin anklingenden Komponenten Universalismus, Assimilation und Individualismus des republikanischen Integrationsmodells.474 Die Argumentationsmuster der sozialen Destabilisierung und der Fremdenfeindlichkeit verweisen auf Diskontinuitäten im Sinne eines Paradigmenwechsels in der französischen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Dieser Wechsel äußerte sich in restriktiven Maßnahmen wie dem Einwanderungsgesetz von 2006 (loi relative à l’immigration et à l’intégration) sowie der »ausgesuchten Einwanderung« (immigration choisie). Er verstärkte sich u. a. durch die seit 2003 verstärkt polarisierende »Kopftuchdebatte«, die Unruhen in den Vorstädten von Paris 2005 und 2007 sowie die damit einhergehende Marginalisierung und Diskriminierung von Migranten.475 In den als kulturspezifisch für das Luxemburger Wort ausgewiesenen Europa-, Verständnis- sowie Image-Topoi, die in der Tendenz als Pro-Argumente verwendet wurden, zeigen sich schließlich ebenfalls Spezifika des nationalen Diskurses über Einwanderung. So verweist der Europa-Topos auf die zentrale Rolle Luxemburgs innerhalb des europäischen Integrationsprozesses und der europäischen Migrationsund Asylpolitik sowie innerhalb der europäischen Grenzregion SaarLorLux. Die Bedeutung des Verständnis-Topos für die Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort ist auf eine Besonderheit des Printmediums zurückzuführen: Als christlich-humanistische Tageszeitung sieht sich das Luxemburger Wort möglicherweise besonders in der Pflicht, Minderheitengruppen am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen und darüber ein Verständnis zwischen Einheimischen und Zuwanderern zu vermitteln.476 Die anderen beiden Zeitungen sind jedoch nicht indifferent; das Verständnis wird über andere topische Muster erzeugt, wie den Demokratietopos bei der Saarbrücker Zeitung oder den Humanitätstopos, dem Topos der exclusion sociale und dem Topos »le droit à la différence« beim Républicain Lorrain. Der Image-Topos schließlich hebt das Bestreben hervor, das nach außen hin vermittelte Selbstbild des Landes als »Modell Luxemburg« oder »Luxemburgischer Weg« zu
474 Vgl. M. Silverman: Rassismus, S. 11. 475 Vgl. S. Schreiber-Barsch: Migration S. 4f. 476 Vgl. G. Hellinghausen: 150 Jahre, S. 233.
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pflegen, aber auch in Frage zu stellen.477 Dieses Selbstbild verweist zwar auf die herausgehobene Bedeutung des Großherzogtums für die europäische Migrations-, Asylund Integrationspolitik, macht aber zugleich auf Defizite aufmerksam, etwa auf die Notwendigkeit politischen Handelns im Kampf gegen Rassismus. Ein Vergleich der als pro und contra ausgerichteten Topoi ergab, dass in der Tendenz in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain topische Muster mit Contra-Argumentationen mit 6:4 überwogen (sechs Topoi mit Contra-Argumentationen zu vier Topoi mit Pro-Argumentationen) während sich im Luxemburger Wort mit 8:2 überwiegend auf Pro-Argumentationen ausgerichtete Argumentationsmuster fanden (acht Topoi mit Pro-Argumentationen gegen zwei Topoi mit Contra-Argumentationen). In der saarländischen und lothringischen Tageszeitung existiert somit für den Untersuchungszeitraum (nach wie vor) ein problem- und risikoorientierter Blick auf Migration und Migranten; im Luxemburger Wort richten in der Tendenz die kulturspezifischen Argumentationsmuster Europa- und der Verständnis-Topos ihren Fokus hingegen auf Potentiale und Ressourcen von Einwanderung und Vielfalt in Luxemburg. Die Kollektivsymbol-Analyse als weiterer Bestand der Interdiskursanalyse ergab vier kulturenübergreifende Klassen: Natur, Zivilisation, Kultur und Raum. Die bereits von Rolf Parr aufgestellte Hypothese, dass die Reichweite einzelner Symbole nicht mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammenfällt, kann hier noch einmal durch die interdiskursanalytischen Befunde zur Kollektivsymbolanalyse unterstützt werden. Durch die Arbeit der weltweit operierenden Nachrichtenagenturen und das Vorhandensein interkulturell gültiger Symbole konnte ein gemeinsamer Grundbestand an deutschen, französischen und luxemburgischen Kollektivsymbolen eruiert werden, die überwiegend auf einen problemorientierten Zugang zur Migration verweisen. Dabei handelt es sich um grenzregionale Universalien betreffend der Kollektivsymbole, da kaum größere Abweichungen in der für alle Medien zutreffenden Typologisierung der Pictura-Elemente bestanden. Unterschiede lagen hingegen in der Reihenfolge der Bildklassen im Raster der Häufigkeit sowie bei der Typologie vor:
477 Vgl. Lorig, Wolfgang/Hirsch, Mario: »Einleitung: Luxemburg. ›Small, beautiful, and successful‹«?«, in: dies. (Hg.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 7-11, hier S. 7.
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Diagramm 37: Inter-Media-Vergleich: Typologisierung der Bildklassen 20,0%
19,1%
Natur Zivilisation
18,0%
Kultur
16,0%
14,7%
14,0% 12,0%
Raum
13,5% 11,5%
10,0% 8,0%
7,9%
7,7% 5,6%
6,0%
4,2%
4,0%
3,2% 2,1%
2,0%
2,1%
1,1%
0,0% Saarbrücker Zeitung
Républicain Lorrain Luxemburger Wort
Während die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort eine gleiche Abfolge der Klassen vom Bereich der Natur, über die Zivilisation und Kultur bis hin zu den Raum-Topiken aufweisen, dominiert beim Républicain Lorrain der Bereich Zivilisation, gefolgt von den Klassen Natur, Kultur und Raum; ein Befund, der sich mit der inhaltsanalytischen Themen- und Akteursanalyse zur Migrationsberichterstattung im Républicain Lorrain deckt und der damit ein (valides) Maß für die Güte des Messinstruments darstellt. Zu diesen Klassen gehören interkulturell gültige Subklassen, Pictura- und Subscriptio-Elemente. Dabei beschränken sich diese Klassen nicht – wie anzunehmen – nur auf deutsche, französische sowie luxemburgische und damit westeuropäische Kultursysteme. Michael Fleischer erarbeitete in seinem System der polnischen Kollektivsymbolik dieselben wie für das deutsche, französische und luxemburgische Kollektivsymbol-System ermittelten Klassen und Subklassen. Zusätzlich zu den Raum- wies er Zeit-Topiken im polnischen Datenmaterial nach. Die Typologisierung der polnischen Kollektivsymbole brachte eine dominante Ausprägung von militärischen PicturaElementen zum Vorschein; eine Symbolik, die für die deutsche, französische und
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luxemburgische Kultur eine geringere Relevanz hat als für die polnische Nationalkultur.478 Die weitergehende Subkategorisierung der Klassen in die Pictura- und Subscriptio-Elemente ermittelte schließlich medienspezifisch genutzte Metaphern. Im Migrationsdiskurs der Saarbrücker Zeitung zeichnete sich das Pictura-Element (Zeit-) Bombe als kulturspezifische Bildwelt aus; im Républicain Lorrain galten die Metaphern amalgame und pirouette als kulturspezifisch für den Migrationsdiskurs. Diese verbildlichen die (negativen) Nebenerscheinungen von Migration wie zum Beispiel Unterbringungsprobleme von Asylbewerbern. Die Pictura-Elemente Mauerkrone, Insel und Herz/cœur wurden ausschließlich für den Migrationsdiskurs des Luxemburger Worts eruiert; Als Sinn-Bild symbolisieren sie die nationalstaatliche Entität Luxemburgs bzw. die supranationale Bedeutung des Großherzogtums in der Europäischen Union.
478 Vgl. Fleischer, Michael: Das System der polnischen Kollektivsymbolik. Eine empirische Untersuchung, München 1995, S. 54-56.
6. Fazit
Aufbauend auf einem aus dem Forschungsstand und seinen Defiziten abgeleiteten Mehrmethodenansatz, richtete die vorliegende Arbeit ihren Fokus auf die kulturwissenschaftliche Grenzgebiets-Forschung mit Blick auf Medienanalysen. Dabei lag ihr thematischer Fokus auf der Darstellung von Migranten in den Printmedien Saarbrücker Zeitung, Le Républicain Lorrain und Luxemburger Wort der als hochgradig interkulturell beschriebenen europäischen Grenzregion SaarLorLux. Der Betrachtungszeitraum wurde aufgrund der Zunahme der Flucht- und Asylzuwanderung in die Europäische Union Anfang der 1990er Jahre und einer damit einhergehenden (Aus-)Gestaltung einer europaweiten Migrations- und Asylpolitik auf die Jahre 1990 bis 2010 eingegrenzt. Über die in allen europäischen Ländern geführten innenpolitischen Debatten zur (Um-)Gestaltung der Migrations- und Asylpolitik wurde trotz aller nationalen Systemunterschiede eine Vergleichsbasis in den Teilgebieten der SaarLorLux-Region und den zugehörigen Ländern sichergestellt. Die vergleichende Inhaltsanalyse hatte zum einen das Ziel, Beschreibungen der Berichterstattungen anhand vorab definierter Kriterien vorzunehmen und darüberhinausgehend Schlussfolgerungen hinsichtlich medialer Darstellungsmerkmale und sozio-politischer Verhältnisse zu ziehen. Zum anderen zielte die Interdiskursanalyse darauf ab, die Interdiskurselemente Kollektivsymbole und Topoi im Rahmen einer Typologisierung und Häufigkeitserfassung zu eruieren und damit über eine rein deskriptive Texthermeneutik hinauszugehen. Der im Anschluss durchgeführte Inter-Media-Vergleich auf Basis wesentlicher Kategorien stellte die Grundlage für den Rückbezug der Ergebnisse auf die Hypothesen. Als Suchstrategie wurde sowohl die Konkordanz- als auch Differenzmethode angewandt. Die Grundannahme der Studie war im Sinne der Konvergenzhypothese, aufgrund einer Ausrichtung an der europäischen Souveränität sich annähernde Entwicklungen in den medialen und diskursiven Beschreibungen der Migrationsberichterstattung festzustellen. Um diese Grundannahme zu überprüfen, erfolgte die Zuhilfenahme weiterer, auf die Herausarbeitung von Konvergenzen und Divergenzen ausgerichteter
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Teilhypothesen, die sich auf wesentliche Kategorien der formalen, inhaltlichen und sprachlichen Kategorientypen stützten. Über diesen Inter-Media-Vergleich erfolgt im Rahmen des Fazits zunächst ein Rückbezug der Ergebnisse auf die Teilhypothesen (6.1). Daran schließen sich methodische Rückschlüsse und eine Eingrenzung des Geltungsbereichs an (6.2). Der Ausblick (6.3) stellt schließlich zukünftige Forschungsfelder im Rahmen der Grenzgebiets-Forschung mit medienanalytischen Schwerpunkten heraus.
6.1 R ÜCKBEZÜGE
AUF
H YPOTHESEN
Die Hypothesen sollten überprüfen, ob über die Migrationsberichterstattungen unabhängige Entwicklungen Deutschlands, Frankreichs und Luxemburgs in dieselbe Richtung vorliegen, da europäische Regelungen in nationales Recht umgesetzt werden müssen; die Ausrichtung erfolgt – so wurde angenommen – an der europäischen Souveränität, da keine der Teilregionen der SaarLorLux-Region bzw. der dazugehörigen Länder ohne Erlaubnis von der Norm abweichen darf. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigten zum einen Teilhypothesen zur Differenzhypothese, zum anderen Teilhypothesen zur Konkordanzhypothese. In der Tendenz überwogen jedoch inhalts- und diskursanalytische Ergebnisse, die auf eine Bestätigung der Differenzhypothese hinweisen. Die in der Einleitung aufgestellte Grundannahme, mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede in den Migrationsberichterstattungen der Saarbrücker Zeitung, des Luxemburger Worts und des Républicain Lorrain zu eruieren, wurde somit in der Tendenz nicht bestätigt. H1: Da es sich bei den berücksichtigten Printmedien um Regionalzeitungen bzw. als lokale und nationale Medien zugleich geführte Tageszeitungen handelt, ist von einem Regionalisierungstrend in allen drei Printmedien auszugehen. Die auf die Überprüfung von Konvergenzen ausgerichtete Hypothese, dass ein Regionalisierungstrend in allen drei Printmedien feststellbar sei, konnte im engeren Sinne nicht, mit der Beschränkung auf die weitergehende Bedeutung der »nationalen Selbstreferenzialität« aber durchaus verifiziert werden. Nach Michael Latzer und Florian Saurwein ist unter »nationaler Selbstreferenzialität« die Dominanz nationaler Akteure in der nationalen politischen Berichterstattung zu verstehen, die sich sogar bei Themen mit einer europapolitischen Bedeutung zeigt.1 1
Vgl. Latzer, Michael/Saurwein, Florian: »Europäisierung durch Medien. Ansätze und Erkenntnisse der Öffentlichkeitsforschung«, in: Wolfgang Langenbucher/Michael Latzer (Hg.), Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive, Wiesbaden 2006, S. 10-44, hier S. 22.
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Im Inter-Media-Vergleich wurde ein quantitativ ausgeprägter Regionalisierungstrend festgestellt. Während sich dieser Befund bei der Saarbrücker Zeitung und beim Républicain Lorrain bereits anhand der Positionsanalyse und unter Einbeziehung der inhaltlichen Kategorie Ereignis- und Bezugsort herausgestellt hat, zeigte sich dies beim Luxemburger Wort zusätzlich in der Kombination von Positionsanalyse und Analyse der journalistischen Darstellungsformen. Der errechnete Durchschnitt in der Analyse zu regionalen Ereignis- und Bezugsorten belief sich dabei jedoch auf den Wert von 40,0 % und blieb damit unterhalb der Hälfte des Grundwerts. Neben dem Regionalisierungstrend zeigte sich in der Summe jedoch eine stärkere Ausprägung der nationalen Selbstreferenzialität (bezogen auf Deutschland, Frankreich und Luxemburg) bei der Analyse der Ereignis- und Bezugsorte. In der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain lag der Wert bei 33,3 % bzw. 31,2 %; im Luxemburger Wort sogar bei 42,8 %. In der luxemburgischen Tageszeitung konnte jedoch keine eindeutige räumliche Zuordnung zwischen regional/lokal und national getroffen werden. Die Analyse zu den Handlungs- und Aussagenträgern wies ebenfalls auf diese nicht eindeutige räumliche Ausrichtung des Luxemburger Worts hin. Den überwiegend politischen Handlungs- und Aussagenträgern in der luxemburgischen Berichterstattung, zumeist Merkmalserscheinungen überregionaler Tageszeitungen, folgten prozentual volksnahe, in der Regel gehäuft in Regionalzeitungen auftauchende lokale Eliten. Charakteristisch war darüber hinaus der hohe Präsenzgrad organisierter zivilgesellschaftlicher Bevölkerungsgruppen. Ausländische Statusgruppen standen zwar ebenfalls häufig als Handlungsträger im Mittelpunkt der luxemburgischen Berichterstattung, fanden allerdings fast ausschließlich im Rahmen von Erfolgs- und Misserfolgsmeldungen Eingang in das Mediengeschehen. Auch die Analysen der Handlungs- und Aussagenträger in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain zeigten, wenngleich nicht ganz so stark ausgeprägt, eine Ambivalenz der beiden Printmedien zwischen Regionalisierungstrend auf der einen und nationaler Selbstreferenzialität auf der anderen Seite: Die politischen nationalen Eliten stellten für alle drei Printmedien zentrale mediale Akteure dar. Während der Républicain Lorrain und das Luxemburger Wort ihre Aufmerksamkeit aber auch zivilgesellschaftlichen Organisationen auf nationaler Ebene widmeten, nahmen diese in der Saarbrücker Zeitung einen marginalen Stellenwert ein. Vielmehr zeigte sich in der saarländischen Tageszeitung neben politischen Handlungsträgern das Aktionsrepertoire freier, spontanerer Organisationsformen der saarländischen Zivilbevölkerung, z.B. in Form von Lichterketten. Die in allen drei Printmedien festgestellten hohen Werte zur nationalen Selbstreferenzialität verweisen indes darauf, dass das Migrationsthema verstärkt auf nationaler Ebene diskutiert wird. Allerdings setzten die berücksichtigten Printmedien aus unterschiedlichen Gründen auf diesen nationalen Rahmen und wiesen in zweiter Linie medienspezifische regionale bzw. supranationale Berichterstattungsmuster auf.
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Der regionale Zeitungstyp, die Grundstrategie der Regionalisierung und die gewachsene Zuständigkeit der Bundesländer und Kommunen für die Politikbereiche Migration und Integration bewirken bei der Saarbrücker Zeitung, dass Fragen zu Migration und Integration neben der Bundesebene auch auf Landes- und Kommunalebene Beachtung finden.2 Der Républicain Lorrain als Regionalzeitung setzt in direkter Konkurrenz zur nationalen französischen Presse zwar ansatzweise auf die Berichterstattung geografisch naher Migrationsereignisse, kommt aber trotz der Dezentralisierungsreform von 2003 nicht gegen die Grundstrukturen der französischen Verwaltungsorganisation und der Bedeutung des Zentralstaats bzw. der von Paris aus gesteuerten Migrationspolitik an.3 So trägt die Historie des französischen Ausländerrechts die Handschrift wechselnder politischer Mehrheiten in der französischen Nationalversammlung. Die rege geführten Diskussionen um Gesetzesänderungen und Reformen gegen (illegale) Zuwanderung, die oftmals gegen den Widerstand der Opposition durchgesetzt wurden, finden ihren Niederschlag sowohl in der nationalen als auch regionalen Presse. 4 Das Luxemburger Wort setzt indes aus anderen Gründen auf die Berichterstattung nationaler und auch verstärkt supranationaler Migrationsereignisse: Als nationale Zeitung, Lokalzeitung und Parteizeitung in einem schafft sie per se eine hohe Bindung der Leser.5 Diese wird dadurch verstärkt, dass die hauptsächlich auf Deutsch und Französisch verfassten Artikel u. a. in Luxemburg erwerbstätige, aber nicht wohnhafte Leser, also Grenzgänger und damit 44 % der lokalen Arbeitskräfte,6 ansprechen sollen. Ferner gehen kommunal- und nationalpolitische Themen zu Migration in Luxemburg Hand in Hand, wodurch sie verstärkt Eingang in die Berichterstattung finden. So sind in Luxemburg zahlreiche Organisationen und Vereine mit Entscheidungs-, Beratungs- und Koordinationsrechten in Fragen der Migration und Integration tätig. In diesem Zusammenhang sind vor allem die zwei großen nationalen Organisationen, ASTI und CLAE, zu nennen, die sich für die Integration von Migranten in die luxemburgische Aufnahmegesellschaft einsetzen und im Luxemburger Wort des Öfteren als Aussagenträger in Leserbriefen ermittelt wurden. Durch das Fehlen von Zwischenebenen, d.h. Landkreisen oder Départements wie sie in den flächengroßen Territorialstaaten Deutschland und Frankreich existieren, können diese Organisationen im Rahmen ihrer kommunalen Arbeit in vielfältiger Weise auf die Landespolitik einwirken. Das Verhältnis zwischen Staat und Gemeinden im Kleinstaat Luxemburg drückt sich somit durch eine Unmittelbarkeit aus,
2
Vgl. B. Geiß: Bund, S. 191.
3
Vgl. U. Kempf: System, S. 310.
4
Vgl. U. Davy: Frankreich, S. 425.
5
Vgl. R. Hilgert: Zeitungen, S. 6.
6
Vgl. C. Wille: Grenzgänger und Räume, S. 33.
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welche die Partizipationsmöglichkeiten zivilgesellschaftlicher Akteure fördert.7 Die Bedeutung der supranationalen Migrationsberichterstattung im Luxemburger Wort erklärt sich indes aufgrund des traditionellen Bestandteils europäischer Fragen in zahlreichen Politikbereichen des Großherzogtums. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Luxemburg Gründungsmitglied der Europäischen Gemeinschaften und neben Straßburg und Brüssel offizieller Standort europäischer Institutionen und Organe ist.8 H2: Obgleich ländereigene Printmedienstrukturen vorliegen, ist zu vermuten, dass in Typologie und Häufigkeit Konkordanzen hinsichtlich journalistischer Darstellungsformen existieren, nicht zuletzt wegen der Bedeutung international agierender Nachrichtenagenturen. Diese auf die Feststellung von Konkordanzen abzielende Hypothese konnte nicht uneingeschränkt bestätigt werden. Während die Saarbrücker Zeitung Agenturnachrichten und organeigene Berichte mit einem nahezu gleichen Prozentwert aufwies, dominierten im Républicain Lorrain Mischformen journalistischer Darstellung, d.h. Agenturnachrichten und organeigene Berichte, und im Luxemburger Wort organeigene Berichte. Obgleich im Mantelteil der luxemburgischen Tageszeitung im InterMedia-Vergleich überproportional viele Artikel erschienen sind, rangierten nicht – wie erwartet – Agenturmeldungen an erster Stelle der journalistischen Darstellungsformen, sondern organeigene Berichte. Eigens von luxemburgischen Journalisten verfasste Beiträge wurden dem Rückgriff auf (internationale) Nachrichtenagenturen vorgezogen. Korrespondentenberichte, Leserbriefe sowie meinungsbetonte journalistische Darstellungsformen wiesen in allen drei Printmedien Werte unter zehn Prozent auf. Mit diesem Befund entsprechen die Zeitungen den typischen Stilformen im Lokaljournalismus, die überwiegend tatsachenbetonte Formen wie Meldungen und Berichte, jedoch kaum meinungsbetonte Berichterstattungsformen wie Glossen oder Kommentare umfassen. 9 Mit nahezu einseitiger Nutzung von Agenturmeldungen und/oder Mischformen wie in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain oder tatsachenbetonten organeigenen Berichte wie im Luxemburger Wort wird eine »[stilistische] Monokultur« 10 betrieben, die sich in einer Vermeidung subjektiver Standpunkte in der Berichterstattung äußert. Die Grenze der reinen Nachrichtenver-
7
Vgl. Müller, Rudolf: »Kommunen im politischen Prozess«, in: Wolfgang Lorig/Mario Hirsch (Hg.), Das politische System Luxemburgs. Eine Einführung, Wiesbaden 2008, S. 143-154, hier. S. 143.
8
Vgl. M. Hirsch: Luxemburg, S. 330f.
9
Vgl. S. Kretzschmar/W. Möhring/L. Timmermann: Lokaljournalismus, S. 97.
10 Ebd., S. 98.
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mittlung wird selten überschritten, zusätzliche Hintergrundinformationen, Nebenaspekte oder Meinungen kaum geliefert.11 Eine partizipationsunterstützende Wirkung der drei Printmedien ist somit kaum zu erwarten. Unter öffentlichkeitstheoretischen Gesichtspunkten spielt die Repräsentation und Partizipation von gesellschaftlichen Akteuren, insbesondere ethnischen Minderheiten, indes eine zentrale Rolle bei der Teilnahme am öffentlichen Diskurs.12 In den Medien einer interkulturell geprägten Grenzregion wie der SaarLorLux-Region ist zwar eine mediale Integration, d.h. die Eingliederung ethnischer Minderheiten in das jeweilige Mediensystem und die Öffentlichkeit zu vermuten.13 Auch hier zeigt sich jedoch – wie bereits Forschungssynopsen und Überblickswerke für den deutschsprachigen Raum bestätigt haben – vor allem in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums vielmehr eine mangelnde, marginalisierte und problematisierende Darstellung von Migranten; sei es im Zuge der Thematisierung steigender Asylbewerberzahlen in der Saarbrücker Zeitung, der kontrovers geführten Diskussionen um Legalisierungen von sans-papiers im Républicain Lorrain oder den erst allmählich politisch und medial diskutierten Migrationsthemen wie der doppelten Staatsbürgerschaft oder Sprachkursen im Luxemburger Wort. Allerdings stellte sich im Luxemburger Wort insbesondere ab der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums mit zunehmender Ausgestaltung einer Integrationspolitik die Tendenz heraus, den Fokus auf Potentiale und Ressourcen von Einwanderung und Vielfalt in Luxemburg zu richten. H3: Eine sich in den Migrationsberichterstattungen herausstellende Kontroverse zwischen der Europäisierung der Asyl- und Einwanderungspolitik und dem Vorzug nationaler Sichtweisen und Interessen in den drei europäischen Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich und Luxemburg ist zu erwarten. Diese Hypothese ist nicht uneingeschränkt zu bestätigen. Zwar verwiesen zentrale inhalts- und diskursanalytische Kategorien (Themen, Ereignis- und Bezugsorte, Handlungs- und Aussagenträger, Topoi sowie Kollektivsymbole) auf eine Spannung zwischen umfassenden supranationalen Regelungen und nationalstaatlicher Gestaltung von Migration und Integration von Zugewanderten. Der Inter-Media-Vergleich der inhaltlichen Kategorie Ereignis- und Bezugsort stellte allerdings vor allem die starke Bedeutung des regionalen auf der einen und nationalen Ereignis- und Bezugsrahmens auf der anderen Seite für alle drei Printmedien heraus. Überregionale Ereignisse und Bezüge spielten für die Saarbrücker Zeitung ebenfalls eine wichtige Rolle, weniger aber für den Républicain Lorrain. Bei der lothringischen Regionalzeitung zeigte sich anhand gehäufter Berichtsanlässe aus der Hauptstadt nach wie vor eine 11 Vgl. N. Jonscher: Publizistik, S. 379. 12 Vgl. J. Trebbe: Minderheiten, S. 45. 13 Vgl. R. Geißler: Präsentation, S. 131.
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Orientierung an Paris als Meinungsmetropole. Aufgrund seiner abweichenden regionalpolitischen Strukturen wies das Luxemburger Wort andere räumliche Berichterstattungsmuster auf: Als regionales und nationales Medium zeigten sich Bezüge auf verschiedenen Raumdimensionen (Luxemburg-Stadt und Luxemburg-Nation). Zugleich wurden im Luxemburger Wort verstärkte räumliche Bezugnahmen auf Staatengruppierungen, insbesondere die Europäische Union, aber auch deren einzelne Mitgliedsstaaten eruiert. Eine Konkurrenz des regionalen oder nationalen Ereignisund Bezugsrahmens zu supranationalen oder grenzüberschreitenden Rahmen ließ sich somit nur betreffend des Luxemburger Worts feststellen. Hinsichtlich der Frage nach grenzüberschreitenden Bezügen in den Migrationsberichterstattungen griffen alle drei Printmedien vergleichsweise selten Migrationsereignisse und -bezüge aus der SaarLorLux-Region bzw. den Teilregionen auf. Zwar wies der Républicain Lorrain einen fast doppelt so hohen Prozentanteil zum grenzüberschreitenden Ereignis- und Bezugsrahmen auf wie die Saarbrücker Zeitung und der Républicain Lorrain; dieser bezog sich allerdings auf Sonderseiten zur Wohnmigration und ist deswegen nur bedingt aussagekräftig. H4: Ausgehend von Befunden aus anderen medienanalytischen Studien zum saarländisch-lothringisch-luxemburgischen Grenzraum sind äußerstenfalls geringe länderübergreifende Kommunikationsprozesse im saarländisch-lothringischluxemburgischen Grenzraum festzustellen; die SaarLorLux-Region und/oder ihre Teilgebiete treten allenfalls marginal als Ereignis- und/oder Bezugsort in den Medien des jeweils ausländischen Nachbarn auf. Diese Hypothese wurde verifiziert. Wenngleich sich eine (relative) Gleichzeitigkeit in Art und Häufigkeit der Themenebenen feststellen ließ, ist diese Themenangleichung noch kein hinreichendes Indiz für einen medialen Transferraum zur grenzüberschreitenden Darstellung von Migranten. »Gleichzeitigkeit« ist allenfalls ein erster Hinweis auf Wechselseitigkeit. 14 Eine diskursive Wechselseitigkeit manifestierte sich hingegen zumindest auf Basis einer Argumentationsreferenzialität, obwohl es sich dabei nicht um eine »diskursive Interaktion«15 zwischen Handlungs- und Aussagenträgern über verschiedene nationale Medienräume hinweg handelt. Vielmehr wurde ein gemeinsamer Grundbestand an Kollektivsymbolen und Topoi ermittelt, 14 Vgl. Neidhard, Friedhelm: »Europäische Öffentlichkeit als Prozess. Anmerkungen zum Forschungsstand«, in: Wolfgang Langenbucher/Michael Latzer (Hg.), Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive, Wiesbaden 2006, S. 4661, hier S. 56f. 15 van de Steeg, Marianne: »Bedingungen für die Entstehung von Öffentlichkeit in der EU«, in: Ansgar Klein u. a. (Hg.), Bürgerschaft, Öffentlichkeit und Demokratie in Europa, Opladen 2003, S. 169-190, hier S. 183.
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die durch differenzierende, medienspezifische, aber letztlich kulturenübergreifende Interdiskurselemente ergänzt wurden. Dabei erscheint dieser Symbolik-Grundbestand mit Verweis auf die Kollektivsymbol-Analysen von Michael Fleischer zu osteuropäischen Systemen in ganz Europa und auf allen europäisch geprägten Kontinenten vorhanden zu sein. Auf einer übergeordneten Ebene konturierte sich mit der Feststellung dieses Grundbestandes und kulturenübergreifender Elemente damit ein grenzüberschreitendes Symbol-System, das nicht im Sinne einer bei Vergleichsanalysen zur Europaberichterstattung mitunter geforderten Sprecherreferenzialität einen kontinuierlichen, direkt aufeinander bezogenen Austausch zwischen Handlungs- und Aussagenträgern einzelner nationaler Berichterstattungen voraussetzt.16 Die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort griffen selten Migrationsereignisse und -bezüge aus der SaarLorLux-Region auf. Der Républicain Lorrain wies indes einen fast doppelt so hohen grenzüberschreitenden Ereignis- und Bezugsrahmen auf wie die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort. Der Blick auf die Migrationsberichterstattungen verdeutlicht, dass die lothringische Regionalzeitung zwar häufiger über die Grenzen des französischen Nationalstaats hinausblickte, dies jedoch primär im Rahmen vereinzelter Sonderseiten zu saarländischen Wohnmigranten in Lothringen. Für die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort mit unter 7 % der auf den grenzüberschreitenden Bezugs- und Ereignisrahmen entfallenden Artikel stellen nationale Grenzen jedoch stärker als für den Républicain Lorrain zugleich auch journalistische Grenzen dar.17 H5: Vor dem Hintergrund unterschiedlicher länderspezifischer Debatten über die Migrations- und Integrationspolitik bzw. migrationspolitischer Schlüsselereignisse werden – so eine weitere Annahme – in den drei Mediendiskursen die Verwendung medienspezifischer Argumentationstopoi verwendet.
16 Bei der von Stefan Tobler entwickelten »Argumentations- und Sprecherreferenzialität« handelt es sich um eine Schlüsseldimension für die Entstehung grenzüberschreitender Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Diese stellt ein Instrument dar, die bei Vergleichsanalysen zur Europaberichterstattung, d.h. zu wiederkehrenden Ereignissen der Europäischen Union wie Europawahlen, in nationalen Medien herangezogen wird; vgl. Tobler, Stefan: »Konfliktinduzierte Transnationalisierung nationaler und supranationaler Öffentlichkeitsarenen. Indikatoren einer europäischen Öffentlichkeit«, in: Wolfgang Langenbucher/Michael Latzer (Hg.), Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive, Wiesbaden 2006, S. 107-130, hier S. 117; ders.: Transnationalisierung nationaler Öffentlichkeit. Konfliktinduzierte Kommunikationsverdichtungen, Wiesbaden 2010, S. 124f. 17 Vgl. B. Blöbaum: Grenzen, S. 43.
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Diese Hypothese, die eine Übereinstimmung in den Medien bezüglich der Dominanz medienspezifischer topischer Muster prüfen sollte, konnte nicht uneingeschränkt bestätigt werden. So wurden medienspezifische Topoi für die Saarbrücker Zeitung (Anti-Instrumentalisierungs-Topos, Nutzlosigkeits-Topos), für den Républicain Lorrain (Topos der exclusion sociale, Topos der sozialen Destabilisierung, Topos le droit à la différence, Fremdenfeindlichkeits-Topos, Überfremdungs-Topos, Topos »Integration und Kontrolle«) und für das Luxemburger Wort (Europa-, Verständnis- sowie Image-Topos) eruiert. Diese spiegeln auch die nationalen Spezifika politischer Debatten über Einwanderung wider. Die Verwendung des Anti-Instrumentalisierungs-Topos in der saarländischen Regionalzeitung läuft parallel zur Forderung nach (ausländischen) Fachkräften und der geplanten Einführung einer Green-Card-Regelung in Deutschland. Zwar fand er als pro Einwanderung genutzter Topos Verwendung, die Förderung von Zuwanderung wurde jedoch lediglich für bestimmte Berufssparten (politisch) befürwortet. In den Äußerungen der Politiker wurde auf die nach wie vor herrschende Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik verwiesen. Die medienspezifischen Topoi im Républicain Lorrain zeigen eine insbesondere von zivilgesellschaftlichen Akteuren geforderte soziale Stabilisierung der französischen Gesellschaft auf. Durch soziale Segregation, fehlgeschlagene Assimilierung und fehlende rechtliche Grundlagen der Partizipation ethnischer Minderheiten, ausgelöst durch das starre Festhalten an der republikanischen Integrationsideologie, ist in Frankreich ein geringer Zusammenhalt zwischen Menschen unterschiedlicher Kultur, Rasse, Religion und Hautfarbe festzustellen. Diese Entwicklung ist u. a. auf die wechselnden politischen Mehrheiten in der französischen Nationalversammlung und die dort kontrovers geführten Diskussionen zu Gesetzesänderungen zurückzuführen. Gegen den Widerstand der Opposition durchgesetzte Änderungen wurden häufig wenig später von einer anders zusammengesetzten Nationalversammlung aufgehoben oder abgeschwächt. Das Luxemburger Wort legt mit den medienspezifisch eruierten Europaund Image-Topoi den Fokus auf die Entwicklungsschritte in der europäischen Migrations- und Asylpolitik. Gerade für kleinere Staaten bedeutet die europäische Werteund Rechtsgemeinschaft Sicherheit, die sowohl großen als auch kleinen Staaten gleiches Recht zuspricht. Damit wird auch eine Imagesteigerung bei den größeren Territorialstaaten verfolgt, die sich bei der Topos-Analyse zur luxemburgischen Tageszeitung in der Verwendung des weiteren medienspezifischen Image-Topos äußerte. Mit dem Zahlen-Topos und dem Topos des wirtschaftlichen Nutzens wurden darüber hinaus auch medien- und damit kulturenübergreifende Topoi eruiert. Die kontextspezifischen Zahlen-Topoi sind inhaltlich unspezifisch und traten in den Medien häufig in Kombination mit anderen Topoi auf. Die Bedeutung des Topos des wirtschaftlichen Nutzens in allen drei Printmedien ist mit der Bevölkerungsentwicklung und dem Arbeitskräftebedarf in Deutschland, Frankreich und Luxemburg zu erklären. Stagnierende Geburtenraten, Überalterungsprozesse und der Fachkräftemangel
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führen seit dem 19. Jahrhundert wiederholt dazu, dass der steigende Bedarf an Arbeitskräften in Westeuropa nicht mehr befriedigt werden kann. Der Topos des wirtschaftlichen Nutzens wurde somit als traditionelles Argumentationsmuster in den Zeitungen ermittelt, dessen Bedeutung phasenweise zu- oder abnahm. Daneben gab es jeweils zwei Printmedien betreffende Überschneidungen bei der Verwendung von Topoi: der Humanitäts-Topos im Républicain Lorrain und im Luxemburger Wort. Sie traten überwiegend in Berichten über die Protest- und Pro-Regularisierungsbewegungen auf. Als Urheber dieser Argumente wurden neben Menschenrechtsinitiativen, Antirassismus-Organisationen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden Individuen der Protest- sowie Pro-Regularisierungsbewegungen ermittelt. Die Topos-Analysen für die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort stellten den grenzüberschreitenden Gebrauch von vier Topoi heraus: den Gefahren-, Aufklärungs- und Realitäts- sowie Demokratie-Topos. Der Belastungs-, Überfremdungsund Anpassungs-Topos fanden sich indes in der Saarbrücker Zeitung und im Républicain Lorrain wieder. Diese topischen Muster traten in der saarländischen und lothringischen Regionalzeitung vor allem im Zusammenhang mit einwanderungsablehnenden Bestimmungen auf. H6: Im Rahmen der Kollektivsymbol-Analyse ist zu erwarten, dass die Reichweite einzelner Symbol-Systeme nicht mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammenfällt. Vielmehr wird von einem gemeinsamen Grundbestand an Symbolen auszugehen sein, der von differenzierenden, je medienspezifischen Symbolen ergänzt wird. Diese Hypothese konnte bestätigt werden. Die Kollektivsymbol-Analyse ergab vier kulturenübergreifende Klassen: Natur, Zivilisation, Kultur und Raum. Das parallele Kursieren von Kollektivsymbol-Systemen in den Teilgebieten einer europäischen Grenzregion kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass die Reichweite einzelner Symbol-Systeme nicht mit den Grenzen der Nationalstaaten zusammenfällt. Durch die weltweit agierende Korrespondenten und Nachrichten aus aller Welt, aber auch interkulturell gültige Symbole konnte ein gemeinsamer Grundbestand an deutschen, französischen und luxemburgischen Kollektivsymbolen herausgearbeitet werden. Dabei handelte es sich um kollektivsymbolische Universalien, da bis auf wenige Ausnahmen (Zeitbombe, amalgame, pirouette, Mauerkrone, Insel und Herz/cœur) kaum größere Abweichungen in der Typologisierung der Pictura-Elemente bestanden. Abweichungen lagen hingegen in der Hierarchie der Bildklassen im Raster der Häufigkeit und Typologie vor: die Saarbrücker Zeitung und das Luxemburger Wort wiesen eine äquivalente Hierarchisierung der Klassen auf vom Bereich der Natur, über die Zivilisation und Kultur bis hin zu den Raum-Topiken; beim Républicain Lorrain dominierte hingegen der Bereich Zivilisation, gefolgt von den Klassen Natur, Kultur und Raum.
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Dieser Befund lässt sich durch die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Akteure im französischen Migrationsdiskurs (etwa bei den Aktivitäten der Pro-Regularisierungsbewegungen) erklären. Das von Jürgen Link entwickelte Kollektivsymbol-System für die Bundesrepublik ist allerdings unter dem Vorbehalt einer fehlenden Trendaussage zu luxemburgischen Kollektivsymbolen somit auch auf Luxemburg zu übertragen. Die kollektivsymbolischen Universalien haben – wie beim Link’schen System – eine dualistische, auf Binäroppositionen hin angelegte Struktur. Die Kollektivsymbole konnten vor allem den Gegensätzen Innen und Außen zugeordnet werden, z.B. durch die Kollektivsymbole Flut/flux, Welle/vague, Strom/coulée, Zeitbombe. Zum Komplex »Innen« zählen die Symbole Boot/bateau und Mauerkrone. Das »Loch« in der Systemaußengrenze zeigte sich über das in allen drei Zeitungen ermittelte Symbol »Schläfer/agent dormant«, durch das die äußere Bedrohung für das innere System zur Realität werden kann. Daneben wurde mit Kopftuch/voile ein Symbol ermittelt, das die Bedrohung durch ein (religiöses) Gegensystem ausdrückt. Die in der Mitte dieses System befindliche Herzsymbolik wurde ausschließlich im Luxemburger Wort eruiert. Dieser Befund ist jedoch vor dem Hintergrund der Auswahlmethode der künstlichen Woche zu betrachten. Mit Blick auf die differenzierten Aussagen bei der Überprüfung der Differenz- und Konkordanzhypothese lassen sich in der Arbeit folgende Einsichten und Erkenntnisse zusammenfassen: Einerseits zeigte sie auf, dass sich die nationalen Systemkontexte in den Medieninhaltsanalysen zu journalistischen Darstellungsmerkmalen, Themenagenden sowie Handlungs- und Aussagenträgern widerspiegeln; die inhaltsanalytischen Ergebnisse deckten sich somit größtenteils mit den länderspezifischen sozialen Wirklichkeiten. Andererseits konnte die Interdiskursanalyse übergreifende Denkmuster aufdecken: Diese wurden in einem gemeinsamen Grundbestand an Kollektivsymbolen und Argumentationsmustern nachgewiesen, der von medienspezifischen Elementen ergänzt wurde. Diese Erkenntnis ist keineswegs konträr zur vorhergehenden aufzufassen, da der Theorie Foucaults folgend Diskurse kein Abbild der Realität, sondern die zentrale Konstruktionsinstanz gesellschaftlicher Wirklichkeit darstellen.18 Dabei zeigte sich in allen drei Printmedien, dass topische Muster nicht nur defensiv zur Abwehr restriktiver Bestimmungen verwendet wurden, sondern zeitweise auch offensiv zur Begründung zuzugs- oder integrationsfavorisierender Maßnahmen. Während in der saarländischen und lothringischen Tageszeitung ein überwiegend problem- und risikoorientierter Blick auf Migration und Migranten ermittelt wurde, richtete die luxemburgische Zeitung ihren Fokus auf Potentiale und Ressourcen von Einwanderung und Vielfalt in Luxemburg. Die europäische Grenzregion als
18 Vgl. R. Keller: Diskursforschung, S. 67.
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Ganzes in Betracht ziehende Zusammenhänge wurden weitgehend mittels grenzüberschreitender Hinweise in Sonderseiten hergestellt. Als Beleg für eine grenzüberschreitend kommunizierende Grenzregion genügt dieser Befund jedoch nicht.
6.2 M ETHODISCHE R ÜCKSCHLÜSSE Mit der Vergleichsstudie zu Darstellungen von Migranten in den Medien der europäischen Grenzregion SaarLorLux wurde in thematischer Hinsicht und die Region betreffend wissenschaftliches Neuland betreten. In theoretisch-methodischer Hinsicht liegen hingegen bereits zahlreiche inhalts- und diskursanalytische Ansätze zur Darstellung von Migranten in Medien vor, jedoch nur vereinzelt unter Anwendung eines Methodenmixes. Da die Studie mit Auswahl eines plurithematischen und anhand eines Mehrmethodendesigns analysierten Gegenstandes breit angelegt war, stellten sich einige methodische Probleme. Als schwierig erwies sich bei der komparativen Analyse, dass die Verfasserin der vorliegenden Arbeit aus der deutschen Forschungstradition stammt und keine vollständigen Einblicke in die kollektiven Wissensbestände, Migrationsstrukturen sowie journalistischen Traditionen in Frankreich und Luxemburg hatte. Die fortgeschrittenen bzw. fachkundigen bis muttersprachlichen Kenntnisse in den drei für die Konzeption und Ausarbeitung der Studie relevanten Sprachen hat diese Defizite zumindest bezüglich des Literalsinns der Texte ausgleichen können, wenngleich die Auswertung der fremdsprachigen Artikel im übertragenen Sinn nur eingeschränkt möglich war. Ein größeres Problem war der Tatsache geschuldet, dass innerhalb des bereits als eigenständige sozialwissenschaftliche Methode ausgewiesenen Vergleichs zwei Erhebungsmethoden durchgeführt wurden. Bei der ergänzend herangezogenen Interdiskursanalyse lag der Fokus folglich lediglich auf der Bestandsaufnahme von PicturaElementen und nicht auf einer diesem ersten Schritt folgenden Gegenüberstellung von empirischen Befunden und dem Diskurskanon der Zeit, wodurch der Zusammenhang von Texten, diskursiven Positionen und verschiedenen Publiken zu erforschen wäre. Ferner musste im Rahmen dieses empirisch fundierten interdiskursanalytischen Vorgehens eine aus dem Datenbestand entnommene Auswahl aus einer Vielzahl von Kollektivsymbolen und Topoi getroffen werden, die aufgrund der Ergebnisse aus dem Pretest jedoch auf Repräsentativität beruht. Die Befunde und Erklärungsansätze zur Dominanz und historischen (Dis-)Kontinuität von Argumentationsmustern und Kollektivsymbolen in den Migrationsdiskursen sind demnach auf diesen Geltungsbereich beschränkt. Eine damit zusammenhängende Begrenzung des Geltungsbereichs betrifft die insbesondere qualitativen Ergebnisse zum Luxemburger Wort. Die relativ kleine
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Stichprobe an luxemburgischen Artikeln erlaubt keine einwandfreien Inferenzschlüsse von den Ergebnissen der Medienanalyse auf die Grundgesamtheit. So ist das Ergebnis der Kollektivsymbolanalyse aufgrund der geringen Fallzahlen auch nicht als eine gänzliche Nicht-Existenz von luxemburgischen Kollektivsymbolen in der Migrationsberichterstattung zu interpretieren. Eine Vollerhebung der luxemburgischen Artikel würde vergleichsweise zu höheren Fallzahlen führen und die Voraussetzung für eine Trendaussage ermöglichen. Eine weitere Herausforderung betraf die Auswahl einer Grenzregion als Untersuchungsregion. Die Handhabbarkeit der verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen erfordert trotz des Bezugs auf eine kleinräumige, überschaubare Grenzregion die Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen politischen Steuerungssysteme, der ländereigenen (ausländerpolitischen) Rahmen sowie der regionalen und nationalen Mediensysteme. Beim Forschungsstand, bei der Darstellung des komparativen Forschungsaufrisses und nicht zuletzt in den empirischen Analysen selbst mussten diese Maßstabsebenen in der vorliegenden Studie immer wieder angelegt und separat aufgeschlüsselt werden.
6.3 AUSBLICK Trotz der Schwierigkeiten mit dem Mehrmethodendesign verfügt die Kombination aus vergleichender Inhalts- und Interdiskursanalyse in der kulturwissenschaftlichen Grenzforschung über ein großes Potential. Vermeintliche Selbstverständlichkeiten der nationalen Berichterstattungsmuster werden in einer vergleichenden Analyse von Ländern, die sich etwa in der Beteiligung der Zivilgesellschaft an Konfliktthemen deutlich unterscheiden, in Frage gestellt. Der analytische Blick wird durch die Gegenüberstellung geschärft. Eine vergleichende Interdiskursanalyse durchzuführen, eröffnete entsprechend weitergehende Schlüsse auf das Rückgrat der Medientexte: Zwar stellte diese mit Rückgriff der drei Printmedien auf zum Teil ähnliche topische Muster und kollektive Symbole grenzüberschreitend gültige Deutungsmuster heraus, stützte aber zugleich in zahlreichen Ergebnissen die inhaltsanalytischen, die Bedeutung der nationalen Systemkontexte hervorhebenden Befunde. Die qualitative Erhebung durch die Interdiskursanalyse ist damit ein zentrales Indiz für die Kriteriumsvalidität des festgelegten Kategoriensystems. Um die Reichweite dieses Vergleichs über die hier vorgelegten Ergebnisse hinaus zu überprüfen, ist eine weiterführende Forschung notwendig, und zwar insbesondere auf folgenden sechs Feldern: Erstens: Für die Inhaltsanalyse ergibt sich ein Forschungsbedarf bezüglich der Suchstrategie des Vergleichens. Für diesen ersten komplexen medienanalytischen
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Beitrag zur Grenzforschung standen ausschließlich die inhaltliche Nähe und die Unterschiede von Vergleichsobjekten im Sinne von Konkordanzen sowie Differenzen im Mittelpunkt der Untersuchung. Über die Konkordanz- und Differenzmethode hinaus rücken Politik- und Medienwissenschaftler wie Hans Kleinsteuber Prozesse der Diffusion, Dependenz, Temporanz und Performanz in den Mittelpunkt ihrer Vergleichsanalysen.19 Beispielsweise könnten mit dem Grundmuster der Temporanz die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in Migrationsfragen je Teilregion mit Blick auf mögliche zeitverschobene Entwicklungen deutlicher gemacht werden, die ihrerseits Hinweise auf die Art der medialen Darstellung von Migranten ermöglichen. Diese weiteren Grundmuster des Vergleichens bleiben somit nicht bei der Erforschung statischer Prozesse stehen, sondern berücksichtigen die dynamischen Vorgänge beim Überspringen von Grenzen. Eine differenzierte Analyse der Zeitungsteile würde zweitens weitere Unterschiede erwarten lassen: Der von Kathrin Schmäl durchgeführte Vergleich zwischen der Migrationsberichterstattung im Mantelteil und den Lokalteilen in der Saarbrücker Zeitung für die 1980er Jahre zeigt Differenzen zwischen den Zeitungsteilen: Themen wie Migrationspolitik standen demnach im überregionalen Zeitungsteil im Vordergrund; in der lokalen Berichterstattung dominierten hingegen Human-Interest-Themen wie die Darstellung von Kulturveranstaltungen und Festen in den Kommunen.20 Mit Benzinger ließe sich diese integrative Rolle lokaler Massenkommunikation damit erklären, dass »[d]urch lokale Berichterstattung […] der lokale Lebensraum eine kulturelle Integration [gewinnt], die für die Bürger nicht nur ein ordnendes Element für den Alltag bedeutet, sondern sie auch über geographisch kaum merkbare kommunale Grenzen hinwegsehen und das Ganze als Einheit empfinden läßt«.21 Drittens: Eine in zukünftigen Forschungsarbeiten zu stellende Frage im Rahmen der grenzüberschreitenden Kollektivsymbolanalyse bleibt, ob und inwiefern bestimmte Bildwelten beim Rezipienten eine größere Wirkungsweise entfalten. Um zu überprüfen, ob eine höhere Wirkungswahrscheinlichkeit vorliegt, wenn Migrationsformen und -ereignisse mit Naturerscheinungen (Klasse Natur) oder Krankheiten (Klasse Zivilisation) symbolisiert werden, bedarf es einer kulturvergleichend angelegten Rezeptions- bzw. Wirkungsstudie. Beide Klassen lassen jedoch auf einen problem- und risikoorientierten (medialen) Zugang zu Migration und Migranten schließen, der in Folge eine nicht unerhebliche Wirkung beim Rezipienten vermuten lässt. Um den plurithematischen Gegenstand der vorliegenden Studie, u. a. bezüglich der hermeneutischen Tiefe in den qualitativen Ergebnissen, auszubauen, gilt es, so ein vierter Forschungsbedarf, gezielt bestimmte Migrantengruppen in vergleichender 19 Vgl. H. Kleinsteuber: Mediensysteme, S. 46f. 20 Vgl. K. Schmäl: Wahrnehmung, S. 298f. 21 J.-P. Benzinger: Lokalpresse, S. 51f.
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Perspektive detaillierter zu analysieren. Die sozio-historische und teilweise medienanalytische Untersuchung von beispielsweise sozialen Bewegungen illegaler Migranten in Frankreich und Deutschland bzw. in bundesdeutschen Städten wie München, Leipzig und Berlin wurde, wie die Arbeiten von Ute Lindemann, Katharina Ludwig, Philip Anderson und Jörg Alt zeigen, bereits durchgeführt.22 Ländervergleichenden Entstehungsbedingungen von Pro-Regularisierungsbewegungen wurde indes nur vereinzelt nachgegangen. Hierzu zählt die mehrfach zitierte Dissertation von Barbara Laubenthal über die sozialen Bewegungen illegaler Migranten in Frankreich, Spanien und der Schweiz.23 Als immer stärker in den Fokus rückende politische Akteure in Westeuropa stellen die Pro-Regularisierungsbewegungen auch in Deutschland, Frankreich und Luxemburg sowie in der europäischen Grenzregion SaarLorLux ein sozio-politisch diskutiertes Phänomen dar; eine umfassende sozio-historische und/oder medienanalytische Aufbereitung dieser sozialen Bewegungen im SaarLorLux-Raum über die in der vorliegenden Studie erarbeiteten grundlegenden Zusammenhänge steht indes noch aus. Das von Laubenthal entwickelte Analysemodell, das aus bekannten Ansätzen Forschung zu sozialen Bewegungen sowie u. a. dem poor people’s movement entwickelt wurde, kann dabei als Ausgangsbasis der weiteren Erforschung von Pro-Regularisierungsbewegungen dienen.24 Ein induktiv-empiristischer Erkenntnisweg, der eine Schlussfolgerung vom Einzelnen, d.h. Besonderen, auf etwas Allgemeines bzw. Gesetzmäßiges erlaubt, erfordert fünftens (Medien-)Analysen zur Migrantenberichterstattung, aber auch zu anderen Themenbereichen in weiteren grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen. Ausgehend von der SaarLorLux-Region sind dementsprechend andere europäische Grenzregionen mit starkem Migrationsaufkommen, z.B. die Arbeitsgemeinschaft Alpen Adria, die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (ARGE ALP) oder die Communauté de travail des Cantons et des Régions des Alpes (COTRAO), aber auch Kooperationsbeziehungen zwischen weit entfernt liegenden Regionen Europas wie beispielsweise der Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) sowie transnationalen Grenzräumen auf anderen Kontinenten (z.B. der Grenzraum Mexiko/USA) als Vergleichsbasis heranzuziehen.25 Sechstens: Mit Blick auf umfangreiche und gezielte Fördermaßnahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Regionalpolitik würde eine stärkere Aufarbeitung der massenmedial hergestellten Öffentlichkeitsprozesse
22 Vgl. U. Lindemann: Sans-Papiers-Proteste; K. Ludwig: Citoyen; Anderson, Philip: »Dass sie uns nicht vergessen«. Menschen in der Illegalität in München, München 2002; J. Alt: Leben. 23 Vgl. B. Laubenthal: Kampf. 24 Vgl. ebd., S. 42-44. 25 Vgl. R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 52-72.
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innerhalb geförderter europäischer Grenzregionen ein höheres Maß an Teilhabemöglichkeiten für EU-Bürger bedeuten.26 Der Fokus läge im Sinne der Erforschung europäischer Öffentlichkeit auf in Massenmedien zu eruierenden Themen und Akteuren des Europäisierungsprozesses.27 Dem Phänomen der Ereignisbezogenheit bei Medienanalysen zur Europaberichterstattung würde eine von zentralen Schlüsselereignissen unabhängige Studie, die zugleich Vergleichsparameter mit einem expliziten Europabezug festlegt, entgegentreten. 28 Dadurch wäre der Forschungsgegenstand im Vergleich zur vorliegenden breit angelegten Studie tendenziell thematisch enger gefasst, wenngleich unter Einbeziehung von Öffentlichkeitsmodellen methodisch nicht weniger komplex. Zwar untersuchten ausgehend von einer Umfragestudie Jens Tenscher und Siegmar Schmidt die massenmediale Beobachtung und Bewertung des europäischen Integrationsprozesses in der europäischen Grenzregion Südpfalz, die über die Regionalpolitik der Europäischen Union und durch grenzüberschreitende Netzwerke stark an die EU angebunden ist.29 Daran anknüpfend könnte eine in Grenzregionen angelegte Medienanalyse über Themen des europäischen Integrationsprozesses weitergehende Aufschlüsse über den Grad der kommunikativen Überlappung, Durchdringung und Verschränkung nationaler und supranationaler Medienräume geben. Erst die Kombination aus Medien- und Rezeptionsstudie ermöglicht, eine verbesserte massenmediale Kommunikationsstrategie zu entwickeln, um das für viele Bürger noch ferne Projekt Europa der Bevölkerung näher zu bringen. Komparative medienanalytische Grenzforschung zu betreiben, zeigt – wie die vorliegende Studie exemplarisch dargelegt hat – inter- und transkulturelle Prozesse auf, insbesondere durch den zu Grunde gelegten interdisziplinären Ansatz: In dem Zwischen des Disziplinären spiegelt sich dabei – wie der Literaturwissenschaftler und Interkulturalitätsforscher Dieter Heimböckel zurecht feststellt – »das Zwischen,
26 Vgl. M. Latzer/F. Saurwein: Europäisierung, S. 10. 27 Vgl. R. Hrbek/S. Weyand: Europa, S. 28. 28 Vgl. Trenz, Jörg: »Banaler Europäismus. Eine unbeachtete Kategorie der politischen Kommunikation über Europa in den Medien«, in: Wolfgang Langenbucher/Michael Latzer (Hg.), Europäische Öffentlichkeit und medialer Wandel. Eine transdisziplinäre Perspektive, Wiesbaden 2006, S. 192-213, hier S. 207. 29 Vgl. Tenscher, Jens/Schmidt, Siegmar: »›So nah und doch so fern‹. Empirische Befunde zur massenmedialen Beobachtung und Bewertung des europäischen Integrationsprozesses in einer Grenzregion«, in: Lutz Hagen (Hg.), Europäische Union und mediale Öffentlichkeit. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde zur Rolle der Medien im europäischen Einigungsprozess, Köln 2004, S. 212-237.
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Übergängige und Vielfältige des Gegenstandes«30 wider. Eine über Grenzen hinweg betriebene Forschung liefert ihrerseits die Voraussetzung für Medienakteure und Bürger, über kulturelle Grenzen hinweg erfolgreiche Kommunikation in Europa umzusetzen.31 Dadurch kann dem durch Skeptiker vielfach geäußerten Demokratie- und Öffentlichkeitsdefizit der Europäischen Union, insbesondere vor dem Hintergrund der seit 2009 andauernden Eurokrise, entgegengewirkt werden: »Die Existenz einer ausreichend entwickelten politischen Öffentlichkeit gilt unter normativen und demokratietheoretischen Gesichtspunkten als einer der zentralen Eckpfeiler eines funktionierenden demokratischen politischen Systems.«32
30 Heimböckel, Dieter: »Interkulturalität interdisziplinär denken. Ansätze zur Erweiterung ihrer Komplexität«, in: Thomas Ernst/ders. (Hg.), Verortungen der Interkulturalität. Die »Europäischen Kulturhauptstädte« Luxemburg und die Großregion (2007), das Ruhrgebiet (2010) und Istanbul (2010), Bielefeld 2012, S. 21-38, hier S. 25. 31 Vgl. Cappai, Gabriele: »Der interkulturelle Vergleich. Herausforderungen und Strategien einer sozialwissenschaftlichen Methode«, in: Ilja Srubar/Joachim Renn/Ulrich Wenzel (Hg.), Kulturen vergleichen. Sozial- und kulturwissenschaftliche Grundlagen und Kontroversen, Wiesbaden 2005, S. 48-78, hier S. 49. 32 Lohner, Judith: Die Europäische Union in der Regionalpresse. Inhalte und journalistische Praxis aktueller Berichterstattung, Berlin 2011, S. 11.
7. Literaturverzeichnis
7.1 Q UELLEN 7.1.1 Saarbrücker Zeitung Anonymus: »Wohncontainer eine ›Zeitbombe‹. Wirbel in St. Ingbert um die Unterkünfte für Asylbewerber«, in: Saarbrücker Zeitung vom 25.01.1990, Lokalteil St. Ingbert, S. 4. Associated Press/Deutsche Presse-Agentur: »Warnung vor Zuwanderer-Welle«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14.02.1990, S. 1. Associated Press: »Proteste wegen Ausländergesetz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.04.1990, S. 2. Jungmann, Michael: »Wenn Asylbewerber in Lebach die Polizeidienststelle belagern«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14./15.07.1990, S. 3. Bernarding, Bernard: »Lager in Lebach ist wieder normal belegt. Telefonaktion der SZ fand große Resonanz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 07.08.1990, Lokalteil Lebach, Titelseite. Associated Press: »Asylbewerberzahl wieder gestiegen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 05.02.1991, S. 18. Deutsche Presse-Agentur: »Läpple will Zuwanderung stoppen. Weniger Rechte für Asylbewerber und Aussiedler«, in: Saarbrücker Zeitung vom 18.02.1991, Titelseite. Deutsche Presse-Agentur: »Ja zu fünf Ausländern«, in: Saarbrücker Zeitung vom 23.04.1991, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken, S. 15. Wein, Wulf: »Angst vor dem ›Schlachthof des Rassismus‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 19.07.1991, S. 3. Bering, Klaus: »Flüchtlingswelle aus dem Osten könnte zu einer Asyl-Flut werden«, in: Saarbrücker Zeitung vom 01.08.1991, S. 3. Associated Press: »Kohl: ›Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 12.08.1991, S. 2.
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Franz, Gerhard: »Die meisten Asylbewerber drängt es nach Deutschland«, in: Saarbrücker Zeitung vom 21./22.09.1991, S. 4. Deutsche Presse-Agentur: »Asylanten werden umquartiert«, in: Saarbrücker Zeitung vom 24.09.1991, Titelseite. Janovska, Sylvia: »Vom blühenden Geschäft mit der ›Ware‹ Mensch. Schlepperbanden an tschechisch-deutscher Grenze wittern Morgenluft«, in: Saarbrücker Zeitung vom 04.03.1993, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken. Wettlaufer, Günther: »Darum läßt der DFB nur drei Ausländer zu«, in: Saarbrücker Zeitung vom 27.05.1993, Lokalteil Stadtverband Saarbrücken. Anonymus: »›Im Stich gelassen‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 23.04.1993, Lokalteil Saarbrücken Stadtverband. Reinert, Ralf: »Türkgücü bestreitet erstes Punktspiel«, in: Saarbrücker Zeitung vom 06.08.1994, Lokalteil Homburg. Anonymus: »Gegen Rassismus«, in: Saarbrücker Zeitung vom 28.09.1994, Lokalteil Homburg. Neukirch, Ralf: »Badminton: Keine Zahlengrenzen für EU-Ausländer?«, in: Saarbrücker Zeitung vom 05.02.1996, Lokalteil Saarbrücken Stadtverband. Deutsche Presse-Agentur: »Aussiedler-Streit geht weiter«, in: Saarbrücker Zeitung vom 29.02.1996. Mahren, Gabriel: »Es geht um Wähler«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996. Pachten, Stefan: »Populist Lafontaine«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996. Liebhart, Samuel: »Keine Sündenböcke«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996. Pfeifer, Elisabeth: »Enttäuscht über die SPD«, in: Saarbrücker Zeitung vom 09.03.1996. Quack, Brigitte: »Fußball überwindet Grenzen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 04.02.1998, Lokalteil St. Ingbert. Agence France Presse: »›Abgrenzungs-Symbol‹. Moslemin mit Kopftuch wird nicht als Lehrerin übernommen«, in: Saarbrücker Zeitung vom 14.07.1998. Associated Press: »Schily: ›Das Boot ist voll‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 16.11.1998. Peters, Guido: »Dran bleiben, Herr Schily«, in: Saarbrücker Zeitung vom 25.11.1998. Anonymus: »Fast alle Saarländer sind ›Asylanten‹«, in: Saarbrücker Zeitung vom 15.01.1999. Fiedler, Friedhelm: »Die Green-Card-Debatte zeigt Deutschlands Schwächen. Inder und Kinder«, in: Saarbrücker Zeitung vom 20.04.2000. Braun, Esther: »Wir brauchen dringend ein Zuwanderungsgesetz. Ausländer rein!«, in: Saarbrücker Zeitung vom 17.04.2001, Lokalteil Saarlouis. Seydewitz, Rolf: »Integrationskurse statt Leitkultur«, in: Saarbrücker Zeitung vom 11.05.2001. Associated Press: »Bewegung im Einwanderungs-Streit«, in: Saarbrücker Zeitung vom 22.12.2001, S. 5.
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Becker, Karlheinz: »Ay Yildiz siegreich im eigenen Turnier«, in: Saarbrücker Zeitung vom 08.01.2002, Lokalteil Völklingen, S. 5. Agence France Presse: »Wirtschaft will mehr Zuwanderung«, in: Saarbrücker Zeitung vom 17.01.2002, S. 4. Pfeiffer, Christine: »Saarbrücken braucht Ausländer, sonst wird in der Stadt das Geld knapp«, in: Saarbrücker Zeitung vom 21.2.2002, Lokalteil Sulzbach, S. 1. Agence France Presse: »Aufgeheizte Debatte über Leitkultur, Patriotismus und Integration«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.12.2004, S. 6. Vetter, Stefan: »Süssmuth will Facharbeiter anwerben«, in: Saarbrücker Zeitung vom 20.02.2004, S. 2. Klein, Thorsten: »Ali Tanriverdi heißt der Neue. Neues bei Türkgücü Schmelz«, in: Saarbrücker Zeitung vom 03.08.2005, Lokalteil Dillingen. Glaesener, Dieter: »Deutlich weniger Asylbewerber«, in: Saarbrücker Zeitung vom 26.09.2005, S. 2. Gesper, Jürgen: »Die ›Festung Frankreich‹ erhitzt politische Gemüter«, in: Saarbrücker Zeitung vom 28.07.2006, S. 3. Anonymus: »Jugendmedizin-Preis für den Saarbrücker Verein Ramesch«, in: Saarbrücker Zeitung vom 24.03.2010, S. 4. 7.1.2 Le Républicain Lorrain Anonymus: »Bilan 89 l’immigration. Sarreguemines attire les Allemands«, in: Le Républicain Lorrain vom 24.03.1990, édition de Sarreguemines. Anonymus: »France plus Metz. L’intégration passe par le dialogue«, in: Le Républicain Lorrain vom 03.04.1990, édition de Metz. Anonymus: »Association des travailleurs de Turquie. Préserver le droit des femmes«, in: Le Républicain Lorrain vom 19.04.1990, édition de Metz. Anonymus: »4.800 Portugais: une intégration réussie«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.05.1990, édition de Thionville. Daniel, Jacques: »Immigration: le consensus en panne«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.05.1990, édition de Metz. Anonymus: »Stabilité en Moselle«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.11.1990, édition de Metz. Anonymus: »Intégration des immigrés: les exemples lorrains«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.03.1991. Anonymus: »Les Portugais protègent leurs racines«, in: Le Républicain Lorrain vom 08.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes, S. 12. Anonymus: »Ressortissant turc invité à quitter la France«, in: Le Républicain Lorrain vom 16.04.1991, édition de Sarrebourg. Anonymus: »8ème jour de grève de la faim. Les Turcs de Fameck déterminés«, in: Le Républicain Lorrain vom 16.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes.
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Anonymus: »Rencontre dans un café turc«, in: Républicain Lorrain vom 24.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Turcs de Fameck: dans l’expectative«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.04.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Les Turcs de St-Dizier refusent les autorisations de séjour et de travail«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.05.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Sousse, Michel: »La Lorraine, nouvel Eldorado des réfugiés albanais«, in: Le Républicain Lorrain vom 28.08.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Suffert, Georges: »Immigration: l’opposition relance le débat«, in: Le Républicain Lorrain vom 21.09.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Réfugiés turcs. Les grévistes de la faim reçus«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.12.1991, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Les étrangers à Saint-Avold«, in: Le Républicain Lorrain vom 20.02.1992, édition Saint-Avold. Anonymus: »Les réfugiés de l’ex-yougoslawie à Saint-Avold«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition Saint-Avold. Anonymus: »Ouverture d’un bureau syndical pour les frontaliers à Florange«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition de Thionville. Anonymus: »Bureau syndical pour les frontaliers«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.07.1992, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Travailleurs frontaliers de la Moselle: ›Pour un Europe de la Justice sociale‹«, in: Le Républicain Lorrain vom 05.10.1992, édition de Sarreguemines. Anonymus: »Le ciel se couvre sur la tête des frontaliers«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.04.1993, édition d’Hayange. Anonymus: »L’imam de Woippy était lié aux mouvements terroristes«, in: Le Républicain Lorrain vom 25.10.1994, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »8000 Allemands en Moselle-Est«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Entre Forbach et Sarreguemines«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Leur nombre a augmenté de 1400 en deux ans«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Départs annuels de Sarrois vers la France«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Cherche maison ancienne…«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »La tranquilité de Spicherern«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Bien intégré à Bouzonville«, in: Le Républicain Lorrain vom 18.07.1995, édition de Forbach, S. 9. Anonymus: »Maliens sans papiers expulsées vers Bamako«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.03.1996, édition de Longwy.
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Anonymus: »Communiqué. Affaire des ›sans-papiers‹: la déposition de J.-M. Demange«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.08.1996, édition de Thionville. Anonymus: »Sans-papiers de Paris: de nombreuses réactions«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.08.1996, édition de Metz. Anonymus: »Foulard islamique. L’exclusion d’une lycéenne de Strasbourg annulée«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.10.1996, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Grève de la faim à Fameck pour sauver la situation des harkis«, in: Le Républicain Lorrain vom 01.10.1997, édition de Thionville. Anonymus: »Mobilisation contre le foulard à l’école«, in: Le Républicain Lorrain, 06.01.1999, édition meurthe-et-mosellanes. Anonymus: »Les Sarrois attirés pars la Moselle-Est«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999. Anonymus: »Qualité de la vie«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999. Anonymus: »La scolarité de la vie«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.05.1999. Anonymus: »Minorités: la France épinglée«, in: Le Républicain Lorrain vom 29.06.2000, édition de Metz, S. 48. Anonymus: »Une donnée nationale«, in: Le Républicain Lorrain vom 21.09.2001, édition de Metz, S. 3. Anonymus: »La guerre d’Algérie fait toujours débat quarante ans après«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.03.2005, édition de Longwy, S. 3. Anonymus: »Famille algérienne menacée d’expulsion«, in: Le Républicain Lorrain vom 23.03.2005, édition de Sarrebourg, S. 5. Anonymus: »Fameck. L’immigration au cœur de la ville«, in: Le Républicain Lorrain vom 08.04.2005, édition Fameck – Florange – Uckange, S. 11. Anonymus: »Un plaidoyer pour l’intégration«, in: Le Républicain Lorrain vom 04.05.2005, édition du pays de Phalsbourg, S. 5. Bastuck, Nicolas: »Infrastructures. Un centre de rétention verra le jour à Metz-Queuleu«, in: Le Républicain Lorrain vom 07.06.2005, édition meurthe-et-mosellanes, S. 22. Schmitt, Laurence: »Elan pour une famille kosovar«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Thionville, S. 3. Anonymus: »Une visite culturelle pour comprendre la vie des immigrés«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Freyming-Merlebach, S. 12. Anonymus: »Inter Service Migrants fait le point«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.06.2005, édition de Metz, S. 10. Anonymus: »Metz, terre d’accueil«, in: Le Républicain Lorrain vom 12.08.2005, édition de Metz, S. 18. Raux, Monique: »Un centre de rétention pour étrangers à Martincourt«, in: Le Républicain Lorrain vom 11.10.2005, édition meurthe-et-mosellanes, S. 21. Anonymus: »Alvaro Makiesse: ›Nous voulons juste avoir une vie normale‹«, in: Le Républicain Lorrain vom 04.11.2005, édition de Freyming-Merlebach, S. 13.
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Anonymus: »Vers des expulsions très limitées«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.11.2005, édition de Metz, Titelseite. Anonymus: »Solidarité. ›Nous sommes bien seuls‹«, in: Le Républicain Lorrain vom 04.11.2005. Anonymus: »Banlieues: fermeté malgré l’accalmie«, in: Le Républicain Lorrain vom 14.11.2005, édition de Metz, S. 11. Anonymus: »Football et racisme«, in: Le Républicain Lorrain vom 22.11.2005, édition de Metz, S. 31. Anonymus: »Coup de frein à l’immigration«, in: Le Républicain Lorrain vom 30.11.2005, édition de Metz, S. 31. Anonymus: »Emeutes: les expulsions ont fait long feu«, in: Le Républicain Lorrain vom 27.01.2006, édition de Metz, S. 23. Anonymus: »Immigration illégale: l’UE s’inquiète«, in: Le Républicain Lorrain, 28.03.2007, édition de Metz, S. 35. Anonymus: »Voeux du maire: des chantiers importants«, in: Le Républicain Lorrain vom 15.01.2009, édition de Metz, S. 3. 7.1.3 Luxemburger Wort Anonymus: »Services d’information électroniques. Vers un cadre européen de protection juridique«, in: Luxemburger Wort vom 24.03.1990, S. 15. Anonymus: »Schweden. Regierung mitverantwortlich für Attentatswelle gegen Asylbewerber?«, in: Luxemburger Wort vom 31.05.1990, S. 2. Kollwelter, Serge: »Welches Ausländerwahlrecht und wozu?«, in: Luxemburger Wort vom 08.09.1990, S. 8. Anonymus: »Ettelbruck. Inauguration d’une bibliothèque à l’école portugaise«, in : Luxemburger Wort, 26.09.1990, S. 19. Anonymus: »Commune de Larochette. L’Association des Parents d’Elèves depuis six années au service des enfants«, in: Luxemburger Wort vom 20.10.1990, S. 17. Borschette, Aly: »Dudelange. En route vers la ›Journée des migrants‹«, in: Luxemburger Wort vom 20.10.1990, S. 17. Anonymus: »Die multikulturelle Gesellschaft – ein politisches Reizwort. Vortrag über politische Bildung, Verständigung und interkulturelles Lernen in der Thomas-Mann-Bibliothek«, in: Luxemburger Wort vom 11.12.1990, S. 4. Anonymus: »Conseil de l’Europa. Conférence sur l’immigration à Luxembourg«, in: Luxemburger Wort vom 05.09.1991, S. 3. Engels, Guy: »Toleranz ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1991, S. 4. Kieffer, Marcel: »In der Asylantenpolitik. Auch in Luxemburg besteht ein Handlungsbedarf«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1991, S. 3.
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Anonymus: »Neujahrsempfang im Justizministerium. ›Trevi 92‹ und Immigrationsproblematik im Mittelpunkt der EG-Präsidentschaft«, in: Luxemburger Wort vom 04.01.1992, S. 2. Bettendorf, Paul: »Hohe italienische Auszeichnung für Umberto Contato aus Düdelingen«, in: Luxemburger Wort vom 27.01.1992, S. 8. Anonymus: »Xe Festival de l’immigration à Limpertsberg. Vivre, travailler et décider ensemble. Pour une Europe sans discrimination, pour une mosaïque de cultures«, in: Luxemburger Wort vom 15.03.1993, S. 5. Bohle, Hermann: »EG. Asyl- und Einwanderungskonvention kommt«, in: Luxemburger Wort vom 27.05.1993, S. 2. Anonymus: »Pro Asyl: Schengener Abkommen nicht ratifizieren!«, in: Luxemburger Wort vom 22.06.1993, S. 4. Werle, Gerd: »Luxemburg profitiert von seiner EU-Mitgliedschaft«, in: Luxemburger Wort vom 16.03.1994, S. 5. Rausch, Agnes: »Vom zeitbegrenzten Asyl für Kriegsflüchtlinge«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Besch, Sylvain: »Bedenken des Flüchtlingsrates beim Gesetzesprojekt zur Einführung eines Überprüfungsverfahrens für Asylanträge«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Les réfugiés d’ex-Yougoslavie et Pax Christi«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Nécessité de normes minimales dans les procédures d’asile«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Remise du coeur en or pour réfugiés«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Das schönste Geburtstagsgeschenk«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Kein Asyl«, in: Luxemburger Wort vom 13.10.1994, Sonderseite: Journée internationale des réfugiés. Anonymus: »Racisme et xénophobie. Le ministre de l’Education nationale s’adresse aux directions des lycées«, in: Luxemburger Wort vom 20.11.1994, S. 4. Vink-Ruppert, Rita: »Zusammenleben von Luxemburgern und Ausländern. Das Modell Fels: mehr als nur schulische Integration«, in: Luxemburger Wort vom 21.03.1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale. Anonymus: »Amitiés Portugal – Luxembourg. Une amitié vivante«, in: Luxemburger Wort vom 21.03.1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale. Anonymus: »›Contacto‹, un journal de liaison en langue portugaise«, in: Luxemburger Wort vom 21.03.1997, Sonderseite: Journée internationale contre la discrimination raciale.
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Anonymus: »Akzente in der Nationaldivision. Nur zwei luxemburgische Spieler bei Schifflingen aufgeboten«, in: Luxemburger Wort vom 20.08.1999, S. 21. Schmitz, Anne-Aymone: »1 169 schulpflichtige Flüchtlingskinder leben in Luxemburg«, in: Luxemburger Wort vom 22.11.1999, S. 1. Nilles, Roger: »Es fehlt am Grundsätzlichsten«, in: Luxemburger Wort vom 13.01.2001, S. 10. Muller, Nico: »Gestern im Kino-Komplex Utopolis auf Kirchberg. Ausstellung über Flüchtlingsproblematik eröffnet«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001, S. 10. Bohle, Hermann: »Rat der EU-Innen- und Justizminister in Stockholm. 400 000 illegale Einwanderer im Jahr«, in: Luxemburger Wort vom 08.02.2001, S. 3. Zacherl, Michael: »In besonderer Sorge. Stellungnahme der europäischen Jesuitenprovinziäle zum Thema Flüchtlinge«, in: Luxemburger Wort vom 24.02.2001, S. 4. Katholische Nachrichtenagentur: »Nach den Wahlen: Papst mahnt Italien zur Fremdenfreundlichkeit«, in: Luxemburger Wort vom 19.05.2001, S. 21. Katholische Nachrichtenagentur: »US-Bischöfe: Menschenrechte bei Einwanderungsproblematik wahren«, in: Luxemburger Wort vom 14.06.2001, S. 2. Lycée technique d’Ettelbruck (Klasse 9 PR 3): »Nijaz soll bleiben!«, in: Luxemburger Wort vom 30.06.2001, S. 38. Lichtfous, Jean: »Projet de loi sur la nationalité luxembourgeoise. Le CLAE demande l’introduction dʼun ›droit du sol‹«, in: Luxemburger Wort vom 30.06.2001, S. 2. Biever, Tatiana: »ASTI-Picknick als Zeichen gegen die Zwangsausweisung«, in: Luxemburger Wort vom 02.07.2001, S. 15. Glesener, Marc: »Asyl- und Einwanderungspolitik in Europa. Die Benelux-Staaten als Motor«, in: Luxemburger Wort vom 10.07.2001, S. 2. Zwank, Raphael: »Protestmarsch gegen Ausweisung von Asylbewerbern«, in: Luxemburger Wort vom 21.08.2001, S. 8. Katholische Nachrichtenagentur: »Vatikan: Glaube und Rassismus unvereinbar«, in: Luxemburger Wort vom 06.09.2001, S. 23. Anonymus: »Hilfe für afghanische Flüchtlinge und bedrohte Christen in Pakistan«, in: Luxemburger Wort vom 18.10.2001, S. 11. Schlesser-Knaff, Christiane: »Dans le cadre de la semaine monténégrine«, in: Luxemburger Wort vom 26.10.2001, S. 15. Katholische Nachrichtenagentur: »Welttag der Migranten: Johannes Paul II. plädiert für ›Königsweg des Dialogs‹«, in: Luxemburger Wort vom 03.11.2001, S. 28. Katholische Nachrichtenagentur: »Papst: Absage an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit«, in: Luxemburger Wort vom 04.12.2002, S. 27. Zwank, Raphael: »ASTI fordert Regularisierung nach 30 Monaten«, in: Luxemburger Wort vom 13.05.2003, S. 10. Gengler, Claude: »Die Insel«, in: Luxemburger Wort vom 01.10.2003, S. 3. Werle, Gerd: »EU-Arbeitsministerrat in Brüssel. Kein Arbeitsortprinzip für arbeitslose Grenzgänger«, in: Luxemburger Wort vom 02.12.2003, S. 3.
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8. Abbildungsverzeichnis
8.1 ABBILDUNGEN Abbildung 1: Struktur und Funktion von Argumentationsmustern | 105 Abbildung 2: Binäroppositionen in der bundesdeutschen Kollektivsymbolik | 173
8.2 D IAGRAMME Diagramm 1: Saarbrücker Zeitung: Platzierung der Artikel in den Sparten bzw. Ressorts des Mantelteils | 114 Diagramm 2: Saarbrücker Zeitung: Journalistische Darstellungsformen in Prozent | 118 Diagramm 3: Saarbrücker Zeitung: Artikelverteilung zum Thema »Migration« 1990 bis 2010 | 121 Diagramm 4: Saarbrücker Zeitung: Mediale Peaks und Themenschwerpunkte | 122 Diagramm 5: Saarbrücker Zeitung: Anteilswerte der Statusgruppen in Prozent | 138 Diagramm 6: Saarbrücker Zeitung: Zeitliche Entwicklung der Artikel | 139 Diagramm 7: Saarbrücker Zeitung: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger | 144 Diagramm 8: Saarbrücker Zeitung: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger | 145 Diagramm 9: Saarbrücker Zeitung: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation | 150 Diagramm 10: Saarbrücker Zeitung: Topoi im Zeitverlauf | 151
362 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Diagramm 11: Saarbrücker Zeitung: Pictura-Elemente in Zeitachse | 163 Diagramm 12: Le Républicain Lorrain: Artikelverteilung 1990 bis 2010 | 184 Diagramm 13: Le Républicain Lorrain: Mediale Peaks und Themenschwerpunkte | 185 Diagramm 14: Le Républicain Lorrain: Anteilswerte der Statusgruppen in Prozent | 198 Diagramm 15: Le Républicain Lorrain: Statusgruppen im Zeitverlauf | 201 Diagramm 16: Le Républicain Lorrain: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger | 203 Diagramm 17: Le Républicain Lorrain: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger | 209 Diagramm 18: Le Républicain Lorrain: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation | 215 Diagramm 19: Le Républicain Lorrain: Topoi im Zeitverlauf | 216 Diagramm 20: Le Républicain Lorrain: Pictura-Elemente in Zeitachse | 232 Diagramm 21: Luxemburger Wort: Ressortverteilung in Prozent | 237 Diagramm 22: Luxemburger Wort: Ressortzuteilung und Sprachverteilung | 240 Diagramm 23: Luxemburger Wort: Artikelverteilung 1990 bis 2010 | 245 Diagramm 24: Luxemburger Wort: Prozentuale Anteilswerte der Statusgruppen (deutsche Bezeichnungen) | 254 Diagramm 25: Luxemburger Wort: Prozentuale Anteilswerte der Statusgruppen (französische Bezeichnungen) | 255 Diagramm 26: Luxemburger Wort: Statusgruppen im Zeitverlauf (deutsche Bezeichnungen) | 256 Diagramm 27: Luxemburger Wort: Statusgruppen im Zeitverlauf (französische Benennungen) | 259 Diagramm 28: Luxemburger Wort: Typologie und Häufigkeit der Handlungsträger | 261 Diagramm 29: Luxemburger Wort: Typologie und Häufigkeit der Aussagenträger | 262
A BBILDUNGSVERZEICHNIS | 363
Diagramm 30: Luxemburger Wort: Topoi nach Pro- und Contra-Argumentation | 268 Diagramm 31: Luxemburger Wort: Topoi im Zeitverlauf | 269 Diagramm 32: Luxemburger Wort: Kollektivsymbole in der Zeitachse | 286 Diagramm 33: Inter-Media-Vergleich: Position der Artikel | 294 Diagramm 34: Inter-Media-Vergleich: Journalistische Darstellungsformen | 295 Diagramm 35: Inter-Media-Vergleich: Themenebenen | 296 Diagramm 36: Inter-Media-Vergleich: Topoi | 300 Diagramm 37: Inter-Media-Vergleich: Typologisierung der Bildklassen | 305
8.3 T ABELLEN Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9:
Zuverlässigkeitsstatistik zur Ausgabe von Cronbachs Alpha, unterteilt nach Variablentyp und Anzahl der Testcodierungen | 95 Saarbrücker Zeitung: Politische Themenebene | 125 Saarbrücker Zeitung: Zivilgesellschaftliche Themenebene | 127 Saarbrücker Zeitung: Migrantenspezifische Themenebene | 133 Saarbrücker Zeitung: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent | 146 Saarbrücker Zeitung: Prozentuale Verteilung der Kollektivsymbole | 162 Le Républicain Lorrain: Politische Themenebene | 192 Le Républicain Lorrain: Zivilgesellschaftliche Themenebene | 195 Le Républicain Lorrain: Migrantenspezifische Themenebene | 196
364 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
Tabelle 10: Le Républicain Lorrain: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent | 211 Tabelle 11: Le Républicain Lorrain: Prozentuale Verteilung der Pictura-Elemente | 230 Tabelle 12: Luxemburger Wort: Synopse regionaler/nationaler und europäischer Ereignisse | 246 Tabelle 13: Luxemburger Wort: Politische Themenebene | 247 Tabelle 14: Luxemburger Wort: Zivilgesellschaftliche Ebene | 249 Tabelle 15: Luxemburger Wort: Migrantenspezifische Themenebene | 251 Tabelle 16: Luxemburger Wort: Ereignis- und Bezugsorte in Prozent | 265 Tabelle 17: Luxemburger Wort: Prozentuale Verteilung der Pictura-Elemente | 283
9. Codierbuch
Variablen
Code
1 2 3 4
1-nn 1-31 1-12 19902010 1-6 1 2 3 4 5 6 1-3 1 2 3
5
6
7
8
9 10 11
0 1 1-6 1 2 3 4 5 6
1-3 1
Inhalt FORMALE KATEGORIEN Nummer des Artikels Datumsangabe Monatsangabe Jahresangabe Wochentag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Name des Organs Saarbrücker Zeitung Le Républicain Lorrain Luxemburger Wort Abbildung nein ja Inhalt der Abbildung Darstellung von Migranten/Migrantenorganisationen Darstellung von Inländern/Politikern, etc. Darstellung von Inländern und Migranten Graphik Karikatur Anderes, z.B. Gebäude oder Sachen Fläche der Abbildungen (in cm2) Fläche des Artikels (in cm2) Sprache des Artikels Deutsch
366 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
12
13
14
2 3 1-20 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 1-13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 111 12 13 1-34 1 2 3 4 5 6 7
Französisch Luxemburgisch Platzierung im redaktionellen Kontext Politik (und Gesellschaft) Themen des Tages Lokales Saarland-Seite Kommentare-Hintergründe Blick in die Welt Leserseite Innenpolitik Außenpolitik/Internationale Politik Kommentare-Hintergründe Blick in die Welt Landeschronik Wirtschaft und Finanzen Varia France Société Politique Région Economie Sports Journalistische Darstellungsformen Agenturnachricht dpa Agenturnachricht ap Agenturnachricht afp Agenturnachricht kpd Agenturnachricht andere organeigene Berichte Mischformen (z.B. Agenturnachricht und organeigener Bericht) Korrespondentenbericht Reportage Interview Kommentar, Glosse, Leitartikel Leserbrief Anderes (Aufruf, Darstellung von Organisationen) Position des Artikels Titelseite/Leitartikel Mantelteil Lokalteil Stadtverband Saarbrücken Lokalteil St. Wendel Lokalteil Köllertal Lokalteil Merzig-Wadern Lokalteil Völklingen
C ODIERBUCH | 367
15
16
17
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 1-10 1 2 3 4 5 5 6 7 8 9 10 1-3 1 2 3 1-13 1
Lokalteil Sulzbach Lokalteil St. Ingbert Lokalteil Homburg Lokalteil Neunkirchen Lokalteil Dillingen Lokalteil Saarlouis Lokalteil Lebach édition de Metz édition de Hagondange édition d’Orne édition de Thionville edition de Hayange édition de Briey/Longwy édition de Longwy édition de Forbach édition de Sarreguemines édition de Sarrebourg édition de St. Avold édition de Luxembourg édition de Metz-Vallée de l’Orne édition de Thionville-Hayange édition de Meurthe-Moselle-Nord édition meurthe-et-mosellanes Lokales Zentrum Lokales Osten Lokales Süden Lokales Norden Nationale, ethnische bzw. religiöse Zugehörigkeit nicht angegeben afrikanisch Subsahara nordafrikanisch: maghrebinisch kapverdianisch asiatisch französisch luxemburgisch Deutsch Italienisch spanisch portugiesisch INHALTLICHE KATEGORIEN Themenebenen politische zivilgesellschaftliche migrantenspezifische Statusgruppen Ausländer
368 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 18 19 20 21 22
23
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1-5 1 2 3 4 5 1-10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1-18 1 2 3 4 5 6
Flüchtlinge Asylbewerber Asylant Aussiedler Migranten/Immigranten Einwanderer/Zuwanderer étrangers réfugiés immigrés/migrants/immigration demandeurs d’asile sans-papiers Anderes (z.B. Gastarbeiter) Handlungsträger Liste 1 Aussagenträger Liste 1 Ereignisort Liste 2 Bezugsort Liste 2 Gefahren Anstieg von Ausländerfeindlichkeit Gefahr der Überbevölkerung bzw. Überfremdung Gefahr der illegalen Einwanderung Gefahr der Konkurrenz um Arbeitsplätze Gefahr der Islamisierung Prognosen Bevölkerungsentwicklung national Bevölkerungsentwicklung europäisch Bevölkerungsentwicklung regional politische Entwicklung national politische Entwicklung europäisch politische Entwicklung regional Verhalten der Bevölkerung, z.B. Ängste Abnahme der Ausländerfeindlichkeit Zunahme der Ausländerfeindlichkeit Integration Liste 1 SPRACHLICHE KATEGORIEN Argumentationstopoi (max. 10 codierbar) Europa-Topos Zahlen-Topos Topos des wirtschaftlichen Nutzens Humanitäts-Topos Verständnis-Topos Image-Topos
C ODIERBUCH | 369
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7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 1-15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Gefahren-Topos Realitäts-Topos Demokratie-Topos Aufklärungs-Topos Belastungs-Topos Anti-Instrumentalisierungs-Topos Überfremdungs-Topos Anpassungs-Topos Fremdenfeindlichkeits-Topos Topos le droit à la différence Topos exclusion sociale Topos der sozialen Destabilisierung Kollektivsymbole Flut/flux Boot/bateau Strom/coulée/couler Deich/Damm/digue Schleuser/Schlepper/passeur Belagerung/invasion Schläfer/agent dormant Kopftuch/Schleier/voile/foulard/tchador/burka Festung/forteresse (Zeit-)Bombe amalgame pirouette Mauerkrone Herz/cœur Insel LISTE 1: HANDLUNGS- UND AUSSAGENTRÄGER 1-76 Nationale Ebene (n) Die Regierung/Exekutive (n) 1 Regierung (n) 2 Bundeskanzler/Ministerpräsident/Premierminister(n) 3 Länderministerien (allgemein) (n) 4 Regierungschef der Bundesländer national (n) 5 Bundesminister/Minister (n) 6 Landesminister (andere Bundesländer) (n) 7 Politiker (Bundesebene) (n) 8 Politiker andere Bundesländer (n) 9 Politiker Saarland (n) 10 Länderregierung (n) 11 Ministerpräsident Saarland (n) 12 Landesminister Saarland (n) 13 Staatssekretäre Saarland (n) 14 Bürgermeister (n) 15 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (n)
370 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48
Ausländerbeauftragte/r des Bundes (Beauftragte/r der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration) (n) Ausländerbeauftragte/r Saarland (n) Ausländerbeauftragte/r von anderen Bundesländern (außer dem Saarland) (n) andere Bundesämter, z.B. Bundesamt für Verbraucherschutz (n) Legislative (n) Bundespräsident/Staatspräsident (n) Bundestag/ Parlament (n) Bundesrat/Andere länderspezifische »Bundesräte« (n) Regierungspartei/en (n) Opposition (n) Landesminister (Saarland) (n) Kommune/Stadtrat/Stadtverwaltung/Städtetag (n) Ausländerbehörde Saarland (n) Ausländerbeirat (n) Arbeitskammer des Saarlandes (n) Landesaufnahmestelle Lebach (n) Zuwanderungs- und Integrationsbüro der Landeshauptstadt Saarbrücken (n) andere kommunale Ämter wie Standesamt oder Sozialamt (n) Judikative (n) Bundesverfassungsgericht (n) Sonstige Judikative (der anderen Länder) (n) Parteien (n) Parteien des Mitte-Links-Spektrums (n) Ökologische Parteien (n) Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums (n) Liberale Parteien (n) Rechte Parteien (n) Linke Parteien (n) Gewerkschaften, Verbände, Organisationen, Institute (n) Gewerkschaften Landesebene bzw. Regionen- und Gemeindeebene (n) Polizei/Bundeswehr/Verfassungsschutz/BGS/Kriminalpolizei (n) Wohlfahrtsverbände/Hilfsorganisationen/Rotes Kreuz/Caritas (n) Ausländerorganisation (Bundesebene bzw. Nationalstaatsebene) (n) Migrantische Initiativen; Clubs, Vereine (n) Kulturinstitute (n) Schulen (n) (Weiter-)Bildungsinstitute (n)
C ODIERBUCH | 371
49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65
31
66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 1-73 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Forschungsinstitute/universitäre Einrichtungen/Wissenschaftler (n)/ Statistisches Bundesamt (n) Statistisches Landesamt Saarbrücken (n) Meinungsforschungsinstitute z.B. FORSA (n) Wirtschaftsunternehmen/Industrie/Wirtschaftsverbände (n) Kath. Kirche (n) Evang. Kirche (n) Papst (n und tn) Bischöfe (n) Pastoren/Pfarrer (n) andere religiöse Organisationen/Religionsgemeinschaften (n) Sonstige Verbände/Institute/Schulen (Deutscher Industrieund Handelstag) (n) Sonstige Akteure (n) Organisation »gegen« Ausländer/ Rechtsextremisten (n) Inländische Demonstranten (»Lichterketten«) (n) Ausländische Demonstranten (n) ausländische Statusgruppen (n) Namentlich genannter/bestimmter Ausländer (nach Nationalität) (n) Muslime (n) Zeugen (n) Opfer (n) Täter/Schleuser (n) Öffentlichkeit diffus: »man«, »die«, »sie« (n) Öffentlichkeit konkret/Teilöffentlichkeit (n) Verfasser von Leserbriefen (n) Zeitung selbst/Journalisten/Redakteure (n) Andere Zeitung (n) Andere Medien (n) Anderes (n) Transnationale Ebene (tn) Die Regierung/Exekutive (tn) Regierung (tn) Bundeskanzler/Ministerpräsident/Premierminister(tn) Länderministerien (allgemein) Regierungschef der Bundesländer national (tn) Bundesminister/Minister (tn) Landesminister (andere Bundesländer) (tn) Politiker (Bundesebene) (tn) Politiker andere Bundesländer (tn) Politiker Saarland (tn) Länderregierung (tn) Ministerpräsident Saarland (tn)
372 | M IGRATION IN DEN M EDIEN
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
Landesminister Saarland (tn) Staatssekretäre Saarland (tn) Bürgermeister (tn) Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (tn) Ausländerbeauftragte/r des Bundes (Beauftragte/r der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration) (tn) Ausländerbeauftragte/r Saarland (n) Ausländerbeauftragte/r von anderen Bundesländern (außer dem Saarland) (n) andere Bundesämter, z.B. Bundesamt für Verbraucherschutz (tn) Legislative (tn) Bundespräsident/Staatspräsident (tn) Bundestag/ Parlament (tn) Bundesrat/Andere länderspezifische »Bundesräte« (tn) Regierungspartei/en (tn) Opposition (tn) Landesminister (Saarland) (tn) Kommune/Stadtrat/Stadtverwaltung/Städtetag (tn) Ausländerbehörde Saarland (tn) Ausländerbeirat (tn) Arbeitskammer des Saarlandes (tn) Landesaufnahmestelle Lebach (tn) andere kommunale Ämter wie Standesamt oder Sozialamt (tn) Judikative (tn) Bundesverfassungsgericht (tn) Sonstige Judikative (der anderen Länder) (tn) Parteien (tn) Parteien des Mitte-Links-Spektrums (tn) Ökologische Parteien (tn) Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums (tn) Liberale Parteien (tn) Rechte Parteien (tn) Linke Parteien (tn) Gewerkschaften, Verbände, Organisationen, Institute (tn) Gewerkschaften Landesebene bzw. Regionen- und Gemeindeebene (tn) Polizei/Bundeswehr/Verfassungsschutz/BGS/Kriminalpolizei (tn) Wohlfahrtsverbände/Hilfsorganisationen/Rotes Kreuz/Caritas (tn) Ausländerorganisation (Bundesebene bzw. Nationalstaatsebene) (tn) Migrantische Initiativen; Clubs, Vereine (tn) Kulturinstitute (tn)
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46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63
32
64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 1-18 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Schulen (tn) (Weiter-)Bildungsinstitute (tn) Forschungsinstitute/universitäre Einrichtungen/Wissenschaftler (tn) Statistisches Bundesamt (tn) Statistisches Landesamt Saarbrücken (tn) Meinungsforschungsinstitute z.B. FORSA (tn) Wirtschaftsunternehmen/Industrie/Wirtschaftsverbände (tn) Kath. Kirche (tn) Evang. Kirche (tn) Bischöfe (tn) Pastoren/Pfarrer (tn) andere religiöse Organisationen/Religionsgemeinschaften (tn) Sonstige Verbände/Institute/Schulen (Deutscher Industrieund Handelstag) (tn) Sonstige Akteure (tn) Organisation »gegen« Ausländer/ Rechtsextremisten (tn) Inländische Demonstranten (»Lichterketten«) (tn) Ausländische Demonstranten (tn) ausländische Statusgruppen (tn) Namentlich genannter/bestimmter Ausländer (nach Nationalität) (tn) Muslime (tn) Zeugen (tn) Opfer (tn) Täter/Schleuser (tn) Öffentlichkeit diffus: »man«, »die«, »sie« (tn) Öffentlichkeit konkret/Teilöffentlichkeit (tn) Verfasser von Leserbriefen (tn) Andere Zeitung (tn) Andere Medien (tn) Anderes (tn) Supranationale Ebene EU/EG/Mitgliedsstaaten allgemein Europäisches Parlament EP-Abgeordnete Europäische Ausschüsse Europäischer Rat EG/Mitgliedsstaaten EU-Kommissare EU-Minister EU-Parteien/Europaliste/EVP (Europäische Volkspartei) UNO/NATO/UN-Organisation/UNICEF
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11 12
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34
13 14 15 16 17 18 1-12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 1-7 1 2 3 4 5 6 7
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1-3 1 2 3 1-3 1 2 3 1-5 1
Internationale (Migranten)organisationen wie Internationale Organisation für Migranten/Amnesty International/CSI/EUMC/EURODAC Spezifisches EU-Land (außer den Ländern der SLL-Region) Ausländische Botschaften Europol/EUFOR/Frontex EUGH UEFA Öffentlichkeit: europäisch Anderes (europäische Ebene) Grenzüberschreitende Ebene SaarLor-Lux-Region (allgemein) Deutschland Frankreich Luxemburg Saarland Lothringen Anderes Teilgebiet (v.a. Belgien) EU-Ausschuss der Regionen Grenzpolizei Städtenetz Quatropole Öffentlichkeit: euregional Anderes (euregionale Ebene) Globale Ebene (außer EU und EU-Mitgliedsstaaten; g) Die Regierung/Exekutive (g) Regierung (g) Ministerpräsident/Premierminister(g) Legislative (g) Staatspräsident (g) Parlament (g) Regierungspartei/en (g) Opposition (g) Judikative (g) Gerichte (g) LISTE 2: EREIGNIS- UND BEZUGSORT Länder Deutschland Frankreich Luxemburg SaarLorLux-Region SaarLorLux-Region (allgemein) Saarland Lothringen Städte Metz
C ODIERBUCH | 375
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40
2 3 4 5 1-18 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 1-10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1-5 1 2 3 4 5
Luxemburg-Stadt Saarbrücken Berlin Paris Einzelne Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Deutschland, Frankreich und Luxemburg) Albanien Belgien Bosnien Bulgarien Großbritannien Italien Kroatien Niederlande/Holland Norwegen Mazedonien Montenegro Österreich Polen Rumänien Serbien Slowenien Türkei Andere europäische Länder Außereuropäische Kontinente und Länder Russland Sowjetunion (bis 1991) Amerika USA Kanada Mittel- und südamerikanische Staaten Afrika (Subsahara) Nordafrika (Maghreb-Staaten) Asien Naher Osten (Israel, Syrien, Jordanien, Libanon, arabische Halbinsel, Iran, Irak, Afghanistan) Staatengruppierungen EU-Staaten NATO-Staaten OECD-Staaten GUS-Staaten Andere Staatengruppierungen (z.B. EFTA-Staaten)
Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft Lavinia Heller (Hg.) Kultur und Übersetzung Studien zu einem begrifflichen Verhältnis Februar 2017, ca. 250 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2963-7
Corinna Albrecht, Andrea Bogner (Hg.) Tischgespräche: Einladung zu einer interkulturellen Wissenschaft Dezember 2016, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-2206-5
Laura Beck, Julian Osthues (Hg.) Postkolonialismus und (Inter-)Medialität Perspektiven der Grenzüberschreitung im Spannungsfeld von Literatur, Musik, Fotografie, Theater und Film November 2016, ca. 270 Seiten, kart., ca. 33,99 €, ISBN 978-3-8376-2899-9
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft Schamma Schahadat, Stepán Zbytovsky (Hg.) Übersetzungslandschaften Themen und Akteure der Literaturübersetzung in Ost- und Mitteleuropa Februar 2016, 288 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3302-3
Michaela Holdenried, Weertje Willms (Hg.) Die interkulturelle Familie Literatur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven (in Zusammenarbeit mit Stefan Hermes) 2012, 276 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1880-8
Thomas Ernst, Dieter Heimböckel (Hg.) Verortungen der Interkulturalität Die ›Europäischen Kulturhauptstädte‹ Luxemburg und die Großregion (2007), das Ruhrgebiet (2010) und Istanbul (2010) 2012, 316 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1826-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Zeitschrif t für interkulturelle Germanistik Dieter Heimböckel, Gesine Lenore Schiewer, Georg Mein, Heinz Sieburg (Hg.)
Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 6. Jahrgang, 2015, Heft 2
Dezember 2015, 204 S., kart., 12,80 €, ISBN 978-3-8376-3212-5 E-Book: 12,80 €, ISBN 978-3-8394-3212-9 Die Zeitschrift für interkulturelle Germanistik (ZiG) trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in der nationalen und internationalen Germanistik Interkulturalität als eine leitende und innovative Forschungskategorie etabliert hat. Sie greift aktuelle Fragestellungen im Bereich der germanistischen Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaft auf und versammelt aktuelle Beiträge, die das zentrale Konzept der Interkulturalität weiterdenken. Die Zeitschrift versteht sich bewusst als ein interdisziplinär und komparatistisch offenes Organ, das sich im internationalen Wissenschaftskontext verortet sieht. Lust auf mehr? Die ZiG erscheint zweimal jährlich. Bisher liegen 12 Ausgaben vor. Die ZiG - als print oder E-Journal - kann auch im Jahresabonnement für den Preis von 22,00 € bezogen werden. Der Preis für ein Jahresabonnement des Bundles (inkl. Versand) beträgt 27,00 €. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]
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