Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retail-Geschäft von Banken [1 ed.] 9783896445629, 9783896735621

Die fortschreitende Konsolidierung, eine anhaltende Marktsättigung und die schleppende Integration auf EU-Ebene zählen z

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Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retail-Geschäft von Banken [1 ed.]
 9783896445629, 9783896735621

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Schriftenreihe Finanzmanagement Hrsg.: Prof. Dr. Reinhold Hölscher

Sven Röhl

Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retail-Geschäft von Banken

Verlag Wissenschaft & Praxis

Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retail-Geschäft von Banken

Schriftenreihe Finanzmanagement Herausgeber: Prof. Dr. Reinhold Hölscher   Band 13

Sven Röhl   

Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retail-Geschäft von Banken

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-562-1 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2010 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. +49 7045 930093 Fax +49 7045 930094 [email protected] www.verlagwp.de

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

5

Geleitwort Die fortschreitende Konsolidierung und Marktsättigung im Retailbankingmarkt hat dazu geführt, dass aktuell neben der Neukundengewinnung vor allem die Nutzung des bestehenden Kundenstamms die größte Herausforderung für die Retailbanken darstellt. Der Absatz von zusätzlichen Dienstleistungen an Bestandskunden, Cross-Selling genannt, hat in der Vergangenheit daher kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Mithilfe von Cross-Selling können Institute neben Ertragschancen auch Kostenvorteile durch die Einsparung von Akquisitionskosten generieren. Die Fähigkeit Cross-Selling im Retailbanking erfolgreich zu betreiben, führt insgesamt zu einer verbesserten Ertragslage der Bank. Es ist somit für ein Institut von großer Bedeutung, die eigene Leistung im Cross-Selling umfassend bewerten zu können und die Bewertungsergebnisse in Steuerungsimpulse zu transformieren. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an. Der Verfasser untersucht, wie ein Cross-Selling-Management ausgestaltet sein sollte und welche Methoden derzeit in der Praxis zur Messung und Steuerung von Cross-Selling angewendet werden. Darauf aufbauend wird ein integriertes Mess- und Steuerungskonzept entwickelt, das die Leistung eines Instituts im Cross-Selling misst und konkrete Steuerungsimpulse liefert. Dieses Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung berücksichtigt neben Erfolgs- auch Potenzial- und Nachhaltigkeitsaspekte und führt so zu einer umfassenden Betrachtungsweise. Die Umsetzung des Konzepts wird mittels eines praxisorientierten Scoringansatzes und anhand eines Modells der Data Envelopment Analysis beschrieben. Für diese beiden Methoden zur Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung wird neben der reinen Modellgestaltung auch dargestellt, welche konkreten Steuerungsimpulse aus den Messergebnissen abgeleitet werden können. Der Verfasser hat sich mit einem aktuellen Problemkreis auseinandergesetzt und die Diskussion über das Cross-Selling-Management um neue Ansätze erweitert. Ich wünsche der Arbeit, dass sie in Wissenschaft und Praxis auf reges Interesse stößt und damit einerseits als Grundlage für weitere Forschungsarbeiten dient und andererseits Anregungen für die Messung und Steuerung des Cross-Selling im Retailbanking gibt. Kaiserslautern, im April 2010

Reinhold Hölscher

7

Vorwort des Verfassers An dieser Stelle möchte ich denjenigen danken, die mich unterstützt und ermutigt haben mein Dissertationsvorhaben umzusetzen. In erster Linie bedanke ich mich bei Prof. Dr. Reinold Hölscher für die Betreuung meiner Arbeit. Die konstruktiven Diskussionen und Anregungen haben mich stets ermutigt, die gewählte Fragestellung aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln heraus zu betrachten. Besonders wertschätze ich, dass er es mir ermöglicht hat, mein Forschungsvorhaben als externer Doktorand mit seiner Unterstützung durchzuführen. Des Weiteren möchte ich Prof. Dr. Stefan Roth für die Übernahme des Zweitgutachtens und dessen schnelle Erstellung danken. Neben der universitären Unterstützung war die erfolgreiche Umsetzung dieses Projekts nur durch die Schaffung von essentiellen beruflichen Rahmenbedingungen möglich. In erster Linie danke ich daher Dr. Jörg Haupt, der es mir durch großzügige Regelungen ermöglicht hat die Zeit für diese Arbeit zu finden. Er hat viel seiner persönlichen Erfahrung eingebracht und mir so den nötigen Freiraum geschaffen. Des Weiteren danke ich Prof. Dr. Jochen Pampel für seine Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Doktorvater und Jörg Fehrenbacher für das schnelle Aufgreifen meiner Idee, als diese noch weit vor der tatsächlichen Umsetzung stand. Des Weiteren möchte ich denjenigen danken durch deren tatkräftigen Einsatz die Qualität der Arbeit maßgeblich beeinflusst wurde. Zum einen Frau Dr. Ulrike Geidt-Karrenbauer, Herrn Markus Müller, Herrn Dr. Hendrik Kunz für die ausführlichen Korrekturen und fachlichen Diskussionen. Dem gesamten Lehrstuhlteam sowie Dr. Klaus Schwind danke ich für konstruktive Anregungen und die Bereitstellung von aktuellen Studienergebnissen. Meinen Kollegen möchte ich danken, dass sie mir im Rahmen des beruflichen Projektalltags stets die erforderliche Flexibilität zur Umsetzung gegeben haben. Nicht zuletzt bedanke ich mich insbesondere bei denjenigen, die mich nicht nur intensiv bei dieser Arbeit, sondern auch bei allen anderen Ideen und Vorhaben tatkräftig unterstützt haben. Sie haben mich stets ermutigt neue Herausvorderungen anzunehmen und die für deren erfolgreiche Umsetzung notwendigen Grundlagen geschaffen: meine Eltern. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt am Main, im April 2010

Sven Röhl

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Inhaltsverzeichnis: ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ....................................................................................13 ABBILDUNGSVERZEICHNIS .....................................................................................17 TABELLENVERZEICHNIS .........................................................................................21 SYMBOLVERZEICHNIS ............................................................................................23 EINLEITUNG ............................................................................................................25 1. TEIL: CROSS-SELLING-MANAGEMENT IM RETAILBANKING ..........................31 A.

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken .........................................33 I. Einordnung von Cross-Selling in das Retailbanking............................33 1. Begriffliche Abgrenzung ..................................................................33 2. Der Cross-Selling-Prozess ................................................................37 3. Bedeutung des Cross-Sellings für das Retailgeschäft ......................41 II. Besonderheiten der Bankdienstleistungen im Retailgeschäft...............45 1. Abgrenzung des Retailgeschäfts .......................................................45 2. Das Retailprodukt als Dienstleistung................................................48 3. Systematisierung der Retailprodukte ................................................52 III. Bisherige wissenschaftliche Betrachtung von Cross-Selling ...............57 1. Forschung zu Methoden der Potenzial- und Erfolgsmessung ..........57 2. Forschung zu Einflussfaktoren auf das Cross-Selling ......................60 3. Grenzen bestehender Untersuchungsansätze ....................................61

B.

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung..............................................................................65 I. Wesen der Gesamtbanksteuerung .........................................................65 1. Das duale Steuerungsmodell.............................................................65 2. Der Teilbereich der Retailgeschäftssteuerung ..................................70 3. Vertriebsmanagement im Gesamtbankrahmen.................................74 II. Vertriebsmanagement im Retailbanking ..............................................77 1. Besondere Merkmale des Vertriebs im Retailbanking .....................77 2. Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements ............81 3. Notwendigkeit einer strikten Kundensegmentierung .......................86 4. Informationsaufbereitung im Rahmen eines Vertriebsinformationssystems...........................................................90

10

III. Einfluss von Cross-Selling auf Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements ......................................................................94 1. Der Kundenlebenswert......................................................................94 2. Scoringsysteme im Privatkundengeschäft ......................................102 3. Quersubventionen im Rahmen von Cross-Selling..........................107 C.

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking ..........................................................................................111 I. Kernpunkte eines Cross-Selling-Managements..................................111 1. Abgrenzung des Cross-Selling-Managements................................111 2. Funktionen des Cross-Selling-Managements .................................116 3. Ziele, Aufgaben und Instrumente ...................................................119 II. Organisations- und IT-bezogene Anforderungen ...............................123 1. Adressaten des Cross-Selling-Managements..................................123 2. Verankerung in der Gesamtorganisation ........................................126 3. Cross-Selling-Bezug im Informationssystem .................................129 III. Gestaltung eines Cross-Selling orientierten Anreiz- und Entlohnungssystems.........................................................................133 1. Ausgestaltung von Vergütungssystemen ........................................133 2. Entlohnungs- und Anreizsysteme im Vertrieb ...............................136 3. Anforderungen an eine Cross-Selling orientierte Anreizgestaltung .............................................................................138

2. TEIL: METHODEN ZUR MESSUNG UND STEUERUNG VON CROSS-SELLING ..143 A.

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge .............145 I. Methoden der Potenzialmessung und -steuerung ...............................145 1. Statistische Methoden zur Potenzialmessung .................................145 2. Ergebnistypen der Potenzialmessung .............................................157 3. Einsatz der Messergebnisse in der Steuerung.................................159 II. Methoden zur Erfolgsmessung und -steuerung ..................................162 1. Erfolgsmessung mittels der Cross-Selling-Quote...........................163 2. Weitere Cross-Selling bezogene Kennzahlen.................................167 3. Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs ..............................................172 III. Kritische Würdigung der Erfolgsmessmethoden................................176 1. Kriterien zur Bewertung der Erfolgsmessverfahren .......................176 2. Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren...............................179

11

B.

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren...........187 I. Identifikation von Einflussfaktoren auf das Cross-Selling .................187 1. Empirische Studien zur Ermittlung von Einflussfaktoren ..............188 2. Auswahl von bankbezogenen Faktoren ..........................................195 3. Auswahl von kundenbezogenen Faktoren ......................................198 II. Bankbezogene Einflussfaktoren und Methoden zur Messung............201 1. Mitarbeiterqualifikation ..................................................................201 2. Fähigkeit zur Chancentransformation.............................................204 3. Produkt- und Sortimentsgestaltung.................................................207 III. Kundenbezogene Einflussfaktoren und Methoden zur Messung .......210 1. Kundenzufriedenheit.......................................................................211 2. Kundenbindung...............................................................................214 3. Kundenorientierung ........................................................................217 IV. Steuerung von Cross-Selling mittels Einflussfaktoren .......................220

C.

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis ......225 I. Aufbau der empirischen Untersuchung ..............................................225 1. Ziele und Vorgehen der Befragung ................................................225 2. Methodik und Grenzen der Aussagekraft .......................................231 3. Auswertung zur Struktur der Befragten..........................................235 II. Praktische Verwendung dargestellter Messgrößen.............................237 1. Messung des Cross-Selling-Potenzials ...........................................237 2. Messung des Cross-Selling-Erfolgs................................................241 3. Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling .....................245 III. Cross-Selling-Orientierung in der Steuerung .....................................248 1. Strategische und operative Steuerung.............................................248 2. Organisatorische Aspekte und Anreizgestaltung............................253 3. Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen ........256

3. TEIL: MESSUNG DER CROSS-SELLING-GESAMTLEISTUNG MITTELS SCORING UND DATA ENVELOPMENT ANALYSIS ..................................261 A.

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring .......263 I. Notwendigkeit der Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung .....263 1. Anforderungen aus den Schwächen der Erfolgsmessung...............263 2. Anforderungen aus der Praxis.........................................................264 3. Möglichkeiten der Weiterentwicklung ...........................................265

12

II. Komponenten der Cross-Selling-Gesamtleistung...............................267 1. Aktuelle Ergebniserreichung ..........................................................268 2. Nachhaltigkeit der erzielten Cross-Selling-Leistung......................269 III. Scoringsystem zur Bewertung der Gesamtleistung ............................271 1. Formale Beschreibung des Cross-Selling-Scoring .........................272 2. Bestimmung der Scoring-Parameter...............................................274 3. Beispielhafte Berechnung des Cross-Selling-Scores......................281 4. Verwendung von Cross-Selling-Scores in der Steuerung ..............284 IV. Würdigung des Scoringverfahrens......................................................289 B.

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis....293 I. Effizienzmessung mittels Data Envelopment Analysis ......................294 1. Vorgehen im Rahmen der Data Envelopment Analysis .................294 2. Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell...................299 3. Bisherige DEA-Modelle mit Cross-Selling-Bezug ........................307 II. Bestimmung der Modellparameter .....................................................310 1. Abgrenzung der Entscheidungseinheiten........................................311 2. In- und Outputfaktoren des Modells...............................................313 3. Cross-Selling bezogene Modellanforderungen...............................319 III. Formulierung des DEA-Modells zur Bewertung der Gesamtleistung.................................................................................322 1. Auswahl des Grundmodells ............................................................322 2. Formale Beschreibung des Modells................................................326 3. Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung ..........330 IV. Würdigung der Data Envelopment Analysis ......................................336

C.

Schlussbetrachtung.................................................................................343

ANHANG ..............................................................................................................347 LITERATURVERZEICHNIS .....................................................................................365

13

Abkürzungsverzeichnis Abb.

Abbildung

Abs.

Absatz

AGV

Arbeitgeberverband Banken

Anm.

Anmerkung

AWK

Abschlusswahrscheinlichkeit

Az.

Aktenzeichen

BCC

Banker-Charnes-Cooper (-Modell)

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BGH

Bundesgerichtshof

BSC

Balanced-Scorecard

bspw.

beispielsweise

bzw.

beziehungsweise

CCR

Charnes-Cooper-Rhodes (-Modell)

CIR

Kosten-/ Ertragsverhältnis (Cost Income Ratio)

CLV

Customer Lifetime Value

CRM

Customer Relationship Management

CSE

Cross-Selling-Ertragsquote

CSL

Cross-Selling-Leverage

CSP

Cross-Selling-Potenzial

CSQ

Cross-Selling-Quote

CSS

Cross-Selling-Scoring

DB

Deckungsbeitrag

DDBII

Durchschnittlicher DB II je Folgegeschäft

DEA

Data Envelopment Analysis

DGFP

Deutsche Gesellschaft für Personalführung

DGSQ

Durchschnittliche Gesprächsquote

14

Diss.

Dissertation

DMU

Decision Making Unit

DSGV

Deutscher Sparkassen und Giroverband

E.B.I.F.

European Banking & Insurance Fair

et al.

et altera

etc.

et cetera

EVA

Economic Value Added

evtl.

eventuell

EU

Europäische Union

eWB

erwarteter Wertbeitrag

FMDS

Finanzmarkt Datenservice

FSAP

Financial Services Action Plan

Habil.

Habilitation

Hrsg.

Herausgeber

HVB

Hypovereinsbank

IT

Informationstechnologie

Jg.

Jahrgang

KDOT

Kundenorientierung

KDZFH

Kundenzufriedenheit

MA

Mitarbeiter

OLAP

Online Analytical Processing

PAS

Potenzialausschöpfung

PC

Personal Computer

QdM

Qualifikation der Mitarbeiter

RFM

Recency-Frequency-Monetary

ROE

Return on Equity

ROI

Return on Investment

RORAC

Return on Risk adjusted Capital

s. a.

siehe auch

SB

Selbstbedienung

15

SoW

Share of Wallet

Tab.

Tabelle

u.d.N.

unter der Nebenbedingung

u. U.

unter Umständen

v. a.

vor allem

VaR

Value at Risk

vgl.

vergleiche

VR

Volks- und Raiffeisenbanken

WCED

World Commission for Environment and Development

z. B.

zum Beispiel

z. T.

zum Teil

17

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Untersuchungsvorgehen .........................................................................28

Abb. 2:

Systematischer Cross-Selling-Prozess....................................................38

Abb. 3:

Zusammenhang zwischen Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren 40

Abb. 4:

Strategische Optionen der Geschäftsfelderschließung ...........................42

Abb. 5:

Durchschnittliche CIR im europäischen Vergleich................................44

Abb. 6:

Retailbanking in der Universalbankstruktur...........................................46

Abb. 7:

Produktbedarf im Lebenszyklusmodell..................................................56

Abb. 8:

Konzeptioneller Gesamtrahmen des dualen Steuerungsmodells ...........68

Abb. 9:

Integration von zentraler und dezentraler Steuerung im dualen Steuerungsmodell ...................................................................................70

Abb. 10: Aggregation der Einzelgeschäftskalkulation im Ergebniswürfel...........72 Abb. 11: Elemente des Vertriebsmanagements.....................................................74 Abb. 12: Ökonomischer und vorökonomischer Bereich des Dienstleistungsmanagements..................................................................76 Abb. 13: Einsatz der Vertriebskanäle bei Banken.................................................78 Abb. 14: Durchschnittliche Kosten pro Euro Bruttoertrag je Vertriebsweg .........79 Abb. 15: Einflussfaktoren im Vertriebs-Wertedreieck..........................................81 Abb. 16: Kaskadenmodell des Aktivitäten-Controllings.......................................85 Abb. 17: Aufbereitung von Kundendaten im Informationssystem .......................93 Abb. 18: Determinanten des Kundenlebenswerts im Retailbanking.....................96 Abb. 19: Formulierungsphasen eines Scoringsystems ........................................103 Abb. 20: Paradigmen des Bankmanagements im Zeitablauf ..............................113 Abb. 21: Gesamtrahmen des Cross-Selling-Managements .................................115 Abb. 22: Regelkreis des Cross-Selling-Managements ........................................117 Abb. 23: Verknüpfung von Zielen, Aufgaben und Instrumenten........................120 Abb. 24: Gliederung von Managementinstrumenten ..........................................122 Abb. 25: Mögliche Adressaten eines Cross-Selling-Managements ....................123

18

Abb. 26: Schematische Darstellung der Aufbauorganisation im Privatkundenbereich .............................................................................127 Abb. 27: Leistungsbemessungsfaktoren im Rahmen der variablen Vergütung ..137 Abb. 28: Beispiel einer Assoziationsregel...........................................................147 Abb. 29: Lineare und nichtlineare einfache Regressionsfunktionen...................150 Abb. 30: Verteilung der Diskriminanzwerte auf der Diskriminanzachse ...........152 Abb. 31: Aufbau eines Entscheidungsbaums ......................................................153 Abb. 32: Grundstruktur eines zweischichtigen neuronalen Netzes.....................155 Abb. 33: Segmentierung mittels Abschlusswahrscheinlichkeiten und Erträgen.160 Abb. 34: Beispiel eines Cross-Selling-Quotenbaums .........................................166 Abb. 35: Cross-Selling orientierte Kundeninformationen im CRM ...................174 Abb. 36: Verteilung der Studien zu den Cross-Selling-Einflussfaktoren ...........193 Abb. 37: Evolutionsmodell des Wissens .............................................................194 Abb. 38: Zahl der Studien zu bankbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking........................................................................................195 Abb. 39: Zahl der Studien zu kundenbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking........................................................................................198 Abb. 40: IT-Sollausstattung zur Hebung von Cross-Selling-Chancen................205 Abb. 41: Dimensionen der Kundenbindung ........................................................215 Abb. 42: Strategisches Einflussfaktoren-Cockpit................................................222 Abb. 43: Themenbereiche des strukturierten Fragebogens .................................230 Abb. 44: Zusammenhang zwischen Bilanzsumme und Retailkundenzahl .........236 Abb. 45: Verwendete Daten im Rahmen der Potenzialanalyse...........................238 Abb. 46: Einsatz von Modellen zur Potenzialberechnung ..................................239 Abb. 47: Frequenz der Ermittlung von Cross-Selling-Potenzialen.....................240 Abb. 48: Messung des Cross-Selling-Erfolgs in der Praxis ................................242 Abb. 49: Bewertungsdimension der wichtigsten Erfolgsmessungen ..................244 Abb. 50: Werthaltigkeit von Cross-Selling-Geschäften......................................245 Abb. 51: Messung der mitarbeiterbezogenen Einflussfaktoren ..........................246 Abb. 52: Messung der gesamtbankbezogenen Einflussfaktoren.........................247

19

Abb. 53: Messung der kundenbezogenen Einflussfaktoren ................................247 Abb. 54: Instrumenteneinsatz in der strategischen Steuerung ............................249 Abb. 55: Aktuelle Bedeutung der Vertriebskanäle für das Cross-Selling...........251 Abb. 56: Instrumenteneinsatz in der operativen Steuerung.................................252 Abb. 57: Organisatorische Verankerung der Messung........................................254 Abb. 58: Adressaten der Messergebnisse ............................................................255 Abb. 59: Bestimmungsfaktoren im Rahmen der Anreizgestaltung.....................256 Abb. 60: Herausforderungen und Entwicklungen ...............................................257 Abb. 61: Informationsknappheit zur Validierung der Potenzialmodelle ............257 Abb. 62: Eindeutigkeit von Handlungsanweisungen und Dimensionen der Steuerung ..............................................................................................265 Abb. 63: Komponenten der Cross-Selling-Gesamtleistung ................................268 Abb. 64: Dreistufige Ermittlung des Cross-Selling-Scores.................................272 Abb. 65: Expertenmeinungen zur Gewichtung der Scoringkategorien...............281 Abb. 66: Ergebnisse des Cross-Selling-Scores ...................................................283 Abb. 67: Beispielhafte Ausprägungen des Cross-Selling-Scores .......................285 Abb. 68: Aggregationsstufen der Scorekarten.....................................................288 Abb. 69: DEA mit einem Input- und einem Outputfaktor...................................296 Abb. 70: DEA mit zwei Inputfaktoren und einem Outputfaktor.........................298 Abb. 71: Grafische Lösung des CCR-Beispiels ..................................................306 Abb. 72: Dreiphasiges Vorgehensmodell der DEA Modellauswahl/-entwicklung ...........................................................................322 Abb. 73: Auswahlkriterien eines DEA-Grundmodells........................................323 Abb. 74: Konstante vs. variable Skalenerträge....................................................328 Abb. 75: Ergebnisse für die Effizienzgrade aller Filialen ...................................332 Abb. 76: DEA-Matrix auf Basis des Effizienzgrades und der Cross-Selling-Quote .............................................................................334 Abb. 77: Fragebogen der empirischen Umfrage .................................................356

21

Tabellenverzeichnis Tab. 1:

Systematisierung der Produkte im Mengengeschäft ..............................53

Tab. 2:

Untersuchungen zur Messung des Cross-Selling-Erfolgs ......................60

Tab. 3:

Steuerungsgrößen im Vertriebsmanagement des Retailbankings ..........83

Tab. 4:

Segmentierungskriterien im Retailbanking ............................................87

Tab. 5:

Bisherige Produktnutzung des Beispielkunden ......................................99

Tab. 6:

Zukünftiger Produktbedarf des Beispielkunden...................................100

Tab. 7:

Diskontierte DB II der Perioden (in Euro) ...........................................101

Tab. 8:

Scoringmethode zur Kundenattraktivitätsbewertung ...........................105

Tab. 9:

Produktorientierte Verfahren der Ermittlung des Cross-Selling-Potenzials.......................................................................146

Tab. 10: Beispiel für die kundenbezogenen Abschlusswahrscheinlichkeiten je Produkt..............................................................................................158 Tab. 11: Beispiel für den kundenbezogenen erwarteten Wertbeitrag je Produkt..............................................................................................159 Tab. 12: Cross-Selling-Quoten im Vergleich .....................................................165 Tab. 13: Kriterienkatalog zur Bewertung der Erfolgsmessverfahren.................177 Tab. 14: Vergleich der Erfolgsmessverfahren auf Basis des Kriterienkatalogs .180 Tab. 15: Fiktive Beispieldaten zur Erfolgskennzahlenberechnung ....................183 Tab. 16: Beispiel zu Erfolgskennzahlen auf Kunden- und Filialebene ..............184 Tab. 17: Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf das Cross-Selling ................189 Tab. 18: Beispiel eines Cross-Selling orientierten Qualifikationssets................202 Tab. 19: Befragungsverfahren im Überblick ......................................................227 Tab. 20: Überblick über Forschungsdesigns.......................................................228 Tab. 21: Kundenzahlen der antwortenden Institute ............................................236 Tab. 22: Mögliche Faktoren eines Cross-Selling-Scores....................................276 Tab. 23: Ausgangsdaten des Cross-Selling-Scores.............................................282 Tab. 24: Berechnung des Cross-Selling-Scores..................................................282 Tab. 25: Erfüllung des Kriterienkatalogs durch den Cross-Selling-Score .........292

22

Tab. 26: Beispieldaten zur Berechnung eines CCR-Modells .............................304 Tab. 27: Lösung des CCR-Beispiels...................................................................305 Tab. 28: In- und Outputfaktoren eines Cross-Selling orientierten DEA-Modells........................................................................................318 Tab. 29: Datenmaterial für die Beispielrechnung des DEA-Modells.................331 Tab. 30: Ineffizienzen aus der DEA-Berechnung für Filiale 3...........................332 Tab. 31: Erfüllung des Kriterienkatalogs durch die DEA ..................................339 Tab. 32: Ergebnisse der Effizienzberechnung für alle DMUs............................358 Tab. 33: Effizienzzielwerte relativ ineffizienter DMUs .....................................363

23

Symbolverzeichnis KUNDENLEBENSWERT et

(erwartete) Einzahlungen der Kundenbeziehung in der Periode t

at

(erwartete) Auszahlungen der Kundenbeziehung in der Periode t

i

Kalkulationszinsfuß

t

Periode

n

Gesamtdauer einer Geschäftsbeziehung

POTENZIALMESSMETHODEN aij

Merkmalsausprägungen eines Merkmals i mit der Ausprägung j

b0

Konstante

bi

Regressions-, Diskriminanzkoeffizient

D

Diskriminanzwert/-funktion

D*

Diskriminanztrennwert

DA, B Diskriminanzwert des Zentrums der Gruppe A oder B DK

Diskriminanzwert eines unklassifizierten Kunden K

G

Abschließende Teilmenge

Mi

Merkmalsknoten unter Verwendung des Merkmals i

R

Regressionswert/-funktion

Vj

Kaufwahrscheinlichkeit des Produkts j

Xi

erklärende (unabhängige) Variable i

SCORINGSYSTEM

Di

Faktorgewicht des Faktors i

Fi

normierter Faktor i

Fiu

unnormierter Faktor i

24

DATA ENVELOPMENT ANALYSIS f0

Ineffizienz einer DMU0

g0

Effizienzmaß des dualen Optimierungsproblems einer DMU0

h

Effizienz

h0

Effizienz einer DMU0

T0

Inputorientiertes Effizienzmaß einer DMU0

Ȝj

Anteil einer DMUj

P

Skalierungsfaktor einer Technologie

ur

Koeffizient zur Gewichtung eines Outputfaktors r (Quotientenprogramm)

ȝr

Koeffizient zur Gewichtung eines Outputfaktors r (lineares Programm)

vi

Koeffizient zur Gewichtung eines Inputfaktors i (Quotientenprogramm)

Ȧi

Koeffizient zur Gewichtung eines Inputfaktors i (lineares Programm)

xi

Input des Faktors i

xij

Inputfaktor i einer Entscheidungseinheit j

yr

Output des Faktors r

yrj

Outputfaktor r einer Entscheidungseinheit j

z0

Outputorientiertes Effizienzmaß einer DMU0

ij0

Outputorientiertes Effizienzmaß einer DMU0

Einleitung

25

Einleitung Die Entwicklung auf dem deutschen Bankenmarkt war in den vergangenen Jahren, sowohl für öffentliche als auch private Banken, hauptsächlich von einer fortschreitenden Konsolidierung geprägt.1 Ein Ziel von Kooperationen und Fusionen ist oftmals die Zusammenführung verschiedener Kundengruppen und Produktspektren, um die im Kundenstamm der Einzelinstitute enthaltenen Wettbewerbspotenziale besser ausschöpfen zu können.2 Die Nutzung dieser Marktsynergien durch den Verkauf von zusätzlichen Dienstleistungen an Bestandskunden, genannt Cross-Selling, hat in der Vergangenheit daher kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Besonders im Retailbanking stellt die Breite der eigenen Kundenbasis einen großen Erfolgsfaktor für das Cross-Selling dar.3 Hierbei konnte auch beobachtet werden, dass durch Zusammenschlüsse oder Vertriebskooperationen seitens der Banken versucht wurde, dem Kunden im Sinne eines Allfinanzkonzepts ein größeres Produktportfolio anzubieten.4 Außerdem haben gesamtwirtschaftliche Entwicklungen die Bedeutung des Cross-Sellings weiter erhöht. Der Markt für Dienstleistungen des Retailbankings ist z. B. aktuell bereits nahezu gesättigt. Durch die weiter schleppende Integration der Märkte für Privatkunden auf EUEbene steht die strategische Option der Markterweiterung für die Banken momentan nicht zur Verfügung. Des Weiteren stagnieren aktuell die Ertragszuwächse im Retailbanking und homogene Produktportfolien erschweren eine Differenzierung zwischen den Konkurrenzinstituten. Vor diesem Hintergrund erhalten Bestandskunden eine erhöhte Aufmerksamkeit, um durch gezielte Cross-SellingMaßnahmen stagnierende Ertragszuwächse und die fehlende Integration der EUMärkte zu beheben. So geben 87 % der Banken an, den aktuellen Problemstellungen am Markt vor allem mit einer Vertriebsintensivierung durch Cross-Selling begegnen zu wollen.5 Außerdem sehen mit 56 % mehr als die Hälfte der deutschen Institute akuten Handlungsbedarf zur Verbesserung strategischer und operativer Kennzahlensysteme in der Vertriebssteuerung. Diese empirischen Ergebnisse stützen die Aussage, dass zwar viele Banken die Bedeutung von Cross-Selling erkennen, es aber

1 2

3 4 5

Vgl. BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN (Banken, 2006), S. 52. Vgl. ALLIANZ GROUP (Pressemitteilung, 2008), S. 1; SEIFERT (Wettbewerbspotenziale, 2005), S. 91; BECKER (Bankakquisitionen, 1999), S. 163. Vgl. SCHIERENBECK (Vertriebskanäle, 1999), S. 47; SCHIERENBECK (Konsolidierung, 2005), S. 42. Vgl. HASHAGEN (Integration, 2006), S. 69. Vgl. ENGSTLER/PRAEG/VOCKE (Bank & Zukunft, 2007), S. 10.

26

Einleitung

nicht schaffen Messmethoden einzuführen, die konkrete Handlungsempfehlungen geben.6 Begründet liegt dies auch darin, dass lediglich rund 42 % der deutschen Retailbanken einen definierten und strukturierten Cross-Selling-Prozess anwenden.7 Für die Zukunft erwarten jedoch 72 % der Banken, dass die Bedeutung von Cross-Selling weiter zunehmen wird.8 Im Rahmen der bisherigen wissenschaftlichen Forschung sind in der Vergangenheit in Bezug auf das Cross-Selling verschiedene Untersuchungsrichtungen entstanden. Ein Teil der Forschung hat sich damit beschäftigt, wie das Cross-SellingPotenzial quantifiziert werden kann. Cross-Selling-Potenziale liegen vor, wenn das Institut auf Grund des Kundenbedarfs die Möglichkeit hat, zusätzliche Produkte zu vertreiben. Zur Potenzialmessung wurden Modelle entwickelt, die das Verhalten der Kunden/-gruppen systematisierbar und planbar machen sollen. Im Ergebnis kann für jede Kunde-Produktkombination eine Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, die eine Aussage darüber macht, ob ein Kunde ein bestimmtes Produkt als nächstes nachfragt. Ein anderer Teil der Forschung hat sich speziell mit dem Vertriebsmanagement beschäftigt. Es wurden vereinzelt Kennzahlen und Verfahren entwickelt, die den Cross-Selling-Erfolg messen können. Cross-SellingErfolg bezeichnet die Transformation der bestehenden Potenziale in tatsächliche Geschäfte. Ziel der Erfolgsmessung ist, die Cross-Selling-Bemühungen des Instituts zu quantifizieren und auf Basis dieser Ergebnisse Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen. Eine weitere Forschungsrichtung hat sich neben der Quantifizierung von Potenzialen und Erfolgen damit beschäftigt, diejenigen Faktoren zu identifizieren, die einen Einfluss auf das Cross-Selling ausüben. Im Vordergrund stand die Klärung der Frage, welche Einflussfaktoren sich positiv auf das Cross-SellingPotenzial und den -Erfolg auswirken können. Ein Ergebnis hierbei ist, dass sich z. B. eine hohe Kundenzufriedenheit sowohl positiv auf Potenziale als auch auf Erfolge auswirkt. Die Steuerung von Cross-Selling als originäre Aufgabe des Vertriebsmanagements wird auf Basis gängiger Methoden der Erfolgsmessung, wie z. B. dem Deckungsbeitrag oder der Cross-Selling-Quote, vorgenommen. Sie orientiert sich daher lediglich an ex-post Daten.9 Zukunftsgerichtete Informationen, wie z. B. die Höhe der Potenziale, finden hierbei keine Berücksichtigung. Nur durch deren Berücksichtigung kann jedoch etwas zur Nachhaltigkeit des aktuellen Erfolges ausgesagt werden. Des Weiteren wurde nachgewiesen, dass durch die reine Fokussierung auf den zusätzlichen Vertrieb von Produkten an Bestandskunden auch negative Effek6

Vgl. KANE (cross-selling, 2005), S. 66.

7

Vgl. NIEMEYER/NIRSCHL (Status quo, 2006), S. 45. Vgl. WITTMANN ET AL. (Cross-Selling, 2007), S. 56.

8 9

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 11.

Einleitung

27

te, wie z. B. der Rückgang der Kundenzufriedenheit, auftreten können.10 Umgekehrt stellt die Kundenzufriedenheit jedoch auch einen wichtigen Faktor dar, der Cross-Selling positiv unterstützt. Die Cross-Selling-Einflussfaktoren müssen daher in der Steuerung explizit berücksichtigt werden.11 Es besteht sonst die Gefahr, dass aus reiner Vertriebssicht wichtige Einflüsse auf das Cross-Selling unbetrachtet bleiben, die für dessen Erfolg unabdingbar sind. Aus diesem Grund muss ein Ansatz entwickelt werden, der die verschiedenen Interdependenzen berücksichtigt und damit eine integrierte Messung und Steuerung von Cross-Selling ermöglicht. Erst ein solcher Ansatz erlaubt die Bewertung der tatsächlichen Leistung des Instituts im Bereich des Cross-Sellings und kann als Cross-Selling-Gesamtleistung bezeichnet werden. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen wurden folgende Lücken in der bestehenden Forschung zum Cross-Selling identifiziert: x

Auf Grund der Verteilung über verschiedene Forschungsrichtungen ist aktuell keine strukturierte Aufarbeitung der Messverfahren zu Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren und deren Eingang in die Steuerung verfügbar. Außerdem gibt es keine empirische Untersuchung zur aktuellen Verwendung der Verfahren in der Praxis.

x

Es wurde bisher keine Methode entwickelt, die es einem Institut erlaubt eine Cross-Selling-Gesamtleistung zu bestimmen, und dabei sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren berücksichtigt.

x

Die Integration eines Cross-Selling-Managements in die Gesamtbanksteuerung und -organisation ist bisher lediglich ansatzweise im Rahmen des Vertriebsmanagements untersucht worden. Dazu gehört auch eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung eines Cross-Selling orientierten Anreiz- und Vergütungssystems. Dies wurde jedoch bisher nicht vollumfänglich betrachtet.

Diese identifizierten Lücken sollen mittels der Beantwortung der folgenden Forschungsfragen geschlossen werden: 1. Wie muss ein Cross-Selling-Management als Teilbereich des Vertriebsmanagements im Retailbanking ausgestaltet sein und welche Anreiz- und Vergütungsstruktur muss speziell in Bezug auf das Cross-Selling bestehen?

10

Vgl. TELLINGS (Cross-Selling, 2005), S. 17.

11

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 261.

28

Einleitung

2. Welche Methoden stehen zur Messung und Steuerung von Cross-Selling im Rahmen des Cross-Selling-Managements zur Verfügung und wie ist der aktuelle Status quo in der Anwendung dieser Methoden in der Praxis? 3. Wie kann eine vollumfängliche Bewertung der Cross-SellingGesamtleistung eines Instituts durchgeführt werden, die die bestehenden Interdependenzen berücksichtigt? Nachfolgendes Untersuchungsvorgehen soll zur Beantwortung der Forschungsfragen gewählt werden: Teil 1: Cross-Selling-Management im Retailbanking A. Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

B. Management des Retailvertriebs in der Gesamtbanksteuerung

C. Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements

Teil 2: Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling A. Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling-Potenzialen und -Erfolgen

B. Einflussfaktoren auf das Cross-Selling und Methoden zu deren Messung

C. Verwendung der Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Teil 3: Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung A. Konzept der Cross-SellingGesamtleistung mittels Scoring

B. Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

C. Schlussbetrachtung der Ergebnisse

Abb. 1: Untersuchungsvorgehen Im ersten Teil der Untersuchung werden Grundlagen zum Cross-Selling im Retailbanking aufgearbeitet und die bisherige wissenschaftliche Forschung beleuchtet. Ziel hierbei ist eine trennscharfe Abgrenzung des Cross-Sellings von anderen Arten des Verbundverkaufs und eine detaillierte Betrachtung des Retailbankings. Außerdem soll herausgearbeitet werden, welche Bereiche in der Forschung bereits eine besondere Aufmerksamkeit erfahren haben und welche Ergebnisse bisher erzielt wurden. Hieraus wird der weitere Forschungsbedarf für diese Untersuchung abgeleitet. Im weiteren Verlauf des ersten Teils soll das Cross-SellingManagement in den Gesamtbankkontext eingegliedert werden. Dazu wird ausge-

Einleitung

29

hend vom Gesamtbankmanagement eine schrittweise Fokussierung vom Vertriebsmanagement hin zum Cross-Selling-Management vorgenommen. Somit kann abgeleitet werden, welche Aufgaben einem Cross-Selling-Management aus dem Gesamtbankrahmen zufallen. Durch die weiterführende Ausrichtung auf das Vertriebsmanagement soll geklärt werden, welchen Einfluss Cross-Selling auf bestehende Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements besitzt. Den Abschluss des ersten Teils bildet eine umfassende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten, die ein Cross-Selling-Management beinhalten muss. Neben den Zielen, Aufgaben und Instrumenten werden auch organisatorische Fragestellungen betrachtet. Außerdem wird ein Schwerpunkt auf die Gestaltung eines Anreiz- und Entlohnungssystems gelegt. Es werden Anforderungen beschrieben, die zur Integration von Cross-Selling-Aspekten im Anreizsystem notwendig sind. Der zweite Teil baut auf dem im ersten Teil dargestellten Cross-SellingManagement auf und beschreibt die darin zur Anwendung kommenden Messmethoden. Das Ziel ist es, strukturiert aufzuarbeiten, welche Verfahren zur Messung und Steuerung von Potenzialen-, Erfolgen und Einflussfaktoren zur Verfügung stehen. Zu Beginn werden daher die bestehenden Methoden zur Potenzial- und Erfolgsmessung von Cross-Selling betrachtet. Hierbei stehen die einzelnen Methoden, Modelle und Kennzahlen sowie deren Stärken und Schwächen im Vordergrund. Außerdem soll gezeigt werden, wie die Ergebnisse der Messung in der Folge in die Steuerung eingehen können. Aufbauend zur Potenzial- und Erfolgsmessung werden systematisch Einflussfaktoren auf das Cross-Selling dargestellt. In einem ersten Schritt werden dazu die relevanten Einflüsse auf Basis bestehender Forschungsergebnisse ermittelt. Im zweiten Schritt werden die UrsacheWirkungskette und Möglichkeiten zur Messung der Faktoren beschrieben. Nur wenn ein Einflussfaktor in seiner aktuellen Ausprägung quantifiziert werden kann, ist es möglich die Ergebnisse in der Folge auch in der Steuerung zu verwenden. Abschließend zum zweiten Teil soll anhand einer Umfrage empirisch überprüft werden, welche Verbreitung die dargestellten Methoden in der Praxis gefunden haben. Dies beantwortet abschließend die zweite Forschungsfrage und bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Verfahrens zur Messung der Gesamtleistung. Zu Beginn des dritten Teils wird das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung hergeleitet. Ziel ist es, eine Methode zu entwickeln, um vollumfänglich die Leistung eines Instituts in Bezug auf das Cross-Selling messen zu können. Grundlage hierfür bilden die im vorausgegangenen Teil herausgearbeiteten Messinstrumente. Eine wichtige Indikation zur Praxistauglichkeit des Konzepts liefern die Ergebnisse der empirischen Umfrage. Zur weiterführenden Umsetzung der Messung einer solchen Gesamtleistung wird zum einen ein Cross-Selling-Scoring entwickelt, das

30

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eine intuitive Vorgehensweise mit hohem Praxisbezug darstellt. Zur Lösung der Schwächen eines solchen Scoringsystems wird außerdem ein Modell zur integrierten Bewertung auf Basis der Data Envelopment Analysis aufgestellt. Ziel dieser beiden Messmethoden der Cross-Selling-Gesamtleistung ist es, eine umfassende Betrachtung der Dimensionen Potenziale, Erfolge und Einflussfaktoren zu erhalten. So kann die reine Messung der Erfolge zwar die aktuelle Gesamtleistung des Instituts widerspiegeln, jedoch keine Aussage über deren nachhaltige Erzielung machen. Der Einbezug von bestehenden Potenzialen in die Bewertung stellt dabei die kundenbezogene Nachhaltigkeit heraus. Einflussfaktoren auf der anderen Seite geben Informationen zur umfeldbezogenen Nachhaltigkeit. Das Ziel einer wertorientierten Unternehmenspolitik muss es sein, sowohl aktuelle Erfolge als auch deren Zukunftsfähigkeit zu bewerten. Die beiden Methoden zur Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung sollen aufbauend auch daraufhin untersucht werden, welche Steuerungsinformationen sich aus ihnen ableiten lassen. Mittels dieser beiden Konzepte soll ein Institut somit eine umfassende Messung und Steuerung von Cross-Selling durchführen können. Der dritte Teil beantwortet damit die dritte Forschungsfrage nach einem Ansatz zur integrierten Messung von Cross-Selling.

Cross-Selling-Management im Retailbanking

31

1. Teil: Cross-Selling-Management im Retailbanking Im ersten Teil soll im Wesentlichen die erste Forschungsfrage nach der Ausgestaltung eines Cross-Selling-Managements im Gesamtbankrahmen beantwortet werden. In einem ersten Schritt werden dazu die Grundlagen dieser Untersuchung gelegt. Diese umfassen neben der Definition von Cross-Selling auch die Abgrenzung von Cross-Selling-Potenzialen, -Erfolgen und -Einflussfaktoren. Anschließend wird die Bedeutung des Vertriebs von Produkten an Bestandskunden im Retailgeschäft von Banken erörtert. Dazu muss neben der Betrachtung der Gesamtbanksteuerung auch die spezielle Rolle des Vertriebsmanagements im Retailbanking untersucht werden. Durch die schrittweise Fokussierung, ausgehend vom Gesamtbankmanagement, kann sich dem Wesen des Cross-Selling-Managements genähert werden. Kernpunkte hierzu sind die Bestimmung von Zielen und Aufgaben sowie die Funktion des Cross-Selling-Managements. Außerdem muss betrachtet werden, wie dieses in die Gesamtorganisation eingebunden werden kann. Des Weiteren ist hierbei vor allem die Anreizgestaltung von großer Bedeutung. Es gilt zu untersuchen, welchen Anforderungen ein Cross-Selling orientiertes Anreizsystem genügen muss.

Begriffliche Abgrenzung

33

A. Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken I. Einordnung von Cross-Selling in das Retailbanking 1.

Begriffliche Abgrenzung

Gemeinhin wird Cross-Selling als „Über-Kreuz-Verkauf“ bezeichnet, bei dem produktübergreifende Verkaufschancen bei bereits bestehenden Kundenbeziehungen realisiert werden.12 Die Literatur fokussiert sich bei der Definition vor allem auf den Cross-Selling-Prozess. Dies hat zu einer Vielzahl unterschiedlicher Definitionen von Cross-Selling geführt.13 SCHÄFER (2002) schlägt in seiner Untersuchung daher eine Systematisierung vor, welche die bestehenden Definitionen in folgende drei Dimensionen einteilt:14 x

Zeitlich: Findet der Verkauf des Zusatzproduktes zeitgleich oder nachgelagert zum Initialprodukt statt?

x

Produkt: Stehen sich Einstiegs- und Zusatzprodukt komplementär oder unabhängig gegenüber?

x

Sortiment: Wird lediglich mittels des eigenen Sortiments versucht, CrossSelling durchzuführen oder werden Fremdprodukte hinzugezogen?

Die zeitliche Dimension zielt darauf ab, eine Abgrenzung zum Vorgang des Bundlings (Leistungsbündelung) herzustellen. Beim Bundling handelt es sich um den zeitgleichen Absatz von zwei oder mehr Produkten zu einem „Gesamtbündelpreis“.15 Besonders bei der Neukundengewinnung stellt sich die Frage, ob beim gleichzeitigen Verkauf eines zweiten Produkts bereits von Cross-Selling gesprochen werden kann. Eine sehr enge Definition würde den zeitlich sukzessiven Vorgang in den Vordergrund stellen und somit Parallelverkäufe im Rahmen der Neukundenakquise als Cross-Selling ausschließen.16 Jedoch kann nach herrschender Meinung von Cross-Selling auch dann gesprochen werden, wenn eine zeitliche 12 13

14

15 16

Vgl. FÜRST (Marketingprobleme, 1975), S. 40; CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 173. Vgl. BENÖLKEN/GREIPEL (Dienstleistungsmanagement, 1994), S. 91; SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 5254; KEPPLER (Determinanten, 2006), S. 21-22. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 55-56. Hierbei wurden insgesamt 27 Definitionsansätze der Literatur ausgewertet und gemäß ihrem Inhalt systematisiert. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich alle Definitionen auf die drei hier dargestellten Dimensionen zurückführen lassen. Seit dieser Untersuchung sind keine Definitionen mehr aufgestellt worden, die nicht in diese Systematisierung passen. Vgl. GUILTINAN (Bundling, 1987), S. 74; PRIEMER (Bundling, 2000), S. 31. Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 177.

34

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Abfolge der Transaktion (sukzessives Cross-Selling) nicht vorliegt und ein Produktbündel bereits in der Initialphase verkauft wird (simultanes Cross-Selling).17 Besonders simultanes Cross-Selling besitzt im Retailbanking eine große Bedeutung, da dem Kunden meist bei der initialen Gründung der Kundenbeziehung bereits ein Zusatzprodukt angeboten wird.18 Des Weiteren können Einzelprodukte auch aus einem Bündel von Teilleistungen bestehen. Ein Girokonto enthält z. B. die Teilleistungen der Zahlungsverkehrsabwicklung und des Kontokorrentkredits. Ist es möglich diese Teilleistungen auch einzeln anzubieten, ist keine eindeutige Trennung zwischen Cross-Selling und Bundling möglich.19 In Bezug auf den zeitlichen Aspekt soll im Rahmen dieser Arbeit daher der Auffassung gefolgt werden, dass Cross-Selling dann vorliegt, wenn es simultan im Rahmen des Initialgeschäfts oder sukzessive zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wird.20 Die produktorientierte Dimension zur Abgrenzung von Cross-Selling stellt die Betrachtung der Komplementarität der Leistungen in den Vordergrund. Ergänzen sich diese, kann in einer sehr streng ausgelegten Definition nicht von CrossSelling gesprochen werden.21 Am Beispiel einer Kreditkarte wird deutlich, dass diese ein Verrechnungskonto zur ordentlichen Abwicklung benötigt.22 Gemäß der engen Definition würde es sich hier nicht um Cross-Selling handeln. In diesem Beispiel könnte jedoch das Verrechnungskonto u. U. auch bei einem anderen Institut bestehen. Ähnlich verhält es sich z. B. mit einem Wertpapierdepot und dem dazu notwendigen Depotkonto. Weiter gefasste Definitionen gehen daher davon aus, dass auch im Fall komplementärer Produkte von Cross-Selling gesprochen werden kann.23 Wie in den Beispielen gezeigt, ist eine Bestätigung oder Ablehnung einer Komplementärbeziehung nicht pauschal über alle Produkte hinweg zu treffen. Es ist davon auszugehen, dass zwischen Einstiegs- und Zusatzprodukt eine Komplementarität bestehen kann.24 Im Rahmen dieser Arbeit soll daher von einer weit gefassten Definition ausgegangen werden. Die völlige Unabhängigkeit der Produkte ist keine Voraussetzung für eine Subsumierung unter Cross-Selling.25 17 18

19 20

21 22 23 24 25

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 177-178; GUILTINAN (Bundling, 1987), S. 74. Vgl. DILLER (Steuerungsgröße, 2002), S. 310. Beispiele hierfür sind Verbindungen von kostenlosen Gehaltskonten mit Kreditkarten oder Baufinanzierungen mit Restschuldversicherungen (vgl. WÜBKER/HARDOCK (Bundling, 2001), S. 614). Vgl. PRIEMER (Bundling, 2000), S. 39; ROTH (Preismanagement, 2006), S. 48. Vgl. HOMBURG/SCHNURR (Kundenwert, 1999), S. 3; BREYER (Nachkaufverhalten, 1998), S. 245; CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 177-178. Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 173. Hierbei wird auch von einem Bedarfsverbund gesprochen (vgl. ROTH (Sortimentsverbund, 2008), S. 751). Vgl. LIESTMANN/SCHRAMM (Zusatzleistungen, 1999), S. 31. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 55. Vgl. DILLER (Steuerungsgröße, 2002), S. 309.

Begriffliche Abgrenzung

35

Die sortimentsbezogene Dimension des Begriffs Cross-Selling beschäftigt sich mit der Frage nach der Grenze des eigenen Leistungsangebots. Im Rahmen der Konsolidierungsanstrengungen oder bei Verbundbeziehungen besteht für die Institute vermehrt die Möglichkeit, auf Produkte eines Partners oder des Mutterkonzerns/instituts zurückzugreifen. Würde Cross-Selling sehr eng ausgelegt bedeutet dies, dass Produkte außerhalb des eigenen Instituts als Fremdprodukte zu werten sind. Hierbei handelt es sich dann nicht um Cross-Selling. Im Falle der SparkassenFinanzgruppe zwingt eine enge Definition zur Einschränkung der Betrachtung auf die Produkte des Einzelinstituts.26 Der Sparkassen-Finanzverbund (DSGV) sieht jedoch z. B. als besonderes Ziel die Aufteilung der Produktkompetenzen im Verbund.27 Wie einleitend dargestellt, sollen gerade auch durch Zusammenschlüsse und Kooperationen Cross-Selling-Potenziale gehoben werden. Ein weiterer Aspekt stellt die Berücksichtigung von Fremdprodukten wie Versicherungen dar, bei denen die Bank zum Teil als Vermittler fungiert.28 Hierbei steht im Vordergrund, die bestehenden Kundenbeziehungen stärker zum Absatz weiterer Finanzdienstleistungen zu nutzen.29 Auch diese Produktsegmente müssen daher in die Betrachtung des Cross-Sellings Eingang finden. Im Rahmen dieser Untersuchung soll daher der Auffassung gefolgt werden, dass Cross-Selling vorliegt, wenn das Institut Eigenprodukte oder solche der mit ihm im Rahmen einer Institutsgruppe verbundenen Finanzdienstleister absetzt bzw. als Vermittler von Fremdprodukten auftritt. Die umfangreiche Diskussion in der Literatur zur Begriffsbestimmung erfordert somit an dieser Stelle kein grundlegend neues Verständnis von Cross-Selling. Es soll daher folgende zweckmäßige Definition von Cross-Selling in dieser Arbeit verwendet werden: Cross-Selling bezeichnet den Vorgang, in dessen Verlauf eine Bank den zusätzlichen Kundenbedarf an Finanzprodukten deckt. CrossSelling ist zeitlich unabhängig und kann im Rahmen der Initialisierung der Kundenbeziehung oder nachgelagert durchgeführt werden. Die Produkte können dabei komplementär sein, substituieren sich 26

Analog dazu der Genossenschaftsbankensektor, der bereits sehr früh durch Kooperationen im Bereich der Bausparprodukte eine Steigerung des Cross-Sellings bezweckt hat (vgl. HINTERBERGER (Bankvertrieb, 2002), S. 26).

27

Vgl. BINKOWSKA (Verbundpartner, 2007), S. 45-46; NITSCHE/REUSCHER/KLAHOLZ (Finanzdienstleister, 1999), S. 136. Betrachtet werden hier lediglich Finanzdienstleistungen. Bestrebungen, wie die der Deutschen Bank im Rahmen des Vermarktungskonzeptes der Filiale Q110, auch bankfremde Dienstleistungen anzubieten, sollen hier nicht betrachtet werden (vgl. KLEE (Q110, 2007), S. 22). Dies würde sonst zu einer Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes auf Konsumgüter führen, was nicht Gegenstand der Untersuchung ist.

28

29

Vgl. HÄßLER (Implementierbarkeit, 2004), S. 85.

36

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

jedoch nicht. Das Institut greift hierbei auf eigene oder zugekaufte banknahe Dienstleistungen zurück. Dieses Verständnis orientiert sich an der weitest möglichen Auslegung, um im Rahmen der Darstellung der Messung und Steuerung von Cross-Selling einen breiten Ansatz verfolgen zu können. Die Notwendigkeit eines breiten Ansatzes wird auch bei der Unterscheidung in aktives und passives Cross-Selling deutlich. Aktives bzw. systematisches Cross-Selling bezeichnet den Vorgang, bei dem die Bank durch zielgerichtete Maßnahmen an den Kunden herantritt.30 Im Gegensatz dazu erfordert es beim passiven bzw. unsystematischen Cross-Selling eine Initiierung des Kontakts seitens des Kunden, im Rahmen dessen die Bank Cross-Selling betreibt.31 Würde die Definition des Cross-Sellings dahingehend eingeschränkt, dass nur der Verkauf eines Zusatzprodukts im Rahmen der kundenseitigen Kontaktaufnahme als Cross-Selling bezeichnet wird, müssten Steuerungsinstrumente des aktiven Cross-Sellings unbetrachtet bleiben. Sowohl bei aktivem als auch bei passivem Cross-Selling ist es jedoch die Zielsetzung, dem Kunden zusätzliche Produkte anzubieten, sofern der Bedarf bekannt ist. Der Unterschied besteht somit lediglich in der Form der Initiierung des Kundenkontakts. Eine Einschränkung auf aktives bzw. passives Cross-Selling ist daher nicht sinnvoll. Im Rahmen des zeitlichen Aspekts von Cross-Selling wurde bereits eine Abgrenzung zum Bundling hergestellt. Cross-Buying und Up-Selling sind zwei weitere mit dem Cross-Selling verwandte Begriffe, die sich jedoch nicht auf Basis der betrachteten Dimensionen abgrenzen lassen. Cross-Buying bezeichnet den Vorgang aus Kundensicht und beschreibt den Kauf von verschiedenen Produkten beim gleichen Anbieter. Auslöser ist meist das Streben des Kunden nach Effizienz beim Beschaffungsverhalten auf Grund bestehender zeitlicher Restriktionen.32 Offensichtlich ist hierbei, dass ein verstärktes Cross-Buying-Verhalten seitens des Kunden zu einer Erhöhung des Cross-Sellings führt.33 Up-Selling auf der anderen Seite ist ein Vorgang, bei dem der Kunde statt dem ursprünglich gewünschten ein höherwertigeres Produkt bezieht. Beispielsweise wird dem Kunden entgegen seiner Absicht ein Gehaltskonto mit Basisleistungen zu erwerben, ein Gehaltskonto mit Zusatzleistungen verkauft. Der Begriff Up-Selling zielt somit auf die wertmäßige Differenz zwischen ursprünglicher Kundenabsicht und tatsächlichem Kun-

30

Maßnahmen umfassen dabei den gesamten Marketing-Mix in Form der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationsgestaltung (vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 177).

31

Vgl. LAU/CHOW/LIU (Database, 2004), S. 217; RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 23. Vgl. DELLAERT ET AL. (Consumers, 1998), S. 185; DARIAN/COHEN (Segmenting, 1995), S. 33; KASSOW/WEISS (Retail, 2006), S. 17; KLENK (Cross-Buying-Kultur, 2002), S. 5; PAUL (Marketing, 2000), S. 1265.

32

33

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 175.

Der Cross-Selling-Prozess

37

denverhalten ab.34 Dies kann zum einen im Rahmen des Erstkontakts und zum anderen im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung durchgeführt werden. Im ersten Fall gibt es gemäß oben festgelegter Definition keine Überschneidung mit dem Cross-Selling, da es sich um das Einstiegsprodukt handelt. Im zweiten Fall würde jedoch bereits eine Kundenverbindung bestehen, im Rahmen derer ein Folgeprodukt veräußert wird. Es kann somit im Zuge des Cross-Sellings ein höherwertigeres als das ursprünglich gewünschte Produkt verkauft werden. UpSelling im Rahmen des Verkaufs eines Folgeproduktes soll somit auch unter Cross-Selling subsumiert werden. 2.

Der Cross-Selling-Prozess

Nachdem der Begriff Cross-Selling definitorisch abgegrenzt wurde, sollen im Folgenden die Begriffe Cross-Selling-Potenzial, -Erfolg und -Einflussfaktoren anhand des Cross-Selling-Prozesses näher beschrieben werden. Der Cross-SellingProzess setzt sich aus den drei Schritten der Potenzialanalyse, der Kundenansprache und der Erfolgskontrolle zusammen. Da die Bank im diesem Prozess Kundengruppen zur aktiven Ansprache identifiziert, wird auch von aktivem bzw. systematischem Cross-Selling gesprochen. Beim passiven bzw. unsystematischen Cross-Selling kommt der Cross-Selling-Prozess nicht vollständig zum Einsatz, da die Kunden mit der Bank in Kontakt treten und nicht durch das Institut angesprochen werden. Den Ausgangspunkt des systematischen Cross-Sellings bildet immer die Potenzialanalyse. Das Institut untersucht den Kundenstamm und versucht bei einzelnen Kunden oder Kundengruppen einen konkreten Bedarf zu ermitteln, der in der Folge gedeckt werden soll. Ist der Bedarf identifiziert, kann im nächsten Schritt mit der aktiven Ansprache der Kunden begonnen werden, um die entsprechenden Produkte anzubieten. Am Ende des Prozesses wird der Erfolg des aktiven CrossSellings kontrolliert. Im Rahmen des passiven Cross-Sellings entfällt der Prozessschritt der gezielten Kundenansprache.35 Folgende Abbildung zeigt den Gesamtprozess nochmals im Überblick:

34

Vgl. DITTRICH (Kundenbindung, 2000), S. 151; PEPELS (Strategie, 2002), S. 668; SWOBODA (Retail-Banking, 2004), S. 94.

35

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 11. Im weiteren Verlauf wird noch gezeigt, dass auch beim passiven Cross-Selling Potenzialinformationen gezielt eingesetzt werden können (2. Teil: A.II.3).

38

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Potenzialanalyse

Ansprache

x Identifikation von attraktiven

x Planung von Maßnahmen zur

x Ermittlung des Erfolgs der

Kundenansprache. x Unterbreitung von Angeboten. x Entscheidung durch vorstrukturierte Prozesse.

systematischen Kundenansprache.

Segmenten im Kundenstamm. x Ermittlung des Bedarfs dieser

Kunden und Ableitung des Cross-Selling-Potenzials.

Erfolgskontrolle

Abb. 2: Systematischer Cross-Selling-Prozess36 Aus dem Cross-Selling-Prozess wird deutlich, dass an verschiedenen Stellen Methoden zur Messung zum Einsatz kommen können. Daher muss im Folgenden eine genaue Abgrenzung von Potenzialen und Erfolgen durchgeführt werden. Ein Potenzial beschreibt grundsätzlich eine noch nicht realisierte Möglichkeit, für die jedoch die Fähigkeit zur Realisierung besteht.37 In Bezug auf das Cross-Selling ist dies somit die noch nicht realisierte Möglichkeit, einem Kunden ein Zusatzprodukt zu veräußern. Diese grundsätzlich bestehende Möglichkeit unterteilt die Literatur in die Dimensionen des tatsächlichen Bedarfs des Kunden und dessen Bereitschaft zum Zusatzkauf beim Institut.38 Kunden müssen somit zuerst einen Bedarf besitzen, damit überhaupt ein Potenzial gegeben ist. Des Weiteren sollte eine grundsätzliche Zusatzkaufbereitschaft seitens des Kunden vorhanden sein. Nur wenn dieser auch gewillt ist, den tatsächlichen Bedarf beim Institut zu decken, besteht auch ein Cross-Selling-Potenzial.39 Für die Bank ist jedoch nur schwer im Vorfeld festzustellen, ob eine Zusatzkaufbereitschaft auf Kundenseite besteht. Diese Bereitschaft wird erst beim tatsächlichen Kauf ersichtlich. Zweckmäßiger ist es daher, den möglichen Bedarf seitens des Kunden als bereits Potenzial für das Institut zu bezeichnen.

36

Eigene Darstellung in Anlehnung an HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 151; HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 11. Der von HOMBURG/SCHÄFER (2001) vorgeschlagene Zwischenschritt der Unternehmensanalyse zur Abstimmung des Produktprogramms auf die Kundenbedürfnisse scheint im Retailbanking auf Grund des homogenen Produktprogramms zwischen den Banken als nicht zweckmäßig (vgl. dazu auch 1. Teil: A.II.3).

37

Vgl. ARISTOTELES (Metaphysik, 1991), S. 101-103 sowie S. 460. Der Bedarf des Kunden kann hierbei bereits aktuell bewusst oder latent unbewusst vorliegen sowie sich zukünftig auf Grund einer geänderten Lebenssituation ergeben (vgl. WEBER/LISSAUTZKI (KundenwertControlling, 2004), S. 22).

38

39

Vgl. RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 24; OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 102.

Der Cross-Selling-Prozess

39

Fraglich ist jedoch die Breite der Begriffsdefinition. Wenn der Kunde seinen Bedarf z. B. an einem Privatkredit schon bei einer anderen Bank gedeckt hat, ist das Bedürfnis nach diesem Produkt offensichtlich. Das Institut könnte durch Verdrängung des Wettbewerbers diesen Bedarf des Kunden selbst decken.40 Somit wäre ein Cross-Selling-Potenzial auch dann gegeben, wenn der Kunde bereits das relevante Produkt erworben hat.41 Im Ergebnis würde sich die Bank als alleiniger Anbieter beim Kunden positionieren und diesen von der Konkurrenz abwerben.42 Ein Anbieterwechsel ist für den Kunden jedoch immer mit Transaktionskosten verbunden. Bestrebungen der Banken gehen daher aktuell in die Richtung, Transaktionskosten, die beim Wechsel zu einer anderen Bank entstehen, für Retailkunden zu minimieren.43 Trotz Minimierung der Transaktionskosten besitzt der Kunde dahingehend einen Informationsvorsprung, dass dieser zu jedem Zeitpunkt genau weiß, welchen Bedarf er bereits gedeckt hat.44 Aus Sicht des Instituts kann bei der Potenzialbestimmung jedoch nicht zu jedem Zeitpunkt zwischen aktuell gedecktem und offenem Bedarf unterschieden werden. Im Rahmen dieser Untersuchung soll daher grundsätzlich der Ansicht gefolgt werden, dass beide Fälle ein tatsächliches Potenzial für die Bank darstellen.45 Die herangezogene Definition des CrossSelling-Potenzials umfasst somit: Cross-Selling-Potenzial bezeichnet den durch den Bestandskunden bei anderen Instituten bereits gedeckten oder den gänzlich ungedeckten Bedarf an zusätzlichen Finanzprodukten des Finanzinstituts. Die Banken stehen vor der Grundproblematik, Möglichkeiten zu finden, dieses Potenzial zu ermitteln und in Cross-Selling-Erfolge zu transformieren. CrossSelling-Erfolge liegen vor, wenn Cross-Selling-Potenziale realisiert werden. Hierbei wird auch von der Erschließung von Möglichkeiten zum Zusatzverkauf ge40

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 57.

41

Vgl. WEBER/LISSAUTZKI (Kundenwert-Controlling, 2004), S. 21-22. Dies zeigt auch die zwei verschiedenen Stoßrichtungen von Cross-Selling. Zum einen die „Verdrängung“ und zum anderen die „Ergänzung“ von Produkten (vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 9).

42

43

44

45

Depotüberträge zwischen Banken sind gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs kostenlos (Az. BGH XI ZR 49/04). Eine Stichprobenprüfung der Internetauftritte von Banken hat ergeben, dass für Girokonten oftmals ein kostenloser Kontowechselservice angeboten wird. Die Ablösung von Krediten hingegen ist je nach Ausgestaltung u. U. mit hohen Kosten verbunden. Banken setzen im Rahmen der Neukundenaufnahme Befragungsbögen ein, die den aktuellen Status Gesamtproduktnutzung abbilden sollen. Diese verlieren jedoch im Zeitablauf ihre Aussagekraft. Vgl. DILLER (Steuerungsgröße, 2002), S. 309. Neben der Unterscheidung in gedeckten und ungedeckten Bedarf kann zusätzlich in die Dimension der tatsächlichen Verfügbarkeit der Produkte beim Anbieter differenziert werden (vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 58). Dieser Ansatz ist jedoch für das Retailbanking nicht zweckmäßig, da hier bereits eine große Homogenität des angebotenen Produktprogramms besteht (vgl. 1. Teil: A.II.3).

40

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

sprochen.46 Für den Erfolg ist es dabei unerheblich, ob es sich um aktives oder passives Cross-Selling handelt.47 Die verwendete Definition des Cross-SellingErfolgs umfasst daher: Cross-Selling-Erfolg bezeichnet das Ausmaß der Realisierung von Cross-Selling-Potenzialen durch das Finanzinstitut. Neben Potenzialen und Erfolgen, die ein direkter Bestandteil des Cross-SellingProzesses sind, bezeichnen Cross-Selling-Einflussfaktoren so genannte Umfeldvariablen, die den Prozess unterstützen. Es handelt sich hierbei um Faktoren, wie z. B. die Kundenzufriedenheit oder die Mitarbeiterqualifikation, die sich positiv auf den Vorgang des Zusatzverkaufes auswirken. Diese Faktoren beeinflussen entweder das Cross-Selling-Potenzial oder den -Erfolg. Für den Fall des Einflusses auf das Cross-Selling-Potenzial bedeutet dies, dass z. B. durch eine hohe Kundenzufriedenheit eine höhere Bereitschaft zum Zusatzkauf entsteht oder sich der Bedarf speziell nach Produkten des Instituts vergrößert. Der Einfluss bezieht sich lediglich auf das Cross-Selling-Potenzial und gibt noch keine Aussage darüber, ob tatsächlich weitere Produkte veräußert werden. Auf der anderen Seite beschreiben Einflussfaktoren auf den Cross-Selling-Erfolg solche Faktoren, die bewirken, dass die gegebenen Potenziale tatsächlich ausgenutzt werden können. Diese Faktoren unterstützen das Institut darin, bestehende Möglichkeiten zum Zusatzverkauf auch tatsächlich zu verwirklichen. Unter Cross-Selling-Einflussfaktoren sollen daher solche Faktoren verstanden werden, die auf die einzelnen Stufen des CrossSelling-Prozesses einwirken.48 Folgende Abbildung verdeutlicht nochmals diesen Sachverhalt: Cross-Selling-Potenziale

Cross-Selling-Erfolge

Positive Unterstützung

Positive Unterstützung Cross-Selling-Einflussfaktoren

Abb. 3: Zusammenhang zwischen Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren Ein Einflussfaktor auf das Cross-Selling wird daher im Rahmen dieser Arbeit folgendermaßen definiert:

46 47

48

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 57. Es sollen vielmehr alle Aktivitäten, die dem Cross-Selling dienen, einer Erfolgsbewertung unterworfen werden (vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 32). Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 58-59.

Bedeutung des Cross-Sellings für das Retailgeschäft

41

Ein Cross-Selling-Einflussfaktor bezeichnet eine Umfeldvariable, die entweder Cross-Selling-Potenziale oder -Erfolge positiv unterstützt und somit wahrscheinlicher macht. Eine vollumfängliche Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retailgeschäft muss neben Potenzialen und Erfolgen daher auch den Status der Einflussfaktoren in der Steuerung mit berücksichtigen. Nach der Definition des CrossSellings und der damit einhergehenden Begrifflichkeiten, kann aufbauend dessen Bedeutung für das Retailgeschäft herausgearbeitet werden. 3.

Bedeutung des Cross-Sellings für das Retailgeschäft

Bereits erste Publikationen, die das Thema Cross-Selling aufgegriffen haben, beschäftigten sich mit dem Retailgeschäft in Finanzinstituten.49 Dies zeigt, dass speziell in diesem Geschäftsbereich bei Banken bereits früher besonderes Interesse an diesem Thema bestand. Das Retail- bzw. Mengengeschäft der Institute ist vornehmlich durch eine hohe Kundenzahl mit geringen Losgrößen gekennzeichnet.50 Für das Mengengeschäft in Deutschland kann festgestellt werden, dass – gemessen am Bestehen mindestens einer Bankverbindung bei Privatkunden – der Markt für Dienstleistungen des Retailbankings bereits nahezu gesättigt ist.51 Eine Ausweitung des Geschäftes auf den europäischen Binnenmarkt gestaltet sich zudem schwierig. Bestrebungen, die Grenzen für Bankdienstleistungen im Retailbanking zu öffnen, stehen aktuell noch am Anfang. Die bisherige Harmonisierung auf europäischer Ebene basiert auf dem Financial Services Action Plan (FSAP) von 1999, der sowohl den Privatkunden- als auch den Firmenkunden- (Wholesale-) und den Wertpapierbereich im Fokus hat. Speziell im Firmenkundenbereich konnten durch grenzüberschreitende Transaktionen vermehrt Kunden gewonnen werden. Die weiter schleppende Integration der Märkte für Privatkunden liegt in nachfragebedingten Faktoren wie Sprachbarrieren oder kulturellen Unterschieden begründet. Eine vollständige Integration wird außerdem erst möglich werden, wenn auch eine umfängliche Harmonisierung der gesetzlichen Regelungen zum Verbraucherschutz erreicht wurde.52 Aktuell bestehen auf EU-Ebene weiterhin hohe Transaktionskosten durch fragmentierte Märkte sowie hohe Preisdifferenzen bei Standardbankdienstleistungen.53 Das Ende 2005 vorgestellte Weißbuch der

49

50 51 52 53

Vgl. POPE (Market, 1970), S. 66; FREY ET AL. (Loyalty, 1973), S. 524; FÜRST (Marketingprobleme, 1975), S. 42-43. Vgl. 1. Teil: A.II.1. Vgl. ROLFES (Strukturwandel, 1999), S. 4; DEUTSCHE BUNDESBANK (Zahlungsverkehr, 2008), S. 4. Vgl. BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN (Integration, 2007), S. 11. Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION (Integration, 2007), S. 13-14.

42

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Europäischen Kommission nennt allerdings als oberstes Handlungsfeld bis Ende 2010, die Zusammenführung der Retailbankingmärkte vollendet zu haben.54 Es wird beklagt, dass als Folge der bisher eher verhaltenen Integration sowie der aktuellen Binnenmarktsituation eine Neukundengewinnung fast ausschließlich nur durch Abwerben von Kunden eines anderen Instituts möglich ist.55 Dieser Status quo soll vor dem Hintergrund von möglichen alternativen strategischen Optionen näher beleuchtet werden. Hierzu herangezogen wird die klassische Sicht der Produkt-Markt-Matrix nach ANSOFF (1965). Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die darin enthaltenen strategischen Handlungsalternativen: neu

bestehend

Marktdurchdringung Angebotene Dienstleistungen auf bestehenden Märkten vertreiben.

Produktentwicklung Neue Dienstleistungen auf bestehenden Märkten anbieten.

neu

Märkte

Produkte bestehend

Marktentwicklung Vorhandene Dienstleistungen auf neuen Märkten platzieren.

Diversifikation Ausweitung der Dienstleistungen auf bisher nicht bearbeitete Märkte.

Abb. 4: Strategische Optionen der Geschäftsfelderschließung56 Die in der Matrix enthaltenen Empfehlungen basieren vor allem auf der Frage nach einem möglichen Wachstumstreiber. Soll Wachstum mittels bestehender Produkte auf angestammten Märkten57 erreicht werden, so ist dies lediglich durch eine stärkere Marktdurchdringung möglich. Können neue Märkte für bestehende Produkte gefunden oder bestehende Märkte mit neuen Produkten durchzogen werden, spricht dies für eine Markt-/Produktentwicklung als Wachstumstreiber. Im Rahmen der Diversifikation werden in der Folge simultan die Markt- und Produktentwicklung vorangetrieben.58

54 55 56

57 58

Vgl. DIECKMANN (EU-Retail, 2006), S. 6. Vgl. JASNY (Zukunft, 2003), S. 512-513; TELLINGS (Retail-Banking, 2007), S. 26. Eigene Darstellung in Anlehnung an ANSOFF (Corporate, 1965), S. 109. Die Anwendbarkeit der ProduktMarkt-Matrix ist gegeben, da der Ratailbereich als klassischer „Betrieb“ im Rahmen der Bank angesehen werden kann. Für das Investmentbanking, als eher vom Handel bestimmter Bereich, sollte die Produkt-MarktMatrix jedoch nicht angewendet werden (vgl. ANSOFF (Corporate, 1965), S. 117). Ein „Markt“ bezeichnet die geografische Breite innerhalb derer ein Institut seine Dienstleistungen anbietet. Vgl. ANSOFF (Corporate, 1965), S. 109-110.

Bedeutung des Cross-Sellings für das Retailgeschäft

43

Auf Grund der dargestellten Struktur des Retailbankingmarkts zeigt sich, dass für deutsche Banken neue Märkte nur sehr begrenzt zur Verfügung stehen. Abstrahiert man von der Möglichkeit grenzüberschreitender Fusionen, gibt es strategische Alternativen aktuell lediglich auf bestehenden Märkten.59 Wie im weiteren Verlauf noch gezeigt wird, herrscht im Retailbanking aktuell ein geringer Innovationsgrad bezüglich der Produktgestaltung. Finanzdienstleister unterscheiden sich in ihrem angebotenen Produktportfolio nur marginal.60 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen kommt der Strategie der Marktdurchdringung eine besondere Bedeutung zu. Hier geht es vor allem darum, in bestehenden Märkten mittels bereits angebotener Dienstleistungen Vertriebserfolge zu erzielen.61 Eine solche Strategie ist durch folgende Aktionsfelder geprägt: 62 x Übernahme von Kunden aus Konkurrenzinstituten. x

Aktivierung von bisherigen Nicht-Käufern für die bestehende Produktpalette.

x

Intensivierung von Cross-Selling-Anstrengungen bei Bestandskunden.

Dem Cross-Selling kommt aus strategischer Sicht daher eine große Bedeutung für das Retailbanking in Deutschland zu. Neben der strategischen Anforderung der Marktdurchdringung treten zudem nicht erst in jüngster Zeit Ertragsprobleme in den Banken und speziell im Retailgeschäft auf.63 Nachfolgende Abbildung zeigt den prozentualen Anteil der Kosten an den Bruttoerträgen, das Kosten/Ertragsverhältnis (Cost Income Ratio/CIR)64, europäischer Banken im Durchschnitt zwischen 2004 und 2006:

59

Diese Annahme kann getroffen werden da es sich gezeigt hat, dass die Einzelinstitute im Retailbanking weiter eigenständig an den jeweiligen Heimatmärkten operieren. Investment Banking Aktivitäten werden hingegen stärker zentralisiert (vgl. HVB (Geschäftsbericht, 2008), S. 13).

60

Vgl. dazu 1. Teil: A.II. Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 110; WALTER (Multikanalvertrieb, 2005), S. 262.

61 62 63 64

Vgl. GRUSSERT (Strategien, 2006), S. 18-19. Vgl. FISCHER (Retail, 1999), S. 125; HÄßLER (Implementierbarkeit, 2004), S. 66-68. Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 430.

44

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

50,5%

53,0%

54,0%

54,4%

56,8%

59,6%

59,9%

61,3%

63,8%

64,5%

67,8%

68,0%

Großbritannien

Schweden

Norwegen

Finnland

Dänemark

Italien

Belgien

Österreich

Frankreich

Schweiz

Niederlande

Portugal

Island

0%

Deutschland

50,5%

20%

Spanien

40%

41,5%

60%

73,5%

80%

Abb. 5: Durchschnittliche CIR im europäischen Vergleich65 Deutschland liegt mit einer CIR von rund 74 % weit über dem europäischen Durchschnitt von rund 60 %.66 Die Spannweite der CIR über die Institutsgruppen in Deutschland liegt zwischen rund 67 % bis 78 %. Die Geschäftsbanken schneiden hier gefolgt von den Sparkassen tendenziell besser ab als Genossenschaftsbanken und Regionalbanken.67 Neben dem Druck zur Marktdurchdringung müssen somit speziell deutsche Institute im Vergleich zu den europäischen Wettbewerbern eine stärkere Senkung der CIR vornehmen. Durch eine erhöhte Nutzung des eigenen Kundenstamms kann Cross-Selling dabei unterstützen, dass bestehende Ertragsprobleme besonders im Retailgeschäft eingegrenzt werden.68 Des Weiteren kann Cross-Selling helfen, die Kosten zu senken. Der Absatz eines Produktes an einen Neukunden kostet das Institut etwa fünfmal soviel, als CrossSelling bei einem bestehenden Kunden zu betreiben.69 Ein stärkerer Vertrieb an Bestandskunden kann somit die Vertriebskosten senken.70 Untersuchungen konnten bereits nachweisen, dass Banken mit einem hohen Cross-Selling-Anteil auch einen höheren Unternehmenserfolg ausweisen.71 Cross-Selling allein kann zwar die Überwindung der Ertragsprobleme nicht vollständig herbeiführen, jedoch auf 65

66 67 68 69 70

71

Eigene Darstellung in Anlehnung an ARTHUR D. LITTLE (Efficiency, 2007), S. 15. Insgesamt wurden im Rahmen dieser Studie 51 europäischen Banken untersucht. Obwohl die CIR Effizienzzahl in der Kritik steht, kein geeigneter Vergleichsmaßstab auf internationaler Ebene zu sein, zeigt sich hierbei jedoch sehr deutlich das weiter bestehende Kostenproblem deutscher Banken (vgl. MOORMANN/FROHMÜLLER/BURGER (Produktivität, 2006), S. 42). Vgl. ARTHUR D. LITTLE (Efficiency, 2007), S. 12. Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 113. Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 108; WIEDMANN/KLEE/SIEMON (Erfolgsfaktoren, 2003), S. 66. Vgl. KREBSBACH (Mantra, 2002), S. 22. Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 6. Kostenvorteile beziehen sich hier vor allem auf die Neukundenanlage (Rüstkosten) sowie die notwendige Bedürfnisermittlung bei Neukunden. Vgl. HALLOWELL (Satisfaction, 1996), S. 34; HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 6.

Abgrenzung des Retailgeschäfts

45

dem Weg dahin wichtige Dienste leisten.72 So sprechen sich gemäß einer Umfrage des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation auch rund 87 % der Banken dafür aus, den aktuellen Herausforderungen mit einer Intensivierung von Cross- und Up-Selling zu begegnen. Cross-Selling wird hierbei als bedeutendstes „strategisches Leuchtturmprojekt“ gesehen.73 Cross-Selling besitzt im Ergebnis für Banken im Retailgeschäft vor allem zwei Bedeutungsaspekte. Zum einen eine Marktdurchdringungsfunktion und zum anderen eine Perspektive zur Ertragssteigerung, sofern werthaltige Geschäfte getätigt werden. Nach der Herausarbeitung der konstituierenden Merkmale des CrossSellings und dessen Bedeutung soll nun auf das Wesen von Bankdienstleistungen im Retailgeschäft eingegangen werden. Hierbei muss geklärt werden, welche Auswirkungen die Eigenschaften dieser Produkte auf das Cross-Selling besitzen.

II. Besonderheiten der Bankdienstleistungen im Retailgeschäft 1.

Abgrenzung des Retailgeschäfts

Auf Grund der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes auf das Retailbanking, soll im Folgenden eine Abgrenzung des Retailbankings bzw. Mengengeschäfts zu den anderen bankbetrieblichen Einheiten vorgenommen werden.74 Trotz der semantischen Verwandtschaft zwischen Retailbanking und Privatkundengeschäft, sind dies nicht dieselben Geschäftsfelder und Kundengruppen einer Bank. Eine Abgrenzung der Kundengruppen des Retailgeschäfts kann grundsätzlich über die Perspektive der Nachfrager von Bankdienstleistungen erreicht werden. Nachfrager sind im Allgemeinen gemäß der makroökonomischen Theorie Unternehmen, private Haushalte, der Staat und das Ausland als Wirtschaftssubjekte.75

72

Vgl. LOHMANN (Patentrezept, 2006), S. 38.

73

Vgl. ENGSTLER/PRAEG/VOCKE (Bank & Zukunft, 2007), S. 10. Rund 39 % der Befragten planen an zweiter Stelle eine Reorganisation des Vertriebs und rund 37 % an dritter Stelle eine Optimierung der IT-Struktur. Die Begriffe Retailbanking, Mengengeschäft, Standardgeschäft sollen im Folgenden synonym verwendet werden. Auf eine Erörterung der deutschen Bankenlandschaft und der sich daraus ergebenden Geschäftsmodelle wird an dieser Stelle verzichtet, da dies bereits ausführlich in der Literatur vorgenommen wurde. Für eine nähere Darstellung vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (Bank, 1998), S. 28.

74

75

Vgl. CEZANNE (Volkswirtschaftslehre, 2005), S. 241. Hierbei wird impliziert, dass alle Gruppen Bankdienstleistungen nachfragen. Da das Ausland als Nachfrager wiederum in die drei vorangegangenen Kategorien aufzuteilen ist, muss es zur Abgrenzung des Retailgeschäfts nicht weiter betrachtet werden.

46

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Die Zuordnung der Nachfrager auf die Kundengruppen einer Bank ergibt speziell für private Haushalte, dass diese in die beiden Kundengruppen Standardkunden (Mengengeschäft) und vermögende Privatkunden (Individualgeschäft) aufgeteilt werden können. Die Grenze zwischen vermögenden Privatkunden und Standardkunden wird von den Instituten selbst auf Basis der zur Verfügung stehenden Wirtschaftskraft festgelegt und ist daher sehr heterogen.76 Das Retailbanking umfasst diejenigen privaten Kunden, die den Standardkunden zugerechnet werden.77 Das Mengengeschäft lediglich auf Nachfrager in Form von privaten Haushalten einzugrenzen, greift jedoch zu kurz. So werden in der Praxis oftmals diejenigen Teile der Firmenkunden, die eine geringe Unternehmensgröße besitzen, mit dem Privatkundengeschäft in einer Organisationseinheit zusammengefasst.78 Hintergrund ist, dass auch kleine Unternehmen eher standardisierte Bankleistungen nachfragen. Die Einteilung einer Universalbank in die einzelnen Geschäftsfelder macht dies deutlich: Geschäftsfelder einer Universalbank Commercial Banking

Private Kunden (natürliche Personen)

Private Banking

Retail Banking

Investmentbanking

Firmenkunden, institutionelle Kunden

Retail Banking

Wholesale-/ Corporate Banking

Abb. 6: Retailbanking in der Universalbankstruktur79 Eine Universalbank kann grob in die im US-amerikanischen geprägten Begriffe des Commercial- und des Investment Banking eingeteilt werden.80 Das Commer76

77 78 79 80

Vgl. HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 139. Bei Geschäftsbanken liegen diese Grenzen des Geldvermögens zwischen 500.000 und einer Million Euro. Bei Sparkassen und Genossenschaften hingegen zwischen 100.000 und 200.000 Euro (vgl. FAUST (Leistungsangebot, 2006), S. 8; SWOBODA (Retail-Banking, 2004), S. 40). Vielfach wurde in der Vergangenheit eine Abgrenzung auch auf Basis von Produktsparten durchgeführt. Diese Trennung, die Girokonten, Sparkonten, Zahlungsverkehr, Konsumentenkredite und Privathypotheken dem Mengengeschäft zugerechnet hat, ist jedoch nicht mehr haltbar. Das Wertpapiergeschäft hat mittlerweile einen wichtigen Platz im Retailbanking eingenommen (vgl. KASSOW/WEISS (Retail, 2006), S. 16). Vgl. VOIT (Plattformstrategien, 2002), S. 67. Vgl. BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1153. Eigene Darstellung in Anlehnung an BÜSCHGEN (Grundlagen, 1999), S. 86-87. Diese Einteilung geht auf den „Glass-Steagall-Act“ von 1934 und dem in der Folge bestehenden Trennbankensystem der USA zurück (vgl. ACHLEITNER (Investment-Banking, 2002), S. 7).

Abgrenzung des Retailgeschäfts

47

cial Banking vereint die traditionellen Einlagen-, Kredit- und Zahlungsverkehrsgeschäfte einer Bank.81 Das Investment Banking auf der anderen Seite beschreibt das Kapitalmarktgeschäft der Banken.82 Wird das Commercial Banking wie in obiger Abbildung weiter unterteilt ist ersichtlich, dass auch Teile der Geschäfte mit Firmenkunden dem Retailbanking zugesprochen werden können. Da diese Kundengruppe zwar oftmals aus natürlichen Personen besteht, Finanzdienstleistungen jedoch zu Geschäftszwecken nutzt, besitzt sie eine abweichende Bedürfnisstruktur. Ein solcher Firmenkunde wird in der Regel Produkte zur Altersabsicherung nicht über seine geschäftliche, sondern über seine private Bankverbindung nachfragen. Firmenkunden, die dem Retailbanking zuzuordnen wären, sollen daher im Rahmen dieser Untersuchung neben den Privatkunden bewusst ausgeklammert werden. Somit wird Retailbanking als Standardgeschäft mit natürlichen Personen angesehen, die Bankdienstleistungen für private und nicht für geschäftliche Zwecke nutzen. Besonderheiten des Retailbankings sind vor allem eine hohe Kundenzahl mit tendenziell geringen verfügbaren Losgrößen.83 Gemessen an der Filialdichte in Deutschland und den damit zur Verfügung stehenden Kundenberatern hat sich die Betreuungsquote (Verhältnis der Kunden je Berater) in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert.84 Dies führt zu einem tendenziell unpersönlicheren Kontakt zum Kunden. Die Bedürfnisstruktur der Kunden des Retailbankings ist dabei jedoch relativ homogen. Dies bedeutet, dass die Kunden in Summe die gleichen Grundbedürfnisse an Finanzdienstleistungen besitzen.85 In Abgrenzung dazu gilt für das Private Banking, dass der Kundenkontakt auf Grund einer besseren Betreuungsquote enger und damit persönlicher ist. Daraus ergibt sich ein intensiverer Informationsaustausch, der zur Bestimmung des Bedarfs genutzt werden kann. Außerdem wird der Bankberater im Private Banking eher als Unterstützer bei Problemlösungen gesehen und damit in Entscheidungen stärker mit eingebunden. Nach der Abgrenzung des Retailgeschäfts anhand dessen Nachfrager, kann der Fokus aufbauend auf die Produkte im Mengengeschäft gelegt werden. 81 82

83

84

85

Vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (Bank, 1998), S. 334. Vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (Bank, 1998), S. 533. Für eine ausführliche Darstellung der Geschäftsarten des Investment Bankings vgl. ACHLEITNER (Investment-Banking, 2002), S. 13 und S. 19-20. Vgl. ALBERS (Retailbanking, 2007), S. 7. Grund für die geringen Losgrößen ist das verfügbare Nettoeinkommen des Kunden (vgl. SWOBODA (Retail-Banking, 2004), S. 68). Vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK (Bankenstatistik, 2008), S. 104. Die Unpersönlichkeit des Mengengeschäfts zeigt sich vor allem daran, dass bei rund 80 % der Banken zwischen 200 und 600 Privatkunden im Mengengeschäft je Berater betreut werden (vgl. EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 44). Vgl. ALBERS (Retailbanking, 2007), S. 8.

48

2.

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Das Retailprodukt als Dienstleistung

Kreditinstitute werden durch das Statistische Bundesamt unter den Anbietern von Finanzdienstleistungen subsumiert und damit dem Dienstleistungssektor zugerechnet.86 Es wird jedoch in der Literatur kontrovers diskutiert, ob das Angebot der Banken und Sparkassen überhaupt als Dienstleistungen zu sehen ist. Allgemein anerkannt ist die Tatsache, dass eine eindeutige Grenze zwischen Dienstund Sachleistung nicht trennscharf auszumachen ist.87 Eine Diskussion zur sinnhaften Abgrenzung von Dienstleistungen zu Sachleistungen soll an dieser Stelle unterbleiben.88 Vielmehr wird der gängigen Ansicht gefolgt, dass es sich bei Bankprodukten um Dienstleistungen handelt.89 Daher sind Produkte des Retailbankings als Teil des Produktprogramms eines Kreditinstituts als Dienstleistungen anzusehen. Der Fokus liegt im Folgenden auf den Eigenschaften einer Bankdienstleistung und den Auswirkungen auf die Messung und Steuerung von CrossSelling. Die sogenannten konstitutiven Eigenschaften einer Bankdienstleistung, und damit der Produkte des Mengengeschäfts, lassen sich aus den folgenden grundlegenden Eigenschaften von Dienstleistungen ableiten: x

Immaterialität

x

mangelnde Lagerfähigkeit

x

Integration des externen Faktors

x

Grad der Heterogenität

Die Immaterialität einer Dienstleistung bedeutet, dass diese physisch nicht greifbar ist und daher auch als stofflos bezeichnet wird. Ein Kredit ist z. B. keine dingliche Sache und lediglich der Vertrag kann in den Händen gehalten werden. Die dem Kredit eigenen Bedingungen sowie Zahlungsströme sind immateriell. Diese Immaterialität hat zur Folge, dass Bankprodukte bereits in einer einfachen Ausges86

Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT (EVAS, 2006), S. 12.

87

Vgl. ROTH,/WORATSCHEK (Preisbildung, 2006), S. 325; RECKENFELDERBÄUMER (Grundlagen, 2005), S. 34. An dieser Stelle soll nicht weiter auf die Auffassung eingegangen werden, dass Banken sowohl als Dienstleister als auch als Händler angesehen werden könnten. Hierbei wird argumentiert, dass die von den Banken erzielte Zinsspanne als Marge eines Händlers gesehen werden kann. (vgl. dazu SIEGERT (Eigenarten, 1975), S. 263). Vgl. ROTH (Preismanagement, 2006), S. 48 für ein ähnliches Vorgehen. Zur Systematisierung von Dienstleistungen vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 21; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 25. Zur Abgrenzung des Finanzdienstleistungsbegriffs vgl. DYCKHOFF (Diversifikation, 1993), S. 24.

88

89

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 557; STEIN (Wesensmerkmale, 2000), S. 556; PAUL (Marketing, 2000), S. 1214; HARTMANN-WENDELS/PFINGSTEN/WEBER (Bankbetriebslehre, 2007), S. 729. Eine Dienstleistung kann hierbei auch als Leistungsversprechen über eine in Zukunft zu erstellende Leistung bezeichnet werden (WORATSCHEK/ROTH/PASTOWSKI (Markttests, 2004), S. 384).

Das Retailprodukt als Dienstleistung

49

taltung erklärungsbedürftig sind.90 Der Kunde kann außerdem die Qualität der Leistung vor Vertragsabschluss nur schwer begutachten.91 Die Leistungsfähigkeit des Dienstleisters hängt davon ab, welches Wissen oder welche Fähigkeiten zur Leistungserstellung notwendig sind. Gerade im Retailbanking besteht eine hohe Imitierbarkeit der Produkte, wodurch die Breite des Produktprogramms nicht auf die Qualität des Dienstleisters schließen lässt.92 Der Kunde kann die Qualität der Leistung im Vorfeld der Leistungserstellung lediglich anhand des äußeren Eindrucks oder der Reputation der Bank beurteilen. Hierbei fließen Faktoren der Geschäftsausstattung sowie des Umgangs mit dem Kunden und die Möglichkeit der Vertrauensbildung mit ein.93 Dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Kunden und dem Institut kommt daher eine ganz besondere Bedeutung zu.94 Besitzt der Kunde den Eindruck, dass Informationsasymmetrien vorliegen, kann dies zu Unsicherheit führen und einen Institutswechsel fördern.95 Die mangelnde Lagerfähigkeit erwächst aus der Immaterialität der Dienstleistung. Durch die mangelnde Lagerfähigkeit ist eine Bankdienstleistung damit auch nicht transportierbar. Dies führt dazu, dass ungenutzte Dienstleistungen bei Nichtinanspruchnahme verfallen. Ein Beispiel hierfür ist die Inanspruchnahme eines Kredits durch den Kunden. Die Bank trifft die erforderlichen internen Voraussetzungen, dass eine Kreditvergabe möglich ist. Die Dienstleistung kann jedoch nur erbracht werden, wenn der Kunde einen Kredit zu den von ihm gewünschten Konditionen nachfragt und eine Auszahlung vorgenommen werden kann. Sofern keine Kredite nachgefragt werden, verfällt diese Dienstleistung, da Kredite nicht auf Vorrat produziert werden können. Die Leistungserstellung muss somit immer mit dem sofortigen Verbrauch einhergehen.96 Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Kapazitätsplanung der Bank. Es müssen in quantitativer und qualitativer Hinsicht stets genug Ressourcen vorgehalten werden, die eine Inanspruchnahme der

90

91

92

93

94 95 96

Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 27; PAUL (Marketing, 2000), S. 1215; SCHMÖLZ (Bankcontrolling, 2001), S. 88. Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 276; ROTH (Preismanagement, 2006), S. 55; SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 21. Vgl. HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 138; BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 21; SÜCHTING (Bankloyalität, 1998), S. 5; SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 15; STEIN (Wesensmerkmale, 2000), S. 556. Vgl. WORATSCHEK/ROTH/PASTOWSKI (Markttests, 2004), S. 384; PAUL/SIEWERT (Ertragsmanagement, 2000), S. 260; PAUL (Marketing, 2000), S. 1217. Vgl. FÜRST (Marketingprobleme, 1975), S. 42; BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 22. Vgl. KOOT (Kundenloyalität, 2005), S. 25; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 65. Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 28; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 67.

50

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Dienstleistungen durch den Kunden ermöglichen.97 Neben der Kreditvergabe ist ein weiteres Beispiel die Vermögensberatung, für die Kapazitäten vorgehalten werden müssen, auch wenn der Kunde diese aktuell nicht in Anspruch nimmt. Die Integration des externen Faktors ist ein Spezifikum einer Dienstleistung in Bezug auf die notwendigen Unterstützungsleistungen. Im Rahmen der Dienstleistungserbringung wird ein externer Faktor benötigt, über den der Dienstleistungserbringer nicht frei verfügen kann.98 Der externe Faktor im Rahmen einer Retailbanking-Dienstleistung stellt der Kunde dar. Dieser bringt Informationen über seine monetäre Ausstattung und seine Produktbedürfnisse in den Leistungserstellungsprozess mit ein.99 Der Kunde wirkt jedoch gerade bei der Bankdienstleistung im Retailbanking lediglich zu Prozessbeginn mit. Hierbei gibt er Auskunft über Bedürfnisse, wie z. B. bezüglich der Kreditlaufzeit und der Kreditsumme, und klärt rechtliche Anforderungen. Die tatsächliche Leistung wird jedoch ohne die Unterstützung des Kunden erstellt. Der Aktivitätsgrad des Nachfragers ist somit weit geringer als der der Bank.100 Obwohl die Verfügbarkeit des externen Faktors zu Geschäftsbeginn gewährleistet sein muss, kann in Bezug auf dessen Präsenz vor Ort mittels modernen Kommunikationsmedien Abhilfe geschaffen werden. Dem Kunden bietet sich z. B. die Möglichkeit, via Internet von nahezu jedem beliebigen Ort einen Antrag auf einen Konsumentenkredit zu stellen. Die weitere Korrespondenz und die damit verbundenen Legitimationserfordernisse können mittlerweile problemlos vollständig per Post durchgeführt werden. Der Kunde wird somit immer unabhängiger in Bezug auf die Präsenzanforderung.101 Die Qualität der Dienstleistung hängt jedoch in der Folge nicht unwesentlich von der Mitwirkung des externen Faktors ab.102 Der Grad der Heterogenität gibt an, in welchem Umfang es sich um eine standardisierbare Dienstleistung handelt. Heterogenität ist dann gegeben, wenn der externe Faktor Kunde in hohem Maße eingesetzt werden muss und damit keine umfängliche Standardisierung vorgenommen werden kann. Wie gezeigt wurde, ist der Kunde am Beginn des Leistungserstellungsprozesses, jedoch nicht mehr in den folgenden Prozessschritten, notwendig. Die Integration des externen Faktors kann 97

Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 159; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 80.

98

Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 27; KLEINALTENKAMP (Dienstleistungen, 2001), S. 36. Vgl. ROTH (Preismanagement, 2006), S. 50.

99 100 101

102

Vgl. SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 13; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 35-36. Vgl. CORSTEN/GÖSSINGER (Dienstleistungsmanagement, 2007), S. 28; MEFFERT/BRUHN (Dienstleistungsmarketing, 2009), S. 42. Im Retailbanking ist dies auf Grund standardisierter Prozesse jedoch weit weniger der Fall als z. B. im Private Banking.

Das Retailprodukt als Dienstleistung

51

zudem mittels moderner Kommunikationsmedien weitgehend standardisiert werden. Somit kann von einer homogenen Retailbanking-Dienstleistung gesprochen werden.103 Für die Ermittlung der Standardisierungsmöglichkeiten muss an dieser Stelle jedoch weiter differenziert werden, ob es sich um determinierte oder indeterminierte Dienstleistungsprozesse handelt. Bei determinierten Dienstleistungsprozessen sind sowohl die Produktionsfaktoren als auch deren Einsatzverhältnis eindeutig festgelegt.104 Dies hat zur Folge, dass ein hohes Potenzial zur Standardisierung vorliegt und der Personaleinsatz durch Kapitaleinsatz substituiert werden kann.105 Ein besonderes Beispiel stellt hier der einfache Konsumentenkredit dar. Die persönliche Bearbeitung durch den Bankberater wurde mehr und mehr durch den Einsatz von Technologie (v. a. des Internets) substituiert. Im Gegensatz dazu sind bei indeterminierten Dienstleistungsprozessen weder Faktoreinsatzverhältnis noch der Erstellungsprozess im Voraus festgelegt.106 Die Partizipation des Kunden und die des Bankmitarbeiters ist hier in höherem Maße gefordert. Ein Beispiel hierfür ist die Anlageberatung, im Zuge derer der Kunde detaillierte Informationen preisgeben und daher in erhöhtem Maße partizipieren muss. Dies ist im Retailbanking jedoch eher die Ausnahme und es kann eine hohe und weiter fortschreitende Standardisierung festgestellt werden.107 Diese Standardisierung ermöglicht es, die große Kundenzahl durch im Vergleich wenige Mitarbeiter zu betreuen.108 Aus den Eigenschaften der Bankdienstleistungen des Retailbankings resultieren folgende Auswirkungen auf ein Cross-Selling-Management. Auf Grund der Größe des Kundenstamms muss die Integration des Kunden als externer Faktor erleichtert werden. Dadurch kann das Institut die Notwendigkeit der Mitwirkung durch den Kunden reduzieren. Dies ist im Rahmen des Cross-Sellings vor allem durch die Bedürfnisermittlung mittels Berechnung von Cross-Selling-Potenzialen möglich. Das Cross-Selling-Management muss dafür sorgen, dass das Institut nicht mehr ausschließlich auf die Informationen des Kunden zu dessen Bedürfnissen angewiesen ist, sondern muss diese mit geeigneten Methoden antizipieren. Neben der Bedürfnisermittlung muss das Cross-Selling-Management auch sicherstellen, dass die wahrgenommene Qualität der Dienstleistung beim Kunden gesteigert wird.109 Wie im weiteren Verlauf gezeigt wird, kann Cross-Selling auch negative

103 104 105 106 107 108 109

Vgl. KAUFMANN (Multi, 2004), S. 14. Vgl. CORSTEN (Integrationsgrad, 1999), S. 147-150; GERHARDT (Dienstleistungsproduktion, 1987), S. 93. Vgl. SCHÄFER (Bankdienstleistung, 1994), S. 9. Vgl. GERHARDT (Dienstleistungsproduktion, 1987), S. 105. Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 110. Vgl. BÜSCHGEN (Bank, 2006), S. 653. Vgl. SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 16.

52

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Auswirkungen auf die Wahrnehmung beim Kunden besitzen.110 Des Weiteren sollte das Cross-Selling-Management für eine aktive Steuerung von Cross-Selling sorgen, damit die bereitgestellten Ressourcen optimal genutzt werden. Mittels der gezielten Durchführung von Cross-Selling können so die Nachteile der Nichtlagerfähigkeit von Bankdienstleistungen überwunden werden. Die adäquate Ressourcenplanung in Verbindung mit den ermittelten Kundenbedürfnissen führt zur Anforderung an das Cross-Selling-Management, diese Informationen für die Vertriebskanäle verständlich aufzubereiten. Nur so können die Potenziale in der Folge auch zielgerichtet genutzt werden. Nachdem das Wesen der Bankdienstleistungen herausgearbeitet und erste Auswirkungen auf das Cross-Selling-Management untersucht wurden, sollen abschließend Retailprodukte systematisiert werden. Ziel ist es, die Grundgesamtheit an Produkten zu ermitteln, die einer Retailbank für das Cross-Selling zur Verfügung steht. 3.

Systematisierung der Retailprodukte

Neben einer Abgrenzung des Mengengeschäfts wurde bereits dargestellt, aus welchen Gründen Cross-Selling eine besondere Bedeutung für diesen Bereich besitzt. Im Folgenden sollen die im Retailbanking angebotenen Produkte näher untersucht werden. Dies klärt zum einen, wie homogen die Produktportfolien der Banken sind, da dies Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung eines Instituts hat.111 Zum anderen kann daraus abgeleitet werden, welche Produkte die Kunden in den einzelnen Lebensphasen besonders stark nachfragen. Das Leistungsangebot im Retailbanking beschreibt die vorhandene Grundgesamtheit, die zum Cross-Selling zur Verfügung steht. Im ersten Schritt werden in nachstehender Tabelle die Bankprodukte im Mengengeschäft systematisiert. Dazu wurde das aktuelle Produktangebot der Banken untersucht.

110

Vgl. 2. Teil: B.I.3.

111

Vgl. 1. Teil: A.I.3.

Systematisierung der Retailprodukte

Konten x Jugend- und

Studentenkonten

53

Kreditkarten

Sparen

x Geldkarten

x Geldmarktsparen

x Kreditkarten

x Termingeld

Kredite x Konsumentenkredite

(Privatkredite)

x Girokonten

x Festzinsprodukte

x Studentenkredite

x Anlagekonten

x Bausparen

x Hypothekenkredite

Wertpapiere

Versichern / Vorsorgen

Mischprodukte

x Depots

x Versicherungen

x Kapitalmarktbasierte Sparprodukte

x Wertpapierhandel

(Haftpflicht, Pflege, Unfall etc.) x Altersvorsorgeprodukte (Riester etc.)

x Mischprodukte mit Versicherungs- und Wertpapier-

(Aktien, Fonds etc.) x Beratung

Komponenten (z. B. Fondsbasierte Lebensversicherung, Unfallrentenversicherung) x Kreditkarten mit Finanzierungsfunktion (ähnlich zum Privatkredit)

Institutsspezifisch x Karten mit Sonderfunktionen (Vereine, Motivkarten etc.) x Gewinnsparen x Autokredite/Kfz-Leasing x Mehrwertkonten (Ticketservice, Rabatte bei ausgewählten Anbietern) x Reisedienstleistungen (Buchung, Versicherung, etc.) x VR Web (Internetzugang, Telefon und IT Dienstleistungen) der Volksbanken und Raiffeisenbanken

Tab. 1: Systematisierung der Produkte im Mengengeschäft112 Die Produktgruppe Konten umfasst solche Angebote der Bank, die dem Kunden die Durchführung des Zahlungsverkehrs erlauben. Hierbei gibt es verschiedene Ausgestaltungsformen je nach angesprochener Kundengruppe, wie z. B. Studenten, die ein unentgeltliches Konto mit Basisleistungen erhalten. Die Kategorie Kreditkarten umfasst die verschiedenen Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit Zahlungsfristen. Sparprodukte beinhalten die klassischen Sparmöglichkeiten mit festen oder variablen Zinsen. Außerdem bieten die Banken dieselben Formen von Krediten an, die sich in ihrer Ausgestaltung je nach Finanzierungszweck (z. B. Konsum, Haus, Ausbildung) unterscheiden lassen. Eine weitere Kategorie bilden Wertpapiere, unter denen alle mit dem Kapitalmarkt verbundenen Leistungen subsumiert werden können. Außerdem bieten alle Banken Versicherungsprodukte bzw. Vorsorgeprodukte an. Die einzelnen Kategorien

112

Die Produkte wurden anhand der Internetauftritte der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Hypovereinsbank, der Postbank, der Sparkassen (übergreifender Internetauftritt sowie stellvertretend die Sparkasse KölnBonn und die Hamburger Sparkasse als größte Sparkassen) und der Genossenschaften (stellvertretend die Berliner Volksbank als größte Genossenschaftsbank ohne eingeschränkte Zielgruppe) (Stand 24.4.2008) systematisiert. Kategorisierungen von Bankprodukten sind zahlreich (vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (Bank, 1998), S. 320). Üblicherweise werden diese gemäß deren Aktiv- oder Passivwirkung kategorisiert (vgl. SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 30). Zur besseren Darstellung der Homogenität der Produktportfolien über die Institute hinweg, wird hier einer Produktgruppensystematisierung gefolgt.

54

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

sind jedoch nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. In der Vergangenheit haben sich über alle Retailbanken hinweg Mischprodukte herausgebildet, die dem Kunden angeboten werden. Das klassische Sparprodukt, das für den Kunden Erträge aus Zinszahlungen generiert, wurde um kapitalmarktbasierte Sparformen ergänzt. Diese Mischform dient auch dem Sparzweck, stellt jedoch eine Mischung aus klassischen Bankprodukten dar. Weitere Mischformen bieten die Banken im Bereich der Versicherungen, wie z. B. einer kapitalmarktbasierten Lebensversicherung, an. Neben einer Versicherungskomponente besitzt diese eine an der Entwicklung der Wertpapiermärkte orientierte Sparkomponente. Es lässt sich jedoch in Bezug auf alle Produktformen feststellen, dass die Retailbanken grundsätzlich Produkte aus den oben dargestellten Bereichen anbieten. Institutsspezifische Alleinstellungsmerkmale versuchen Banken lediglich durch die Detailgestaltung zu erreichen. Dies wird vor allem mittels eines regional- oder kundenstrukturbedingten sowie zielgruppenorientierten Angebots versucht. Speziell für Auszubildende/Studenten haben die Institute kostenlose Konten und Förderkredite zur Finanzierung von Ausbildung und Studium gestaltet. Mittlerweile haben seit Einführung der Studiengebühr diese Finanzierungsprodukte für Studenten einen festen Platz in der Angebotspalette der Institute. Einige Banken sind zudem dazu übergegangen, bestimmte Produkte für Kunden ab 50 oder Fußballfans anzubieten. Speziell für Fußballfans gibt es eine breite Palette an Kreditkarten, die neben der herkömmlichen Zahlungsfunktion auch eine Rabattfunktion auf ausgewählte Leistungen enthalten. Hierbei wird, wie z. B. bei der FC Bayern Sparkarte der Hypovereinsbank, der positive Mannschaftserfolg mit den Zinserträgen gekoppelt. Zusatzleistungen sind auch bei Sparkassen und Volksbanken zu finden, die Sparprodukte seit langem mit einer Art Lotterie verbinden. Die Postbank verfolgt hierbei das Konzept des Gewinnsparens durch eine Zusammenarbeit mit der „Aktion Mensch“. Abhängig von den gezogenen Ergebniszahlen erhält der Kunde einen Gewinnbonus, der die Verzinsung erhöht. Eine weitere Produktvariation stellen die von einzelnen Banken angebotenen Autokredite dar. Hierbei handelt es sich um Privatkredite, die durch Sicherungsübereignung des Kraftfahrzeuges günstigere Konditionen erhalten. Im Rahmen der institutsspezifischen Ausgestaltung gibt es jedoch weitere Produkte, die die angebotenen Finanzdienstleistungen ergänzen oder neue Absatzzweige erschließen sollen. Beispiele hierfür sind ein Ticketservice für Eintrittskarten zu Veranstaltungen oder die Gewährung von Rabatten bei ausgewählten Anbietern. Diese Leistungen sollen das normale Gehaltskonto gegen Gebühr weiter aufwerten. Ein völlig fremdes Produktangebot stellt jedoch der Bereich Reisedienstleistungen oder das Angebot von Internetzugängen dar. Diese haben fast keinen Bezug mehr zu den Finanzprodukten. Abgesehen von diesen institutsspezifischen Zusatzangeboten sorgen die bestehenden Variationen der Finanzprodukte jedoch nicht im eigentlichen Sinne für eine

Systematisierung der Retailprodukte

55

heterogene Produktlandschaft. Sie nutzen bereits bestehende Produkte als Grundlage, die lediglich für die Bedürfnisse der identifizierten Zielgruppe konfiguriert werden. Diese Entwicklung entspricht den von den Banken verfolgten Zielgruppenstrategien.113 Des Weiteren ist die detaillierte Ausgestaltung für den einzelnen Konsumenten meist nicht sofort zu erkennen. Somit handelt es sich auch um eine wahrgenommene Homogenität. Unterschiede ergeben sich nur in der Breite des Angebots der einzelnen Produkte. Autobanken z. B. bieten für ihre Retailkunden meist nur ein eingeschränktes Produktportfolio an.114 Die durchgeführte Auswertung der Produktportfolien der Retailbanken zeigt, dass sich bankübergreifend in den Dienstleistungen ein nahezu vollständig homogenes Bild ergibt. Somit kann von einer weitgehend homogenen Produktpalette über die Institute hinweg gesprochen werden.115 Die Innovationstätigkeiten orientieren sich lediglich an der Anpassung vorhandener Produkte auf spezifische Zielgruppen, zeigen jedoch keine wirklichen institutsspezifischen „Neuerfindungen“. Retailprodukte sind auf Grund ihres geringen Individualisierungsgrades somit als Standardprodukte anzusehen.116 Diese können des Weiteren auch als Commodity oder Massenware bezeichnet werden, da sie keine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb erlauben.117 Eine wahrgenommene Differenzierung kann daher nur über den Preis oder spezielle Zusatzmerkmale erreicht werden.118 Grund für diese Entwicklung ist nicht zuletzt, dass Bankprodukte an sich nur schwer zu schützen sind. Patentrechtlich besteht hierzu keine Möglichkeit und dies führt im Wettbewerb zu einer relativ einfachen Imitierbarkeit.119 Diese Universalisierung verleiht Cross-Selling eine zusätzliche Bedeutung.120 Zudem verschwinden die Grenzen zwischen den Produkten. Eine klare Einordnung von Fondssparen in Wertpapier- oder Sparprodukte ist ähnlich wie bei einer kapitalbildenden Unfallrentenversicherung nur schwer möglich. Die Produkte müssen daher dem Bedarf des Kunden in den einzelnen Lebensphasen gegenüber113

Vgl. ROLFES (Rollenverteilung, 2007), S. 6.

114

Das klassische Girokonto wird von den Autobanken meist nicht angeboten. Eine Ausnahme bildet hier jedoch die Volkswagenbank. Vgl. HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 138; STEIN (Wesensmerkmale, 2000), S. 556; KAUFMANN (Multi, 2004), S. 26. Prozessoptimierungen oder die Erhöhung der Nutzerfreundlichkeit können auch als Produktentwicklung gesehen werden (vgl. HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 139). Diese sind jedoch durch den Kunden nicht auf den ersten Blick bewertbar.

115

116 117

118 119 120

Vgl. SÖHNHOLZ (Diversifikation, 1992), S. 299. Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 109-110; KELTNER/FINEGOLD (Value, 1996), S. 60; HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 140. Vgl. KELTNER/FINEGOLD (Value, 1996), S. 60; HÖRING ET AL. (Banking, 2005), S. 60. Vgl. HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 138; STEGEMANN (Wertmanagement, 2001), S. 137. Vgl. SCHIERENBECK (Perspektiven, 1988), S. 60.

56

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

gestellt werden.121 Diese Einteilung basiert auf der Tatsache, dass Kunden in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Produktbedürfnisse besitzen. Die einzelnen Phasen orientieren sich dabei am Lebenszyklusmodell.122 Folgende Abbildung zeigt schematisch, welche Produkte von den Kunden tendenziell in den einzelnen Lebensphasen nachgefragt werden und welcher kumulierte Umsatz dadurch erzielt werden kann: Ausbildung

Berufsbeginn

Familie/ Berufsaufstieg

Konsolidierung

Rente

Girokonto, Geldkarte Produktbedarf

Sparprodukte „klassische“ Anlageprodukte Kapitalmarktprodukte Konsumentenkredite Hypothekenkredite

Umsatz

Versicherungen

10

20

30

40 50 Lebensalter

60

70

80

Abb. 7: Produktbedarf im Lebenszyklusmodell.123 Das Girokonto als das wichtigste Bankprodukt wird tendenziell in einer sehr frühen Lebensphase nachgefragt und im weiteren Verlauf lediglich dann, wenn die Bank gewechselt werden soll. Es wird daher auch als das klassische Einstiegsprodukt angesehen.124 Für Sparprodukte besteht dagegen fast über den gesamten Lebenszyklus ein mehr oder minder großer Bedarf. Hypothekenkredite hingegen 121

Vgl. ROLFES (Wachstumsgrenzen, 2006), S. 108.

122

Vgl. SCHIERENBECK (Perspektiven, 1988), S. 60; HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 74. Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHIERENBECK (Perspektiven, 1988), S. 61; ROLFES/KIRMßE (Kundenbeziehung, 2000), S. 345; BARTH/TREDE (Ertragspotentialrechnungen, 2000), S. 16; STRACKE/GEITNER (Finanzdienstleistungen, 1992), S. 53.

123

124

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 4.

Forschung zu Methoden der Potenzial- und Erfolgsmessung

57

erreichen den Höhepunkt der Nachfrage im mittleren Lebensalter und werden später weniger nachgefragt. Für die Bank ergibt sich aus dieser Nachfrageneigung ein typischer potenzieller Umsatzverlauf im Rahmen eines Kundenlebenszyklus.125 Auf Grund der nicht unbeträchtlichen Aufwendungen im Zuge der Neukundenakquisition, kann hieraus abgeleitet werden, dass der tatsächliche Gewinn, je nach aktueller Lebensphase des Neukunden, für die Bank auch negativ sein kann.126 Durch das Lebensphasenmodell lassen sich, wenn auch nur sehr grob, bereits mögliche Potenziale für die Bank aufzeigen. Dem Kunden werden hierbei je nach Lebensphase bestimmte Produktgruppen angeboten.127 Im Rahmen der Untersuchung wurde im vorherigen Unterkapitel die definitorische Einordnung von Cross-Selling vorgenommen und dessen Bedeutung für das Retailgeschäft dargestellt. Aufbauend dazu wurden erste Anforderungen an ein Cross-Selling-Management formuliert und das Retailbanking sowie die relevanten Produkte näher untersucht. Im folgenden Unterkapitel sollen die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen strukturiert werden, die sich mit der Messung und Steuerung von Cross-Selling befasst haben.

III. Bisherige wissenschaftliche Betrachtung von

Cross-Selling

1.

Forschung zu Methoden der Potenzial- und Erfolgsmessung

Die Themenbereiche des Cross-Sellings wurden in der Literatur bereits ausführlich diskutiert und stellen für Finanzdienstleister längst kein neues Thema mehr dar. Die Forschungsthemen entlang des Cross-Selling-Prozesses entspringen jedoch verschiedensten Forschungsrichtungen. Im Folgenden soll näher untersucht werden, welchen Stand diese in Bezug auf die Messung und Steuerung von CrossSelling aufweisen.128 In einem ersten Schritt soll geklärt werden, welche Untersuchungen bisher Methoden zur Messung von Cross-Selling-Potenzialen betrachtet haben. Im Rahmen der Darstellung zu den Produkten im Retailgeschäft wurde ein erstes Grobmodell zur 125

Es wird hierbei der Annahme gefolgt, dass der Kunde lebenslang bei einem Institut verweilt und auch alle Produkte von diesem bezieht.

126

Vgl. DUBS (Kundenmanagement, 1998), S. 77; BARTH/TREDE (Ertragspotentialrechnungen, 2000), S. 18. Vgl. HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 75.

127 128

Die einzelnen Methoden und Kennzahlen werden detailliert in Teil 2 der Arbeit untersucht.

58

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Potenzialbestimmung auf Basis des Lebenszykluskonzeptes vorgestellt. BUXEL/BUCKLER (2003) geben aufbauend dazu einen kurzen Überblick über die möglichen Datenanalyseverfahren und Methoden zur Potenzialbestimmung.129 HIPPNER ET AL. (2001) zeigen die möglichen Methoden der Potenzialbestimmung auf.130 Bei der Potenzialbestimmung werden grundsätzlich Methoden der Statistik, der künstlichen Intelligenz, des maschinellen Lernens und der Mustererkennung, die das Kaufverhalten des Kunden ermitteln sollen, angewendet. Diese Forschungsrichtung wird dem Database-Marketing bzw. dem Data-Mining zugeordnet.131 Für die Messung von Cross-Selling-Potenzialen kann somit im Ergebnis festgestellt werden, dass es bereits eine Vielzahl von Methoden gibt, die eine Potenzialbewertung erlauben. Untersuchungen zur Messung von Cross-Selling-Erfolgen finden sich im Umfeld des Vertriebscontrollings und des Marketingcontrollings wieder. Die Art der Messung des Cross-Selling-Erfolgs hängt immer von der Definition desselben ab. Wird eine reine mengenorientierte Betrachtungsweise verfolgt, ist die CrossSelling-Quote die wohl bekannteste in der Praxis entwickelte Erfolgsmaßzahl. Diese wird in der gängigen Literatur zur Bemessung des Cross-Selling-Erfolgs herangezogen.132 Erfolge können jedoch auch eine wertmäßige Komponente beinhalten.133 Speziell mit einem Cross-Selling-Bezug arbeiten BEUTIN/ZÄH/JENSEN (2002) detailliert heraus, mittels welcher Kennzahlen der Cross-Selling-Erfolg gemessen werden kann. Allerdings wird hier nicht trennscharf zwischen Cross-SellingErfolgen und -Einflussfaktoren abgegrenzt. So wird z. B. die Mitarbeiterqualifikation bereits als Cross-Selling-Erfolgsgröße angesehen, obwohl dies eher als ein Einflussfaktor zu sehen ist. Die Autoren kommen jedoch wie auch andere zu dem Schluss, dass die Cross-Selling-Quote als Steuerungsgröße zu kurz greift, da nichts über Profitabilität oder die Ausnutzung von Potenzialen ausgesagt wird.134 HOMBURG/SCHÄFER (2001) verweisen auf eine unternehmensspezifische Ausgestaltung zur Kontrolle von Cross-Selling-Ansprachen und -Aktionen. Bewertet werden sollen diese mittels der Kennzahl der „Potenzialausschöpfung“. Diese 129

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 252.

130

Vgl. HIPPNER ET AL. (Handbuch, 2001). Vgl. WILDE (Data Mining, 2001), S. 13. Die herangezogenen Methoden finden jedoch auch in anderen Bereichen, wie z. B. der Kreditrisikobestimmung, Anwendung (vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (Bank, 1998), S. 438).

131

132 133 134

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 438. Zur Darstellung der Erfolgskomponenten vgl. 2. Teil: A.II.2. Vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 33; COCHEO (Done, 2000), S. 34; HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19.

Forschung zu Methoden der Potenzial- und Erfolgsmessung

59

bezeichnet das Verhältnis zwischen vom Kunden zusätzlich bezogenen Produkten und dessen Gesamtbedarf. So führen fünf (zusätzlich) bezogene Produkte im Verhältnis zu zehn Produkten, für die zusätzlicher Bedarf ermittelt wurde, zu einer 50%igen Potenzialausschöpfung. Des Weiteren wird die Maßzahl des „CrossSelling-Leverage“ vorgeschlagen. Sie bezeichnet die durchschnittlich zusätzlich bezogenen Produkte pro Einstiegsprodukt. Zwei zusätzliche Produkte pro Einstiegsprodukt A führen damit zu einer 200%igen Cross-Selling-Leverage.135 Im Rahmen der Betrachtung wird jedoch kein integrierter Messansatz geschaffen, der es erlaubt alle Facetten, wie z. B. die Einflussfaktoren, mit einzubeziehen. BUXEL/BUCKLER (2003) stellen in einem kurzen Überblick vier Kennzahlen vor, die helfen sollen, den Erfolg der durchgeführten Cross-Selling-Aktivitäten zu bewerten. Es handelt sich hierbei um den Customer Lifetime Value, das CrossSelling-Potenzial, die Cross-Selling-Ertragsquote und den Cross-Selling-Erfolg. Im Vordergrund steht die Identifikation von Schwachstellen bei der Durchführung von Cross-Selling-Maßnahmen. Die Messung und Steuerung wird somit als Aktivitätenbewertung oder zur Validierung der eingesetzten Marketinginstrumente gesehen.136 BERGENDAHL (1995) entwickelte ein Modell, das es erlaubt, die Profitabilität von Bank- und Versicherungsprodukten zu bewerten und aufbauend zu beurteilen, ob sich ein Markteintritt für das Institut lohnt. Das Nebenergebnis seiner Untersuchung bildet ein Verfahren zur Messung des Profitabilitätsgewinns durch CrossSelling. Es wird hierbei die Annahme zu Grunde gelegt, dass Cross-Selling beim Vertrieb von Versicherungsprodukten über Banken vor allem zu einer Kostenreduzierung für Versicherungen führt.137 Die Aussage ist jedoch auf die Profitabilität begrenzt und sagt nichts über die tatsächliche Nutzung von Potenzialen aus. Folgende Tabelle zeigt die Untersuchungen zum Cross-Selling-Erfolg nochmals im Überblick:

135 136 137

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19. Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 260-261. Vgl. BERGENDAHL (Bancassurance, 1995), S. 27.

60

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Autoren BEUTIN/ZÄH/JENSEN (2002)

Untersuchungsergebnis x Detaillierte Auflistung zu Kennzahlen der Erfolgsmessung. x Keine Unterscheidung zwischen Erfolgen, Potenzialen und

Einflussfaktoren. HOMBURG/SCHÄFER (2001)

x Kennzahl „Potenzialausschöpfung“. x Kennzahl „Cross-Selling-Leverage“.

BUXEL/BUCKLER (2003)

x Messung des Cross-Selling-Erfolgs mittels „Customer Lifetime Value“,

BERGENDAHL (1995)

„Cross-Selling-Potenzial“, „Cross-Selling-Ertragsquote“ und „CrossSelling-Erfolg“. x Bewertung von Cross-Selling-Aktivitäten steht im Vordergrund. x Modell zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit eines Markteintritts. x Nebenergebnis stellt die Messung des Profitabilitätsgewinns von CrossSelling dar.

Tab. 2: Untersuchungen zur Messung des Cross-Selling-Erfolgs Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass Arbeiten, die sich speziell mit der Messung des Cross-Selling-Erfolgs auseinandersetzen, rar sind. Die Messung fokussiert sich überwiegend auf die reine Kennzahlenbildung. Dabei wird speziell das Thema der Cross-Selling-Erfolgsmessung nur grob betrachtet und vorgeschlagen, auf die gängigen Verfahren des Vertriebsmanagements zurückzugreifen.138 Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass Cross-Selling selbst einen Einflussfaktor auf die Kalkulations- und Kenngrößen im Vertriebsmanagement darstellt.139 Welche Messgrößen dies betrifft, wird im weiteren Verlauf noch dargestellt. Des Weiteren wird keine umfassende Bewertung im Sinne einer Cross-SellingGesamtleistung durchgeführt, die neben Potenzialen und Erfolgen auch eine Bewertung der Einflussfaktoren im Rahmen der Messung vornimmt. Dazu soll im Folgenden geklärt werden, welche Untersuchungen sich bereits mit der Identifikation von Einflussfaktoren beschäftigt haben. 2.

Forschung zu Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

Eine weitere Forschungsrichtung stellt die Identifikation von Einflussfaktoren auf das Cross-Selling-Potenzial und den -Erfolg dar. Wie bereits im Rahmen der Begriffsdefinitionen dargestellt, wird der Cross-Selling-Prozess durch die Einflussfaktoren unterstützt. Die erste und bisher einzige umfangreiche Systematisierung der Untersuchungen zu den Einflussfaktoren des Cross-Sellings geht auf SCHÄFER (2002) zurück.140 Diese Untersuchung beschäftigt sich mit dem empirischen Nachweis von Einflussfaktoren auf das Cross-Selling-Potenzial beim Kunden 138 139 140

Vgl. JESCHKE (Nachkaufmarketing, 1995), S. 298. Vgl. EICHELMANN/DUDERSTADT (Kundenpotenziale, 2005), S. 15. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 17.

Grenzen bestehender Untersuchungsansätze

61

sowie des Cross-Selling-Erfolgs bei Anbietern.141 Die Basis bildet eine branchenübergreifende Befragung, die an Firmenkunden gerichtet war. Rund 30 % der Teilnehmer aus sieben Branchen waren Finanz- oder Versicherungsdienstleister.142 Hierbei konnten insgesamt 71 Untersuchungen identifiziert werden, die sich bereits mit der Ermittlung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling beschäftigt haben. Eine Vielzahl dieser Untersuchungen bezieht sich auch auf das Retailbanking. Im Rahmen dessen wurde jedoch beklagt, dass zu wenig Arbeiten mit empirischem Hintergrund verfügbar sind.143 Im weiteren Forschungsverlauf beschäftigen sich VYAS/MATH (2006) mit Cross-Selling bei indischen Banken. Im Rahmen dessen wird eine knappe Übersicht von neun weiteren Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf das Cross-Selling gegeben, die sich zum Teil auch empirisch dem Thema annehmen.144 Neben den bisher durch SCHÄFER (2002) und VYAS/MATH (2006) kategorisierten Ansätzen gibt es noch weitere Untersuchungen, die sich mit Einflussfaktoren auf das Cross-Selling auseinandersetzen. Es bezieht sich eine Vielzahl der Ansätze auch auf Retailbanken, so dass ausreichend Untersuchungen zur Klärung der Einflussfaktoren zur Verfügung stehen. Diese Gesamtheit soll für die Darstellung der relevanten Einflussfaktoren in Teil 2 herangezogen werden.145 In Bezug auf die Forschung zu den Einflussfaktoren auf das Cross-Selling kann somit festgestellt werden, dass ein breiter Grundstock an Untersuchungen zur Verfügung steht. Es können somit fundierte Aussagen zur Art und Wirkungsrichtung getroffen werden. In diesem Rahmen muss außerdem geprüft werden, ob die Ausprägung des Einflussfaktors gemessen werden kann. Nur wenn z. B. die aktuelle Höhe der Mitarbeiterausbildung bestimmbar ist, können in der Folge Maßnahmen zur Steuerung ergriffen werden, um den gewünschten SollZustand zu erreichen. 3.

Grenzen bestehender Untersuchungsansätze

Die Betrachtung der bisherigen Forschung hat gezeigt, dass es bereits Verfahren gibt, die es erlauben, das Cross-Selling-Potenzial zu messen. Außerdem sind zahlreiche Untersuchungen zu den Einflussfaktoren auf das Cross-Selling-Potenzial und den -Erfolg durchgeführt worden. Die Darstellung bereits vorliegender Forschungsergebnisse macht jedoch auch deutlich, dass nur wenige Arbeiten bestehen, die sich mit der Messung des Cross-Selling-Erfolgs auseinandersetzen. Die 141 142 143 144 145

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 6-7. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 93-94. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 5. Vgl. VYAS/MATH (cross-selling, 2006), S. 125. Vgl. 2. Teil: B.I. Eine Auflistung der relevanten Autoren und deren identifizierten Einflussfaktoren findet sich im Anhang.

62

Cross-Selling im Retailgeschäft von Banken

Untersuchungen kommen nicht über die Beschreibung von Verhältniskennzahlen zur Messung des Cross-Selling-Erfolgs hinaus. KANE (2005) konstatiert dies auch für die Praxis: „Even organizations that espouse the importance of cross-selling fail to implement measurements that are meaningful and actionable.“146 Die reine Bewertung des aktuell erzielten Cross-Selling-Erfolgs greift hierbei zu kurz. Wie dargestellt wurde, bietet sich durch Cross-Selling die Möglichkeit der Senkung der Vertriebskosten sowie die Auslastung von Kapazitäten. Eine Weiterentwicklung der Erfolgsmessung muss daher auch Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigen. Aktuelle Erfolge müssen auch in Zukunft erzielt werden können, um die positiven Aspekte des Cross-Sellings, wie z. B. Ressourcenauslastung, weiter nutzen zu können. Dazu ist nicht nur eine Betrachtung der aktuellen Erfolge, sondern auch eine Berücksichtigung zukünftiger Potenziale notwendig. Die Erfolgsmessung muss dahingehend weiterentwickelt werden, dass die Bewertung einer solchen Cross-Selling-Gesamtleistung möglich ist. Diese orientiert sich hierbei nicht nur an aktuellen Erfolgen, sondern berücksichtigt auch, ob diese nachhaltig zu erzielen sind. Zur Nachhaltigkeit der Erfolgserzielung gehört außerdem, dass die Einflussfaktoren das Cross-Selling positiv unterstützen. Es muss daher darüber hinaus der Frage nachgegangen werden, wie und ob Einflussfaktoren messbar sind. Nur wenn diese in ihrer aktuellen Ausprägung gemessen werden können, sind sie in der Folge auch steuerbar und können zielgerichtet zur Beeinflussung des Cross-Sellings herangezogen werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt die Klärung der Verfügbarkeit der benötigten Informationen. So blieben bisherige Arbeiten zur Klärung der Einflussfaktoren die Antwort schuldig, ob die notwendigen Daten zur Messung, und damit die Grundlage einer Steuerung, in den Banken überhaupt vorhanden sind. Es ist z. B. unbestritten, dass in Banken die Kundenzufriedenheit gemessen wird. Fraglich ist jedoch, ob die Ergebnisse auch den Anforderungen der empirischen Studien entsprechen.147 Des Weiteren sind bisher Aspekte der Integration eines Cross-Selling-Managements in den Gesamtbankrahmen oder die relevanten Bestimmungsfaktoren für ein Anreiz- und Entlohnungssystem mit Cross-Selling-Bezug nicht beleuchtet worden. Es zeigt sich, dass ein solches Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung eine aggregierte Betrachtung des Status quo einer Bank über alle Bereiche des CrossSelling-Prozesses sowie der Einflussfaktoren erlauben muss. Diese Gesamtleistung enthält somit Informationen zu Potenzialen, Erfolgen und der Ausprägung von Einflussfaktoren. Bisher wurde noch keine integrierte Betrachtung unter Be146

KANE (cross-selling, 2005), S. 66.

147

Vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 29.

Grenzen bestehender Untersuchungsansätze

63

rücksichtigung dieser Aspekte durchgeführt. Durch die Entwicklung eines Konzepts zur Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung soll die bestehende Lücke in der Forschung geschlossen werden. Die Betrachtung der Forschung hat des Weiteren ergeben, dass es bisher keine strukturierte Darstellung der Methoden zur Messung und Steuerung von CrossSelling-Potenzialen und -Erfolgen vorliegt. Es wurde außerdem noch nicht grundlegend empirisch nachvollzogen, wie der aktuelle Status quo bei deutschen Banken ist, wenn es darum geht, im gesamten Cross-Selling-Prozess zu messen und die Messergebnisse in die Steuerung einfließen zu lassen. Insgesamt fehlt es somit an einer zusammenhängenden Aufarbeitung der Mess- und Steuerungsmöglichkeiten im gesamten Cross-Selling-Prozess. Gänzlich unterblieben ist bisher die Betrachtung, welche Aufgaben ein CrossSelling-Management im Rahmen des Vertriebsmanagements übernehmen soll und wie dieses in der Gesamtorganisation verankert werden kann. Hierzu gehört auch die Untersuchung, wie ein Cross-Selling orientiertes Anreiz- und Vergütungssystem ausgestaltet werden muss. Im Rahmen dieser Untersuchung soll sich einer Lösung dahingehend genähert werden, dass in einem ersten Schritt untersucht wird, wie ein Cross-SellingManagement in den Gesamtbankrahmen integriert werden kann. Dazu muss schrittweise zuerst die Gesamtbanksteuerung und weiterführend die Rolle des Vertriebsmanagements untersucht werden, um ein solches Cross-Selling-Management abgrenzen zu können Nachdem die Aufgaben und Funktionen des Cross-Selling-Managements untersucht wurden, können strukturiert Methoden zur Messung und Steuerung von Potenzialen und Erfolgen beschrieben werden. Konsequent sollen weiterführend Einflussfaktoren herausgearbeitet und Möglichkeiten diese in ihrer aktuellen Ausprägung zu messen, im Mittelpunkt stehen. Für die ermittelten Messergebnisse wird gezeigt, wie diese in die Steuerung eingehen können. Anschließend wird die Verbreitung der dargestellten Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis durch eine empirische Umfrage untersucht.148 Mittels dieser Ergebnisse kann abschließend ein Konzept zur Ermittlung einer Cross-Selling-Gesamtleistung entwickelt werden.

148

Vgl. zum Untersuchungsvorgehen auch Abb. 1.

Das duale Steuerungsmodell

65

B. Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung Die bisherigen Ausführungen haben sich vor allem mit der Definition von CrossSelling und der Herausarbeitung der Spezifika des Retailgeschäfts befasst. Auf Basis des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Forschung konnten aufbauend die bestehenden Forschungslücken identifiziert werden. Ziel des ersten Teils der Untersuchung soll es sein, die Ausgestaltung des Cross-Selling-Managements als Teilbereich des Vertriebsmanagements zu beschreiben. Zur Beantwortung dieser Forschungsfrage muss daher in diesem Kapitel schrittweise zuerst das Vertriebscontrolling in den Gesamtbankrahmen eingeordnet und weiterführend genauer untersucht werden. Aufbauend zu diesen Ergebnissen kann im folgenden Kapitel das Cross-Selling-Management genauer abgegrenzt werden. Dazu sollen in einem ersten Schritt die Gesamtbanksteuerung und die Besonderheiten der Retailgeschäftssteuerung sowie des Teilbereichs des Vertriebsmanagements dargestellt werden.

I. Wesen der Gesamtbanksteuerung 1.

Das duale Steuerungsmodell

Das Bankmanagement erfordert es, dass neben der Gesamtbank auch die Geschäftseinheiten und die einzelnen Geschäfte mittels eines integrierten Konzepts ertragsorientiert gesteuert werden. Die Grundprinzipien der dafür notwendigen Geschäftspolitik orientieren sich an der Triade des ertragsorientierten Bankmanagements. Diese setzt sich aus den Dimensionen Rentabilität, Risiko und Wachstum zusammen.149

149

x

Rentabilität: Die Maximierung des Ertrags ist eine Maxime der Banksteuerung. Alle Entscheidungen sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie dazu beitragen, eine angemessene (Mindest-)Rentabilität zu erzielen.

x

Risiko: Die Übernahme von Risiken muss stets mittels erwarteter Ertragsmöglichkeiten gerechtfertigt werden (Risiko/Chancen-Kalkül). Unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit einer Bank ergibt sich die maximal mögliche Risikoübernahmefähigkeit.

Vgl. SCHIERENBECK (Controlling, 2001), S. 4.

66

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

x

Wachstum: Das Steuerungsobjekt (Geschäfts-)Wachstum dient einzig und allein dazu, Rentabilität zu sichern und zu mehren.

Mit Hilfe des dualen Steuerungsmodells kann die Integration dieser Grundprinzipien in die Bankorganisation beschrieben werden. Die Dualität entsteht hierbei durch die Anforderung, Zielgrößen sowohl auf Gesamtbankebene als Orientierungsgrößen festzulegen als auch diese auf die operativen Einheiten bis hin zu einzelnen Kundengeschäften herunterzubrechen. Auf Basis der aus den Oberzielen abgeleiteten Teilziele können operative Einheiten eigenständig entscheiden, solange keine Abweichung von diesen Zielen auftritt (Management by Exception). Es soll damit erreicht werden, dass dezentral weitgehend selbstständig Entscheidungen getroffen werden, sofern dies aus Gründen des zentralen Steuerungsbedarfs nicht eingeschränkt werden muss. Die dualen Elemente eines solchen Steuerungsansatzes lassen sich durch die folgenden vier Begriffspaare beschreiben:150 1) Rentabilitätssteuerung/-management und Risikosteuerung/-management 2) Potenzialorientierte Globalsteuerung (Strategische Steuerung) und akti-

onsorientierte Feinsteuerung (Operative Steuerung) 3) Struktur- und Geschäftssteuerung 4) Zentrale und dezentrale Steuerung

Das erste Begriffspaar besteht aus der Rentabilitätssteuerung und der Risikosteuerung. Die Steuerung muss daraufhin ausgerichtet sein, dass Geschäftsfelder mit hohen Ertragschancen identifiziert und die Märkte erfolgreich bearbeitet werden, um eine adäquate Rentabilität zu erwirtschaften. Entscheidungen werden jedoch stets unter Unsicherheit gefällt und umgesetzt. Das Risiko einer Liquiditätsstörung, rentabilitätsbeeinträchtigender Entwicklungen oder auch der Insolvenz besteht bei jeder Entscheidung. Das Bankmanagement muss somit Risiken immer in die Betrachtung mit einbeziehen und diese eindämmen. Es dürfen daher nur solche Risiken eingegangen werden, die die Bank auch tragen kann.151 Das zweite Begriffspaar besteht aus der potenzialorientierten Globalsteuerung und der aktionsorientierten Feinsteuerung. Hierbei kann auch von strategischer und operativer Steuerung gesprochen werden. Die langfristige strategische Potenzialsteuerung zielt darauf ab, die Potenziale der Gesamtbank zu entwickeln, zu strukturieren und zu sichern. Die Steuerungsgrößen werden global für die Gesamtbank formuliert. Der langfristige Charakter der strategischen Steuerung führt dazu, dass Veränderungen der Unternehmensumwelt, wie z. B. konjunkturelle Entwicklungen, antizipiert werden müssen, um den Fortbestand des Instituts zu 150

Vgl. SCHIERENBECK (Steuerungsmodell, 2001), S. 88-89; SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 12.

151

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 294.

Das duale Steuerungsmodell

67

gewährleisten. Eine reine Ausrichtung an buchhalterischen Größen zur strategischen Steuerung greift somit zu kurz und es müssen auch qualitative Elemente, wie z. B. das Verständnis des Bankenmarkts, zur Steuerung herangezogen werden. Im Gegensatz dazu bedeutet operative Feinsteuerung, Entscheidungen auf Einzelgeschäftsebene zu tätigen. Dies kann sowohl Entscheidungen zu Konditionen einzelner Geschäfte, die Umsetzung von Aktionsprogrammen oder produktpolitische Einzelentscheidungen umfassen. Der Zeithorizont der operativen Steuerung ist daher auf Grund des höheren Detaillierungsgrads der Steuerungsgrößen kürzer. Die Grundlage der Entscheidungen bilden wegen des kurzfristigen Charakters die detaillierten Zahlen, die im Rahmen der Bankkalkulation ermittelt werden. Zur erfolgreichen Integration der operativen und strategischen Steuerung müssen bestehende Interdependenzen berücksichtigt werden.152 Das dritte Begriffspaar entsteht aus dem Gegensatz der Struktur- und Geschäftssteuerung. Die Struktursteuerung zielt darauf ab, eine rendite- und risikoorientierte Steuerung der Geschäftsstruktur vorzunehmen. Es muss hierbei zwischen dem Portfolio- und dem Bilanzstrukturmanagement unterschieden werden. Im Portfoliomanagement wird vor allem unter Berücksichtigung bestehender Marktpotenziale und -risiken gesteuert. Das Bilanzstrukturmanagement zielt darauf ab, sowohl bilanziell als auch außerbilanziell die Geschäftsstruktur unter Risko- und Renditegesichtspunkten zu optimieren. Neben der Struktursteuerung beschäftigt sich die Geschäftssteuerung damit, durch geschäftspolitische Einzelentscheidungen die vorgegebene Geschäftsstruktur zu erreichen. Den Gesamtrahmen zur Zielerreichung stellt das Budget-Management dar. Hierbei wird durch einen Budget-Plan das Globalziel in operative Zielgrößen (z. B. Volumen- oder Kostenbudgets) heruntergebrochen. Außerdem können die im weiteren Verlauf dargestellten Eigengeschäfte oder Hilfsinstrumente zum Einsatz kommen. Ähnlichkeiten der Struktur- und Geschäftssteuerung mit der oben dargestellten strategischen und operativen Steuerung sind unverkennbar. Dennoch ist die vollständige Kongruenz nicht gegeben. So kann z. B. die Struktursteuerung auch eine Problemstellung der operativen Steuerung darstellen. Einzelne Geschäftsentscheidungen auf der anderen Seite können auch strategische Komponenten beinhalten.153 Das vierte Begriffspaar bildet die zentrale- und dezentrale Steuerung und beschreibt die organisatorische Verankerung der bisher geforderten Postulate. Einer zentralen Struktursteuerung fallen somit diejenigen Aspekte zu, die aus Sicht der Gesamtbank gelöst werden müssen. Hierbei kann es sich z. B. um Produktprogrammentscheidungen, Anreizsysteme oder dem Einstieg in neue Geschäftsfelder

152

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 295.

153

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 296.

68

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

handeln. Die zu Grunde liegenden Entscheidungsparameter orientieren sich strikt an der zu erzielenden Gesamtrentabiliät und der Risikotragfähigkeit. Die dezentrale Steuerung auf der anderen Seite vollzieht diejenigen Aufgaben, die an der Schnittstelle zum Kunden anfallen. Hierunter zählt auch der Abschluss von Kundengeschäften mit ausreichender Marge. Die Ergebniswirkung muss dabei klar separierbar und zurechenbar sein.154 Dieses duale Steuerungsmodell lässt sich auf Basis der dargestellten Begrifflichkeiten in den im Folgenden abgebildeten konzeptionellen Gesamtrahmen zusammenfassen:

Rentabilitätssteuerung Zentrale Steuerung

Risikosteuerung

Struktursteuerung

Portfoliomanagement Integration

Dezentrale Steuerung

Geschäftssteuerung

Budgetmanagement

Strategische Steuerung = Potenzialorientierte Globalsteuerung Operative Steuerung = Aktionsorientierte Feinsteuerung

Abb. 8: Konzeptioneller Gesamtrahmen des dualen Steuerungsmodells155 Die Abbildung zeigt, dass die zentrale und dezentrale Steuerung verbunden werden müssen, um den vorgegebenen Gesamtrahmen nicht durch Einzelentscheidungen zu konterkarieren. Wie bei der Darstellung des Begriffspaares der Struktur- und Geschäftssteuerung gezeigt, müssen zusammenführende Elemente zwischen den Regelungskreisen geschaffen werden. Zur Integration können Eigengeschäfte, Zielvereinbarungen oder weitere Hilfsinstrumente herangezogen werden. Eigengeschäfte dienen in der zentralen Steuerung dazu, unerwünschte Effekte, die aus dezentralen Entscheidungen entstehen, zu kompensieren. Das aus dem Gesamtbestand der Kundengeschäfte resultierende Strukturrisiko am Geldund Kapitalmarkt kann so vollständig neutralisiert werden, sofern dies gewollt ist. Zielvereinbarungen, als weiteres integratives Instrument, sollen die zentralen Vorgaben mit den tatsächlichen Möglichkeiten der dezentralen Bereiche verknüpfen. 154

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 297-298; ROLFES/KIRMßE (Risikocontrolling, 1999), S. 28.

155

Vgl. SCHIERENBECK (Steuerungsmodell, 2001), S. 90; SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 294.

Das duale Steuerungsmodell

69

Dazu wird zuerst das Zielsystem von oben nach unten konkretisiert und in der Folge die Teilpläne von unten nach oben durch Mitsprache der dezentralen Verantwortlichen zusammengefasst. Damit ist gewährleistet, dass sowohl gesamtbankbezogene Ziele als auch die Möglichkeiten der dezentralen Geschäftsbereiche berücksichtigt werden. Die Erfüllung der ermittelten Budgets liegt in der Verantwortung der einzelnen Geschäftsbereiche. Bei auftretenden Abweichungen müssen selbstständig Maßnahmen ergriffen werden.156 Ein weiteres integratives Instrument stellen Hilfsinstrumente in Form von Limiten oder Richtkonditionen dar. Wenn es aus strategischer Sicht notwendig ist, können Limite dazu eingesetzt werden, die Möglichkeiten der dezentralen Bereiche zur Geschäftsausweitung einzuschränken, sofern dadurch die Gesamtbankziele besser erreicht werden. Es können z. B. Volumenobergrenzen oder Risikolimite zum Einsatz kommen. Richtkonditionen dienen dazu, die zentral angestrebte Mindestrentabilität zu erreichen. Außerdem können dadurch Strukturänderungen erzielt werden, die durch Nachfrageänderungen auf Grund von Konditionenanpassungen hervorgerufen wurden. Strukturänderungen mittels Richtkonditionen sind jedoch stets vor dem Hintergrund auftretender Rentabilitätseffekte zu bewerten.157 Folgende Abbildung soll die Aufgaben der zentralen Struktursteuerung und der dezentralen Steuerung sowie die eingesetzten integrativen Instrumente nochmals verdeutlichen.

156

Auch wenn das Konzept der Budgets in der jüngsten Vergangenheit starker Kritik unterworfen war, so bleibt auch bei einer Abschaffung von Budgets der grundsätzliche Gedanke der Steuerung durch eine Zielvereinbarung (Management by Objectives) erhalten (vgl. SCHIERENBECK (Mobilisierung, 2005), S. 41-42).

157

Vgl. SCHIERENBECK (Steuerungsmodell, 2001), S. 93-99; SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 298300.

70

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Zentrale Struktursteuerung 1. Strategische Geschäftsfelder (Diagnose und Zielbeschreibung) Privatkunden

Firmenkunden

Aktiv-/Passiv Management

Risiken Renditeerwartungen 2. Produktivitätssteuerung 3. Zentrale Produktentscheidungen 4. Aufsichtliche Strukturvorgaben 5. Strukturergebnis

Integration

Zielvereinbarungen x Volumenbudgets x Kostenbudgets x Sollmargen

Dezentrale Markt(bereichs-)steuerung 1. Soll-Deckungsbeiträge 2. Geschäftsvolumen 3. Konditionenmargen 4. Provisionserträge 5. Nettomarge

Hilfsinstrumente x Limite x Richtkonditionen

Eigengeschäfte x Interbanken-

geschäfte

Gesamtgeschäftsbezogen

Einzelgeschäfts-/bereichsbezogen

Abb. 9: Integration von zentraler und dezentraler Steuerung im dualen Steuerungsmodell158 Das duale Steuerungsmodell bildet somit die Grundlage der Steuerung der Gesamtbank und die Einbindung der dezentralen Marktbereiche. Sowohl das Retailbanking an sich als auch der Spezialbereich der Vertriebssteuerung, und damit das Cross-Selling-Management, müssen in dieses Modell integriert werden. Im nächsten Schritt soll daher die Steuerung des Retailgeschäfts genauer untersucht werden. 2.

Der Teilbereich der Retailgeschäftssteuerung

Zur Integration des Retailbankings in das duale Steuerungsmodell ist es erforderlich, die Art der Ergebnissteuerung im Mengengeschäft zu untersuchen. Die Steuerung des Mengengeschäfts muss gewährleisten, dass die im Rahmen der zentralen Struktursteuerung festgelegten Budgets selbstständig erreicht werden. Die Rahmenbedingungen zur Erfüllung der Budgetvorgaben, wie z. B. Limite oder Richtkonditionen, werden dem Geschäftsfeld zudem zentral vorgegeben. Die Postulate von Rendite, Risiko und Wachstum sind bei der Zielerreichung weiter gültig. Das Ergebnis speziell im Mengengeschäft wird neben der Einzelgeschäftskalkulation über aggregierte Größen aus den zentralen Auswertungsdimensionen Kunden, Produkte und Vertriebswege/Regionen gesteuert. 158

Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHIERENBECK (Marktzinsmethode, 1994), S. 1430; ROLFES/KIRMßE (Risikocontrolling, 1999), S. 27.

Der Teilbereich der Retailgeschäftssteuerung

71

Die relevante Größe zur Einzelgeschäftskalkulation bildet der Deckungsbeitrag (DB), der in den verschiedenen Stufen Rendite- und Risikokomponenten beinhaltet. Der Deckungsbeitrag zeigt die Vorteilhaftigkeit bzw. Profitabilität eines Kundengeschäfts. Folgende Vorgehensweise wird zur Kalkulation eines Einzelgeschäftsergebnisses herangezogen.159 Brutto-Konditionsbeitrag Deckungsbeitrag I Standard-Risikoprämie Standard-Betriebskosten Provisionserlöse/Dienstleistungserträge Deckungsbeitrag II / Netto-(Markt-)ergebnis - (anteilige) Overhead-Kosten - Eigenkapitalkosten = Deckungsbeitrag III / Nettoergebnis nach

= + =

Eigenkapitalkosten (Übergewinn)

Der Brutto-Konditionsbeitrag als Ausgangspunkt der DB-Kalkulation beschreibt denjenigen Überschussbetrag, der der Bank durch das Kundengeschäft im Vergleich zu einem äquivalenten Geld- oder Kapitalmarktgeschäft zufließt.160 Dieser wird im Rahmen der Marktzinsmethode ermittelt, die somit einen zentralen Baustein im Rahmen der Privatkundenkalkulation darstellt.161 Dieses „Rohergebnis“ (Deckungsbeitrag I) wird um die dem Geschäft direkt zurechenbaren Größen bereinigt. Die Standard-Risikoprämie stellt dabei den Wert der erwarteten Verluste durch Ausfälle bei Aktivgeschäften dar. Die Standard-Betriebskosten bezeichnen alle der Abwicklung des Geschäfts direkt zurechenbaren Kosten, wie z. B. Vertriebskosten oder interne Bearbeitungskosten. Den Kostenkomponenten stehen Provisionserlöse gegenüber. Diese entstehen z. B. aus vereinnahmten Gebühren für Kreditkarten oder aus Bereitstellungsprovisionen von Krediten.162 Nach Bereinigung des DB I um diese Größen erhält man das Netto-(Markt-)ergebnis (Deckungsbeitrag II), das alle dem Geschäft direkt zurechenbaren Kosten beinhaltet. Vom DB II werden in der Folge die nicht direkt zurechenbaren Overheadkosten abgezogen. Diese müssen anteilig auf die Kundengeschäfte angerechnet werden, da eine verursachungsgerechte Verteilung nicht möglich ist. Overheadkosten bezeichnen somit alle weiteren, dem Geschäft nicht direkt zurechenbare Kosten, wie z. B. Filialkosten oder IT-Kosten. Des Weiteren werden Eigenkapitalkosten abge159

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 305. Der Aufbau der Deckungsbeitragsschemas ist in der Literatur unterschiedlich (vgl. HARTMANN-WENDELS/PFINGSTEN/WEBER (Bankbetriebslehre, 2007), S. 691). Hier soll dem dargestellten Verfahren gefolgt werden.

160

Vgl. SCHIERENBECK (Steuerungsmodell, 2001), S. 90. Vgl. SCHIERENBECK (Privatkunden, 1998), S. 552. Vgl. auch zur Berechnungssystematik der Marktzinsmethode.

161

162

Es wird hierbei auch in stückproportionale und volumenproportionale Provisionen unterschieden.

72

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

zogen, die durch Bindung von Eigenkapital bestehen. Im Ergebnis erhält man das Nettoergebnis nach Eigenkapitalkosten (Deckungsbeitrag III).163 Die Kalkulation des Deckungsbeitrags gibt Signale dafür, wie groß die Vorteilhaftigkeit eines Geschäfts ist. Ein positiver DB II sollte generell sichergestellt werden, damit alle dem Geschäft direkt zurechenbaren Aufwände abgedeckt sind.164 Wird die Kalkulation des DB II mittels über die gesamte Laufzeit abgezinster Zahlungsströme durchgeführt, ergeben sich Informationen über die Auswirkungen der Vermögensänderung zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses. Jedoch speziell für das Retailgeschäft wird beklagt, dass die Geschäfte meist eine unbekannte Fristigkeit besitzen (z. B. der Kontokorrentkredit), so dass kein endgültiger Konditionsbeitrag berechnet werden kann. Wird ein DB III von null als Mindestrenditeanforderung festgelegt, kann ein positiver DB III auch als Übergewinn oder „mark up“ bezeichnet werden. Eine Herausforderung bei der Anwendung des Deckungsbeitrages entsteht aus der Zurechnung der Kosten zu einem Geschäft. Im Bankbetrieb entstehen hohe Anteile an Gemeinkosten, die nicht immer verursachungsgerecht auf die Einzelgeschäfte zurechenbar sind.165 Die Ergebnisse der Einzelgeschäftskalkulation können in einem weiteren Schritt über die zentralen Auswertungsdimensionen Kunden, Produkte und Vertriebswege/Regionen aggregiert werden. Eine Aufbereitungsform stellt der so genannte Ergebniswürfel dar. Produktarten Kundengruppen

Vertriebswege/Regionen

Abb. 10: Aggregation der Einzelgeschäftskalkulation im Ergebniswürfel166 Der Würfel beinhaltet die Summe der Marktergebnisse (DB II) über alle Dimensionen und bildet die aggregierteste Darstellung in Form des gesamten Kundengeschäftsergebnisses. Die Einzelergebnisse lassen sich jedoch jeder einzelnen 163

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 305-306.

164

Ausnahmen hierzu werden bei der Betrachtung von Quersubventionen ausführlicher dargestellt. Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 306; DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 139.

165 166

Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHIERENBECK (Marktzinsmethode, 1994), S. 1437.

Der Teilbereich der Retailgeschäftssteuerung

73

Dimension exakt und überschneidungsfrei zuordnen, so dass Aussagen zu beliebig festgelegten Teilwürfeln möglich sind. So kann z. B. die Profitabilität einzelner Kundengruppen/-segmente in einem bestimmten Vertriebsweg verglichen oder die Profitabilität von Produktarten in bestimmten Kundengruppen bestimmt werden.167 Während der Deckungsbeitrag das wichtigste Instrument im Rahmen der Einzelgeschäftskalkulation darstellt, haben sich zur Steuerung des Retailbereichs auf Gesamtbankebene weitere Kennzahlen herausgebildet.168 Dies sind vor allem die bereits dargestellte „Cost-Income-Ratio“ (CIR) sowie der „Return-on-Equity“ (ROE) oder der „Return-on-investment“ (ROI). Die CIR berechnet sich aus dem Verhältnis des Bruttobedarfs (Betriebsaufwendungen) zu Bruttoerträgen (Gesamterträge der normalen Geschäftstätigkeit) und gibt Informationen über die Effizienz des Geschäftsfelds. Dies ist auf Grund der niedrigen Losgrößen und der damit geringen Margen besonders für das Retailbanking eine wichtige Kennzahl. Der ROE bzw. die Eigenkapitalrentabilität beschreibt den Anteil der Erträge am Eigenkapital und damit die erzielte Eigenkapitalverzinsung. Der ROI auf der anderen Seite beschreibt mittels des Verhältnisses von Erträgen zu eingesetztem Kapital, welche Verzinsung das gesamte eingesetzte Kapital tatsächlich erzielt hat.169 Des Weiteren können sowohl zur einzelgeschäfts- als auch zur geschäftsbereichsbezogenen Bewertung risikoadjustierte Kennzahlen, wie z. B. der Return on Risk adjusted Capital (RORAC), herangezogen werden. Dieser stellt das erzielte Ergebnis ins Verhältnis zum eingesetzten Risikokapital.170 Die bisher betrachteten Steuerungsmöglichkeiten des Mengengeschäfts haben den Faktor Vertrieb, bis auf die Zurechnung der Vertriebskosten im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung, außen vor gelassen. Speziell im Retailbanking besitzt jedoch die Vertriebssteuerung im Rahmen der dezentralen Marktbereichssteuerung eine zentrale Rolle, da hier eine hohe Anzahl Geschäfte zu bearbeiten sind.171 Bevor ausführlich auf das Vertriebsmanagement im Retailbanking eingegangen wird, soll dieses allerdings erst in den Gesamtbankrahmen eingeordnet werden.

167 168

169 170 171

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 388-389. Es soll hier lediglich ein Überblick über die Kennzahlen gegeben werden, da diese im Folgenden für das CrossSelling-Management nicht weiter betrachtet werden. Für eine detaillierte Untersuchung vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003). Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 386, S. 425 und S. 430-431. Vgl. SCHIERENBECK (Risiko-Controlling, 2008), S. 44 und S. 529. Vgl. ERDLAND (Vertriebsprozesse, 2003), S. 728.

74

3.

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Vertriebsmanagement im Gesamtbankrahmen

Neben der Produktgestaltung besitzt besonders der Vertrieb eine große Bedeutung für das Mengengeschäft.172 Obwohl in der Literatur die Definition des Vertriebsmanagements eher uneinheitlich ist, herrscht Einigkeit über die Aufgaben, die es zu erfüllen hat.173 Diese sind die Planung, Steuerung und Kontrolle der Vertriebsaktivitäten.174 Eine zentrale Aufgabe des Vertriebs ist somit die Koordination des Absatzes an Bestandskunden, das Cross-Selling.175 Das Cross-Selling-Management bildet daher einen Teilbereich der Vertriebsplanung und -steuerung im Retailgeschäft. Die verschiedenen Elemente eines Vertriebsmanagements soll folgende Abbildung verdeutlichen: Vertriebsmanagement Potenzial- und aktionsorientierte Vertriebs- und Cross-Selling-Planung

Vertriebsinformationssysteme

Potenzialorientierte Ressourcenallokation

Leistungsorientierte Anreiz- und Vergütungssysteme

Abb. 11: Elemente des Vertriebsmanagements176 Die Verbindung zum aufgestellten Gesamtrahmen des dualen Steuerungsmodells wird durch das Element der potenzial- und aktionsorientierten Vertriebs- und Cross-Selling-Planung hergestellt. Gemäß dem dualen Steuerungsmodell bezeichnet dies die Aufteilung in eine strategische und eine operative Komponente. Unter strategischer (potenzialorientierter) Vertriebssteuerung versteht man die Sicherung von zukünftigen Marktpotenzialen durch die frühzeitige Identifikation von Erfolgspotenzialen.177 Bei der operativen (aktionsorientierten) Vertriebssteuerung hingegen steht die Messung und Steuerung der Ausnutzung vorhandener Erfolgs-

172

Vgl. ROLFES (Ertragszukunft, 1997), S. 8. Der Vertrieb kann als Beziehungsgestalter zwischen Unternehmen und Absatzmarkt definiert werden (vgl. RINN (Vertriebs-Controlling, 1991) S. 12).

173

In der Literatur werden die Begriffe Vertriebssteuerung, -management und -controlling meist gleichbedeutend verwendet (vgl. WITT (Vertriebssteuerung, 2002), S. 68; DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 5). Management wird stets als Prozess der Planung, Steuerung und Kontrolle von Maßnahmen zur Zielerreichung gesehen (vgl. 1. Teil: C.I.1). Vgl. DEGLOW (Vertriebs-Controlling, 2003), S. 48; DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 5.

174 175 176

177

Vgl. BELZ/BUSSMANN (Vertriebsszenarien, 2000), S. 23. Eigene Darstellung in Anlehnung an EICHELMANN/DUDERSTADT (Kundenpotenziale, 2005), S. 9; KÖHLER/ROLVERING/GERMANN (Vertriebssteuerungsmaßnahmen, 2005), S. 420. Vgl. BECKER (Vertriebscontrolling, 2001), S. 33.

Vertriebsmanagement im Gesamtbankrahmen

75

potenziale im Vordergrund.178 Es wird deutlich, dass im Rahmen der Vertriebssteuerung verstärkt auch auf die Identifikation von Potenzialen und deren Transformation Wert gelegt wird. Mit dem Fokus auf das Cross-Selling-Management spiegelt sich diese Dualität der Banksteuerung auch in der Potenzialbestimmung und deren Transformation in Erfolge im Rahmen des Cross-Selling-Prozesses wider. Aufbauend dazu muss auch eine potenzialorientierte Ressourcenallokation durchgeführt werden, um eine Minimierung der Leerzeiten zu erreichen.179 Die potenzialorientierte Kundenplanung führt in der Folge dazu, dass die zur Verfügung stehende Beraterzeit auch mit den wirklich potenzialträchtigen Kunden verbracht werden kann.180 Ein weiteres Element des Vertriebsmanagements stellen Vertriebsinformationssysteme dar. Besonders im Vertrieb des Retailbankings spielt die adäquate Informationsaufbereitung und -verfügbarkeit auf Grund der diversifizierten Kundenstruktur eine besondere Rolle.181 Nur so können den einzelnen Vertriebswegen und den Kundenberatern die notwendigen Informationen sachgerecht zur Verfügung gestellt werden. Das letzte Element des Vertriebsmanagements stellt das leistungsorientierte Anreiz- und Vergütungssystem dar. Anreizsysteme dienen dazu, die Unternehmensstrategie in zielgerichtete Handlungen der Mitarbeiter zu überführen.182 Die hier aufgezeigten Elemente bezeichnen somit weitere Anforderungen an ein Cross-Selling-Management als Teilbereich des Vertriebsmanagements. Diese sind daher im weiteren Verlauf für die Abgrenzung des Cross-Selling-Managements mit in die Untersuchung einzubeziehen. Die im Rahmen des dualen Steuerungsmodells postulierte Rendite- und Risikoorientierung muss bei der Betrachtung des Vertriebsmanagements erweitert werden. Das Retailprodukt als Dienstleistung ist, wie oben dargestellt, vor allem durch die Immaterialität und die Integration des externen Faktors geprägt. Neben den vier dargestellten Elementen muss daher das Vertriebsmanagement auch den Anforderungen des Dienstleistungsmanagements genügen. So bestehen zwar hohe Fixkosten beim Personal oder den Filialen, die unabhängig der Nachfrage vorgehalten werden müssen, allerdings unterliegt die „Qualität der Produktion“ bei Dienstleistungen stets der subjektiven Einschätzung des Leistungsempfängers.183 Diese Sub178

Vgl. LINK/GERTH/VOßBECK (Marketing-Controlling, 2000), S. 20.

179

Vgl. ROLFES/SCHIERENBECK (Vertriebssteuerung, 1995), S. 18; LINNEBANK (Vertriebssteuerung, 1997), S. 76. Vgl. HABITZ/SCHRÖDER (Kernelemente, 2001), S. 239.

180 181 182 183

Vgl. ROLFES/SCHIERENBECK (Vertriebssteuerung, 1995), S. 19. Vgl. 1. Teil: C.III. Vgl. BLIEMEL (Produktqualität, 1995), S. 458; RECKENFELDERBÄUMER (Grundlagen, 2005), S. 37; HARTMANN-WENDELS/PFINGSTEN/WEBER (Bankbetriebslehre, 2007), S. 98.

76

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

jektivität führt dazu, dass qualitative Faktoren eine weitaus stärkere Bedeutung einnehmen als im Gesamtbankmanagement. Um diesem Problem gerecht zu werden, unterscheidet das Dienstleistungsmanagement daher vorökonomische und ökonomische Bereiche. Dies muss analog auch auf das Vertriebsmanagement von Retailprodukten übertragen werden. Im vorökonomischen Bereich werden Einflussfaktoren abgeleitet, die sich auf den ökonomischen Erfolg auswirken können. Diese werden gesondert gesteuert, um positive Einflüsse auf den ökonomischen Bereich zu erzielen. Folgende Abbildung zeigt beispielhaft eine solche Einflusskette auf den ökonomischen Erfolg: Vorökonomischer Bereich Unternehmensbezogene Faktoren (interne Aspekte)

ƒ Leistungs/Qualitätsfähigkeit ƒ Interaktionskompetenz ƒ Qualitätsmanagement Servicequalität

Kundenbezogene Faktoren (externe Aspekte)

ƒ Wahrnehmung der Leistung ƒ Kundenzufriedenheit ƒ Image

ƒ Leistungsbereitschaft/Motivation ƒ Mitarbeiterbindung

Verbundenheit ƒ Kundenbindung ƒ Weiterempfehlung

Ökonomischer Bereich ƒ Kostenstruktur ƒ Ertragsstruktur ƒ Produktivität

ökonomischer Erfolg ƒ Kundenwert

Abb. 12: Ökonomischer und vorökonomischer Bereich des Dienstleistungsmanagements184 Der in Erträgen messbare ökonomische Erfolg ist in diesem Beispielfall somit das Resultat aus der Servicequalität und der Verbundenheit des Kunden mit der Bank. Diese Einzelfaktoren werden wiederum durch qualitative Faktoren, wie z. B. der Kundenzufriedenheit oder der Mitarbeiterbindung, beeinflusst. Speziell bei Dienstleistungen sind somit auch Steuerungsmaßnahmen vorzunehmen, die sich auf qualitative Faktoren beziehen. Diese gehen über die reine ökonomische Betrachtung hinaus, beeinflussen das Ergebnis jedoch in besonderem Maße. Die in obiger Abbildung exemplarisch aufgeführten Faktoren sind auf denjenigen Fokus anzupassen, der in der Folge gemessen und gesteuert werden soll. Für die Steuerung von Cross-Selling ist somit auch eine eigene Ursache-Wirkungskette in Be184

Eigene Darstellung in Anlehnung an BRUHN/STAUSS (Dienstleistungscontrolling, 2005), S. 8-9; WITT (Dienstleistungscontrolling, 2003), S. 17. Die einzelnen Kalkulations- und Messgrößen (wie z. B. der Kundenwert) werden im weiteren Verlauf der Untersuchung näher dargestellt.

Besondere Merkmale des Vertriebs im Retailbanking

77

zug auf den ökonomischen Erfolg zu ermitteln.185 Das Cross-Selling-Management muss daher die Unterscheidung von ökonomischen und vorökonomischen Bereichen konsequent weiterführen. In diesem Abschnitt wurden das Vertriebsmanagement mit dem Gesamtbankrahmen verknüpft und weitere Anforderungen herausgearbeitet, die in der Folge für das Cross-Selling-Management zu berücksichtigen sind. Außerdem wurde in einem ersten Schritt gezeigt, dass Einflussfaktoren eine besondere Berücksichtigung erfordern. Weiterführend soll nun das Vertriebsmanagement des Retailbankings mit seinen Besonderheiten genauer untersucht werden, um weitere Auswirkungen auf das Cross-Selling-Management zu ermitteln.

II. Vertriebsmanagement im Retailbanking Im vorherigen Unterkapitel wurde die Gesamtbanksteuerung und die Steuerungsgrößen des Retailbankings sowie weiterführend der Zusammenhang zum Vertriebsmanagement dargestellt. Im Folgenden soll das Vertriebsmanagement im Retailbanking genauer untersucht werden, um den Gesamtrahmen zu ermitteln, in dem sich das Cross-Selling-Management als dessen Teilbereich integrieren muss. 1.

Besondere Merkmale des Vertriebs im Retailbanking

Das Vertriebsmanagement unterliegt im Retailbereich speziellen Besonderheiten. Wie bereits angesprochen gibt es im Mengengeschäft eine Vielzahl von Vertriebswegen, eine hohe Anzahl von Kunden und einen eher unpersönlichen Kundenkontakt. Im Vertriebsmanagement, und damit auch im Cross-Selling-Management, sind diese Merkmale gesondert zu untersuchen. Die hohe Anzahl an Vertriebswegen stellt das Institut vor die Herausforderung, diese auch potenzialorientiert zu steuern.186 Die Vertriebswege lassen sich unterscheiden in den stationären, mobilen und den Direktvertrieb. Stationärer und mobiler Vertrieb sind dabei von einer eher persönlichen und der Direktvertrieb eher von einer unpersönlichen Kundenkommunikation gekennzeichnet. Zum stationären Vertrieb gehören vor allem die klassische Bankfiliale sowie die meist dort integrierten Selbstbedienungsautomaten. Der mobile Vertrieb wird durch Außendienstberater gebildet, die z. T. von mobilen Zweigstellen unterstützt werden. Call 185

Vgl. dazu auch die Vorgehensweise in Teil 2.

186

Vgl. ERDLAND (Vertriebsprozesse, 2003), S. 728.

78

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Center, das electronic Banking und die darunter subsumierten Komponenten des mobile Bankings, personalisiertes Web und Cyberbanking gehören zum Bereich des Direktvertriebs.187 Besonders im Retailbereich verlangen Kunden oft die parallele Nutzung von verschiedenen Vertriebswegen.188 Die Filiale sowie das Internet sind hierbei die von den Banken am häufigsten eingesetzten Kanäle.189 Auf Grund der hohen Kosten kommt der mobile Vertrieb noch eher seltener im breiten Massengeschäft zum Einsatz und wird meist für ertragsstarke Kunden verwendet.190 Schalter/Filiale

98,2%

electronic Banking

98,2%

SB-Automaten

1,8%

92,9%

mobiler Berater

3,6%

65,5%

Call Center

12,7%

53,6%

Drittverkäufer

33,9%

40,7%

mobile Banking

51,9%

34,6%

personalisiertes Web Virtual- Cyberbanking

1,8%

44,2%

25,5%

geplant

87,5%

4,2%

0,0%

eingesetzt

45,1%

25,0%

50,0%

75,0%

100,0%

Abb. 13: Einsatz der Vertriebskanäle bei Banken191 Die Filiale, das electronic Banking sowie die Selbstbedienungsautomaten stellen die in der Praxis am weitest verbreiteten Vertriebskanäle dar. Die fortschreitende Automatisierung wird dabei besonders an der hohen Verfügbarkeit des electronic 187

188

189

190 191

Vgl. SCHIERENBECK (Vertriebskanäle, 1999), S. 11; SWOBODA (Retail-Banking, 2004), S. 213; BETSCH (Vertrieb, 1997), S. 718; PAUL (Marketing, 2000), S. 1264. Für eine detaillierte Beschreibung der Vertriebswege vgl. SCHIERENBECK (Vertriebskanäle, 1999), ab S. 12; KAUFMANN (Multi, 2004), ab S. 34. Bei der Betrachtung von Vertriebswegen stellt sich immer auch die Frage zwischen reiner Informations- und tatsächlicher Produktdistribution. So wird das Internet von den Banken zwar konsequent als Informationskanal zum Kunden verwendet, der tatsächliche Vertragsabschluss ist jedoch nicht immer rein über das Internet möglich (analog dazu die Selbstbedienungsterminals). Allerdings ist stets die zielgerichtete Information des Kunden möglich (vgl. NIEMEYER/RILL (Vertriebspotenziale, 2006), S. 72-73). Ein Vertriebsweg soll daher im Rahmen dieser Arbeit jegliches Mittel bezeichnen, das es der Bank ermöglicht, mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Vgl. SCHIERENBECK (Vertriebskanäle, 1999), S. 9; SCHÜLLER (Privatkundengeschäft, 2001), S. 63; KAUFMANN (Multi, 2004), S. 127; KÖCKRITZ (E-Banking, 2004), S. 57. Vgl. SPARKASSEN-FINANZGRUPPE (Multi-Channel-Banking, 2006), S. 15. Die Bedeutung der Vertriebswege für den einzelnen Kunden hängt dabei auch stark von kundenbezogenen Faktoren, wie z. B. Alter und Geschlecht, ab. Vgl. WILD/WIMMER (Controlling, 2004), S. 200; PAULUHN (Vertriebsstrukturen, 1995), S. 52. Vgl. EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 41. Die Studie umfasst 71 Banken. Davon sind rund 60 % kleine und 20 % große Universalbanken. Der Rest verteilt sich auf Spezialanbieter wie Investmentbanken, Bausparkassen etc.

Besondere Merkmale des Vertriebs im Retailbanking

79

Banking und der SB-Automaten deutlich.192 Dennoch muss gerade im Retailbanking auch der Kostenfaktor des einzelnen Vertriebskanals berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, dass eine hohe Verbreitung nicht immer zwingend mit einem günstigen Kosten-Ertragsverhältnis einhergeht. Die durchschnittlichen Kosten der einzelnen Vertriebswege variieren sehr stark und können das Einzelgeschäftsergebnis über die Maßen beeinflussen. Ein Vertriebsbüro verursacht mit 0,93 Euro, im Gegensatz zum Internetbanking mit 0,02 Euro, die höchsten Kosten je Euro Bruttoertrag. Vertriebsbüro

0,93 €

Call-Center

0,50 €

SB Automaten

0,43 €

Filialen

0,37 €

Fachcenter

0,29 €

Regionalfilialen

0,25 €

Inshop-Servicestellen PC-Banking

0,20 € 0,02 €

0,00 €

0,25 €

0,50 €

0,75 €

1,00 €

Abb. 14: Durchschnittliche Kosten pro Euro Bruttoertrag je Vertriebsweg193 Die hohe Anzahl an Kunden stellt das Institut besonders bei der Potenzialanalyse vor große Herausforderungen. Soll für jeden einzelnen Kunden eine Aussage zu zukünftigen Ertragspotenzialen getroffen werden, wirkt sich dies in besonderem Maße auf die dafür notwendige IT-Ausstattung der Bank aus.194 Die Finanzinstitute sind daher z. T. dazu übergegangen, Potenzialaussagen auf Basis einer vorgenommenen Segmentierung vorzunehmen, um den Berechnungsaufwand zu reduzieren.195 Die hohe Anzahl an Kunden führt jedoch auch dazu, dass die Kundenberatung vorausschauend geplant und an den Kapazitäten des Mitarbeiters ausgerichtet wird. Dies kann mit Hilfe des im weiteren Verlauf dargestellten Aktivitäten-Controllings geplant werden.196

192 193

194 195

196

Vgl. EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 41-42. Vgl. THIESLER (Bankservice, 2001), S. 28. Bruttoertrag beschreibt die Gesamterträge aus der normalen Geschäftstätigkeit des Vertriebswegs (SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 425). Die Anforderungen an die IT-Infrastruktur werden in 1. Teil: B.II.4 diskutiert. Vgl. GRUSSERT (Strategien, 2006), S. 20. Das Vorgehen im Rahmen der Segmentierung wird am Ende dieses Unterkapitels dargestellt. Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 150.

80

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Der eher unpersönliche Kundenkontakt in Verbindung mit der zunehmenden Vergleichbarkeit der Bankdienstleistungen hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass trotz der eher langfristigen Ausrichtung von Bankgeschäften die Dauer des Bank-Kunde-Verhältnisses abnimmt.197 Je nachdem welche Leistungen der Kunde beim einzelnen Institut abruft, besteht eine differenzierte Präferenz zum Vertriebsweg. So kann bei Standardprodukten (z. B. dem Zahlungsverkehr oder dem Wertpapierhandel) der Kunde eher den direkten Zugang über das Internet wünschen und bei komplexeren Produkten (z. B. der Altersvorsorge) ein Beratungsgespräch bevorzugen.198 Diese Tatsache muss im Vertriebsmanagement im Rahmen der Multikanalorientierung Berücksichtigung finden.199 Für das Cross-Selling bedeutet dies, dass der Wahl des Vertriebsweges eine große Beachtung geschenkt werden muss. So könnte bereits durch die falsche Wahl des Ansprachekanals eine Cross-Selling-Anstrengung konterkariert werden. Unzufriedenheit seitens des Kunden kann zu einem vorzeitigen Wechsel der Bank und damit zu einer weiteren Verkürzung des Bank-Kunde-Verhältnisses führen. Zur Ableitung von Steuerungsgrößen unter Berücksichtigung der allgemeinen Anforderungen an das Vertriebsmanagement sowie der Besonderheiten im Retailbereich kann das Vertriebs-Wertedreieck herangezogen werden. Das in folgender Abbildung dargestellte Vertriebs-Wertedreieck basiert grundlegend auf dem oben abgebildeten Ergebniswürfel.200 Die Vertriebsstärke wird in den Dimensionen Kunden, Produkte oder Vertriebswege ermittelt. Hinzu kommen diejenigen Werttreiber und Einflussfaktoren, die zwischen den Dimensionen bestehen. Da Werttreiber auch in der Interaktion der ursprünglichen Ergebnisdimensionen verborgen liegen können, wurden dazu diese Interaktionskomponenten einbezogen. Beispielsweise kann die Wertschaffung aus der Sicht des Mitarbeiters zum einen aus einer hohen Betreuungsstärke resultieren, zum anderen jedoch auch aus dessen Verkaufsstärke.201

197 198 199 200 201

Vgl. ELLGERING (Bank, 2001), S. 105; SCHRAMM (Kaufverhalten, 2002), S. 18. Vgl. SCHÜLLER (Privatkundengeschäft, 2001), S. 63; EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 43. Vgl. SCHIERENBECK (Vertriebskanäle, 1999), S. 46. Vgl. WILD/WIMMER (Controlling, 2004), S. 222. Vgl. DJUKANOV ET AL. (Vertriebssteuerung, 2004), S. 25.

Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements

Kunden

Betreuungsstärke

Potenzialausschöpfung

Vertriebsstärke

81

Produkte

Verkaufsstärke

Vertriebseinheit

Abb. 15: Einflussfaktoren im Vertriebs-Wertedreieck202 Dieses Vertriebs-Wertedreieck kann dazu herangezogen werden, um verschiedene Maßzahlen im Sinne einer Multikanalorientierung abzuleiten. Dazu werden je Einzeldimension Kennzahlen gebildet. Für die Dimension „Kunden“ können dies Werttreiber, wie z. B. die Kundenprofitabilität, oder auch qualitative Faktoren, wie z. B. die Kundenzufriedenheit, darstellen.203 Im Vertriebsmanagement wird daher analog zum Dienstleistungsmanagement der Fokus auch auf die Messung qualitativer Faktoren im vorökonomischen Bereich gelegt. Im folgenden Abschnitt sollen die möglichen Kalkulations- und Kenngrößen näher untersucht werden. 2.

Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements

Die Vertriebssteuerung der Kunden und -segmente im Retailbanking hat in der Vergangenheit eine Vielzahl an Kalkulations- und Kenngrößen hervorgebracht. Im Folgenden soll dazu ein Überblick gegeben werden. Auf Grund der Vielfältigkeit der Instrumente des Vertriebsmanagements im Mengengeschäft können unterschiedliche Systematisierungskriterien für die Kenngrößen herangezogen werden. So kann einerseits nach deren strategischer oder operativer Bedeutung und andererseits nach qualitativen und quantitativen Merkmalen gruppiert werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, anhand des Vertriebs-Wertedreiecks oder des Ergebniswürfels eine Systematisierung vorzunehmen. Am Beispiel der ABCAnalyse wird jedoch deutlich, dass die Einteilung der Instrumente in die Dimensionen „operativ“ und „strategisch“ fließend ist.204 So sehen DEKING/MEIER (1999) die ABC-Analyse als operatives Instrument, DUDERSTADT (2006) und PUFAHL

202 203 204

Eigene Darstellung in Anlehnung an DJUKANOV ET AL. (Vertriebssteuerung, 2004), S. 25. Vgl. WILD (Erfolgscontrolling, 2005), S. 210; DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 148. Vgl. HAAG (Marketing-Controlling, 1991), S. 280.

82

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

(2006) hingegen betonen deren strategischen Charakter.205 Am sinnvollsten erscheint es daher, im Rahmen dieser Darstellung eine Abgrenzung anhand des Vertriebs-Wertedreiecks in Verbindung mit einer qualitativen und quantitativen Sichtweise vorzunehmen. Diese Betrachtungsweise berücksichtigt dabei implizit auch die Dimensionen des Ergebniswürfels. Folgende Tabelle gibt einen Überblick über mögliche Steuerungsgrößen im Rahmen des Vertriebsmanagements im Retailbanking:

205

Vgl. DEKING/MEIER (Vertriebscontrolling, 1999), S. 253; DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 88; PUFAHL (Vertriebscontrolling, 2006), S. 78. Ähnliche Aussagen wurden auch in Bezug auf die Budgets im Rahmen der strategischen und operativen Steuerung im dualen Steuerungsmodell getroffen.

Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements

Kunden

x x x x x x x

Produkte

x x x x

Vertriebseinheit /Mitarbeiter

x x x x x x

Betreuungsstärke

x x x

Qualitativ Kundenzufriedenheit Kundenbindung Kundenstruktur Kundenbeschwerdequote Kündigungsneigung Kontaktfrequenz Weiterempfehlungsrate Produktbezogene Beschwerden Fehlerquote/Produktqualität Neuprodukt-Einführungsquote Produkt-Lebenszyklusanalyse Schulungstage pro Mitarbeiter Mitarbeiterzufriedenheit Mitarbeiter-Fluktuationsquote Mitarbeiter-Beschwerdequote Vorschlagsquote Anreizsysteme Beschwerdehäufigkeit Betreuungszufriedenheit Kundenverlustquote

83

Quantitativ Kundendeckungsbeitrag Kosten-/Ertragsverhältnis pro Kunde Kunden(lebens)wert Neukundenquote Erstbankverbindungsanteil Abwanderungsquote Marktanteil x ‡-Produktmarge x Produktmix nach Erträgen x ‡-Produktvolumen x x x x x x x

x Aktivitäten-Controlling (Kontakt-,

Gesprächs-, Abschlussquote,...) x ‡-Personalkosten x Kündigungsquote x Vertriebskostenstruktur x x x x x x x x x

Verkaufsstärke

x

Potenzialausschöpfung Übergreifend

x x x Scoringsysteme x SWOT-Analyse

x x

Kontaktfrequenz Persönliche Kundenbeziehungsdauer Nettomarktzeit Kundendichte pro Mitarbeiter Prozesskostenrechnung ‡-Abschlussquote Stornoquote Entwicklung Produktabschlüsse Sonderkonditionenquote ‡-Produktnutzungsquote (Cross-SellingQuote) ‡-Up-Selling-Quote Bedarfsdeckungsquote (Share-of-Wallet) ABC-Analyse Deckungsbeitragsrechnung

Tab. 3: Steuerungsgrößen im Vertriebsmanagement des Retailbankings206 Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass es bereits vielfältige Messgrößen im Rahmen des Vertriebsmanagements gibt. Ein Einzelinstitut sollte sich jedoch sinnvollerweise auf die Anwendung von 15 bis 25 wesentlichen Kennzahlen beschränken.207 Ein Standardkennzahlenpool kann jedoch nicht abgeleitet werden. Die Auswahl von geeigneten Kennzahlen muss durch die Bank selbst getroffen

206

Eigene Darstellung in Anlehnung an DEKING/MEIER (Vertriebscontrolling, 1999), S. 253; DJUKANOV ET AL. (Vertriebssteuerung, 2004), S. 27; WILD (Erfolgscontrolling, 2005), S. 210-218; NIEMEYER/NIRSCHL (Status quo, 2006), S. 18 und S. 21; EHRMANN (Vertriebscontrolling, 2002), S. 851; PREIßNER (Vertrieb, 2002), S. 7286.

207

Vgl. DJUKANOV ET AL. (Vertriebssteuerung, 2004), S. 28; WILD/WIMMER (Controlling, 2004), S. 221.

84

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

werden. Das Hauptkriterium hierfür sind die strategischen Ziele, die vom Institut verfolgt werden. So sind für eine Bank, die den Fokus auf die Neukundengewinnung legt, andere Maßzahlen von Bedeutung als für eine Bank, die verstärkt Produkte an Bestandskunden absetzen möchte.208 Für das Cross-Selling-Management gilt es, aus den bestehenden Messmethoden diejenigen herauszufiltern und weiterzuentwickeln, die den Fokus auf den Vertrieb an Bestandskunden legen. Eine besondere Methode den Prozess der gezielten Kundenansprache zu bewerten, stellt das Aktivitäten-Controlling dar. Das Aktivitäten-Controlling ist ein Instrument im Rahmen des operativen Vertriebsmanagements, um die Vertriebseinheit in Form des Mitarbeiters zu beurteilen. Ziel ist es, eine Verbindung zwischen der Steuerung des Vertriebsprozesses und dem Ergebniscontrolling zu schaffen.209 Auf Grund der hohen Kundenzahl im Retailbereich ist die zielgerichtete und vorausschauende Ressourcenplanung der Kundenberater notwendig.210 Dazu werden dem Berater Informationen zu potenzialträchtigen Kunden und deren eventuellem Produktbedarf bereitgestellt. Die aus den Zielvorgaben ermittelten Sollgrößen werden nun in konkrete Aktivitätenvorgaben gebündelt.211 Im Rahmen des AktivitätenControllings können in der Folge Aussagen darüber getroffen werden, inwieweit bei den selektierten Potenzialkunden tatsächlich Produktabschlüsse erreicht werden konnten. Dies wird durch die so genannte Erfolgsquote ausgedrückt. Der gesamte Anspracheprozess wird gemäß folgendem Schema gemessen:

208

Vgl. WILD (Erfolgscontrolling, 2005), S. 210.

209

Vgl. HERWIG/TROST (Vertriebssteuerung, 2004), S. 64. Vgl. SIEMONS (Wertschaffung, 2005), S. 47.

210 211

Vgl. HERWIG/TROST (Vertriebssteuerung, 2004), S. 67.

Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements

85

300 250

Selektion Kunden

225

Grundgesamtheit

Ansprachequote 83 %

Kontaktquote 90 %

Kontakt erfolgt

150

145

Termin vereinbart

Gespräch geführt

Terminquote 67 %

Gesprächsquote 97 %

120

Abschluss

Abschlussquote 83 %

Erfolgsquote 40 %

Abb. 16: Kaskadenmodell des Aktivitäten-Controllings212 Das Aktivitäten-Controlling misst kaskadenförmig von einer selektierten Grundgesamtheit an potenzialträchtigen Kunden bis zum tatsächlichen Abschluss an jeder Ansprachestufe die noch verbleibende Kundenzahl. Im Rahmen des Anspracheprozesses können verschiedene Gründe dazu führen, dass kein Abschluss zu Stande kommt. So ist der Kunde z. B. nicht erreichbar, an einem Termin nicht interessiert oder kann im Rahmen des Gesprächs nicht vom Produkt überzeugt werden. Mittels der in obiger Abbildung beispielhaft dargestellten Kennzahlen kann dies genau nachvollzogen werden. Die einzelnen Quoten geben an, wie erfolgreich die Aktivität in Bezug auf den vorherigen Prozessschritt durchgeführt wurde. Eine Terminquote von 67 % bedeutet somit, dass mit etwas mehr als zwei Drittel der Kunden, die kontaktiert wurden, ein Termin vereinbart werden konnte. In obigem Beispiel wurde folglich in 83 % der Fälle in denen anschließend ein Gespräch zu Stande kam auch ein Produkt verkauft. Der gesamte Anspracheprozess, von der selektierten Grundgesamtheit bis zum tatsächlichen Abschluss, wird mittels der Erfolgsquote gemessen.213 Die Erfolgsquote kann mit wertorientierten Komponenten wie dem Deckungsbeitrag verknüpft werden und so die Verbindung zum Ergebniscontrolling herstellen. Neben der Ressourcenbewertung eignet sich das Aktivitäten-Controlling des Weiteren zur Plausibilisierung von getroffenen Zielvorgaben. Sind Erfahrungswerte für die unterschiedlichen Quoten bekannt, kann rekursiv von einem Abschlussziel 212

Eigene Darstellung in Anlehnung an KIRMßE/GRIMMER (Vertriebscontrolling, 1999), S. 862; HERWIG/TROST (Vertriebssteuerung, 2004), S. 65-66; SCHÜRG (Vertriebskampagnen, 2004), S. 263.

213

Die Sparkassen streben eine Erfolgsquote von 12 % an (vgl. SCHÜRG (Vertriebskampagnen, 2004), S. 264).

86

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

die Anzahl der notwendigen Gespräche und Kontakte ermittelt werden. Besonders bei der so ermittelten Soll-Gesprächszahl ist im Vorfeld bereits erkennbar, ob die Zeit des Beraters bei bekannter Abschlussquote ausreicht, um die zur Zielerfüllung voraussichtlich notwendigen Gespräche zu führen.214 Neben einer rekursiven Kapazitätsplanung können auch Aussagen zu den spezifischen Stärken und Schwächen des Mitarbeiters abgeleitet werden. Schulungsmaßnahmen können individuell dort ansetzen, wo ein konkreter Bedarf besteht bzw. kann deren Erfolg nach Durchführung gemessen werden.215 Besitzt ein Kundenberater wie oben erwähnt z. B. eine hohe Abschlussquote, jedoch eine geringe Terminquote, so können Schulungsmaßnahmen zielgerichtet darauf Bezug nehmen. Die notwendige Trennung im Dienstleistungscontrolling zwischen vorökonomischem und ökonomischem Bereich spiegelt sich auch im Aktivitäten-Controlling wider. Das Aktivitäten-Controlling stützt sich vor allem auf vorökonomische Faktoren. Dadurch wird der Erklärungswert des ökonomischen Vertriebsresultats gesteigert, da Informationen über dessen Entstehung vorliegen.216 Die Vielzahl der kundenbezogenen Kalkulations- und Kenngrößen in Zusammenhang mit der hohen Zahl an Retailkunden führt zu einer großen Menge an Einzelmessergebnissen. Es ist daher sinnvoll, Kunden mit vergleichbaren Eigenschaften zusammenzufassen. Ein Hilfsmittel stellt die Segmentierung dar, um diese Kundengruppen zu identifizieren. 3.

Notwendigkeit einer strikten Kundensegmentierung

Die Kundensegmentierung besitzt im Retailbanking auf Grund des eher unpersönlichen Massengeschäfts eine größere Bedeutung als z. B. im Firmenkundengeschäft. Sie wird daher als wichtiger strategischer Faktor bezeichnet.217 Kundensegmentierung bedeutet die Einteilung einer heterogenen Grundgesamtheit anhand von Segmentierungskriterien in möglichst homogene Teilgesamtheiten.218 Eine eher einfache Segmentierung des Privatkundengeschäfts wurde bereits oben durch die Aufteilung zwischen Privatkunden und Mengengeschäft vorgenommen. Das Abgrenzungskriterium in der Praxis war hier die Wirtschaftskraft des Kunden. Der 214 215 216 217

218

Vgl. HERWIG/TROST (Vertriebssteuerung, 2004), S. 67. Vgl. WAGNER/BREDA/BOKELMANN (Vertriebssteuerung, 2006), S. 280. Vgl. WILD (Erfolgscontrolling, 2005), S. 204. Vgl. ZUR BRÜGGE (Kundensegmentierung, 2003), S. 22; GRUSSERT (Strategien, 2006), S. 20; NITSCHE/REUSCHER/KLAHOLZ (Finanzdienstleister, 1999), S. 17. Grundsätzlich stellt bereits die Unterscheidung in institutionelle-, Unternehmens- und Privatkunden eine Segmentierung dar (vgl. SCHIERENBECK (Perspektiven, 1988), S. 59). Vgl. FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 282; ZUR BRÜGGE (Kundensegmentierung, 2003), S. 54; BÖHLER (Marktsegmentierung, 1977), S. 10.

Notwendigkeit einer strikten Kundensegmentierung

87

Katalog an Segmentierungskriterien nimmt jedoch an Umfang zu, wenn es darum geht, das Mengengeschäft in weitere Untersegmente zu splitten. Diese Merkmale lassen sich grundsätzlich in soziostrukturelle, psychographische und verhaltensbasierte Kriterien einteilen.219 Folgende Tabelle gibt dazu eine Übersicht: Merkmal

Untergruppe Soziodemographisch Sozioökonomisch

Einkommen, Vermögen, Bildung, sozialer Status, Berufsgruppe

Geographisch

Makrogeographisch: Bundesland, Region, Landkreis, Kommune Mikrogeographisch: Wohngebiete, Straßenzüge, Wohnortgröße

Soziostrukturell

Psychographisch

Segmentierungskriterium Alter, Geschlecht, Familienstand, Zahl der Kinder, ethische Zugehörigkeit, Religion, Haushaltsgröße

Lebensstil

Aktivitäten, Interessen, Meinungen

Persönlichkeitsmerkmale

soziale Orientierung, Wagnisfreudigkeit

Produkt/Leistungsspezifikum

Wahrnehmung, Motive, Einstellungen, Präferenzen, Kaufabsichten

Beobachtbares Kaufverhalten

Leistungsauswahl, Nutzungsintensität/ Transaktionshäufigkeit, Preisverhalten, Serviceorientierung, Mediennutzung, Vertriebswegeauswahl, Einbindung in die Entscheidung

Wertbasiertes Kaufverhalten

Kundendeckungsbeitrag, Umsatzrentabilität, kundenbezogene Kapitalrentabilität

Verhaltensbasiert

Tab. 4: Segmentierungskriterien im Retailbanking220 Die hier dargestellten Segmentierungskriterien sind erweiterbar, unterliegen jedoch den folgenden Anforderungen, die in die Mess- und Operationalisierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, zeitliche Stabilität, Verhaltensrelevanz und Finanzdienstleistungsbezug eingeteilt werden können. Die Mess- und Operationalisierbarkeit so219

Vgl. BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 79; KOTLER/KELLER/BLIEMEL (Marketing, 2007), S. 366-368; HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 47; DYCKHOFF (Diversifikation, 1993), S. 58; STUHLDREIER (Marktsegmentierung, 2002), S. 14; BUXEL (Profiling, 2003), S. 122-124; WALSH/HENNIG-THURAU (Kaufentscheidungsstil, 2001), S. 225-226; FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 87; SOLOMON/BAMOSSY/ASKEGAARD (Konsumentenverhalten, 2001), S. 26. Zusätzlich kann auch in entscheidungsbezogene und typologische Kriterien unterschieden werden. Erstere lassen sich jedoch unter die verhaltensbasierten Kriterien subsumieren. Letztere stellen bereits Segmentierungsansätze mit einem vordefinierten Kriterienset dar. Daher sollen diese nicht in den grundsätzlichen Katalog der Segmentierungskriterien integriert werden (vgl. PEPELS (Marktsegmentierung, 2007), S. 17 und S. 22).

220

Vgl. STUHLDREIER (Marktsegmentierung, 2002), S. 14; FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 287; RANGAN/MORIARTY/SWARTZ (Segmenting, 1992), S. 72; ZUR BRÜGGE (Kundensegmentierung, 2003), S. 65; FRIEDRICHS-SCHMIDT (Kundensegmentierung, 2003), S. 36, DYCKHOFF (Diversifikation, 1993), S. 58-61; HACKETHAL/JANSEN (Involvement, 2006), S. 52; SCHEER (Analyse, 1989), S. 86.

88

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

wie die Wirtschaftlichkeit hängen eng zusammen. Sie beschreiben, dass Segmentierungskriterien grundsätzlich messbar sein müssen. Besonders bei psychographischen Segmentierungskriterien zeigt sich, dass diese nur mit erheblichem Aufwand ermittelbar sind. Aber auch bei soziodemographischen Merkmalen kann es zu Problemen kommen, wenn z. B. bei Ehepaaren Gemeinschaftskonten vorhanden sind. Die Wirtschaftlichkeit muss in der Weise erfüllt sein, dass die Kriterien im Rahmen der Datenerhebung mit vertretbarem Aufwand ermittelbar sind. Des Weiteren sollten die herangezogenen Kriterien zeitlich stabil bleiben, um erwünschte Aussagen ableiten zu können. Merkmale, die sich laufend ändern, lassen sich unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit nur schwer aktuell halten. Die Verhaltensrelevanz bzw. Marktrelevanz zielt darauf ab, aus der Vielzahl an zur Verfügung stehenden Kriterien ein geeignetes Bündel zusammenzustellen, welches das Kundenkaufverhalten optimal beschreibt. Hierbei wird offensichtlich, dass eine zu grobe Segmentierung Unschärfen beinhaltet und eine zu feine Segmentierung die Homogenisierung der Kundenstruktur nicht fördert und somit unnötige Kosten verursacht. Die Anforderung des Finanzdienstleistungsbezugs soll sicherstellen, dass sich die Segmentierung am Zielbild der Einteilung von Retailbankingkunden orientiert. Vor allem die Definition verhaltensbasierter Merkmale sollte dies berücksichtigten.221 In der Praxis sehen rund 83 % der Retailbanken das Vermögen/Einkommen als wichtigstes Segmentierungskriterium an. Etwa 74 % nutzen die Kundenbonität und rund 68 % die Kundenprofitabilität zur Segmentierung. Nur rund jedes zweite der Retailinstitute wendet soziodemographische Merkmale umfassend an.222 Dabei werden die Kriterien von den Banken stets unterschiedlich zur Segmentierung kombiniert. Ziele einer Kundensegmentierung sind die bessere Befriedigung der Kundenbedürfnisse durch eine zielgerichtete Ansprache, Identifikation potenzialstarker Kunden, Steigerung der Effektivität/Effizienz und Aufdeckung lukrativer Marktnischen. Ein erstes Ziel bildet die zielgerichtete Ansprache von Kundengruppen auf Basis der ermittelten Bedürfnisse. Je nach Bedürfnisprofil kann das Leistungsangebot auf mögliche Deckungspotenziale hin untersucht werden. Dies hilft in der Folge Cross-Selling-Potenziale zu identifizieren und den Markt besser zu durchdringen. Im Rahmen dessen wird auch das zweite Ziel der Identifikation potenzial/ertragsstarker Kunden erfüllt. Potenzialstärke erwächst hierbei z. B. auf Grund 221

Vgl. STUHLDREIER (Marktsegmentierung, 2002), S. 30-32; FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 288-289; ZUR BRÜGGE (Kundensegmentierung, 2003), S. 57-58, S. 67 und S. 84; JASNY (Marktsegmentierung, 1999), S. 48-49; BÖHLER (Marktsegmentierung, 1977), S. 10; HOCHBERGER (Planning, 2003), S. 46-47; DYCKHOFF (Diversifikation, 1993), S. 57.

222

Vgl. EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 43.

Notwendigkeit einer strikten Kundensegmentierung

89

deren Vermögen oder der noch offenen Produktzahl gemäß des Lebenszyklusmodells. Diese Kundengruppen können daraufhin gesondert angesprochen werden. Drittens soll der effektive und effiziente Einsatz der zur Verfügung stehenden Marktbearbeitungsinstrumente sichergestellt werden. Die Segmentierung soll Kunden identifizieren, die ein potenzielles Interesse an einem bestimmten Produkt besitzen. Bei Werbemaßnahmen für dieses Produkt kann so unnötiger Streuverlust vermieden werden, wenn nur potenziell interessierte Kunden angesprochen werden. Viertens kann die Segmentierung auch zur Entdeckung von neuen Marktnischen herangezogen werden. Im Rahmen der Systematisierung der Retailprodukte wurde ersichtlich, dass sich Banken z. B. auf das Segment der über 50-jährigen mittels besonderer Produkte fokussieren. Dieses Segment wurde in diesem Fall als besonders ertragsstark erkannt.223 In der Folge kann auch die Kundendimension des Ergebniswürfels dieser Segmentierung folgen und die Ergebnisse dahingehend aufbereiten, dass die Kundensegmente als Aggregationsebenen herangezogen werden. Häufigster Kritikpunkt an der Segmentierung ist die Voraussetzung der Zeitstabilität der Kriterien. In der Praxis führen stetige Veränderungen im Leben der Kunden zu einer veränderten Ausprägung der Segmentierungskriterien (z. B. Interessen, Kaufabsichten, Präferenz der Mediennutzung, etc.). Auf Grund der Vielzahl der Kunden im Mengengeschäft können die einzelnen Kundenmerkmale jedoch nicht mit vertretbarem Aufwand aktuell gehalten werden. Dies führt in der Folge zu Datenlücken.224 Kritik besteht auch in der Form, dass grundsätzlich daran gezweifelt wird, dass ein Zusammenhang zwischen dem Kaufverhalten des Kunden und dessen Produktbedarf besteht. So wird ein Produktkauf nicht zwangsläufig auf Grund des aktuellen Alters oder Einkommens, sondern wegen der gesamten Lebensumstände getätigt.225 Speziell in Bezug auf die Kriterien kann festgehalten werden, dass sozioökonomische Kriterien zwar besonders gut messbar sind, jedoch eine eher geringe Kaufverhaltensrelevanz besitzen. Leistungsspezifische psychographische Merkmale hingegen haben eine hohe Verhaltensrelevanz, sind jedoch nur schwer zu messen.226 Eine gewisse Unschärfe muss daher ex ante bereits hingenommen werden, da Messbarkeit und Aussagekraft 223

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 8; RIEKEBERG (Mikrogeographie, 2000); STUHLDREIER (Marktsegmentierung, 2002), S. 25-26; BRUCKNER/BÜHLER (Anmerkungen, 2001), S. 45; JESCHKE (Nachkaufmarketing, 1995), S. 216; FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 286-287.

224

Vgl. BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 79-80; JASNY/HUBER (Zielgruppenmodelle, 2002), S. 309. Zum Teil kann es passieren, dass Kunden sich dem Versuch der Segmentierung durch lückenhafte Angaben entziehen (vgl. SOMMERHÄUSER (Entscheidungen, 2000), S. 170)). Vgl. BRUCKNER/BÜHLER (Anmerkungen, 2001), S. 46; JASNY/HUBER (Zielgruppenmodelle, 2002), S. 308; JASNY (Marktsegmentierung, 1999), S. 58.

225

226

Vgl. FRETER (Marktsegmentierung, 2001), S. 299.

90

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

nicht positiv miteinander korrelieren. Des Weiteren wurde bisher davon ausgegangen, dass eine Segmentierung mittels verfügbarer Kundendaten vorgenommen werden kann. Um Cross-Selling bereits im Rahmen der Neukundenakquisition durchzuführen, müssten auch „unbekannte“ Kunden typisiert werden. Dies kann jedoch lediglich durch eine Einschränkung der Prognosefähigkeit erreicht werden.227 Die Segmentierung dient somit im Vertriebsmanagement der Kategorisierung von Kundengruppen mit dem Ziel der Potenzialidentifikation. Im Rahmen des Cross-Selling-Managements hilft die Segmentierung, Kundengruppen mit ähnlichen Bedürfnissen zu erkennen. Auf Grund der Vielzahl der Kunden kann eine Segmentierung lediglich mittels informationstechnologischer Unterstützung durchgeführt werden. Auf die Notwendigkeit der adäquaten Informationsaufbereitung wurde zudem bereits hingewiesen, so dass dies im Folgenden untersucht werden soll. 4.

Informationsaufbereitung im Rahmen eines Vertriebsinformationssystems

Nachfolgend sollen Vertriebsinformationssysteme genauer untersucht werden, um aufbauend Anforderungen herausarbeiten zu können, die das Cross-SellingManagement an ein solches Informationssystem stellt. Ein Informationssystem bezeichnet die geordnete Gesamtheit von verfügbaren Informationen.228 In der Bankenwelt kommen bereits viele Arten von Informationssystemen zum Einsatz. Diese können in Produktionssysteme, Steuerungs-/ Kontrollsysteme und unterstützende Systeme eingeordnet werden. Produktionssysteme kommen direkt oder indirekt im Rahmen der Leistungserstellung zum Einsatz. Beispiele für Produktionssysteme stellen Zahlungsverkehrssysteme, Online-Banking-Systeme oder die Front-Office-Systeme der Handelsbereiche dar. Steuerungs-/Kontrollsysteme dienen der Steuerung oder Überwachung und geben Informationen im Vorfeld zu Entscheidungsprozessen. Steuerungssysteme sind z. B. Systeme zur Kreditwürdigkeitsprüfung oder zur Kundenprofitabilitätsrechnung. Kontrollsysteme stellen Informationen im Nachgang einer Entscheidung bereit. Dies sind z. B. diejenigen Systeme, die Controllingberichte oder Managementauswertungen erstellen. Unterstützende Systeme hingegen haben keine Aufgabe im Leistungserstellungsprozess, sondern helfen die weiteren bankbetrieblichen Aufgaben zu lösen. Hierbei handelt

227

Vgl. BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 80.

228

Vgl. DILLER (Produkt-Management, 1975), S. 7. Informationssysteme werden in der Literatur auch als Managementinformationssysteme bezeichnet (vgl. HANNIG (Managementinformationssysteme, 1998), S. 282). Managementinformationssysteme sind jedoch nur als Teilbereich eines gesamten Vertriebsinformationssystems zu sehen (vgl. STENDER/THE/RACK (IT, 1999), S. 97).

Informationsaufbereitung im Rahmen eines Vertriebsinformationssystems

91

es sich z. B. um Systeme der Lohn- und Gehaltsbuchhaltung oder der Anlagebuchhaltung.229 Ein Vertriebsinformationssystem im speziellen bezeichnet ein IT-System, das es erlaubt, Informationen adressatengerecht abzulegen und abzurufen, die in Bezug zum gesamten bisherigen Kundenkontakt stehen.230 Die Ablage der Daten wird in einem Data-Warehouse durchgeführt. Das Data-Warehouse stellt einen Informationsspeicher dar, in dem alle entscheidungsrelevanten Informationen dauerhaft gespeichert werden.231 Dazu werden die bestehenden Datensysteme im Institut mit dieser Informationsplattform vernetzt, um eine einheitliche und konsistente Datenbasis über das Gesamtinstitut zu erhalten. Ziel eines Data-Warehouses ist es vor allem, die operativen Produktionssysteme durch Datenabfragen nicht über Gebühr zu belasten.232 Der Aufruf der Daten wird mittels eines sogenannten Customer Relationship Management Systems durchgeführt. Die Ziele eines Vertriebsinformationssystems liegen neben dem reinen Informationsmanagement auch in der Absatz-, der Produkt- und der Mitarbeitersteuerung. So hilft es bei der Früherkennung von Absatzproblemen und der Analyse von Absatzpotenzialen. Im Rahmen der Mitarbeitersteuerung dient es als Informationsgrundlage für eine leistungsorientierte Vergütung und zur Personaleinsatzplanung. Außerdem kann durch die Veränderung der Leistungsanreize für die Mitarbeiter gezielt der Absatz der Produkte gesteuert werden.233 Bei der Gestaltung eines Vertriebsinformationssystems sollten die abgelegten Informationen stets die Anforderungen an Relevanz, Schlüssigkeit, Konstanz und Aktualität erfüllen. Erstens sind die Daten auf ihre Relevanz für die gesteckten Vertriebsziele zu untersuchen. So wird vermieden, dass unnötige Daten erfasst werden. Dies hängt eng mit einem gesunden Verhältnis zwischen Erhebungsaufwand und Zweck der Information zusammen. Sollen die Daten z. B. zur Leistungsmessung des Mitarbeiters dienen, ist sicherzustellen, dass es die abgelegten Daten auch erlauben, die Leistung zu messen.234 Zweitens sollten Daten institutsweit gleich ermittelt und verdichtet werden, sonst könnte die Vergleichbarkeit und 229

Vgl. HAUPT (Informationssystemplanung, 1997), S. 33-35. Eine Unterscheidung ist auch in Bezug auf ihre operative oder strategische Zielsetzung möglich (vgl. BECKER (Vertriebscontrolling, 2001), S. 35-36).

230

Vgl. LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 289; DREWES (Informationssysteme, 1996), S. 143. Vgl. INMON (Warehouse, 2005), S. 29 ist für die ursprüngliche Begriffsprägung verantwortlich, die bisher die weiteste Verbreitung gefunden hat (vgl. HANNIG (Managementinformationssysteme, 1998), S. 283; KUHL/STÖBER (Warehousing, 2006), S. 534; PUFAHL (Vertriebscontrolling, 2006), S. 35).

231

232 233

234

Vgl. HANNIG (Managementinformationssysteme, 1998), S. 283. Vgl. KESER/PANKRATH/MARKER (Controllingsystem, 2004), S. 168. Dies wird meist mittels einer Veränderung des Beitrages zur individuellen Zielerreichung des Vertriebsmitarbeiters vorgenommen (z. B. Erhöhung der Punktzahl für ein Produkt). Vgl. KESER/PANKRATH/MARKER (Controllingsystem, 2004), S. 166.

92

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

damit die Schlüssigkeit der erfassten Daten gefährdet sein. Redundanz in der Datenhaltung sollte vermieden werden, da in der Folge Unstimmigkeiten in den Datenbeständen entstehen könnten. Sofern Informationsbedarf besteht, sollte drittens eine Erfassung der Daten über einen konstanten Zeitraum hinweg gewährleistet sein. Erst dann ist eine unterbrechungsfreie Vergleichbarkeit und der damit verbundene Erfahrungsaufbau möglich. Viertens ist auf die Aktualität der Daten Wert zu legen, um operative Aussagen ableiten zu können.235 Zur adressatengerechten Aufbereitung der zur Verfügung stehenden Informationen sind die Prinzipien der Zielgruppenadäquanz, der Nachvollziehbarkeit und des Problembezugs zu berücksichtigen. Die Aufbereitung gemäß der relevanten Zielgruppe ist notwendig, um die Eigenheiten des Nutzers berücksichtigen zu können. Diese entstehen einerseits aus dessen Aufgabe im Unternehmen (z. B. Kundenberater oder Abteilungsleiter) und andererseits aus dessen Gewohnheiten der Informationsaufnahme (z. B. grafische Aufbereitung oder textuelle Beschreibung). Die Nachvollziehbarkeit der zur Verfügung gestellten Informationen hat vor allem Auswirkungen auf die Akzeptanz des Systems. So muss für den Nutzer die Herkunft und Aufbereitung der Daten verständlich sein, um sich dem Informationssystem nicht ausgeliefert unterordnen zu müssen.236 Der notwendige Problembezug hängt hiermit eng zusammen. Es ist erforderlich, dass die ausgewiesenen Informationen sich vom Nutzer in einen Kontext setzen und in der Folge in vertriebsrelevante Entscheidungen überführen lassen.237 Mittels eines sogenannten Customer Relationship Management Systems (CRM) werden die kundenbezogenen Informationen aus dem Data Warehouse zusammengeführt und aufbereitet. Rund 68 % der Banken verwenden bereits ein solches System.238 Trotz der Vielschichtigkeit eines CRM kann darunter das Management der gesamten Kundenbeziehungen im Rahmen einer strategischen und aktionsorientierten Betrachtungsweise verstanden werden.239 Neben reinen personenbezogenen Daten werden auch Informationen zur Häufigkeit des Kundenkontakts, Vertriebswegepräferenzen und andere Daten gespeichert. In Bezug auf das CrossSelling können z. B. Angaben zur Bedürfnisstruktur des Kunden abgebildet werden.240 Gerade im Retailbanking kommt der geordneten Aufbereitung von Kundeninformationen eine große Bedeutung zu. Durch die hohe Kundenzahl kann z. B. ein Kundenberater nicht stets alle kundenspezifischen Informationen aus 235

Vgl. LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 290.

236

Vgl. KESER/PANKRATH/MARKER (Controllingsystem, 2004), S. 166. Vgl. LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 290.

237 238 239 240

Vgl. EIXELSBERGER ET AL. (Multi-Channel, 2005), S. 44. Vgl. WOLF (CRM, 2007), S. 79; MESSNER (CRM, 2005), S. 30. Vgl. BÖING/JULLENS/SCHRADER (Multikanalvertrieb, 2003), S. 39-40.

Informationsaufbereitung im Rahmen eines Vertriebsinformationssystems

93

seinem Gedächtnis abrufen.241 Folgende Abbildung zeigt die beispielhafte Aufbereitung von Kundendaten: Basisprofil

Produktdetails

Risikoprofil

Nr.

690702

Name

Mustermann

Tel.

069/1234567

Straße

Ohnestraße. 12

Ort

Frankfurt a. M.

Bonität

B+

Kundendaten

Kundenkontakte

Bonitätsentwicklung

Firma

---

Berater

Position

---

Letzter Kontakt

23.07.2007

Mobil

0172/1234567

Offene Angebote

Autofinanzierung

eMail

[email protected]

Ansprachepräferenz

Telefon

Ergebnisdaten

Kundenberater A

Produkte und Salden

Kundenwert aktuell

300,-

Girokonto (690702-78031)

Kundenlebenswert

2.500,-

Sparkonto (690702-24045)

Kategorie

II

Privatkredit (690702-22015) 5.000,-€

Anmerkungen Kunde ist auf der Suche

nach einer Versicherung

356,86 1535,25 € - 2.876.46 €

Sparkonto Depot (690702-81082) (690702-24045)

15.698,17 1535,25 €

Privatkredit (690702-22015) 5.000,-€ Mastercard

- 2.876.46 - 517,13 €

Abb. 17: Aufbereitung von Kundendaten im Informationssystem242 Ziel des CRM ist eine Verbesserung der Kundenbeziehung, da durch den bestehenden Informationsbestand eine qualitativ höherwertige Interaktion erreicht werden kann, die den Bedürfnissen des Kunden entspricht. Außerdem soll eine Kostenreduktion durch die effiziente Gestaltung der Kundeninteraktion erzielt werden.243 Somit wird durch das CRM eine Entscheidungsgrundlage zur Steuerung des Vertriebs bereitgestellt. Die Unterstützung im Rahmen des Kundenkontakts wird auch als so genanntes operatives CRM bezeichnet. Davon grenzt sich das analytische CRM ab, mittels dessen das Kauf- und Entscheidungsverhalten des Kunden prognostiziert werden soll. Das analytische CRM ist dabei auf die durch das operative CRM bereitgestellten Daten angewiesen.244

241

Vgl. HASSELS (Data-Based, 1997), S. 126.

242

Eigene Darstellung in Anlehnung an BUXEL (Profiling, 2003), S. 137; SCHMIDT/BACH/ÖSTERLE (CRM, 2008), S. 86. Vgl. MESSNER (CRM, 2005), S. 199.

243 244

Vgl. BÖING/JULLENS/SCHRADER (Multikanalvertrieb, 2003), S. 40-41. Die Inhalte eines CRM mit CrossSelling-Bezug werden in 1. Teil: C.II.3 näher beschrieben.

94

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

III. Einfluss von Cross-Selling auf Kalkulations- und Kenngrößen des Vertriebsmanagements In den beiden vorherigen Unterkapiteln wurden durch die Betrachtung der Gesamtbanksteuerung, der Retailgeschäftssteuerung und des Teilbereichs des Vertriebsmanagements Anforderungen an ein Cross-Selling-Management ermittelt. Weitere Kriterien zur Abgrenzung des Cross-Selling-Managements konnten im Rahmen einer tiefergehenden Untersuchung des Vertriebsmanagements beschrieben werden. Aufbauend zur Darstellung der Steuerungsgrößen des Vertriebsmanagements sollen nun diejenigen Größen untersucht werden, auf die Cross-Selling direkt Einfluss nimmt und dabei eine Veränderung dieser Größen bewirkt. Die bedeutendsten Messkonzepte, auf deren Ergebnisse das Cross-Selling Einfluss nimmt, sind der Kundenlebenswert und Scoringsysteme zur Bewertung der Kundenattraktivität.245 Außerdem soll aufbauend zur dargestellten Einzelgeschäftskalkulation die besondere Problematik von Quersubventionen im Cross-Selling näher untersucht werden, um weitere Anforderungen an ein Cross-Selling-Management abzuleiten. 1.

Der Kundenlebenswert

Durch Aggregation der Deckungsbeiträge bezogen auf einen Kunden kann der „gesamte Wert“ des Kunden ermittelt werden. Dieser wird als Kundenlebenswert (Customer Lifetime Value CLV) bezeichnet und bildet die Summe der barwertigen Deckungsbeiträge über die gesamte mögliche Dauer der Kundenbeziehung hinweg.246 Der Grundgedanke des Kundenlebenswerts besteht darin, die Einzeltransaktionen des Kunden im Rahmen der gesamten Kundenbeziehung zu betrachten. Neben der Berechnung der Profitabilität der bestehenden Kundenbeziehung werden hierbei explizit auch zukunftsbezogene Umsatzpotenziale berücksichtigt.247 Dies entspricht einer dynamisierten Kundenerfolgsrechnung.248 Die konsequente Aggregation aller Kundenlebenswerte führt in der Folge zur Kennzahl des 245

Der Fokus soll hierbei auf der Darstellung des Einflusses von Cross-Selling auf die Messkonzepte und nicht auf einer detaillierten Diskussion der Methoden liegen. Für eine ausführliche Darstellung wird auf die zitierte Literatur verwiesen.

246

Vgl. BERGER/NASR (Customer, 1998), S. 18; REHBACH (Kundenwert, 2003), S. 39; BEESER (Kundenertragswert, 2003), S. 44; KNÖBEL (Kundenwertmanagement, 1997), S. 151-152; HOMBURG/DAUM (Kundenstruktur, 1997), S. 400; WEBER/LISSAUTZKI (Unternehmenssteuerung, 2006), S. 278. Vgl. ROLFES/KIRMßE (Kundenbeziehung, 2000), S. 345; WEBER/LISSAUTZKI (Unternehmenssteuerung, 2006), S. 282. Der Kundenlebenswert wird in der Literatur u. a. auch als Kundenwert, Kundenertragswert, Kundenkapitalwert oder Lebenszeitwert bezeichnet. Zur ausführlichen Darstellung der Begriffsverwendung vgl. WIEDMANN/SIEMON/HENNIGS (Kundenwertmanagement, 2003), S. 303.

247

248

Vgl. HOMBURG/DAUM (Kundenstruktur, 1997), S. 400.

Der Kundenlebenswert

95

Customer Equity. Dieser beschreibt den Wert des gesamten Kundenstamms eines Instituts.249 Im Rahmen der Vertriebssteuerung soll der CLV dazu beitragen, die Ressourcen zielgerichtet auf die werthaltigen Kunden zu fokussieren.250 Konzeptionell stellt die Berechnung die konsequente Anwendung der Kapitalwertmethode dar, bei der alle dem einzelnen Kunden zurechenbaren Ein- und Auszahlungen auf den gegenwärtigen Zeitpunkt diskontiert werden.251 Formal kann dies als Basismodell folgendermaßen ausgedrückt werden:252 CLV

e0  a0 

e  an e1  a1 e2  a2   ...  n (1  i )1 (1  i ) 2 (1  i ) n

n

et  at

¦ (1  i) t 0

t

et = (erwartete) Einzahlungen aus der Kundenbeziehung in der Periode t at = (erwartete) Auszahlungen aus der Kundenbeziehung in der Periode t i = Kalkulationszinsfuß t = Periode n = Gesamtdauer der Geschäftsbeziehung

Fraglich ist, woraus die einzelnen Zahlungsströme zur Ermittlung des Kundenlebenswerts bestehen und welcher Kalkulationszinsfuß zur Diskontierung herangezogen wird. Die Zahlungsströme werden in der Initialphase der Kundenbeziehung durch einen großen Kostenblock aus Akquisitionskosten beeinflusst. Im weiteren Verlauf der Kundenbeziehung ergeben sich die Zahlungsströme aus den einzelnen Determinanten des Kundenlebenswerts, die im Folgenden genauer untersucht werden.

249

Vgl. REHBACH (Kundenwert, 2003), S. 47.

250

Vgl. RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 2. Vgl. BERGER/NASR (Customer, 1998), S. 18-19; RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 10.

251 252

Vgl. HOMBURG/DAUM (Kundenstruktur, 1997), S. 402. Zur Veranschaulichung wird im Rahmen der formalen Darstellung davon ausgegangen, dass die Zahlungen am Periodenende anfallen. Die in der Praxis meist vorherrschenden unterjährigen Zahlungsvorgänge können durch das Modell des Customer Lifetime Value jedoch auch abgebildet werden (vgl. BERGER/NASR (Customer, 1998), S. 24). Des Weiteren wird vereinfachend angenommen, dass die Kosten- und Erlösarten aggregiert werden.

96

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Kundenlebenswert

Marktpotenzial (direkt)

Ertrags-/ Loyalitätswert

Cross-Selling-Wert/ Ertragspotenzial

Ressourcenpotenzial (indirekt)

Referenzwert

Informationswert

Abb. 18: Determinanten des Kundenlebenswerts im Retailbanking253 Auf Seiten des Marktpotenzials werden diejenigen Zahlungsströme subsumiert, die der Kunde durch die direkte Produktnutzung generiert. Der Ertrags- und Loyalitätswert beschreibt den Wert, den der Kunde durch die zukünftige Inanspruchnahme bereits erworbener Leistungen der Bank erzeugt. Hiermit soll die aktuelle und weitere Nutzung der bestehenden Produkte abgebildet werden. Die Zahlungsströme der aktuellen Produktnutzung kann die Bank mittels des Deckungsbeitrags kalkulieren. Die aus den Einzelprodukten generierten Deckungsbeiträge werden diskontiert und in der Folge addiert, um den aktuellen Ertragswert zu berechnen.254 Zukünftige Deckungsbeiträge aus der aktuellen Produktnutzung werden dabei bis zum Laufzeitende fortgeschrieben und diskontiert. Hierbei zeigt sich die Problematik in der Abschätzung der Dauer der Kundenbeziehung bei Berücksichtigung von unbefristeten Produkten, wie z. B. einem Girokonto. Zur Prognose der Dauer der Kundenbeziehung kommen so genannte Kundenloyalitäts- und Kundenwanderungsmodelle zum Einsatz.255 Hierbei werden Kunden z. B. in so genannte „Lostfor-good-“ und „Always-a-share-“ Kunden unterschieden. Erstere unterhalten lange Beziehungen zu einem Anbieter und können, sobald sie den Anbieter einmal gewechselt haben, nicht wieder zurückgewonnen werden. Letztere hingegen beziehen ihre Dienstleistungen von diversen Anbietern und besitzen geringe Wechselbarrieren. Bankkunden gehören auf Grund der Komplexität der Dienstleistungen eher zu den „Lost-for-good-Kunden“.256 Dennoch besteht gerade im Retailbanking der Trend, dass Kunden auf Grund geringer Wechselbarrieren dazu übergehen verschiedene Institute zu nutzen.257 Der zukünftige Umsatzwert für 253

254 255

256 257

Eigene Darstellung in Anlehnung an RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 18; CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 171. Vgl. RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 18-19 und 26. Das Kundenloyalitätsmodell wird auch als Customer Retention Model und das Kundenwanderungsmodell als Customer Migration Model bezeichnet. Vgl. DWYER (Valuation, 1989), S. 10. Vgl. BEESER (Kundenertragswert, 2003), S. 11; BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 334.

Der Kundenlebenswert

97

Lost-for-good Kunden kann mit Hilfe des Kundenloyalitätsmodells berechnet werden. Das Modell versucht, unter Berücksichtigung von vergangenen Transaktionen, die Bindungsrate der aktiven Kunden zu ermitteln und damit eine Prognose zu treffen. Für Always-a-share-Kunden wird das Kundenwanderungsmodell verwendet. Der Umsatzwert wird hier auf Basis von zukünftigen Kaufwahrscheinlichkeiten und durchschnittlichen Umsatzgrößen berechnet. Die Grundlagen dieses Modells zur Berechnung des Kundenlebenswertes bilden jedoch lediglich aktuelle Produktnutzungsschemata.258 Inaktive Kunden würden so im Rahmen dieser Rechnung lediglich einen geringen Wert erhalten. Insgesamt ist der Ertrags- und Loyalitätswert somit stark vom Fortbestand der Kundenbeziehung geprägt. Der Cross-Selling-Wert ist eine weitere Determinante des Kundenlebenswerts auf Seiten des Marktpotenzials. Dieser bezeichnet denjenigen Wert, der zusätzlich erzielt werden kann, indem weitere Produkte außerhalb der aktuell genutzten Produktpalette abgesetzt werden. Cross-Selling besitzt somit für den CLV einen zusätzlichen Erlöseffekt. Die Höhe des Zahlungsstroms des Cross-Selling-Werts ist jedoch im Gegensatz zu dem des Ertrags- und Loyalitätswerts gänzlich auf die Zukunft ausgerichtet. Um den monetären Wert abschätzen zu können, den CrossSelling zum Kundenlebenswert beiträgt, muss der zukünftige Bedarf ermittelt werden. Hierbei werden Modelle herangezogen, die das zukünftige Kaufverhalten des Kunden abschätzen sollen.259 Das Cross-Selling-Management hat somit die Aufgabe, diesen Bedarf zu ermitteln. Die Überführung der Informationen zum Kundenbedarf in Zahlungsströme zur Berechnung des CLV, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung noch tiefergehender betrachtet. Neben dem Erlöseffekt besitzt Cross-Selling für den CLV auch einen Kosteneffekt, der einen direkten Einfluss auf die kundenbezogenen Zahlungsströme hat. Grundsätzlich entstehen bei verstärktem Cross-Selling zusätzliche Kosten durch den Vertrieb, allerdings führt die größere Verteilung der Fixkosten gleichzeitig zu sinkenden Durchschnittskosten der Produkte.260 Des Weiteren treten Einsparungen durch Lern-, Erfahrungseffekte oder Prozessverbesserungen auf (economies of scale). Außerdem kann mittels Cross-Selling des gesamten Leistungsangebots eine bessere Auslastung aller Ressourcen erreicht werden (economies of scope). Dies kann in der Folge z. B. zu Einsparungen bei Marktforschungsaktivitäten oder einer besseren Auslastung der Vertriebsmitarbeiter führen.261 Der Einfluss von Cross-Selling

258

Vgl. DWYER (Valuation, 1989), S. 13.

259

Auf die einzelnen Verfahren zur Potenzialmessung wird in Teil 2 der Untersuchung näher eingegangen. Die zusätzlichen direkten Vertriebskosten, die durch Cross-Selling entstehen, sollten bereits im Rahmen der Produktkalkulation eingepreist sein.

260

261

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 172 und 178-185; RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 23-24.

98

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

auf den Kundenwert resultiert daher sowohl aus steigenden produktbezogenen Zahlungsströmen als auch aus einer Senkung der Kosten. Das Ressourcenpotenzial bezeichnet im Gegensatz zum Marktpotenzial diejenigen Ertragsbestandteile des Kundenlebenswerts, die die Bank indirekt und nicht durch die kundenseitige Produktnutzung erhält. Der Referenzwert beschreibt hierbei den Wert, den der Kunde zusätzlich indirekt erwirtschaftet, indem er mit anderen in seinem sozialen Netzwerk über die Bank kommuniziert und diese weiterempfiehlt. Eine exakte Quantifizierung der Zahlungsströme, die aus dem Referenzwert entstehen, ist nur schwer möglich. Der Wertgewinn für die Bank entsteht hier vor allem durch eingesparte Akquisitionskosten im Rahmen der Neukundenanwerbung.262 Ein weiterer indirekter Faktor ist der Informationswert. Durch direktes Kundenfeedback können wichtige Informationen in Bezug auf die Verbesserung der Produktqualität oder des Prozessablaufes gewonnen werden. Diese Informationen bilden für das Institut ein hohes Innovationspotenzial. Zusätzlich zu den dargestellten Faktoren des Ressourcenpotenzials werden auch noch der Kooperationswert und der Synergiewert als Komponenten vorgeschlagen. Ersterer bezeichnet die verstärkte aktive Mitwirkung des Kunden im Rahmen des Erstellungsprozesses, wie z. B. bei der Produktentwicklung oder der Produktion.263 Letzterer bewertet die Leistung, die durch unternehmensinterne Wechselwirkungen auf Grund großer Bedeutung eines Einzelkunden ausgelöst wurden. Die Fokussierung auf wenige Einzelkunden kann z. B. zu einer Erleichterung der Koordination interner Abteilungen führen.264 Sowohl der Kooperations- als auch der Synergiewert sind jedoch wegen der hoch granularen Kundenstruktur für das Retailbanking eher unbedeutend.265 Fraglich bleibt, welcher Kalkulationszinsfuß in der CLV-Berechnung Verwendung finden soll. Hierbei kann zwischen finanzierungsorientierten und opportunitätsorientierten Ansätzen zur Ermittlung des Kalkulationszinsfußes unterschieden werden. Finanzierungsorientierte Ansätze stellen z. B. der Eigenkapitalkostensatz, der Fremdkapitalkostensatz oder eine Mischform durch deren Gewichtung analog zur Finanzierungsstruktur dar. Mittels dieser Kalkulationszinssätze wird ein Vergleich mit dem zur Finanzierung herangezogenen Kapital erreicht.266 Eine weitere Mög262

263

264 265 266

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 186; RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 3033; LINK/GERTH/VOßBECK (Marketing-Controlling, 2000), S. 148; LEE/LEE/FEICK (Word-of-mouth, 2006), S. 34-35. Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 224; RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 34 und S. 41; LINK/GERTH/VOßBECK (Marketing-Controlling, 2000), S. 14. Vgl. RUDOLF-SIPÖTZ/TOMCZAK (Kundenwert, 2001), S. 48. Vgl. DZIENZIOL (Privatkundengeschäft, 2007), S. 90. Vgl. WILLE (Customer Equity, 2005), S. 73.

Der Kundenlebenswert

99

lichkeit besteht darin, die durchschnittliche Höhe der Kapitalmarktverzinsung, die um konjunkturelle Faktoren wie die Inflationsrate bereinigt wird, heranzuziehen.267 Der opportunitätsorientierte Ansatz hingegen stellt einen Vergleich zu alternativen Finanzanlagen her. Da das Engagement beim Kunden als Investitionsprojekt gesehen werden kann, sollte der Kundenwert auch einen Vergleich zu alternativen „Projekten“ ermöglichen. Eine mögliche Vergleichbasis bildet der Geld- und Kapitalmarktzins, der tatsächlich realisierbare Renditen von Finanzanlagen widerspiegelt. Eine weitere Möglichkeit stellt ein Vergleich mit alternativen Kundengeschäften und den dabei erzielbaren Renditen dar. 268 Gemäß den Prinzipien einer ertragsorientierten Bankkalkulation muss für die Berechnung des CLV grundsätzlich die Vorteilhaftigkeit des einzelnen Geschäfts in den Vordergrund gestellt werden. Ein opportunitätsorientierter Kalkulationszins kann z. B. im Rahmen der Marktzinsmethode ermittelt werden, da so gewährleistet ist, dass mit einer Alternative zum Kundengeschäft verglichen wird. Dieser Zins sollte daher für produktbezogene Komponenten des CLV, wie z. B. dem Cross-Selling-Wert, herangezogen werden. Für nicht produktbezogene Komponenten, wie z. B. dem Referenzwert, kann jedoch kein direkt vergleichbarer Marktzins gebildet werden. Hierbei ist es sinnvoll, den Durchschnittszins aus den kundenspezifischen Marktzinsen zu ermitteln oder Geld- und Kapitalmarktzinsen heranzuziehen. Folgendes fiktives Beispiel soll die Berechnung des CLV für einen einzelnen Kunden nochmals verdeutlichen. Hierbei wird angenommen, dass der Kunde die Geschäftsbeziehung am Beginn der aktuellen Periode t gegründet hat und bis zum Ende der Periode t+9 bei der Bank verbleibt. Nachstehende Tabelle zeigt dazu die bisherige Produktnutzung des Kunden, die am Ende der Periode t besteht, eine Schätzung über die weitere Dauer der Nutzung und den Deckungsbeitrag II je Periode: Produkt

Prognostizierte Laufzeit

DB II je Periode (in Euro)

Girokonto

bis Ende t+9

60,0

Tagesgeldkonto

bis Ende t+7

50,0

Kreditkarte

bis Ende t+6

80,0

Tab. 5: Bisherige Produktnutzung des Beispielkunden Durch die bisherige und zukünftige Nutzung bestehender Produkte generiert der Kunde für die Bank den Ertrags-/ Loyalitätswert. Im Gegensatz dazu resultiert der Cross-Selling-Wert für das Institut aus Produkten, die der Kunde in Zukunft mög267

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 140.

268

Vgl. WILLE (Customer Equity, 2005), S. 77-78.

100

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

licherweise beziehen wird. Nachfolgende Tabelle zeigt dazu den möglichen zukünftigen Bedarf des Kunden, den Zeitpunkt der Bedarfsdeckung, die prognostizierte Laufzeit der Produkte sowie einen erwarteten Deckungsbeitrag II:269 Produkt

Prognostizierte Bedarfsperiode

Prognostizierte Laufzeit

Erwarteter DB II je Periode (in Euro)

Konsumentenkredit

Anfang t+1

bis Ende t+3

40,0

Hypothekenkredit

Anfang t+2

bis Ende t+9

70,0

Tab. 6: Zukünftiger Produktbedarf des Beispielkunden270 Außer dem Ertrags-/Loyalitätswert und dem Cross-Selling-Wert generiert der Kunde für die Bank einen zusätzlichen Ertrag durch Weiterempfehlung der Produkte im Freundes- und Bekanntenkreis. Hierzu wird angenommen, dass dies der Bank in Periode t+5 einen einmaligen Wertbeitrag in Höhe von 50 Euro einbringt. Folgende Tabelle zeigt die Berechnung des CLV auf Basis der Beispieldaten. Es wurde hierbei ein konstanter risikoloser Geld- und Kapitalmarktzins in Höhe von 5 % unterstellt.271 Zur Berechnung des CLV müssen die einzelnen Deckungsbeiträge II der Produkte auf den Zeitpunkt t diskontiert werden. Die Summe aller Barwerte ergibt in der Folge den Kundenlebenswert. Aus der Tabelle sind darüber hinaus auch die Zwischensummen für die einzelnen Determinanten des CLV ersichtlich.

269 270 271

Für das Konzept der erwarteten Deckungsbeitrags vgl. 2. Teil: A.I.2. Es soll hierbei die Annahme getroffen werden, dass der Kauf des Produkts zum Periodenbeginn stattfindet. Zur Veranschaulichung wird hier eine flache Zinsstruktur angenommen. In der Praxis ist jedoch gemäß obiger Darstellung je Produkt und je Periode ein eigener Zinssatz heranzuziehen.

Der Kundenlebenswert

Periode Produkt

101

t

t+1

t+2

t+3

t+4

t+5

t+6

t+7

t+8

t+9

Girokonto

60,0

57,1

54,4

51,8

49,4

47,0

44,8

42,6

40,6

38,7

Tagesgeldkonto

50,0

47,6

45,4

43,2

41,1

39,3

37,3

35,5

-

-

Kreditkarte

80,0

76,2

72,6

69,1

65,8

62,7

59,7 38,7

190,0

180,9

172,4

164,1

156,3

149,0

141,8

78,1

40,6

Konsumentenkredit

-

38,1

36,3

34,6

-

-

-

-

-

-

Hypothekenkredit

-

-

63,5

60,5

57,6

54,8

52,2

49,7

47,4

45,1

Cross-Selling-Wert

-

38,1

99,8

95,1

57,6

54,8

52,2

49,7

47,4

45,1

Referenzwert

-

-

-

-

-

39,2

-

-

-

-

Summe (Periode)

190

219,0

272,2

259,2

213,9

243,0

194,0

127,8

88,0

83,8

Kundenlebenswert

1.890,90 Euro

Ertrags-/Loyalitätswert

Tab. 7: Diskontierte DB II der Perioden (in Euro)272 Im Ergebnis besitzt der Kunde gemäß obiger Berechnung einen CLV von 1.890,90 Euro. Den größten Anteil am Kundenwert trägt in diesem Beispiel der Ertrags-/ Loyalitätswert bei. Kritikpunkte am Kundenwertkonzept sind neben der allgemeinen Kritik an den Annahmen der Investitionsrechnung vor allem Punkte, welche die notwendige Prognose der zukünftigen Produktnutzung betreffen. Außerdem ist die heranzuziehende „Kundenlebensdauer“ nicht eindeutig bestimmbar.273 Auf Grund der Schwierigkeit dieser Prognose, werden bei Dienstleistern unter den auf Basis von Kundenlebenswertkonzepten eingestuften Kunden rund 30 % im ersten Jahr fälschlich als werthaltig eingestuft. Wenn der Prognosezeitraum auf drei Jahre ausgeweitet wird, sind es sogar 55 %.274 Schätzungen des Kundenlebenswertes sollten sich somit an einem eher kurzfristigeren Zeitraum orientieren. Die im Mengengeschäft sehr hohe Kundendiversifikation führt in diesem Fall dazu, dass die Prognosemerkmale zur Beschreibung der einzelnen Kunden im Rahmen der Berechnung beschränkt werden sollten. Eine Annäherung über eine Segmentbetrachtung oder über Lebenszyklusmodelle beschreibt den einzelnen Kunden jedoch nur näherungsweise. Die Selektion der Kunden anhand des Kundenlebenswertes kann damit aus praktischer Sicht hohen Nutzen bringen, ist jedoch mit

272 273 274

Es wird hierbei angenommen, dass die Bank den DB II je Produkt vollständig zum Periodenende erhält. Vgl. HOMBURG/SCHÄFER/SCHNEIDER (Sales, 2008), S. 205; HENSELER/HOFFMANN (Baustein, 2003), S. 39. Vgl. MALTHOUSE/BLATTBERG (Predict, 2005), S. 10. Niedrige Falschquoten für das erste Jahr nach der Kundenlebenswertschätzung sind jedoch nur bei Dienstleistern typisch. In anderen Industrien liegt die Fehlklassifizierung der nicht werthaltigen Kunden sogar im Zeitablauf konstant zwischen rund 50 % und 57 %.

102

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Vorsicht für längere Prognosezeiträume einzusetzen.275 Bei der Auswahl der zu berücksichtigenden Komponenten im Rahmen des CLV ist immer zwischen den Kosten der Informationsbeschaffung und dem Zusatznutzen abzuwägen. Die Integration indirekter Werttreiber, wie z. B. dem Referenzwert, ist mit hohen Aufwänden in der Informationsgenerierung verbunden.276 Die Darstellung hat gezeigt, dass Cross-Selling eine wesentliche Determinante des Kundenlebenswerts darstellt. Zur Berechnung des CLV ist die Bank daher darauf angewiesen, dass verlässliche Daten über den zukünftigen Bedarf eines Kunden vorliegen. Der ermittelte Bedarf muss in der Folge in erwartete Zahlungsströme überführt werden. Aus dieser Anforderung leitet sich eine weitere Aufgabe für Cross-Selling-Management ab. Zum Teil wird in der Literatur argumentiert, dass die Höhe des CLV bereits als ein Indikator für das Cross-Selling-Potenzial gesehen werden kann.277 Dies ist jedoch nur unter der Annahme der Fall, dass der CLV größtenteils vom Wert der zukünftigen Zusatzprodukte bestimmt wird. Wie dargestellt wurde, beeinflusst jedoch nicht nur der Cross-Selling-Wert die Höhe des CLV. Auf der anderen Seite kann der aktuelle Kundenwert als Maßstab dazu herangezogen werden, wie erfolgreich das Institut in Bezug auf Cross-Selling ist. Dies wird im Rahmen der Bewertung der Methoden zur Cross-Selling-Erfolgsmessung näher untersucht. Im Folgenden sollen daher aufbauend die Auswirkungen von Cross-Selling auf Scoringsysteme untersucht werden. 2.

Scoringsysteme im Privatkundengeschäft

Neben dem CLV hat Cross-Selling auch Einfluss auf Scoringsysteme, welche die Kundenattraktivität beurteilen sollen. Im Folgenden wird dazu grundlegend ein solches Scoringverfahren aufgezeigt. Im weiteren Verlauf der Untersuchung soll das Scoring nochmals detaillierter aufgegriffen werden, so dass hier die Auswirkungen von Cross-Selling auf ein Kundenattraktivitätsscoring im Vordergrund stehen können. Das parametrische Verfahren des Scorings zählt zur multidimensionalen Nutzwertanalyse. Allen Scoringsystemen gemeinsam ist die systematische Klassifizierung eines Untersuchungsgegenstandes durch Punktevergabe auf Basis von im Vorfeld definierten Kriterien.278 Scoringverfahren werden in vielen Bereichen, wie 275

276

277 278

Neben Kosten- und Erlösargumenten spielt hier auch die Selektion von Kundengruppen mit einem eher geringen Kundenlebenswert aus Reputationsgründen eine Rolle (vgl. EGGERT (Perspektiven, 2006), S. 48). Vgl. MEYER/SHAFFU (Werttreiber, 2007), S. 37; CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 224, S. 232-233; KIRCHHOFF/GÜNTHER (Rentabilitäts-Analyse, 2004), S. 52. Vgl. KEPPLER (Determinanten, 2006), S. 18. Vgl. LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 84; ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 55; LINK/HILDEBRAND (Konzepte, 1997), S. 166; KIRCHHOFF/GÜNTHER (Rentabilitäts-Analyse, 2004), S. 51. In

Scoringsysteme im Privatkundengeschäft

103

z. B. zur Ermittlung der Kundenbonität, der Markenwahrnehmung oder bei Investitionsentscheidungen, angewendet.279 Je nach Zielsetzung des Scorings werden verschiedenste Inputfaktoren eingesetzt. Beim Kreditscoring kommen z. B. verstärkt solche Faktoren zum Einsatz, die es erlauben, die Bonität des Kunden festzustellen.280 Im Rahmen des Vertriebs werden Scoringverfahren zur Ermittlung der Kundenattraktivität herangezogen. Im Gegensatz zur Bestimmung des Kundenlebenswertes wird jedoch keine monetäre Bewertung vorgenommen. Die Kundenattraktivität soll hierbei auf Basis von Einzelfaktoren durch einen Punktwert ausgedrückt werden. Die grundsätzliche Formulierung eines Scoringsystems ist in drei verschiedene Phasen eingeteilt: Wahl des Zielsystems

Kriterienauswahl

Kriteriengewichtung

Festlegung des Ziels des Scorings auf Basis der Unternehmensziele. Bestimmung von Einflussgrößen auf das Zielsystem.

Festlegung der Kriterien, die zur Zielerreichung erfüllt werden müssen. Bildung der Kriteriengruppen.

Festlegung der spezifischen Gewichte der einzelnen Kriterien/-gruppen.

Abb. 19: Formulierungsphasen eines Scoringsystems281 In einem ersten Schritt muss das Ziel des Scorings, in diesem Fall die Bewertung der Kundenattraktivität, definiert werden. Nachfolgend werden UrsacheWirkungsbeziehungen ermittelt, die Aussagen darüber treffen, wie sich das Zielbild am besten beschreiben lässt.282 Aus der Gesamtheit der in der Ursache-Wirkungsanalyse ermittelten Kriterien wird im zweiten Schritt eine Auswahl getroffen, die im Scoringverfahren Anwendung finden soll. Die Auswahl der Kriterien ist frei durch den Ersteller des Scorings möglich.283 Im dritten Schritt werden die ermittelten Einflussgrößen gewichtet, um deren „Bedeutung“ für das Ziel widerzuspiegeln. Die einzelnen Gewichtungsfaktoren sind grundsätzlich frei wählbar, es können jedoch statistische Methoden herangezogen werden, die die Stärke des

der Literatur wird im Rahmen der Nutzwertanalyse auch von Präferenzindex statt Scoring gesprochen (vgl. LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 84). 279 280 281

282 283

Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 216; BRUNNER (Imageanalysen, 1983), S. 146. Vgl. PFINGSTEN (Kreditvergabe, 2000), S. 731. Eigene Darstellung in Anlehnung an STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 52 und S. 54; ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 87. Vgl. LINK/GERTH/VOßBECK (Marketing-Controlling, 2000), S. 124. In den ersten Kreditscoringverfahren in den USA wurde z. B. noch das Bestehen eines Telefonanschlusses als wichtiges Merkmal für eine positive Kreditentscheidung gesehen (vgl. CAYWOOD (Scoring, 1970), S. 43). Zur Definition einer optimalen Zielvariable vgl. GERSTEN (Zielgruppenselektion, 2005), S. 111.

104

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Einflusses ermitteln und somit eine Indikation zur Verteilung der Gewichte angeben. Das älteste und damit auch bekannteste Scoring Verfahren stellt das RecencyFrequency-Monetary (RFM) Modell dar.284 Es wird dabei ein Einfluss zwischen dem Zeitpunkt des letzten Kaufes (recency), der Häufigkeit der Transaktionen (frequency) und dem durchschnittlichen Kaufvolumen (monetary) auf den Kundenwert unterstellt.285 Auf Basis dieser Variablen wird ein Punktwert vergeben, der die Attraktivität des Kunden in Bezug auf dessen Potenzial widerspiegeln soll. Die hinter den Einflussfaktoren stehenden Bewertungskriterien werden aus statistischen Auswertungen oder Erfahrungswerten gewonnen.286 Die Gewichtung der Kriterien hängt dabei vom Unternehmen selbst ab.287 Ziel ist es, mittels des Punktwertes eine Aussage darüber zu treffen, ob ein Kunde durch eine direkte Werbemaßnahme angesprochen werden soll. Für das Retailbanking gilt, dass die Direktansprache eines Bestandskunden immer Cross-Selling zum Ziel hat.288 Empirisch konnte nachgewiesen werden, dass die mittels des RFM-Modells identifizierten „werthaltigen“ Kunden in der Folge auch eine signifikant höhere Kaufwahrscheinlichkeit besitzen.289 Die niedrige Nachfragefrequenz bei Finanzprodukten kann jedoch dazu führen, dass das Modell Kunden fälschlicherweise als inaktiv wertet.290 Aufbauend auf dem RFM-Modell haben sich eine Vielzahl weiterer Scoringsysteme zur Klassifizierung von Kunden herausgebildet. Folgendes Beispiel zeigt ein Scoringsystem zur Bewertung der Kundenattraktivität, das sich an Komponenten des Kundenwertes orientiert:

284

285 286 287 288 289

290

Vgl. PETRISON/BLATTBERG (Database, 1993), S. 29. Das Modell wurde ursprünglich in den 20iger Jahren von der amerikanischen Versandhandelfirma entwickelt, um den Erfolg aus der Versendung von Katalogen messen zu können. Vgl. BULT/WANSBEEK (Selection, 1995), S. 379. Vgl. LINK/HILDEBRAND (Konzepte, 1997), S. 164. Vgl. KEHL (Erfolgskontrolle, 2000), S. 15. Vgl. POEL/LEUNIS (Modelling, 1998), S. 244. Vgl. POEL/LEUNIS (Modelling, 1998), S. 250. Es ist jedoch anzumerken, dass lediglich die erste Kundenansprache auf ein bestimmtes Produkt die Kaufwahrscheinlichkeit steigert. Folgeansprachen zum selben Produkt sind dagegen nicht so wirkungsvoll. Vgl. POEL/LEUNIS (Modelling, 1998), S. 253.

Scoringsysteme im Privatkundengeschäft

Komponenten

Faktorgewicht

105

Bewertung des Kunden (1=niedrig

Gewichteter Einzelwert

Gewichteter Kategorienwert

bis 10=hoch)

I) Cross-Selling-Wert

0,55

Bisherige Produktnutzung

0,25

™ 2,80 6

1,50

Share of wallet

0,15

4

0,60

Leistungsaffinität

0,10

3

0,30

Diversifikationsbedürfnis

0,05

8

0,40

II) Referenzwert

0,20

Weiterempfehlungsverhalten

0,10

2

0,20

Produktkompetenz

0,05

2

0,10

Zielgruppenzugehörigkeit

0,05

8

0,40

III) Informationswert

0,15

Reklamationsverhalten

0,10

9

0,90

Finanzkompetenz

0,05

6

0,30

IV) Weitere Faktoren

0,10

Kundenzufriedenheit

0,05

2

0,10

Loyalitätspotenzial

0,05

6

0,30

™ 0,70

™ 1,20

™ 0,40

Kundenattraktivitätsscore

5,10

Tab. 8: Scoringmethode zur Kundenattraktivitätsbewertung291 Zur Bewertung der Kundenattraktivität wurden vier Kategorien geschaffen, die durch weitere Unterkomponenten bestimmt werden. Jeder Kategoriengruppe ist dabei ein spezifisches Kategoriengewicht zugewiesen. Den einzelnen Komponenten einer Kategoriengruppe wurden des weiteren Stufengewichte zugeteilt, die deren Bedeutung im Gesamtkontext widerspiegeln sollen.292 Folgende Berechnungsweise führt zu den einzelnen Werten der Tabelle: Durch Multiplikation der Faktorgewichte mit den Einzelbewertungsergebnissen erhält man die gewichteten Einzelwerte. Diese gewichteten Einzelwerte werden pro Kategoriengruppe aufsummiert. Das endgültige Kundenscoring ergibt sich durch Aufsummieren der gewichteten Kategorienwerte.293 Allein auf der Basis des ermittelten Kundenattraktivitätsscores lassen sich jedoch keine direkten Maßnahmen ableiten. Erst der Vergleich der Scorings über den gesamten Kundenstamm kann potenzialträchtige

291

292 293

Eigene Darstellung in Anlehnung an KIRCHHOFF/GÜNTHER (Rentabilitäts-Analyse, 2004), S. 51. Die hier dargestellte exemplarische Aufstellung der Kategoriengewichte des Scorings können gemäß Erfahrungen oder auf Basis von empirischen Analysen der Einflussparameter angepasst werden. Vgl. ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 214. Vgl. POLAN (Messkonzept, 1995), S. 131.

106

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Kunden von den weniger potenzialträchtigen separieren. Dies kann z. B. mittels einer ABC-Analyse durchgeführt werden.294 Die Darstellung des Kundenattraktivitätsscorings zeigt, dass Cross-Selling einen Einfluss auf die Höhe des Scorewerts besitzt. Im Gegensatz zum CLV handelt es sich bei diesem Einfluss jedoch nicht um einen monetären Zahlungsstrom, der ermittelt werden muss. Das Scoring bezieht neben Erfolgsgrößen, wie z. B. die bisherige Produktnutzung, auch qualitative Faktoren, wie z. B. die Leistungsaffinität, mit ein. Hieraus lässt sich die Aufgabe für das Cross-Selling-Management ableiten, die relevanten Daten zur Verfügung zu stellen, um die Berechnung des Kundenattraktivitätsscorings zu ermöglichen. Hierbei ist im Vorfeld der Datenbereitstellung zu klären, in welcher Form die Ergebnisse zur Verfügung gestellt werden sollen. Kritik erwächst dem Scoringverfahren vor allem daraus, dass die Auswahl von Faktoren und deren Gewichtung, sofern diese nicht mit Hilfe von statistischen Methoden ermittelt wurden, nicht völlig frei von der Subjektivität des Betrachters ist. Des Weiteren wird im Rahmen des Scorings angenommen, dass die Gewichtungsfaktoren implizite Substitutionsraten beschreiben.295 Es ist jedoch nicht immer der Fall, dass ein höherer Informationswert einen niedrigeren Referenzwert ausgleichen kann. Ein weiterer Kritikpunkt entsteht aus der Forderung der Unabhängigkeit der Eingangsvariablen. Unter normalen Umständen bestehen verdeckte Korrelationen, die zu Redundanzen führen können.296 Außerdem wird ein konstanter Zuwachs des Gesamtnutzens angenommen. Die Überwindung von niedrigen Nutzenniveaus kann jedoch weit wertvoller sein als ein hohes Niveau weiter zu steigern. Die Annahme eines konstanten Grenznutzens entspricht daher eher nicht der Praxis.297 Des Weiteren besteht die Gefahr, dass ein Scoring ohne hierarchisch strukturiertes Zielsystem durchgeführt wird und so Einflusskriterien verwendet werden, die den Untersuchungsgegenstand nicht beschreiben.298 Sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in der Praxis ist das Verfahren jedoch unter Berücksichtigung dieser Schwächen allgemein akzeptiert.299 Besonders bei der Notwendigkeit einer multikriteriellen Leistungsbewertung weist das Scoringverfahren eine hohe Flexibilität auf.300

294 295 296 297 298 299 300

Vgl. KIRCHHOFF/GÜNTHER (Rentabilitäts-Analyse, 2004), S. 51. Vgl. LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 110-111; ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 86. Vgl. BULT/WANSBEEK (Selection, 1995), S. 380. Vgl. ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 86. Vgl. HENNING (Quantifizierung, 1993), S. 35. Vgl. POLAN (Messkonzept, 1995), S. 131-132; LINK/GERTH/VOßBECK (Marketing-Controlling, 2000), S. 129. Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 212.

Quersubventionen im Rahmen von Cross-Selling

107

Es konnte gezeigt werden, dass das Cross-Selling außer auf den CLV auch Auswirkungen auf ein Kundenattraktivitätsscoring besitzt. Zusätzlich konnten Anforderungen an ein Cross-Selling-Management abgeleitet werden. Abschließend in diesem Unterkapitel soll das Wesen von Quersubventionen im Rahmen des CrossSellings näher betrachtet werden, um Auswirkungen von Cross-Selling auf die Erträge abzuschätzen. 3.

Quersubventionen im Rahmen von Cross-Selling

Im Rahmen der bisherigen Betrachtung wurde Cross-Selling stets als zusätzlicher Nutzen für die Bank gesehen. Auf Grund der ausgeprägten Konkurrenzsituation zwischen den Instituten gibt es jedoch immer wieder Lockangebote mit dem Ziel der Neukundenakquisition.301 Kostenlose Gehaltskonten (auch in Verbindung mit kostenlosen Kreditkarten) oder hoch verzinste Tagesgeldkonten sind dabei die beliebtesten Formen.302 Diese Produkte/-bündel sind meist an zusätzliche Bedingungen, wie z. B. ein bestimmtes Volumen an monatlichem Geldeingang oder ein definiertes Mindestanlagevolumen, gekoppelt.303 Bereits seit Anfang der 70er Jahre werden Lockangebote in Form von kostenlosen Gehaltskonten mit dem Ziel des Cross-Sellings gemacht. Zeitweise wurde dies von den Banken wieder aufgegeben, da die Erträge aus Folgegeschäften und aus der Zinsspanne geringer waren als erwartet.304 Hierbei wird deutlich, dass die Institute in der Hoffnung auf CrossSelling eine mögliche Kostenunterdeckung durch vergünstigte Konditionen in Kauf nehmen.305 Folgegeschäfte sollen den Negativbeitrag ausgleichen und so die Initialprodukte quersubventionieren.306 Im Falle der Non-Banks, wie z. B. den Autobanken, werden Kredite bewusst subventioniert, die dem Absatz eines Autos dienen. Der Kredit wird hier als Absatzförderung angesehen und erfordert aus Institutssicht keine Kostendeckung.307 Dieses Vorgehen entspricht einer kundenzentrierten Sicht, die bei preissensiblen Produktfeldern bewusst einen negativen

301 302 303 304 305

306

307

Vgl. WESTERWELLE (Zahlungsverkehr, 2000), S. 145. Vgl. O.V. (Aufseher, 2007), S. 15. Vgl. TELLINGS (Retail-Banking, 2007), S. 28. Vgl. PAUL (Marketing, 2000), S. 1260. Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 132. Trotz dieser strategischen Vorgehensweise sind Vorwürfe der Quersubventionierung bei Banken nicht gerne gesehen und werden vehement zurückgewiesen (vgl. TELLINGS (Retail-Banking, 2007), S. 28). Vgl. STEGEMANN (Wertmanagement, 2001), S. 138; WESTERWELLE (Zahlungsverkehr, 2000), S. 97. Quersubventionierung wird in der Literatur oft auch als Ausgleichspreisgestaltung bezeichnet. Opportunitätskosten in Form von niedrigeren Erträgen können der Bank dabei auch entstehen, wenn über dem Marktdurchschnitt liegende Zinsen vergütet werden. Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 18.

108

Management des Retailvertriebs als Teil der Gesamtbanksteuerung

Ertrag akzeptiert. Ziel hierbei ist es, preissensitive Kunden zu halten und die Verluste durch weitere Produkte auszugleichen.308 Am Beispiel eines kostenlosen Gehaltskontos, das einen bestimmten Betrag an monatlichem Geldeingang fordert wird deutlich, dass dadurch außerdem eine Vorsegmentierung erreicht wird.309 Durch die Festlegung einer „Gehaltsgrenze“ bei kostenlosen Gehaltskonten kann das Angebot auf spezielle Kundengruppen zugeschnitten werden. Bei einer hohen Grenze sind dies eher wohlhabende Kunden, die meist auch einen höheren Bedarf an Finanzprodukten besitzen. Dieser Kundenkreis soll in der Folge durch Cross-Selling für weitere Produkte gewonnen werden.310 Allerdings ist bei einem solchen Verfahren stets zu beachten, dass „selling more products to an unprofitable customer may simply make that customer even more unprofitable.“311 Ein profitables Kundenverhalten ist hierbei wichtig für die Gesamtprofitabilität des Leistungsbündels und der gesamten Cross-SellingAnstrengung. Dies kann am Beispiel eines Leistungsbündels deutlich gemacht werden, das ein kostenloses Konto, ein kostenloses Depot und eine kostenlose Kreditkarte beinhaltet. Die Erträge müssen hierbei verstärkt aus Kreditkarten oder Depotgeschäften kommen. Werden wenige oder keine Umsätze mit der Kreditkarte vollzogen und das Depot nicht genutzt, kann die Gesamtrechnung schnell negativ werden. Besonders bei Kunden, die multiple Bankbeziehungen unterhalten und in der Folge preissensitiver sind, ist es bei Quersubventionierung schwierig im Ergebnis eine werthaltige Kundenbeziehung aufzubauen.312 Eine Quersubventionierung der Produkte mit dem Ziel des Cross-Sellings wäre damit unprofitabel. DANIELL (2000) beschreibt die Herausforderung in einfacher Weise: “Is crossselling good? Certainly. Should you try to get more products into your customers' hands? Of course - but only if you can do so in a profitable manner.”313 Neben Anzahl der Produkte pro Kunde stehen somit auch Fragen der Nutzung sowie die Kosten der Nutzung und des Umsatzes im Vordergrund.314 Anhand des obigen Beispiels wurde die Problematik der Quersubvention von Produkten mit dem Ziel des Cross-Sellings deutlich. Eine Quersubventionierung kann jedoch auch innerhalb der Kundenbasis auftreten.315 So gelingt es in der Praxis fast 308

Vgl. BRAKENSIEK (Konditionensteuerung, 1996), S. 138.

309

Vgl. TELLINGS (Retail-Banking, 2007), S. 28. Bei Bundlingprodukten, wie z. B. einem Gehaltskonto in Verbindung mit einer Kreditkarte, ist dieses CrossSelling-Bestreben per se bereits erfüllt.

310

311 312 313 314 315

JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 294. Vgl. RIEKEBERG (Mikrogeographie, 2000), S. 34. DANIELL (Myth, 2000), S. 7. Vgl. COCHEO (Done, 2000), S. 34; TELLINGS (Retail-Banking, 2007), S. 29. Vgl. RAPP/STORBACKA/KAARIO (Account-Management, 2002), S. 44.

Quersubventionen im Rahmen von Cross-Selling

109

nie, dem Kunden lediglich für die in Anspruch genommenen Leistungen ein Entgelt zu berechnen. Die Preisstruktur im Retailbanking führt dazu, dass Vielnutzer durch Wenignutzer subventioniert werden.316 Ein Beispiel hierfür ist die Beratungsleistung der Banken im Wertpapierbereich. Als Privatkunde ist es möglich, sich kostenlos durch einen Kundenberater informieren zu lassen. Provisionszahlungen fallen erst im Folgenden durch eine in Auftrag gegebene Order an. Ein Ausgleich wird auch hier über Kundengruppen hinweg vorgenommen. Dies führt analog zum obigen Fall dazu, dass Kunden mit hohem Beratungsbedarf jedoch wenig Transaktionsleistung von anderen subventioniert werden.317 Eine Messung und Steuerung von Cross-Selling sollte somit stets darauf hinwirken, dass Geschäfte mit einem positiven Deckungsbeitrag getätigt werden. Es ist daher nicht möglich, die Bewertung des Cross-Selling-Erfolgs lediglich auf die Betrachtung der Anzahl zusätzlich abgesetzter Produkte zu beschränken. Die Folgerung, dass ein Zusatzgeschäft ex ante positiv zu beurteilen ist, darf nicht gezogen werden.318 Mindestens sollte die Profitabilität der gesamten Kundenbeziehung berücksichtigt werden. Idealerweise wird jedoch ein positiver Ertrag jedes einzelnen Geschäfts sichergestellt. Langfristig besteht bei Subventionierungstendenzen über Kundengruppen hinweg die Gefahr, dass ertragsstarke Kunden abwandern und das Institut die attraktiven Kundengruppen verliert.319 Das Cross-SellingManagement sollte somit immer einer ertragsorientierten Sichtweise folgen. Dies unterstreicht auch die schon länger für das Privatkundengeschäft geforderte Ertragsorientierung auf Einzelgeschäftsbasis.320 Führt man die Implikationen aus der Betrachtung des CLV und der Auswirkungen von Quersubventionen zusammen bedeutet dies, dass eine Messung und Steuerung sowohl aktuelle Wertbeiträge als auch zukünftige Potenziale stets berücksichtigen muss.321

316

Vgl. KRUMMRICH (Preispolitik, 1996), S. 12.

317

Vgl. EBEL ET AL. (Preisstrategien, 2003), S. 22. Die Institute bieten zwar seit der jüngsten Vergangenheit auch Depots an, die keine Beratungsleistung enthalten. Diese liegen im Preis unter den „normalen“ Depots, welche jedoch keiner Preissteigerung unterworfen waren (vgl. EBEL ET AL. (Preisstrategien, 2003), S. 24). Vgl. BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 335.

318 319 320 321

Vgl. DÖTSCH (Preispolitik, 1998), S. 175. Vgl. SCHIERENBECK (Privatkunden, 1998), S. 533. Vgl. EICHELMANN/DUDERSTADT (Kundenpotenziale, 2005), S. 24.

Abgrenzung des Cross-Selling-Managements

111

C. Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurden die Grundlagen des Cross-Sellings und des Retailbankings herausgearbeitet. Das vorherige Kapitel hatte zum Ziel, den Teilbereich des Vertriebsmanagements im Rahmen der Gesamtbanksteuerung darzustellen. Ein besonderer Fokus lag hierbei darauf, Anforderungen an ein Cross-Selling-Management zu ermitteln, die aus dem Vertriebsmanagement und den dabei eingesetzten Kalkulations- und Steuerungsgrößen resultieren. Im Folgenden soll aufbauend dazu das Cross-Selling-Management als Teil der Vertriebssteuerung betrachtet werden. Ziel ist es, Kernpunkte herauszuarbeiten und Anforderungen an die Organisationsgestaltung zu beschreiben. Ein Fokus liegt dabei auch auf der Klärung der Frage, welche Anforderungen ein Cross-Selling orientiertes Anreiz- und Entlohnungssystem erfüllen muss. Dieses Kapitel soll somit auf Basis der bisherigen Untersuchungsergebnisse die erste Forschungsfrage beantworten.

I. Kernpunkte eines Cross-Selling-Managements Die Untersuchung zu den Kernpunkten eines Cross-Selling-Managements hat den Ausgangspunkt in der allgemeinen Beschreibung des Managements. Weiterführend werden die Dimensionen des Bankmanagements abgeleitet und auf das Cross-Selling-Management angewendet. Nach der Beschreibung eines Gesamtrahmens des Cross-Selling-Managements können daraus sowohl dessen Funktionen als auch die Ziele und Aufgaben herausgearbeitet werden. 1.

Abgrenzung des Cross-Selling-Managements

Um das Cross-Selling-Management abgrenzen zu können, soll in einem ersten Schritt der Begriff „Management“ näher untersucht werden. Unter Management wird grundlegend die Führung von Unternehmen verstanden.322 Die Unternehmensführung hat dabei jedoch Auswirkungen auf die verschiedensten Bereiche innerhalb der Organisation. Das Management muss z. B. Mitarbeiter in die Lage versetzen, Leistung zu erbringen. Dies wird als die ressourcenbezogene Funktion des Managements bezeichnet. Die Leistung der Mitarbeiter muss in der Folge jedoch auch zielgerichtet eingesetzt werden. Das Management ist somit verant322

Vgl. DRUCKER (Management, 2002), S. 95.

112

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

wortlich, sowohl eine Zielplanung als auch die Kontrolle des Zielerreichungsgrads vorzunehmen.323 Es besitzt daher neben einer ressourcenbezogenen auch eine zielbildende Funktion. Um sowohl die Ressourcensteuerung als auch die Zielerreichung zu ermöglichen, muss das Management zudem die Grundstrukturen der Organisation definieren. Dies schafft einen Rahmen, innerhalb dessen die Mitarbeiter Leistung erbringen können.324 Zusammenfassend kann unter einem Managementsystem grundlegend ein Planungs-, Kontroll-, Informations- und Personalführungssystem subsumiert werden, das ein Zielsystem beinhaltet und Führungsgrundsätze entwickelt. Diese Subsysteme werden auch als die grundlegenden Funktionen eines Managementsystems bezeichnet.325 In Abgrenzung zum Controlling, das hauptsächlich Unterstützungsleistungen zur Herstellung von Transparenz erbringt, ist das Management außerdem direkt ergebnisverantwortlich.326 Die allgemein für das Management dargestellten Funktionen können im Folgenden auf die Dimensionen des Bankmanagements übertragen werden. Das Bankmanagement wird dabei mittels einer institutionalen und einer funktionalen Dimension abgegrenzt. Die institutionale Dimension beinhaltet die rechtlichen Normen der Ordnungsstruktur und die personelle Zusammensetzung des Managements an sich. Es stehen hierbei Fragen nach der rechtlichen Ausgestaltung der Bankorganisation und die Eignung der Führungskräfte im Vordergrund. Die funktionale Dimension beinhaltet hingegen strukturelle Fragestellungen, wie z. B. die Aufbauorganisation, sowie prozessuale Aspekte. Die wichtigsten Prozesse des Bankmanagements stellen hierbei neben Zielbildungs- und Entscheidungsprozessen auch Prozesse der Planung und Kontrolle dar. Dies entspricht obiger Darstellung der grundlegenden Funktionen des Managements. Dem Gesamtbankmanagement, als so genanntes Top-Management, kommt hierbei die Aufgabe zu, einen übergeordneten Gesamtrahmen zu schaffen. Dieser Rahmen umfasst die nachgelagerten Organisationseinheiten, wie z. B. den Vertrieb oder das Risikocontrolling. Diese Einheiten können wiederum als eigene Managementbereiche mit einem Fokus auf ein spezielles Themengebiet aufgefasst werden. 327 Gemäß dem dualen Steuerungsmodell werden dabei zentral durch das Gesamtbankmana-

323 324

325

326 327

Neben Zielen können auch Unternehmenswerte oder Leitlininen die Leistung der Mitarbeiter steuern. Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 29; DRUCKER (Management, 2002), S. 27-28; MALIK (Management, 2006), S. 52. Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 29; MALIK (Management, 2006), S. 63-64; HAHN/HUNGENBERG (PuK, 2001), S. 3. Vgl. HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 18. Vgl. BÜSCHGEN (Bankmanagement, 1998), S. 480-481.

Abgrenzung des Cross-Selling-Managements

113

gement Zielvorgaben gemacht, die bspw. durch das Vertriebsmanagement eigenständig umgesetzt werden sollen. Trotz der Klammerfunktion des Bankmanagements gab es in der Vergangenheit einzelne Themenbereiche, auf die ein besonderes Augenmerk gelegt wurde. Diese sogenannten Managementparadigmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stets gewandelt. Folgende Abbildung zeigt eine Übersicht über die Zeiträume der erstmaligen Fokussierung auf einzelne Paradigmen: 1960 ManagementParadigmen

Steuerungsgrößen

Volumen- und Verkaufsorientierung - Gewinn - Umsatz - Anzahl Mitarbeiter - Anzahl Filialen - ...

1980 Ertragsorientierung - DB - ROE - CIR - Marge - ...

1990 Risikoorientierung - RORAC - RAROC - VaR - ...

2000 Wertorientierung - DCF - EVA - Segment Profit - ...

2010 Werthebelorientierung - Cross-Selling - Kunden-, Produkt-, Mitarbeiterprofitabilität - ...

Abb. 20: Paradigmen des Bankmanagements im Zeitablauf328 Aktuell gewinnen Ansätze verstärkt an Bedeutung, die eine stärkere Werthebelorientierung verfolgen. Ein Beispiel hierfür ist das Cross-Selling. Dies bedeutet jedoch nicht, dass vorhergehende Paradigmen an Bedeutung verloren haben. Besonders die Risikoorientierung ist durch die Verwerfungen an den Finanzmärkten weiter ein bedeutendes Thema des Gesamtbankmanagements. Im Rahmen der aktuell neu betrachteten Werthebelorientierung steht eine bessere Nutzung bestehender Faktoren im Vordergrund. Cross-Selling wird als Werthebel eines bestehenden Kundenstamms gesehen. Wie beschrieben, bildet das Gesamtbankmanagement grundsätzlich den übergeordneten Rahmen. Die dargestellten Paradigmen beinhalten jedoch gesonderte Problemstellungen. Diese müssen durch eigene Managementkonzeptionen beschrieben werden.329 Aufbauend auf der bisherigen Darstellung sollen diese Problemstellungen für das Cross-Selling herausgearbeitet und das Cross-Selling-Management definiert werden. Das Cross-Selling-Management besitzt seinen Ausgangspunkt im Vertriebsmanagement, das die grundlegenden Managementaufgaben für die Vertriebsorganisation einer Bank übernimmt. Allerdings fokussiert sich das Cross-Selling-Management auf den Teilbereich des Vertriebs an Bestandskunden eines Instituts.330 328

329 330

Eigene Darstellung in Anlehnung an THOMET (Vertriebssteuerung, 2007), S. 126; HANFT (Kennzahlen, 2003), S. 11. Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 432. Vgl. 1. Teil: B.I.3.

114

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Fraglich ist nun, wie das Cross-Selling-Management aus dem übergeordneten Gesamtbankmanagement als Teilgebiet des Vertriebsmanagements abgegrenzt werden kann. In erster Linie muss das Cross-Selling-Management die grundlegenden Merkmale eines Managementsystems im Allgemeinen und des Bankmanagements im Speziellen erfüllen. Gemäß bisheriger Darstellung umfassen diese x

die Abgrenzung der Funktionen des Cross-Selling-Managements,

x

die Definition von Zielen, Aufgaben und Instrumenten,

x

die Verankerung des Cross-Selling-Managements in der Gesamtorganisation,

x

die Gestaltung eines Informationssystems und

x

die Gestaltung eines Personalführungssystems (Anreizsystem).

Der Beschreibung dieser Merkmale liegen die Problemstellungen zu Grunde, denen ein Cross-Selling-Management unterliegt. Diese wurden im Verlauf der bisherigen Arbeit hergeleitet. Folgende Problemstellungen konnten dabei ermittelt werden: x

Der Dienstleistungscharakter der Retailbankingprodukte erfordert die Integration des Kunden als externen Faktor im Rahmen der Bedürfnisermittlung und des Produktabschlusses. Um das Institut unabhängiger vom externen Faktor Kunde zu machen, müssen Kundenbedürfnisse auch bankintern ermittelt werden. Die Bedürfnisermittlung stellt auch einen Problembereich bei der Berechnung des CLV dar.

x

Auf Grund der Nichtlagerbarkeit der Dienstleistungen muss außerdem für eine Steuerung der Ressourcen gesorgt werden, um Leerzeiten zu vermeiden. Dazu müssen Messergebnisse zu aktuellen Cross-SellingAktivitäten und -Erfolgen vorliegen. Diese Messergebnisse dienen auch als Grundlage zur Entscheidungsfindung.

x

Das Cross-Selling-Management muss bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Sinne des Gesamtbankmanagements in eine langfristig strategische und kurzfristig operative Komponente unterteilt werden.

x

Analog zum Vertriebsmanagement muss eine Unterscheidung zwischen ökonomischen Faktoren, wie z. B. der Deckungsbeitrag, und vorökonomischen Faktoren, wie z. B. die Kundenzufriedenheit, vorgenommen werden.

Zusammenfassend kann vor dem Hintergrund der Problemstellungen der in folgender Abbildung dargestellte Gesamtrahmen für das Cross-Selling-Management abgeleitet werden:

Abgrenzung des Cross-Selling-Managements

115

Vertriebsmanagement: Messung und Steuerung im Vertrieb des Retailbankings Cross-Selling-Management: Messung und Steuerung des Vertriebs an Bestandskunden

I. Messung Potenziale

Operative Steuerung

II. Messung Aktivitäten

III. Erfolgsmessung

Neukundengeschäft

Strategische Steuerung

Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling-Potenzial/-Erfolg

Abb. 21: Gesamtrahmen des Cross-Selling-Managements331 Auf Basis des Gesamtrahmens und den grundlegenden Merkmale eines CrossSelling-Managements soll dieses wie folgt definiert werden: Cross-Selling-Management bezeichnet einen Teilbereich des Vertriebsmanagements, der sich mit der operativen und strategischen Cross-Selling-Planung, Cross-Selling-Steuerung und CrossSelling-Erfolgskontrolle befasst. Dazu legt das Cross-SellingManagement die notwendigen Organisations-, Informations- und Personalführungsstrukturen fest. Das Cross-Selling-Management muss dabei der übergreifenden Grundphilosophie genügen und zu einer „...konsequent zielgerichteten und – sowohl materiell als auch organisatorisch verankerten – systematischen Entscheidungsfindung auf allen Unternehmensebenen“ führen.332 Im Folgenden sollen die Funktionen, Ziele und Aufgaben des Cross-SellingManagements sowie die Organisations-, Informations- und Mitarbeiteranreizstruktur genauer untersucht werden. Im Ergebnis können so die gesamten Merkmale eines Cross-Selling-Managements herausgearbeitet werden.

331

Eine strikte Trennung zwischen Bestandskunden- und Neukundengeschäft ist jedoch nicht in jedem Fall sinnvoll. Sollten Überlappungen bestehen, bzw. das Cross-Selling-Managemet Auswirkungen auf das Neukundenmanagement besitzen, wird im Rahmen dieser Arbeit explizit darauf hingewiesen.

332

SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 4. Hervorhebungen und abschließendes Satzzeichen wurden entfernt.

116

2.

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Funktionen des Cross-Selling-Managements

In diesem Abschnitt sollen die Funktionen des Cross-Selling-Managements genauer untersucht werden. Dies bildet die Grundlage, um im folgenden Abschnitt die zur Erfüllung der Funktionen notwendigen Ziele, Aufgaben und Instrumente zu beschreiben. Funktionen können dabei als die übergreifende Gesamtheit aller Ziele, Aufgaben und Instrumente verstanden werden.333 Grundsätzlich gibt es folgende aus dem Bankmanagement abgeleiteten Kernfunktionen, die ein CrossSelling-Management zu erfüllen hat:334 x

Koordinationsfunktion: Ganzheitliche Teilziel- und Teilplankoordination sowie Organisation des Berichtswesens. Schaffung und Einsatz von Systemen zur Entscheidungskoordination.

x

Planungsfunktion: Moderation der Zielfindung und Planung sowie die Vorbereitung der Entscheidungen.

x

Steuerungsfunktion: Begleitung/Koordination des Steuerungsprozesses sowie dessen Moderation.

x

Kontrollfunktion: Kontrolle der Steuerungsmaßnahmen sowie notwendige Anpassung der Planung und Steuerung.

x

Informationsfunktion: Daten- und Informationsversorgung sowie Pflege der Controllingsysteme zur Sicherstellung der Strategie-, Ergebnis-, Finanz- und Prozesstransparenz.

Die Koordinationsfunktion wird als primäre Kernfunktion bezeichnet und beschäftigt sich mit der ergebniszielorientierten Koordination des Planungs-, Steuerungsund Kontrollkreislaufs sowie der Informationsversorgung. Somit bildet die Koordinationsfunktion eine übergreifende Klammer über alle anderen Funktionen. Obwohl Koordination in der Literatur nicht einheitlich definiert ist, soll im Rahmen dieser Arbeit der Auffassung gefolgt werden, dass darunter die Abstimmung von Einzelentscheidungen in Bezug auf das Gesamtziel verstanden wird. Innerhalb des Führungssystems wird somit der Informationsfluss, der im Rahmen der Planung, Steuerung und Kontrolle zur Verfügung steht, koordiniert. Weitergehend kann die Koordinationsfunktion jedoch auf die gesamte Führungsfunktion ausgedehnt werden, innerhalb derer sie eine spezifische Aufgabe beschreibt.335 Für die Koordinationsfunktion des Cross-Selling-Managements bedeutet dies, dass die grundlegenden Koordinationsaufgaben des Vertriebsmanagements mit dem Fokus 333 334

335

Vgl. REICHMANN (Controlling, 2006), S. 4. Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value-Controlling, 2002), S. 9; FRIEDL (Controlling, 2003), S. 54-56; HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 92. Vgl. HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 94-95; KÜPPER (Controlling, 2008), S. 31 und S. 105.

Funktionen des Cross-Selling-Managements

117

auf Bestandskunden erfüllt werden müssen. Diese umfassen die Koordination der vertriebsbezogenen Informationsversorgung sowie die Vertriebsplanung, -steuerung und -kontrolle.336 Es muss somit eine Koordination der Cross-Selling bezogenen Informationsversorgung vorgenommen und Systeme und Methoden zur Informationsermittlung und Aufbereitung etabliert werden. Des Weiteren ist in Anlehnung an das Vertriebsmanagement eine Koordination der Cross-Selling-Planung, -Steuerung und -Kontrolle durch das Cross-Selling-Management notwendig. Damit das Cross-Selling-Management die im zugeschriebene Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktion erfüllen kann, wird ein so genannter Regelkreis angewendet.337 Dieser Regelkreis orientiert sich an den im Rahmen des Bankmanagements fest definierten Komponenten der Planung, Steuerung und Kontrolle. 2. Cross-Selling-Steuerung (operativ/ strategisch)

1. Cross-Selling-Planung x Zielplanung und -festlegung der Ansprache x Analyse zu potenzialträchtigen Kunden x Prognose der Ergebnisauswirkungen der Cross-Selling-Handlungen

x Entscheidungsvorbereitung (Produkte, Kunden, Vertriebswege) x Alternativenbewertung x Entscheidungsdurchführung (Ansprache)

3. Cross-Selling-Erfolgskontrolle x Soll-Ist Vergleich (Messung Erfolg) x Ausgangsbasis zur Neuplanung x Einleitung Behebung der Ziellücke

Abb. 22: Regelkreis des Cross-Selling-Managements338 Die Cross-Selling-Planung dient der Zukunftsgestaltung und soll systematisch zukünftige Handlungen vorwegnehmen und bewerten. Die Funktion des CrossSelling-Managements ist es, Informationen zu beschaffen, die eine Prognose zu Auswirkungen von Cross-Selling-Aktivitäten auf das Institut zulassen und damit optimale Alternativen identifizierbar machen. Dazu muss eine konkrete Zielplanung und -festlegung durchgeführt werden.339 Die Ziele beziehen sich zum einen auf operative Einzelaktionen und zum anderen auf längerfristige strategische Ziele. Auch ertragsorientierte Ziele werden geplant. Die Planung bestimmt dabei den 336

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 32; WIELPÜTZ (Vertriebscontrolling, 1994), S. 190; HENTSCHEL (Vertriebscontrolling, 1999), S. 24.

337

Die Erfüllung der Informationsfunktion durch das Cross-Selling-Management wird im 1. Teil: C.II.3 dargestellt. Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 18; HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 150-151.

338

339

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 17; KÜPPER (Controlling, 2008), S. 92; HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 150-151; HAHN/HUNGENBERG (PuK, 2001), S. 45.

118

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

außervertrieblichen Kapazitätsbedarf, der sich vor allem auf den Einsatz informationstechnologischer Betriebsmittel im Rahmen der Potenzialanalysen bezieht. Die Cross-Selling-Steuerung bezeichnet die anschließende Umsetzung des Entscheidungsergebnisses aus der Planungsphase. Die Funktion des Cross-SellingManagements ist es, die Umsetzung der Zielplanung mittels Cross-Selling-Aktivitäten durchzuführen. Hierbei müssen Informationen bereitgestellt werden, die zur Beeinflussung des Verhaltens der Akteure beitragen. Diese Informationen wirken unterstützend auf die Durchsetzung von Entscheidungen.340 Das Cross-SellingManagement muss den Handelnden im Aktivitätenprozess diese Informationen zur Verfügung stellen, damit das gewählte Zielbild erreicht werden kann. Hierbei handelt es sich um Angaben zur Bedürfnisstruktur im Kundenstamm, um je nach Zielstellung den Akteuren die potenzialträchtigen Kunden oder Kundensegmente aufzuzeigen. Die Cross-Selling-Erfolgskontrolle bezeichnet den Soll-Ist Vergleich zwischen der Maßstabs- und der tatsächlich erreichten Größe. Die Ergebnisse der Erfolgskontrolle bilden die Ausgangsbasis für die anschließende Einleitung von Maßnahmen zur Behebung der Ziellücke. Kontrollen können sich hierbei sowohl auf Ergebnisse als auch auf die Prämissen der Entscheidungsfindung beziehen und gleichzeitig Prozesse überprüfen.341 Der Erfolg kann zum einen einzelaktionsorientiert im Sinne der Erfolgskontrolle einer Cross-Selling-Kampagne oder zum anderen als generelle Leistung der Bank gemessen werden. Die Funktion des Cross-SellingManagements ist es somit, eine Bewertung durchzuführen, ob das festgelegte Zielbild auch tatsächlich erreicht wurde. Hierbei wird deutlich, dass die Messergebnisse im Rahmen der Cross-Selling-Erfolgskontrolle bereits wieder die Ausgangsbasis für neue Steuerungsaktionen darstellen und der Regelkreis von vorne beginnt. Die Informationsfunktion des Cross-Selling-Managements bezeichnet die Anforderung außerhalb des dargestellten Regelkreises die Informationsversorgung mittels einer adäquaten Informationsbasis sicherzustellen.342 Informationen im Sinne von zweckorientiertem Wissen stellen eine wichtige Voraussetzung für die Einflussnahme durch das Management dar.343 Gemäß dem dualen Steuerungsmodell benötigt das Cross-Selling-Management die relevanten Informationen, um möglichst kurzfristig auf Marktveränderungen reagieren zu können und damit langfris-

340

Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 156; HAHN/HUNGENBERG (PuK, 2001), S. 47.

341

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 21; KÜPPER (Controlling, 2008), S. 211; HORVÁTH (Controlling, 2009), S. 148; HAHN/HUNGENBERG (PuK, 2001), S. 47. Vgl. REICHMANN (Controlling, 2006), S. 11.

342 343

Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 151.

Ziele, Aufgaben und Instrumente

119

tig Erfolgsvoraussetzungen zu generieren.344 Die Wahrnehmung der Informationsfunktion durch das Cross-Selling-Management soll die Akteure in die Lage versetzen, Cross-Selling-Potenziale zu erkennen und diese erfolgreich zu transformieren. Die Versorgung mit Potenzialinformationen umfasst dabei zwei Stufen. Erstens die Potenzialidentifikation und zweitens die Potenzialkommunikation. Erstere umfasst die methodische Untersuchung des Kundenstamms mit dem Ziel der Identifikation möglicher Cross-Selling-Potenziale. Hierzu gehört vor allem auch die Zusammenführung der notwendigen Informationen aus internen und externen Quellen als Datengrundlage der Potenzialanalyse. Im Rahmen der Potenzialkommunikation sollen die dabei gewonnenen Ergebnisse den Vertriebskanälen zur Verfügung gestellt werden. Die Informationsfunktion umfasst somit auch die Gestaltung von Methoden zur Messung von Cross-Selling-Potenzialen. Das CrossSelling-Management muss darüber hinaus Informationen zum Erfolg des CrossSellings bereitstellen und Methoden zur Erfolgsmessung entwickeln. Neben Potenzialen und Erfolgen umfasst die Informationsfunktion auch die Aufbereitung von qualitativen Parametern wie den Einflussfaktoren auf das Cross-Selling. Nur wenn bspw. die aktuelle Stärke der Kundenzufriedenheit bekannt ist, kann dies auch in der Steuerung berücksichtigt werden. Diese Information ist jedoch von strategischer Bedeutung, da sie nicht nur das Cross-Selling betrifft. Somit ist es die Aufgabe des Cross-Selling-Managements, Informationen über die aktuelle Ausprägung der Einflussfaktoren einzuholen und aufzubereiten. Die tatsächliche Messung und Steuerung wird dabei an anderer Stelle durchgeführt.345 Nach der Beschreibung der Funktionen des Cross-Selling-Managements und dem Prozess zur Erfüllung der Planungs-, Steuerungs- und Kontrollfunktion sollen daraus die Ziele, Aufgaben und Instrumente abgeleitet werden. 3.

Ziele, Aufgaben und Instrumente

Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Funktionen des Cross-SellingManagements müssen in einem weiteren Schritt in klar umrissene Grundvorstellungen in Bezug auf Ziele und Aufgaben überführt werden. Dazu gehört auch, Grundvoraussetzungen zu beschreiben, die Instrumente erfüllen müssen, um diese Ziele zu erreichen.346 Ausgangspunkt soll wieder das Vertriebsmanagement darstellen, das als Informations- und Koordinationszentrum im Rahmen der gesamten Vertriebssteuerung bezeichnet wird.347 Die Ziele, Aufgaben und Instrumente las344

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 33.

345

Im 2. Teil: B wird geklärt an welcher Stelle in der Organisation die einzelnen Messungen durchgeführt werden. Vgl. HAHN/HUNGENBERG (PuK, 2001), S. 266.

346 347

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 33.

120

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Funktionale Ebene

Intentionale Ebene

sen sich grundsätzlich aus denen des Vertriebsmanagements ableiten. Allerdings müssen diese speziell in Bezug auf die Funktionen des Cross-Selling-Managements angepasst und erweitert werden. Folgende Abbildung soll den grundlegenden Zusammenhang zwischen Zielen, Aufgaben und Instrumenten verdeutlichen: Ziele Konkretisierung der Ziele durch Aufgaben

Aufgaben Bewältigung der Aufgaben mittels Instrumenten

Instrumente

Abb. 23: Verknüpfung von Zielen, Aufgaben und Instrumenten348 Die Ziele beschreiben wesentliche Bestimmungsfaktoren des hier betrachteten Cross-Selling-Managements.349 Diese leiten sich aus den Oberzielen des Gesamtbankmanagements ab. Im Sinne eines ertragsorientierten Bankmanagements sind dies Rentabilität, Wachstum und Risiko.350 Unter diesen subsumieren sich auch die folgenden Ziele des Vertriebsmanagements:351 x

Steigerung der Kundenorientierung

x

Vergrößerung der Vertriebsproduktivität

x

Qualitätssteigerung

x

Kostenreduktion

x

Ertragsverbesserung

Diesen Zielen muss sich das Cross-Selling-Management als Teilbereich des Vertriebsmanagements analog unterordnen. Cross-Selling kann dabei, wie einleitend beschrieben, direkt zur Kostenreduktion und zur Ertragsverbesserung beitragen. Das Cross-Selling-Management hat jedoch folgende weitere Ziele, die aus den bisher beschriebenen Funktionen abgeleitet werden können:

348

Eigene Darstellung in Anlehnung an REICHMANN (Controlling, 2006), S. 12.

349

Vgl. SEEWÖSTER (Cost, 2006), S. 86. Vgl. 1. Teil: B.I.1.

350 351

Vgl. LINNEBANK (Vertriebssteuerung, 1997), S. 75.

Ziele, Aufgaben und Instrumente

121

x

Identifikation von Kundenbedürfnissen nach zusätzlichen Finanzprodukten.

x

Transformation von latenten Kundenbedürfnissen in Cross-SellingErfolge zur Erhöhung der Produktnutzung im Kundenstamm.

x

Sicherstellung eines wertorientierten Cross-Selling-Erfolgs.

x

Nutzung von Potenzialinformationen zum zielgerichteten Ressourceneinsatz.

Somit können die Ziele des Cross-Selling-Managements als Präzisierung der Ziele des Vertriebsmanagements gesehen werden. Die Aufgaben des Cross-Selling-Managements leiten sich aus der Überführung der Ziele aus der intentionalen Ebene auf die funktionale Ebene ab und dienen damit zu ihrer Konkretisierung.352 Die Basis bilden wiederum die Aufgaben des Vertriebsmanagements, die sich hauptsächlich auf Entscheidungs-, Steuerungs- und Überwachungshilfen im Vertrieb beziehen.353 Gemäß dem hergeleiteten Gesamtrahmen muss das Cross-Selling-Management folgende Aufgaben zur Konkretisierung der Ziele wahrnehmen: x

Durchführung von Potenzialanalysen im bestehenden Kundenstamm.

x

Bereitstellung der Potenzialinformationen an alle Vertriebskanäle und sonstige Adressaten innerhalb der Bank.

x

Kontrolle der laufenden Cross-Selling-Aktivitäten und des Cross-SellingErfolgs.

x

Laufende Überwachung der Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Cross-Selling.

x

Etablierung einer Anreizstruktur zur Förderung des Cross-Sellings.

Die Instrumente des Cross-Selling-Managements werden weiterführend auf funktionaler Ebene eingesetzt, um die definierten Aufgaben zu bewältigen. Die nachfolgende Systematisierung von Instrumenten bildet den Ausgangspunkt für eine ausführliche Darstellung der Messmethoden des Cross-Selling-Managements im Teil 2 der Arbeit. Managementinstrumente setzen sich aus Methoden, Werkzeugen und Modellen zusammen. Jedes einzelne hiervon bildet ein Instrument. Jedoch kann umgekehrt bei der Bezeichnung als Instrument nicht immer auf eine der drei Ausprägungen

352

Vgl. REICHMANN (Controlling, 2006), S. 12; SEEWÖSTER (Cost, 2006), S. 87.

353

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 32; EHRMANN (Vertriebscontrolling, 2002), S. 867.

122

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

geschlossen werden.354 Folgende Abbildung zeigt das Zusammenspiel und deren Abhängigkeiten: Instrumente Methoden

Werkzeuge

Bsp.: - Kennzahlensysteme - Deckungsbeitragsrechung - Customer Lifetime Value - ... liegen zu Grunde

unterstützen beschreiben

erzeugen

Bsp.: - Berichtssysteme - Informationssysteme (CRM) - ...

liegen zu Grunde

erzeugen

Modelle

Abb. 24: Gliederung von Managementinstrumenten355 Methoden bezeichnen hierbei formal fest definierte Vorgehensbeschreibungen in Bezug auf eine vorbestimmte Zielsetzung. Sie besitzen festgelegte Regeln und sind in ihrer Anwendung jederzeit nachvollziehbar.356 Werkzeuge auf der anderen Seite stellen Hilfsmittel der Methoden dar. Durch die Verknüpfung einer Methode mit einem Werkzeug entsteht eine Zweckgebundenheit des sonst zweckneutralen Werkzeugs.357 Bspw. wird durch die Abbildung der Methode der Deckungsbeitragsrechnung in einem Informationssystem dieses zu einem Werkzeug. Mittels Modellen hingegen sollen die Wahrnehmungen zu einem inhaltlichen Gegenstand verdichtet werden. Die verschiedenen Beschreibungs-, Erklärungs- und Entscheidungsmodelle determinieren die Methoden und Werkzeuge.358 Erst ein geeignetes Erklärungsmodell kann z. B. einem Kennzahlensystem seine Aussagekraft geben. Instrumente zeichnen sich zwar stark durch einen quantitativ-rechnerischen Ansatz aus, qualitative Aspekte dürfen hierbei jedoch nicht außer Acht gelassen werden.359 Im Teil 2 dieser Arbeit werden Methoden zur Messung von Cross-SellingPotenzialen und -Erfolgen beschrieben und kritisch bewertet. In Bezug auf Einflussfaktoren werden die zu Grunde liegenden Beschreibungs- und Erklärungsmo354

Vgl. SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 86.

355

Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 89. Vgl. SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 85.

356 357 358 359

Vgl. SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 86. Vgl. SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 84. Vgl. WALL (Instrumentarium, 2002), S. 13.

Adressaten des Cross-Selling-Managements

123

delle betrachtet und daraus Methoden zu deren Messung abgeleitet. Die Werkzeuge eines Cross-Selling-Managements, wie z. B. Informations- oder Anreizsysteme, werden im Rahmen dieses Kapitels noch näher beleuchtet.360

II. Organisations- und IT-bezogene Anforderungen Ziel des vorangegangenen Unterkapitels war es, das Cross-Selling-Management aus dem Gesamtbankmanagement abzuleiten und auf dieser Basis die Funktionen, Ziele, Aufgaben und Instrumente herauszuarbeiten. Dabei wurde beschrieben, dass das Management für eine Gestaltung des übergeordneten organisatorischen Gesamtrahmens verantwortlich ist. Zur Ableitung einer geeigneten Organisationsform soll im Folgenden in einem ersten Schritt untersucht werden, welche Adressaten ein Cross-Selling-Management besitzt. Die institutsinternen Anspruchsgruppen determinieren in der Folge die organisatorische Verankerung des CrossSelling-Managements, die im zweiten Schritt beschrieben werden soll. Abschließend wird in diesem Unterkapitel gezeigt, welche Anforderungen an das Informationssystem bestehen, damit das Cross-Selling-Management die ihm zugewiesene Informationsfunktion erfüllen kann. 1.

Adressaten des Cross-Selling-Managements

Folgende Übersicht zeigt mögliche bankinterne und -externe Adressaten eines Cross-Selling-Managements: Vertrieb Leitungsebene Privatkunden

Gesamtbankmanagement Cross-Selling-Management

Anteilseigner

Human Ressources

Abb. 25: Mögliche Adressaten eines Cross-Selling-Managements Der Vertrieb, als operative Schnittstelle zum Kunden, stellt den bedeutendsten Adressaten dar. Kundenberater besitzen ein Interesse an Potenzialinformationen, 360

Die Herleitung von Instrumenten wird auch als „Herzstück“ einer Managementkonzeption bezeichnet (Vgl. WALL (Instrumentarium, 2002), S. 20).

124

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

um die eigenen Ressourcen zielgerichtet zu planen. Die weiteren Vertriebswege bzw. deren Verantwortliche, wie z. B. Internet und Call-Center, verfolgen ein ähnliches Ziel. Durch die Bereitstellung von Potenzialinformationen werden sie in die Lage versetzt, den Kunden zielgerichtet auf Basis seines Bedarfes anzusprechen. Des Weiteren ist die Vertriebsleitung an einer die Dimensionen des Ergebniswürfels widerspiegelnden Erfolgsrechnung interessiert, um die eigenen Anstrengungen bewerten zu können. Die Informationen des Cross-SellingManagements können außerdem dazu genutzt werden, um auf Basis der Bedürfnisanalysen im Kundenstamm neue Produktentwicklungen zu generieren. Sofern bspw. eine Analyse ergibt, dass die Zielgruppe der jungen Erwachsenen eine spezielle Ausgestaltung eines Produkts benötigt, kann dieses daraufhin angepasst werden. Aber auch die Gestaltung von Produktbündeln benötigt Informationen des Cross-Selling-Managements über Affinitäten der Kunden. Im Anschluss an die Gestaltung von Produktbündeln müssen auch Informationen zur deren Preisgestaltung aus der bestehenden Erfolgsrechnung der Einzelprodukte abgeleitet werden. Dadurch sollen mögliche Quersubventionen verhindert werden. Je nach Identifikation von ertragsstarken Zielgruppen durch das Cross-Selling-Management können auch gezielte Informationskampagnen bei Bestandskunden durchgeführt werden. Eng damit zusammen hängt die Informationsbereitstellung innerhalb des Instituts im Rahmen der Unternehmenskommunikation. Hierbei können gezielt produktoder kundenrelevante Informationen lanciert werden. Sollte außerdem festgestellt werden, dass für die Zukunft die Potenziale im Kundenstamm eher geringer werden, besteht hier die Möglichkeit der gezielten Neukundenakquise. Die Leitungsebene des Retailbankings besitzt ähnlich der Vertriebsleitung hauptsächlich Interesse an der Erfolgsbewertung durch das Cross-Selling-Management. Auf Leitungsebene muss kontrolliert werden, ob die Cross-Selling orientierten Zielgrößen, wie z. B. eine vorher festgelegte Cross-Selling-Quote, erreicht wurden. Das Cross-Selling-Management unterstützt dabei, den Erreichungsgrad einer Cross-Selling-Strategie zu messen. Die Aufgabe der Leitungsebene ist es jedoch, im Rahmen der strategischen Steuerung Veränderungen der Unternehmensumwelt mit einzubeziehen. Neben reinen Mengen- und Wert-Erfolgen ist somit auch die Ausprägung der Cross-Selling-Einflussfaktoren von besonderem Interesse. Für den Bereich Human Ressource ermittelt das Cross-Selling-Management verschiedenste Informationen. Hauptsächlich der Personalkapazitätsbedarf kann durch die Prognose zukünftiger Potenziale abgeschätzt werden. Aus den ermittelten Potenzialen ist außerdem der produktorientierte Schulungsbedarf der Mitarbeiter ableitbar. Sollten zu wenig relevante Produktkenntnisse auf Seiten der Mitarbeiter vorhanden sein, kann dies korrigiert werden. Fortbildungsbedarf ergibt sich auch aus den Ergebnissen des Aktivitäten-Controllings. Je nach Leistung des Mitarbeiters in den verschiedenen Ansprachephasen kann Weiterbildungspotenzial

Adressaten des Cross-Selling-Managements

125

ermittelt werden. Im Ergebnis helfen die Informationen des Cross-SellingManagements Kapazitäten festzustellen und den Ausbildungsgrad optimal anzupassen. Im Rahmen des Gesamtbankmanagements steht vor allem die adäquate Kostenund Erlösrechnung von Cross-Selling-Maßnahmen im Vordergrund, um den dezentralen Marktbereichen Erfolge richtig zurechnen zu können. Das Cross-SellingManagement kann auch im Rahmen der zentralen strategischen Steuerung dabei unterstützen, frühzeitig negative Entwicklungen aufzudecken. Sollten z. B. für die Zukunft nicht genügend Cross-Selling-Potenziale bestehen, gibt es die Möglichkeit dies zeitnah durch das Cross-Selling-Management identifizieren zu lassen. Bei einer strategischen Cross-Selling-Fokussierung kann so zeitnah das Augenmerk auf die Neukundenakquise zur Potenzialsteigerung gelegt werden. Die strategische Bewertung dieser kundenbezogenen Nachhaltigkeit des Cross-Sellings wird durch die spezifischen Ausprägungen der Einflussfaktoren und damit der umfeldbezogenen Nachhaltigkeit unterstützt.361 Im Ergebnis ist im Rahmen des Gesamtbankmanagements vor allem die Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung von Interesse. Die Anteilseigner besitzen unterschiedliche Informationsinteressen. Grundsätzlich legen sie jedoch analog zum Gesamtbankmanagement ein besonderes Augenmerk auf die Erfolge einer von der Bank verfolgten Cross-Selling-Strategie. Außerdem ist es auch für sie von Bedeutung, welche Potenziale die Bank noch in sich birgt. Das gesamte Informationsbedürfnis der externen Anteilseigner kann jedoch nur im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung gestillt werden. Das Cross-SellingManagement liefert hierzu die Grundlage zur Information und die notwendigen Instrumente zu deren Aufbereitung. Die Darstellung der Anspruchsgruppen zeigt, dass das Cross-Selling-Management analog der beschriebenen Aufgaben und Ziele grundlegende adressatenbezogene Informationen bereitstellen kann. Die genaue Eingrenzung möglicher Anspruchsgruppen und deren Anforderungen ist jedoch bankspezifisch. Nicht immer kann eine klare Aufgabentrennung wie in obiger Abbildung gegeben sein. So wird z. B. das Vertriebsmanagement oftmals auch als untergeordneter Teil des Marketings angesehen. Die Koordinations- und Informationsanforderungen können sich somit stark überschneiden.362 Im Anschluss an die Darstellung der Anspruchsgruppen soll nachfolgend die institutsinterne Verankerung des Cross-Selling-Managements untersucht werden.

361

Zur Abgrenzung der verschiendenen Aspekte der Nachhaltigkeit vgl. 3. Teil: A.II.

362

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 31.

126

2.

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Verankerung in der Gesamtorganisation

Die grundsätzliche Frage in Bezug auf die organisatorische Verankerung des Cross-Selling-Managements ist, ob es als Teil einer bestehenden Organisationseinheit oder eigenständig agieren sollte. Die adäquate organisatorische Verankerung soll vor allem gewährleisten, dass die übernommenen Funktionen optimal erfüllt werden.363 Bevor sich jedoch der organisatorischen Verankerung des CrossSelling-Managements genähert werden kann, sollte die Bankorganisation an sich untersucht werden. In der Praxis haben sich unterschiedliche Organisationsformen in den Finanzinstituten entwickelt. Daher kann die Aussage getroffen werden: „Eine allgemein „richtige“ Bankorganisation gibt es nicht“.364 Die verschiedenen Organisationsformen orientieren sich an drei Bestimmungsfaktoren, die ihre Struktur determinieren. Erstens kann die Organisationsform anhand der Befugnis der zentralen Funktionsbereiche abgegrenzt werden. Zentrale Funktionsbereiche können gemäß einem Servicemodell (funktionale Auffassung) als interne Dienstleister auftreten oder im Richtlinienmodell (integrative Auffassung) eigenständig und weisungsbefugt sein.365 Zweitens wird die Organisationsform durch die Aufteilung im Rahmen des Linien-Stab-Systems geprägt. Linienstellen werden durch die Bildung von spezialisierten Stäben entlastet.366 Diese Stabsstellen können dabei regional über die Standorte einer Bank verteilt und/oder zentral vorgehalten werden. Die Organisation der Funktionsbereiche und damit auch der Gesamtbank wird drittens aus der Dimension der Kunden- oder Produktorientierung determiniert. So werden kommerzielle Massenprodukte organisatorisch auf der Gesamtbankebene nicht zusammengeführt, sondern innerhalb der Kundengruppenorganisationsfelder verankert. Dies zeigt sich am Beispiel von Girokonten oder Konsumentenkrediten, die organisatorisch unter der Einheit Privatkunden subsumiert werden. Es gibt keine bankweite Abteilung, die kundengruppenübergreifend diese Produkte sowohl für Privat- als auch für Firmenkunden betreut. Eine explizite Produktspartenorientierung herrscht hingegen im Investmentbanking oder im Bereich Corporate Finance vor.367 Im Privatkundengeschäft hat der Vertrieb in den vergangenen Jahren die Organisationsstruktur sehr stark beeinflusst. Besonders die zunehmende Bedeutung von indirekten Vertriebswegen hat zu einer Zentralisierung der Vertriebssteuerungs363 364 365 366

367

Vgl. PALLOKS (Marketing-Controlling, 1991), S. 334. BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1149. Abschließendes Satzzeichen wurde entfernt. Vgl. BÜSCHGEN/BÖRNER (Bankbetriebslehre, 2003), S. 224. Vgl. BÜSCHGEN/BÖRNER (Bankbetriebslehre, 2003), S. 219. Vgl. auch zu Vor- und Nachteilen eines LinienStab-Systems. Vgl. BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1150-1154.

Verankerung in der Gesamtorganisation

127

maßnahmen geführt.368 So wird das Vertriebsmanagement hauptsächlich als zentrale Stabstelle angesehen, deren Aufgaben in den Geschäftsbereichen wahrgenommen werden. Auf regionaler Ebene werden keine eigenständigen Abteilungen geführt, sondern deren Aufgaben durch Vertriebsreferenten erfüllt.369 Diese Funktion entspricht daher eher dem Richtlinienmodell.370 Folgende Übersicht zeigt beispielhaft eine mögliche Aufbauorganisation für die Privatkundensparte und der darin verankerten Vertriebssteuerung: Vorstand Privatkunden Region A

Kreditrisikosteuerung

Region B

Vertriebssteuerung

Region C

Marketing

Region D

Aktivprodukte

Vermögende PK

Privatkunden

Wertpapiere

Filiale 1

Zahlungsverkehr

Filiale 2

Außendienst Drittvertrieb

Abb. 26: Schematische Darstellung der Aufbauorganisation im Privatkundenbereich371 Diese beispielhafte Übersicht beinhaltet die oben beschriebenen Dimensionen. Sowohl Aspekte der Vertriebswege als auch Gebiets-, Produkt- und Kundenaspekte spiegeln sich in diesem organisatorischen Aufbau wider.372 Im Retailbereich herrscht eine große Produktvielfalt vor und es handelt sich eher um standardisierte Produkte. Außerdem ist die Kundenseite inhomogen ausgestaltet. Wie in obiger Abbildung dargestellt, führt dies zu einer Fokussierung auf Vertriebswege oder 368 369 370

371 372

Vgl. BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1157. Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 197. Eine trennscharfe Abgrenzung ist jedoch nicht möglich, da dem Vertriebscontrolling sowohl eine Servicefunktion als auch eine Richtlinienfunktion gemäß den übertragenen Aufgaben zusteht (vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 198). Eigene Darstellung in Anlehnung an BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1159. Vgl. NOICHL (Vertriebs-Controlling, 1993), S. 56.

128

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Regionen bei der Organisationsgestaltung.373 Diese Vertriebs- und Kundenorientierung hat dazu geführt, dass sich vier Effizienzkriterien für einen organisatorischen Aufbau herausgebildet haben.374 x

Leistungseffizienz: Prozesse, wie z. B. die Kundenbearbeitung, müssen effizient abgewickelt werden. Grundlage hierfür können die Beratungsqualität oder die Fehlerlosigkeit sein.

x

Kosten- und Ressourceneffizienz: Insbesondere der Einsatz der Mitarbeiterressourcen gemäß ihrer Qualifikation sowie die Kontrolle der Sachkosten soll durch die Organisationsstruktur unterstützt werden.

x

Motivationseffizienz: Es soll die Motivation der Mitarbeiter gewährleistet sein. Dies kann durch eine hohe Transparenz der Leistungsfähigkeit bzw. der Zurechenbarkeit der Erfolge umgesetzt werden.

x

Innovationseffizienz: Organisatorische Regelungen dürfen nicht starr sein, um an Innovationen angepasst werden zu können.

Die organisatorische Verankerung eines Cross-Selling-Managements leitet sich im Folgenden aus den wahrzunehmenden Aufgaben ab.375 Hierbei sollen die dargestellten Bestimmungsfaktoren und Effizienzkriterien berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Festlegung auf ein Richtlinien- oder Servicemodell sollte die Richtlinienkompetenz gegeben sein, wenn das Cross-Selling-Management seine Koordinationsfunktion ausüben soll. Auf der anderen Seite muss ein Servicemodell bei der Erfüllung der Informationsfunktion zur Anwendung kommen. Dies wirkt sich auch auf die Aufteilung in ein Linie-Stab-System aus. Im Rahmen des Cross-Selling-Managements sollte es spezialisierte Stabsstellen geben, die sich mit der Entwicklung und Validierung von Modellen zur Potenzialermittlung beschäftigen. Diese geben in der Folge den operativ tätigen Linienstellen des Vertriebsmanagements diese Informationen weiter. Es sollte hierbei keine explizite Kunden- oder Produktorientierung durchgeführt werden, da das Cross-Selling-Management eine übergreifende Rolle einnehmen muss. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Effizienzkriterien lässt sich die organisatorische Verankerung des Cross-Selling-Managements folgendermaßen zusammenfassen: Im Rahmen des Retailbankings stellt das Cross-Selling-Management eine Stabstätigkeit dar. Durch die Nähe zum Vertriebsmanagement und der Prämisse der Kosten- und Ressourceneffizienz sollte das Cross-Selling-Management 373 374 375

Vgl. BÜSCHGEN/BÖRNER (Bankbetriebslehre, 2003), S. 225. Vgl. BÜRKNER/KRAUSE (Bankorganisation, 2000), S. 1148. Vgl. NOICHL (Vertriebs-Controlling, 1993), S. 55 zur Ableitung der organisatorischen Eingliederung des Vertriebsmanagements.

Cross-Selling-Bezug im Informationssystem

129

als produkt- und vertriebswegeübergreifender Teil des Vertriebsmanagements gesehen werden. Durch diese übergreifende Verankerung wird im Hinblick auf die Leistungseffizienz zusätzlich sichergestellt, dass die notwendigen Informationen übergeordnet zur Verfügung stehen. Hieraus erwächst auch die Notwendigkeit einer zentralen Verankerung. Eine ausschließliche oder teilweise dezentrale Verankerung würde die Möglichkeit einer Gesamtbetrachtung der Produkt-, Kundenund Vertriebswegedimension nicht gewährleisten. Analog zum Vertriebsmanagement kann eine dezentrale Referententätigkeit, wie z. B. bei der Kommunikation der identifizierten Potenziale, nützlich sein. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Fokussierung auf das Retailbanking vorgenommen, innerhalb dessen das Cross-Selling-Management organisatorisch verankert wurde. Bei einer Erweiterung des Untersuchungsgegenstands auf die Gesamtbank bliebe zusätzlich zu klären, ob das Cross-Selling-Management auf Gesamtbankebene zusammengeführt werden müsste. Eine besondere Notwendigkeit erwächst z. B. aus der Tatsache, dass das Cross-Selling-Management ITSysteme zur Informationsgenerierung entwickelt oder verändert. Eine direkte Kommunikation mit der IT ist dabei unvermeidbar, um unverträgliche Systementwicklungen zu vermeiden.376 Im Folgenden soll untersucht werden, welche Anforderungen sich im Rahmen des Cross-Selling-Managements an das Informationssystem der Bank ergeben. 3.

Cross-Selling-Bezug im Informationssystem

Wie im Verlauf der Beschreibung der Informationsfunktion dargestellt, ist die Generierung und Aufbereitung von Informationen durch das Cross-SellingManagement zur Erfüllung der Informationsfunktion unabdingbar.377 Ausgehend von der bisherigen Erörterung der Informationsaufbereitung innerhalb von Vertriebssystemen, sollen jetzt aufbauend Aspekte berücksichtig werden, die speziell für das Cross-Selling-Management relevant sind. Ein Vertriebsinformationssystem wurde bisher als ein Datenpool bezeichnet, in dem Informationen gespeichert und für die Nutzer aufbereitet werden.378 Aus den Zielen und Aufgaben des CrossSelling-Managements wird jedoch deutlich, dass neben der Speicherung und Aufbereitung auch Datenbestände analysiert und neue Daten generiert werden müssen. 376

377 378

Vgl. dazu auch KÖNIG/QUAST (Bankcontroller, 2001), S. 77. Jedoch muss gewährleistet sein, dass die notwendige Handlungskompetenz nicht verloren geht, um den Aufgaben nachkommen zu können (vgl. PALLOKS (Marketing-Controlling, 1991), S. 336). Eine Erörterung der Notwendigkeit einer Zusammenführung auf Gesamtbankebene soll an dieser Stelle unterbleiben, da hier der Fokus auf dem Cross-Selling-Management im Retailbanking liegt. Vgl. 1. Teil: C.I.2. Vgl. 1. Teil: B.II.4.

130

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Ein Beispiel hierfür ist die Kundenpotenzialanalyse im Rahmen derer umfangreiche statistische Berechnungen durchgeführt und deren Ergebnisse bereitgestellt werden.379 Im Folgenden sollen daher zusätzliche Cross-Selling relevante Aspekte herausgearbeitet werden, die in ein Vertriebsinformationssystem einfließen müssen. Zur Ermittlung von Cross-Selling-Potenzialen werden die verfügbaren Datenbestände innerhalb des Instituts ausgewertet und aufbereitet. Dies wird durch das Data Mining erreicht.380 Ziel ist es, bisher unbekannte Zusammenhänge zwischen kundenbezogenen Daten und einem kundenspezifischen Produktbedarf aufzudecken, um so Cross-Selling-Potenziale zu identifizieren.381 Dazu wird der Kundenstamm dahingehend analysiert, wie bspw. das Alter, der Familienstand und die bisherige Produktnutzung mit dem Bedarf des Kunden, für z. B. einen Hypothekenkredit, zusammenhängt. Die so identifizierten Regeln können in der Folge auf solche Kunden angewendet werden, die das untersuchte Produkt noch nicht besitzen, jedoch dieselben Merkmale (Alter, Familienstand etc.) aufweisen, die auf einen Produktbedarf hindeuten.382 Besonders für das Cross-Selling ist Data Mining somit unabdingbar, da hierdurch potenzialträchtige Zielgruppen grundsätzlich erst identifiziert werden können.383 Die Grundlage für das Data Mining bilden die im CRM gespeicherten Daten. Data Mining an sich stellt somit kein eigenes Informationssystem dar. Es bezeichnet lediglich den Vorgang der Analyse bestehender Daten.384 Gespeichert werden können die Ergebnisse, wie z. B. mögliche Kundenwünsche, nach erfolgter Auswertung im operativen CRM. Dies ist auch der bedeutendste Unterschied zwischen Data Mining und CRM. CRM stellt ein System zur Datenspeicherung dar, Data Mining hingegen bezeichnet den Vorgang der Datenauswertung mittels der im operativen CRM gespeicherten Daten.385 Die Auswertung der Daten mit Hilfe der Verfahren des Data Minings wird wie beschrieben auch als analytisches CRM bezeichnet.386 Die zur Verfügung stehenden Daten werden dabei in Grunddaten, Potenzialdaten, Aktionsdaten und Reaktionsdaten unterschieden. Grunddaten dienen der Kundenbeschreibung und bleiben 379

Vgl. LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 290-291.

380

Statt Data Mining wird in der Literatur auch der Begriff des „Database Marketing“ verwendet (vgl. STENDER/THE/RACK (IT, 1999), S. 94; WÖBKING (Cross-Selling, 2006), S. 10). Vgl. HANNIG (Managementinformationssysteme, 1998), S. 284; BECKER (Vertriebscontrolling, 2001), S. 273. Data Mining wird nicht nur im Vertrieb eingesetzt, sondern kann auch wichtige Aussagen in Bezug auf die Betrugserkennung bei Versicherungen liefern.

381

382 383 384 385 386

Vgl. STENDER/THE/RACK (IT, 1999), S. 94. Vgl. HIPPNER/WILDE (Data Mining, 2008), S. 212. Vgl. LINK/HILDEBRAND (Database, 1997), S. 20. Vgl. HUGHES (CRM, 2002), S. 103; BECKER (Vertriebscontrolling, 2001), S. 295. Vgl. BÖING/JULLENS/SCHRADER (Multikanalvertrieb, 2003), S. 40.

Cross-Selling-Bezug im Informationssystem

131

zeitlich eher stabil. Potenzialdaten beschreiben bestehende Kundenbedürfnisse, wie z. B. die im Rahmen des Data Mining ermittelten Abschlusswahrscheinlichkeiten für ein bestimmtes Produkt. Aktionsdaten, wie z. B. Anrufe der Bank beim Kunden, erfassen Bearbeitungsmaßnahmen auf Kundenebene. Reaktionsdaten, wie z. B. Antworten des Kunden auf Mailings, machen hingegen Aussagen über das kundenspezifische Reaktionsverhalten auf Werbemaßnahmen.387 Ein weiteres Werkzeug zur Analyse der Datenstrukturen stellt das Online Analytical Processing (OLAP) dar. Ähnlich wie das Data Mining nutzt es bestehende Daten aus dem Data-Warehouse, um diese nach betriebswirtschaftlichen Kenngrößen hin zu untersuchen.388 Der wesentliche Unterschied zum Data Mining besteht darin, dass lediglich vergangenheitsbezogene Fragestellungen beantwortet werden können. Eine zukunftsgerichtete Prognose kann hier nicht gemacht werden und damit auch keine Aussagen zum Cross-Selling-Potenzial, sondern lediglich ex post zum Cross-Selling-Erfolg oder der Cross-Selling-Gesamtleistung.389 Es wird deutlich, dass die Qualität und die Aussagekraft der ermittelten Informationen im CRM, Data Mining und OLAP eng mit der Qualität der Eingangsdaten korrelieren. Nur eine solide und gepflegte Datenbasis kann die Genauigkeit der Prognosen erhöhen. Diese Daten sollten daher im Zeitablauf stabil und einer stetigen Kontrolle unterworfen sein. Dennoch ist die Datenqualität in der Praxis weiter verbesserungsbedürftig. Aktuell schätzen nur rund 40 % der Banken die erfassten Kundendaten als einigermaßen verlässlich ein.390 Die Datenqualität ist daher weiter ein wichtiges Thema bei den Banken. Es gilt zu beachten, dass die Sammlung und Pflege der Datenbestände immer auch dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu genügen hat. Dabei ist stets auf das Gleichgewicht zwischen Kosten der Informationsbeschaffung und der darin begründeten Erträge zu achten.391 Dies ist auch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die Nutzeneffekte von CRM und Data Mining nicht immer die Kosten für deren Etablierung einspielen.392 Um die ermittelten Potenziale jedoch effizient nutzen zu können, muss neben der Qualität der Daten ein solches System von den Vertriebsmitarbeitern auch akzeptiert werden.393 Andernfalls werden Anspracheempfehlungen nicht genutzt und bleiben damit wirkungslos.

387 388 389 390 391 392 393

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 50. Vgl. HIPPNER/WILDE (Data Mining, 2008), S. 208. Vgl. PUFAHL (Vertriebscontrolling, 2006), S. 53; HIPPNER/WILDE (Data Mining, 2008), S. 209. Vgl. WITTMANN ET AL. (Cross-Selling, 2007), S. 46. Vgl. DREWES (Informationssysteme, 1996), S. 140. Vgl. HUGHES (CRM, 2002), S. 104. Vgl. WÖBKING (Cross-Selling, 2006), S. 10 und S. 12; DILLER (Produkt-Management, 1975), S. 11.

132

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

In Bezug auf das Cross-Selling ist das Ziel des Einsatzes von CRM und Data Mining, den einzelnen Vertriebswegen Indikationen zu Cross-Selling-Potenzialen an die Hand zu geben. Diese Daten müssen in der Folge Eingang in das Kundenprofil finden, um für den Berater jederzeit abrufbar zu sein. Die Darstellung der CrossSelling relevanten Kennziffern in den Systemen trägt außerdem dazu bei, die geforderte Transparenz der Datenbestände für den Berater herzustellen.394 Cross-Selling setzt dabei auch schon im Rahmen des Erstkontakts der Kundenbeziehung an. In dieser Phase konnten noch keine Kundendaten für eine detaillierte Analyse gesammelt werden. Eine mögliche Bedürfnisstruktur kann jedoch ITgestützt aus wenigen Einzelmerkmalen in Form einer Standardempfehlung ermittelt werden.395 Das Cross-Selling-Management muss daher zum einen die notwendigen Informationen ermitteln und sicherstellen, dass diese zur Verfügung stehen. Zum anderen besteht die Anforderung, dass adäquate Analysealgorithmen entwickelt und in der Folge Cross-Selling-Potenziale berechnet werden. Neben einer Ergänzung des Vertriebsinformationssystems um Cross-Selling relevante Daten, muss das Cross-Selling-Management auch Ergebnisinformationen an die bankweiten Controllingsysteme übergeben. Hierbei geht es darum, neben einer vertriebsorientierten Erfolgsrechnung in den Vertriebsinformationssystemen auch die Ergebnistransparenz auf Gesamtbankebene sicherzustellen. An dieser Stelle muss jedoch nochmals hervorgehoben werden, dass die Fokussierung auf Cross-Selling nicht zu einem völlig neuen Informationssystem in der Bank führen soll. Vielmehr sollen bestehende Systeme genutzt und um fehlende Daten erweitert werden. Im Vordergrund steht dabei die Erhaltung der vorhandenen IT-Strukturen und deren Anreicherung mit bisher fehlenden Daten zu einer umfassenden Cross-Selling-Bewertung. Banken haben schon heute mit im Zeitablauf gewachsenen und daher komplexen IT-Struktur zu kämpfen.396 Die in Teil 2 betrachteten Auswertungs- und Messmethoden bilden somit die Grundlage für eine mögliche Datenanforderung, die an das CRM, Data Mining und OLAP zu stellen ist.

394 395 396

Vgl. SCHMIDT/BACH/ÖSTERLE (CRM, 2008), S. 85. Vgl. WÖBKING (Cross-Selling, 2006), S. 11-12. Vgl. HAUPT (Informationssystemplanung, 1997), S. 35; BROMBACHER (Softwarekrise, 1995), S. 12.

Ausgestaltung von Vergütungssystemen

133

III. Gestaltung eines Cross-Selling orientierten Anreiz- und Entlohnungssystems Bevor die Methoden zur Messung im Rahmen des Cross-Selling-Managements dargestellt werden sollen, steht in diesem Unterkapitel die Ausgestaltung eines Anreizsystems unter Cross-Selling-Bedingungen als Werkzeug im Vordergrund. Anreizsysteme im Sinne eines Personalmotivationsinstruments haben das Ziel, Verhaltensweisen zu erzeugen oder zu verstärken, die der Unternehmensstrategie der Bank entsprechen. Die Entlohnung bildet hierbei einen Teilbereich der möglichen Anreizgestaltung.397 Gerade für den Erfolg von Cross-Selling wird immer wieder gefordert, dass Entlohnungs- und Anreizsysteme eine besondere Ausrichtung auf dieses Thema erfahren.398 Im Folgenden sollen daher die in der Bank verfügbaren Entlohnungs- und Anreizsysteme dargestellt sowie die aktuell vorherrschenden Systeme im Vertrieb untersucht werden. Abschließend soll die Frage geklärt werden, wie das Cross-Selling-Management ein solches System ausgestalten muss. 1.

Ausgestaltung von Vergütungssystemen

Anreizsysteme beinhalten verschiedenste Komponenten, die zur Verhaltenssteuerung beitragen sollen.399 Die vorherrschende materielle Form der Anreizgestaltung bildet nach wie vor die monetäre Vergütung.400 Die Gesamtvergütung richtet sich jedoch an verschiedenen Faktoren aus. Grundsätzlich muss dabei in der Bank zwischen Tarifmitarbeitern und außertariflichen Mitarbeitern unterschieden werden.401 Tarifmitarbeiter werden gemäß dem zwischen den Gewerkschaften und dem Institut geschlossenen Tarifvertrag entlohnt.402 Hierin sind neben der Höhe der Vergütung auch Regelungen zu einer zulässigen Aufspaltung des Gehalts in

397

Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 5; WILD (Organisation, 1973), S. 47. Hierbei wird der Anreizsystemdefinition von WILD (Organisation, 1973, S. 47) gefolgt, die bisher eine maßgebliche Verbreitung gefunden hat (vgl. WEHLING (Anreizsysteme, 1999), S. 75).

398

Vgl. SPARKASSEN-FINANZGRUPPE (Multi-Channel-Banking, 2006), S. 81; COCHEO (Done, 2000), S. 34; JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 293; SONNENBERG (Power, 1988), S. 59. Vgl. WEHLING (Anreizsysteme, 1999), S. 77. Vgl. auch für eine ausführliche Darstellung der Aufspaltung eines Anreizsystems in die relevanten Anreize und Kriterien, die an dieser Stelle unterbleiben soll.

399

400

401 402

Vgl. WEIBLER (Personalführung, 2001), S. 375. Vgl. auch für eine umfangreiche Aufstellung zu materiellen und immateriellen Anreizformen. Vgl. SIEBERTZ (Personalwesen, 2000), S. 1183-1184. Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 62.

134

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

feste und variable Anteile enthalten.403 Bei außertariflich vergüteten Mitarbeitern werden bilaterale Vereinbarungen zur Entlohnung getroffen, die insgesamt besser sein müssen als aktuell geltende Tarifverträge. Eine Zustimmung zur grundsätzlichen Vergütungspolitik in der Bank ist jedoch durch den Betriebsrat zu leisten.404 Ein offensichtlicher Nachteil einer vollständig festen Vergütung durch ein Fixgehalt stellt die Tatsache dar, dass das persönliche Engagement des einzelnen Mitarbeiters lediglich durch eine dauerhafte Gehaltserhöhung belohnt werden kann.405 Leistungsträger müssen jedoch darüber hinaus durch leistungsabhängige Boni an das Institut gebunden werden. In der Vergangenheit hat daher der variable Anteil der Vergütung stetig zugenommen. Durch die Variabilisierung der Gehälter hat die Bank neben einer leistungsgerechten Vergütung auch die Möglichkeit, Teile der Personalfixkosten in variable Personalkosten umzuwandeln.406 Variable Gehaltssysteme sind daher die populärsten Führungssysteme des Personalmanagements geworden.407 Ein solches leistungsorientiertes Vergütungssystem unterliegt dabei folgenden wesentlichen Anforderungen:408

403

404 405 406 407

408

409

x

Beeinflussbarkeit: Die gesteckten Ziele und damit die Höhe des Leistungsbonus muss vom Mitarbeiter beeinflussbar sein, um keine Mitnahmeeffekte zu generieren. Die individuelle Zurechnung der Leistung ist dabei notwendig.

x

Transparenz: Die Entscheidungsprozesse und die zu Grunde liegenden Ergebnisse zur Vergabe des Leistungsbonus sollten transparent gestaltet sein, um Nachvollziehbarkeit zu erreichen. Andernfalls könnte die Kausalkette zwischen guter Leistung und einem hohem Leistungsbonus aufgebrochen werden.409

Die Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken begrenzen den variablen Anteil auf 8 % des jährlichen Tarifgehalts (vgl. AGV (Tarifverträge, 2006), S. 43). Neuerliche Verhandlungen zum Banktarif am 16.9.2008 wurden auf unbestimmte Zeit vertagt. Vgl. SIEBERTZ (Personalwesen, 2000), S. 1183. Vgl. SIEBERTZ (Personalwesen, 2000), S. 1184. Vgl. DÜRR/HAFERBIER (Personalmanagement, 2004), S. 17; PORRAS (Vergütung, 2007), S. 31. Vgl. WIENKAMP (Anreizförderung, 1996), S. 280. Eine grundlegende Diskussion über die Sinnhaftigkeit variabler Gehaltsbestandteile soll an dieser Stelle unterbleiben (vgl. dazu CISEK (Vergütung, 2003)). Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 76 und S. 133; BECKER (Anreizsysteme, 1985), S. 74-80; WIENKAMP (Anreizförderung, 1996), S. 273-274; RINKER (Anreizsysteme, 1997), S. 24-25 und S. 27; SIEBERTZ (Personalwesen, 2000), S. 1185; KRUSE (Vergütungssysteme, 2002), S. 34-35. Es können noch weitere Anforderungen formuliert werden, jedoch haben die hier dargestellten die stärkste Verbreitung in der wissenschaftlichen Theorie erfahren. Vgl. für weitere Anforderungen SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 76. Im Rahmen einer empirischen Umfrage wurde dieser Punkt für die Praxis moniert. Die Leistungsbezogenheit der Tantieme wird zwar offiziell innerhalb der Bank bestätigt, Transparenz über deren Verteilung gibt es allerdings nicht (vgl. BUCKSTEEG (Vergütungspolitik, 1994), S. 157).

Ausgestaltung von Vergütungssystemen

135

x

Spürbarkeit: Die Höhe des Leistungsbonus sollte anteilig zum aktuellen Fixgehalt in der Weise festgelegt werden, dass sie vom Mitarbeiter spürbar wahrgenommen werden kann. Nur so kann sichergestellt werden, dass diese Anerkennung auch als solche empfunden wird.

x

Flexibilität: Die Art der leistungsabhängigen Vergütung sollte flexibel gestaltet werden können, da der Grad der Zufriedenheit nicht immer mit der Höhe des Gehaltes korreliert. Alternative Vergütungsformen könnten eine höhere Zufriedenheit bedeuten.

Das Ziel einer variablen Vergütung ist es, die Motivation des Mitarbeiters zu steigern und dessen Fokus durch eine zielgerichtete Anreizbestimmung auf die strategischen Ziele der Bank zu lenken. Diese Leistungsmotivation und synchronisation wird zusätzlich durch die Funktion der Leistungsevaluation ergänzt. Diese beschreibt die Leistungsmessung und -bewertung.410 Die gesteckten Ziele können dabei im Rahmen einer Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter operationalisiert werden.411 Bei der Gestaltung von Zielvereinbarungssystemen sind wiederum die grundlegenden Anforderungen an ein Vergütungssystem zu beachten. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die adäquate Festlegung der Zielsetzung. Ziele dürfen dabei weder zu ambitioniert noch zu einfach sein, um die notwendigen motivatorischen Effekte zu unterstützen.412 Die festgelegten Ziele sollten jedoch nicht nur operative Ergebnisziele, sondern müssen auch strategische Personalentwicklungsziele umfassen.413 Werden die bisher dargestellten Vergütungsformen im Rahmen einer Vergütungsstruktur dargestellt, ergibt sich folgendes Bild:414

410 411 412 413

414

Vgl. SCHIERENBECK (Vergütungssysteme, 1996), S. 180. Vgl. DÜRR/HAFERBIER (Personalmanagement, 2004), S. 18. Vgl. WEIBLER (Personalführung, 2001), S. 362. Vgl. SVOBODA (Erfolg, 2002), S. 377. In diesem Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass eine leistungsorientierte Vergütung lediglich auf Basis von erzielten Ergebnissen vorgenommen wird und nicht auf den reinen Anstrengungen des Mitarbeiters beruht (vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 110-111). Vgl. WIENKAMP (Anreizförderung, 1996), S. 272.

136

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

+ = + = + +

Tarif- oder Grundgehalt Tarif- oder vertraglich zugesicherte Zulagen und Leistungen Fixgehalt variable Leistungen (Tantieme, Boni) Gesamtgehalt (Barvergütung) gehaltliche Nebenleistungen (z. B. Fahrtkostenerstattung) (evtl.) Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung

= Gesamtvergütung

Die Bedeutung des Tarif- oder Grundgehalts ist weiter hoch, wurde jedoch in den vergangenen Jahren verstärkt durch Boni und Tantiemen zurückgedrängt.415 Neben der monetären Vergütung in Form eines Gehalts und Boni gibt es weitere nicht-monetäre Anreize, wie z. B. Arbeitsplatzgestaltung, Aufstiegsmöglichkeiten oder Aus- und Weiterbildung.416 Darüber hinaus können so genannte „CafeteriaModelle“ sowohl zu den monetären als auch zu den nicht-monetären Anreizen gehören. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der Mitarbeiter die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Optionen besitzt. So können z. B. Bonuszahlungen in Bar ausgezahlt, in Altersvorsorge oder in Freizeit umgewandelt werden.417 Wie die monetären zählen auch die nicht-monetären Anreizkomponenten zu den extrinsischen Anreizen. Eine grundlegende andauernde Arbeitsmotivation kann jedoch nur aus der intrinsischen Motivation heraus gewonnen werden. Dies ist z. B. die Identifikation mit der Arbeit und der Kultur des Unternehmens.418 Insgesamt ist somit von einer Variabilisierung der Entlohnung im gesamten Bankenbereich auszugehen. Im Folgenden soll dazu ein spezieller Fokus auf den Vertrieb gelegt werden. 2.

Entlohnungs- und Anreizsysteme im Vertrieb

Im vorangegangenen Abschnitt wurden Gegebenheiten dargestellt, wie sie im Rahmen der Gesamtbank in Bezug auf Anreiz- und Entlohnungssysteme Anwendung finden. Weiterführend dazu stehen nun Anreiz- und Entlohnungskonzepte speziell für den Vertrieb im Vordergrund. Der Vertrieb nimmt beim Thema leistungsorientierter Vergütung eine hervorgehobene Stellung innerhalb der Bank ein. Hintergrund stellt der direkte Zusammenhang zwischen der Entscheidungshandlung des Mitarbeiters und dem Bankergebnis dar. Des Weiteren ist der Erfolg des Vertriebsmitarbeiters direkt messbar.419 Daher nutzen fast alle Institute (rund 415 416 417 418 419

Vgl. BÖHMER (Vergütung, 2003), S. 130. Vgl. RINKER (Anreizsysteme, 1997), S. 32. Vgl. WIENKAMP (Anreizförderung, 1996), S. 274-275. Vgl. BÖHMER (Vergütung, 2003), S. 32. Vgl. BÜSCHGEN (Vergütungssysteme, 2001), S. 534.

Entlohnungs- und Anreizsysteme im Vertrieb

137

94 %) eine variable Vergütungsstruktur und wenden diese auch für die Vertriebsbereiche an.420 Die zentrale Herausforderung im Rahmen einer leistungsorientierten Vergütung ist die Wahl der Bezugsgrößen, auf Basis derer der Erfolg gemessen werden soll. Es müssen so genannte Leistungsbemessungsfaktoren bzw. Bestimmungsfaktoren gefunden werden, die einerseits den Unternehmenserfolg unterstützen und andererseits die Mitarbeitermotivation fördern.421 Nachfolgende Abbildung soll grundsätzlich mögliche Bemessungsfaktoren aufzeigen und systematisieren. Leistungsbemessungsfaktoren qualitativ (nicht monetär) Leistungsergebnis* Standardziele x Kundenorientierung x Beschwerdeanzahl Strategieziele x Meilensteine x Projektziele x ...

x x x x

quantitativ (monetär)

Leistungsverhalten*

Einzel-/Teamleistung

Führungsverhalten Sozialverhalten Arbeitsverhalten ...

x x x x x x

Deckungsbeiträge Neugeschäftsvol. Kundenzahl/-Basis Risikoergebnis Kostenentwicklung ...

Gesamtbank x Zuwachs Betriebs-

ergebnis x Shareholder-Value x ROE x ...

* Aufspaltung in Einzel- und Teamleistung möglich.

Abb. 27: Leistungsbemessungsfaktoren im Rahmen der variablen Vergütung422 Leistungsbemessungsfaktoren sollten nach Möglichkeit sowohl aus den Bereichen der qualitativen als auch der quantitativen Faktoren gewählt werden. Dies stellt sicher, dass z. B. das Ziel einer Deckungsbeitragserhöhung nicht zu Lasten der Kundenzufriedenheit verfolgt wird.423 Die Möglichkeit der Verwendung von einzelnen Bestimmungsfaktoren richtet sich grundsätzlich nach deren Messbarkeit. Die Festlegung von allgemeinen Beurteilungskriterien der Leistungsmessung auf Mitarbeiterebene unterliegt jedoch gemäß § 84 Abs. 1 Ziffer 10 und § 94 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) der Zustimmung des Betriebsrats. Analog ist auch eine Zustimmung erforderlich, sofern diese Beurteilungskriterien geändert werden.

420

Vgl. BÖHMER (Vergütung, 2003), S. 234.

421

Vgl. SCHIERENBECK (Vergütungssysteme, 1996), S. 186-187. Eigene Darstellung in Anlehnung an SCHIERENBECK (Vergütungssysteme, 1996), S. 167; SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 81; DEGENER/PAPE (Anreizsystem, 2002), S. 57.

422

423

Vgl. GENSER/SCHMOLL (Zielvereinbarungen, 2004), S. 388.

138

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

Wie dargestellt, befindet sich der Retailbankensektor aktuell in einem starken Konditionenkampf, der nicht selten in Quersubventionsstrategien mündet. Im Rahmen des Vertriebs werden dabei durch die Vertriebsmitarbeiter oft auch Sonderkonditionen bewilligt. Die Anreizgestaltung muss daher auch dafür sorgen, dass nicht nur der bloße Absatz von Produkten, sondern auch die Berücksichtigung von Preisgrenzen belohnt wird. Andernfalls wäre die Profitabilität des Segments gefährdet. Das Anreizsystem sollte daher neben einer klaren Kompetenzregelung der Preisgestaltung auch die Einhaltung von sogenannten Konditionentableaus oder Zieldeckungsbeiträgen fördern.424 In einem Praxisbeispiel einer leistungsorientierten Vergütung bei einer Sparkasse standen z. B. besonders Volumengrößen der identifizierten Produkte als Bestimmungsfaktoren im Vordergrund. Diese starke Produktorientierung ist dabei jedoch Kritik unterworfen, da sie nicht dem Grundsatz der Kundenbedarfsorientierung folgt. In diesem Beispiel wurden jedoch die geforderten Volumina aus den bestehenden Kundenbedürfnissen abgeleitet und damit dieser Kritik widersprochen. Die Berücksichtigung einer Ertragsorientierung im Anreizsystem wurde mittels Margentableaus auf Basis der Marktzinsmethode sichergestellt.425 Deckungsbeitragsziele sowie Aktivitätenziele kamen nicht zur Anwendung. Ein weiterer Faktor bei der Etablierung eines leistungsorientierten Vergütungssystems stellt die Finanzierung dar. Die Gesamthöhe der ausgeschütteten Boni muss sich am tatsächlich erzielten Ertragszuwachs orientieren. Eine vollständige oder sogar übertroffene Zielerreichung darf nicht zu Ertragseinbußen führen.426 Im Folgenden sollen aufbauend zur bisherigen Darstellung von Entlohnungs- und Anreizsystemen diejenigen Anforderungen herausgearbeitet werden, die speziell für eine Berücksichtigung von Cross-Selling-Aspekten durch das Cross-SellingManagement zu erfüllen sind. 3.

Anforderungen an eine Cross-Selling orientierte Anreizgestaltung

In der bisherigen Darstellung zur Vergütung bei Banken konnte gezeigt werden, dass es bereits eine große Anzahl an Ausprägungsformen zur leistungsgerechten Entlohnung gibt. Besonders im Vertrieb und damit auch für das Cross-Selling kommen vor allem variable Vergütungssysteme zum Einsatz. Aufbauend ist zu

424 425

426

Vgl. KLENK/POTTHOFF (Sonderkonditionen, 2007), S. 44. Vgl. DEGENER/PAPE (Anreizsystem, 2002), S. 56-57. Die alleinige Ausrichtung an Deckungsbeitragszielen greift jedoch auch nach Meinung von DÜRR/HAFERBIER (Personalmanagement, 2004), S. 17 zu kurz. Vgl. DÜRR/HAFERBIER (Personalmanagement, 2004), S. 18. Dazu werden vor in Kraft treten der leistungsorientierten Vergütung Simulationsrechnungen durchgeführt, die auf Basis verschiedener Szenarien Aussagen über das Kosten-/ Ertragsverhältnis geben.

Anforderungen an eine Cross-Selling orientierte Anreizgestaltung

139

klären, wie ein solches Vergütungssystem angepasst werden muss, um CrossSelling relevante Sachverhalte abbilden zu können. Das hauptsächliche Anpassungserfordernis entsteht aus der Festlegung von Cross-Selling geeigneten Bestimmungsfaktoren, an denen der einzelne Mitarbeiter gemessen werden soll.427 Für die Ausgestaltung eines Anreizsystems kann die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Messergebnisse des Cross-Selling-Prozesses als Bemessungsfaktoren zum Einsatz kommen.428 Darüber hinaus müssen explizit auch die Einflussfaktoren auf das Cross-Selling als nicht-monetäre Leistungsbemessungskriterien angewendet werden.429 Schon jetzt setzen sich die bei den Banken verwendeten Bestimmungsfaktoren aus quantitativen Faktoren (rund 86 %) und qualitativen (rund 65 %) zusammen. Bei rund 66 % der Banken sind die Bestimmungsfaktoren nicht nur an die Einzelleistung, sondern auch an Teamziele geknüpft.430 Einflussfaktoren als primär qualitative Faktoren sind somit als Leistungsbemessungsfaktoren geeignet und werden auch bereits angewendet.431 Die Anforderung an die Bestimmungsfaktoren ist, dass diese vom Mitarbeiter direkt beeinflussbar sind. Teambezogene Bemessungsgrößen auf der anderen Seite müssten auch als Teamleistung bewertet werden können. Die Bestimmungsgrößen einer variablen Vergütungsstruktur resultieren dabei grundsätzlich aus den Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen in Bezug auf ein vorher festgelegtes strategisches Oberziel.432 Dies kann neben dem reinen Unternehmenserfolg auch die Steigerung des Cross-Sellings bedeuten. Mit Bezug auf das Cross-Selling wird vor allem die Kontakthäufigkeit des Mitarbeiters mit dem Kunden als Bemessungsfaktor in den Vordergrund gestellt. Für Cross-Selling ist besonders der häufige Kontakt zu den Kunden notwendig, was eine Wahl der Kontakthäufigkeit als Bestimmungsmaß notwendig erscheinen lässt.433 Die alleinige Bemessung der Kontaktanzahl mit dem Kunden kann jedoch noch keine umfassende Anreizorientierung mit Cross-Selling-Bezug bieten. Außerdem wurde in der Literatur vorgeschlagen, eine anreizorientierte Steuerung an Bestimmungsfaktoren wie die der Vergrößerung der Cross-Selling-Quote oder der Cross-Selling-Potenziale zu knüpfen.434 Hierbei wird jedoch außer Acht gelas-

427

Vgl. SCHIERENBECK (Vergütungssysteme, 1996), S. 187.

428

Vgl. SCHULTZ (Investitionscontrolling, 2005), S. 90. Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 82.

429 430 431 432 433 434

Vgl. BÖHMER (Vergütung, 2003), S. 249. Vgl. JENSEN (Vergütungssysteme, 2006), S. 403. Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 80. Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 143. Vgl. EMERSON/MARKS (Compensation, 2006), S. 45.

140

Cross-Selling-Management als Teil des Vertriebsmanagements im Retailbanking

sen, dass der einzelne Mitarbeiter die Höhe der Potenziale nicht direkt steuern kann. Der ihm zugeteilte Kundenstamm mit seinen Eigenheiten muss als gegeben angenommen werden. Zudem müssen zwingend wertorientierte Komponenten aus der Kunden- und Produktkalkulation integriert werden.435 Gemäß einer Umfrage in der US-Finanzdienstleistungsindustrie verwenden rund 63 % der Unternehmen ein Entlohnungssystem, das Cross-Selling-Bestimmungsfaktoren berücksichtigt Bei drei von vier dieser Finanzdienstleister gibt es eine solche Cross-Selling-Orientierung jedoch einzig und allein für den Vertriebsbereich. Diese sind damit allerdings auch zufriedener als diejenigen, die auch andere Bereiche an ein Cross-Selling-Anreizsystem binden.436 Speziell in Bezug auf die US-amerikanische Community Banks incentivieren jedoch nur rund 21 % der Institute Cross-Selling-Anstrengungen der Vertriebsmitarbeiter.437 Für den deutschen Markt wurde nach bisheriger Erkenntnis noch keine Umfrage speziell zur Cross-Selling-Orientierung im Anreizsystem durchgeführt. Fraglich bleibt daher, welche Bestimmungsfaktoren in die Anreizgestaltung mit eingehen sollten, um eine vollumfängliche Cross-Selling-Orientierung zu erreichen. Nur so wird gewährleistet, dass der Mitarbeiter zur Optimierung des Oberziels des Cross-Sellings vollumfänglich beiträgt und Cross-Selling-Erfolge erzielt werden.438 Um sich für ein bestimmtes Set an Bestimmungsfaktoren entscheiden zu können, muss in einem ersten Schritt der gesamte Cross-Selling-Prozess daraufhin untersucht werden, welche Messergebnisse sich als Bestimmungsfaktoren eignen. Bemessungsfaktoren können grundsätzlich aus allen Messergebnissen des Cross-Selling-Prozesses abgeleitet werden, sofern die geforderten Kriterien der Beeinflussbarkeit und Transparenz erfüllt werden. Am Beispiel der Cross-SellingPotenziale zeigt sich jedoch, dass diese nicht als Anreizfaktoren dienen können, da sie durch den Einzelnen nur schwer beeinflussbar sind.439 Für ein Cross-Selling orientiertes Anreizsystem sind daher lediglich die Messungen des Cross-SellingErfolgs und der -Einflussfaktoren zu prüfen. Ein Erfolgsmessinstrument in Form des Aktivitäten-Controllings wurde bereits dargestellt. Die alleinige Fokussierung auf Cross-Selling orientierte Bestimmungsfaktoren im Rahmen der Vergütung kann jedoch nicht sinnvoll sein. Vielmehr sollte eine Mischung aus Bestandskun435 436 437 438 439

Vgl. SCHIERENBECK ET AL. (Vergütungssysteme, 1996), S. 99. Vgl. TOWERS PERRIN (Incentives, 2004), S. 5 und S. 10. Vgl. COCHEO (Community, 1997), S. 55. Vgl. BÜSCHGEN (Grundlagen, 1999), S. 222. Es kann davon ausgegangen werden, dass einem Berater im Retailbanking ein gewisser Kundenstamm zugeteilt wird. Die Potenziale in dieser Teilgesamtheit sind somit für den einzelnen nicht beeinflussbar. Des Weiteren werden Potenziale mittels interner Modelle berechnet, so dass deren Quantifizierung für den Einzelnen nicht transparent ist.

Anforderungen an eine Cross-Selling orientierte Anreizgestaltung

141

denzielen und Neukundenakquisitionszielen zur Umsetzung der Unternehmensstrategie gewählt werden. Im Ergebnis sollten sowohl strategische Vertriebsziele als auch Ziele, die zu einer nachhaltigen Entwicklung des Instituts beitragen, Anwendung finden.440 Im Folgenden Teil 2 wird ausführlich gezeigt, welche Messungen in den einzelnen Prozessschritten durchgeführt werden. Im Rahmen der kritischen Würdigung der Erfolgsmessverfahren und der Betrachtung der Einflussfaktoren soll dabei untersucht werden, ob die einzelnen Messergebnisse als Bestimmungsfaktoren für ein Cross-Selling orientiertes Anreizsystem herangezogen werden können.

440

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER/SCHNEIDER (Sales, 2008), S. 149.

Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling

143

2. Teil: Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling Im vorangegangenen Teil der Untersuchung konnte die erste Forschungsfrage nach der Ausgestaltung eines Cross-Selling-Managements im Retailbanking beantwortet werden. Dabei wurde zum einen das Wesen von Cross-Selling herausgearbeitet und zum anderen gezeigt, auf welche Kalkulations- und Kenngrößen im Vertriebsmanagement das Cross-Selling Einfluss nimmt. Des Weiteren wurden bankorganisatorische und informationstechnologische Aspekte aufgegriffen sowie Voraussetzungen für eine Cross-Selling orientierte Anreizgestaltung untersucht. Weiterführend soll die zweite Forschungsfrage nach den Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling im Vordergrund stehen. Diese Methoden werden dazu in den ersten beiden Kapiteln dieses Teils strukturiert dargestellt. Die Ergebnisse der Messungen von Cross-Selling bilden die Grundlage für einen Soll-Ist Vergleich. Nur wenn die Abweichung von den Zielgrößen bekannt ist, können auch adäquate Steuerungshandlungen ergriffen werden. Hauptaugenmerk soll hierbei neben dem Cross-Selling-Prozess auch auf der Beschreibung von Einflussfaktoren und Möglichkeiten zu deren Messung liegen. Nur wenn die Veränderungen von Einflussfaktoren im Zeitablauf richtig bewertet werden, sind diese Messergebnisse auch für die Steuerung von Cross-Selling nutzbar. Außerdem soll untersucht werden, wie die verfügbaren Messergebnisse in die Steuerung einfließen können. Die Ergebnisse der ersten beiden Kapital bilden die Grundlage für die empirische Untersuchung zur Verwendung der Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis am Ende dieses zweiten Teils. Mittels der Untersuchung des Status quo soll die zweite Forschungsfrage abschließend beantwortet werden. Im anschließenden dritten Teil wird in der Folge auf Basis dieser Ergebnisse ein Konzept zur Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung entwickelt.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

145

A. Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge I. Methoden der Potenzialmessung und -steuerung Am Beginn des Cross-Selling-Prozesses steht immer die Notwendigkeit der Ermittlung von Potenzialen im Kundenstamm. In diesem Abschnitt sollen neben den Methoden zur Messung von Cross-Selling-Potenzialen auch mögliche Ergebnistypen der Messung aufgezeigt werden. Zudem liegt ein Fokus darauf, wie diese Ergebnisse in der Folge in die Steuerung eingehen können. 1.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

Es gibt eine Vielzahl von Modellen zur Ermittlung von Potenzialen, die je nach Analyseziel sehr individuell ausgestaltet sind. Ein relativ einfaches Modell stellt die bereits beschriebene Lebenszyklusanalyse dar. Auf Basis dieser statischsegmentspezifischen Vorgehensweise kann der Produktbedarf auf Basis des Alters des Kunden grob abgeschätzt werden.441 Diese Methode ist jedoch zu pauschal, da sie nur ein Kriterium (Kundenalter) zur Bedarfsanalyse heranzieht.442 Es haben sich verschiedene weitere produktbezogene Potenzialanalyseverfahren herausgebildet. Diese versuchen Aussagen auf Basis einer Einzelkundenbetrachtung abzuleiten, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Kunde ein spezifisches Produkt als nächstes nachfragt. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch als Kundenaffinität bezeichnet.443 Die Potenzialbestimmung wird dabei mittels Methoden der Statistik, der künstlichen Intelligenz, des maschinellen Lernens oder der Mustererkennung vorgenommen.444 Die Zahl der Verfahren ist überaus umfangreich, so dass hier lediglich eine Auswahl der typischen Anwendungen dargestellt wird.445 Ziel dieses Abschnitts ist es daher, einen Überblick über die gängigen Methoden zu geben. Es soll zudem geklärt werden, auf Basis welchen Vorgehens die Ergebnisse der Potenzialmessung zu Stande kommen und welche Unterschiede in deren Ermittlung 441 442 443 444 445

Vgl. 1. Teil: A.II.3; CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 183. Vgl. KEPPLER (Determinanten, 2006), S. 29. Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 184. Vgl. 1. TEIL: A.III.1. Die Auswahl basiert auf den Ausführungen folgender Autoren zur Wichtigkeit der Verfahren bei der Potenzialbestimmung: BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 252; MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 51; GERSTEN (Zielgruppenselektion, 2005), S. 74; SÄUBERLICH (Hilfsmittel, 2000), S. 44; DUTTENHÖFER (Identifikation, 2004), S. 516.

146

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

bestehen.446 Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verfahren, die weiterführend näher beschrieben werden: Verfahren

Vorgehen

Assoziationsmethoden und Clusteranalyse

Aufdeckung struktureller Zusammenhänge und Zuordnung des Kunden in eine Klasse. Ziel ist es, dem Kunden dasjenige Produkt anzubieten, das er in seiner zugeordneten Klasse noch nicht bezogen hat (strukturentdeckend).

Regressions- und Diskriminanzanalyse

Ermittlung der Kaufbereitschaft auf Basis von Kundeneigenschaften durch Prüfung struktureller Zusammenhänge (strukturprüfend).

Entscheidungsbaumverfahren

Ableitung des Produktbedarfs über die Aufstellung von „Wenn-dannBeziehungen“ im Rahmen eines Baumverfahrens.

Neuronale Netze

Modellierung nicht linearer Zusammenhänge zur Berücksichtigung differenzierter Aspekte bei der Produktnachfrage.

Tab. 9: Produktorientierte Verfahren der Ermittlung des Cross-SellingPotenzials Die Komplexität der Verfahren nimmt mit den Assoziationsmethoden beginnend bis zu den neuronalen Netzen stetig zu. Daher sollen die Verfahren in aufsteigender Komplexität betrachtet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde das CrossSelling-Potenzial als der Bedarf des Kunden, unabhängig von dessen bereits erfolgter Deckung, definiert. Die hier dargestellten Modelle können jedoch auch unabhängig der herangezogenen Potenzialdefinition verwendet werden. Schon gedeckte Produktbedürfnisse – sofern diese bekannt sind – werden dabei im Rahmen der Modelldefinition berücksichtigt. Alle in Tab. 9 dargestellten Verfahren haben gemeinsam, dass nur durch einen verlässlichen Bestand an Eingangsdaten gute Ergebnisse zu erzielen sind. Sofern Einzelkundendaten nicht vorhanden sind, kann im Ergebnis lediglich eine Durchschnittsbewertung angestellt werden, deren Aussagekraft begrenzt ist.447 Eine allgemeingültige Aussage darüber, welches Modell am besten zur Potenzialschätzung geeignet ist, kann allerdings nicht gegeben werden. Im Rahmen der praktischen Umsetzung hat sich gezeigt, dass sich die Güte der Modelle je nach Modellkonfiguration unterscheidet. Eine Entscheidung für den Einsatz einer bestimmten Methode muss daher auf Basis deren individueller Aussagegüte vorgenommen werden.448 Assoziationsmethoden beschäftigen sich mit der Aufdeckung struktureller Zusammenhänge. Im Ergebnis wird auf Basis festgelegter Merkmale eine Wahr446 447 448

Für einen vertiefenden Einblick in die Verfahren wird auf die hier zitierte Literatur verwiesen. Vgl. DILLER (Steuerungsgröße, 2002), S. 310. Vgl. TIETZ ET AL. (Optimierung, 2001), S. 783; KNOTT/HAYES/NESLIN (Next, 2002), S. 69.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

147

scheinlichkeit für einen bestimmten Produktkauf ermittelt. Folgendes Beispiel kann das Vorgehen verdeutlichen: 800 200

Gesamtheit aller Transaktionen Männliche Hypothekenkreditbesitzer

80

Männliche Hypothekenkredit- und Privatkreditbesitzer

100

Männliche Privatkreditbesitzer

Ź Männliche Kunden, die einen Hypothekenkredit besitzen, fragen mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 % auch einen Privatkredit nach.

Abb. 28: Beispiel einer Assoziationsregel Angenommen von 800 Transaktionen im Retailbanking entfallen 200 auf männliche Kunden, die einen Hypothekenkredit besitzen. 100 männliche Kunden haben einen Privatkredit bezogen und davon besitzen 80 Kunden auch einen Hypothekenkredit. Hieraus kann nun eine Aussage folgender Form abgeleitet werden: Männliche Kunden, die einen Hypothekenkredit besitzen, fragen mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 % auch einen Privatkredit nach. Dabei weisen 10 % aller Transaktionen die Kombination männlich, Hypothekenkredit und Privatkredit auf.449 Besitzt ein männlicher Kunde somit einen Hypothekenkredit beträgt die Cross-Selling-Wahrscheinlichkeit für einen Privatkredit 40 %. Anhand dieses Beispiels können zum weiteren Verständnis der Assoziationsmethode folgende Begriffe unterschieden werden: Items stellen nichtinterpretierbare, diskrete Größen, wie z. B. männlich oder Privatkredit, dar. Aufbauend darauf können Assoziationsregeln gebildet werden, die von einer Menge an Items A auf eine Itemmenge B schließen lassen. In obigem Beispiel wäre die Itemmenge A {männlich; Hypothekenkredit} und B {männlich; Privatkredit}. Die Konfidenz der Regel gibt folglich an, welcher Anteil an den Transaktionen mit den Items A die Assoziationsregel unterstützt. In obigem Beispiel ist dies für 40 % der Fälle erfüllt. Der Support, also die Unterstützung, zeigt dabei an, welchen Anteil die Assoziationsregel an der Grundgesamtheit aller Transaktionen besitzt. Im Beispiel handelt es sich um 10 % der Fälle. Dieses recht einfache Beispiel wird mit Erhöhung der zur Verfügung stehenden Items und der Anzahl an Transaktionen komplexer. Allein die Grundgesamtheit der möglichen Items kann im Retailbanking schon mehrere Hundert betragen.450 Würde man alle möglichen Varianten 449

Vgl. KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 115.

450

Vgl. 1. Teil: B.II.3

148

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

von Assoziationsregeln berechnen, ergibt sich daraus eine Vielzahl an möglichen Kombinationen, die z. T. jedoch nur vereinzelt auftreten. Aus diesem Grund werden nur diejenigen herangezogen, die einen gewissen Unterstützungs- bzw. Konfidenzwert in Bezug auf den Erklärungsgehalt überschreiten.451 Die Verwendung von Assoziationsregeln hat den Vorteil, dass diese unmittelbar verständlich und damit auch leicht kommunizierbar sind.452 Jedoch müssen die Ergebnisse immer durch den Nutzer selbst interpretiert werden. Der Hauptnachteil der Assoziationsanalyse besteht darin, dass meist eine Vielzahl an Regeln generiert wird, sofern dies nicht durch Filter (Ausschließen von Abfragen) oder den Unterstützungs- bzw. Konfidenzwert eingeschränkt ist.453 Bei der Clusteranalyse handelt es sich wie bei der Assoziationsmethode um ein strukturentdeckendes Verfahren. Im Rahmen dessen werden unterschiedliche Kundenklassen gebildet, deren Zusammensetzung homogen ist, die sich von anderen Klassen (Clustern) jedoch möglichst stark unterscheiden. Der Kunde wird einem Cluster zugeordnet, dem er am ehesten entspricht. Es wird ihm daraufhin dasjenige Produkt empfohlen, das er, im Gegensatz zu einem Kunden, der ihm am ähnlichsten ist, noch nicht besitzt. Das Verfahren wird daher häufig auch zur Segmentierung eingesetzt.454 Das Vorgehen bei der Clusteranalyse lässt sich in zwei Schritten beschreiben. Im ersten Schritt wird die Unterschiedlichkeit der Kunden mittels aller zur Verfügung stehenden Variablen (z. B. Alter, Produkt,...) berechnet. Dies geschieht mit sogenannten Ähnlichkeits- oder Unähnlichkeitsmaßen (Proximitätsmaße), wie z. B. der euklidischen Metrik. Im zweiten Schritt werden die einzelnen Objekte mittels Algorithmen (Fusionierungsalgorithmen) den möglichst homogenen Klassen zugeordnet.455 Die Anzahl der Klassen orientiert sich dabei am gewählten Maß der Homogenität des Clusters. Dieses Maß bestimmt, wie groß die Unterschiedlichkeit innerhalb der Klassen sein darf. Je höher die geforderte Homogenität, desto höher ist in der Folge auch die Anzahl von Clustern. Umgekehrt kann die Anzahl der Klassen auch sachlogisch festgelegt werden, obwohl dies Grund der Unwissenheit über die Qualität der Entscheidung nicht zu empfehlen ist.456

451

Vgl. BOLLINGER (Assoziationsregeln, 1996), S. 258.

452

Vgl. HIPP (Wissensentdeckung, 2003), S. 4. Vgl. HETTICH/HIPPNER (Assoziationsanalyse, 2001), S. 444 und S. 447.

453 454

455

456

Vgl. RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 8; KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 112; BUXEL/BUCKLER (CrossSelling, 2003), S. 252; HIPPNER/SCHMITZ (Data Mining, 2001), S. 608. Vgl. KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 112. Für eine Darstellung möglicher Ähnlichkeitsmaße vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 502 und RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 10. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 534.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

149

Die Verfahren der Clusteranalyse werden in hierarchische oder partitionierende Verfahren unterschieden. Hierarchische Verfahren verfolgen ein sequentielles Vorgehen und fassen die Objekte paarweise zusammen. Es wird damit begonnen, alle Objekte als einzelne Cluster zu definieren. In den folgenden Schritten werden die Cluster immer weiter zusammengefasst. Als Ergebnis davon entsteht ein hierarchisch binärer Baum.457 Dieser wächst mit steigendem Stichprobenumfang jedoch exponentiell. Partitionierende Verfahren sollen dies dadurch beheben, dass die Anzahl der Klassen dynamisch bestimmt wird, ohne dass eine Baumstruktur Anwendung finden muss. Den Ausgangspunkt bildet hier eine gegebene Gruppierung, innerhalb derer die einzelnen Objekte im Rahmen der Optimierung umgeordnet werden können. Die geforderte Homogenität innerhalb der Gruppe und die Heterogenität zwischen den Gruppen ist mittels dieses Verfahrens jedoch nicht immer gegeben. In der Praxis lassen sich Objekte z. T. nur schwer den einzelnen Gruppen zuordnen.458 Die Regressionsanalyse und die Diskriminanzanalyse gehören zu den strukturprüfenden Verfahren. Während die Assoziationsmethoden und die Clusteranalyse zum Ziel haben, Strukturen in Bezug auf den gestellten Untersuchungsgegenstand zu identifizieren, sollen hier bestehende Strukturen herangezogen und diesen die unbekannten Objekte zugeordnet werden. Die Regressionsanalyse als das am weitest verbreitete statistische Verfahren dient zur Ermittlung der Zusammenhänge von abhängigen und unabhängigen Variablen. Ziel ist es, z. B. den Zusammenhang zwischen dem Kauf und ausgewählten soziodemographischen Merkmalen zu bestimmen. Dies wird über die Regressionsfunktion R berechnet. Sie besitzt als so genannte einfache Regression für eine unabhängige Variable X die lineare Grundform: R = b0 + b1X1 Der Faktor b1 bezeichnet hierbei den Regressionskoeffizienten und b0 eine Konstante. Diese werden im ersten Schritt mittels bereits bekannter Ausprägungen von unabhängigen und der dazu abhängigen Variablen geschätzt.459 Dazu werden die bereits bekannten Kombinationen in ein Koordinatensystem eingetragen und die entstehende Punktwolke durch die Regressionsfunktion näherungsweise beschrieben. Mit Hilfe dieser Funktion kann im zweiten Schritt die abhängige Variable für bisher unbekannte Objekte näherungsweise geschätzt werden. Die Zielfunktion 457 458

459

Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 514. Vgl. KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 112-113; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 512. Für ein Beispiel einer praktischen Anwendung des Verfahrens vgl. HIPPNER/SCHMITZ (Data Mining, 2001) sowie PELTIER ET AL. (Psychographics, 2002). Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 54.

150

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

wird mittels der Methode der kleinsten Quadrate ermittelt. Hierbei werden die Koeffizienten der Gerade so bestimmt, dass die Summe der quadrierten Abstände der zu Grunde liegenden Werte zur Gerade minimiert wird. Durch die Quadrierung der Abstände erfahren Punkte, die weiter von der zu bestimmenden Regressionsgerade entfernt sind, eine größere Gewichtung.460 Zur Berücksichtigung von mehreren Variablen lässt sich die Grundform zu folgender Form ergänzen: R = b0 + b1X1 + b2X2 + ... + biXi Die Koeffizienten dieser sogenannten multiplen Regression werden analog zur einfachen Regression berechnet. Zur Überprüfung der Güte der ermittelten Regressionsfunktion können verschiedene statistische Gütemaße herangezogen werden.461 In der Praxis lässt sich die Annahme des linearen Zusammenhangs zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen jedoch nicht immer bestätigen. Daher können mittels dieses Verfahrens auch nichtlineare Zusammenhänge, wie z. B. logarithmische oder exponentielle Abhängigkeiten, modelliert werden.462 Der Verlauf dieser Funktionen wird in nachfolgender Abbildung dargestellt. Diese zeigt auch die jeweils typische Punktwolke, die durch die Regressionsfunktion näherungsweise beschrieben werden soll.

Linear

Logarithmisch

Exponentiell

Niveauänderung

Trendänderung

Abb. 29: Lineare und nichtlineare einfache Regressionsfunktionen463 Die Schwierigkeit bei der Durchführung einer Regressionsanalyse besteht darin, dass grundsätzlich alle relevanten Einflussgrößen in die Berechnung mit eingehen sollten. Dies kann allerdings dazu führen, dass neben der Vernachlässigung von erklärenden Variablen (Underfitting) es auch dazu kommen kann, dass zu viele

460

Vgl. FAHRMEIR/KAUFMANN/KREDLER (Regressionsanalyse, 1996), S. 97; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 58-59.

461

Vgl. FAHRMEIR/KAUFMANN/KREDLER (Regressionsanalyse, 1996), S. 93; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 62. S. a. für einen Überblick über die Gütemaße. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 83.

462 463

Eigene Darstellung in Anlehnung an BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 82.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

151

Variablen (Overfitting) eingehen. Im Ergebnis erhält man in beiden Fällen eine verzerrte Aussage.464 Die Diskriminanzanalyse hat ähnlich der Regressionsanalyse zum Ziel, auf Basis einer Menge an (unabhängigen) Variablen (z. B. soziodemographische Merkmale) für ein Objekt auf eine Klassenzugehörigkeit (abhängige Variable) zu schließen (z. B. Interessent für eine Kreditkarte). Ziel ist es, Gruppenunterschiede festzustellen, um Aussagen darüber treffen zu können, ob sich Gruppen auf Basis der Variablen signifikant unterscheiden und welche Variablen für eine solche Differenzierung notwendig sind.465 Dazu wird in einem ersten Schritt die Diskriminanzfunktion D als „Klassengrenze“ in der folgenden Form geschätzt: D = b0 + b1X1 + b2X2 + ... + biXi Xi bezeichnet die jeweilige erklärende Variable und bi denjenigen Anteil mit dem die erklärende Variable in die Diskriminanzfunktion eingeht, den Diskriminanzkoeffizient. Im Ergebnis erhält man den Diskriminanzwert.466 Diese lineare Grundform der Funktion gleicht der Grundform der multiplen Regressionsanalyse. Unterschiede zwischen der Diskriminanz- und der Regressionsanalyse bestehen hauptsächlich in den möglichen Wertebereichen der Variablen. Außerdem beschreibt im Regressionsmodell die abhängige Variable (z. B. Kauf eines Privatkredites) eine Zufallsvariable, wohingegen die unabhängigen Variablen (z. B. Alter, Wohnort, etc.) als fix angesehen werden. Die Diskriminanzanalyse geht genau vom umgekehrten Fall aus, nämlich dass die abhängige Variable fix ist und die unabhängige zufällig variiert.467 Da die Diskriminanzanalyse, wie die Regressionsanalyse, ein strukturprüfendes Verfahren ist, werden die Koeffizienten mittels Objekten geschätzt, deren Klassenzugehörigkeit bereits bekannt ist.468 Sind nun z. B. zwei Gruppen gegeben, die zum einen typische Käufer eines Privatkredites (A) und zum anderen typische Abnehmer einer Kreditkarte (B) sind, kann mittels der Diskriminanzfunktion abgeleitet werden, welcher Gruppe ein bisher nicht klassifizierter Kunde zugerechnet wird. Dazu werden die ermittelten Diskriminanzwerte für jeden einzelnen vorhan-

464 465

466 467

468

Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 84-85. Vgl. FAHRMEIR/HÄUßLER/TUTZ (Diskriminanzanalyse, 1996), S. 357; BONNE/ARMINGER (Diskriminanzanalyse, 2001), S. 193; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 156; KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 107. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 161; KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 108. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 177. Die Regressionsanalyse lässt für die abhängige Variable lediglich Werte auf Intervallskalenniveau zu. Die Diskriminanzanalyse hingegen besitzt als abhängige Variable die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und damit Nominalskalenniveau. Vgl. BONNE/ARMINGER (Diskriminanzanalyse, 2001), S. 199. Auf die neuronalen Netze als wichtigstes dieser Verfahren wird später noch eingegangen.

152

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

denen Kunden kumuliert auf einer Diskriminanzachse abgetragen. Daraus ergibt sich eine Verteilung gemäß folgender Darstellung: Kumulierte Anzahl

Gruppe B

Gruppe A

DA

D* DK DB

Diskriminanzachse/ D Diskriminanzwerte

Abb. 30: Verteilung der Diskriminanzwerte auf der Diskriminanzachse469 Mittels folgenden Vorgehens kann ein Kunde klassifiziert werden. Für den bisher nicht klassifizierten Kunden wird im ersten Schritt ein Diskriminanzwert DK ermittelt. Je nachdem, ob dieser größer oder kleiner des Trennwertes D* ist, kann dieser einer der beiden Gruppen zugeordnet werden. Dieses Beispiel würde eine Einordnung in Gruppe B vornehmen, da DK > D*. An obiger Abbildung wird jedoch auch die Problematik des Verfahrens deutlich. Im gezeigten Fall sind die beiden Gruppen relativ trennscharf voneinander abgrenzbar und es besteht nur eine geringe Bandbreite an überlappenden Diskriminanzwerten (geringe Intragruppenvarianz). Wenn jedoch eine Vielzahl der Werte vom Zentrum einer Gruppe (DA oder DB) entfernt liegen, wird die Überlappungszone größer und eine Zuordnung somit trennunschärfer. Ein Maß der Unterschiedlichkeit zwischen den Gruppen bildet der Quotient aus der Streuung zwischen den Gruppen und der Streuung innerhalb der Gruppen.470 Dieses Unterschiedlichkeitsmaß dient auch zur Messung der Güte der Diskriminanzfunktion. Außerdem kann zur Beurteilung der Güte ermittelt werden, wie bekannte Gruppen klassifiziert würden, um dies mit den tatsächlichen Ausprägungen zu vergleichen.471 Für die Diskriminanzanalyse ist kritisch anzumerken, dass eine Normalverteilung der Merkmalswerte in der Regel nicht sauber erreicht wird.472 Eng verwandt mit der Diskriminanzanalyse ist das nachfolgend betrachtete Entscheidungsbaumverfahren.

469

Eigene Darstellung in Anlehnung an FAHRMEIR/HÄUßLER/TUTZ (Diskriminanzanalyse, 1996), S. 365; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 165.

470

Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 164. Für eine ausführliche Darstellung der Gütekriterien vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 179; FAHRMEIR/HÄUßLER/TUTZ (Diskriminanzanalyse, 1996), S. 366.

471

472

Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 70.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

153

Durch das Entscheidungsbaumverfahren sollen Regeln abgeleitet werden, die unklassifizierte Objekte vorhandenen Klassen zuordnen. Es handelt sich hierbei um eine spezielle Ausprägung einer nicht linearen Diskriminanzanalyse.473 Entscheidungsbäume leiten sich aus dem Konzept des induktiven (maschinellen) Lernens ab, mit Hilfe dessen Klassifizierungsregeln aufgestellt werden. Da Teile der vorhandenen Daten, deren Klassifizierung bereits bekannt ist, auch als Testdaten für die Messung der Güte des Verfahrens herangezogen werden können, wird auch von einem überwacht lernenden Verfahren gesprochen.474 Anhand folgender Abbildung lässt sich das Vorgehen im Rahmen des Entscheidungsbaumverfahrens anschaulich darstellen: M1 a12

a11

M2

M2 a22

a21

a23

a24 M3

M3 a31 G1

a32

G1

G2

G2

a33 G1

a34 G2

Abb. 31: Aufbau eines Entscheidungsbaums475 Der Entscheidungsbaum wird durch Aufteilen einer Gesamtheit mittels Merkmalen Mi schrittweise über disjunkte Teilmengen aufgebaut. Im Ergebnis sollen die zur Verfügung stehenden Objekte in die abschließenden Teilmengen G1 oder G2 zugeordnet werden. Die einzelnen Gruppen können mittels eines Vektors beschrieben werden. Ziel ist es, Regeln zur finalen Zuordnung der Objekte zu identifizieren.476 Die Teilmengen werden mittels einzelner Merkmalsausprägungen aij und der Merkmale Mi zerlegt. An jedem Merkmalsknoten Mi muss somit eine binäre Entscheidung auf Basis der Merkmalsausprägung am Objekt getroffen werden.477 Da die Gruppenzugehörigkeit der Objekte zu Beginn bekannt ist, werden 473

474

475

476 477

Vgl. KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 109. Es wird hierbei auch von einem „diskriminanzanalytischen Verfahren mit Erklärungskomponente“ gesprochen. Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 71; KÜSTERS (Methoden, 2001), S. 109; SÄUBERLICH (Hilfsmittel, 2000), S. 80. Eigene Darstellung in Anlehnung an RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 253; MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 71. Vgl. RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 254; SÄUBERLICH (Hilfsmittel, 2000), S. 80. Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 72.

154

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

solange neue Merkmalsausprägungen hinzugefügt, bis ein Knoten nur noch Elemente der Teilmengen G1 oder G2 enthält. In Bezug auf das Cross-Selling kann es z. B. die Gruppe der Nutzer einer normalen (G1) und einer Kreditkarte mit Zusatzleistungen (G2) geben. Durch das Aufspannen eines Entscheidungsbaumes können Regeln entwickelt werden, die eine Zuordnung von bisher unbekannten Kunden in eine der Gruppen erlaubt. Für die praktische Abschätzung einer Cross-Selling-Wahrscheinlichkeit sind jedoch verschiedene Fragestellungen zu beantworten. Erstens müssen die „richtigen“ Merkmalsknoten gewählt werden, um die Gruppen trennscharf abzugrenzen. Wie im Rahmen der Segmentierung gezeigt wurde, stehen eine Vielzahl von Kriterien zur Verfügung, die eine Teilmenge beschreiben können. Es müssen diejenigen Merkmale identifiziert werden, die den Zusammenhang mit dem Kauf eines zusätzlichen Produkts am besten beschreiben. Zweitens ist fraglich, wann ein Knoten als final und nicht weiter teilbar angesehen werden soll, da eine streng homogene Gruppe nicht immer erzielt werden kann. Die hohe Anzahl an Beschreibungsmerkmalen führt dazu, dass letztendlich nur vereinzelt Kunden trennscharf einzelnen Gruppen zugeordnet werden können. Ziel muss es jedoch sein, die Gruppe nach einem finalen Knoten so groß zu gestalten, dass es sich aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt, diese fokussiert anzusprechen.478 Zur Klärung dieser Fragen stehen u. a. Verfahren zur Messung der „Reinheit“ der Knoten und Prunning-Verfahren zur optimalen Knotenverteilung zur Verfügung.479 Um bei großen Datenmengen eine Komplexitätsreduktion zu erreichen, kommen verschiedene Algorithmen zur Anwendung. Hierbei haben sich vor allem der so genannte ID3 und der CART Algorithmus herausgebildet. Diese setzten die Reihenfolge der Merkmale so fest, dass als nächstes jeweils dasjenige gewählt wird, das die Komplexität am stärksten vermindert.480 Entscheidungsbaumverfahren zählen auf Grund der zufriedenstellenden Prognosegüte zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren im Data Mining zur Schätzung von Cross-Selling-Potenzialen.481 Vor allem die Möglichkeit der visuellen Aufbereitung führt dazu, dass das Verfahren leicht nachzuvollziehen ist und die Verständlichkeit des Analyseergebnisses dadurch erhöht wird.482 Die im Folgenden 478 479

480

481

482

Vgl. RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 256. Für eine Darstellung der Verfahren vgl. RUDOLPH (Klassifikation, 1999), S. 259 und SÄUBERLICH (Hilfsmittel, 2000), S. 88 und S. 96. Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 72-73; SÄUBERLICH (Hilfsmittel, 2000), S. 105; SCHIFFERS (Entscheidungsbaumverfahren, 1996), S. 23-24. Weitere Verfahren sind C4.5 und ChAID. Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 252. Für ein Beispiel zu dessen praktischen Einsatz vgl. TIETZ ET AL. (Optimierung, 2001). Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 74.

Statistische Methoden zur Potenzialmessung

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beschriebenen künstlichen neuronalen Netze stellen im Gegensatz dazu das komplexeste Verfahren dar. Künstliche neuronale Netze beschreiben eine Klasse unterschiedlicher Verfahren im Rahmen der Forschung zur künstlichen Intelligenz. Eine Systematisierung der einzelnen Verfahren ist nicht immer überschneidungsfrei möglich. Sie können jedoch in Verfahren des überwachten und unüberwachten Lernens eingeteilt werden.483 Ziel ist hierbei nicht die vollständige Aufarbeitung aller Verfahren, sondern die Herausarbeitung von Grundelementen zur Klärung der Vorgehensweise.484 Folgende Struktur besteht bei künstlichen neuronalen Netzen: Eingabeschicht (Input-Layer)

Verdeckte Schicht (Hidden-Layer)

Ausgabeschicht (Output-Layer)

Unit 1 (U1) U4 U2

U6 U5

U3

Bildung Bildung Bildung Netto Akivitäts- Output Input niveau

Abb. 32: Grundstruktur eines zweischichtigen neuronalen Netzes485 Ein gesamtes neuronales Netzwerk kann in eine Eingabeschicht (Input-Layer), eine verdeckte Schicht (Hidden-Layer) und eine Ausgabeschicht (Output-Layer) eingeteilt werden. Somit besteht keine direkte Verbindung zwischen In- und Output wie bei den bisher beschriebenen Verfahren, sondern es gibt eine zwischengeschaltete „Black-Box“, welche die Eingangsdaten transformiert. Wie die Abbildung zeigt, enthält jede Schicht einzelne Einheiten, die miteinander verknüpft sind. Je nachdem, in welcher Schicht sich die sogenannten Units befinden, werden sie als Inputunits (z. B. Kundendaten wie Alter, bisherige Produktnutzung,...), Hiddenunits (informationsverarbeitende Units) und Outputunits (z. B. Nutzung eines Privatkredits) bezeichnet. Die Hiddenunits können dabei homogen sein, wenn alle nach einheitlichen Prinzipien Informationen verarbeiten oder hete483 484

485

Vgl. PODDIG/SIDOROVITCH (Neuronale Netze, 2001), S. 364 und S. 367. Für eine ausführliche Betrachtung der einzelnen Verfahrenstypen vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 755. Eigene Darstellung in Anlehnung an PODDIG/SIDOROVITCH (Neuronale Netze, 2001), S. 370; BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 753.

156

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

rogen, sofern es Unterschiede gibt.486 Der in der Abbildung dargestellte einfache Fall kann beliebig um weitere Hiddenunits erweitert werden. So sind des Weiteren auch Verbindungen von In- zu Outputunits direkt oder aber Verbindungen zwischen Hiddenunits möglich. Durch die Vielzahl der möglichen Verknüpfungen der Units mit vorgelagerten Einheiten erhalten die Hiddenunits viele Eingangsinformationen, die es zu verarbeiten gilt. Die Informationen werden innerhalb einer Einheit dabei in drei Schritten verarbeitet. Diese Schritte basieren jeweils auf eigenständigen Berechnungsfunktionen und werden durch mathematische Funktionen ausgedrückt. Zuerst werden die Informationen im Rahmen der Nettoinputbildung gemäß deren Bedeutung gewichtet und zu einem einheitlichen Eingabewert verdichtet. Im nächsten Schritt wird das Aktivitätenniveau der Unit bestimmt. Dieses legt als eine Art Filter fest, ob die Unit in der Folge auch wieder ein Signal ausgibt. Nur wenn das Aktivitätenniveau einen gewissen Schwellwert überschreitet, wird auch ein Output generiert. Die Komplexität des neuronalen Netzes entsteht aus der Berechnung dieses Aktivitätenniveaus. Dieses kann z. B. von vorhergehenden Schritten abhängig sein. Im dritten Schritt wird die Ausgabe als Resultat der Verknüpfung einer Outputfunktion mit dem Aktivitätenniveau generiert. Die einzelnen Outputfunktionen können je nach Netzwerk für alle Units gleich oder unterschiedlich sein.487 In einer Hidden Unit werden somit nicht-lineare Transformationen vorgenommen, die es erlauben, dass die Eingabewerte in die Ausgabewerte transformiert werden.488 Das Ziel der Berechnung ist analog zu den bisher dargestellten Verfahren der Rückschluss von unabhängigen Inputvariablen auf abhängige Outputvariablen. Am Beginn der Berechnung in einem überwachten Fall stehen wieder Trainingsdaten für das Netzwerk mit einer zufälligen Wahl der Gewichtungsfaktoren zur Nettoinputbildung in der verdeckten Schicht. Im weiteren Verlauf werden diese Faktoren durch Lernregeln variiert, um die Outputergebnisse den Trainingsdaten anzunähern, bis das Netz stabil wird. Eine solche Variation der Gewichtungsfaktoren wird als Lernprozess verstanden. Die Stärke der Abweichung von den Testdaten in den einzelnen Lernschritten wird durch den Outputfehler beschrieben. Je mehr Objekte durchlaufen werden und dabei das bisher gelernte verändert wird, desto mehr Testdaten müssen nochmals in den Lernprozess eingehen, um Stabilität zu erreichen. Stabilität kann dabei ein geringer Outputfehler oder aber eine vorher festgelegte Zahl von Lernschritten darstellen. Das fertig „trainierte“ Netz 486 487

488

Vgl. PODDIG/SIDOROVITCH (Neuronale Netze, 2001), S. 369. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 752; PODDIG/SIDOROVITCH (Neuronale Netze, 2001), S. 371372; SCHIFFERS (Entscheidungsbaumverfahren, 1996), S. 27. Vgl. BACKHAUS (Analysemethoden, 2006), S. 753.

Ergebnistypen der Potenzialmessung

157

wird anschließend mittels der Testdaten auf sein Ausgabeverhalten hin überprüft.489 Die Lernfähigkeit eines solchen Netzes hängt jedoch dabei nicht zwangsläufig von der Zahl der Hiddenunits ab.490 Im Ergebnis muss das neuronale Netz neben der Testmenge auch unbekannte Objekte richtig klassifizieren. Die Komplexität und die geringe Transparenz sind Nachteile von neuronalen Netzen. Entscheidungsregeln liegen in den einzelnen Hiddenunits und sind nicht direkt ablesbar. Neuronale Netze werden daher vom Anwender eher als Black-Box angesehen. Auch die Wahl der Startparameter, die Netzwerkanordnung und die Wahl der Gewichte ist nicht trivial. Trotz der methodischen Komplexität besitzen neuronale Netze mit die beste Aussagekraft in Bezug auf die Vorhersage des Nutzungsverhaltens von Kunden.491 Insgesamt konnte im Rahmen dieses Abschnitts ein Überblick gegeben werden, welche Methoden zur Berechnung von Cross-Selling-Potenzialen für das CrossSelling-Management zur Verfügung stehen. Im Folgenden sollen die Ergebnistypen einer solchen Potenzialberechnung genauer untersucht werden. 2.

Ergebnistypen der Potenzialmessung

Einleitend zu den Potenzialmessmethoden wurde erläutert, dass das Ziel der Berechung der Cross-Selling-Potenziale die Ermittlung einer Kundenaffinität in Bezug auf ein bestimmtes Produkt darstellt. Die Kundenaffinität wird als Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, dass ein Kunde ein bestimmtes Produkt als nächstes bezieht. Speziell bei der Berechnung des Kundenlebenswerts hat sich jedoch gezeigt, dass auch ein potenzieller zukünftiger Zahlungsstrom ermittelt werden muss. Dazu kann die Berechnung eines sogenannten Cross-Selling-Werts herangezogen werden. Der Cross-Selling-Wert berechnet sich aus der Multiplikation der Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde ein neues Produkt nachfragt mit der Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde das Produkt bei der Bank abschließt und dem zu erzielenden Deckungsbeitrag.492 Somit bildet der Cross-Selling-Wert einen um die Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteten erwarteten Deckungsbeitrag. Je größer dieser ist, desto höher sind auch die wertmäßigen Potenziale im Kundenstamm.

489

Vgl. SCHIFFERS (Entscheidungsbaumverfahren, 1996), S. 28; MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 78-79.

490

Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 77. Vgl. MULTHAUPT (Data mining, 2000), S. 80.

491 492

Vgl. CORNELSEN (Kundenwertanalysen, 2000), S. 183-184; MESSNER (CRM, 2005), S. 133.

158

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Folgende Tabelle zeigt in einem ersten Schritt zur Berechnung eines CrossSelling-Werts beispielhaft eine Aufstellung der kundenbezogenen Abschlusswahrscheinlichkeiten je Produkt. Kunde A Kunde B Kunde C Kunde D

Tagesgeldkonto 40 % 80 % 0% 10 %

Kreditkarte 70 % 60 % 40 % 80 %

Sparkonto 60 % 30 % 90 % 40 %

Tab. 10: Beispiel für die kundenbezogenen Abschlusswahrscheinlichkeiten je Produkt493 Diese Abschlusswahrscheinlichkeiten können mit Hilfe der im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Modelle berechnet werden. Im Folgenden müssen die Abschlusswahrscheinlichkeiten mit den Werten der Potenzial- und der Wertdimension verknüpft werden. Unter der Annahme, dass der Kunde sein Produktbedürfnis in jeden Fall beim Institut decken wird, ist lediglich der heranzuziehende Deckungsbeitrag fraglich. Die Wertdimension in Form des Deckungsbeitrages ist jedoch nicht für jeden Kunden und jedes Produkt gleich. Neben unterschiedlichen Vertriebskosten spielen z. B. bei einem Privatkredit noch Faktoren wie Laufzeit, bonitätsabhängige Verzinsung oder angebundene Versicherungen eine Rolle. Da diese Parameter vor dem tatsächlichen Produktabschluss nicht bekannt sind, müssen dafür Plangrößen herangezogen werden. Im Ergebnis erhält die Bank aus der internen Kalkulation je Produkt einen prognostizierten Deckungsbeitrag. Dieser sollte bereits alle direkt zurechenbare Aufwände beinhalten (Deckungsbeitrag II). Durch Multiplikation der Abschlusswahrscheinlichkeit mit dem Deckungsbeitrag II eines Produkts erhält man den erwarteten Wertbeitrag eines Kunden je Produkt.494 Die oben dargestellte Tabelle zu den kundenbezogenen Abschlusswahrscheinlichkeiten soll dazu erweitert werden. Hierbei wurde für die vier Kunden und die drei Produkte der erwartete Wertbeitrag (eWB) aus der multiplikativen Verknüpfung von Abschlusswahrscheinlichkeit (AWK) und Deckungsbeitrag II (DB) des Produkts aufgeführt.

493

Die dargestellten Abschlusswahrscheinlichkeiten müssen sich nicht zu 100 % addieren, da diese je Produkt für den Kunden berechnet werden.

494

Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 72. Es ist an dieser Stelle unerheblich, ob der Deckungsbeitrag barwertig oder periodenbezogen berechnet wird. Da die Ansprache von Kunden als Investition gesehen werden kann, beschreibt dieses Vorgehen ein Entscheidungskriterium auf Basis der erwarteten Rückflüsse aus einer Investition (vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 76).

Einsatz der Messergebnisse in der Steuerung

Kunde A Kunde B Kunde C Kunde D

Tagesgeldkonto AWK DB II eWB 40 % 10 € 4€ 80 % 10 € 8€ 0% 10 € 0€ 10 % 10 € 1€

AWK 70 % 60 % 40 % 80 %

159

Kreditkarte DB II 20 € 20 € 20 € 20 €

eWB 14 € 12 € 8€ 16 €

AWK 60 % 30 % 90 % 40 %

Sparkonto DB II 30 € 30 € 30 € 30 €

eWB 18 € 9€ 27 € 12 €

Tab. 11: Beispiel für den kundenbezogenen erwarteten Wertbeitrag je Produkt495 Durch Ansprache des Kunden A auf ein Tagesgeldkonto könnte somit, unter Berücksichtigung der Abschlusswahrscheinlichkeit und des zu erzielenden Deckungsbeitrags, ein Erwartungswert von 4 € erzielt werden. Bei Ansprache des Kunden B könnte hingegen auf Grund der höheren Abschlusswahrscheinlichkeit für dasselbe Produkt ein erwarteter Wertbeitrag von 8 € erreicht werden. Das Verfahren gibt somit Aussagen darüber, welcher Kunde bei einem Produkt ein größeres wertorientiertes Potenzial besitzt. Darüber hinaus können auch Aussagen abgeleitet werden welches Produkt bezogen auf einen Kunden den höchsten erwarteten Wertbeitrag liefert. Am Beispiel des Kunden A zeigt sich, dass diesem eine Kreditkarte angeboten werden sollte, wenn nur die Abschlusswahrscheinlichkeit in die Betrachtung mit einbezogen wird. Zieht man jedoch den erwarteten Wertbeitrag als Entscheidungskriterium heran, ist es vorteilhafter, dem Kunden ein Sparkonto anzubieten. Trotz niedriger Abschlusswahrscheinlichkeit stellt sich die Bank im Erwartungswert durch den höheren Deckungsbeitrag besser. Im Folgenden soll untersucht werden, wie diese Ergebnisse in der operativen und strategischen Steuerung eingesetzt werden können. 3.

Einsatz der Messergebnisse in der Steuerung

Die Ergebnisse der Potenzialmessung können im Rahmen der potenzialorientierten Globalsteuerung eingesetzt werden. Ziel dieser strategischen Steuerung muss es gemäß dem dualen Steuerungsmodell sein, langfristig Marktpotenziale für die Bank zu identifizieren und zu sichern. Die klassische Herangehensweise zur Identifikation werthaltiger Kundensegmente stellt die ABC-Analyse dar. Mittels dieser wird die Kundenstruktur analysiert und Kunden nach ihrem aktuellen Wertbeitrag für die Bank eingeteilt.496 In der Praxis leisten meist rund 20 % der Kunden etwa 80 % der Wertbeiträge.497 Dieses Verfahren der Einteilung würde jedoch zukünfti495

496

497

Zur Vereinfachung wurden hier konstante Deckungsbeiträge innerhalb eines Produkts angenommen. Ein weiterführender Ansatz könnte die Deckungsbeiträge auf Basis der Vertriebswegepräferenz des Kunden berücksichtigen. Vgl. SCHÜLLER/ZACHER/KÄSCHEL (ABC-Analyse, 2001), S. 1; THUM/SEMMLER (Kundenwert, 2003), S. 79. Vgl. auch für eine grundlegende Darstellung der ABC-Analyse. Vgl. EBERLING (Kundenwertmanagement, 2002), S. 41.

160

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

ge Potenziale, auf die es speziell beim Cross-Selling ankommt, außer Acht lassen. Aktuell profitable Kundengruppen müssen nicht zwangsläufig ein hohes zukünftiges Potenzial besitzen.

I

AWK-Grenze

Analog des Konzepts des erwarteten Deckungsbeitrags muss daher der gesamte Bestand an Retailkunden auf dessen potenzielle Erträge hin untersucht werden. In folgender Darstellung wurden beispielhaft Kunden gemäß der Abschlusswahrscheinlichkeit und des DB II eines Produkts in ein Diagramm eingetragen. Der DB II spiegelt in diesem Fall den tatsächlich bei einem Vertragsabschluss erwirtschafteten und nicht den auf Basis der Abschlusswahrscheinlichkeit gewichteten erwarteten Wertbeitrag wider. Ein Kunde kann innerhalb der Punktewolke mehrmals vertreten sein, da er verschiedene Produktbedürfnisse besitzt. Besteht zum Beispiel eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit für ein Produkt mit hohem DB II und eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit für Produkt mit einem niedrigen DB II, so ist der Kunde sowohl in Quadrant II als auch in Quadrant IV vertreten. Im Ergebnis erhält man eine Segmentierung der werthaltigen Kunde-Produkt-Kombinationen. II

DB II

DB II-Grenze

III

IV Abschlusswahrscheinlichkeit eines Produkts

Abb. 33: Segmentierung mittels Abschlusswahrscheinlichkeiten und Erträgen Folgende Aussagen können zu den einzelnen Quadranten abgeleitet werden. Die Kunde-Produktkombinationen in den Quadranten I und III sind davon geprägt, dass sie eher niedrigere Abschlusswahrscheinlichkeiten besitzen. Während die Kombinationen in Quadrant I sich durch hohe Ertragspotenziale auszeichnen, erwirtschaften die Kombinationen in Quadrant III einen im Vergleich geringeren DB II. Ist eine Kunde-Produktkombination in Quadrant II oder IV vertreten,

Einsatz der Messergebnisse in der Steuerung

161

zeichnet sie sich durch eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit aus. Lediglich Quadrant II verspricht hier zusätzlich auch hohe Erträge, wohingegen Quadrant IV wiederum eher Produkte mit einem im Vergleich geringen DB II beinhaltet. Je nach Strategie der Bank sind nun diejenigen Segmente strategisch zu identifizieren, die operativ angesprochen werden sollen. Die Kunden in Quadrant II eignen sich durch die Kombination aus hoher Abschlusswahrscheinlichkeit und werthaltigen Produkten am besten, im Rahmen des systematischen Cross-SellingProzesses angesprochen zu werden. Diejenigen Kunden, die sich in Quadrant I oder IV befinden, besitzen entweder eine hohe Abschlusswahrscheinlichkeit oder den Bedarf an einem ertragsstarken Produkt.498 Die tatsächliche Anzahl der in den Quadranten vertretenen Kunde-Produktkombinationen hängt jedoch von der gewählten DB-II-Grenze und der Grenze der Abschlusswahrscheinlichkeiten ab. In der Wahl der Grenzen ist das Institut grundsätzlich frei. Es wird jedoch deutlich, dass eine zu starke Verschiebung beider Grenzen nach unten das Risiko birgt, dass weniger werthaltige Kunde-Produktkombinationen mit einer geringen Abschlusswahrscheinlichkeit gewählt werden. Die Grenze der Abschlusswahrscheinlichkeiten hängt dabei von der durch die Bank erzielten Modellgüte der eingesetzten Potenzialmessmethoden ab. Das Institut muss Erfahrungswerte heranziehen und so eine kritische Schwelle festlegen. Ein Kriterium zur Definition eines Grenzwerts kann zum Beispiel die Abschlussquote im Rahmen des Aktivitätencontrollings darstellen. Es können Testgruppen mit verschiedenen Bandbreiten von Abschlusswahrscheinlichkeiten für dasselbe Produkt gebildet und in der Folge angesprochen werden. Die Abschlusswahrscheinlichkeit derjenigen Kundengruppe, mittels derer die durchschnittliche Abschlussquote der Bank gerade erreicht wird, kann als Grenze herangezogen werden.499 In der Praxis wird als möglicher Grenzwert für eine lohnende Ansprache eine Cross-Selling-Wahrscheinlichkeit von 75 % genannt.500 Der Grenzwert des DB II muss sich dagegen an der strategisch geforderten Mindestrendite orientieren. Die DB-II-Schranke sollte daher so gewählt werden, dass deutlich wird, welche Kunde-Produktkombinationen Profitabilität versprechen. Wird als Grenze direkt die geforderte Mindestrendite gewählt, bedeutet dies in der Folge, dass die Quadranten III und IV in obigem Beispiel keine werthaltigen Kombinationen widerspiegeln. Allerdings handelt es sich im Rahmen der Betrachtung der Kunde-Produktkombinationen um einen kalkulatorischen DB II, da die direkten Kosten, wie z. B. die Vertriebskosten, ex ante vor Geschäftsabschluss nicht vollständig in ihrer tatsächlichen Höhe bekannt sind. Diese müssen 498

499 500

Sollte ein Kunde mehrfach im selektierten Quadrant vertreten sein, ist operativ sicherzustellen, dass dieser in einer geeigneten Form auf die verschiedenen Produkte angesprochen wird. Hierbei ist sicherzustellen, dass weitere Effekte, wie z. B. Qualifikation des Beraters, ausgeschlossen werden. Vgl. KLAWA (Frontends, 2007), S. 14.

162

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

bspw. auf Basis der Vertriebswegepräferenz des Kunden geschätzt werden. Daher sollte die DB-II-Grenze auf Basis des zur Verfügung stehenden Vertriebsbudgets und der zu erwartenden Rückflüsse unter Berücksichtigung kalkulatorischer Größen gewählt werden.501 Ein solches Vorgehen im Rahmen der strategischen Steuerung würde zum einen die Forderung nach verstärkter Kundenorientierung und zum anderen die Rentabilitätsforderung vollständig erfüllen. Im Rahmen der klassischen ABC-Analyse hingegen würden lediglich Kunden auf Basis der Erträge segmentiert. Durch die explizite Hinzunahme der Abschlusswahrscheinlichkeiten können hier jedoch die Kundenbedürfnisse mit einbezogen werden.

II. Methoden zur Erfolgsmessung und -steuerung Nach der Messung von Potenzialen würde als nächster Schritt im Cross-SellingProzess die Messung und Bewertung von Tätigkeiten im Anspracheprozess stehen. Mit Fokus speziell auf den Kundenberater wurde die Messung des Anspracheprozesses jedoch bereits durch das Aktivitäten-Controlling beschrieben.502 Daher sollen weiterführend Methoden zur Messung und Steuerung des CrossSelling-Erfolgs dargestellt werden. Cross-Selling-Erfolg wurde als die Transformation von Potenzialen in tatsächliche Geschäfte definiert. Dieser kann hierbei sowohl durch die systematische Kundenansprache als auch durch Passivität der Bank erreicht werden. Es ist außerdem unerheblich, welche Potenzialdefinition herangezogen wird, also ob lediglich noch offener oder auch schon bei anderen Instituten gedeckter Bedarf als Potenzial gesehen wird. Ein Cross-Selling-Erfolg liegt somit immer dann vor, wenn die Bank es schafft, zusätzliche Produkte an Bestandskunden abzusetzen. Der Cross-Selling-Erfolg besitzt zwei Dimensionen. Zum einen eine mengenorientierte und zum anderen eine ertragsorientierte Dimension. Bei der reinen Mengenorientierung wird der Erfolg als die Stückzahl abgesetzter Produkte an Bestandskunden definiert. Die ertragsorientierte Sichtweise stellt den durch die Zusatzgeschäfte erwirtschafteten Wertbeitrag in den Vordergrund.

501

Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 74.

502

Vgl. 1. Teil: B.II.2.

Erfolgsmessung mittels der Cross-Selling-Quote

1.

163

Erfolgsmessung mittels der Cross-Selling-Quote

Die Cross-Selling-Quote ist in der Praxis die bekannteste Kennzahl zur Messung des Erfolgs eines Instituts/Geschäftsbereichs in Bezug auf Zusatzverkäufe an Bestandskunden.503 In einer formalen Form kann die Cross-Selling-Quote folgendermaßen definiert werden. Cross Selling Quote

Anzahl abgesetzter Produkte Gesamtkundenzahl des Retailbankings

Die grundlegende Idee hinter der Cross-Selling-Quote ist, die durchschnittliche Anzahl an Produkten je Kunde zu ermitteln.504 Je höher diese ist, desto erfolgreicher wird Cross-Selling betrieben. Im Ergebnis drückt die Cross-Selling-Quote eine Art Produktnutzungsrate aus. Hiermit können alle Dimensionen und Aggregationsformen des Ergebniswürfels bewertet werden. Im Zähler der Cross-Selling-Quote steht die Anzahl der abgesetzten Produkte. Dazu wird z. B. bei der Betrachtung des gesamten Retailbankings die Gesamtzahl der abgesetzten Produkte in den Zähler übernommen. Die Anzahl der im Zähler berücksichtigten Produkte ändert sich jedoch je nach Bewertungsgegenstand. Soll die Cross-Selling-Quote lediglich für ein bestimmtes Kundensegment und nicht für das gesamte Retailbanking berechnet werden, darf auch nur die Anzahl der in diesem Segment enthaltenen Kunden im Nenner berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist jedoch fraglich, was überhaupt als einzelnes Produkt anzusehen ist. Cross-Selling wurde im Rahmen dieser Arbeit so definiert, dass auch bei Komplementarität der Produkte von Cross-Selling gesprochen werden kann. Ein Wertpapierdepot und das dazugehörige Depotkonto sind somit als zwei Produkte in den Zähler zu übernehmen. Ein anderer Fall tritt ein, wenn ein Kunde z. B. zwei Girokonten besitzt. Die hier verfolgte Definition von Cross-Selling würde auch in diesem Fall jedes einzelne Girokonto dem Zähler zurechnen. Es wird die Problematik deutlich, dass je nach Definition von Cross-Selling eine unterschiedliche Anzahl von Produkten im Zähler berücksichtigt wird. Im Nenner steht in der allgemein formalen Form die Gesamtzahl der Kunden des Retailbankings. Analog der Vorgehensweise im Zähler muss diese Gesamtzahl je nach Bewertungsgegenstand angepasst werden und es darf z. B. nur die Kundenzahl in einem bestimmten Segment berücksichtigt werden. Eine besondere Problematik besteht jedoch in der adäquaten Kundenzählung. Fraglich ist hierbei, ob Geschäftspartner, die ein gemeinsames Vertragsverhältnis pflegen, lediglich als ein einzelner Kunde im Nenner berücksichtigt werden. Besonders im Rahmen der 503

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Cross-Selling, 2000), S. 42.

504

Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement, 2003), S. 438; BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 33.

164

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Kreditvergabe kommt es oft zu einer gesamtschuldnerischen Haftung zweier Kreditnehmer. Es wäre möglich diese weiter als einzelne Kunden zu betrachten oder ein gemeinsames Vertragsverhältnis als eine vollständig neue Kundenbeziehung zu interpretieren. Die Art der Vorgehensweise hat Auswirkungen auf die Bemessung des Cross-Selling-Erfolgs mittels der Cross-Selling-Quote. Würden die Kunden weiter einzeln betrachtet ist fraglich, wer das zusätzliche Produkt zugerechnet bekommt. Sollte das Produkt jedem Kunden einzeln zugerechnet werden, würde der Erfolg überhöht ausgewiesen, da faktisch nur ein Produkt abgesetzt wurde. Betrachtet man das gemeinsame Vertragsverhältnis hingegen als eine neue Kundenbeziehung kann es zu zwei Fällen kommen. Ist es das erste Produkt dieser Kundenbeziehung, wird durch die Cross-Selling-Quote kein Erfolg ausgewiesen, da sich Zähler und Nenner gleichmäßig erhöhen. Sofern diese Kundenbeziehung bereits ein gemeinsames Produkt besitzt, würde nur der Zähler erhöht und damit der Erfolg berücksichtigt. Trotz der bestehenden Vor- und Nachteile bei der Art der Berücksichtigung von Geschäften im Zähler und der Anzahl der Kunden im Nenner, kann daraus keine allgemein „richtige“ Vorgehensweise abgeleitet werden. In der Praxis haben sich daher verschiedene Formen herausgebildet. Vor allem bei ausländischen Banken wird jedes einzelne an einen Retailkunden verkaufte Produkt dem Zähler hinzugerechnet. Andere Banken wählen das Vorgehen, dass lediglich verschiedene Produktgruppen aufsummiert werden. Sobald ein Kunde ein Produkt aus einer bestimmten Gruppe, wie z. B. Wertpapiere besitzt, wird der Zähler der CrossSelling-Quote um eins erhöht. Die doppelte Produktnutzung innerhalb einer Gruppe zählt dabei nur als einfache Nutzung und führt zu keiner Veränderung des Zählers. Allerdings herrscht z. B. auch innerhalb des Sparkassen-Finanzverbundes keine einheitliche Regelung. Vom DSGV wird vorgeschlagen, Master Cards bei der Quotenermittlung außen vor zu lassen. Einzelne Sparkassen wiederum beziehen diese Produkte bei der Berechnung der Cross-Selling-Quote in den Zähler mit ein.505 Die unterschiedliche Vorgehensweise der Banken zeigt, dass für einen Vergleich der Cross-Selling-Quoten zwischen den Banken ein einheitliches Berechnungsvorgehen sicherzustellen ist. Nachfolgende Tabelle zeigt auf Basis einer Produktgruppenzuordnung die Cross-Selling-Quoten ausgewählter Banken/Institutsgruppen:

505

Vgl. SCHNEIDER (Quote, 2007), S. 36.

Erfolgsmessung mittels der Cross-Selling-Quote

Bank/Institutsgruppe Commerzbank

165

Cross-Selling-Quote 2,1

Deutsche Bank Dresdner Bank

2,1 2,1

HVB ‡ Genobanken

2,1 3,1

‡ Sparkassen

3,0

‡ Deutschland

2,6

Tab. 12: Cross-Selling-Quoten im Vergleich506 Die Deutsche Bank schafft es somit im Durchschnitt rund 2,1 Produktgruppen an jeden Retailkunden zu veräußern. Es zeigt sich deutlich, dass die Geschäftsbanken in Deutschland bei den Cross-Selling-Quoten wesentlich hinter den Sparkassen und Genossenschaftsbanken zurückbleiben. Eine weitere Studie unter Banken des deutschsprachigen Raums von 2007 identifiziert für Deutschland im Schnitt eine etwas gestiegene Cross-Selling-Quote von 2,8 im Retailbanking. Im Vergleich dazu weisen die Schweiz und Österreich eine Quote von 3,1 und 3,8 aus.507 In der Praxis wird bis zu einer Cross-Selling-Quote von sechs noch Potenzial zum CrossSelling gesehen, da ein Kunde im Schnitt rund acht Produkte im Rahmen seines Lebenszyklus erwirbt.508 Wird die Cross-Selling-Quote nicht ausschließlich für das gesamte Retailbanking berechnet, sondern auch für einzelne Kundensegmente, können diese Ergebnisse in einem sogenannten Cross-Selling-Quotenbaum miteinander verknüpft werden.509 Folgende Abbildung gibt ein Beispiel für die Darstellung im Rahmen eines solchen Quotenbaums:

506

Eigene Darstellung der Cross-Selling-Quoten von 2004 in Anlehnung an STURTZKOPF/MICKLEY (Wertschöpfungsketten, 2006), S. 126.

507

Vgl. WITTMANN (Cross-Selling, 2007), S. 40. Diese Studie verlässt sich jedoch bei der Ermittlung der CrossSelling-Quote auf die reine Befragung der Teilnehmer. Unterschiede in den institutsinternen Berechnungssystematiken werden hier nicht thematisiert. Vgl. PLEISTER (Cross-Selling-Raten, 2006), S. 25.

508 509

Es muss sichergestellt sein, dass bei allen Quoten dieselbe Berechnungssystematik angewendet wird, um diese verknüpfen zu können.

166

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Retailbanking Cross-Selling-Quote (CSQ): 2,2 Region A CSQ: 2,0

Region B CSQ: 2,5

Kundenbeziehung: 0-2 J. CSQ: 1,7

Kundenbeziehung: ab 2 J. CSQ: 3,5

Alter: 18-25 J. Alter: 26-38 J. Alter: 39-80 J. CSQ: 1,0 CSQ: 2,2 CSQ: 1,2

Alter: 18-25 J. Alter: 26-38 J. Alter: 39-80 J. CSQ: 2,3 CSQ: 2,0 CSQ: 4,2

Abb. 34: Beispiel eines Cross-Selling-Quotenbaums510 Aus dieser Darstellung können wichtige Aussagen über den Erfolg abgeleitet werden. Mit einem Blick auf die Kunden der Region A, die bereits länger als zwei Jahre Kunden der Bank sind und sich im Alter zwischen 26-38 befinden, zeigt sich eine erhebliche Schwäche. In diesem Beispiel schafft es das Institut nicht, mit einer längeren Kundenbeziehung auch nennenswerte Cross-Selling-Erfolge zu verknüpfen. Die Vergleichsgruppe mit geringerer Dauer der Kundenbeziehung erzielt eine höhere Cross-Selling-Quote. Verfolgt das Institut bereits länger die Strategie des Bundlings würde dies bedeuten, dass Kunden im Zeitablauf eher Produkte abbauen als hinzuzukaufen. Allerdings machen weder die Cross-Selling-Quote noch die Baumdarstellung Angaben über die Profitabilität der Kundengeschäfte. Die reine Steigerung des Marktanteils durch die Steigerung der Cross-Selling-Quote ist somit kein Indiz dafür, dass auch wirklich nur profitable Kundengeschäfte eingegangen werden.511 Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich vor allem vor dem Hintergrund der verschiedenen Definitionen, auch innerhalb der Institutsverbände. Dadurch wird die Aussagekraft der Kennzahl für einen Institutsvergleich weiter geschmälert. Dies führt dazu, dass die Kennzahl eher bankintern einzusetzen ist.512 Des Weiteren erfährt die Cross-Selling-Quote eine klare Grenze wenn beurteilt werden soll, ob ein In510

511 512

Eigene Darstellung in Anlehnung an BARTH (Konzept, 2003), S. 23. Die hier beispielhaft gewählten Segmentierungskriterien können institutsspezifisch angepasst werden. Vgl. GENSLER/KLUCK (Cross-Selling, 2005), S. 37; BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 33. Vgl. SCHNEIDER (Quote, 2007), S. 36, LOHMANN (Patentrezept, 2006), S. 38; HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19. Es gibt für die Banken die Möglichkeit, einen Benchmarkvergleich mittels des „Finanzmarkt Datenservice (FMDS)“ von TNS-Infratest durchzuführen. Dieser verfolgt jedoch in Bezug auf die abgedeckten Kundenschichten ein eigenes Vorgehen. Interne Daten können somit nicht zum Vergleich herangezogen werden, sondern nur die Daten von FMDS für das eigene Institut.

Weitere Cross-Selling bezogene Kennzahlen

167

stitut die vorhandenen Potenziale auch ausschöpft. Aussagen zum Ausschöpfungsgrad der bestehenden Potenziale können aus dieser Kennzahl nicht abgeleitet werden. Besitzt ein Institut z. B. eine relativ geringe Cross-Selling-Quote, kann dies auch in der Kundenstruktur begründet liegen, die eine natürliche Beschränkung der Quote beinhaltet.513 Per se kann das Einzelinstitut weder intern noch institutsübergreifend eine Aussage treffen, ob alle Potenziale bereits ausgeschöpft wurden.514 So können niedrige Cross-Selling-Quoten u. U. erfolgreicher sein als hohe, wenn diese im Vergleich zu den verfügbaren Potenzialen betrachtet werden.515 Die Cross-Selling-Quote stellt somit eine einfache, jedoch mit Mängeln behaftete Möglichkeit dar, mengenorientiert Cross-Selling-Erfolge zu messen. Neben der allgemeinen Form der Cross-Selling-Quote haben sich in der Praxis noch weitere institutsspezifische Definitionen herausgebildet, die jedoch die beschriebenen Mängel nicht beheben können. So ist als Kennzahl zur Messung der Filialeffizienz z. B. das Volumen des Neukreditgeschäfts im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kundenkontakte in der Filiale im Jahreszeitraum möglich. Die CrossSelling-Quote würde somit nicht nur ein Stückverhältnis, sondern auch eine Aussage zum Volumen beinhalten.516 Eng mit der Cross-Selling-Quote zusammen hängt die Cross-Selling-Rate. Die Cross-Selling-Rate beschreibt den Quotient aus der Anzahl verkaufter Produkte einer Sparte und der Gesamtzahl aller Kunden. Eine Cross-Selling-Rate von 30 % bei einem Tagesgeldkonto besagt, dass etwa jeder dritte Kunde ein Tagesgeldkonto nutzt.517 Diese Kennzahl verfolgt somit eine stärkere Produktsicht, als die Cross-Selling-Quote, die eher die Kundensicht einnimmt. 2.

Weitere Cross-Selling bezogene Kennzahlen

Neben der Cross-Selling-Quote haben sich weitere Verhältniskennzahlen zur Messung des Erfolgs in der Literatur herausgebildet. Bei der Cross-Selling-Quote wurde beklagt, dass keine Aussagen über ein noch bestehendes Cross-SellingPotenzial gemacht werden. Die aus der Praxis entstandene Kennzahl „Share of Wallet“ kann dieses Problem zum Teil beheben. Der Share of Wallet bezeichnet denjenigen Anteil am Produktportfolio des Kunden, den die Bank durch die eige-

513 514 515 516

517

Vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 33. Vgl. BEUTIN/KLENK (Potenziale, 2005), S. 54. Vgl. LOHMANN (Patentrezept, 2006), S. 38. Vgl. FRANKLIN (Measuring, 2001), S. 46-47. Hierbei ist jedoch eine genaue Definition dessen notwendig, was als Kundenkontakt gesehen wird. In dem hier zitierten Beispiel wurden lediglich direkte Gespräche mit dem Kundenberater hinzugezählt. Vgl. BERGENDAHL (Bancassurance, 1995), S. 23.

168

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

nen Produkte abdeckt.518 Im Gegensatz zu einer reinen Marktanteilsbetrachtung wird hier der Grad der Kundenausschöpfung gemessen. Obwohl sich noch kein deutscher Begriff durchgesetzt hat, bezeichnet Kundenausschöpfung das Wesen des Share of Wallet am treffendsten.519 Ziel der Bank muss es immer sein, der alleinige Anbieter des bestehenden Kunden für Retailbanking-Dienstleistungen zu werden. Formal drückt sich dies folgendermaßen aus: Share of Wallet

Anzahl bereits von der Bank bezogener Produkte Gesamtzahl gehaltener Bankproduk te

Je größer der Share of Wallet, desto besser hat es die Bank geschafft, die aktuelle Produktnutzung des Kunden auf sich zu konzentrieren. Die Berechnung der Kennzahl wird auf Einzelkundenebene durchgeführt und mittels Durchschnittsbildung, z. B. auf Gesamtbankebene, aggregiert. Aus der formalen Darstellung wird ersichtlich, dass die Anzahl derjenigen Produkte im Zähler, die der Kunde bereits von der Bank bezogen hat, relativ einfach durch institutseigene Daten ermittelt werden kann. Im Nenner wird jedoch die Gesamtzahl der aktuell durch den Kunden gehaltenen Retailbankingprodukte abgebildet. Es handelt sich hier nicht um einen zukünftigen Bedarf, sondern lediglich um tatsächlich bereits erworbene Bankprodukte.520 Die Gesamtzahl der Bankdienstleistungen, die ein Kunde besitzt, ist jedoch nur durch dessen Mithilfe ermittelbar.521 Dazu müssen Gespräche oder Umfragen durchgeführt werden, um das aktuelle Produktnutzungsverhalten des Kunden zu erfahren.522 Andernfalls besteht nur noch die Möglichkeit einer Schätzung. Sofern der Kunde sein Gehaltskonto bei der Bank unterhält, können Transaktionsdaten auf fremde Bankprodukte hin analysiert werden.523 Ist der Share of 518

Vgl. ILLEK/SEIDENSTICKER/WANDHÖFER (Share of Wallet, 2003), S. 650; DU/KAMAKURA/MELA (Wallet, 2007), S. 96; SEITZ (Kundenfokus, 2005), S. 37; WIEGRAN (Kunden, 2004), S. 7; WEBER/LISSAUTZKI (Kundenwert-Controlling, 2004), S. 21. Branchenübergreifend geht man beim Share of Wallet vom Gesamtbudget aus, das ein Kunde für eine Produktgruppe zur Verfügung hat. Im Bankensektor wird dagegen von der Anzahl der Produkte gesprochen.

519

Vgl. ILLEK/SEIDENSTICKER/WANDHÖFER (Share of Wallet, 2003), S. 650. Außer Kundenausschöpfung kann auch noch von Bedarfsdeckungsrate gesprochen werden. In der US-amerikanischen Literatur wird oft auch von „wallet share“ gesprochen. Bei einer differenzierten Betrachtung auf Produktebene können im Zähler und Nenner auch Voluminagrößen Anwendung finden. Verfügt ein Kunde z. B. über mehr als eine Kreditkarte, so kann der Share of Wallet der Kreditkartenumsätze ermittelt werden.

520

521

522

523

Im Gegensatz dazu kann z. B. die Deutsche Telekom AG den Share of Wallet ihrer Festnetzkunden durch die integrierte Rechnungsstellung mit Fremdanbietern relativ einfach ermitteln (vgl. WEBER/LISSAUTZKI (Kundenwert-Controlling, 2004), S. 21). Vgl. DU/KAMAKURA/MELA (Wallet, 2007), S. 94; KLENK/STAUDENMAYER (Differenzierung, 2006), S. 50; GARLAND (Segmenting, 2005), S. 185. Vgl. SCHMIDT (Qualität, 2003), S. 220; LAU ET AL. (Next product, 2003), S. 357. Die rechtliche Zulässigkeit in Deutschland besteht grundsätzlich, sofern die Bank die Anforderungen gemäß § 4d Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfüllt. Hierbei muss die Zustimmung des Kunden vorliegen.

Weitere Cross-Selling bezogene Kennzahlen

169

Wallet ermittelt, kann aus der Differenz zu 100 % das noch verfügbare Potenzial abgeleitet werden. Das Potenzial für Zusatzverkäufe besteht vor allem darin, die Produkte des Kunden von Fremdanbietern durch eigene Dienstleistungen zu substituieren. Da der Share of Wallet auch Aussagen zu Potenzialen enthält, kann dieser auch als Kriterium zur Kundensegmentierung herangezogen werden.524 Somit sind strategische Aussagen zu attraktiven Zielkundensegmenten möglich, um diese dann im Rahmen der operativen Steuerung gezielt anzusprechen.525 Wie gezeigt wurde, enthält der Share of Wallet neben der reinen Erfolgsinformation auch Angaben zu noch offenen Potenzialen. Die Kritikpunkte an dieser Kennzahl richten sich vor allem an das Verfahren der Datengewinnung der Ausgangswerte. Die Befragung zur aktuellen Produktnutzung kann durch große Datenunschärfen begleitet werden, was die Aussagekraft der Kennzahl stark einschränkt.526 Des Weiteren handelt es sich bei dem identifizierten Cross-Selling-Potenzial zumeist um Produkte, die der Kunde bereits bei anderen Banken erworben hat. Das eigene Angebot muss sich daher so stark differenzieren, dass eine Wechselbereitschaft erreicht wird. Ist eine Verbesserung der Konditionen nicht möglich, so besteht faktisch auch kein Cross-Selling-Potenzial. Ähnlich wie bei der Cross-Selling-Quote wird durch diese Kennzahl keine direkte Aussage zur Profitabilität der Cross-Selling-Anstrengung gemacht. Empirisch konnte auch indirekt kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Höhe des Share of Wallet und der Profitabilität der Kundenbeziehung ermittelt werden. In einer Kundengruppe, die einen Share of Wallet zwischen 80 und 90 Prozent besitzt, waren 38 % der Kunden unprofitabel. Dies bedeutet, dass die Kunden unprofitabel waren, obwohl sie bereits zwischen acht und neun Produkte ihres Gesamtbedarfs von zehn Produkten bei der Bank gedeckt hatten. Gering profitabel waren in dieser Kundengruppe 37 % und nur ein Viertel der Kunden war profitabel, obwohl die Produktbedürfnisse bereits fast vollständig durch die Bank gedeckt waren.527 Somit kann die Kennzahl lediglich Aussagen zu genutzten und noch offenen Potentialen machen, nicht jedoch zur Werthaltigkeit der Kundenbeziehung. Ähnlich des Share of Wallets kann mittels der von HOMBURG/SCHÄFER (2001) vorgestellten Kennzahl „Potenzialausschöpfung“ der Erfolg gemessen werden. Diese gibt Informationen darüber, wie gut die Bank den Bedarf des Kunden

524

Vgl. GARLAND (Segmenting, 2005), S. 185; 1. Teil: B.II.3.

525

Vgl. ILLEK/SEIDENSTICKER/WANDHÖFER (Share of Wallet, 2003), S. 651. Vgl. GARLAND (Segmenting, 2005), S. 184. Die Unschärfen können dabei sowohl im Antwortverhalten der Kunden als auch darin liegen, dass Umfrageergebnisse zu alt für deren Verwendung sind.

526

527

Vgl. GARLAND (Profitability, 2004), S. 264 und S. 266.

170

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

deckt.528 BUXEL/BUCKLER (2003) stellen eine im Grunde gleiche Kennzahl vor und benennen diese als „Cross-Selling-Erfolg“.529 Beide Messgrößen erlauben den Vergleich zwischen bereits bezogenen Bankprodukten des Kunden und dem grundsätzlich noch vorhandenen Potenzial. Der Erfolg wird somit als Grad der Ausschöpfung der Gesamtpotenziale gesehen. Je höher dieser Ausschöpfungsgrad ist, desto erfolgreicher ist das Institut in Bezug auf das Cross-Selling. Potenzialausschöpfung

Anzahl bei der Bank (zusätzlich) bezogener Retailprodukte Gesamter (zusätzlicher) Produktbedarf

Der Gesamtproduktbedarf zielt jedoch bei dieser Kennzahl nicht wie beim Share of Wallet nur auf einen durch den Kunden bereits gedeckten Bedarf ab. Er muss als Summe aus aktuell durch den Kunden gedeckten und dem zukünftigen Bedarf begriffen werden. Es handelt sich hierbei somit um eine Abwandlung der Share of Wallet Kennzahl.530 Bei der von BUXEL/BUCKLER (2003) außerdem vorgestellten Kennzahl des „Cross-Selling-Potenzials“ geht es in der Folge um die gegenläufige Aussage der Potenzialausschöpfung. Es soll der offene Bedarf des Kunden in Bezug zum Gesamtbedarf gestellt werden, um die Höhe des noch vorhandenen Potenzials zu ermitteln.531 Cross  Selling  Potenzial

Offener Bedarf an Produkten Gesamtprod uktbedarf

Es wir ersichtlich, dass der offene Bedarf an Produkten aus der Subtraktion des Gesamtproduktbedarfs und dem bereits gedeckten Bedarf ermittelt werden kann. Der Erfolg stellt sich hier ein, wenn im Zeitablauf das Institut das Cross-SellingPotenzial senkt, indem es den offenen Bedarf des Kunden mit eigenen Produkten deckt. Der „Cross-Selling-Leverage“ ist eine weitere von HOMBURG/SCHÄFER (2001) beschriebene Kennzahl. Sie soll aufzeigen, wie viel zusätzliche Produkte der Kunde pro Einstiegsprodukt erworben hat. Cross  Selling  Leverage

Gesamtzahl der erworbenen Retailprod ukte Einstiegsp rodukt n

528

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19.

529

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 260. Die Kennzahl kann auch als das Verhältnis von zusätzlich bezogenen Produkten zu zusätzlichem Bedarf dargestellt werden (vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19).

530

531

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 260.

Weitere Cross-Selling bezogene Kennzahlen

171

Mittels dieser Kennzahl kann ermittelt werden, welches Produkt als Einstiegsprodukt die größte Hebelwirkung entfaltet hat.532 Es können somit Einstiegsprodukte identifiziert werden, die sich besonders dazu eignen, zusätzliche Produkte abzusetzen. Der Cross-Selling-Erfolg wird hierbei produktorientiert gemessen. Je größer der Leverage, desto besser eignet sich das Produkt als Einstiegsprodukt. Mit der „Cross-Selling-Ertragsquote“ stellen BUXEL/BUCKLER (2003) erstmals eine Kennziffer vor, die explizit auch wertorientierte Komponenten einer CrossSelling-Anstrengung berücksichtigt. Diese Kennzahl fokussiert sich auf die monetäre Vorteilhaftigkeit, die eine Cross-Selling-Anstrengung für die Bank einbringt. Cross  Selling  Ertragsquo te

Erträge aus dem Verkauf zusätzlicher Produkte Aufwendungen aus dem Verkauf zusätzlicher Produkte

Je stärker die Erträge die Aufwendungen übersteigen, desto größer ist der Erfolg des Instituts darin, ertragreiches Cross-Selling durchzuführen. BUXEL/BUCKLER (2003) bleiben jedoch die Antwort schuldig, welche Komponenten in die einzelnen Faktoren einbezogen werden müssen.533 Grundsätzlich können hier diejenigen Werte Berücksichtigung finden, die auch zur Kalkulation des Deckungsbeitrages herangezogen werden. Im Ergebnis ergibt sich dabei die Möglichkeit, verschiedene Cross-Selling-Ertragsquoten zu ermitteln. Dieses Verfahren orientiert sich jedoch sehr eng an der dargestellten Deckungsbeitragsrechnung. Die Kritikpunkte an den Kennzahlen Potenzialausschöpfung, Cross-Selling-Erfolg und Cross-Selling-Potenzial zielen ähnlich wie beim Share of Wallet auf die Ermittlung des Gesamtproduktbedarfs. Dieser kann das Messergebnis und damit die Erfolgsmessung stark verfälschen, da hier Bedürfnisse des Kunden prognostiziert werden, die unbekannt sind. Auf Grund eines Schätzfehlers würde der Erfolg zu hoch oder zu niedrig bewertet werden und in der Folge zu falschen Steuerungsinformationen führen.534 Beim Cross-Selling-Leverage sind die Eingangswerte relativ einfach zu bestimmen. Fraglich bleibt dennoch die Information über den Erfolg der Steuerungsmaßnahmen. So sind Gehaltskonten in Deutschland vornehmlich Einstiegsprodukte und müssten daher im Ergebnis auch den höchsten CrossSelling-Leverage besitzen.535 Auf Kundenebene könnte verglichen werden, ob gleiche Produkte zwischen Kunden einen ähnlichen Leverage aufweisen. Die Cross-Selling-Ertragsquote unterliegt der grundlegenden Kritik des Deckungsbeitragsschemas und dabei vor allem der Prognose der einzubeziehenden Kosten- und Erlösarten. 532

Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 19.

533

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 260. Vgl. PAAS/KUIJLEN (Acquisition, 2001), S. 232.

534 535

Vgl. 1. Teil: A.II.3.

172

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Die dargestellten Kennzahlen zur Messung des Cross-Selling-Erfolgs bilden die Ausgangsbasis zur Entwicklung eines Konzeptes zur Messung der Cross-SellingGesamtleistung. Nachfolgend soll untersucht werden, wie eine Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs vorgenommen werden kann. 3.

Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs

Einleitend zu diesem Unterkapitel wurde gezeigt, dass die Zielgrößen des CrossSelling-Erfolgs die Menge und die Werthaltigkeit der zusätzlich abgesetzten Produkte darstellen. Die Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs bedeutet somit, die als potenzialkräftig identifizierten Kundengruppen aktiv anzusprechen, um eine Steigerung dieser Zielgrößen zu erreichen.536 Dies entspricht der im dualen Steuerungsmodell geforderten aktionsorientierten Feinsteuerung. Ziel hierbei ist es, eine Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs durch einen gezielten Einsatz der Vertriebsmitarbeiter vorzunehmen, da der Vertrieb über Kundenberater zu den teuersten Alternativen gehört. Zu unterscheiden ist hierbei die gezielte Ansprache des Kunden im Rahmen des systematischen Cross-Selling-Prozesses und die Ansprache des Kunden auf Grund eines kundenseitig initiierten Kontakts. Die gezielte Ansprache des Kunden kann auf zwei unterschiedliche Arten durchgeführt werden. Erstens persönlich durch einen Kundenberater und zweitens eher unpersönlich im Rahmen einer Cross-Selling-Kampagne. Für die persönliche Ansprache muss geklärt werden, welche Kunden der Berater/die Filiale ansprechen soll. Mittels der Potenzialmodelle kann eine spezifische Bedürfniswahrscheinlichkeit je Produkt und Kunde ermittelt werden. Eine strategische Selektion der Grundgesamtheit in Bezug auf Regionen und Produkte ergibt eine Aufstellung über potenzialträchtige Kunden je Produkt im operativen Entscheidungsgebiet der Vertriebseinheit. Nach Herunterbrechen der notwendigen Vertriebsziele je Kundenberater sind die zur deren Erreichung notwendigen, werthaltigen Kunden anzusprechen. Die begrenzte Kapazität des Beraters erfordert es, dass nur die wirklich relevanten Kunden selektiert werden. Die Selektion kann nach verschiedenen Kriterien durchgeführt werden. Soll eine bestimmte Produktart verstärkt vertrieben werden, so wird die Auswahl derjenigen Kunden getroffen, welche die höchste Abschlusswahrscheinlichkeit für dieses Produkt aufweisen. Ist hingegen ein möglichst hoher Deckungsbeitrag das Ziel, sollten die Kunde-Produktkombinationen auf Basis des höchsten erwarteten Wertbeitrags selektiert werden. Die Angebotsreihenfolge orientiert sich somit an der Alternative, die in der Erwartung das

536

Vgl. SCHIERENBECK (Entwicklungslinien, 2006), S. 19; ILLEK/SEIDENSTICKER/WANDHÖFER (Share of Wallet, 2003), S. 651-652.

Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs

173

höchste Potenzial zur Deckungsbeitragssteigerung besitzt.537 Hierbei dienen die erwarteten Deckungsbeiträge als operatives Entscheidungskriterium.538 In der Folge werden die selektierten Kunden angesprochen und der Prozess mittels des Aktivitäten-Controllings nachverfolgt. Die Kundenansprache im Rahmen einer Cross-Selling-Kampagne dient vor allem dazu, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Produkt mit dem Ziel des CrossSellings zu lenken. Eine Kampagne bezeichnet eine auf zusätzlichen Absatz fokussierte meist einmalige Werbeanstrengung. Kampagnen zählen daher zu den Marketingmaßnahmen der Verkaufsförderung im Direktmarketing.539 Im Gegensatz zur direkten Ansprache durch den Kundenberater soll dadurch nicht mit dem Kunden in einen Dialog über seine aktuellen Bedürfnisse getreten werden.540 Um mittels Kampagnen Cross-Selling-Erfolge durch die Nutzung bestehender Potenziale zu steigern, wird in einem ersten Schritt die Zielgruppe ausgewählt. Der Fokus wird hier auf diejenigen Kunden gelegt, die einen hohen Bedarf an demjenigen Produkt besitzen, das durch die Kampagne gefördert werden soll. Da ein bestimmtes Produkt im Vordergrund steht, kann hier direkt auf die Auswahl mittels Bedürfniswahrscheinlichkeit zurückgegriffen werden.541 Im zweiten Schritt wird die Ansprache der identifizierten Zielkunden über den von ihnen präferierten und im CRM hinterlegten Kommunikationskanal durchgeführt.542 Im Falle eines kundenseitig initiierten Kontakts, wenn z. B. der Kunde wegen eines anderen Anliegens in die Filiale kommt, kann die operative Steuerung nicht mittels eines strukturierten Anspracheprozesses durchgeführt werden. Hierbei ist für die Steuerung des Erfolgs von Bedeutung, dass dem Kundenberater zum Zeitpunkt des Kontakts bereits die relevanten Informationen aufbereitet vorliegen. Im Gegensatz zur produkt- oder wertorientierten Selektion steht in diesem Fall der Kunde im Fokus. Ziel ist es, den Kunden im Rahmen des „zufälligen“ Kontakts gezielt auf ein Produkt anzusprechen.543 Meist hat der Kunde mehr als nur das Bedürfnis nach einem einzelnen Produkt. Fraglich ist somit, auf welches Produkt der Kundenberater im Rahmen dieser Transaktion hinweisen sollte. Gegen eine Ansprache auf alle potenziellen Produktbedürfnisse spricht die damit einherge537 538 539

540 541

542 543

Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 72. Vgl. 2. Teil: A.II.3 zum Vorgehen der Ermittlung der erwarteten Deckungsbeiträge. Vgl. MESSNER (CRM, 2005), S. 122-123; BÜSCHGEN/BÜSCHGEN (Bankmarketing, 2002), S. 274; GERSTEN (Zielgruppenselektion, 2005), S. 35-36; CELIK (Kampagnenmanagement, 2007), S. 37. Vgl. SPECK (Kundenbindung, 2007), S. 152; MESSNER (CRM, 2005), S. 123. Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 74. Hierbei wird wieder der Annahme gefolgt, dass der Deckungsbeitrag bei gleichem Produkt und Vertriebsweg konstant ist. Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 76. Vgl. SCHMIDBERGER/DUHME (Daten, 2008), S. 458.

174

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

hende Informationsüberladung.544 Somit muss in diesem Fall eine Selektion sowohl auf Basis der Abschlusswahrscheinlichkeit als auch auf Basis des erwarteten Ertrages vorgenommen werden. Absteigend nach Selektionskriterium sortiert ergibt dies die Ansprachereihenfolge.545 Die Verfügbarkeit der Information auf Einzelkundenbasis kann im jeweiligen Profil sichergestellt werden, das der Berater während eines Kundenkontakts aufruft. Eine um die Cross-Selling relevanten Komponenten erweiterte Kundensicht im CRM zeigt die folgende Abbildung.546 Basisprofil

Produktdetails

Risikoprofil

Nr.

690702

Name

Mustermann

Tel.

069/1234567

Straße

Ohnestraße. 12

Ort

Frankfurt a. M.

Bonität

B+

Kundendaten

Kundenkontakte

Firma

---

Berater

Position

---

Letzter Kontakt

23.07.2007

Mobil

0172/1234567

Offene Angebote

Konto Plus

eMail

[email protected]

Ansprachepräferenz

Telefon

Einflussfaktoren

Bonitätsentwicklung

Kundenberater A

Ergebnisdaten

Cross-Selling-Potenziale

Zufriedenheit

zufrieden

Kundenwert aktuell

300,-

Künd.-WK

20%

Kundenlebenswert

2.500,-

Konto Plus

Gesamtbedarf

hoch

Kategorie

II

Kommunikation

regelmäßig

Produkte

Konto Standard Tagesgeld Plus

Retailprod. Ges. 2 von 6

WK

DB/erw.

76%

132/100

Fondssparen 70%

150/105

Bausparen

55%

146/80

Versicherung 30%

67/20

Abb. 35: Cross-Selling orientierte Kundeninformationen im CRM547 In einer solchen Übersicht werden Informationen zum Kundenbedarf bereits anschaulich aufbereitet und dienen somit der schnellen operativen Entscheidungsfindung im Rahmen des Kundengesprächs. Anhand des hier gewählten Beispiels in obiger Abbildung lässt sich auch nochmals nachvollziehen, dass die Auswahl mittels des erwarteten Deckungsbeitrages eine andere Ansprachereihenfolge als 544

Vgl. KNOTT/HAYES/NESLIN (Next, 2002), S. 60.

545

Vgl. MENZEL (Geschäftsbeziehungen, 2006), S. 72. Hierbei wird eine strikte Orientierung am erwarteten Deckungsbeitrag gefordert. Wie im Folgenden gezeigt wird, darf der Erfahrungsschatz des Kundenberaters jedoch nicht vernachlässigt werden. Vgl. dazu auch 1. Teil: C.II.3.

546 547

Eigene Darstellung in Anlehnung an BUXEL (Profiling, 2003), S. 137; KLAWA (Frontends, 2007), S. 15; SCHMIDT/BACH/ÖSTERLE (CRM, 2008), S. 86.

Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs

175

auf Basis der Abschlusswahrscheinlichkeiten ergibt. Dennoch ist darauf zu achten, dass gerade bei durch den Kunden initiierten Kontakten ein direkter Informationsaustausch stattfindet. Daher sollte das Urteil des jeweiligen Beraters in die Auswahl des anzubietenden Produkts mit einfließen. Eine offensichtliche Fehlsteuerung liegt vor, wenn der Kunde im Rahmen des Gesprächs z. B. darüber Auskunft gibt, dass zuletzt ein Tagesgeldkonto bei einer anderen Bank eröffnet wurde und gerade dieses Produkt auf Basis des erwarteten DB angeboten werden sollte. Subtiler sind jedoch Informationen seitens des Kunden über eine Veränderung der Lebensumstände, wie z. B. der Familiengründung. So könnte evtl. ein Bausparprodukt zur Eigenheimgründung einen akuteren Bedarf darstellen als ein Fondssparkonzept, obwohl die Abschlusswahrscheinlichkeiten und der erwartete Wertbeitrag für ein Fondssparkonzept sprechen. Hierbei muss die Erfahrung des Beraters zur operativen Feinsteuerung herangezogen werden, um flexibel auf solche Informationen zu reagieren, die bei Berechnung der Abschlusswahrscheinlichkeiten noch nicht vorlagen. Zur Steuerung des Cross-Selling-Erfolgs muss außerdem geklärt werden, welche Bestimmungsfaktoren in einem Cross-Selling orientierten Anreizsystem berücksichtigt werden müssen.548 Die Faktoren zur Anreizgestaltung orientieren sich dabei am Cross-Selling-Erfolg des jeweiligen Mitarbeiters. Der Deckungsbeitrag des Einzelgeschäfts bildet somit die wichtigste monetäre Bestimmungsgröße. Des Weiteren kann hier für eine Gesamtsicht der durchschnittliche aktuelle Kundenwert als Aggregationsform des DB herangezogen werden. Beide sind von dem einzelnen Vertriebsmitarbeiter durch sein eigenes Verhalten beeinflussbar und im Berechnungsvorgehen transparent. Nicht-monetäre Anreizfaktoren zielen vor allem auf mengenorientierte Zielgrößen. Die Cross-Selling-Quote auf Produkt- oder Kundenbasis kann hier als einfaches Verfahren in die Anreizgestaltung mit eingehen. Aber auch die Verwendung der weiteren Erfolgskennzahlen Share of Wallet, Potenzialausschöpfung oder Cross-Selling-Leverage ist möglich. Um die „Vorstufen“ des Erfolgs zu berücksichtigen, sollten auch die nicht-monetären Kennzahlen des Aktivitäten-Controllings als Bestimmungsfaktoren mit hinzugezogen werden. Die möglichen Kennzahlen sind die Selektions-, Kontakt-, Termin-, Gesprächsund Abschlussquote. Transparent in ihrer Berechnung sind alle Quoten. Allerdings ist die Selektions- und die Kontaktquote nur sehr begrenzt vom Einzelnen beeinflussbar.549 Die Termin-, Gesprächs- und Abschlussquote spiegeln jedoch den Er-

548 549

Vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 180. Die Selektionsquote gibt nur eine Aussage zu tatsächlich aus der Grundgesamtheit mittels vorgegebener Kriterien selektierten Kunden. Da es hier auf eine qualifizierte Auswahl ankommt, ist eine Steigerung der Quote durch Anpassung der Kriterien nicht zwangsläufig positiv, da der Kundenberater in der Folge seine Zeit evtl. mit weniger potenzialträchtigen Kunden verbringt. Ähnlich dazu die Kontaktquote, die das Verhältnis von tat-

176

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

folg des Mitarbeiters im Rahmen der Cross-Selling-Anstrengung über die einzelnen Prozessschritte wider. Diese sind durch das Verhalten des Beraters auch direkt beeinflussbar und sollten daher im Rahmen der operativen Anreizgestaltung zusätzlich Eingang finden.

III. Kritische Würdigung der Erfolgsmessmethoden Zu Beginn der Untersuchung wurde beklagt, dass Erfolgsmessverfahren für das Cross-Selling bisher nur vereinzelt in der Literatur Betrachtung gefunden haben. Dieser Abschnitt soll sich daher speziell mit der kritischen Würdigung der bisher dargestellten Erfolgsmessverfahren beschäftigen und deren Grenzen aufzeigen. Grund für den Fokus auf die Erfolgsmessverfahren ist, dass die Bank auf Basis dieser eine Bewertung der eigenen Leistung vornimmt. Bei Schwächen in diesen Verfahren führt dies zu einer Fehleinschätzung des tatsächlichen Erfolgs und somit zu einer falschen Steuerung. Gerade das Retailbanking ist jedoch auf aussagekräftige Steuerungsimpulse aus der Erfolgsmessung angewiesen. Diese kritische Würdigung bildet hierbei die Grundlage für den dritten Teil, in dem die Erfolgsmessverfahren weiterentwickelt werden sollen. Im ersten Schritt wird ein Kriterienkatalog aufgestellt, auf Basis dessen die Verfahren bewertet werden. Im zweiten Schritt werden die bisher bestehenden Erfolgsmessverfahren kritisch gewürdigt. 1.

Kriterien zur Bewertung der Erfolgsmessverfahren

Die Bewertung der bestehenden Erfolgsmessverfahren soll anhand folgender Kriterien durchgeführt werden:

sächlich erreichten Kunden zur Gesamtheit aller selektierten Kunden angibt. Ob ein Kunde erreicht werden kann liegt nur zu geringen Teilen im Verantwortungsbereich des einzelnen Vertriebsmitarbeiters.

Kriterien zur Bewertung der Erfolgsmessverfahren

177

Kriterium

Beschreibung

Aussagen zum Stückerfolg

Können aus den Messergebnissen Informationen zum Cross-SellingErfolg auf Stückzahlenbasis abgeleitet werden?

Aussagen zum Werterfolg

Sind aus den Messergebnissen Informationen zum Cross-SellingErfolg auf Wertbasis ableitbar?

Informationen zum Potenzial

Können aus der Kennzahl Aussagen zu bereits ausgenutzten und weiter bestehenden Cross-Selling-Potenzialen abgeleitet werden?

Handlungsempfehlungen

Kann aus der Kennzahl eine eindeutige Handlungsempfehlung abgeleitet werden?

Vergleichbarkeit

Ist mittels des Berechnungsverfahrens der Kennzahl ein bankinterner und -externer Vergleich möglich?

Objektivität der Berechnung

Ist das Berechnungsverfahren objektiv oder erfordert es subjektive Entscheidungen?

Ermittlungsaufwand

Können die Inputparameter und das Erfolgsmessverfahren mittels vertretbarem Aufwand ermittelt bzw. kalkuliert werden?

Anreizfähigkeit

Verwendungsfähigkeit in der Anreizgestaltung (Beeinflussbarkeit, Nachvollziehbarkeit)?

Tab. 13: Kriterienkatalog zur Bewertung der Erfolgsmessverfahren In erster Linie ist fraglich, ob auf Basis der Messmethode die Möglichkeit besteht, Aussagen zum Stück- oder Werterfolg abzuleiten. Diese beiden Dimensionen bilden die Zielgrößen des Cross-Selling-Erfolgs. Die Betrachtung der Quersubventionsproblematik hat gezeigt, dass die Fokussierung auf eine der beiden Dimensionen zu kurz greift. Ein Erfolgsmessverfahren sollte daher im Idealfall die Möglichkeit bieten, sowohl Aussagen zur Menge als auch zur Werthaltigkeit der Geschäfte zu leisten. Sofern lediglich Aussagen zu den Stückzahlerfolgen gegeben werden, ist die Werthaltigkeit der Zusatzgeschäfte fraglich und es kann leicht zu Quersubventionen kommen. Positiver ist, wenn lediglich Aussagen zur Werthaltigkeit gemacht werden, da diese bei Kenntnis der Produkte und deren jeweiligen Wertbeitrag einen Rückschluss auf die Stückzahlen liefern können. Wie am Beispiel des Share of Wallet zu sehen, geben Erfolgsmessverfahren auch Informationen zu bereits ausgenutzten Potenzialen. Im Umkehrschluss können aus der Höhe der ausgenutzten Potenziale auch Informationen zu noch offenen Potenzialen abgeleitet werden. Erst wenn Informationen sowohl zu genutzten als auch zu noch offenen Potenzialen vorliegen, kann eine Aussage über den aktuellen Cross-Selling-Erfolg und dessen Nachhaltigkeit gemacht werden. Aktueller Erfolg ist zwar positiv, wird dieser jedoch nicht von weiter bestehenden Potenzialen unterstützt, handelt es sich lediglich um einen einmaligen Erfolg. Für die Steuerung bedeutet dies, dass bei geringen zukünftigen Potenzialen die Erfolgszielerreichung dementsprechend angepasst werden muss. Bestenfalls bezieht ein Erfolgsmessverfahren daher beide Dimensionen in die Bewertung mit ein.

178

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Für die Steuerung unabdingbar ist, dass ein Verfahren eindeutige Handlungsempfehlungen gibt. Aus dem Ergebnis der Erfolgsmessung muss klar ersichtlich sein, welche Steuerungsentscheidung zu treffen ist. Es genügt jedoch nicht, wenn nur Einzelmessungen zu eindeutigen Handlungsempfehlungen führen. Wie gezeigt wurde, wird in der Praxis meist eine Vielzahl unterschiedlicher Kennzahlen und Kalkulationsverfahren angewendet. Hierbei ist zusätzlich zu prüfen, ob die eingesetzten Messverfahren in Summe eindeutige Handlungsempfehlungen ergeben und nicht in gegensätzlichen Steuerungsimplikationen münden. Führen z. B. zwei Kennzahlen zu unterschiedlichen Impulsen, so sind diese Messverfahren für die Steuerung untauglich. Besonders im Rahmen der Beschreibung der Cross-Selling-Quote wurde deutlich, dass die unterschiedlichen Berechnungsweisen in der Praxis ex ante nicht zu einer direkten Vergleichbarkeit zwischen den Instituten führen. Sofern ein Erfolgsmessverfahren sehr stark durch das Institut selbst definiert wird, ist das Benchmarking mit einem Vergleichsinstitut nicht möglich. Nur wenn ein institutsübergreifendes Verständnis zur Definition vorliegt, lässt das Verfahren einen Vergleich zwischen den Banken zu. Dies hängt jedoch eng mit der Vergleichbarkeit der Inputdaten zusammen. Ist deren Ermittlung institutsübergreifend nicht möglich oder die Messung nicht frei von bankspezifischen Definitionen, können in der Folge keine vergleichbaren Ergebnisse abgeleitet werden. Ein externer Vergleich ist somit nur dann möglich, wenn sowohl die Berechnungsweise als auch die notwendigen Daten verfügbar und eindeutig definiert sind. Andernfalls sind lediglich interne Erfolgsbewertungen durchführbar. Intern kann die Datenermittlung dabei über Regelungen festgelegt und damit vergleichbar gemacht werden. Die Objektivität der Berechnung ist auch nur dann gegeben, wenn das Berechnungsverfahren wenige subjektive Entscheidungen erfordert. Sofern die Inputdaten objektiv ermittelt werden, ist stets fraglich, wie subjektiv das Berechnungsverfahren ausgestaltet ist.550 Je stärker die Subjektivität, desto größer die Gefahr, dass die Berechnungsergebnisse im Zeitablauf nicht stabil sind, da es zu Änderungen kommen kann. Darüber hinaus hat die Subjektivität der Berechnung die Auswirkung, dass die Ergebnisse bankintern nur in geringem Maße akzeptiert werden. Um eine effiziente Bemessung des Erfolgs zu gewährleisten ist es notwendig, dass der Ermittlungsaufwand der Daten zur Berechnung überschaubar bleibt. Dies ist besonders vor dem Hintergrund einer schnellen Auskunftsfähigkeit über den Status quo des aktuellen Cross-Selling-Erfolgs von Bedeutung. Umfragen, wie sie häufig bei der Messung der aktuellen Ausprägung der Einflussfaktoren zum Einsatz kommen, sind daher zur Datenermittlung eher ungeeignet. Im Idealfall nutzt 550

Vgl. JENSEN (Vergütungssysteme, 2006), S. 402.

Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren

179

das Berechnungsverfahren bereits bestehende Daten und muss lediglich Teilmengen neu erheben. Diese Daten sollten somit schon in den internen IT-Systemen vorliegen. Außerdem muss die Berechnung der Erfolgskennziffer mit einem vertretbaren Aufwand durchgeführt werden können. Je komplexer das Verfahren, desto höher sind für das Institut die methodischen Anforderungen und laufenden Berechnungsaufwände. Die Anreizfähigkeit ist das letzte Kriterium, das zur Bewertung herangezogen werden soll. Da die Anreizgestaltung im Rahmen des Cross-Sellings eine wichtige Bedeutung einnimmt, ist zu gewährleisten, dass das herangezogene Erfolgsmessverfahren auch die Möglichkeit bietet, im Rahmen der Anreizgestaltung eingesetzt zu werden. Die grundlegenden Voraussetzungen, die dafür erfüllt werden müssen, wurden bei der Betrachtung der Anreiz- und Entlohnungssysteme dargestellt.551 Ohne die Möglichkeit der Integration in das Anreizsystem kann das Erfolgsmessverfahren nur eingeschränkt zur Steuerung eingesetzt werden. In der Folge sollen die bisher vorgestellten Erfolgsmessverfahren auf Basis dieses Kriterienkatalogs verglichen werden. Im Zuge dessen können auch die aktuell bestehenden Schwachstellen der Verfahren erörtert werden. 2.

Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren

Nachfolgend wird der oben entwickelte Kriterienkatalog herangezogen, um die einzelnen Verfahren zur Messung des Cross-Selling-Erfolgs zu bewerten. Je Bewertungskriterium werden dabei die Methoden verglichen. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die einzelnen Bewertungsergebnisse:

551

Vgl. dazu 1. Teil: C.III.

180

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Kriterium

DB

CSQ

CLV

SoW

PAS

CSL

CSE

Aussagen zum Stückerfolg



++



++

++

++



Aussagen zum Werterfolg

++



+







++

Informationen zum Potenzial





+

++

++





Handlungsempfehlungen

++

++

+

+

+

+/

++

Vergleichbarkeit

+/

+/

+/

+/

+/

+/

+/

Objektivität der Berechnung

++

+/



+

+

++

++

Ermittlungsaufwand

+

++







++

+

Anreizfähigkeit

++

++









+

DB CSQ CLV SoW PAS CSL CSE

Deckungsbeitrag Cross-Selling-Quote Kundenlebenswert (Customer Lifetime Value) Share of Wallet (Kundenausschöpfung) Potenzialausschöpfung (Cross-Selling-Erfolg) Cross-Selling-Leverage Cross-Selling-Ertragsquote

++ + +/  

vollumfänglich erfüllt zu großen Teilen erfüllt zu gleichen Teilen erfüllt und nicht erfüllt zu großen Teilen nicht erfüllt gar nicht erfüllt

Tab. 14: Vergleich der Erfolgsmessverfahren auf Basis des Kriterienkatalogs Es zeigt sich, dass keine Kennzahl alle Kriterien vollständig erfüllen kann. Direkte Aussagen zum Stückerfolg können lediglich durch die Cross-Selling-Quote, den Share of Wallet, die Potenzialausschöpfung und den Cross-Selling-Leverage gemacht werden. Angaben zum Werterfolg ergeben sich hingegen aus dem Deckungsbeitrag und der Cross-Selling-Ertragsquote. Wird der Customer Lifetime Value in seine Bestandteile aktueller und zukünftiger Kundenwert aufgeteilt, so sind auch hier Informationen zu Werterfolgen zu entnehmen. Es zeigt sich jedoch, dass bestehende Erfolgsmessverfahren entweder den Stück- oder den Werterfolg abbilden und nicht beide Dimensionen gleichzeitig. Informationen zu bereits ausgenutzten Potenzialen erhält man durch den Share of Wallet und die Potenzialausschöpfung direkt. Beim CLV hingegen ist dazu wiederum eine Aufsplittung zwischen aktuellem Kundenwert und Kundenpotenzial notwendig. Der aktuelle Kundenwert im Vergleich zum gesamten CLV beschreibt dabei den Anteil der bereits genutzten Potenziale. Die restlichen Größen beinhalten keine Informationen zu den bereits genutzten und ungenutzten Potenzialen. Handlungsempfehlungen können grundsätzlich aus allen Größen abgeleitet werden. Diese beziehen sich meist auf die Erhöhung der Kennziffer oder der Quote. Beim CLV, dem Share of Wallet und der Potenzialausschöpfung sind diese jedoch stark von Potenzialen getrieben, so dass eine Steigerung der Kennzahl nicht vollständig im unmittelbaren Einfluss der Bank liegt. Eine Erhöhung zeigt somit nicht immer den tatsächlich bereits erzielten Erfolg. Es kann daher bei näherer Betrachtung der Größen nur teilweise eine direkte Handlungsempfehlung abgeleitet werden. Beim Cross-Selling-Leverage ergibt sich keine eindeutige Aussage, da eine

Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren

181

Erhöhung nicht für jedes Produkt sinnvoll sein kann. Es müssten im Vorfeld spezielle Produkte festgelegt werden, für die der Leverage erhöht werden soll. Hierbei handelt es sich eher um eine Informationsgröße als um eine Steuerungsgröße. In Bezug auf die Vergleichbarkeit ergibt sich für alle Größen ein gemischtes Bild. So können zwar alle Ergebnisse intern herangezogen werden, für einen Vergleich mit der Konkurrenz steht jedoch entweder ein unterschiedliches Berechnungsverfahren oder Datenknappheit im Wege. Keines der Verfahren kann somit ohne besondere Berücksichtigung dieser Aspekte für einen externen Benchmarkvergleich herangezogen werden. Die Objektivität der Berechnung orientiert sich vor allem am Berechnungsverfahren und den zu verwendenden Eingangsgrößen. Für das Deckungsbeitragsschema, den Cross-Selling-Leverage und die Cross-Selling-Ertragsquote müssen keine subjektiven Entscheidungen zur Berechnung getroffen werden. Die Eingangsgrößen und das Verfahren sind hierbei fest definiert. Die Berechnung des Share of Wallets ist zwar zu großen Teilen objektiv, für die verwendeten Eingangsgrößen kann dies jedoch nur teilweise als erfüllt angesehen werden. So ist die Information zu den bisher vom Kunden gehaltenen Finanzdienstleistungen nicht objektiv ermittelbar. Ähnlich auch im Fall der Potenzialausschöpfung. Bei der Cross-SellingQuote ist das Berechnungsverfahren zwar objektiv, jedoch stellt sich grundsätzlich die Frage nach den zu berücksichtigenden Eingangsdaten. Daher kann ihr nur eine teilweise Objektivität bescheinigt werden. Auf Grund der Hinzunahme von aktuellen Erfolgsgrößen und Potenzialdaten ist der CLV eher negativ in Bezug auf dessen Objektivität zu bewerten. Im Rahmen der Berechnung kommen im Gegensatz zu den anderen Verfahren in großen Teilen Potenzialmodelle zum Einsatz, die stark von Subjektivität geprägt sind. Ähnlich dazu verhält sich das Kriterium des Ermittlungsaufwandes. Vor allem die Cross-Selling-Quote und der Cross-Selling-Leverage nutzen wenig unterschiedliche Daten und besitzen ein nachvollziehbares Verfahren. Sie sind deshalb recht einfach zu ermitteln. Der Deckungsbeitrag und die Cross-Selling-Ertragsquote sind zwar unkompliziert berechenbar, erfordern jedoch eine Vielzahl an unterschiedlichen kalkulatorischen Daten. Je nach Verfügbarkeit kann dies einen hohen Ermittlungsaufwand bedeuten. Der Share of Wallet und die Potenzialausschöpfung sind negativ zu bewerten, da hierbei direkt vom Kunden Informationen ermittelt werden müssen, um diese zu berechnen. Besonders im Retailbanking führt dies zu hohen Aufwänden. Diese übersteigen bei weitem die Einfachheit des Berechnungsverfahrens. Ebenso der CLV, der sowohl auf die komplexe Kalkulation von Potenzialen als auch auf ein nichttriviales Berechnungsverfahren angewiesen ist. Der Ermittlungsaufwand ist hier somit sehr hoch.

182

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

Abschließend wird die Anreizfähigkeit betrachtet, die gegeben ist, sobald der Einzelne die Ausprägung der Kennzahl, auf Basis derer bewertet wird, direkt beeinflussen kann. Dies ist vor allem für solche Kennzahlen gegeben, die keine Potenzialdaten verwenden, wie z. B. der Deckungsbeitrag und die Cross-SellingQuote. Die Cross-Selling-Ertragsquote ist zwar beeinflussbar, jedoch sind die relevanten Kostenblöcke durch den Einzelnen nur schwer im Vorfeld abzuschätzen. Hierbei handelt es sich eher um eine Kennzahl für die Kampagnenbewertung. Der Share of Wallet und die Potenzialausschöpfung, welche die tatsächlich ausgenutzten Potenziale messen, sind ebenso direkt beeinflussbar, können sich jedoch auch durch eine Veränderung des Kundenbedarfs ändern. Somit sind diese eher nicht anreizfähig. Der CLV und der Cross-Selling-Leverage hingegen sind vom einzelnen Mitarbeiter nur in kleinen Teilen beeinflussbar. Letzterer ist eher eine produktorientierte Kennzahl und daher nicht im Rahmen der Anreizgestaltung heranzuziehen. Der CLV ist vor allem auf Grund der unbeeinflussbaren Potenzialdaten und dem eher komplexen Berechnungsverfahren nicht anreizfähig. Im Rahmen der bisherigen Bewertung wurde als ein Kriterium untersucht, ob die Erfolgsmessverfahren eindeutige Handlungsanweisungen geben. Wie dargestellt, wird in den Instituten jedoch nicht nur eine Kennzahl zur Steuerung herangezogen. Fraglich ist daher, ob auch für einen Kennzahlenpool eindeutige Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Es wird beklagt, dass ein Kennzahlensystem zur Bewertung in den meisten Fällen ein widersprüchliches Bild ergibt. Nur in den seltensten Fällen kann z. B. eine Filiale als eindeutig erfolgreich oder eindeutig nicht erfolgreich bewertet werden.552 Anhand des folgenden vereinfachten Beispiels einer Bank, die zwei Filialen mit jeweils drei Kunden besitzt, soll dies nachvollzogen werden.553 Die Kunden A-C sind dabei Filiale 1 und die Kunden D-F der Filiale 2 zugeordnet. Die Tabelle gibt die relevanten Daten an, die zur Berechnung der betrachteten Erfolgskennziffern notwendig sind.

552

Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 23.

553

Zur besseren Übersichtlichkeit wurde in diesem Beispiel auf den Einbezug von Kundenberatern verzichtet. Eine tatsächliche Erweiterung um Kundenberater hätte in der Folge lediglich eine weitere Aggregationsstufe zur Folge.

Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren

Kunde

Initialprodukt

™ Zusatzprodukte

A B C D E F

Giro Giro Tagesgeld Tagesgeld Giro Tagesgeld

1 2 1 2 2 1

™ Produkte eigenes Institut 2 3 2 3 3 2

™ Produkt e Fremdinstitute 3 1 4 3 2 4

183

Gesamtbedarf des Kunden 6 5 7 7 8 8

‡ Umsatz je Zusatzprodukt 30 € 30 € 30 € 30 € 30 € 30 €

‡ Kosten je Zusatzprodukt 20 € 15 € 15 € 30 € 10 € 20 €

™ DB II Zusatzprodukte 10 € 30 € 15 € 0€ 40 € 10 €

Tab. 15: Fiktive Beispieldaten zur Erfolgskennzahlenberechnung Die Spalte „Initialprodukt“ zeigt die Produktart, die im Rahmen der Neukundenbeziehung zur Gründung des Geschäftsverhältnisses geführt hat. Die folgende Spalte gibt die Summe der zusätzlich zum Initialprodukt bezogenen Dienstleistungen an.554 „™ Produkte eigenes Institut“ zeigt die Gesamtzahl der Dienstleistungen inklusive Initialprodukt, die der Kunde im eigenen Institut hält. Die folgende Spalte beinhaltet die Summe der Produkte, die der Kunde zusätzlich bei Fremdinstituten unterhält. Der „Gesamtbedarf“ des Kunden zeigt die Menge der verschiedenen Finanzdienstleistungen, die der Kunde voraussichtlich im Rahmen seiner gesamten Kundenlebensdauer benötigt. Grundsätzlich kann von acht Produkten ausgegangen werden. Liegen jedoch Informationen vor, dass ein Kunde bereits eine Produktkategorie völlig ausschließt, kann dieser Gesamtbedarf auch geringer sein.555 Potenzial besteht somit immer dann, wenn die Summe der Produkte des eigenen und des fremden Instituts kleiner als der Gesamtbedarf ist. Danach folgen Spalten zu Umsätzen und Kosten im Rahmen des Vertriebs von Zusatzprodukten. Zur Vereinfachung sollen hier im Durchschnitt konstante Umsätze je Zusatzprodukt angenommen werden. Die Kosten variieren auf Grund der verschiedenen Vertriebswegepräferenzen des Kunden. Die letzte Spalte zeigt die Summe der bisher durch den Vertrieb von zusätzlichen Produkten erzielten Deckungsbeiträge.556 Auf Basis dieser fiktiven Daten wurde nun eine Berechnung der kritisch gewürdigten Erfolgskennziffern vorgenommen.557 Folgende Tabelle gibt

554

Es wird die Annahme getroffen, dass ein einziges Produkt für die Etablierung der Neukundenbeziehung verantwortlich war. Wurde im Rahmen der Etablierung der Kundenbeziehung Bundling durchgeführt, würden die Zusatzleistungen neben den weiteren Produktkäufen des Kunden in der Spalte „¦ Zusatzprodukte“ ausgewiesen. Im Falle des Bundlings eines Girokontos mit der Zusatzleistung einer Kreditkarte würde das Girokonto das Initialprodukt darstellen und die Kreditkarte den Zusatzverkauf.

555

Vgl. hierzu 2. Teil: A.II.1. Sowohl Grenzerträge als auch -kosten stellen hier barwertige Größen dar. Für das Einstiegsprodukt wird angenommen, dass es denselben DB II wie die Folgeprodukte erwirtschaftet.

556

557

Zur Berechnung der einzelnen Kennzahlen vgl. 1. Teil: B.I.2; 2. Teil: A.II.1 und 2. Teil: A.II.2.

184

Mess- und Steuerungsmethoden für Potenziale und Erfolge

eine Übersicht der Ergebnisse zur Bewertung des Erfolgs auf Kunden-, Filial- und Gesamtinstitutsebene. Kunde/ Filiale/ Institut A B C Filiale 1 D E F Filiale 2 Gesamtinstitut DB CSQ CLV SoW PAS CSL CSE

DB II 10 € 30 € 15 € 55 € 0€ 40 € 10 € 50 € 105 €

CSQ 2,3 2,7 2,5

CLV 30 € 60 € 45 € 135 € 0€ 120 € 40 € 160 € 295 €

SoW

PAS

CSL

CSE

40 % 75 % 33 % 47 % 50 % 60 % 33 % 47 % 47 %

33 % 60 % 29 % 39 % 43 % 38 % 25 % 35 % 37 %

1 2 1 2 2 1 -

1,5 2,0 2,0 1,8 1,0 3,0 1,5 1,5 1,6

Deckungsbeitrag Cross-Selling-Quote Kundenlebenswert (Customer Lifetime Value) Share of Wallet (Kundenausschöpfung) Potenzialausschöpfung (Cross-Selling-Erfolg) Cross-Selling-Leverage Cross-Selling-Ertragsquote

Tab. 16: Beispiel zu Erfolgskennzahlen auf Kunden- und Filialebene558 Aus der Beispielberechnung der Erfolgskennziffern wird deutlich, dass Filiale 1 auf Basis des erzielten Deckungsbeitrags, der Potenzialausschöpfung und der Cross-Selling-Ertragsquote besser als Filiale 2 abschneidet. Filiale 2 besitzt jedoch eine höhere Cross-Selling-Quote und größere Kundenlebenswerte. In Bezug auf den Share of Wallet liegen beide Filialen gleich auf. Der Cross-Selling-Leverage ist eine produktorientierte Kennzahl und kann daher auf Filialebene keine geeigneten Aussagen machen. Im Rahmen dieses Beispiels ist der Cross-Selling-Leverage für das Girokonto fünf und für das Tagesgeldkonto vier Zusatzprodukte je Einstiegsprodukt. Das Girokonto ist somit das „erfolgreichere“ Einstiegsprodukt. Je nach Zusammenstellung der Kennzahlen zeigt sich, dass eine eindeutige Erfolgsbewertung, die sowohl mengen- als auch wertorientierte Komponenten enthält, nicht ableitbar ist. Die Ausgestaltung des herangezogenen Kennzahlensystems entscheidet somit in hohem Maße über die Erfolgsbewertung der einzelnen Vertriebseinheiten. Es muss deshalb in Teil 3 der Untersuchung ein Verfahren entwickelt werden, das es erlaubt, eindeutige Steuerungsimpulse abzuleiten und das

558

Das Potenzial im Falle des CLV bezieht sich auf die durch den Kunden noch nicht gedeckten Produkte. Die Potenzialausschöpfung bezieht sich auf den gesamten Produktbedarf des Kunden.

Bewertung bestehender Erfolgsmessverfahren

185

dabei die volle Informationsbandbreite über mengen- und wertorientierte Erfolge sowie ausgeschöpfte Potenziale heranzieht.559

559

BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 34 folgern, dass von Erfolg erst gesprochen werden kann, wenn sich eigentlich gegenläufige Kennzahlen in die richtige Richtung bewegen. Dies würde bedeuten, dass eine Erhöhung der Cross-Selling-Quote mit einer Steigerung der Potenziale einhergeht.

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

187

B. Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren Im Rahmen der bisherigen Untersuchung stand die Messung von Cross-SellingPotenzialen und -Erfolgen im Vordergrund. Potenziale im Kundenstamm sind die Voraussetzung, um Erfolge überhaupt erreichen zu können und dienen daher deren direkten Steuerung. Aufbauend hierzu müssen jedoch auch Einflussfaktoren auf das Cross-Selling und dabei speziell auf die Potenziale und Erfolge einbezogen werden. Die Berücksichtigung dieser „weichen“ Faktoren ist eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches und umfassendes Kundenmanagement.560 Durch eine Veränderung der Einflussfaktoren können in der Folge sowohl Potenziale als auch Erfolge gesteuert werden.561 Ziel hierbei ist es, neben den reinen Cross-SellingMaßnahmen auch die Umfeldbedingungen zu identifizieren und frühzeitig zu kontrollieren.562 Neben quantitativen spielen im Dienstleistungscontrolling deshalb auch qualitative Faktoren eine gewichtige Rolle.563 Hauptziel dieses Abschnitts soll es daher sein, die Einflussfaktoren herauszuarbeiten und deren UrsacheWirkungszusammenhang in Bezug auf das Cross-Selling darzustellen. Des Weiteren sollen verschiedene Arten der Messung beschrieben werden, um zu zeigen, dass diese Einflussfaktoren auch kontrolliert werden können. Zusammen mit den Ergebnissen der Messung der Potenziale und Erfolge bilden die Messergebnisse der Einflussfaktoren die Grundlage der Bestimmung einer Cross-Selling-Gesamtleistung.564

I. Identifikation von Einflussfaktoren auf das Cross-Selling Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass eine Vielzahl von qualitativen Einflussfaktoren auf das Cross-Selling-Potenzial und den -Erfolg bestehen. Im Folgenden sollen daher auf Basis einer detaillierten Literaturauswertung diese Einflussfaktoren herausgearbeitet werden. Im Zuge dessen wird eine Fokussierung auf solche Faktoren vorgenommen, die eine besondere Relevanz

560 561 562 563 564

Vgl. WIEDMANN/KLEE/SIEMON (Erfolgsfaktoren, 2003), S. 64. Vgl. Abb. 3. Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 261. Vgl. SEßLER (Messbar, 2006), S. 60; 1. Teil: B.I.3. Vgl. dazu Teil 3.

188

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

besitzen, um diese in der Folge genauer zu untersuchen. Gemäß Definition kann als Einflussfaktor ein Merkmal gelten, das entweder das Cross-Selling-Potenzial und/oder den -Erfolg positiv unterstützt.565 1.

Empirische Studien zur Ermittlung von Einflussfaktoren

In einem ersten Schritt ist zu klären, welche Kriterien zur Anwendung kommen sollen, um eine Auswahl zu treffen, die hier näher betrachtet wird. Die Basis der Auswahl bildet die bisherige Forschung zu den Ursache-Wirkungsbeziehungen des Cross-Sellings. Der Hauptbeitrag zur Systematisierung der Forschungsergebnisse geht auf die Untersuchung von SCHÄFER (2002) zurück. Hierbei wurden insgesamt 40 Studien herangezogen, die sich mit Einflussfaktoren auf das CrossSelling bei Finanzdienstleistern beschäftigen. Die Untersuchung von VYAS/MATH (2006) betrachtet weitere neun Studien zu diesem Thema mit Bankenbezug. Darüber hinaus wurden 13 weitere Untersuchungen identifiziert, die noch nicht von diesen beiden Systematisierungen abgedeckt wurden. Im Ergebnis stehen somit 62 Studien zur Verfügung, die Einflussfaktoren auf das Cross-Selling bei Finanzdienstleistern herausarbeiten. Diese bilden die Basis zur Auswahl der hier betrachteten Einflussfaktoren. Die Untersuchungen wurden zum einen auf die identifizierten Einflussfaktoren hin und zum anderen auf deren Wirkungsrichtung auf das Potenzial oder den Erfolg untersucht. Folgende Tabelle zeigt die einzelnen Untersuchungen sowie deren Ergebnis je Einflussfaktor:

565

Vgl. 1. Teil: A.I.2.

Empirische Studien zur Ermittlung von Einflussfaktoren

189

190

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Empirische Studien zur Ermittlung von Einflussfaktoren

191

Tab. 17: Untersuchungen zu Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

192 Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Empirische Studien zur Ermittlung von Einflussfaktoren

193

Um eine möglichst breite Grundgesamtheit an Studien zur Verfügung zu haben, wurden grundsätzlich solche herangezogen, die sich im Bereich der Finanzdienstleistungen bewegen.566 Diese Grundgesamtheit kann auf diejenigen Studien eingeschränkt werden, die sich mit Banken beschäftigen und solche, die sich auf den Retailbereich bei Banken fokussieren. Die Studien können außerdem in empirische und nicht empirische Arbeiten eingeteilt werden. Die Auswahl der im Rahmen der Untersuchungen identifizierten Einflussfaktoren, die hier betrachtet werden sollen, wurde auf Basis der Wichtigkeit getroffen, die den einzelnen Faktoren im Rahmen der Forschung beigemessen wird. Die Wichtigkeit soll hierbei durch die Anzahl verfügbarer Studien im Retailbereich ausgedrückt werden, die eine positive Korrelation zwischen dem Einflussfaktor und dem Cross-SellingPotenzial oder dem -Erfolg ermittelt haben. Die Bedeutung wird darüber hinaus durch die Anzahl der Untersuchungen gesteigert, die eine empirische Überprüfung vorgenommen haben.567 Finanzdienstleister

32

Banken

30

30

Retailbanking

23

24 0

10

empirisch deskriptiv

17 20

30

40

50

60

70

Abb. 36: Verteilung der Studien zu den Cross-Selling-Einflussfaktoren Die Verteilung der Studien zeigt, dass sich aus der Gesamtheit der Untersuchungen mit Fokus auf Finanzdienstleistungen bereits eine breite Anzahl mit dem Retailbanking auseinandergesetzt hat. Es können somit tiefergehende Aussagen über bestehende Einflussfaktoren im Retailbanking abgeleitet werden. Dennoch ist die genaue Auswirkung der Änderung eines Einflussfaktors, wie z. B. auf den als Deckungsbeitrag ausgedrückten Erfolg, noch nicht eindeutig messbar. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die Wirkung eines Einflussfaktors nicht zwingend linear ist. Daher können Einflussfaktoren lediglich als Cross-Selling unterstützende Faktoren angesehen werden. Folgendes Evolutionsmodell des Wissens soll den Stand der Forschung zu den Einflussfaktoren genauer abgrenzen.

566

Durch den breiten Ansatz in einem ersten Schritt kann sichergestellt werden, dass Einflussfaktoren, die auf Grund fehlender Studien im Retailbanking u. U. nicht betrachtet werden, trotzdem mit in die Untersuchung eingehen.

567

Auf Grund der unterschiedlichen Herangehensweisen der Untersuchungen kann die tatsächlich ermittelte Stärke des Zusammenhangs als „Maßzahl“ der Wichtigkeit nicht herangezogen werden.

194

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Vorgang ist völlig unverstanden

Einflussgrößen bekannt

Einflussgrößen messbar

Kontrolle der Einflussgrößen (Stabilisierung)

Vollständiges Wissen über Ursache-Wirkungsbeziehungen

Verständnis der Gesetze, denen der Prozess folgt

Prognose der Outputveränderung bei Inputvariierung

Kontrolle der Varianz

Abb. 37: Evolutionsmodell des Wissens568 Das Evolutionsmodell zeigt die verschiedenen Schritte zum Wissensaufbau vom Ausgangspunkt, der den Untersuchungsgegenstand als völlig unverstanden klassifiziert bis zu dem Punkt, an dem vollständiges Wissen vorliegt. Die grau unterlegten Bereiche der Abbildung spiegeln den aktuellen Stand des Wissens in Bezug auf die Einflussfaktoren auf das Cross-Selling wider. Der Vorgang ist nicht gänzlich unverstanden, da bereits Studien zu den Ursache-Wirkungsketten vorliegen. Wie im weiteren Verlauf noch gezeigt wird, sind die Einflussgrößen bekannt, messbar und auch kontrollierbar. Dennoch ist aktuell noch nicht eindeutig quantifiziert, wie sich der Output (Cross-Selling-Potenzial, -Erfolg) bei der Variation des Inputs (Einflussfaktor) verändert. Es kann hierbei lediglich ein positiver oder negativer Einfluss festgestellt werden. Somit besteht bisher ein grundlegendes Verständnis über die Gesetze zur Auswirkung eines Einflussfaktors auf das CrossSelling-Potenzial und/oder den -Erfolg, jedoch noch kein vollständiges Wissen über die Ursache-Wirkungsbeziehungen. Die Steuerung der Einflussfaktoren dient daher dazu, positive Rahmenbedingungen für das Cross-Selling zu schaffen. Eine negative Veränderung der Einflussfaktoren muss durch das Cross-SellingManagement frühzeitig erkannt und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.569 Die positive Ausprägung der Einflussfaktoren legt somit die Grundlage, aktuelle Erfolge zu erhöhen und zukünftige Potenziale zu sichern. Die im Rahmen der Studien ermittelten Einflussfaktoren lassen sich grundsätzlich in die Gruppen bankbezogene und kundenbezogene Faktoren aufteilen. Bei bankbezogenen Faktoren ist der Einflussfaktor, wie z. B. die Mitarbeiterzufriedenheit, direkt in der Bank verwurzelt. Er kann ohne Mitwirkung von außen gemessen und gesteuert werden. Kundenbezogene Faktoren hingegen, wie z. B. die Kundenzufriedenheit, sind nur durch Mitwirkung des Kunden ermittelbar. Eine weitere Dimension stellt die Art des Einflusses dar. Dieser kann entweder auf das Potenzial 568

Eigene Darstellung in Anlehnung an PROBST/RAUB/ROMHARDT (Wissen, 1997), S. 330.

569

Vgl. BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 261.

Auswahl von bankbezogenen Faktoren

195

oder den Erfolg bestehen. Jedoch ist eine Abgrenzung des Einflussfaktors auf eine dieser beiden Dimensionen nicht immer eindeutig möglich. Am Beispiel des Einflussfaktors der Kundenorientierung zeigt sich, dass Studien hierbei sowohl Einflüsse auf den Erfolg als auch auf das Potenzial nachweisen.570 Aus den Einflussfaktoren sollen im Folgenden diejenigen ausgewählt werden, die zu einer näheren Untersuchung in Bezug auf deren Ursache-Wirkungszusammenhang und deren Messbarkeit herangezogen werden. 2.

Auswahl von bankbezogenen Faktoren

Bankbezogene Einflussfaktoren beziehen sich auf Umstände, die durch das Institut direkt beeinflussbar sind. Dies hat den Vorteil, dass bei einer negativen Veränderung dieser Einflussfaktoren direkt Gegensteuerungsmaßnahmen ergriffen werden können und deren Erfolg auch direkt bewertbar ist. Es müssen hierbei keine unternehmensexternen Personen mitwirken. Folgende Abbildung zeigt, wie oft die einzelnen bankbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking untersucht wurden: Kundeninformationssysteme

7

Mitarbeiterqualifikation

8

6

4

5

Anreizsystem Fähigkeit Chancentransformation

2

Produktgestaltung

2

Kundenanalysen/Segmentierung

2

4 3

Profitabilitätsanalysen

2

Interne/externe Kommunikation

2

1

Strategie/Unternehmenskultur

2

1

Lage, Alter einer Filiale

2

Führungsverhalten

2

Markenname/Glaubwürdigkeit/Image

2

Mitarbeitermotivation

2

4 5

2

empirisch deskriptiv

1

Market Research 0

5

10

15

Abb. 38: Zahl der Studien zu bankbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass Kundeninformationssysteme (CRM), die Mitarbeiterqualifikation und das Anreizsystem Einflussfaktoren sind, die verstärkt auch in empirischer Hinsicht untersucht wurden. Im Rahmen der bisherigen Be570

Vgl. 2. Teil: B.III.3.

196

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

trachtung wurden CRM-Systeme und deren Cross-Selling-Ausgestaltung bereits einer tiefergehenden Analyse unterzogen.571 Die dahinterstehende UrsacheWirkungskette zielt vor allem auf die Verfügbarkeit von Kundeninformationen ab. So besteht ein höheres Potenzial zum Cross-Selling und der Erfolgstransformation, sofern die Bank die notwendigen Kundeninformationen stets in allen Vertriebskanälen zur Verfügung hat.572 Des Weiteren gilt die Anforderung, dass die Informationssysteme Cross-Selling-Potenziale berechnen und die dafür notwendige Datenqualität aufweisen müssen.573 Alle zur Verfügung stehenden Studien ermitteln einen positiven Zusammenhang gemäß der dargestellten Wirkungskette, so dass dieser als Einflussfaktor eindeutig bestätigt werden kann.574 Eine Umfrage unter Retailbanken kommt z. B. zum Ergebnis, dass vor allem die Verfügbarkeit von Informationen zur Kundenansprache Einfluss auf den Cross-Selling-Erfolg besitzt.575 Auch in Bezug auf das Anreizsystem wurden bereits ausführlich Anforderungen an eine Cross-Selling orientierte Ausrichtung dargestellt.576 Diese werden zum Abschluss dieses Kapitels noch weiter konkretisiert und mögliche Bestimmungsfaktoren aus den Messergebnissen abgeleitet. Die dahinterliegende Wirkungskette beschreibt, dass durch eine Cross-Selling abhängige Vergütung den Mitarbeitern ein Anreiz gegeben werden soll, Cross-Selling durchzuführen.577 Dieser Einflussfaktor wirkt sich somit eher auf den Cross-Selling-Erfolg aus. Die Einflussfaktoren „CRM“ und „Anreizsystem“ sind jedoch Bestandsfaktoren, die im Zeitablauf nicht kontinuierlich gemessen und gesteuert werden müssen. Im Gegensatz dazu steht jedoch die Mitarbeiterqualifikation. Diese muss ständig bewertet und kontrolliert werden, um eine positiv gerichtete Wirkung auf das Cross-Selling zu erzielen. Eine Umfrage unter zwölf verschiedenen Banken hat ergeben, dass die Qualifikation der Mitarbeiter als ein zentraler Faktor für das Cross-Selling gesehen wird.578 Eine weitere Fallstudienanalyse unter drei USamerikanischen Großbanken kommt zum Ergebnis, dass die richtige Ausbildung

571

Vgl. 1. Teil: B.II.4 und 1. Teil: C.II.3.

572

Vgl. HOWCROFT/HILL (Quality, 1992), S. 9; DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 40; HUGHES (Database, 1992), S. 11; MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24. Vgl. LAU/CHOW/LIU (Database, 2004), S. 220; MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24; LAU ET AL. (Next product, 2003), S. 354.

573

574

575 576 577

578

In einem Fall wird jedoch kritisch angemerkt, dass die Vorschläge des Systems nicht mit einer mechanischen Umsetzung durch den Kundenberater verbunden sein dürfen, sofern dieser nicht vollständig davon überzeugt ist, dass dies ein für den Kunden nützlicher Vorschlag ist (vgl. JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 293). Vgl. DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 40. Vgl. 1. Teil: C.III. Vgl. FLEMING (Cross-Selling, 2006), S. 75; COCHEO (Done, 2000), S. 34; JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 288. Vgl. KELTNER/FINEGOLD (Value, 1996), S. 58 und S. 65.

Auswahl von bankbezogenen Faktoren

197

der Mitarbeiter zum Cross-Selling-Erfolg beiträgt, da Kundenbedürfnisse besser erkannt werden.579 Eine Befragung unter Banken in Großbritannien kommt zu dem Schluss, dass Mitarbeiter darin ausgebildet sein müssen, eine hohe Qualität der Dienstleistung sicherzustellen, um positive Effekte auf das Cross-Selling zu erzielen.580 Dieser Faktor soll daher im Folgenden näher auf die Wirkungskette und die Messbarkeit hin untersucht werden. Obwohl weniger untersucht wie der Einflussfaktor „Anreizsystem“ wurde die grundsätzliche Fähigkeit zur Chancentransformation in sieben Untersuchungen als Einflussfaktor bestätigt. Die Bank muss hierbei im Zeitablauf gewährleisten, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, um Potenziale in Erfolge zu transformieren. Eine Untersuchung z. B. kommt zum Ergebnis, dass erst der Einsatz von Modellen eine an den Bedürfnissen ausgerichtete Kundenansprache ermöglicht.581 Der Einflussfaktor der Produktgestaltung wurde in insgesamt sechs Analysen für das Retailbanking bestätigt. Hier geht es darum, dass die Produktgestaltung so auf den Kunden ausgerichtet sein muss, dass dieser seinen tatsächlichen Bedarf decken kann. Empirisch wurde der Einfluss des Produktprogramms durch die Analyse der Kundenbeziehungen von 20 Filialen einer US-amerikanischen Bank nachgewiesen.582 Eine weitere Studie kommt zum Ergebnis, dass Produktbündel gestaltet werden müssen, sofern Kunden sich normalerweise entweder für das eine oder das andere Produkt entscheiden würden.583 Die Fähigkeit zur Chancentransformation und die Produktgestaltung als Einflussfaktoren werden daher zusätzlich tiefergehend untersucht. Die weiteren Einflussfaktoren wurden zwar bestätigt, jedoch nicht in dem Umfang wie die bisher angesprochenen. Außerdem wurden die Möglichkeiten zur Durchführung von Profitabilitätsanalysen bereits im Rahmen der Betrachtung des Deckungsbeitrages und des Kundenlebenswertes aufgezeigt.584 Die Etablierung einer Segmentierung zur erfolgreichen Cross-Selling-Durchführung ist ein weiterer Faktor. Die Bedeutung der Segmentierung wurde bereits dargestellt.585 Die Ursache-Wirkungskette hinter diesen beiden Einflussfaktoren liegt in der Fähigkeit, Potenziale überhaupt zu erkennen. Dies hängt zwar eng zusammen mit dem Ein-

579 580 581 582 583 584 585

Vgl. KREBSBACH (Mantra, 2002), S. 22. Vgl. DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 40. Vgl. MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24. Vgl. WATNE (Cross-Selling, 1979), S. 171. Vgl. GUILTINAN (Bundling, 1987), S. 78. Vgl. 1. Teil: B.I.2 und 1. Teil: B.III.1. Vgl. 1. Teil: B.II.3.

198

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

flussfaktor des CRM, die Studien stellen jedoch heraus, dass besonders Kundenwertanalysen oder die Segmentierung Cross-Selling-Erfolge versprechen.586 Bei den restlichen identifizierten bankbezogenen Einflussfaktoren handelt es sich um Einzeluntersuchungen. So lässt sich z. B. das Führungsverhalten auch unter dem Oberpunkt der Anreizsysteme einordnen. Interne und Externe Kommunikation geht hierbei in die Richtung der Mitarbeiterqualifikation und der Durchführung von Kampagnen. Diese Punkte sollen keiner tiefergehenden Prüfung unterzogen werden. Es werden daher die bankbezogenen Einflussfaktoren Mitarbeiterqualifikation, Produktgestaltung und Fähigkeit zur Chancentransformation näher in Bezug auf die Wirkungskette und die Messverfahren untersucht. Zuvor soll jedoch noch eine geeignete Auswahl der kundenbezogenen Einflussfaktoren getroffen werden. 3.

Auswahl von kundenbezogenen Faktoren

Kundenbezogene Faktoren bezeichnen in Abgrenzung zu den bankbezogenen solche, die zwar durch die Bank direkt gesteuert, jedoch nicht ohne Mitwirkung des Kunden gemessen werden können. Grund hierfür ist, dass z. B. die Höhe der Kundenzufriedenheit subjektiven Eindrücken unterworfen ist. Diese können nur in Zusammenarbeit mit dem Kunden ermittelt werden.587 Hierbei zeigt sich, dass die Messung der kundenbezogenen Faktoren durch die Hinzunahme von unternehmensexternen Personen tendenziell mit höherem Aufwand verbunden ist. Die folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die Anzahl der Studien, welche die verschiedenen kundenbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking untersucht haben: 1

8

Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Kundenbindung

2

6 4 2

Häufigkeit des Kundenkontakts Verhältnis zum Kunden Kundenbedarf

empirisch deskriptiv

1

2 1 0

2

4

6

8

10

Abb. 39: Zahl der Studien zu kundenbezogenen Einflussfaktoren im Retailbanking 586

Vgl. MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24; JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 289.

587

Vgl. 2. Teil: B.III.1.

Auswahl von kundenbezogenen Faktoren

199

Der Einfluss der Kundenzufriedenheit und der Kundenorientierung auf das CrossSelling ist sowohl in der Gesamtzahl als auch in Bezug auf die Anzahl der empirischen Studien am meisten untersucht worden. Eine Studie hat z. B. anhand von Daten zur Kundenzufriedenheit von 12.000 Retailkunden den Zusammenhang zum Cross-Selling analysiert. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwicklung des Cross-Selling-Erfolgs zu 37 % durch die Höhe der Kundenzufriedenheit erklärt werden kann.588 Eine weitere Befragung unter rund 1.750 ostdeutschen Bankkunden einer Geschäftsbank hatte zum Ergebnis, dass zufriedene Kunden eher dazu bereit sind, die Produkte nur einer einzigen Bank zu nutzen. Eher unzufriedene Kunden nutzen mehrere verschiedene Institute um ihre Produktbedürfnisse zu decken.589 Eine Kundenbefragung von 2.000 Retailkunden aus zwei Banken hatte zum Ergebnis, dass die Kundenzufriedenheit den höchsten Einfluss auf das Cross-Selling-Potenzial besitzt.590 In Bezug auf die Kundenorientierung ergab eine explorative Studie unter Retailbanken, dass diese Voraussetzung für ein erfolgreiches Cross-Selling ist.591 Eine Umfrage unter rund 2.000 Bankkunden einer Bank kam außerdem zum Ergebnis, dass sich die Kundenorientierung positiv auf das Cross-Selling-Potenzial auswirkt. Kundenorientierung wurde im Rahmen dieser Studie dahingehend operationalisiert, dass die Kundenbetreuer aus Sicht der Kunden eine qualitative Serviceleistung erbringen können. Im Ergebnis sinkt bei einer geringen Kundenorientierung das Cross-SellingPotenzial. Von denjenigen Kunden, die die Leistung des Instituts als unzureichend sehen, würden nur 9 % das Angebot weiter nutzen.592 Die Einflussfaktoren Kundenzufriedenheit und Kundenorientierung sollen daher im Folgenden einer genaueren Untersuchung zur Ursache-Wirkungskette und deren Messbarkeit unterzogen werden. Die Gesamtzahl der vier Untersuchungen zur Kundenbindung ist zwar nicht ganz so hoch, diese untersuchen jedoch konsequent empirisch den Zusammenhang zum Cross-Selling-Potenzial oder dem -Erfolg. Eine Kausalanalyse auf Basis von Kundeninterviews kam zu dem Schluss, dass sich eine hohe Kundenbindung signifikant auf das Cross-Selling auswirkt.593 Die bereits angesprochene Umfrage unter rund 1.750 Kunden einer Geschäftsbank hat zudem ergeben, dass sich eine hohe Kundenbindung positiv auf das Cross-Selling-Potenzial auswirkt. Hintergrund ist hier, dass Kunden, die lediglich an ein Institut gebunden sind eine geringere Ge588

Vgl. HALLOWELL (Satisfaction, 1996), S. 32.

589

Vgl. BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 341. Vgl. GRUND (Interaktionsbeziehungen, 1998), S. 235.

590 591 592 593

Vgl. DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 41. Vgl. JONES/FARQUAR (Contact, 2003), S. 72 und S. 74. Vgl. EGGERT (Kundenbindung, 1999), S. 154.

200

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

samtproduktnutzung aufweisen.594 Der Einflussfaktor der Kundenbindung soll daher auch näher untersucht werden. Die Häufigkeit des Kontakts mit dem Kunden als Einflussfaktor wurde im Retailbanking insgesamt dreimal untersucht und davon in zwei Fällen mittels empirischer Methoden. Speziell jedoch für den Cross-Selling-Erfolg wurde hier ein negativer Zusammenhang festgestellt. Dazu wurde in einer Studie eine Umfrage unter rund 80 Kundenberatern einer Bank zu ihrem Verkaufsverhalten und zusätzlich eine Befragung von rund 1000 Kunden dieser Berater zu deren Kaufverhalten durchgeführt. Das Ergebnis war, dass ein häufiger Kundenkontakt, lediglich mit dem Ziel des Cross-Sellings, zu einer eher negativen Kundenwahrnehmung führt.595 Häufiger Kundenkontakt, der jedoch persönlich und bedarfsorientiert ausgestaltet ist, unterstützt das Cross-Selling-Potenzial positiv. Im Rahmen einer Befragung von Retailkunden konnte ermittelt werden, dass sich die Qualität der Kundenberatung mit einer Korrelation von 0,63 signifikant positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt, die den höchsten Einfluss auf das Cross-SellingPotenzial besitzt.596 Auf Grund der nicht eindeutig positiv nachgewiesenen Auswirkungen sowohl auf das Potenzial als auch auf den Erfolg, soll dieser Einflussfaktor hier nicht näher betrachtet werden. Das „Verhältnis zum Kunden“ und der „Kundenbedarf“ wurden bisher empirisch für das Retailbanking nicht nachgewiesen, sondern lediglich durch Expertenbefragungen ermittelt. Auch wenn die Zahl der Studien auf solche ausgeweitet wird, die sich generell mit Banken beschäftigen, ist keine bessere Untersuchungsbasis vorhanden. Speziell für das „Verhältnis zum Kunden“ gibt es widersprüchliche Ergebnisse. Zum einen wurde ein Zusammenhang zwischen dem Erfolg und der Qualität der Kundenbeziehung festgestellt.597 Zum anderen wurde in einer weiteren Studie der Einfluss jedoch als nicht signifikant abgelehnt. Hierbei sind 296 Personen zu ihren Erfahrungen und Einstellungen beim Kauf von Finanzprodukten befragt worden. Die Auswertung konnte zwischen der Qualität der Kundenbeziehung und dem zusätzlichen Bezug eines Produkts keinen Zusammenhang feststellen. Es wurde lediglich eine Korrelation von 0,16 ermittelt und der Einfluss des Verhältnisses zum Kunden als nicht signifikant abgelehnt.598 Diese beiden Faktoren sollen daher nicht näher untersucht werden.

594 595 596 597 598

Vgl. BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 346-348. Vgl. EVANS/GRANT (Compensation, 1992), S. 47; AKSIN/HARKER (Sell, 1999), S. 27-28. Vgl. GRUND (Interaktionsbeziehungen, 1998), S. 200. Vgl. JARRAR/Neely (Cross-selling, 2002), S. 292-293. Vgl. CROSBY/EVANS/COWLES (Relationship, 1990), S. 72 -76.

Mitarbeiterqualifikation

201

Im Folgenden werden somit die Kundenzufriedenheit, die Kundenorientierung und die Kundenbindung als kundenbezogene Einflussfaktoren näher untersucht.

II. Bankbezogene Einflussfaktoren und Methoden zur Messung Sowohl für die bank- als auch die kundenbezogenen Einflussfaktoren, die näher untersucht werden sollen, wird ein zweistufiges Vorgehen gewählt. In einem ersten Schritt soll geklärt werden, welche Ursache-Wirkungszusammenhänge bestehen. Der zweite Schritt soll aufbauend zeigen, wie die Veränderung eines Einflussfaktors gemessen werden kann, um ihn für die Steuerung im Rahmen des Cross-Selling-Managements nutzbar zu machen. 1.

Mitarbeiterqualifikation

Wie die Auswertung der Literatur gezeigt hat, besteht besonders durch die Qualifikation der Mitarbeiter ein großer Einfluss sowohl auf das Cross-SellingPotenzial als auch auf den Cross-Selling-Erfolg. „...[B]anks can accomplish far more in their cross-selling programs by hiring salesminded tellers, training them [and] keeping them informed...”.599 Auch die Praxis mahnt, dass die mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter ein bedeutender Hinderungsgrund für erfolgreiches Cross-Selling, besonders bei nicht traditionellen Produkten, ist.600 Die dahinter stehende Ursache-Wirkungskette bezieht sich auf die beim Kunden erlebte Qualität. Eine hohe wahrgenommene Fachkompetenz führt dazu, dass der Kundenberater als Experte angesehen wird, dem in der Folge vertraut werden kann.601 CrossSelling-Erfolge sind aus diesem Grunde wahrscheinlicher, da sich der Kunde kompetent beraten fühlt. Die Qualifikation der Mitarbeiter bezieht sich jedoch nicht nur auf die relevanten Produkte im Retailumfeld, sondern auch auf Kompetenzen im Umgang mit dem Kunden sowie den Methoden der Bedarfsanalysen im Verkaufsprozess.602 Die Ausbildungsanstrengungen können somit in verschiedene Richtungen zielen, die jedoch alle zum Ziel haben, die wahrgenommene Qualität der erbrachten Leistungen zu verbessern.603 Der Einfluss der Qualifikation besteht 599

VOLCKHAUSEN (Trends, 1965), S. 94.

600

Vgl. BENÖLKEN/GREIPEL (Dienstleistungsmanagement, 1994), S. 92; TOWERS PERRIN (Incentives, 2004), S. 4. Vgl. CROSBY/EVANS/COWLES (Relationship, 1990), S. 72.

601 602 603

Vgl. JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 287-288. Vgl. DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 40; FLEMING (Cross-Selling, 2006), S. 74.

202

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

in allen Vertriebswegen, bei denen der Kunde einen direkten Kontakt zum Kundenberater pflegt. Fraglich bleibt, wie der Grad der Mitarbeiterqualifikation gemessen werden kann.604 Nur durch eine adäquate Messung ist eine Bewertung möglich, ob die positiven Einflüsse auf das Cross-Selling auch ausgenutzt werden. Grundsätzlich ist die Messung und Steuerung der Qualifikation Aufgabe des Personalcontrollings.605 Das Cross-Selling-Management muss daher den Informationsbedarf festlegen und Anforderungen an das Personalcontrolling formulieren. Dies entspricht auch der Forderung nach Ermittlung relevanter Erfolgsfaktoren in den jeweiligen Bereichen und der darauf folgenden Transformation in Messmethoden im Personalbereich.606 Grundlage hierfür ist die Definition des richtigen Qualifikationsgrads für das Cross-Selling. So sollte für die jeweilige Mitarbeiterstufe ein zu erfüllendes Set an Qualifikationen ermittelt werden.607 Folgende beispielhafte Aufstellung zeigt ein solches Qualifikations-Set: Kundenkompetenz x Kenntnis der Bedürfnisse des

Kunden x soziales Einfühlungsvermögen x Kommunikationsfähigkeit x Verkaufstechniken

Produktkompetenz x Ausgestaltung der Produkte x Auswirkungen der Produkte

(steuerlich etc.) x Spezialisierung auf Einzelprodukte

Methodenkompetenz x Methoden der Datennutzung,

Systemkenntnis. x Strukturierung verfügbarer

Datenquellen (Komplexitätsreduktion) x Durchführen von Bedarfsanalysen x Transformation Problem-Lösung

Tab. 18: Beispiel eines Cross-Selling orientierten Qualifikationssets608 Die grundlegendste Form der Messung stellt ein Vergleich zwischen der Soll- und der Ist-Qualifikation dar. Hierbei kann ermittelt werden, in welchem Ausmaß das 604

605

606 607

608

Fragen der Rentabilitätsrechnung in Bezug auf die Mitarbeiterentwicklung sollen an dieser Stelle außer Betracht bleiben, da sich ein positiver Einfluss auf das Cross-Selling allein aus dem Ausbildungsgrad des Mitarbeiters ergibt. Für eine ausführliche Darstellung dazu vgl. FELLENSTEIN (Personalentwicklung, 1996), S. 220270. Eine Rentabilitätsrechnung von Bildungsmaßnahmen wird z. T. auch gänzlich abgelehnt (vgl. WITTEN (Controlling, 2006), S. 562). Vgl. DGFP (Personalcontrolling, 2001), S. 21; SCHULTE (Personal-Controlling, 2002), S. 15; KOBI (Personalcontrolling, 2005), S. 38. Vgl. JOCHMANN/GIRBIG (Personalcontrolling, 2007), S. 270; DAY (Führen, 2006), S. 29. Vgl. KELTNER/FINEGOLD (Value, 1996), S. 65-66; BENÖLKEN/GREIPEL (Dienstleistungsmanagement, 1994), S. 94. Dies entspricht dem grundsätzlichen Vorgehen der Formulierung einer Stellenbeschreibung in Verbindung mit konkreten Anforderungesprofilen (vgl. FELLENSTEIN (Personalentwicklung, 1996), S. 38). Eigene Aufstellung in Anlehnung an SCHÜTTE/HÖFLE (Anforderungsprofil, 1998), S. 227-232; HOMBURG/SCHÄFER (Kundenpotentiale, 2001), S. 23; FLEMING (Cross-Selling, 2006), S. 74; ECHTERBECK/VILLIEZ (Vertriebssteuerung, 2006), S. 337; WITTMANN ET AL. (Cross-Selling, 2007), S. 50.

Mitarbeiterqualifikation

203

tatsächliche Qualifikationsprofil vom geforderten abweicht. Vereinfacht wird im ersten Schritt davon ausgegangen, dass die Kenntnisse des Mitarbeiters denen entsprechen, die er im Rahmen von Schulungen vermittelt bekommen hat. Im Ergebnis erhält man den sogenannten Kompetenzfit, der aussagt, zu welchem Grad die Solldefinition erreicht wird.609 Da die Mitarbeiter nicht nur eine CrossSelling bezogene Ausbildung erhalten, kann auch der Anteil der Cross-Selling bezogenen Ausbildung an der Gesamtausbildung ermittelt werden. Außerdem kann eine Cross-Selling orientierte Qualifikationsstruktur berechnet werden, welche die Anzahl der Mitarbeiter eines bestimmten Qualifikationssets ins Verhältnis aller Mitarbeiter setzt.610 Ein Vergleich zwischen den Vertriebswegen/-einheiten kann so den Bedarf an Weiterbildung aufzeigen. Sind z. B. ungewöhnlich viele Kundenberater einer bestimmten Filiale unter dem geforderten Ausbildungsniveau, sollten hier verstärkt Schulungsmaßnahmen durchgeführt werden. Des Weiteren gibt die Ermittlung der durchschnittlichen Anzahl von Ersatzkräften für ein bestimmtes Kompetenzprofil Auskunft darüber, wie etwaige Personalschwankungen durch Krankheit oder Arbeitsplatzwechsel aufgefangen werden können.611 Die Durchführung von Schulungen allein sagt jedoch noch nichts über die tatsächliche Qualität der Kenntnisse aus. Schwieriger wird es, wenn im zweiten Schritt davon ausgegangen wird, dass die tatsächliche Kompetenz von der vermittelten abweicht.612 Aussagen zur Güte der Qualifikation des Mitarbeiters können z. B. durch das Aktivitäten-Controlling ermittelt werden. Ein Vergleich der Gesprächsund Abschlussquoten zwischen den Mitarbeitern kann Weiterbildungspotenzial in Bezug auf die Kundenkompetenz offen legen.613 Eine relativ niedrige Gesprächsquote (bei konkurrenzfähiger Abschlussquote) deutet auf einen Weiterbildungsbedarf in Bezug auf die Gesprächsführung hin.614 Insgesamt kann die Kompetenz auch durch weitere Größen des Cross-Selling-Erfolgs operationalisiert werden.615 Jedoch eignen sich nicht nur Schulungen zur Wissensvermittlung. Sofern erreicht werden kann, dass der Vertriebsmitarbeiter als erster Kunde gewonnen wird, ist zudem sichergestellt, dass auch bereits eine persönliche Auseinandersetzung mit

609

610 611 612 613

614 615

Vgl. JOCHMANN/GIRBIG (Personalcontrolling, 2007), S. 269; BRAUWER/RUMPEL (Bildungscontrolling, 2008), S. 89; ECHTERBECK/VILLIEZ (Vertriebssteuerung, 2006), S. 337. Vgl. SCHULTE (Personal-Controlling, 2002), S. 159 und S. 199. Vgl. DAY (Führen, 2006), S. 30. Vgl. BRAUWER/RUMPEL (Bildungscontrolling, 2008), S. 199. Durch die Normierung im Rahmen der Verhältniszahlenbildung wird auch bereits die Vergleichbarkeit zwischen den Mitarbeitern erreicht. Für die Definition der Quoten vgl. 1. Teil: B.II.2. Vgl. BRAUWER/RUMPEL (Bildungscontrolling, 2008), S. 199.

204

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

dem Produkt stattgefunden hat.616 Der Grad der Produktnutzung durch eigene Mitarbeiter kann somit als ein Indiz für die Wissensqualität genutzt werden. Besonders im Filialgeschäft könnte ein sehr weit gehender Ansatz die zukünftige Bedürfnisstruktur der Kunden in Bezug auf die Produkte mit dem aktuellen Qualifikationsgrad der Mitarbeiter vergleichen. Am Beispiel eines Investmentdepots wird dabei die Gesamtkundenzahl, die einen Bedarf nach diesem Produkt besitzt, ermittelt und zur Anzahl der Kundenberater, die Spezialkenntnisse dazu besitzen, ins Verhältnis gesetzt. Daraus ergibt sich die durchschnittliche Kundenzahl/Berater in Bezug auf ein potenzielles Produkt. Liegt diese über dem Durchschnitt müssten weitere Produktspezialisten ausgebildet werden. In der Praxis herrscht jedoch meist das Prinzip des fest zugeordneten Kundenberaters vor, so dass dieser die Ansprache des Kunden in die Wege leiten müsste und in der Folge einen Spezialisten hinzuzieht.617 Die Ergebnisse dieser Messung können die verschiedensten Wertebereiche annehmen. Die Messung der Erreichung eines bestimmten Qualifikationsprofils kann als nominale „erreicht“ oder „nicht erreicht“ Ausprägung bewertet werden. Der Qualifikationsgrad an sich kann jedoch je nach Messverfahren auch ordinalskalierte Werte annehmen. 2.

Fähigkeit zur Chancentransformation

Zahlreiche Studien weisen daraufhin, dass sowohl das Cross-Selling-Potenzial als auch der -Erfolg sehr stark von der grundsätzlichen Fähigkeit des Instituts abhängen, Cross-Selling Chancen überhaupt zu ermitteln und diese in Erfolge zu transformieren. Diese Fähigkeit kann dabei in informationstechnologische und methodische Aspekte eingeteilt werden. Die informationstechnologischen Anforderungen, die für das Cross-Selling notwendig sind, wurden bereits ausführlich erörtert.618 In Bezug auf die Fähigkeit zur Chancentransformation stellen die einzelnen Studien daher vor allem die Verfügbarkeit von Informationen in temporaler, quantitativer und qualitativer Hinsicht in den Vordergrund. Die verwendeten Systeme müssen darüber hinaus so integriert werden, dass eine Abstimmung zwischen Planungs- und Kostenrechnungssystemen möglich ist. Außerdem ist die Geschwindigkeit, mit der relevante Informationen zur Verfügung stehen, zu beachten. Die Ursache-Wirkungskette ist somit der Zusammenhang zwischen dem zeitnahen Erkennen eines Potenzials und der Mög616 617 618

Vgl. KERN (Bancassurance, 1999), S. 119. Vgl. SCHÜTTE/HÖFLE (Anforderungsprofil, 1998), S. 228-229. Vgl. 1. Teil: B.II.4 und 1. Teil: C.II.3.

Fähigkeit zur Chancentransformation

205

lichkeit dieses erfolgreich zu nutzen. Nur wenn Potenziale bekannt sind, können in der Folge auch Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden, um diese zu nutzen. Die Fähigkeit der Chancentransformation wirkt sich auch auf die wahrgenommene Qualität beim Kunden aus, wenn dieser bedarfsorientiert angesprochen werden kann.619 Die Anforderungen, die aus der informationstechnologischen Ausstattung entstehen, werden in folgendem Schaubild zusammengefasst: IT-Ausstattung Software x Customer Relationship

Management x Vertriebsmonitoring x Integrierte Datenbanken x Integration der Planungs-

und Kostenrechnungsprogramme

Hardware x Speicherkapazitäten x Ausstattung mobiler

Vertrieb x Filialausstattung x Kalkulation von Potenzialmodellen in akzeptabler Zeitspanne

Sonstiges x Datentechnische Ausstat-

tung zur Informationsbereitstellung x Kapazitäten elektronische Vertriebswege (Internet, mobiler Vertrieb, Telefon) x Datenqualität

Abb. 40: IT-Sollausstattung zur Hebung von Cross-Selling-Chancen620 Hierbei ist fraglich, wie diese IT-Einflüsse gemessen werden können, um für die Steuerung nutzbar zu sein. Im Falle des CRM und der Integration von Daten kann lediglich der Bestand festgestellt werden. Im Rahmen der Kapazitäten, der Datenqualität und der Performance der Systeme ist ein permanenter Soll-Ist Vergleich möglich. Dabei sollten relevante Zielgrößen in Bezug auf die Verfügbarkeit von Kundeninformationen festgelegt werden. Die Messung der IT-Einflüsse fällt grundsätzlich in den Aufgabenbereich des ITControllings.621 Das IT-Controlling beschäftigt sich zu großen Teilen mit der Sicherung der IT-Wirtschaftlichkeit, mit Projektmaßnahmen und mit ressourcenbezogenen Fragestellungen.622 Auf Basis der oben genannten Anforderungen an die IT zur Cross-Selling-Durchführung können im Folgenden institutsabhängig Kennzahlen abgeleitet werden, die es ermöglichen, den Einflussfaktor zu messen. So sind Durchlaufzeiten und Störungszeiten im Rahmen einer reibungslosen Cross-

619

Vgl. SONNENBERG (Power, 1988), S. 59; HOWCROFT/HILL (Quality, 1992), S. 9; HUGHES (Database, 1992), S. 14-15; MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24; DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 40; BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Cross-Selling, 2002), S. 37; LAU ET AL. (Next product, 2003), S. 354; STONE ET AL. (Loyalty, 2004), S. 312.

620

Eigene Darstellung in Anlehnung an ebenda. Vgl. SCHMID-KLEEMANN (IT-Controlling, 2005), S. 53.

621 622

Vgl. BECKER/FISCHER/MIKA (Implementierungsstand, 2006), S. 27; SCHICK/SCHWIND (IT-Controlling, 2001), S. 47.

206

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Selling-Durchführung zu erheben.623 Diese können u. a. Durchlaufzeiten von Potenzialanalysen oder Wartezeiten der Berater auf die relevanten Informationen im Kundengespräch darstellen. Eng damit zusammen hängt die Akzeptanz der ITSysteme durch die Mitarbeiter. Es sollte daher im Zeitablauf gemessen werden, zu welchem Grad die Vertriebsmitarbeiter die Systeme als Unterstützung sehen. In der Praxis kann es durchaus der Fall sein, dass die durch das System vorgeschlagenen Produkte aus Sicht des Kundenberaters nicht adäquat erscheinen und so schleichend die Akzeptanz des Systems und damit der gesamten Methodik verloren geht.624 Daher ist die Nutzerzufriedenheit im Rahmen des Cross-SellingManagements sicherzustellen.625 Des Weiteren sollten durch das IT-Controlling Daten bereitgestellt werden, welche die Messung der Effizienz der Cross-SellingAnstrengungen unterstützen. Dazu gehören z. B. Daten zur IT-Ausstattung der Kundenberater, um Aussagen darüber treffen zu können, ob die Ausstattung einen Beitrag zum Erfolg liefert. Zwar nicht direkt als Einflussfaktor beschrieben, jedoch unter dem Gesichtspunkt des Cross-Selling-Managements auch von großer Bedeutung sind die IT-Kosten, die durch die Potenzialermittlung entstehen. Hierdurch kann eine genauere Einzelgeschäftskalkulation durchgeführt werden.626 Betrachtet man die gesamten Faktoren als ein zu erfüllendes informationstechnologisches Einflussfaktorenset, kann der Grad der Umsetzung auf Vertriebskanal/einheiten Ebene gemessen werden. Diese Messergebnisse bilden analog dem Qualifikationsgrad wiederum ordinale Größen ab, die in die Steuerung einfließen können.627 Die methodischen Anforderungen beziehen sich vor allem auf die Fähigkeit der Bank, komplexere Modelle zur Potenzialermittlung einzusetzen.628 So ist ein wichtiger Einflussfaktor, dass die Bank das Wissen in Bezug auf die Modelle der Potenzialberechnung überhaupt besitzt.629 Nur so können methodisch fundierte Aussagen zu den Potenzialen gegeben und ein qualitativ hochwertiges systematisches Cross-Selling durchgeführt werden. Die Ursache-Wirkungskette zielt darauf ab, dass Potenziale zuerst zuverlässig erkannt werden müssen, um diese in Erfolge transformieren zu können.

623 624 625 626 627

628 629

Vgl. KÜTZ (IT-Steuerung, 2006), S. 127. Vgl. JARRAR/NEELY (Cross-selling, 2002), S. 293. Vgl. SCHMID-KLEEMANN (IT-Controlling, 2005), S. 53. Vgl. HIRSCHBERGER (IT-Controlling, 2005), S. 23. Auf diese Weise kann auch die Zukunftsfähigkeit der IT gemessen werden (vgl. hierzu LANKES/TABBERT (Zukunftsfähigkeit, 2005), S. 412. Vgl. zu den Modellen und deren Komplexität 2. Teil: A.I. Vgl. MCEACHERN (Loyalty, 1997), S. 24; BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Cross-Selling, 2002), S. 37; LAU ET AL. (Next product, 2003), S. 354.

Produkt- und Sortimentsgestaltung

207

Die Aussagekraft eines Potenzialmodells ist umso größer, je besser es den Bedarf des Kunden bestimmen kann. Ein Vergleich der tatsächlich abgeschlossenen mit den für einen Kunden berechneten Produktbedürfnissen erlaubt es, Rückschlüsse zur Aussagekraft des eingesetzten Potenzialmodells abzuleiten. Jedoch sollten nicht nur tatsächliche Abschlüsse, sondern auch Angaben der Kunden im Rahmen von Verkaufsgesprächen gesammelt werden, die Rückschlüsse auf die Richtigkeit des Vorgehens erlauben. So könnte z. B. vom Kundenberater bereits beim Gespräch im CRM dokumentiert werden, ob der Kunde den ermittelten Bedarf auch für sich selbst schon festgestellt hat. Diese Ergebnisse lassen im Zeitablauf eine stetige Verfeinerung der angewendeten Systematik zu. Eine Auswertung je Vertriebskanal könnte zudem Aufschlüsse darüber geben, ob unterschiedliche Vorgehen für die jeweiligen Vertriebskanäle notwendig sind. So ist zu erwarten, dass eher komplexe Produkte nicht über das Internet veräußert werden. Ein Modell muss solche Spezifika berücksichtigen. Im Ergebnis kann der Erfolgsgrad des eingesetzten Modells ermittelt werden. Das Messergebnis stellt eine ordinale Größe dar, die in der Folge in die Steuerung einfließen kann. Zu klären ist abschließend, an welcher Stelle in der Bankorganisation die Erfüllung der methodischen Anforderungen gemessen werden kann, um relevante Informationen für die Steuerung zu generieren. In einem ersten Schritt der Messung muss analog zu den IT-Anforderungen grundsätzlich der Status quo bestimmt werden, der aufzeigt, auf welche Weise das Institut die Bedürfnisse der Kunden ermittelt. Hierbei gibt es Unterschiede in Bezug auf die Komplexität der eingesetzten Methoden der Potenzialermittlung, wie z. B. Entscheidungsbäume oder künstliche neuronale Netze. Diese Komplexität ergibt sich zum einen aus methodischer Hinsicht und zum anderen aus der notwendigen Schulung der Mitarbeiter (Mitarbeiterqualifikation) und der Umsetzung eines Modells. Ist eine Entscheidung über die Wahl der Methodik gefallen, ist es in der Folge die Aufgabe des Cross-SellingManagements, die Aussagekraft der eingesetzten Modelle zu messen. 3.

Produkt- und Sortimentsgestaltung

Abschließend zu den bankbezogenen Einflussfaktoren soll die Gestaltung der Produkte oder des Sortiments betrachtet werden, die insgesamt von sechs Studien eine wichtige Bedeutung beigemessen bekommt. Vornehmlich hat die Breite des Produktprogramms hier den größten Einfluss vor allem auf den Cross-SellingErfolg.630 „Breite“ kann in diesem Zusammenhang mehrere Bedeutungen besitzen. Zum einen die Anzahl unterschiedlicher Produkte, die dem Kunden durch ein Institut angeboten werden. Zum anderen auch die Anzahl der verschiedenen Insti630

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 125 und S. 153; MORIARTY/KIMBALL/GAY (Banking, 1983), S. 9.

208

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

tute, unter denen dasselbe Produkt ausgewählt werden kann.631 Je mehr Alternativen dem Kunden zur Beschaffung seiner Bankprodukte gegeben werden, desto wichtiger ist es, ihn an das Institut zu binden, da sonst die Chance auf CrossSelling sinkt.632 Auf Grund der hier verfolgten institutsinternen Sichtweise soll unter der Breite des Produktprogramms die Anzahl verschiedenartiger durch das Institut angebotener Finanzdienstleistungen verstanden werden. Die UrsacheWirkungskette für den positiven Einfluss auf das Cross-Selling-Potenzial sowie den -Erfolg liegt vor allem in der Deckung von verschiedenen Produktbedürfnissen.633 Zum einen können durch ein hohes Leistungsspektrum verschiedene Kundenbedürfnisse gedeckt und zum anderen auch eher komplexere Anfragen besser bearbeitet werden. Je stärker somit der Kundenbedarf mit dem angebotenen Produktprogramm übereinstimmt, desto eher wird auch davon Gebrauch gemacht.634 Außerdem birgt die Möglichkeit, die gesamten Bedürfnisse an Finanzdienstleistungen bei einer Bank zu tätigen, Transaktionskostenvorteile für die Kunden.635 Fraglich ist jedoch, wie die „richtige“ Breite des Produktprogramms gemessen werden kann. Im Rahmen der durchgeführten empirischen Studien wurde eine Operationalisierung dahingehend vorgenommen, dass eine subjektive Einschätzung der Unternehmensverantwortlichen eingeholt wurde.636 Diese sollten die Breite des Produktprogramms im Vergleich zu dem der Konkurrenz bewerten. Die Ergebnisse dieser Meinungsbildung kann wiederum auf einer vorher festgelegten Ordinalskala abgetragen werden. Um die Messergebnisse in der Steuerung sinnvoll nutzen zu können, sollte jedoch ein systematischerer Ansatz gewählt werden als nur die rein subjektive Befragung. Grundsätzlich muss dazu ein Vergleich der Kundenbedürfnisse im Kundenstamm mit dem eigenen Produktprogramm durchgeführt werden. Dies entspricht der Forderung, dass der wichtigste Grundsatz der Produktgestaltung die Ausrichtung auf 631

Vgl. RANDALL/ULRICH/REIBSTEIN (Brand, 1998), S. 357; MORIARTY/KIMBALL/GAY (Banking, 1983), S. 10. Hierin enthalten sind jeweils auch vertikale und horizontale Komponenten der Produktdifferenzierung. Vertikal bedeutet eine Unterscheidung in Bezug auf die Qualität und horizontal in Bezug auf die grundsätzlichen Eigenschaften. Finanzvermittler, wie z. B. AWD oder MLP, können in Bezug auf die Anbieterwahl grundsätzlich ein breiteres Produktprogramm aufweisen.

632

Vgl. GIERING (Zusammenhang, 2000), S. 145. Vgl. MORIARTY/KIMBALL/GAY (Banking, 1983), S. 9; STRACKE/GEITNER (Finanzdienstleistungen, 1992), S. 61.

633

634 635

636

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 153. Vgl. 1. Teil: A.I.1. In diesem Zusammenhang wird auch vom sogenannten „One-stop-shopping“ gesprochen (vgl. WATHNE/ BIONG/HEIDE (Choice, 2001), S. 57). Vgl. KEKRE/SRINIVASAN (Product, 1990), S. 1227; SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 125. In einem anderen Untersuchungszusammenhang wird die Breite des Produktprogramms durch reines Zählen der unterschiedlichen Produkte ermittelt (vgl. RANDALL/ULRICH/REIBSTEIN (Brand, 1998), S. 369).

Produkt- und Sortimentsgestaltung

209

die Kundenbedürfnisse darstellt.637 Retailbanken bieten jedoch bereits jetzt ein institutsübergreifend homogenes Produktportfolio an.638 Anpassungsbedarf besteht hier in Bezug auf die Ausrichtung der Standardprodukte auf spezielle Kundentypen, wie z. B. Senioren. Wird hierbei im Rahmen der internen Potenzialermittlung festgestellt, dass eine besondere Käuferschicht hauptsächlich Bedarf an einem speziellen Produkt besitzt, so muss dieses angepasst werden. Ziel soll sein, die Bedürfnisse (Konditionen, Laufzeit etc.) dieser Kundengruppe abzubilden. Da die Produktgestaltung oder -umgestaltung meist mit hohen Aufwendungen verbunden ist, muss die potenzielle Käuferschicht innerhalb der Bestandskunden eine kritische Größe besitzen, um die Anpassungen rentabel zu gestalten.639 Das Ziel der Messung soll deshalb die Identifikation von Anpassungserfordernissen von bestimmten Produkten auf spezielle Zielgruppen sein. Zum anderen soll der Grad der Deckung spezieller Kundenbedürfnisse durch eine ordinale Messung aufgezeigt werden. Des Weiteren kann bewertet werden, wie stark sich die Produkte in den einzelnen Kategorien von denen der Konkurrenzinstitute unterscheiden. Neben der Sortimentsgröße wirkt sich auch die Verbundenheit der Produkte untereinander positiv auf das Cross-Selling aus. Im Rahmen der Grundlagen wurde beschrieben, wie das Bundling dazu genutzt wird, gerade bei der Neukundengewinnung unterschiedliche Produkte anzubieten und damit Cross-Selling zu betreiben.640 Da Bundling eine Art des Cross-Sellings darstellt muss ermittelt werden, welche Produkte an sich eher verbunden sind. Dazu kann der gesamte Kundenstamm z. B. mittels einer Regressionsanalyse daraufhin untersucht werden, welche Produkte durch die Kunden verstärkt gemeinsam nachgefragt werden. Um zu klären ob ein Bundling tatsächlich Sinn macht, wird eine kritische Masse berechnet, die bereits jetzt eine bestimmte Produktkombination nutzt. Das Cross-SellingManagement muss sowohl die objektive als auch die subjektive Verwendungsverbundenheit klären. Die objektive Verwendungsverbundenheit besteht z. B. zwischen einer Kreditkarte und einem Girokonto, das als Verrechnungskonto genutzt wird. Eine subjektive Verwendungsverbundenheit besteht eher aus Sicht des Kunden auf Grund dessen Nutzungsverhalten. So könnte ein Tagesgeldkonto in Verbindung mit einem Girokonto großen Nutzen liefern, wenn der Kunde hohe Geldeingänge verzeichnet und diese kurzfristig anlegen möchte. Da mit Bundling meist auch Preisanpassungen einhergehen, ist es die Aufgabe des Cross-SellingManagements, zusätzlich die Wirtschaftlichkeit der neu gestalteten Produktbündel sicherzustellen. Dazu können die beschriebenen wertorientierten Cross-Selling637

Vgl. HÖLSCHER (Product-Engineering, 1995), S. 145.

638

Vgl. 1. Teil: A.II.3. Vgl. MORIARTY/KIMBALL/GAY (Banking, 1983), S. 10.

639 640

Vgl. GUILTINAN (Bundling, 1987), S. 76.

210

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Erfolgsmaße herangezogen werden. Dennoch wird Bundling auch kritisch betrachtet. So kann es sich negativ auf die Kundenbindung auswirken wenn die Kundenbedürfnisse nicht genau bekannt sind.641 Die Preisgestaltung stellt im Rahmen der Produktgestaltung und des Bundling einen wichtigen Faktor dar. Auswirkungen auf das Cross-Selling-Potenzial sowie den -Erfolg sind jedoch unterschiedlich. Empirisch konnte nachgewiesen werden, dass die Preisgestaltung zwar grundsätzlich als Cross-Selling-Hebel dient, tatsächlich jedoch zu geringe Preise gegenläufige Ergebnisse nach sich ziehen.642 Daher sollten die Auswirkungen der Preise auf den Erfolg, zusätzliche Produkte abzusetzen, nicht überschätzt werden. So scheint die Breite des Produktprogramms empirisch gesehen stärkere Auswirkungen auf den Cross-Selling-Erfolg zu haben als auf das -Potenzial.643 Ein empirisch nachgewiesener Zusammenhang zwischen Preisgestaltung und Cross-Selling besteht jedoch nicht. Gerade vor dem Hintergrund der Quersubventionen sollte sich das Cross-Selling-Management daher stärker an der Rentabilität orientieren.644

III. Kundenbezogene Einflussfaktoren und Methoden zur Messung Neben den bankbezogenen Faktoren gibt es kundenbezogene Einflussfaktoren, die auf das Cross-Selling-Potenzial oder den -Erfolg einwirken. Diese können zwar durch die Bank gemessen und gesteuert werden, jedoch nur unter Mitwirkung des Kunden. Im Folgenden sollen die ausgewählten kundenbezogenen Einflussfaktoren näher betrachtet werden. Das Untersuchungsvorgehen verfolgt dieselben Schritte wie im Rahmen der bankbezogenen Faktoren. Die hohe Anzahl der Studien, die sich auf die hier betrachteten drei Einflussfaktoren konzentrieren ist jedoch nicht zufällig. Die im Marketing klassisch untersuchte Wirkungskette besagt, dass die Kundenorientierung eines Unternehmens sich auf die Kundenzufriedenheit auswirkt. Eine hohe Kundenzufriedenheit führt in der Folge zu einer stärkeren Kundenbindung. Eine hohe Kundenbindung resultiert in 641

Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 134.

642

Vgl. DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 38-39 und S. 41; JOHO (Management, 1996), S. 243. Bei laufzeitgebundenen Produkten, wie z. B. Hypothekenkrediten, führen sehr günstige Konditionen dazu, dass Kunden am Ende der Laufzeit das Institut wechseln, ohne dass signifikante Cross-Selling-Erfolge erzielt werden konnten. Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 138.

643 644

Vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Cross-Selling, 2002), S. 36.

Kundenzufriedenheit

211

einem hohen Unternehmenserfolg.645 Aus diesem Grund haben genau diese Einflussfaktoren bisher auch eine intensive Betrachtung in Bezug auf Cross-Selling erfahren. Wie im weiteren Verlauf ersichtlich wird, bezeichnet Kundenorientierung jedoch einen übergreifenden Aspekt, der sich auch bankintern auswirkt.646 Daher soll dieser Faktor am Ende der kundenbezogenen Einflussfaktoren untersucht werden. 1.

Kundenzufriedenheit

Die wissenschaftliche Forschung hat bereits unzählige Veröffentlichungen zum Thema Kundenzufriedenheit hervorgebracht.647 Im Folgenden stehen jedoch deren Einfluss auf das Cross-Selling-Potenzial sowie den -Erfolg im Vordergrund. Dabei sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Kundenzufriedenheit messbar gemacht werden kann, um die Ergebnisse in der Steuerung zu verwenden. Grundsätzlich umfasst die Definition der Kundenzufriedenheit drei verschiedene Bereiche:648 x

Soll-Ist Vergleich zwischen Erwartungen und tatsächlich erlebten Leistungen.

x

Multiattributive Zusammensetzung der Gesamtzufriedenheit auf Basis von einzelnen Produkt- oder Beziehungserfahrungen.

x

Einstellung des Kunden gegenüber einem Unternehmen/Produkt.

Die Kundenzufriedenheit ist eine Grundvoraussetzung, dass es überhaupt zum Cross-Selling kommen kann. Ist ein Kunde unzufrieden, besteht zwar die grundsätzliche Möglichkeit, dass dieser weiter seiner Bank treu ist, jedoch die Bereitschaft zusätzliche Produkte zu beziehen sinkt. Kundenzufriedenheit hat somit einen empirisch nachgewiesenen signifikanten Einfluss auf das Cross-SellingPotenzial und den -Erfolg.649 In Bezug auf das Cross-Selling-Potenzial konnte

645

646 647 648 649

Vgl. ROLFES/GOßLAU/MAAßEN (Kundenbindungsmanagement, 2004), S. 10; BRUHN/GEORGI/HADWICH (Kundenorientierung, 2006), S. 280; BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 333; CHANDRASHEKARAN ET AL. (Satisfaction, 2007), S. 161. Für einen umfangreichen Literaturüberblick zu dieser Wirkungskette vgl. LUO/HOMBURG (Satisfaction, 2007), S. 134. Vgl. BRUHN (Konzept, 2006), S. 56. Bereits 1992 waren es mehr als 15.000 Untersuchungen (vgl. PETERSON/WILSON (Satisfaction, 1992), S. 61). Hierbei wird der Kategorisierung von WINTER (Kundenzufriedenheit, 2005), S. 11 gefolgt. Vgl. HALLOWELL (Satisfaction, 1996), S. 32; BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 333; BREYER (Nachkaufverhalten, 1998), S. 389; OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 103, MÖBUS (Kundenzufriedenheit, 1998), S. 108; GRUND (Interaktionsbeziehungen, 1998), S. 20.

212

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

empirisch ein Einfluss der Kundenzufriedenheit von rund 40 % auf die zukünftige Kaufabsicht ermittelt werden.650 Im Rahmen der Wirkungskette zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundentreue/-bindung, die so zum Cross-Selling-Erfolg führen soll. Es ist jedoch die absolute Stärke der Kundenzufriedenheit ausschlaggebend. Eine im Durchschnitt eher geringe Kundenzufriedenheit steigert zwar das Cross-Selling-Potenzial, lediglich Kunden, die eine hohe Zufriedenheit besitzen tragen aber letztendlich auch zum Cross-Selling-Erfolg bei.651 Je stärker somit die Ausprägung der Kundenzufriedenheit, desto wahrscheinlicher auch die tatsächliche Handlung des Kunden zum Zusatzkauf.652 Es kann daher nicht von einem linearen Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Cross-Selling-Erfolg gesprochen werden.653 Der Grund hierfür sind Interdependenzen zwischen den Einflussfaktoren.654 Die Messung der Kundenzufriedenheit wird in Banken im Rahmen des Marketingcontrollings vorgenommen.655 Im Jahr 2003 führten jedoch noch rund 73 % der Kreditinstitute keine regelmäßige Messung der Kundenzufriedenheit durch.656 Zur Messung der Kundenzufriedenheit haben sich verschiedenste Formen herausgebildet.657 Die bekannteste ist, die Zufriedenheit auf Grundlage einer Kundenbefragung zu erfassen.658 Dabei kann der Kunde direkt nach seinem Grad der Zufriedenheit befragt oder durch Berücksichtigung besonderer Ereignisse (Critical Incident Methode) auf das Zufriedenheitsniveau geschlossen werden. Letzteres Vorgehen hat besonders für den Vertrieb den Vorteil, dass ermittelt werden kann, auf welche Faktoren der Kunde besonders Wert legt. Neben der direkten Befragung des Kunden können auch Sekundärdaten zur Auswertung herangezogen werden. Dies bedeutet eine Analyse von Beschwerden oder statistische Berechnungen zur Kundenabwanderungswahrscheinlichkeit. Diese Ergebnisse müssen in einem wei650 651 652 653 654 655

656

657

658

Vgl. BREYER (Nachkaufverhalten, 1998), S. 438. Vgl. CHANDRASHEKARAN ET AL. (Satisfaction, 2007), S. 158 und S. 160. Vgl. CHANDRASHEKARAN ET AL. (Satisfaction, 2007), S. 156 und S. 158. Vgl. KOOT (Kundenloyalität, 2005), S. 75. Vgl. BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 333-334. Vgl. KELLER/KRAUSE/SIEK (Kundenbindung, 2002), S. 548; BENNA (Marketing-Controlling, 2001), S. 690691. Vgl. WIEDMANN/KLEE/SIEMON (Erfolgsfaktoren, 2003), S. 63. Banken können auch auf Sekundärdaten von Anbietern zurückgreifen, die institutsübergreifend die Kundenzufriedenheiten messen (z. B. TRI*M™ von TNS Infratest). Für eine Kategorisierung der gängigen Verfahren vgl. BEUTIN (Verfahren, 2006), ab S. 117; MÖBUS (Kundenzufriedenheit, 1998), ab S. 104. Vgl. HOMBURG/WERNER (Messung, 1998), S. 167; LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 282; GIERING (Zusammenhang, 2000), S. 160.

Kundenzufriedenheit

213

teren Schritt mit den Eindrücken der Mitarbeiter in Bezug auf die Kundenzufriedenheit verglichen werden, um Wahrnehmungsdifferenzen zu ermitteln.659 In der Vergangenheit haben Banken auch vermehrt Kurzabfragen an Serviceautomaten oder im Internet durchgeführt.660 Dies hat den Vorteil, dass ein Zufriedenheitswert auf Einzelkundenbasis ermittelt werden kann. Ein Nachteil hiervon ist, dass diese Art der Befragung nicht so differenziert vorgeht. Welches Verfahren in der Praxis angewandt wird, hängt nicht zuletzt vom verfügbaren Budget, dem Zeitrahmen oder den existierenden Sekundärdaten ab. Die Verwendung eines ausführlichen Fragebogens wird jedoch als nicht sehr effizient angesehen, wenn die Evaluation allein der Ermittlung der Kundenzufriedenheit dient.661 Des Weiteren muss beachtet werden, dass es keinen allgemeingültigen Musterfragebogen gibt, sondern dass dieser zur Messung der Kundenzufriedenheit individuell entwickelt werden muss.662 Es wird in der Literatur auch der Vorschlag gemacht, das Wiederkaufverhalten des Kunden als Indikation der Kundenzufriedenheit heranzuziehen.663 Wiederkaufverhalten ist im Retailbanking jedoch nicht sehr verbreitet, da der Bedarf nach ein und demselben Produkt in den meisten Fällen nur einmal besteht.664 Außerdem wird eine hohe Cross-Selling-Quote als Hinweis auf eine hohe Kundenzufriedenheit erachtet.665 Bei einer Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling dürfen die einzelnen Faktoren jedoch nicht mit CrossSelling bezogenen Kennzahlen operationalisiert werden. Es würde sonst rekursiv von der abhängigen auf die unabhängige Variable geschlossen werden. Bei der Messung der Kundenzufriedenheit bedeutet dies, dass die Cross-Selling-Quote nicht als Operationalisierung herangezogen werden kann. Die Ergebnisse einer solchen Kundenzufriedenheitsanalyse werden bei der Einzelmessung durch eine Ordinalskala ausgedrückt, die eine festgelegte Anzahl Stufen besitzt. In den überwiegenden Fällen wird dabei meist eine fünf- oder siebenstufige Skala herangezogen, auf der der Kunde einschätzen soll, wie zufrieden er mit der Dienstleistung war. Die einzelnen Ausprägungen der Skala können z. B. zwischen „sehr zufrieden“ und „sehr unzufrieden“ liegen. Meist kommen jedoch verschiedene Fragen zum Einsatz, die einzelne Bereiche, wie z. B. Zufriedenheit

659

660

661 662 663 664 665

Vgl. PFAFF/JOHN (Kundenbindung, 2006), S. 48; LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 282-284. Vgl. auch für eine ausführlichere Beschreibung der Messmöglichkeiten. Die Deutsche Bank befragt die Kunden bereits in unregelmäßigen Abständen über die Serviceautomaten zu ihrer aktuellen Zufriedenheit. Vgl. BEUTIN/ZÄH/JENSEN (Erfolgskontrolle, 2002), S. 29. Vgl. PFAFF/JOHN (Kundenbindung, 2006), S. 48. Vgl. LOHSE (Kundenbeziehungen, 1999), S. 281. Vgl. HARRISON/ANSELL (Retention, 2002), S. 230. Vgl. SCHNEIDER/HENNIG (Kennzahlen, 2001), S. 118.

214

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

mit dem Produkt oder der Kontaktperson, abfragen sollen.666 Kombiniert man die Einzelergebnisse zu einer Gesamtzufriedenheit entsteht ein intervallskalierter Indexwert zwischen eins und fünf bzw. sieben.667 Für das Cross-Selling-Management ist im folgenden Schritt wichtig, welche besonderen Anforderungen erfüllt sein müssen, um die Kausalität zwischen Kundenzufriedenheit und Cross-Selling-Potenzial und -Erfolg als gegeben anzusehen. Es ist dabei grundsätzlich fraglich, ob eher Einzelzufriedenheiten oder die Gesamtzufriedenheit gemessen werden muss. Bei der Einzelzufriedenheit handelt es sich um die Kundenzufriedenheit im Rahmen einer einzigen Transaktion, wohingegen die Gesamtzufriedenheit die gesamte Geschäftsbeziehung umfasst.668 Ein nicht funktionierender Kontoauszugsdrucker kann z. B. zu einer negativen Einzelzufriedenheit führen, jedoch keine Auswirkung auf die Gesamtzufriedenheit haben.669 Die Gesamtzufriedenheit setzt sich somit aus verschiedenen Themenstellungen, wie z. B. Konditionen, Beratung, Image etc., zusammen.670 Ein positiver Einfluss geht auch nur von dieser Gesamtzufriedenheit aus, die jedoch auf der jeweiligen Aggregation der Betrachtungsebene vorliegen muss.671 Sollen Aussagen zu allen Dimensionen des Ergebniswürfels getroffen werden, ist die Messung der Kundenzufriedenheit auf Einzelkundenebene notwendig. Für eine generelle Aussage auf der gesamten Retailebene ist die Messung einer aggregierten Kundenzufriedenheit ausreichend. Im Ergebnis können so im Zeitablauf Aussagen abgeleitet werden, ob die Ausprägung der Kundenzufriedenheit Impulse für die Steuerung von CrossSelling gibt. 2.

Kundenbindung

Die Kundenbindung wird des Weiteren von vier Untersuchungen als Einflussfaktor auf das Cross-Selling ermittelt. Trotz der oft in der Praxis angenommenen Kongruenz zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, müssen diese

666

Vgl. BRUNER/JAMES/HENSEL (Scales, 2001), S. 487-501. Die Zahl der Stufen auf Basis derer eine Einschätzung durchgeführt wird, kann dabei jedoch variieren und bis zu einem Index von 100 Stufen reichen (vgl. BROWN (Kennzahlen, 1997), S. 68 und S. 75).

667

Vgl. KLENK/JACOB (Bankkunden, 2002), S. 143; PFAFF/JOHN (Kundenbindung, 2006), S. 48; BROWN (Kennzahlen, 1997), S. 68. Vgl. BREYER (Nachkaufverhalten, 1998), S. 196.

668 669 670 671

Vgl. CASPER/BOECKER/HOOSE (Monitoring, 2003), S. 191. Vgl. LOHMANN (Loyalität, 1997), S. 71-72. Die Globalzufriedenheit ist zwar heranzuziehen, um einen positiven Einfluss auf das Cross-Selling zu erhalten. Es konnte jedoch nachgewiesen werden, dass eine höhere Korrelation zwischen der Globalzufriedenheit und dem Cross-Selling besteht, wenn diese aus den Einzelzufriedenheiten aggregiert wurde (vgl. GRUND (Interaktionsbeziehungen, 1998), S. 198).

Kundenbindung

215

voneinander unterschieden werden.672 Die vorstehend betrachtete Kundenzufriedenheit beschreibt die Einstellung des Kunden gegenüber dem Institut. Sofern dieser zufrieden ist, kann dies zur Kundenbindung führen, die das Verhalten oder eine Verhaltensabsicht des Kunden widerspiegelt.673 Kundenbindung kann allgemein als Bestreben verstanden werden, dass Kunden bereits erworbene Leistungen in Zukunft weiter in Anspruch nehmen. Im Retailbereich würde dies bedeuten, dass ein Girokonto weiterhin bei der Bank gehalten und nicht zu einem Konkurrenzinstitut gewechselt wird. Eine stärkere Kundenbindung liegt vor, wenn eine Wiederkaufabsicht des Einzelnen besteht. Darüber hinaus werden Empfehlungen von Produkten an weitere potenzielle oder bereits bestehende Kunden auch als Kundenbindung bezeichnet.674 Folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Dimensionen der Kundenbindung: Kundenbindung Wiederkauf/-absicht

Zusatzkauf/-absicht

Weiterempfehlung/-absicht

Abb. 41: Dimensionen der Kundenbindung675 Kundenbindung äußert sich somit nicht nur im tatsächlichen Kaufverhalten des Kunden, sondern auch an der Absicht zum Kauf bzw. der Beeinflussung anderer zum Kauf.676 Der Wiederkauf ist jedoch wie angesprochen für das Retailbanking von untergeordneter Bedeutung, da der Kunde meist nur einen einmaligen Bedarf an einem Produkt besitzt. Für das Cross-Selling-Management ist damit besonders die Kundenbindung in Form des Zusatzkaufs interessant. Dabei kann die Kundenbindung in eine latente und faktische Bindung unterschieden werden. Die latente Kundenbindung beschreibt eine Prognose der Dauer, die aus einer Erhebung abgleitet wird. Faktische Kundenbindung hingegen bezeichnet die tatsächliche Dauer der Kundenbindung.677 In der Ursache-Wirkungskette erhöht die Kundenbindung somit das Cross-Selling-Potenzial, da eine verstärkte Zusatzkaufabsicht besteht. Die Stärke des Einflusses auf den Cross-Selling-Erfolg, dem tatsächlichen Zukauf, 672

Vgl. KELLER/KRAUSE/SIEK (Kundenbindung, 2002), S. 548.

673

Vgl. ROLFES/GOßLAU/MAAßEN (Kundenbindungsmanagement, 2004), S. 10; BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 333. Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 7-8.

674 675

676 677

Eigene Darstellung in Anlehnung an BLIEMEL/EGGERT (Kundenbindung, 1997), S. 13; OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 9-10. Vgl. BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 131. Vgl. CASPER/BOECKER/HOOSE (Monitoring, 2003), S. 187.

216

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Dennoch kann gesagt werden, dass Erfolge mit einer hohen Kundenbindung einfacher zu erreichen sind.678 Die Messung der Kundenbindung wird in der Regel durch eine persönliche oder schriftliche Kundenbefragung durchgeführt. Im Rahmen dieser Evaluationen kann z. B. direkt die Anzahl der Weiterempfehlungen oder die Absicht eines Zusatzkaufes ermittelt werden, um auf den Grad der Kundenbindung zu schließen. Indirekt können aber auch vom Kundenverhalten, wie z. B. der aktive Vergleich von Anbietern oder die Anzahl der gewählten Anbieter von Bankdienstleistungen, Indikationen zur Kundenbindung abgeleitet werden.679 Die Operationalisierung der Kundenbindung hat jedoch Auswirkungen auf die Verwendbarkeit der Messergebnisse im Cross-Selling-Management. Im Rahmen von empirischen Untersuchungen zu Cross-Selling-Einflussfaktoren wird auch die Kundenbindung des Öfteren über die Anzahl zusätzlicher abgesetzter Produkte operationalisiert.680 Ein solches rekursives Verfahren kann jedoch analog zur Kundenzufriedenheit keine brauchbaren Ergebnisse für die Messung des Einflussfaktors ergeben, da sonst implizit bereits der Cross-Selling-Erfolg gemessen würde. Einflüsse auf das Potenzial würden somit außer Acht gelassen. Allerdings kann hierbei das Verhältnis zwischen der Anzahl der beim Institut gehaltenen Produkte und denen bei anderen Banken herangezogen werden. Es wurde empirisch nachgewiesen, dass ein hoher Share of Wallet auch zu einer hohen Kundenbindung führt.681 Eine Vorgehensweise, die Kundenbindung zu operationalisieren besteht z. B. auch in der Betrachtung der Dauer der Geschäftsbeziehung.682 Dabei wird jedoch noch nichts über die Qualität der Kundenbindung ausgesagt.683 Des Weiteren können z. B. Kennzahlen zur Bestimmung der Kundenbindung beitragen. Eine Möglichkeit besteht in der Ermittlung des Anteils an Kunden, die dem Unternehmen über einen gewissen Zeitraum treu geblieben sind oder der Kundenabwanderungsrate.684 Eine Indikation über die Stärke der Bindung lässt sich auch aus der Tatsache ableiten, wie viele 678

679

680

681 682 683 684

Vgl. BÖSE (Kundentreue, 1998), S. 334; CHANDRASHEKARAN ET AL. (Satisfaction, 2007), S. 156 und S. 160; STRACKE/GEITNER (Finanzdienstleistungen, 1992); DITTRICH (Kundenbindung, 2000), S. 15. Vgl. DATAMONITOR (Kundentreue, 2004), S. 25; DITTRICH (Kundenbindung, 2000), S. 201. Für eine Übersicht von Kennzahlen der indirekten Messung über das Kundenverhalten vgl. DITTRICH (Kundenbindung, 2000), S. 204. Vgl. HALLOWELL (Satisfaction, 1996), S. 30-31; HARRISON/ANSELL (Retention, 2002), S. 231; DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 37; KUTTLER (Loyalitätsprogramme, 2005), S. 183 und S. 186; STENNER (Wertmanagement, 2004), S. 295 schlägt die Cross-Selling-Quote als Messgröße zur Kundenloyalität im Rahmen der Balanced Scorecard vor. Vgl. BAUMANN/BURTON/ELLIOTT (Loyalty, 2005), S. 240. Vgl. KIRMßE/GRIMMER (Vertriebscontrolling, 1999), S. 863. Vgl. OEVERMANN (Kundenbindungsmanagement, 1997), S. 146. Vgl. KIRMßE/GRIMMER (Vertriebscontrolling, 1999), S. 863; KUTTLER (Loyalitätsprogramme, 2005), S. 185; RAMME (Kundenzufriedenheit, 2002), S. 446.

Kundenorientierung

217

Produkte der jeweilige Kunde bei anderen Anbietern nutzt.685 Neben der klassischen Befragung der Kunden kann dies auch durch eine Transaktionsdatenanalyse ermittelt werden. Aus den Ergebnissen der Messung der Kundenbindung kann in Verbindung mit einer Wertdimension auch abgeleitet werden, ob tatsächlich auch werthaltige oder potenzialträchtige Kunden gebunden sind.686 Die Befragung kann sich dabei analog zur Kundenzufriedenheit auf eine siebenstufige ordinale Skala, auf der die Kunden einzelne Aussagen zuordnen müssen, stützen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage, ob der Kunde die Produkte der Bank weiterempfehlen würde. Die Aussagen können hierbei zwischen „überaus wahrscheinlich“ und „völlig unwahrscheinlich“ eingestuft werden. Eine Aggregation der einzelnen Fragen ergibt im Ergebnis einen intervallskalierten Kundenbindungswert.687 Fraglich bleibt, welche Anforderungen an die Messung der Kundenbindung aus Sicht des Cross-Selling-Managements bestehen, um eine positive Auswirkung auf den Cross-Selling-Erfolg zu erzielen. Im Rahmen von Untersuchungen wurde wie angemerkt die Kundenbindung oft mit der Anzahl der erworbenen Produkte operationalisiert. Dies geschah, um Angaben auf Kundenebene zu erhalten. Diese Granularität ist notwendig, um die Ursache-Wirkungskette hin zum Cross-Selling zu schließen. Somit müssen Ergebnisse zur Kundenbindung, analog zur Kundenzufriedenheit, auf Einzelkundenebene vorliegen. In der Praxis ist jedoch festzustellen, dass die Kundenbindung nur alle drei bis vier Jahre mittels breit angelegten Befragungen gemessen wird.688 Um nicht jeden Kunden einzeln abfragen zu müssen, kann auch auf Basis der aktuellen Nutzung der gehaltenen Produkte abgeschätzt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kunde das Institut verlässt.689 Durch die Operationalisierung der Kundenbindung mit der Kündigungswahrscheinlichkeit kann im Ergebnis für jeden Kunden ein intervallskalierter Wert für die Kundenbindung ermittelt werden. Dieser ist in der Folge auch im Rahmen der Steuerung verwendbar. 3.

Kundenorientierung

Im Rahmen der dargestellten empirischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Cross-Selling-Erfolg in hohem Maße auch von der Kundenorientierung abhängt. Die Definitionen der Kundenorientierung umfasst die Formen der Informa-

685 686 687 688 689

Vgl. DATAMONITOR (Kundentreue, 2004), S. 25-26. Vgl. KELLER/KRAUSE/SIEK (Kundenbindung, 2002), S. 551. Vgl. BRUNER/JAMES/HENSEL (Scales, 2001), S. 368-369. Vgl. SPECK (Kundenbindung, 2007), S. 151. Vgl. WIEDMANN/KLEE/SIEMON (Erfolgsfaktoren, 2003), S. 68.

218

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

tionsorientierung, der Kultur-/ Philosophieorientierung und der Leistungs-/Interaktionsorientierung.690 Auf Basis dieser Perspektiven kann Kundenorientierung grundsätzlich als eine positive Verhaltensweise des Instituts gegenüber dem Kunden gesehen werden. Dabei werden die Unternehmensaktivitäten wie Planung und Erstellung von Leistungen strikt an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet.691 Somit richtet sich Kundenorientierung, neben der Befriedigung der Produktbedürfnisse, auch an die internen Prozesse und generell an die Unternehmenskultur. Diese sollte kundenfreundlich ausgestaltet werden, so dass der externe Faktor reibungslos integriert werden kann. Kundenorientierung bedeutet daher auch, dass im Rahmen der permanenten Interaktion mit dem Kunden eine schnelle, flexible und individuelle Reaktion möglich ist.692 Mitarbeiter sollten dazu kundenbezogene Informationen im Kontakt mit dem Kunden nutzen.693 Da Kundenorientierung immer auch mit der gezielten Realisierung von Kundenkontakten einhergeht, kann der systematische Cross-Selling-Prozess auch als Unterstützung der Kundenorientierung gesehen werden. Kundenorientiert vorgegangen wird nur, wenn Kundenbedürfnisse verstanden und befriedigt werden.694 Außerdem muss zwischen externer und interner Kundenorientierung unterschieden werden. Die externe Kundenorientierung bezeichnet dabei das Verhalten der Mitarbeiter nach außen gegenüber dem Kunden. Die interne bedeutet das Verhalten der Mitarbeiter untereinander zum Nutzen des Kunden.695 Die dahinter stehende Wirkungskette ist, dass eine intensivere Kundenorientierung auch zu einer positiveren Beurteilung der Leistung führt. Ein kundenorientiertes Verhalten der Bank führt somit zu einer besseren wahrgenommenen Qualität der Leistung. Daraus entwickelt sich auch ein höherer Grad an Kundenzufriedenheit.696 In der Folge hat dies günstige Auswirkungen auf das Cross-Selling-Potenzial.697 Außerdem beeinflusst eine gesteigerte Kundenorientierung das Kundenver-

690

Vgl. BRUHN (Kundenorientierung, 2007), S. 15; SPILLECKE (Kundenorientierung, 2006), S. 19-20. Vgl. auch für einen Überblick über die relevante Literatur zu den einzelnen Perspektiven.

691

Vgl. KÜHN (Kundenorientierung, 1991), S. 98; BRUHN (Kundenorientierung, 2007), S. 15-17; BRUHN (Konzept, 2006), S. 37. Die Marktorientierung beschäftigt sich im Gegensatz zur Kundenorientierung mit den für das Unternehmen relevanten Märkten und deren Marktteilnehmern. Die Betrachtungsweise geht in diesem Fall über die Kunden hinaus und erweitert sich z. B. auf Anteilseigner, Finanziers und die Konkurrenz. Vgl. ROLFES/GOßLAU/MAAßEN (Kundenbindungsmanagement, 2004), S. 10-11.

692 693 694 695 696 697

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 135 und S. 158; HUGHES (Database, 1992), S. 15. Vgl. KÜHN (Kundenorientierung, 1991), S. 102. Vgl. BRUHN/GEORGI/HADWICH (Kundenorientierung, 2006), S. 281 und S. 282. Vgl. BRUHN (Servicebarometer, 2004), S. 282; JONES/FARQUAR (Contact, 2003), S. 72. Vgl. GRUND (Interaktionsbeziehungen, 1998), S. 300; DAWES/SWAILES (Retention, 1999), S. 41.

Kundenorientierung

219

halten und damit den Cross-Selling-Erfolg positiv.698 Es wird deutlich, dass sich der Effekt der Kundenorientierung auf das Cross-Selling somit über die Kundenzufriedenheit oder die Kundenbindung auswirkt. Gemäß dieser Definition erscheint Kundenorientierung als etwas übergreifendes, das sowohl interne (Produkte, Prozesse,...) als auch externe Aspekte beinhaltet. Die Messung der Kundenorientierung fokussiert sich auf die interne und externe Sichtweise unter Berücksichtigung der genannten Perspektiven. Die externe Sichtweise zum Kunden misst die wahrgenommene Kundenorientierung. Dies wird meist klassisch über eine Kundenbefragung ermittelt. Analog greift auch hier das Problem der Kosten der Durchführung.699 Da Kundenorientierung die vollumfängliche Bedürfnisbefriedigung der Kunden bedeutet, können im Rahmen dieser Erhebungen Informationen aus verschiedensten Bereichen zur Bedeutung und Erfüllung einzelner Inhalte abgefragt werden. Themen sind u. a. die Qualität der fachlichen Beratung, die Art der Auftragsabwicklung oder Wartezeiten in den Filialen.700 Neben der externen Befragung der Kunden muss intern in der Folge abgeglichen werden, inwieweit das Institut den Anforderungen der Kunden bereits entgegen kommt. Die interne Sichtweise der Kundenorientierung wird auch durch Evaluationen in verschiedenen Themenbereichen gemessen. So können Unternehmensleitbilder, die Infrastruktur oder auch das Bank-Mitarbeiter-Verhältnis Indikationen zur Stärke geben. Im Rahmen der letztgenannten werden Aspekte wie interne Interaktionsprozesse oder das Arbeitsumfeld begutachtet.701 Ein standardisiertes und validiertes Verfahren zur Messung der Kundenorientierung der Vertriebsmitarbeiter ist die SOCO-Skala. Sie setzt sich aus den Elementen der Verkaufsorientierung (Sales Orientation) und der Kundenorientierung (Customer Orientation) zusammen. Anhand von 24 Fragen kann die Verkaufskultur der Vertriebsmitarbeiter ermittelt werden. Mit Hilfe einer neunstufigen Skala wird auf Basis von vorgegebenen Aussagen das Verhalten eingestuft. Solche Aussagen sind z. B. „ich versuche herauszufinden, welches Produkt für den Kunden am hilfreichsten ist“ oder „ich versuche soviel wie möglich zu verkaufen, anstatt den Kunden zufrieden zu stellen“. In der Folge wird der Grad der Zustimmung zu diesen Aussagen anhand der Skala abgefragt. Im Ergebnis erhält man einen Punktwert, der den Grad der Kundenorientierung der Vertriebsmitarbeiter angibt.702

698 699 700

701 702

Vgl. JONES/FARQUAR (Contact, 2003), S. 72. Vgl. BENZ/LINGSCHEID (Kundenorientierung, 1997), S. 71; BRUHN (Konzept, 2006), S. 56. Vgl. BRUHN/GEORGI/HADWICH (Kundenorientierung, 2006), S. 285. Auf eine trennscharfe Befragung zur Verwechslungsfreiheit mit der Kundenzufriedenheit ist dabei zu achten. Vgl. KÜHN (Kundenorientierung, 1991), S. 102; BRUHN (Konzept, 2006), S. 58. Vgl. SAXE/WEITZ (SOCO, 1981), S. 345-347; BRUNER/JAMES/HENSEL (Scales, 2001), S. 933-935.

220

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Diese Vorgehensweise kann in angepasster Form auch für eine Kundenbefragung herangezogen werden, um die externe Kundenorientierung zu ermitteln.703 Analog zur Messung der bisherigen Einflussfaktoren ist der Grad der internen und externen Kundenorientierung somit ein ordinales Messergebnis.704 Sofern Durchschnitte gebildet werden, ergibt sich in der Folge auch ein intervallskalierter Wert. Das Cross-Selling-Management benötigt zur Bewertung dieses Einflussfaktors auch hier Daten auf Basis verschiedener Granularität. So können z. B. einzelne Vertriebseinheiten/-wege, interne Abteilungen oder Prozesse auf Ihre Kundenorientierung hin beurteilt werden. Daten auf Einzelkundenebene sind dann notwendig, wenn der wahrgenommene Grad der Kundenorientierung bei Kunden mit in die Betrachtung einbezogen werden soll.

IV. Steuerung von Cross-Selling mittels Einflussfaktoren Für den langfristigen Erfolg muss, neben der direkten Steuerung von Erfolgszielgrößen und Ressourcen, dieser auch über die dargestellten Einflussfaktoren gesteuert werden. Nur eine positive Ausprägung der Einflussfaktoren kann die Basis für ein erfolgreiches Cross-Selling bilden. Die für das Cross-Selling-Management beschriebenen Ziele werden durch die Steuerung der Einflussfaktoren als so genannte Subziele unterstützt. Diese schaffen somit günstige Umfeldbedingungen für das Cross-Selling und müssen gesondert betrachtet werden.705 Die Ableitung einer Steuerung von Cross-Selling mittels der Einflussfaktoren folgt dabei einem empirisch-induktiven Ansatz. Induktiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Kennzahlen auf Basis von empirischem Wissen abgeleitet werden. Dabei müssen die Einflussgrößen nicht zwangsläufig über Ursache-Wirkungsbeziehungen begründet sein. Ausgangspunkt bilden hier meist Expertenbefragungen oder die statistische Untersuchung von Datenbeständen. Mittels solcher Analyseverfahren können Abhängigkeiten zwischen Variablen gemessen und so Einflusswirkungen und signifikante Zusammenhänge beschrieben werden, aus denen sich in der Folge Kennzahlen ableiten lassen.706 Im Ergebnis heißt dies, dass eine Steuerung des Cross-Sellings durch eine Steuerung der Einflussfaktoren erreicht werden kann, wenn signifikante Zusammenhänge bekannt sind. Die positive 703

Vgl. MICHAELS/DAY (Orientation, 1985), S. 444.

704

Vgl. BRUHN (Servicebarometer, 2004), S. 283. Vgl. EILENBERGER (Bankbetriebswirtschaftslehre, 1997), S. 549; BUXEL/BUCKLER (Cross-Selling, 2003), S. 261.

705

706

Vgl. KÜPPER (Controlling, 2008), S. 405.

Kundenorientierung

221

Wirkungskette verschiedener Einflussfaktoren wurde in diesem Kapitel untersucht. Hierbei hat sich gezeigt, dass diese nicht geschäftstäglich gemessen werden können und somit eher langfristig zu steuern sind. Die langfristige strategische Steuerung der Einflussfaktoren bildet ein Ziel des Cross-Selling-Managements. Das Cross-Selling-Management muss daher ständig die aktuelle Ausprägung der relevanten Einflussfaktoren kontrollieren. Sollten Korrekturmaßnahmen notwendig sein, ist die eigentliche Steuerung der Einflussfaktoren in den dafür zuständigen Bereichen vorzunehmen. Im Rahmen des Cross-Selling-Managements wird z. B. geprüft, ob der aktuelle Stand der Mitarbeiterqualifikation ausreichend ist, um das Cross-Selling positiv zu beeinflussen. Anpassungsbedarf wird in diesem Fall an das Personalcontrolling rückgemeldet, um die notwendigen Schritte einzuleiten. Fraglich ist an dieser Stelle jedoch, wie der relevante Bereich festgelegt wird, in dem sich der Einflussfaktor bewegen soll. Die Studien zur Bestimmung der Einflussfaktoren haben diese bisher lediglich grundsätzlich nachgewiesen. Wie gezeigt wurde, ist bis jetzt kein vollständiges Wissen über die genauen UrsacheWirkungsbeziehungen vorhanden. Es kann somit keine generelle Aussage getroffen werden, wie stark ein bestimmter Einflussfaktor ausgeprägt sein muss. Für die Bank ergibt sich daraus die Schwierigkeit, eine Schwelle festzulegen, ab deren Unterschreitung Steuerungsmaßnahmen eingeleitet werden sollen. Eine Möglichkeit der Festlegung besteht darin, sich stets von den Konkurrenzinstituten positiv zu differenzieren.707 Für Einflussfaktoren, wie z. B. die Kundenzufriedenheit, kann dieser Vergleich mittels Daten von Marktforschungsinstituten durchgeführt werden. Im Fall von Einflussfaktoren, wie z. B. der Qualifikation der Mitarbeiter, liegen solche Vergleichsdaten nicht vor.708 Für solche Faktoren sollte stets eine Maximierung erreicht werden. Benchmarkdaten können z. B. mittels eines Vergleichs von Filialen untereinander gewonnen werden. Ein Grund, dass bisher noch keine exakten Schwellenwerte für die Einflussfaktoren ermittelt worden sind, ist, dass die Stärke der Ursache-Wirkungsbeziehung bankindividuellen Faktoren, wie z. B. der Kundenstruktur, unterworfen ist. Ein Institut könnte daher, neben den bisher gezeigten Möglichkeiten, auch eine eigene Untersuchung zur Stärke der Einflussfaktoren durchführen, um bankspezifisch Schwellwerte festzulegen. Dazu müssten jedoch die relevanten Daten für eine vergangenheitsorientierte Betrachtung lückenlos vorliegen.

707

Die Ausprägung des Einflussfaktors „Breite des Produktprogramms“ besitzt in Bezug auf Finanzdienstleistungsprodukte eine natürliche Grenze. Daher kann auch das bloße Erreichen des Benchmarks eines Vergleichsinstituts eine strategische Zielgröße darstellen.

708

Auch wenn Vergleichdaten vorliegen würden, muss hierbei stets sichergestellt sein, dass die Vergleichsinstitute kongruente Qualifikationssets für die Bewertung der Qualifikation heranziehen (vgl. 2. Teil: B.II.1).

222

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

Unabhängig von der Bestimmung von Schwellwerten ist für die Steuerung eine sinnvolle Aufbereitung der Daten notwendig, die es dem Cross-Selling-Management erlaubt, frühzeitig Steuerungserfordernisse zu erkennen. Die Möglichkeit zur Kontrolle der Einflussfaktoren besteht durch ein so genanntes EinflussfaktorenCockpit. Es beschreibt eine Übersicht der relevanten Faktoren und deren aktuelle Ausprägung in einer grafischen und textuellen Aufbereitung. Die Bank identifiziert dazu in einem ersten Schritt die zu betrachtenden Einflussfaktoren. Analog zur Verwendung von Kennzahlen gilt auch hier, dass eine vollumfängliche Betrachtung aller Einflussfaktoren zu keinem günstigen Aufwand-Ertragsverhältnis führt. Wie gezeigt wurde, ist gerade die Messung der Einflussfaktoren davon geprägt, dass die Datenerhebung aufwendig ist. Für folgendes Beispiel wurden daher die sechs bisher untersuchten Einflussfaktoren herausgegriffen und in einem Einflussfaktoren-Cockpit dargestellt.709 Mit Hilfe der Cockpitdarstellung können die komplexen Ursache-Wirkungszusammenhänge übersichtlich abgebildet und ein aktueller Soll-Ist-Vergleich erreicht werden.710 Einflussfaktorencockpit Qualifikationsgrad Aktuell 4,3

Status 9 Tendenz

Kundenzufriedenheit Aktuell 1,8

Status 8 Tendenz

Chancentransformation Aktuell 2,8

Status 8 Tendenz

Kundenbindung Aktuell 2,9

Status 9 Tendenz

Produktgestaltung Aktuell 4,0

Status 9 Tendenz

Kundenorientierung Aktuell 3,2

Status 9 Tendenz

Abb. 42: Strategisches Einflussfaktoren-Cockpit.711 Die Aufgabe des Cross-Selling-Managements ist es somit, die relevanten Informationen für die Einflussfaktoren zu sammeln und aufzubereiten. Im Ergebnis soll eine umfängliche Sicht auf die unterstützenden Faktoren ermöglicht werden, um 709

710 711

Ein Steuerungscockpit beschreibt die zielorientierte Zusammenfassung von Kennzahlen, die die Steuerungsaufgaben im Unternehmen unterstützen (vgl. DJUKANOV ET AL. (Vertriebssteuerung, 2004), S. 24). Vgl. CASPER/BOECKER/HOOSE (Monitoring, 2003), S. 198-199. Eigene Darstellung in Anlehnung an CASPER/BOECKER/HOOSE (Monitoring, 2003), S. 198.

Kundenorientierung

223

frühzeitig strategische Anpassungserfordernisse ableiten zu können. In der Folge können diese Informationen in ein Frühwarnsystem überführt werden, das es erlaubt, eine extreme Unterschreitung der Planerreichungsgrade frühzeitig zu signalisieren.712 Das Cross-Selling-Management muss daher für die erforderliche Entscheidungsunterstützung sorgen. Nur so ist es möglich, dass neben der direkten Steuerung der Erfolgszielgrößen auch eine indirekte Steuerung von Cross-Selling durch dessen Einflussfaktoren erreicht werden kann. Wie bei der Steuerung der Cross-Selling-Erfolge, sollten auch Einflussfaktoren in ein Cross-Selling orientiertes Anreizsystem eingebunden werden. Bestimmungsfaktoren, die sich auf Cross-Selling-Einflussfaktoren beziehen, sind in bisherigen Anreizsystemen nur unzureichend berücksichtigt.713 Diese gehören zu den nichtmonetären Einflussfaktoren und müssen zur Sicherung der umfeldbezogenen Nachhaltigkeit Eingang finden. Eine Anreizgestaltung kann jedoch nur auf Basis derjenigen Messergebnisse der Einflussfaktoren stattfinden, die durch den einzelnen Mitarbeiter selbst auch zu beeinflussen sind. Gesamtbankbezogene Einflussfaktoren, wie z. B. die Produktgestaltung, sind daher als Bestimmungsfaktoren ungeeignet. Einen bankbezogenen und durch den Mitarbeiter beeinflussbaren Faktor stellt jedoch der Ausbildungsgrad dar. Die Zielerreichung kann dabei an einen vorgegebenen Ausbildungsgrad geknüpft werden. Hierbei muss ein definiertes Ausbildungscurriculum in den jeweiligen Mitarbeiterstufen im Zielerreichungszeitraum erfüllt werden.714 Somit kann Transparenz darüber erreicht werden, welche Kenntnis zu einer optimalen Zielerreichung nachzuweisen ist. Kundenbezogene Bestimmungsfaktoren aus dem Bereich der Einflüsse können die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung und Kundenorientierung darstellen. Die Ergebnisse der Messung sollten dabei jedoch den Einflussbereich des einzelnen Mitarbeiters widerspiegeln. Bei einer Messung auf Einzelkundenebene ist dies möglich.715 Eine operative Steuerung kann somit auch auf Mitarbeiterebene bereits positive Einflüsse auf das Cross-Selling sicherstellen. Die Transparenz der Messung ist dabei durchaus gegeben und für den Einzelnen nachvollziehbar. Diese Bestimmungsfaktoren sind jedoch nicht geeignet für Mitarbeiter, die keinen eigenen Kundenstamm besitzen.

712

Vgl. PUFAHL (Vertriebscontrolling, 2006), S. 159.

713

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 143. Vgl. BÜSCHGEN (Grundlagen, 1999), S. 225-226. Das Verfahren der Zielvereinbarung ist jedoch auf Grund der Problematik des Zielbildungsprozesses nicht unumstritten. So muss sichergestellt sein, dass die Ziele kooperativ mit dem Mitarbeiter ermittelt werden, um Vereinbarungen, die überambitioniert oder unterfordernd sind zu vermeiden.

714

715

Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Kundenstamm eines Beraters im Zeitablauf eher konstant bleibt.

224

Methoden zur Messung und Steuerung von Einflussfaktoren

In diesem Teil wurden bisher neben den Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling-Potenzialen und -Erfolgen auch die relevanten Einflussfaktoren auf das Cross-Selling dargestellt. Zur abschließenden Beantwortung der zweiten Forschungsfrage ist weiter fraglich, welche Verwendungshäufigkeit die dargestellten Methoden in der Praxis besitzen.

Ziele und Vorgehen der Befragung

225

C. Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis I. Aufbau der empirischen Untersuchung 1.

Ziele und Vorgehen der Befragung

Die Auswertung der bisherigen Forschung zur Messung und Steuerung von CrossSelling hat ergeben, dass aktuell keine Untersuchung vorliegt, die die Verwendung der dargestellten Methoden in der Praxis untersucht hat. Dieses Kapitel soll daher, mittels einer Umfrage unter Retailbanken, die Verwendungshäufigkeit der Methoden feststellen. Außerdem kann in der Folge die Praxistauglichkeit eines Modells zur Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung nur dann geprüft werden, wenn bekannt ist, welche Messergebnisse in den Retailbanken vorliegen. Die folgenden Ziele werden daher mit der Umfrage verfolgt: x

Ermittlung des Status quo in der Praxis zur Anwendung von Methoden der Potenzial-, Erfolgs- und Einflussfaktorenmessung.

x

Ermittlung des Status quo in der Praxis zur Verwendung der Messergebnisse im Rahmen der operativen und strategischen Steuerung.

x

Ermittlung des Status quo in der Praxis zur Integration von Cross-Selling bezogenen Bestimmungsfaktoren im Rahmen der Anreizgestaltung.

x

Bestimmung der organisatorischen Ausgestaltung der Messung und Steuerung von Cross-Selling.

x

Klärung von aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Entwicklungen in Bezug auf die Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retailbanking.

Es konnte keine Umfrage mit dieser umfassenden Zielsetzung in Bezug auf die Messung und Steuerung von Cross-Selling identifiziert werden. Der Status quo der Verwendung von Modellen zur Potenzialschätzung und Erfolgsbewertung wurde ansatzweise durch WITTMANN ET AL. (2007) untersucht. Besonders die Befragung nach der Erfolgsbewertung zielt hierbei jedoch nicht auf die tatsächlich verwendeten Kennzahlen, sondern eher allgemein auf die durchgeführten Aktivitäten ab.716 Es können keine Aussagen abgeleitet werden, ob z. B. der Kundenlebenswert bei der Erfolgsbewertung verwendet wird. Auch in Bezug auf die Anreizsysteme wer716

Vgl. WITTMANN ET AL. (Cross-Selling, 2007), S. 42.

226

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

den keine Feststellungen darüber getroffen, welche Bestimmungsfaktoren Anwendung finden, sondern lediglich, ob der Cross-Selling-Erfolg darin berücksichtigt wird.717 Aussagen zur Verwendung der Messergebnisse von Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren in der Steuerung wurden darüber hinaus nicht untersucht. Außerdem wurde die Berücksichtigung von Methoden zur Messung von Einflussfaktoren, um diese in der Steuerung zu verwenden, nicht überprüft. Des Weiteren wurde kein spezieller Fokus auf das Retailbanking gelegt. Diese empirische Analyse ist somit nicht geeignet, die hier gestellten Forschungsfragen zu beantworten. Zum Erreichen der Zielsetzung ist grundlegend zu klären, welche Form der Datenermittlung angewendet werden soll. Bei dem hier gewählten Forschungsgegenstand werden Daten benötigt, die nur unternehmensintern durch Befragung von Mitarbeitern der Banken erhältlich sind. Somit handelt es sich um eine innerbetriebliche Primärforschung.718 Folgende Übersicht zeigt die verschiedenen Möglichkeiten der Datenerhebung im Rahmen von Befragungen:

717

Vgl. WITTMANN ET AL. (Cross-Selling, 2007), S. 40.

718

Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 63.

Ziele und Vorgehen der Befragung

Befragungsverfahren

Art der Durchführung

Exploration

Themenbezogenes freies/ qualitatives Interview mit/ ohne vorformulierte Struktur.

Gruppendiskussion

Moderierte Diskussion eines Themas innerhalb der Gruppe. Herstellen einer „normalen“ Gesprächssituation.

Face-to-face Umfrage

Persönliches Interview mittels standardisiertem Fragebogen.

Telefonbefragung

Persönliches Interview mittels standardisiertem Fragebogen via Telefon.

Onlinebefragung

Strukturierte Befragung mittels einer Website.

Schriftliche Befragung

Postalische Versendung von Fragebögen

227

Vor-/Nachteile + Positiv für Pilotstudien deren Themenumfang noch nicht bekannt ist - keine generelle Aussage möglich - schwere Auswertung + breites Meinungsspektrum - keine generelle Aussage möglich - schwere Auswertung + standardisierte Auswertbarkeit - Nicht ergebnisneutral durch Einflüsse des Interviewers + Schnelle kostengünstige Durchführung möglich + Minimierung der Einflüsse des Interviewers - Komplexe Themen sind schwieriger abzufragen + Geringe Kosten und überlegene Möglichkeit der Erreichbarkeit - Begrenzung auf Personen mit Internetzugang - Eher geringe Rücklaufquoten + Keine Begrenzung der Personengruppen - Eher geringe Rücklaufquoten und hohe Kosten

Tab. 19: Befragungsverfahren im Überblick719 Wie die Aufstellung der Möglichkeiten zur Durchführung von Umfragen zeigt, weisen die einzelnen Methoden verschiedene Vor- und Nachteile auf. Die Entscheidung für eine Befragungsart muss auf Basis des Forschungsdesigns getroffen werden. Es kann hierbei zwischen explorativer, deskriptiver und kausaler Forschung unterschieden werden.

719

Eigene Darstellung in Anlehnung an BEREKOVEN/ECKERT/ELLENRIEDER (Marktforschung, 2006), S. 95-118; BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 85-90; ATTESLANDER (Methoden, 2008), ab S. 121; HÄDER (Sozialforschung, 2006), S. 185-190.

228

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Explorative Forschung

Deskriptive Forschung

Kausale Forschung

Kenntnisstand

Sehr geringer Kenntnisstand zum Forschungsgegenstand

Geringer Stand von Informationen zum Forschungsgegenstand

Hypothesen über Zusammenhänge bestehen

Strukturauswirkung

Entdeckung des Gegenstandes und Strukturierung

Erfassung und Beschreibung von aktuellen Zuständen

Erklärung und Überprüfung

Tab. 20: Überblick über Forschungsdesigns720 Die explorative Forschung hat zum Ziel, ein bisher undurchdrungenes Themengebiet grundsätzlich zu erschließen und dieses zu strukturieren. Hierbei kommen zum großen Teil qualitative Elemente, wie z. B. Leitfadengespräche oder freie Interviews, zur Untersuchung zum Einsatz. Im Rahmen der deskriptiven Forschung sollen dagegen bekannte Tatbestände in ihrer Häufigkeit untersucht und Zusammenhänge zwischen Variablen beschrieben werden. Die kausale Forschung hingegen hat zum Ziel, Ursache- und Wirkungszusammenhänge aufzudecken.721 Bei der Ermittlung des Status quo zur Verwendung der Mess- und Steuerungsverfahren in der Praxis handelt es sich um einen Forschungsgegenstand, zu dem bereits Informationen über mögliche Instrumente vorliegen. Ziel ist die Beschreibung der Verteilung dieser Instrumente in der bankbetrieblichen Anwendung. Es können hierzu standardisierte Antwortalternativen auf Basis der bisher in diesem Teil ermittelten Messmethoden abgeleitet werden. Daher ist ein deskriptives Forschungsdesign zu wählen. Die Ermittlung des Status quo in der Praxis macht es außerdem erforderlich, dass eine breite Untersuchungsbasis erreicht werden kann. Dies spricht dafür, ein standardisiertes Verfahren mittels Online- oder schriftlicher Befragung durchzuführen. Besonders jedoch die Zielsetzung, aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen abschätzen zu können, macht eine Hinzunahme von qualitativen Elementen unabdingbar.722 Über mögliche zukünftige Entwicklungen besteht lediglich ein geringer Kenntnisstand, so dass dieser Teil explorativ anhand von Expertenmeinungen entwickelt werden muss. Besonders im Rahmen der Evaluation von Spezialwissen können qualitativ ermittelte Daten bessere Aussagen liefern.723

720

Eigene Darstellung in Anlehnung an DIEKMANN (Sozialforschung, 2008), S. 33-38 und S. 194.

721

Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 37, S. 38 und S. 41; DIEKMANN (Sozialforschung, 2008), S. 33-38; HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), S. 191. Zu einer ausführlichen Diskussion der Unterschiede der quantitativen und qualitativen Vorgehensweise vgl. KELLE (Integration, 2007), S. 13.

722

723

Vgl. KUCKARTZ ET AL. (Evaluation, 2007), S. 74.

Ziele und Vorgehen der Befragung

229

Daher kommt bei dieser Untersuchung eine Mischung aus klassischer Befragung und qualitativer Evaluation zum Einsatz. Der größte Teil  die Erhebung zum aktuellen Status quo der Messung und Steuerung  wird mittels strukturiertem Fragebogen durchgeführt. Durch standardisierte Antwortalternativen kann eine hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse erreicht werden. Die Ermittlung der aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Entwicklungen in Bezug auf das Themengebiet soll hingegen mittels eines qualitativen Leitfadeninterviews durchgeführt werden. So können Hintergründe besser erfasst und die Sichtweisen des Antwortenden mit einbezogen werden.724 Zu klären bleibt die Stichprobenauswahl. Die Grundgesamtheit der Befragten wird nicht zufällig ausgewählt, da mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen speziell Innovationsführer zu diesem Thema befragt werden sollen. Folgende Kriterien werden daher für die bewusste Auswahl der Stichprobe herangezogen.725 x

Institute, die das Mengengeschäft mit Privatkunden in Deutschland betreiben.

x

Banken, die darüber hinaus eine starke Marktstellung besitzen.

Die Identifikation von Banken mit Retailgeschäft wurde anhand der Internetauftritte der gewählten Institute durchgeführt.726 Deren starke Marktstellung soll Ausdruck über die Innovationsführerschaft sein und begründet sich darin, dass diese in den Top 100 der deutschen Banken im Jahr 2007, basierend auf der Bilanzsumme, vertreten waren.727 Hierbei kann auch die Annahme getroffen werden, dass diese Banken auf Grund ihrer Größe eine überdurchschnittliche Anzahl von Retailkunden besitzen. Die hier vorgenommene Auswahl der Grundgesamtheit auf Basis der Bilanzsumme mit dem Ziel einer hohen „Kundenabdeckung“, folgt dabei dem Konzentrationsprinzip (Abschneideverfahren).728 Anhand der aufgestellten Kriterien wurden insgesamt 61 Retailbanken unter den Top 100 deutscher Institute identifiziert. Darunter sind 18 Geschäftsbanken, 37 Sparkassen und 6 Genossenschaftsbanken vertreten. Diese Banken wurden tele724 725

726

727

728

Vgl. KUCKARTZ ET AL. (Evaluation, 2007), S. 66-68. Ein ähnliches Vorgehen in Bezug auf die hier vorgenommene Stichprobenauswahl wählt DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 184. Für eine Übersicht zu den Verfahren einer Stichprobenauswahl vgl. HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), S. 229. Das Abgrenzungskriterium hierfür ist die angebotene Produktpalette und die strategische Aussage, Leistungen für Privatkunden im Mengengeschäft anzubieten. Grundlage für die Einordnung ist die vom Bundesverband deutscher Banken jährlich herausgegebene Aufstellung zu den Top 100 deutscher Banken auf Basis der Bilanzsumme. Vgl. LIPPE/KLADROBA (Repräsentativität, 2002), S. 141. Dieses Verfahren verfolgt die Zielsetzung, eine Teilgesamtheit zu betrachten, die z. B. 80 % der Umsätze oder Kunden auf sich vereint und wird zumeist ist der amtlichen Statistik oder der Marktforschung angewandt.

230

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

fonisch kontaktiert und um Kontaktdaten der relevanten Fachleute innerhalb des Instituts gebeten.729 Dies sind meist Leiter des Vertriebscontrollings, -managements oder des Zielkundenmanagements innerhalb der Bank. In der Folge wurden diese Fachleute persönlich mit der Bitte um Teilnahme an dem Forschungsprojekt angesprochen.730 Im Rahmen des Kontaktes wurde nach einer weiteren Prüfung, ob der/die identifizierte Ansprechpartner/in für diese Fragestellung innerhalb der Bank zuständig und auskunftsfähig ist, das Forschungsvorhaben dargestellt. Aufbauend haben die Teilnehmer den Fragebogen eigenständig ausgefüllt. Die Befragungen fanden zwischen dem 28.5.2008 und dem 17.9.2008 statt. Bei der Erstellung des Fragebogens wurde im Rahmen von Vortests die Verständlichkeit, Eindeutigkeit und Bearbeitungsdauer überprüft und angepasst.731 Da Fachleute um die Beantwortung gebeten wurden, konnte trotz Ausführlichkeit die Dauer der Bearbeitung auf rund 45 Minuten beschränkt werden.732 Der Fragebogen wurde je nach Präferenz des Antwortenden per Post oder Email versandt und umfasste folgende Themenfelder:733 Themenbereiche des strukturierten Fragebogens Vertriebsstruktur Welche Vertriebswege sind aktuell und zukünftig im CrossSelling relevant?

Potenziale Wie und in welcher Frequenz werden aktuell Potenziale gemessen?

Erfolge

Einflussfaktoren

Wie werden aktuell Erfolge gemessen und wie sind die Methoden ausgestaltet?

Welche Faktoren werden gemessen und welche werden zur Steuerung eingesetzt?

Steuerung

Anreizsysteme

Organisation

Konkurrenzvergleich

Welche Verfahren werden zur strategischen und operativen Steuerung eingesetzt?

Welche Cross-Selling bezogenen Bestimmungsfaktoren gibt es im Anreizsystem?

Wer sind die Informationsgeber und empfänger im Institut?

Wie ist die Einschätzung zur Leistung des Instituts in ausgewählten Bereichen?

Abb. 43: Themenbereiche des strukturierten Fragebogens

729

730

731

732 733

Fachleute beschreiben an dieser Stelle Personen, die sich innerhalb des Instituts hauptsächlich mit den hier untersuchten Methoden beschäftigen. Gegen eine unpersönliche Kontaktaufnahme über das Internet spricht, dass hierbei der Effekt eintreten kann, dass die Innovationsführer der Branche keine Meinung abgeben und damit wichtige Impulse nicht ausgewertet werden können (vgl. BEREKOVEN/ECKERT/ELLENRIEDER (Marktforschung, 2006), S. 122-123). Vgl. ATTESLANDER (Methoden, 2008), S. 280. Zu einer ausführlichen Darstellung der Vorgehensweise zur Erstellung eines Fragebogens vgl. HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), ab S. 231. Darin einkalkuliert waren auch Zeiten für evtl. Rücksprachen mit Kollegen. Der vollständige Fragebogen findet sich im Anhang.

Methodik und Grenzen der Aussagekraft

231

Es wurden neben Informationen zur Messung von Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren auch Angaben zur Steuerung und der Anreizgestaltung abgefragt. Des Weiteren wurden Angaben zur aktuellen Cross-Selling-Vertriebsstruktur sowie der Einbindung des Cross-Selling-Managements in die Gesamtorganisation gefordert. Nach Erhalt des ausgefüllten Fragebogens, wurde zusätzlich eine telefonische Befragung zu aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Problemstellungen im Rahmen der Messung und Steuerung von Cross-Selling durchgeführt. Diese beiden Fragestellungen bildeten auch den Leitfaden für das Gespräch. Die Dauer dieses qualitativen Teils der Befragung war je nach Verfügbarkeit des Befragten unterschiedlich. 2.

Methodik und Grenzen der Aussagekraft

Die Auswertungsmethoden im Rahmen der empirischen Sozialforschung können grundsätzlich in die Gruppen deskriptiv und induktiv/inferentiell eingeteilt werden. Deskriptive Methoden erlauben eine konsolidierte Betrachtung der vorliegenden Daten. Ziel hierbei ist es, einen Überblick über das gesammelte Datenmaterial und die Merkmalsverteilungen zu erhalten. Außerdem sollen Beziehungen zwischen Merkmalen ermittelt werden. Induktive oder inferentielle Methoden haben das Ziel, Hypothesen über eine Grundgesamtheit mit Hilfe von Stichprobendaten zu überprüfen. Die Hypothesen werden am Anfang des Marktforschungsprozesses formuliert.734 Die inferentielle Statistik wird vor allem bei der grundsätzlichen Identifikation von Cross-Selling-Einflussfaktoren im Rahmen der kausalen Forschung angewendet. So kann mittels Hypothesenprüfung der Zusammenhang eines Einflussfaktors mit dem Cross-Selling-Potenzial oder dem -Erfolg bestimmt werden.735 Die Wahl der Auswertungsmethode für die hier durchgeführte Umfrage hängt von der Zielsetzung ab. Die Ziele der Befragung erfordern in erster Linie eine Status quo Ermittlung der Messung und Steuerung von Cross-Selling. Da es sich um ein deskriptives Forschungsdesign handelt, können auch diese Methoden der Sozialforschung zur Auswertung angewendet werden. Die Verfahren genügen darüber hinaus der Zielsetzung zukünftige Entwicklungstendenzen darzustellen. Die deskriptiven Auswertungsverfahren untergliedern sich in univariate und multivariate. Univariate Verfahren erlauben es, Informationen innerhalb der erhobe-

734

Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 165; KROMREY (Sozialforschung, 2006), S. 420.

735

Vgl. SCHÄFER (Erfolgsfaktoren, 2002), S. 104. Die Anwendung der Auswertungsmethoden ist dabei grundsätzlich für alle Forschungsdesigns möglich.

232

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

nen Daten möglichst übersichtlich aufzubereiten. Dies kann mittels einer Darstellung von Häufigkeitsverteilungen, statistischen Kennwerten und Streuungsmaßen erreicht werden.736 Bi- und multivariate Auswertungsverfahren verknüpfen aufbauend dazu einzelne Variablen, um Zusammenhänge aufzuzeigen. Ziel hierbei ist es zu ermitteln, ob die Ausprägungen von zwei oder mehreren Variablen voneinander abhängig sind. Hierbei kommen auch Verfahren wie die Regressions- oder die Diskriminanzanalyse zum Einsatz.737 Fraglich ist, welche Methoden der Datenanalyse die Erreichung der hier formulierten Zielstellung erlauben. Zur Darstellung des Status quo der Verwendung der Mess- und Steuerungsinstrumente ist in erster Linie eine Auswertung über Häufigkeitsverteilungen sinnvoll. Die Beschreibung der untersuchten Teilgesamtheit ist somit rein deskriptiver Natur.738 Mittels dieser Verfahren können auch Zusammenhänge zwischen der Verwendung einzelner Messmethoden und Institutsmerkmalen, wie z. B. Bilanzsumme oder Kundenzahl, abgeleitet werden. Die Grenzen der Aussagekraft der hier durchgeführten Untersuchung liegen vor allem in der Problematik der Repräsentativität. Diese bezeichnet die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtheit aller Retailbanken. Ziel einer repräsentativen Umfrage sollte es sein, durch eine Erhebung in einer Teilgesamtheit die Grundgesamtheit möglichst genau zu beschreiben.739 Untersuchungen mit qualitativen Anteilen müssen sich allerdings grundsätzlich mangelnde Repräsentativität als Kritik gefallen lassen. Dies resultiert daraus, dass bei vertretbarem Zeitaufwand nur eine begrenzte Anzahl an persönlichen Interviews geführt werden kann. Das Vorgehen erfordert es daher, die Grundgesamtheit so zu wählen, dass die Untersuchung ein akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist.740 Das angewandte Verfahren der bewussten Auswahl der Grundgesamtheit führt immer dazu, dass nur Institute berücksichtigt werden, die den Kriterien entsprechen. Es kann somit argumentiert werden, dass der Status quo in Deutschland nicht adäquat widergespiegelt wird, da die Bankenstruktur granularer ist. An dieser Stelle wird jedoch der Ansicht gefolgt, dass „Repräsentativität“ nicht das ausschließliche Qualitätsmerkmal einer Untersuchung darstellt. Dies liegt darin begründet, dass auch eine zufällige Auswahl der Grundgesamtheit diese nicht

736 737

738 739 740

Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 167; KROMREY (Sozialforschung, 2006), S. 420-421. Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 166 und S. 183; KROMREY (Sozialforschung, 2006), S. 502. Vgl. auch für eine Übersicht zu den Verfahren. Vgl. BÖHLER (Marktforschung, 2004), S. 165. Vgl. HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), S. 226; ATTESLANDER (Methoden, 2008), S. 61. Jedoch besteht auch Uneinigkeit über die Mindestgröße einer Grundgesamtheit (vgl. HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), S. 226; CROSBY/EVANS/COWLES (Relationship, 1990), S. 74).

Methodik und Grenzen der Aussagekraft

233

zwangsläufig widerspiegeln muss.741 Nachfolgende Aspekte zeigen, dass eine alternative Vorgehensweise zu der hier gewählten bewussten Auswahl der Grundgesamtheit wegen fehlender Beschreibungsmerkmale nicht zwangsläufig zu Repräsentativität führt. Eine Möglichkeit ist, eine Grundgesamtheit zu schaffen, die der Anzahlverteilung der drei Säulen des deutschen Bankensystems entspricht. Damit wären Sparkassen und Genossenschaftsbanken stärker in der Teilgesamtheit vertreten, als bei einer Abgrenzung über die Marktstärke. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese zu großen Teilen die angebotenen Verbundlösungen nutzen, da die Mittel zur Eigenentwicklung stark begrenzt sind. Somit können von diesen Instituten eher wenig Aussagen über zukünftige Innovationen abgeleitet werden. Durch die Befragung der marktstärkeren Sparkassen und Genossenschaftsbanken kann jedoch bereits ermittelt werden, welche Möglichkeiten in den Verbünden überhaupt zur Verfügung stehen. Ähnlich würde sich die Beschreibung der Teilgesamtheit auf Basis von Retailkundenanteilen der drei Säulen verhalten. Geschäftsbanken haben tendenziell eine höhere Anzahl von Retailkunden je Institut. Die durchschnittliche Kundenzahl je Sparkasse ist zwar im Vergleich dazu gering, der Sparkassensektor besitzt jedoch in Summe die größte Zahl an Retailkunden. Um die Verteilung der Kundenzahlen in den einzelnen Säulen nachzubilden, ist daher eine hohe Anzahl Sparkassen und eine geringe Anzahl Geschäftsbanken zu befragen. Sparkassen wären daher anzahlbezogen wiederum stark überrepräsentiert. Es kann dem Auswahlverfahren zudem entgegengehalten werden, dass auf Grund der herangezogenen Kriterien Banken stärker in der Grundgesamtheit berücksichtigt werden, die im Vergleich einen relativ hohen Anteil an Retailkunden besitzen. Durch dieses Vorgehen wird jedoch erreicht, dass trotz der eingeschränkten Grundgesamtheit in Summe eine große Zahl an Retailkunden berücksichtigt wird. In der Folge lassen sich Aussagen ableiten, wie stark die „Marktabdeckung“ der einzelnen Mess- und Steuerungsmethoden ist. Diese beschreibt, welcher Anteil der Retailkunden in Deutschland z. B. mittels eines bestimmten Potenzialmodells bewertet oder in der Folge bedarfsorientiert angesprochen wird. Die Betrachtung dieser Marktabdeckung ist wichtig, da der Fall eintreten könnte, dass wenige Institute mit einer hohen Retailkundenzahl z. B. verstärkt Entscheidungsbäume zur Potenzialmessung einsetzen. Die reine Betrachtung aus Institutssicht würde dann einen geringen Anteil des Einsatzes dieses Verfahrens unter den Instituten bescheinigen. Im Ergebnis könnten jedoch die Cross-Selling-Potenziale der Mehrheit der Retailkunden in Deutschland damit gemessen werden. Somit ist neben der

741

Vgl. LIPPE/KLADROBA (Repräsentativität, 2002), S. 140.

234

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Nutzungsverteilung der Methoden unter den Instituten auch wichtig, wie viel Retailkunden hiervon betroffen sind.742 Es zeigt sich somit, dass die Definition der Grundgesamtheit im Hinblick auf die Zielstellung – sowohl Informationen zur Verwendungshäufigkeit zu erhalten als auch qualitative Aussagen zu aktuellen Problemstellungen zu treffen – immer Einfluss auf das Ergebnis hat. Das hier gewählte Verfahren der Auswahl der Grundgesamtheit erfüllt die geforderte Zielstellung am besten. Den Grenzen der Aussagekraft durch die Auswahl der Grundgesamtheit stehen jedoch Vorteile der persönlichen Interviewsituation entgegen. Diese bestehen vor allem in Bezug auf die Datenqualität. Sollten Teile des strukturierten Fragebogens nicht ausgefüllt worden sein, kann dies im Rahmen der qualitativen Befragung angemerkt und evtl. behoben werden. Es mussten daher keine Fragebögen auf Grund nicht verwertbarer Antworten ausgeschlossen werden. Außerdem kann bei einer unpersönlichen Befragung die Problematik auftreten, dass Begriffe in den verschiedenen Unternehmenskulturen unterschiedlich geprägt sind. Durch Gespräche mit Experten im Vorfeld der Befragung konnte zum einen sichergestellt werden, dass die Bezeichnungen der Methoden eine hohe Eindeutigkeit aufweisen. Sollte das Verständnis nicht dasselbe sein, konnte dies zum anderen im Rahmen der persönlichen Interviewsituation geklärt werden. Fraglich ist des Weiteren die Güte der Umfrage. Diese kann durch die Kriterien Objektivität (Unabhängigkeit der Ergebnisse vom Interviewer), Reliabilität (Reproduzierbarkeit der Ergebnisse) und Validität (Grad der Genauigkeit, dass das Messziel erreicht wird) ausgedrückt werden.743 In Bezug auf den Fragebogen ist zu gewährleisten, dass die einzelnen Fragen einfach, neutral, eindeutig und relevant sind.744 Die Objektivität in Bezug auf den Fragebogen zielt hierbei vor allem auf die Eindeutigkeit ab. Es kann wie bereits angesprochen z. B. der Fall eintreten, dass Begrifflichkeiten in Bezug auf die Methoden bei den Banken nicht einheitlich verwendet werden. Durch die theoretische Herleitung, die Vorgespräche mit Experten und die Möglichkeit für Rückfragen kann allerdings von einer Objektivität des Fragebogens ausgegangen werden.745 Die Reliabilität ist auf Grund der Stan-

742

Von besonderem Interesse wäre ein Vergleich, ob im Cross-Selling erfolgreiche Institute andere Instrumente einsetzen als nicht erfolgreiche. Dies ist jedoch auf Grund der fehlenden Bezugsgröße nicht möglich. Die durch die Banken angegebene Cross-Selling-Quote kann nicht als Erfolgsmaßstab herangezogen werden. Die CIR oder ähnliche Kennzahlen beziehen sich immer auf das gesamte Retailgeschäft (inkl. Geschäftskunden) und können daher auch nicht als Bezugsgröße dienen.

743

Vgl. BEREKOVEN/ECKERT/ELLENRIEDER (Marktforschung, 2006), S. 87-89; HÄDER (Sozialforschung, 2006), S. 109-110 und S. 114. Vgl. HOMBURG/KROHMER (Marketingmanagement, 2003), S, 233.

744 745

Vgl. ATTESLANDER (Methoden, 2008), S. 278.

Auswertung zur Struktur der Befragten

235

dardisierung auch gegeben und Validität ist zudem erreicht, da die Fragen der Zielstellung entsprechen. Für den Teil der qualitativen Befragung auf der anderen Seite kann festgehalten werden, dass Objektivität mittels vorher formulierten standardisierten, offenen Fragen erreicht werden sollte. Dadurch ist gewährleistet, dass der Interviewte in die Themenstellung eingeführt, in seinen Antwortalternativen jedoch nicht beschränkt wird. Die Ergebnisse wurden für den Interviewten nochmals zusammengefasst, um somit größtmögliche Objektivität und Reliabilität zu erzeugen. Validität sollte hierbei durch die bewusste Auswahl der Banken und der Experten sichergestellt werden. Diese besitzen das notwendige Wissen, um die Fragestellung zu aktuellen Herausforderungen und zukünftigen Entwicklungen abschätzen zu können.746 3.

Auswertung zur Struktur der Befragten

Von den 61 Banken der Grundgesamtheit haben sich insgesamt 12 Institute für die Befragung zur Verfügung gestellt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 19,7 %. Diese verteilt sich auf 6 Geschäftsbanken, 4 Sparkassen und 2 Genossenschaftsbanken. Es konnten hierbei Institute mit einer gesamten Bilanzsumme von 3.766,7 Mrd. € befragt werden. Damit wurde das Ziel, marktstarke Institute zu untersuchen, um deren Umsetzungsstand als Innovationsführer zu erörtern, erfüllt. Außerdem konnte ermittelt werden, welchen Status quo marktstarke Institute in den Verbünden aktuell besitzen. Die Rücklaufquote ist auch vor dem Hintergrund folgender Tatsachen sehr erfreulich: Die Beantwortung der hier verfolgten Forschungsfragen erfordert einen für die Ansprechpartner neben dem Tagesgeschäft nicht zu vernachlässigenden zeitlichen Aufwand. Besonders Sparkassen und Genossenschaftsbanken berichten von einem aktuell sehr hohen Umfrageaufkommen, das mit vertretbaren Mitteln nicht mehr handhabbar ist. Daher ist in vielen von diesen Instituten die strategische Entscheidung getroffen worden, generell  unabhängig von der thematischen Ausrichtung  nicht mehr an Umfragen teilzunehmen. Des Weiteren wurde sehr oft die Aussage getätigt, dass es sich bei der Befragung um eine sehr strategische Angelegenheit handelt und die Bank keine Angaben zum aktuellen Einsatz der Methoden machen möchte. Dies betrifft besonders Angaben zu den eingesetzten Verfahren der Potenzialmessung. Diese Äußerungen bestätigen die einleitend zu dieser Arbeit dargestellte hohe, aktuelle und wettbewerbsrelevante Bedeutung des Themas. In diesem Zusammenhang war den antwortenden Banken der Datenschutz überaus wichtig und die Zusicherung, dass keinerlei Rückschlüsse auf das beantwortende Institut getroffen werden können. 746

Vgl. für ein ähnliches Vorgehen DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 185.

236

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Insgesamt verwalten die befragten Institute rund 33,4 Millionen Kundenbeziehungen. Unter der Annahme, dass jeder Bundesbürger in Deutschland rund 1,3 Bankverbindungen besitzt, umfassen die befragten Institute rund 31 % aller Retailkunden in Deutschland.747 Im Ergebnis kann so das Ziel erfüllt werden, Aussagen darüber abzuleiten, welcher Anteil der Retailkunden von den Mess- und Steuerungsinstrumenten betroffen ist. Folgende Tabelle zeigt dazu die Verteilung der Kundenbeziehungen aufgeteilt auf Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Kriterium Anzahl Kundenzahlen

Geschäftsbanken

Sparkassen

6

4

Genossenschaftsbanken 2

31,5 Mio.

1,2 Mio.

0,7 Mio.

Tab. 21: Kundenzahlen der antwortenden Institute

Kundenzahl

Im Rahmen der Auswahl der Grundgesamtheit wurde die Annahme getroffen, dass die absolute Anzahl der Retailkunden mit zunehmender Bilanzsumme in der Tendenz ansteigt. Die Auswertung des Zusammenhangs für die antwortenden Banken hat diese Annahme bestätigt.

Bilanzsumme

Abb. 44: Zusammenhang zwischen Bilanzsumme und Retailkundenzahl748

747

Hierbei wird von einer möglichen Kundenzahl von rund 82 Millionen ausgegangen. Bei einer durchschnittlichen Zahl von 1,3 Bankverbindungen ergeben sich 106,6 Millionen Bankverbindungen/Kundenbeziehungen (vgl. DUDERSTADT (Vertriebssteuerung, 2006), S. 187).

748

Die Achsen wurden zur besseren Darstellung logarithmisch skaliert. Zur Gewährleistung der Anonymität der teilnehmenden Institute wurde auf die Werte der Achsen verzichtet.

Messung des Cross-Selling-Potenzials

237

II. Praktische Verwendung dargestellter Messgrößen 1.

Messung des Cross-Selling-Potenzials

In einem ersten Schritt soll ermittelt werden, welches Verständnis die Institute zum Cross-Selling-Potenzial besitzen. Wie sich in der theoretischen Definition gezeigt hat, kann hierunter zum einen der durch den Kunden bereits bei anderen Instituten gedeckte Bedarf und zum anderen der noch offene Bedarf verstanden werden.749 Ausnahmslos alle Institute sehen Cross-Selling-Potenziale sowohl auf Seiten des gedeckten als auch auf Seiten des offenen Kundenbedarfs. Auch wenn ein Produkt bereits bei einem Fremdinstitut gehalten wird, besteht somit weiterhin ein Potenzial in der Form, dass dieser offensichtliche Bedarf durch das eigene Institut gedeckt werden kann. Dieses eindeutige Ergebnis unterstützt die getroffenen Aussagen zum aktuell bestehenden Verdrängungswettbewerb unter den Retailbanken. Fraglich ist des Weiteren, welche Daten die Institute im Rahmen der Potenzialanalyse heranziehen. Dazu wurde nach der Bedeutung einzelner Datenkategorien gefragt.750

749

Vgl.1. Teil: A.I.2.

750

Auf Grund von Rundungen ist es möglich, dass sich die Datenkategorien hier und in den folgenden Fällen nicht zu 100 % aufaddieren. Die Ergebnisse der Umfrage, die die Grundlage für die nachfolgenden Auswertungen darstellen, finden sich im Anhang. Für einzelne Umfrageergebnisse vgl. HAUPT/RÖHL (Cross Selling, 2009).

238

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Daten zur aktuellen Produktnutzung Demografische Kundendaten

58%

17% 33%

42%

Lebenszyklusinformationen

25%

Transaktionsdaten

25%

Einschätzung des Kundenberaters Kundenangaben aus der Neukundenaufnahme Aktueller Wert des Kunden

25%

8%

Befragungen von Kunden

8%

0%

25% hoch

17%

17%

eher hoch

8%

25% 25%

17%

50% mittel

17%

8%

17%

25%

8%

17%

8%

42% 17%

42%

8%

17% 25%

8%

42%

17%

8%

8%

8%

17%

33% 8%

17%

33%

75% eher gering

gering

100% keine

Abb. 45: Verwendete Daten im Rahmen der Potenzialanalyse Werden diejenigen Datenkategorien betrachtet, welche die Banken in ihrer Bedeutung mit mindestens ‚eher hoch’ bewerten, so zeigt sich, dass vor allem Daten zur aktuellen Produktnutzung (75 %), demografische Daten (75 %) und Lebenszyklusinformationen (58 %) bei der Potenzialschätzung herangezogen werden. Diese Daten eignen sich grundsätzlich auch dazu, im Rahmen einer modellorientierten Potenzialermittlung verwendet zu werden. Große Bedeutung, mit ebenfalls 58 %, wird auch der persönlichen Einschätzung des Kundenberaters bei der Potenzialschätzung beigemessen. Dies zeigt, dass sich die Institute neben der reinen Berechnung von Potenzialen auch auf die Eindrücke der Mitarbeiter und deren Kundenkenntnis verlassen. Die eher aufwändige direkte Befragung des Kunden auf der anderen Seite besitzt nur eine sehr geringe Bedeutung zur Feststellung eines Cross-Selling-Potenzials. Lediglich rund 17 % messen dieser Datenkategorie die Bedeutung ‚eher hoch’ zu. Nur etwa 16 % der Befragten sehen analog dazu einen bedeutenden Zusammenhang zwischen dem aktuellen Kundenwert und einem zukünftigen Potenzial. In Bezug auf die Art der herangezogenen Daten und der Kundenzahl oder der Größe der Bank ergibt sich jedoch ein heterogenes Bild.751 Es kann keine Aussage 751

Um die Anonymität der Institute zu gewährleisten, werden keine granularen Daten zu den Kundenzahlen dargestellt.

Messung des Cross-Selling-Potenzials

239

dahingehend abgeleitet werden, dass z. B. Institute mit einer größeren Kundenzahl signifikant andere Daten zur Potenzialschätzung heranziehen als Institute mit eher wenigen Kunden. Die Wahl der Datenkategorien ist somit Teil der institutseigenen Vorgehensweise. Aufbauend zur Wahl der Daten wurden die Institute befragt, welche Modelle zur Ermittlung von Cross-Selling-Wahrscheinlichkeiten eingesetzt werden. 58%

Entscheidungsbäume

42%

Diskriminanz-/ Regressionsanalyse

50%

50%

Clusteranalyse

50%

50%

Neuronale Netze

58%

42%

Assoziationsanalyse

92%

8%

0%

25%

50% Ja

75%

100%

Nein

Abb. 46: Einsatz von Modellen zur Potenzialberechnung Es zeigt sich, dass der Einsatz der Modelle zur Potenzialschätzung nahezu gleich verteilt ist. Nur das relativ komplexe Verfahren der neuronalen Netze wird eher vereinzelt eingesetzt. Im Rahmen der theoretischen Aufarbeitung wurde der Assoziationsanalyse eine tendenziell geringe und den Entscheidungsbäumen eine gute Prognosefähigkeit bei gleichzeitiger Verständlichkeit des Verfahrens bescheinigt. Der leichte Vorteil zu Gunsten des Entscheidungsbaumverfahrens deutet auf gute Erfahrungen der befragten Banken mit diesem Modell hin. Im Gegensatz zu den verwendeten Daten lassen sich in Bezug auf die eingesetzten Verfahren jedoch Unterschiede zwischen den Institutsgrößen feststellen. Vor allem Institute mit einer großen Retailkundenzahl setzen Modelle zur Potenzialschätzung ein und verwenden dabei meist mehrere dieser Verfahren parallel. So werden z. B. rund 29,7 Mio. Kundenbeziehungen unter Anwendung des Entscheidungsbaumverfahrens und gleichzeitig mittels der Diskriminanzanalyse auf Potenziale hin untersucht. Diese Banken validieren somit die Ergebnisse der modellorientierten Schätzungen und verlassen sich nicht auf ein einziges Verfahren. Im Fall der Sparkassen und Genossenschaftsbanken wird die modellorientierte Berechnung von Potenzialen auf Kundenebene in den meisten Fällen extern in Form von Verbandsleistungen hinzugekauft. In diesem Fall muss keine eigene Modellkompetenz vorgehalten, sondern lediglich die Ergebnisinformation interpretiert werden. Hierbei wird aber in der Folge auch auf die Möglichkeit der An-

240

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

passung von Modellen auf die institutsspezifischen Gegebenheiten verzichtet. Unabhängig von der Zugehörigkeit des Instituts zu einer der drei Säulen des Bankensystems wird aktuell jedoch kein Engpass auf Seiten der IT-Landschaft gesehen, um adäquat Potenziale ermitteln zu können. Lediglich ein Institut bewertet die eigene IT-Ausstattung als zu gering, um Potenziale zu berechnen. Auch für die Zukunft erwägen die Banken keine großen Ausweitungen des Modelleinsatzes. Von den Instituten, die Entscheidungsbäume bisher noch nicht einsetzen, planen dies lediglich 20 % für die Zukunft nachzuholen, in Bezug auf die Clusteranalyse lediglich 17 % und die neuronalen Netze 9 %. Auch hier beabsichtigen dies eher Institute mit einer größeren Retailkundenzahl. Für alle anderen Modelle bestehen noch keine konkreten Planungen. Unabhängig vom tatsächlichen Einsatz von Modellen zur Potenzialermittlung oder der reinen persönlichen Bewertung durch den Kundenberater wurde aufbauend gefragt, in welchen Zeitabständen die Bewertung durchgeführt wird. 50%

Anlassbezogen 25%

Monatlich Quartalsweise

17%

Jährlich

17% 8%

Wöchentlich Laufend

0%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Abb. 47: Frequenz der Ermittlung von Cross-Selling-Potenzialen752 Es zeigt sich, dass in den meisten Fällen konkrete Anlässe, wie z. B. Änderungen in den Lebensphasen der Kunden oder spezielle Produktkampagnen, dazu genutzt werden, um Cross-Selling-Potenziale zu ermitteln. Besonders Institute, die in geringem Maße Modelle zur Potenzialschätzung einsetzen, verlassen sich auf diese Vorgehensweise. Banken, die in stärkerem Umfang eine modellorientierte Potenzialberechnung vornehmen, orientieren sich hierbei an festen Perioden. In den meisten Fällen wird eine Ermittlung monatlich durchgeführt. Sobald die Ergebnisse der Potenzialschätzung vorliegen, werden diese von 73 % der Antwortenden direkt an die Vertriebskanäle weitergeben, um dort eine Kundenansprache durchzuführen. Rund 45 % sprechen die Kunden im Rahmen von 752

Hierbei waren Mehrfachantworten möglich.

Messung des Cross-Selling-Erfolgs

241

Kampagnen auch zentral an. Obwohl der Hauptfokus der Banken auf den Vertriebskanälen liegt, wird somit ein bedeutender Anteil der Kunden auch direkt betreut. Lediglich 36 % hinterlegen die ermittelten Potenzialdaten direkt am Kundenprofil im CRM, wo sie auch für ein unsystematisches Cross-Selling bei einem „zufälligen“ Kundenkontakt zur Verfügung stehen würden. Insgesamt kann jedoch kein Zusammenhang zwischen der Kundenzahl und der vom Institut verfolgten Strategie der weiteren Bearbeitung (zentral oder dezentral) bzw. der Hinterlegung der Potenzialdaten im CRM hergestellt werden. Sofern eine Übergabe der Informationen an die Vertriebswege vorgenommen wird, verlassen sich 86 % der Befragten darauf, kundenbezogene Vorschläge zu Produkten mit einem hohen Bedarf zu geben. In den restlichen 14 % der Fälle wird eine einfache Rangabstufung von Kunden innerhalb einer bestimmten Produktkategorie durchgeführt. Kein Institut gibt konkrete Abschlusswahrscheinlichkeiten an die Vertriebskanäle aus. Unabhängig eines Modelleinsatzes oder der Übergabe von Informationen an die Vertriebskanäle muss die Bank festlegen, in welcher Reihenfolge ein Kunde auf die ermittelten Produkte mit einem hohen Potenzial hin angesprochen wird. Rund 50 % der Befragten verlassen sich bei der Abstufung auf die reine Betrachtung der ermittelten Cross-Selling-Wahrscheinlichkeit. Eine Wertorientierung in der Rangbildung nehmen 38 % durch die Berechnung der erwarteten Deckungsbeiträge vor. Derselbe Anteil der Befragten verlässt sich zudem bzw. ausschließlich auf das Urteil der Vertriebskanäle in der Wahl der Ansprachereihenfolge. Analog zu den verwendeten Daten zur Potenzialschätzung zeigt dies nochmals die hohe Bedeutung der Vertriebskanäle bei der endgültigen Abschätzung des tatsächlichen Kundenbedarfs. Besonders Banken mit einer eher geringen Retailkundenzahl verlassen sich auf die Kundenkenntnis der Berater. 2.

Messung des Cross-Selling-Erfolgs

Neben der Messung des Potenzials wurden die Banken außerdem noch nach den Arten der Messung des Cross-Selling-Erfolgs befragt. Hierbei sollten sie Angaben darüber machen, welche Bedeutung die einzelnen Erfolgsmessverfahren und Vorgehensweisen in ihrem Institut einnehmen. Werden wiederum diejenigen betrachtet, denen mindestens eine ‚eher hohe’ Bedeutung beigemessen wird, zeigt sich, dass die kampagnenbezogene Erfolgsmessung und die Abschlussquote gleichbedeutend sind. Die hohe Gesamtbedeutung der kampagnenbezogenen Messung unterstützt das Ergebnis, dass in fast der Hälfte der Fälle die Kunden zentral angesprochen werden. Die breite Verwendung der Abschlussquote im Rahmen des Aktivitäten-Controllings streicht außerdem die Bedeutung des Kundenberaters heraus. Von hoher Bedeutung ist auch die Cross-Selling-Quote als Erfolgsmess-

242

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

zahl. Insgesamt besitzt die Cross-Selling-Quote als einzige Erfolgskennzahl für jedes Institut eine Bedeutung. Dennoch würden diese nur rund 67 % mit mindestens ‚eher hoch’ bewerten. Die Cross-Selling-Quote ist somit die am weitest verbreitete Kennzahl zur Erfolgsmessung, wird jedoch gleichbedeutend mit dem Deckungsbeitrag gesehen. Dieser erfährt dennoch nicht dieselbe Gesamtverbreitung. Die Tatsache, dass rund ein Viertel der Institute dem Deckungsbeitrag im Rahmen der Cross-Selling-Erfolgsmessung nur eine geringe bis keine Bedeutung beimisst zeigt, dass noch keine durchgängige Wertorientierung bei der Erfolgsmessung vorherrscht. Kampagnenbezogene Messung

50%

33%

Abschlussquote

50%

33%

Cross-Selling-Quote Deckungsbeitrag Kundenwert Cross-Selling-Ertragsquote

8%

17%

8%

Cross-Selling-Vertriebskanalanteil

17%

8%

8%

8%

8%

Share of Wallet

17% 8%

Potenzialausschöpfung

8%

8%

Cross-Selling-Quotenbaum

8%

8%

17%

Scoringmodelle Weitere Kennzahlen

8%

Cross-Selling-Leverage

8%

8%

17%

33%

8%

42% 25%

8%

17%

50%

17%

58%

8%

58%

17%

17%

Treffergenauigkeit Potenzialmodelle

8% 25%

Plan und Ist-Vergleiche

8%

25%

17%

25%

8%

25%

42% 25%

8%

17%

17%

25%

42%

17% 8%

25%

50%

8% 83%

8%

50%

25% 92%

8%

75%

8% 92%

Data Envelopment Analysis 0%8% 0%

25% hoch

eher hoch

50% mittel

75% eher gering

gering

100% keine

Abb. 48: Messung des Cross-Selling-Erfolgs in der Praxis753 Die Bedeutung des Kundenwerts als Erfolgskennzahl wird lediglich von 42 % der Banken mit ‚eher hoch’ bewertet. Die Verwendung des Kundenwerts steht dabei in einem direkten Zusammenhang mit der Institutsgröße. Kleinere Institute wenden dieses Verfahren eher nicht an. Für die weiteren Verfahren und Kennzahlen ergibt sich ein heterogenes Bild. Hieraus kann abgeleitet werden, dass der Kenn753

Die Ergebnisse der in Teil 3 beschriebenen Data Envelopment Analysis werden auch bereits im Rahmen dieses Kapitels dargestellt.

Messung des Cross-Selling-Erfolgs

243

zahlenpool der eingesetzten Erfolgsmessverfahren sehr stark von der Auffassung des Einzelinstituts abhängt, jedoch in großen Teilen die Abschluss-, die CrossSelling-Quote und den Deckungsbeitrag beinhaltet. Für die in Teil 3 näher zu betrachtenden Verfahren zeigt sich, dass das Scoringverfahren in der Praxis bei der Erfolgsmessung bereits eingesetzt wird, wohingegen die Data Envelopment Analysis noch nicht in dem Maße verbreitet ist. Im Ergebnis werden somit zur Bewertung des Cross-Selling-Erfolgs eher einfache Kennzahlen angewendet und keine fortschrittlichen Methoden zur integrierten Bewertung eingesetzt. Für die Cross-Selling-Quote wurde im Rahmen der theoretischen Ausführung beklagt, dass eine Vielzahl an Definitionen vorherrschen, die eine externe Vergleichbarkeit erschweren. Dies konnte auch im Rahmen dieser Umfrage bestätigt werden. So addieren rund 45 % der Banken jedes einzelne gehaltene Produkt eines Retailkunden im Zähler. Bei den restlichen 55 % hingegen werden lediglich die vom Kunden abgedeckten Produktgruppen gezählt. Dabei werden alle im Retailbanking typischen Produktgruppen berücksichtigt, wobei Versicherungen nicht immer in die Betrachtung mit einfließen.754 Es kann jedoch keine Aussage abgeleitet werden, dass ein bestimmtes Verfahren eher von großen oder eher von kleinen Banken angewendet wird. Im Ergebnis kann jedoch festgehalten werden, dass die von den Banken selbst veröffentlichen Cross-Selling-Quoten keine Vergleichbarkeit zwischen den Instituten zulassen. Fraglich ist, für welche Bereiche die einzelnen Kennzahlen eingesetzt werden, um den Erfolg zu messen. Dazu wurden die Befragten um Angaben gebeten, ob die jeweils verwendete Kennzahl bzw. das Verfahren zur Erfolgsbewertung der Vertriebswege, der Kunden, der Produkte oder der Mitarbeiter angewendet wird. Für die Abschlussquote zeigt sich, dass diese eher mitarbeiterbezogene Kennzahl auch in 31 % der Fälle zur Erfolgsbewertung des Vertriebs herangezogen wird. Allerdings werden in 23 % der Fälle auch Produkte auf ihren Cross-Selling-Erfolg hin mit der Abschlussquote bewertet. Die Cross-Selling-Quote auf der anderen Seite wird in etwas mehr als einem Drittel der Fälle zur kundenbezogenen Erfolgsbewertung und eher weniger zur Betrachtung der Produkte verwendet. Ähnlich dazu der Deckungsbeitrag, der in einem Drittel der Fälle zur Bewertung des Vertriebs herangezogen, stärker jedoch wie die Cross-Selling-Quote zur produktorientierten Erfolgsbewertung verwendet wird. Insgesamt wird sowohl die Cross-SellingQuote als auch der Deckungsbeitrag in allen Dimensionen zur Bestimmung des Cross-Selling-Erfolgs genutzt.

754

Vgl. zu den Kategorien 1. Teil: A.II.3.

244

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Kampagnenbezogene Erfolgsmessung Abschlussquote

31%

Cross-Selling-Quote

29%

Deckungsbeitrag

27%

46%

23%

35%

24%

24%

33%

Kundenwert

20%

13%

40%

19%

24%

83%

17%

Share of Wallet

67%

0%

12%

25% Vertrieb

33%

50% Kunden

75% Mitarbeiter

100% Produkte

Abb. 49: Bewertungsdimension der wichtigsten Erfolgsmessungen Der Kundenwert und der Share of Wallet sind wie dargestellt eher Kennzahlen, um eine Kundenbeziehung auf ihren Cross-Selling-Erfolg hin zu bewerten. Wie jedoch die Umfrage zeigt, wird der Kundenwert in 17 % der Fälle auch zur Erfolgsbewertung des Vertriebs herangezogen. Diese Vorgehensweise orientiert sich an der Forderung der Werthaltigkeit der gesamten Kundenbeziehung und wird dabei eher von Instituten mit einer größeren Retailkundenzahl angewendet. Der Share of Wallet auf der anderen Seite bewertet in rund einem Drittel der Fälle den Cross-Selling-Erfolg auch auf Produktsicht. Auch dieses Vorgehen wird von Banken mit einer höheren Kundenzahl verfolgt. Dem Cross-Selling-Erfolg wurde im Rahmen dieser Arbeit sowohl eine Mengenals auch eine Wertdimension zugewiesen. Ziel hierbei war zu vermeiden, dass evtl. eine zu starke Mengenorientierung zu Quersubventionen führt. Um abschätzen zu können, wie stark die Institute in der Praxis bereit sind Kundengeschäfte zu subventionieren, wurden sie daher befragt, wie sie zur Werthaltigkeit von CrossSelling-Geschäften stehen. Die Befragten sollten dazu die in folgender Abbildung dargestellten Aussagen gemäß der Bedeutung für das Institut einschätzen:

Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

245

Die Potenziale einer Kundenbeziehung sind wichtiger als kurzfristiger Ertrag.

17%

Der Kundenlebenswert ist bedeutsamer als der aktuelle Kundenwert.

17%

Der Kundenwert ist bedeutender als die Einzelproduktkalkulation.

8%

Jeder einzelne Produktverkauf muss einen positiven Wertbeitrag liefern.

8%

0%

25%

25%

17%

33%

50%

33%

25% hoch

17%

58%

eher hoch

42%

8%

17%

8%

17%

50%

75%

mittel

eher niedrig

100% niedrig

Abb. 50: Werthaltigkeit von Cross-Selling-Geschäften Es zeigt sich, dass rund 75 % der Banken die Bedeutung der Aussage, dass Potenziale einer Kundenbeziehung wichtiger sind als kurzfristiger Ertrag, mit mindestens ‚eher hoch’ bewerteten. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass rund 58 % die Bedeutung der Aussage, dass der Kundenwert bedeutender als die Einzelproduktkalkulation ist, ähnlich bewerten. Somit wird kurzfristig akzeptiert, dass ein Geschäft nicht den gewünschten Deckungsbeitrag erwirtschaftet, sofern zukünftige Kundenpotenziale dies rechtfertigen. Nur rund 41 % bewerten daher die Aussage, dass jeder einzelne Produktverkauf einen positiven Wertbeitrag liefern muss, mit ‚eher hoch’. Hierbei ist jedoch sicherzustellen, dass die aktuelle Kundenbeziehung ertragreich und nicht nur der Kundenlebenswert positiv ist. Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass evtl. Quersubventionstendenzen bestehen, jedoch der Wert der gesamten Kundenbeziehung dabei im Vordergrund steht. 3.

Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

Neben den Potenzial- und Erfolgsmessverfahren wurden in Teil 2 außerdem Einflussfaktoren auf das Cross-Selling ermittelt und Möglichkeiten dargestellt, wie diese bewertet werden können. Fraglich ist, in welchem Ausmaß die Banken diese Faktoren messen, um klären zu können, ob es möglich ist, die Messergebisse im Rahmen der Steuerung zu nutzen. In einem ersten Schritt sollen die bankbezogenen Faktoren betrachtet werden. Diese wurden zur besseren Übersicht weiter aufgeteilt in mitarbeiterbezogene und gesamtbankbezogene Einflüsse. Auf Seiten der mitarbeiterbezogenen Einflussfaktoren kann festgestellt werden, dass diese von der überwiegenden Mehrzahl der Banken gemessen werden. Besonders die Mitarbeiterzufriedenheit und die Anreizstruktur mit jeweils 92 % sowie die Mitarbeiterqualifikation mit 75 % stehen bei den Banken im Fokus. Das

246

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Führungsverhalten und die Mitarbeitermotivation hingegen werden nur in rund zwei Drittel der Fälle gemessen. Vor allem große Banken bewerten diese beiden Punkte. Die Frequenz der einzelnen Messungen liegt in den meisten Fällen bei rund einem Jahr und länger. Anreizstruktur

92%

8%

Mitarbeiterzufriedenheit

92%

8%

Mitarbeiterqualifikation

25%

75%

Führungsverhalten

67%

33%

Mitarbeitermotivation

67%

33%

0%

25%

50% Ja

75%

100%

Nein

Abb. 51: Messung der mitarbeiterbezogenen Einflussfaktoren Des Weiteren wird bereits eine Vielzahl von gesamtbankbezogenen Faktoren bewertet. Neben der Markenbekanntheit, die alle Institute messen, wird die strategische Ausrichtung auf das Cross-Selling mit 92 % bei der überwiegenden Mehrzahl gemessen. Die Bewertung dieser beiden Faktoren wird in den meisten Fällen jährlich oder längerfristig durchgeführt. Rund drei Viertel der Banken bewerten überdies regelmäßig die Filialgestaltung und die Adäquanz des Produktprogramms in Bezug auf das Cross-Selling. Während die Filialgestaltung in einem längerfristigen Zeitraum untersucht wird, ist das Produktprogramm halbjährlich oder jährlich einer Neubewertung in Bezug auf die Cross-Selling-Fähigkeit unterworfen. Lediglich rund ein Viertel der Befragten bewertet auch die interne und externe Kommunikation in Bezug auf Cross-Selling-Aspekte. Auch hier sind es diejenigen Institute mit einer hohen Zahl an Retailkunden, die eine solche Messung vornehmen.

Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

247

100%

Image und Markenbekanntheit

8%

92%

Strategische Ausrichtung Filialgestaltung

75%

Produktprogramm

75%

Adäquanz der IT-Ausstattung

25% 25% 33%

67%

Interne und externe Kommunikation

75%

25%

0%

25%

50%

Ja

75%

100%

Nein

Abb. 52: Messung der gesamtbankbezogenen Einflussfaktoren Wie sich bei den bankbezogenen Faktoren gezeigt hat, steht hier bereits eine Vielzahl an Messergebnissen in Bezug auf die Einflussfaktoren zur Verfügung, die im Rahmen der Steuerung eingesetzt werden können. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der kundenbezogenen Einflussfaktoren. Es kann hier bescheinigt werden, dass die befragten Institute überwiegend alle Konstrukte messen. 100%

Kundenzufriedenheit Kundenorientierung

92%

8%

Kundenbindung

92%

8%

Kundenprofitabilität

92%

8%

Kundeninteraktion

17%

83%

Kundenverhältnis

75%

25%

Kundenbedarf

75%

25%

0%

25%

50% Ja

75%

100%

Nein

Abb. 53: Messung der kundenbezogenen Einflussfaktoren Im Rahmen der persönlichen Interviews konnte festgestellt werden, dass die Institute jedoch nicht die notwendige granulare Unterscheidung vornehmen. In der Praxis stehen vor allem die Kundenzufriedenheit, -orientierung und -bindung im Vordergrund. Dies liegt auch darin begründet, dass eher kleinere Institute, wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die kundenbezogenen Einflussfaktoren von externen Dienstleistern messen lassen. Gründe hierfür sind hauptsächlich Kosten- und methodische Aspekte. Die Messung dieser Faktoren durch externe

248

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Dienstleister wird mittels Befragung einer Teilgesamtheit durchgeführt. Dies führt dazu, dass in einem solchen Fall z. B. die Kundenzufriedenheiten auf Einzelkundenbasis des Instituts nicht vorliegen. Obwohl hier institutsspezifische Aspekte bei der Messung außen vor bleiben, sind diese Ergebnisse untereinander vergleichbar. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass in der Praxis bereits eine Vielzahl an Messergebnissen der Einflussfaktoren zur Verfügung stehen. Diese können in Abhängigkeit der vorliegenden Granularität zur umfassenden Bewertung einer Cross-Selling-Gesamtleistung eingesetzt werden.

III. Cross-Selling-Orientierung in der Steuerung Neben der praktischen Relevanz der bisher untersuchten Messmethoden ist in der Folge interessant, wie diese Informationen in der Praxis tatsächlich in der strategischen und operativen Steuerung eingesetzt werden. Außerdem soll geklärt werden, wie ein Cross-Selling-Management organisatorisch in der Gesamtbank verankert ist und welche Formen der Cross-Selling orientierten Anreizgestaltung in der Praxis vorherrschen. Abschließend zu diesem Unterkapitel werden die Ergebnisse der Interviews in Bezug auf aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen näher dargestellt. 1.

Strategische und operative Steuerung

Zur strategischen Steuerung können unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden. Folgende Wertung haben die Befragten vorgenommen, nachdem sie zur Bedeutung der einzelnen Instrumente für ihre Bank befragt wurden.

Strategische und operative Steuerung

Anreizorientierte Steuerung Potenzialorientierte Kundensegmentierung Potenzialorientierte Personalkapazitätsplanung Wertorientierte Kundensegmentierung Cross-Selling Unternehmensstrategie

249

64%

18% 18%

36%

18% 9%

Erfolgsscoring-Modelle

9% 18%

Data Envelopment Analysis

9%

18%

9%

27% 18%

9%

36% 55%

82%

25% hoch

18%

18%

18%

9%

0%

18% 27%

9%

27%

27%

9%

9%

18%

18%

9%

9%

eher hoch

50% mittel

eher niedrig

75% niedrig

100% keine

Abb. 54: Instrumenteneinsatz in der strategischen Steuerung Werden diejenigen Instrumente betrachtet, denen die Befragten mindestens eine ‚eher hohe’ Bedeutung zugewiesen haben, nimmt die anreizorientierte Steuerung mit 82 % einen wichtigen Platz ein. Dies unterstreicht auch nochmals die Notwendigkeit, dass Cross-Selling orientierte Bemessungsfaktoren in diesem Umfeld zur Anwendung kommen müssen. Zur strategischen Identifikation der relevanten Zielgruppen bewerten mit 54 % etwas mehr als die Hälfte der Institute die potenzialorientierte Kundensegmentierung mit mindestens ‚eher hoch’. Die Tatsache, dass rund 18 % dieses Instrument noch nicht einsetzen zeigt, dass Kundensegmente noch nicht vollumfänglich auf Basis des Potenzials gebildet werden. Es besteht jedoch kein Unterschied in der Kundenzahl oder der Art des Instituts in Bezug auf diese Vorgehensweise. Analog kann dies auch für die wertorientierte Kundensegmentierung festgestellt werden, die nur bei 36 % als bedeutsam gesehen wird. Die potenzialorientierte Ressourcenplanung wird dabei etwas bedeutsamer eingeschätzt. Vor allem größere Banken nutzen dieses Mittel, um strategisch die Mitarbeiterressourcen zu planen. Bisher eher verhalten in der strategischen Steuerung eingesetzt werden Erfolgsscoringsysteme. Rund 45 % setzen dieses Instrument überhaupt ein, wobei es in seiner Bedeutung nicht so hoch eingeschätzt wird. Analog dazu die Data Envelopment Analysis die aktuell lediglich bei 18 % der Banken in der Steuerung zum gelegentlichen Einsatz kommt. Für den Status quo in der operativen Steuerung ist in erster Linie wichtig, welche Bedeutung die Vertriebswege operativ für das Cross-Selling bei den Banken einnehmen und in welchen davon auch Potenzialdaten zur Ansprache zur Verfügung stehen.

250

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

In Bezug auf die Bedeutung der Vertriebswege für das Cross-Selling spiegelt sich das grundsätzliche Bild zur Verwendungshäufigkeit der Vertriebswege im Retailbanking wider. Vor allem die Filialen und die dort stattfindenden persönlichen Beratungsgespräche sind dabei aktuell mit jeweils rund 92 % mindestens von ‚eher hoher’ Bedeutung. In rund der Hälfte der Fälle stehen dazu auch Daten zur bedarfsorientierten Ansprache zur Verfügung, auf die der Kundenberater zurückgreifen kann. Die Bedeutung des kundenspezifischen Bereichs des Internetbankings wird bei 59 % der Befragten mit ‚eher hoch’ bewertet.755 Hierbei stehen jedoch nur in einem Viertel der Fälle auch Daten zur Verfügung, um dem Kunden bedarfsorientierte Vorschläge zu unterbreiten. Lediglich Institute mit einer hohen Kundenzahl haben hier bereits internetbasierte Produktvorschläge unter zur Hilfenahme von Potenzialdaten umgesetzt. In Bezug auf die persönlichen Beratungsgespräche durch die Filiale am Telefon oder der zentralen Call Center Ansprache lässt sich feststellen, dass diese zwar durch die Banken durchgeführt werden, jedoch eher von durchschnittlicher Bedeutung für das Cross-Selling sind. Hier stehen in jeweils mehr als der Hälfte der Fälle Potenzialdaten zur Verfügung. Im Rahmen der qualitativen Interviews wurde hierbei des Öfteren darauf verwiesen, dass die Kundenwahrnehmung in Bezug auf telefonische Ansprachen eher negativ belegt sei.

755

Der kundenspezifische Bereich des Internetbankings bezeichnet den Bereich des Internetauftritts einer Bank, auf den ein Kunde nur mittels Zugangsname und -passwort zugreifen kann. Im Gegensatz zum öffentlichen Teil des Internetauftritts kann der Kunde hierdurch eindeutig identifiziert werden.

Strategische und operative Steuerung

251

Filiale

8%

92%

Persönliche Beratungsgespräche in der Filiale

75% 25%

Direktmarketing (E-Mail, Post) Internet-Banking (kundenspezifischer Bereich)

17%

17% 8% 8%

Mobile Banking (Handy, Pocket PC etc.)

8% 8%

17%

25%

8%

0%

50%

25% hoch

17%

50%

17%

eher hoch

8%

58%

25%

Call Center

17% 25%

8% 8%

8% 17%

50%

33%

Persönliche Beratungsgespräche am Telefon

42%

42%

Internetauftritt (frei zugänglicher Bereich)

Mobiler Vertrieb durch einen Kundenbesuch

17%

50% mittel

eher niedrig

33% 8% 8%

8%

25%

8%

75% niedrig

100% keine

Abb. 55: Aktuelle Bedeutung der Vertriebskanäle für das Cross-Selling Zukünftig erwarten die Institute vor allem, dass das Direktmarketing und die Standort unabhängigen Vertriebskanäle, wie Internet und mobile Banking, stärker an Bedeutung gewinnen werden. Setzen aktuell rund 58 % das mobile Banking nicht zum Cross-Selling ein, sollte sich dies in Zukunft auf einen Anteil von 25 % verringern. Bei den restlichen Vertriebsformen kann keine bedeutende Änderung deren zukünftiger Bedeutung für das Cross-Selling festgestellt werden. Neben den relevanten Vertriebskanälen ist fraglich, welche Instrumente im Rahmen der operativen Steuerung Anwendung finden. Auf Grund der hohen Bedeutung der Filialen und der damit zusammenhängenden persönlichen Beratungsgespräche kommen auch in einem operativen Umfeld verstärkt das AktivitätenControlling und die anreizorientierte Steuerung zum Einsatz. Diese helfen strategisch gemachte Vorgaben operativ herunterzubrechen. Analog zu den Ergebnissen der strategischen wird auch bei der operativen Steuerung die potenzialbasierte Einzelkundenansprache bei rund 54 % der Befragten in ihrer Bedeutung mit ‚eher hoch’ bewertet. Jedoch werden die Kunden operativ weniger mittels einer wertorientierten Sichtweise angesprochen. So werden Kundensegmente zwar strategisch unter wertorientierten Gesichtspunkten identifiziert, die konsequente Weiterführung der wertorientierten Sichtweise in die operative Ansprache hat jedoch nur in 36 % der Fälle eine ‚eher hohe’ Bedeutung. In mehr als einem Drittel der Fälle wird auf diese gänzlich verzichtet. Hierbei lässt sich festhalten, dass sich eher

252

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Institute mit einer großen Retailkundenzahl auf eine wertorientierte Ansprache verlassen. 36%

Aktivitätencontrolling Anreizorientierte Steuerung

27%

Potenzialbasierte Einzelkundenansprache

27%

Wertbasierte Einzelkundenansprache Budgetierung von Vertriebszielen

9%

Erfolgsscoring-Modelle

9%

Data Envelopment Analysis

9%

9%

27% 9%

9%

9%

eher hoch

9%

18% 9%

9%

36% 9%

9%

18%

55% 64%

25% hoch

18%

18%

18%

0%

9%

9%

18% 18%

36% 9%

9%

36%

18%

18%

18%

27%

50% mittel

eher niedrig

75% niedrig

100% keine

Abb. 56: Instrumenteneinsatz in der operativen Steuerung Abschließend soll untersucht werden, in welchem Ausmaß Einflussfaktoren im Rahmen der Steuerung Berücksichtigung finden. Es konnte bereits gezeigt werden, dass Banken eine Vielzahl dieser Einflussfaktoren messen. Insgesamt ergibt sich ein ausgeglichenes Bild. Im Durchschnitt zieht etwa die Hälfte der Banken die gemessenen Einflussfaktoren in der Folge auch zur Steuerung heran. Im Rahmen der qualitativen Interviews wurde verstärkt von den Befragten erwähnt, dass Cross-Selling unter Einbezug der Einflussfaktoren aktuell nur auf einer aggregierten strategischen Ebene gesteuert wird. Hintergrund ist, dass granulare Ergebnisse nicht vorliegen. Wie dargestellt, verlassen sich vor allem kleinere Retailinstitute bei der Messung der kundenbezogenen Einflussfaktoren auf externe Anbieter. Lediglich Institute mit einer größeren Zahl an Retailkunden führen eigene Messungen durch. Eine kundenbezogene Messung ist jedoch durch externe Anbieter nur schwer möglich. Ziel vor allem größerer Banken ist es jedoch, die relevanten kundenbezogenen Einflussfaktoren stärker in der Steuerung einzusetzen, sofern die Daten in der notwendigen Granularität vorliegen. Somit kann in Bezug auf die Einflussfaktoren festgehalten werden, dass diese zwar aktuell grundlegend im Rahmen der Steuerung Verwendung finden, jedoch nicht speziell zur CrossSelling-Steuerung eingesetzt werden. Das grundsätzliche Bewusstsein der Notwendigkeit des Einbezugs ist jedoch vorhanden.

Organisatorische Aspekte und Anreizgestaltung

2.

253

Organisatorische Aspekte und Anreizgestaltung

Weiterführend zur strategischen und operativen Steuerung ist fraglich, welche organisatorischen Einheiten die Potenziale, Erfolge und Einflussfaktoren messen und welche Adressaten in der Folge mit diesen Messergebnissen arbeiten. In Bezug auf die Potenzialmessung zeigt sich, dass diese hauptsächlich im Vertriebscontrolling des Retailgeschäfts (36 %) oder im Marketing (21 %) durchgeführt werden. Aber auch in den Vertriebskanälen separat werden in 14 % der Fälle Potenziale bestimmt. Bei eher kleineren Instituten wird die Potenzialbestimmung auch im Vertriebscontrolling durchgeführt, das jedoch auf Grund der Institutsgröße meist für die gesamte Bank zuständig ist. Cross-Selling-Erfolge auf der anderen Seite werden zu einem noch höheren Anteil in den Vertriebscontrollingabteilungen (Retailgeschäft 40 % bzw. Gesamtbank 15 %) und den Vertriebskanälen direkt (15 %) gemessen. Das Marketing ist hierbei mit 10 % der Fälle nicht so stark an der Erfolgsbestimmung beteiligt, wie im Fall der Potenzialbestimmung. Aber auch auf der obersten Leitungsebene werden in 10 % der Fälle Cross-Selling-Erfolge separat bewertet. Dies ist hierbei jedoch kein Phänomen von kleinen Banken, sondern wird von Instituten mit einer höheren Kundenzahl praktiziert. Die Einflussfaktoren werden jedoch je nach Art des Einflussfaktors eher über die Bank verteilt gemessen. So sind darin die Vertriebscontrollingabteilungen (21 % bzw. 14 %), das Marketing (21 %) und der Personalbereich (14 %) involviert. Die im Rahmen der Aufarbeitung der Einflussfaktoren gemachten Annahme, dass diese in verschiedenen Organisationseinheiten gemessen werden, konnte somit bestätigt werden. Allerdings gibt es jedoch auch speziell auf das Cross-Selling spezialisierte Abteilungen, die im Sinne eines Cross-Selling-Managements die Messung oder Zusammenführung der Ergebnisse über alle drei Dimensionen verfolgen. Dies ist jedoch nur der Fall bei großen Banken mit einer hohen Retailkundenzahl.

254

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Oberste Leitungsebene

0% 7%

10% 36%

Vertriebscontrolling des Retailgeschäfts

21% 14% 15% 14%

Vertriebscontrolling der Gesamtbank

21%

10%

Marketing Human Ressource Bereich

40%

0% 0%

In den Vertriebskanälen separat

14% 14% 15%

7%

Cross-Selling-Abteilung

7%

0%

21%

10%

14%

10% Potenziale

20% Erfolge

30%

40%

50%

Einflussfaktoren

Abb. 57: Organisatorische Verankerung der Messung756 In der Folge ist fraglich, wer die Adressaten der einzelnen Messergebnisse sind. Dazu wurden die Experten befragt, in welcher organisatorischen Einheit diese genutzt werden. Insgesamt ist der Informationsbedarf in der obersten Leitungsebene relativ gleich verteilt. Hier liegt das Augenmerk jedoch eher auf Erfolgsergebnissen. Die Vertriebscontrollingabteilungen sind gemäß ihrer Aufgabe sehr stark an Informationen zum Potenzial und den daraus abgeleiteten Erfolgen interessiert. Die aktuelle Ausprägung der Einflussfaktoren ist hierbei von nachrangiger Bedeutung. Für das Marketing sind Potenzialinformationen von höherem Interesse als Erfolgsinformationen. Informationen zu Einflussfaktoren sind hierbei jedoch von sehr hoher Bedeutung. Die einzelnen Vertriebskanäle sind an allen drei Dimensionen gleich interessiert. Dies zeigt, dass der Vertrieb zwar auf die konkrete Ausgestaltung der Einflussfaktoren Wert legt, das Vertriebscontrolling diese im Rahmen der Messung und Steuerung von Cross-Selling jedoch eher vernachlässigt.

756

Mehrfachantworten möglich.

Organisatorische Aspekte und Anreizgestaltung

255

19%

Oberste Leitungsebene

17%

Vertriebscontrolling des Retailgeschäfts

22% 23%

13% 16% 14% 13%

Vertriebscontrolling der Gesamtbank

11%

Marketing Human Ressource Bereich

23%

0%

3%

19% 22%

9% 22% 20% 22%

In den Vertriebskanälen separat 3%

Cross-Selling-Abteilung

4%

6%

0%

10% Potenziale

20% Erfolge

30%

Einflussfaktoren

Abb. 58: Adressaten der Messergebnisse757 Wie bereits gezeigt wurde, gibt es aktuell schon Abteilungen, die sich speziell mit dem Cross-Selling beschäftigen und dabei Messungen durchführen und deren Ergebnisse aus allen drei Dimensionen verwenden. In Bezug auf eine adäquate Verankerung eines Cross-Selling-Managements innerhalb der Organisation wurden die Institute nach einer idealtypischen Ausprägung befragt. Insgesamt befürworten 42 % der Banken, dass die Messung und Steuerung von Cross-Selling von einer einzelnen Abteilung ausgehen sollte. Dies betrifft vor allem solche Institute mit einer hohen Zahl an Retailkunden. Insgesamt sind aktuell jedoch rund 67 % mit der bestehenden organisatorischen Verankerung der Messung und Steuerung von Cross-Selling in der Bank zufrieden. Es wurde bereits festgestellt, dass sowohl in der operativen als auch strategischen Steuerung Anreizsysteme eingesetzt werden und dabei von großer Bedeutung sind. Aufbauend zur Messung und Verwendung der Ergebnisse in der Gesamtorganisation ist fraglich, welche Cross-Selling bezogenen Bestimmungsfaktoren in die Anreizgestaltung mit eingehen. Die Wahl der Leistungsbemessungsfaktoren ist hierbei wie bereits dargestellt äußerst vielfältig. Als Folge der starken Filialorientierung und des damit zusammenhängenden Beratereinsatzes wird die Abschlussquote bei den befragten Instituten am häufigsten eingesetzt. Gleich stark ist jedoch auch die Höhe der Kundenzufriedenheit Bestandteil einer leistungsgerechten Ver757

Mehrfachantworten möglich.

256

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

gütung. Somit findet bereits auf aggregierter Ebene ein Einflussfaktor auf das Cross-Selling in der Leistungsbemessung Anwendung. Der Wertbeitrag eines Kunden ist mit einer Einsatzhäufigkeit von 40 % noch etwas bedeutender als die Cross-Selling-Quote mit 30 %. Eine fokussierte Anwendung von Cross-Selling bezogenen Leistungsbemessungsfaktoren ist jedoch bei keinem der Institute zu erkennen. 50%

Abschlussquote

50%

Kundenzufriedenheit 40%

Deckungsbeitrag/Kunde Cross-Selling-Quote

30% 30%

Führungsverhalten Gesprächsquote

20%

Kundenbindung

20%

Mitarbeiterkompetenz

20%

Share of Wallet

20%

Kontaktquote

10%

Kundenlebenswert

10%

Kundenorientierung Terminquote

10% 0%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Abb. 59: Bestimmungsfaktoren im Rahmen der Anreizgestaltung758 3.

Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

Abschließend zum empirischen Teil dieser Untersuchung sollen die Ergebnisse der qualitativen Interviews in Bezug auf aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen im Cross-Selling dargestellt werden. Die aus den Gesprächen abgeleiteten Aussagen lassen sich in folgende Kategorien einteilen.

758

Mehrfachantworten möglich. Die Art der Leistungsbemessungsfaktoren ist für die Institute von hoher Bedeutung, so dass zwei Institute hierzu keine Angaben machen wollten.

Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

Messung

Steuerung

x Definition Cross-Selling-

Quoten

x Übergabe der Potenzialdaten

an die Marktbereiche.

x Validierung der Potenzialer-

257

Produkte x Nutzungsabhängige Konditio-

nengestaltung. x Herausstellen des Kundennut-

zens bei Fokussierung auf eine Bank.

gebnisse

Abb. 60: Herausforderungen und Entwicklungen Im Rahmen der Interviews hat sich gezeigt, dass gerade die Nutzung und die Definition der Cross-Selling-Quote bei den Instituten weiterhin eine Herausforderung darstellt. Auf Grund der nur eingeschränkten Vergleichbarkeit der Quoten zwischen den Instituten kann nur schwer eine tatsächliche Erfolgsinformation abgeleitet werden. Auch die institutseigenen Definitionen werden innerhalb der Banken weiter diskutiert. Hierbei besteht immer wieder Unsicherheit darüber, ob der Verkauf desselben Produkts, z. B. zwei Girokonten, einen tatsächlichen Cross-SellingErfolg darstellt. Im Ergebnis kann hier festgehalten werden, dass die CrossSelling-Quote auf der einen Seite ein weitverbreitetes Instrument der Erfolgsmessung darstellt. Auf der anderen Seite sind sich die Banken jedoch bewusst, dass nur eingeschränkte Informationen hieraus ableitbar sind.

Ermittlung

Kampagne weitere Vertriebskanäle

//

Informationsverlust, ob Kauf aus Potenzialansprache resultiert.

Freie Wahl des Vertriebskanals durch den Kunden

Produktkauf

Validierung

Übergabe

Kunde

Distributionsebene

Kundenberater

Information

Informationsebene

Potenzialwert

Eine weitere Herausforderung im Zusammenhang mit der Messung stellt die Validierung der Potenzialmodelle dar. Im einfachsten Fall schließt der Kunde einen Vertrag für das vom Kundenberater empfohlene Produkt ab. Hierbei ist jedoch eine Information nötig, dass der Produktabschluss auf Basis der Empfehlung des Kundenberaters und diese Empfehlung auf Basis eines Potenzialmodells gegeben wurde. Dies ist nur schwer in den IT-Systemen abbildbar und nur mit hohen Aufwänden auswertbar. Folgende Abbildung zeigt dabei die Unterschiedlichkeit der Informations- und Distributionsverläufe.

Abb. 61: Informationsknappheit zur Validierung der Potenzialmodelle

258

Verwendung von Mess- und Steuerungsmethoden in der Praxis

Ohne die Information, ob die Potenzialberechnung erfolgreich war, kann ein Modell in seiner Güte nicht bewertet werden. Auch wenn zentrale Kampagnen durchgeführt werden, ist der Kunde immer noch frei in der Wahl des Vertriebskanals zum Bezug des Produkts. Hier liegen nur Informationen über den tatsächlichen Bedarf vor, wenn sich der Kunde direkt zentral auf die Kampagne meldet. Andere Wege blieben bei der Ermittlung einer Treffergenauigkeit unberücksichtigt. Die aktuelle Multikanalorientierung macht es somit schwer, die eingesetzten Modelle auf ihre Erfolgsauswirkungen hin zu überprüfen. In Verbindung mit der Potenzialermittlung ergibt sich eine weitere Herausforderung in Bezug auf die Steuerung. Sowohl große als auch kleine Banken sehen als aktuelle Herausforderung die Übergabe von Potenzialdaten an den Marktbereich. Hierbei wurde oft genannt, dass große Anstrengungen in der Begleitung der Kundenberater notwendig sind, um ihnen die Verwendung der Potenzialdaten anzutragen. Reine Wahrscheinlichkeitsdarstellungen werden vor dem Hintergrund kritisch gesehen, dass der Kundenberater die dahinter liegende Modelle nicht kennt und daher Vorurteile gegenüber den Ergebnissen besitzt. Die Resultate der Modellberechnungen müssen zudem verständlich aufbereitet werden, damit diese auch genutzt werden. Gerade im Fall der Nutzung von Verbundslösungen ist jedoch der Einfluss des Einzelinstituts auf die angewendeten Modelle, deren Konfiguration und u. U. die Informationsaufbereitung begrenzt. Zukünftige Entwicklungen ergeben sich vor allem im Bereich der Produktgestaltung. Hierbei wurde genannt, dass es für die Zukunft wichtig ist, dass auch die Produktkonfiguration an sich verstärkt den Cross-Selling-Gedanken beinhaltet. Dies ist z. B. über die Konditionengestaltung möglich. Je stärker die aktuelle Produktdeckung des Kunden bei einem Institut ist, desto höhere Zinsen erhält er z. B. auf einem Tagesgeldkonto oder desto günstiger wird ein Girokonto mit Zusatzleitungen. Der Kunde wird somit direkt für die Mehrproduktnutzung belohnt und nicht nur über die reine Produktgestaltung an das Institut gebunden. Diese Vorgehensweise findet auch bereits in der Versicherungswirtschaft Anwendung, wo die Kunden Mehrvertragsrabatte erhalten. Im Rahmen dieser Produktgestaltung ist es für die Zukunft zudem wichtig, dem Kunden deutlich zu machen, dass es für ihn einen Mehrwert bringt, wenn er seinen Bedarf an Finanzprodukten bei einer einzigen Bank deckt. Als größte Herausforderung wurde hierbei genannt, dass dem Kunden dabei der komparative Nutzen nicht nur über das Mittel der Preisgestaltung deutlich gemacht werden kann. Die zweite Forschungsfrage nach den Methoden der Messung und Steuerung von Cross-Selling und deren Verwendung in der Praxis konnte mittels der durchgeführten Umfrage nun abschließend beantwortet werden. Aufbauend soll daher die

Aktuelle Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

259

dritte Forschungsfrage nach der vollumfänglichen Messung einer Cross-SellingGesamtleistung im Vordergrund stehen.

Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring und Data Envelopment Analysis 261

3. Teil: Messung der Cross-SellingGesamtleistung mittels Scoring und Data Envelopment Analysis Die Darstellung von Cross-Selling, die Einordnung in den Gesamtbankrahmen sowie die Beschreibung eines Cross-Selling-Managements war das Ergebnis des ersten Teils der Untersuchung. Im zweiten Teil wurden aufbauend dazu Methoden zur Messung des Cross-Selling-Potenzials und des -Erfolgs dargestellt. Außerdem konnten die relevanten Einflussfaktoren ermittelt und Methoden für deren Messung identifiziert werden. Abschließend wurde gezeigt, welchen Verbreitungsgrad die einzelnen Methoden der Messung und Steuerung von Cross-Selling in der Praxis besitzen. Die erste und zweite Forschungsfrage wurde dadurch beantwortet. Wie in Teil 1 dargestellt, muss das Cross-Selling-Management sicherstellen, dass die Cross-Selling-Anstrengungen eines Instituts vollumfänglich unter Berücksichtigung aller Interdependenzen bewertet werden. Ziel dieses Teils der Untersuchung ist daher die Beantwortung der dritten Forschungsfrage nach einem Konzept der Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung. Grundlage eines solchen Konzepts der Cross-Selling-Gesamtleistung bilden die im vorangegangenen Teil herausgearbeiteten Methoden der Messung und Steuerung von Cross-Selling. Die Überprüfung des Status quo der Anwendung dieser Methoden bei den Banken hat gezeigt, welche Daten zur Berechnung bereits vorliegen. Dadurch kann die Praxistauglichkeit des Konzepts der Gesamtleistung sichergestellt werden. In diesem Teil soll im ersten Kapitel die Notwendigkeit der Messung einer CrossSelling-Gesamtleistung sowie deren einzelnen Komponenten dargestellt werden. Nach der Untersuchung von Möglichkeiten zur Messung der Gesamtleistung wird die Methode des Scorings vorgestellt. Aufbauend dazu wird im zweiten Kapitel ein Modell auf Basis der Data Envelopment Analysis gestaltet, mittels dessen die Gesamtleistung gemessen werden kann. Beide Verfahren sollen dabei auf Basis des erstellten Kriterienkatalogs zur Würdigung der Erfolgsmessverfahren bewertet und deren praktische Eignung im Rahmen der Steuerung ermittelt werden.

Anforderungen aus den Schwächen der Erfolgsmessung

263

A. Das Konzept der Cross-SellingGesamtleistung mittels Scoring I. Notwendigkeit der Messung einer Cross-SellingGesamtleistung Die Notwendigkeit der Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung kann sowohl theoretisch als auch auf Basis von Anforderungen aus der Praxis abgeleitet werden. Die theoretische Notwendigkeit resultiert aus den bestehenden Schwächen der Erfolgsmessung. Praktische Anforderungen gehen auf die Ergebnisse der durchgeführten Umfrage zurück. 1.

Anforderungen aus den Schwächen der Erfolgsmessung

Die Bewertung der Methoden zur Erfolgsmessung in Teil 2 hat ergeben, dass keine der bisher bestehenden Methoden es schafft, sowohl den mengen- als auch den wertorientierten Erfolg gleichermaßen zu messen.759 Somit kann es bei einem fokussierten Einsatz einzelner Messmethoden dazu kommen, dass lediglich eine Dimension gemessen wird. Die gleichzeitige Überwachung verschiedener Kennzahlen der Erfolgsbewertungen stellt jedoch keine Lösung für dieses Problem dar. Anhand eines Beispiels wurde gezeigt, dass die einzelnen Kennzahlen zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen führen können. So bewertete z. B. der Deckungsbeitrag die eine Filiale als erfolgreicher, die Erfolgsbewertung mittels der Cross-Selling-Quote kam allerdings zum entgegengesetzten Ergebnis. Das CrossSelling-Management kann somit aus den bestehenden Methoden der Messung des Cross-Selling-Erfolgs keine eindeutige Handlungsempfehlung ableiten. Im Rahmen der Steuerung müssen jedoch eindeutige Informationen vorliegen, um konkrete Maßnahmen ergreifen zu können. Aus Sicht eines Cross-Selling-Managements besteht somit die Anforderung, eine Methode zur Erfolgsmessung zu konzeptionieren, die diesen Mangel behebt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass keine der bisher untersuchten Methoden zur Erfolgsmessung zusätzlich die aktuelle Ausprägung von Einflussfaktoren oder weiter bestehenden Potenzialen berücksichtigt. Einzelne Kennzahlen, wie z. B. der Share of Wallet, beziehen zwar offene Potenziale in die Bewertung mit ein, keine der untersuchten Verfahren betrachten jedoch die Einflussfaktoren. Die Berück-

759

Vgl. für die kritische Würdigung der Erfolgsmessverfahren 2. Teil: A.III.

264

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

sichtigung von Einflussfaktoren in der Bewertung von Cross-Selling ist daher eine der Hauptanforderungen, die an eine Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung zu stellen ist. Neben den bisher dargestellten Anforderungen hat die Würdigung der Erfolgsmessverfahren außerdem ergeben, dass vor allem in Bezug auf die Anreizfähigkeit Probleme bestehen. Dies liegt darin begründet, dass die einzelnen Erfolgskennzahlen durch den Einzelnen z. T. nur schwer beeinflussbar sind. Um im Rahmen des Cross-Selling-Managements jedoch die Mitarbeiter zielgerichtet zu steuern, ist es notwendig, dass die ermittelten Kennzahlen auch als Bestimmungsfaktoren herangezogen werden können. Dafür müssen die grundlegenden Anforderungen an Bestimmungsfaktoren, die in Teil 1 herausgearbeitet wurden, erfüllt sein. Nur so ist es möglich, dass ein Cross-Selling orientiertes Anreizsystem geschaffen werden kann. Aus den Schwächen der aktuell bestehenden Erfolgsmessmethoden resultiert vor allem, dass bisher noch keine integrative Betrachtung aller relevanten Faktoren erreicht wird. Eine Berücksichtigung aller Interdependenzen ist somit die vornehmliche Aufgabe in der Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung. 2.

Anforderungen aus der Praxis

Die kritische Würdigung aktueller Erfolgsmessverfahren hat gezeigt, dass eine Bewertung des Erfolgs bei der Verwendung verschiedener Kennzahlen zu keinen eindeutigen Handlungsanweisungen für die Steuerung führen muss. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie stark dieser Fall auch in der Praxis zu Problemen in der Steuerung führt. Dazu wurden die Teilnehmer im Rahmen der Umfrage gebeten, die Relevanz einzelner Aussagen in Bezug auf die Eindeutigkeit von Handlungsanweisungen einzuschätzen. Die Auswertung zeigt, dass rund 63 % die Aussage, dass aus der aktuellen Erfolgsmessung keine eindeutigen Handlungsanweisungen ableitbar sind, mit mindestens ‚eher hoch’ bewerten. Im Gegensatz dazu bewerten nur rund 27 % die Aussage, dass die Erfolgsmessung zu eindeutigen Handlungsempfehlungen führt, mit ‚eher hoch’. Keines der befragten Institute kann jedoch auf der anderen Seite in vollem Umfang eindeutige Handlungsanweisungen ableiten. Hier zeigt sich, dass der Fall auch für die Praxis eine sehr hohe Bedeutung besitzt. Die Banken wurden auch befragt, welche Komponenten in einer Steuerung von Cross-Selling Berücksichtigung finden sollten. Fast zwei Drittel der Befragten bewerten die Bedeutung der Aussage, dass allein auf Basis der Erfolge nicht gesteuert werden kann, mit ‚eher hoch’. Somit müssen neben der reinen Erfolgsbewertung weitere Komponenten mit einfließen. In Bezug auf die notwendigen

Möglichkeiten der Weiterentwicklung

265

Dimensionen einer Steuerung bewerten alle Befragten die Bedeutung von Potenzialen und Erfolgen für die Steuerung mit mindestens ‚mittel’. Somit sind diese beiden Dimensionen aus Sicht der Experten unabdingbar. Mit Blick auf die Hinzunahme von Einflussfaktoren bewerten immerhin noch 81 % deren Bedeutung für die Steuerung mit mindestens ‚mittel’. Somit müssen sowohl Erfolge, Potenziale als auch Einflussfaktoren im Rahmen der Steuerung von Cross-Selling betrachtet werden. Folgendes Diagramm zeigt die Umfrageergebnisse nochmals im Detail: Die einzelnen Erfolgs-Messergebnisse ergeben keine eindeutigen Handlungsanweisungen.

18%

45%

9% 9%

Eine alleinige Steuerung auf Basis der Erfolgsmessung ist nicht möglich.

18%

45%

27%

Eine Steuerung muss immer Potenziale und Erfolge berücksichtigen.

9%

Eine Steuerung muss sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren berücksichtigen.

9%

Die einzelnen Erfolgs-Messergebnisse ergeben eindeutige Handlungsanweisungen.

45%

27%

0% hoch

9%

36%

55%

27%

27%

18%

9% 9% 36%

25%

50%

eher hoch

mittel

75% eher gering

9%

100% gering

Abb. 62: Eindeutigkeit von Handlungsanweisungen und Dimensionen der Steuerung Für die Praxis kann somit nicht nur die Mehrdeutigkeit der Handlungsempfehlungen aus bestehenden Erfolgsmessverfahren, sondern auch die Notwendigkeit der Einbeziehung von Erfolgen, Potenzialen und Einflussfaktoren in der Steuerung bestätigt werden. Im Folgenden sollen daher Möglichkeiten untersucht werden, die eine Integration dieser drei Dimensionen erlauben. 3.

Möglichkeiten der Weiterentwicklung

Wie gezeigt wurde, erfüllt kein Verfahren zur Erfolgsmessung die aufgestellten Kriterien vollständig. Besonders die Tatsache, dass durch unterschiedliche Kennzahlen der tatsächliche Cross-Selling-Erfolg verschieden bewertet wird, macht es notwendig, diese Verfahren weiterzuentwickeln. Eine solche Weiterentwicklung muss dabei die aufgestellten Kriterien zur kritischen Würdigung der Erfolgsmessverfahren erfüllen und am Ende eine Aussage über die tatsächliche Gesamtleistung in allen Bereichen des Cross-Sellings erlauben. Im Ergebnis muss eine integrierte Sicht geschaffen werden, die alle Dimensionen berücksichtigt. Dies wurde auch

266

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

nochmals durch die Anforderungen aus der Praxis bestätigt. Ziel muss es daher sein, ein Verfahren zu entwickeln, das eine Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung eines Instituts, einer Vertriebseinheit oder eines Mitarbeiters mittels einer Spitzenkennzahl zulässt. Die Gesamtleistung muss dabei sowohl Erfolge als auch Potenziale und Einflussfaktoren berücksichtigen. In der Betriebswirtschaftslehre gibt es verschiedenste Verfahren zur Aggregation von Einzelmessungen in eine einzelne Spitzenkennzahl. Besonders die BalancedScorecard (BSC) besitzt die Fähigkeit, verschiedene Gesichtspunkte in die Wertung mit einzubeziehen. Durch die Betrachtung der vier Perspektiven Finanzen, Kunden, Prozesse und Mitarbeiter ist gewährleistet, dass auch qualitative bzw. nichtmonetäre Faktoren Berücksichtigung finden.760 Dies wäre besonders bei der Hinzunahme der Einflussfaktoren ein Vorteil. Die BSC kann aus den ermittelten Ursache-Wirkungszusammenhängen aufgestellt werden und hat in der Praxis auch schon eine weite Verbreitung gefunden. Die Balanced-Scorecard nimmt jedoch keine explizite Aggregation auf eine Spitzenkennzahl vor, sondern vergleicht verschiedene Spitzenkennzahlen je Bewertungsgegenstand. Sollen z. B. 100 Filialen einer Bank betrachtet werden zeigt sich, dass je Filiale eine Vielzahl an Kennzahlen in den Vergleich mit einfließen müsste. Dieser Detaillierungsgrad ist jedoch zu hoch, um einen effizienten Vergleich durchführen zu können. Außerdem ist die Balanced-Scorecard dann ungeeignet, wenn die genauen Ursache-Wirkungszusammenhänge unbekannt sind. Bei der Betrachtung von Dienstleistungen ist z. B. der einzelne Mitarbeiter und dessen Ausbildung von stärkerer Bedeutung als im produzierenden Gewerbe. Diese zentrale Bedeutung kommt im Rahmen der Balanced-Scorecard nicht hinreichend zur Geltung.761 Ziel der Ermittlung der Gesamtleistung soll jedoch die Aggregation auf eine einzelne Spitzenkennzahl je untersuchtem Objekt sein. Die BSC ist außerdem eher ein Instrument zur Strategieumsetzung und nicht als Verfahren zur Aggregation in eine Spitzenkennzahl geeignet. Diese Methode soll somit nicht zur Ermittlung der Gesamtleistung herangezogen werden. Außerdem könnte ein klassischer Kennzahlenbaum Anwendung zur Ermittlung der Gesamtleistung finden. Ein Kennzahlenbaum kann jedoch nur über die logische Verknüpfung der zu Grunde liegenden Einzelkennzahlen gebildet werden. Die betrachteten Kennzahlen zur Erfolgs-, Potenzial- und Einflussfaktorenmessung besitzen diesen Zusammenhang allerdings nicht und lassen sich daher nicht logisch verknüpfen. Außerdem besitzen die Messergebnisse wertbezogene, mengenorientierte und ordinalskalierte Werte, die in die Berechnung mit eingehen

760

Vgl. KAPLAN/NORTON (Balanced, 1997), S. 25.

761

Vgl. WORATSCHEK/ROTH/SCHAFMEISTER (Dienstleistungscontrolling, 2005), S. 258-259.

Möglichkeiten der Weiterentwicklung

267

müssen. Zur Ermittlung einer Gesamtleistung ist ein Kennzahlenbaum daher untauglich. Es sollen daher zwei Verfahren betrachtet werden, die auch bereits Anwendung in einem Cross-Selling-Umfeld gefunden haben und die sowohl quantitative als auch qualitative Messergebnisse verarbeiten können. Dies sind das Scoringverfahren und die Data Envelopment Analysis (DEA). Beide erlauben darüber hinaus die Aggregation der Werte in eine Spitzenkennzahl. Grund für die Wahl des Scoringverfahrens ist, dass es sehr anschaulich und verständlich eine Aggregation durchführt. Das Verfahren hat bereits weite Verbreitung bei den Banken gefunden und besitzt eine hohe Akzeptanz. Die DEA auf der anderen Seite ist ein sehr innovatives Verfahren, das bisher nur vereinzelt bei den Banken Anwendung findet. Die Stärke der DEA liegt besonders in der Aggregation von Einzelmessungen, die unterschiedliche Maßeinheiten besitzen. Dies ist vor allem bei der Zusammenführung von Messergebnissen aus den Dimensionen Potenziale, Erfolge und Einflussfaktoren von Bedeutung. Die gewählten Verfahren müssen analog zu den bisher bestehenden Erfolgsmessmethoden anhand des aufgestellten Kriterienkatalogs bewertet werden. Sie müssen außerdem die Anforderung erfüllen, dass eine Bewertung der Gesamtleistung in allen Dimensionen des Ergebniswürfels möglich ist. Nur wenn diese im Rahmen des Kriterienkatalogs besser bewertet werden können als die bisherigen Verfahren, bieten sie eine wirkliche Alternative für das Cross-Selling-Management. Bevor ein Scoringsystem und ein DEA-Modell beschrieben wird, sollen die einzelnen Komponenten der Cross-Selling-Gesamtleistung genauer untersucht werden.

II. Komponenten der Cross-Selling-Gesamtleistung Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung orientiert sich an der Forderung, dass tatsächlicher Erfolg erst erreicht ist, wenn es das Institut schafft, positive Entwicklungen in allen Bereichen des Cross-Sellings zu verzeichnen. Diese Bereiche umfassen neben den aktuell erreichten Erfolgen auch Potenziale und Einflussfaktoren. Es handelt sich somit um eine integrierte Sichtweise auf das CrossSelling. Die Problematik der ausschließlichen Orientierung an den aktuellen Erfolgen besteht darin, dass zukunftssichernde Aspekte aus der Sicht der Bank unbeachtet bleiben. Es kann z. B. der Fall eintreten, dass aktuell ein hoher Erfolg besteht, jedoch für die Zukunft nicht genug Potenziale verfügbar sind, um diese Erfolge weiter auszubauen. Des Weiteren kann sich die Bank einen aktuellen hohen Erfolg mittels schlechter Einflussfaktoren „erkaufen“. Werden z. B. über die Ma-

268

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

ßen Cross-Selling-Maßnahmen durchgeführt und die Kunden lediglich daraufhin kontaktiert, kann sich dies schlecht auf die Kundenwahrnehmung auswirken.762 In der Folge wird das Umfeld, in dem Cross-Selling-Maßnahmen durchgeführt werden, schlechter. Nur durch Einbeziehung von Umfeldvariablen kann die Bank somit die tatsächlichen Auswirkungen von aktuellen Erfolgen bewerten.763 Dieses Vorgehen entspricht der Dreiteilung eines idealtypischen Marketingkennzahlensystems, das neben (finanzwirtschaftlichen) Ergebniszahlen auch Marktpotenziale und Ergebnistreiber beinhalten muss.764 Folgende Abbildung zeigt die Komponenten einer Cross-Selling-Gesamtleistung, die im Folgenden betrachtet werden sollen. Cross-Selling-Gesamtleistung

Cross-Selling-Erfolge

Cross-Selling-Potenziale

Cross-Selling-Einflussfaktoren

Zum Bewertungsstichtag durch den Vertrieb erzielte Erfolge.

Höhe der Potenziale zum Zeitpunkt der Erfolgserzielung.

Ausprägung der Einflussfaktoren zum Zeitpunkt der Erfolgserzielung.

Î Bewertung mittels Er-

Î Bewertung mittels Poten-

Î Bewertung mittels Ver-

folgsmessverfahren der Bank.

zialmessverfahren der Bank.

Ergebniserreichung

kundenbezogene Nachhaltigkeit

fahren zur Messung von Einflussfaktoren der Bank. umfeldbezogene Nachhaltigkeit

Abb. 63: Komponenten der Cross-Selling-Gesamtleistung 1.

Aktuelle Ergebniserreichung

Die Bewertung aktuell erzielter Erfolge bildet einen Teil der Cross-SellingGesamtleistung. Hierbei wird bewertet, wie erfolgreich das Institut bereits jetzt darin ist, Cross-Selling zu betreiben. Es wird hierbei eine gegenwartsbezogene Perspektive verfolgt. Der Cross-Selling-Erfolg drückt somit aus, in welchem Maß es die Bank aktuell schafft, bestehende Potenziale in Erfolge zu transformieren. Die Bewertung der aktuellen Cross-Selling-Erfolge kann mittels der bereits dargestellten Methoden der Erfolgsmessung durchgeführt werden. Das Institut ist hierbei grundsätzlich frei, welche Messmethoden es dafür anwendet. Eine besondere Anforderung entsteht jedoch aus der Problematik der Quersubventionen. Um diese

762 763 764

Vgl. 2. Teil: B.I.3. Vgl. dazu auch 3. Teil: A.I.3. Vgl. REINECKE (Management, 2004), S. 240-242.

Nachhaltigkeit der erzielten Cross-Selling-Leistung

269

zu vermeiden, muss stets sichergestellt sein, dass sowohl mengen- als auch wertorientierte Erfolgsgrößen berücksichtigt werden. Dies entspricht der Forderung nach einem ertragsorientierten Cross-Selling-Management. Eine Bewertung der Erfolge im Rahmen des Konzepts der Cross-Selling-Gesamtleistung muss dies daher sicherstellen. Bei der Erfolgsmessung ist grundsätzlich darauf zu achten, dass in Bezug auf die Potenzialbewertung Überschneidungsfreiheit gegeben ist. Es ist zu gewährleisten, dass der Stichtag der Erfolgsbewertung mit dem der Potenzialermittlung eindeutig übereinstimmt. Sofern Erfolge zeitlich vor den Potenzialen bewertet werden, könnten diese u. U. zu niedrig ausgewiesen werden, da bis zum Bewertungsstichtag weitere Erfolge erzielt wurden. Im umgekehrten Fall würden die Erfolge zu hoch ausgewiesen. Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung erfordert somit über alle drei Bereiche zeitliche Kongruenz der Berechnung. Neben der zeitlichen Kongruenz der Messung ist des Weiteren sicherzustellen, dass eine homogene Granularität der Messung vorliegt. Dies bedeutet, dass CrossSelling-Erfolge in derselben Granularität gemessen werden müssen wie Potenziale und Einflussfaktoren. Sofern z. B. die Gesamtleistung einzelner Kundenberater gemessen werden soll, ist hierbei sicherzustellen, dass sowohl Erfolgsinformationen als auch Potenzial- und Einflussfaktorenmessungen für jeden einzelnen Berater vorliegen. Sollte dies nicht der Fall sein und z. B. Erfolge nur auf Filialebene gemessen werden, bildet die Filiale den granularsten Bewertungsmaßstab. 2.

Nachhaltigkeit der erzielten Cross-Selling-Leistung

Zusätzlich zu einer Bewertung der aktuell durch das Institut erreichten Erfolge, müssen auch Aspekte der Nachhaltigkeit dieser Erfolge bei einer Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung berücksichtigt werden. Nachhaltigkeit bedeutet grundsätzlich, dass aktuelle Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt werden, jedoch ohne dabei die der zukünftigen Generationen zu gefährden.765 Im Rahmen dieser Untersuchung wird jedoch die Perspektive der Bank eingenommen. Unter einer nachhaltigen Durchführung von Cross-Selling soll daher verstanden werden, dass aktuelle Erfolge unter Berücksichtigung der zukünftigen Potenziale und der notwendigen Einflussfaktoren erzielt werden, um auch in Zukunft Erfolge sicherzustellen. Diese Nachhaltigkeitsfaktoren können in eine kundenbezogene und eine umfeldbezogene Nachhaltigkeit untergliedert werden. 765

Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde vor allem durch die „World Commission for Environment and Development” (WCED) der Vereinten Nationen geprägt. In ihrem Bericht „Our Common Future“ werden der Nachhaltigkeit eine ökonomische, ökologische und soziale Perspektive zugerechnet (vgl. WCED (Common, 1987), S. 54-55).

270

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Potenziale beschreiben hierbei die kundenbezogene Nachhaltigkeit. Durch das Cross-Selling-Management ist gemäß dem dualen Steuerungsmodell eine potenzialorientierte Steuerung durchzuführen. Der Kundenstamm muss in der Form gestaltet werden, dass die aktuell bestehenden Erfolge auch in Zukunft gesichert werden können. Zu geringe Cross-Selling-Potenziale würden dazu führen, dass das Cross-Selling zukünftig zurückgeht. Durch die Berücksichtigung der Potenziale im Rahmen der Gesamtleistung wird die Grundlage zu einer potenzialorientierten Steuerung geschaffen. Die Potenziale können mittels der in Teil 2 dargestellten Methoden der Potenzialmessung berechnet werden. Die Bewertung ist sowohl mengen- als auch wertorientiert möglich. Wie auch bei der Bewertung der CrossSelling-Erfolge, ist bei der Potenzialermittlung auf Überschneidungsfreiheit zu achten. Sofern das Datum der Potenzialbewertung vor dem der Bewertung des Erfolgs liegt, werden u. U. Potenziale berücksichtigt, die bereits in Erfolge transformiert wurden. Die Potenzialbewertung würde somit ein positiveres Bild für das Institut abgeben als dies eigentlich der Fall ist. Umgekehrt würden Potenziale evtl. zu niedrig bewertet, sofern das Datum der Berechnung nach dem der Erfolgsbewertung liegt. In jedem der Fälle würden sich falsche Steuerungsinformationen ergeben. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass im Zeitablauf dieselbe Methode zur Potenzialmessung herangezogen wird. Nur wenn sich sowohl die Potenzialmodelle als auch die darin verwendeten Parameter im Betrachtungszeitraum nicht verändern, können Vergleiche angestellt werden. Umfeldbezogene Nachhaltigkeit hingegen wird dadurch erzeugt, dass die aus dem Cross-Selling-Umfeld stammenden Einflussfaktoren positiv ausgeprägt sind. Erst z. B. eine hohe Kundenzufriedenheit oder eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter kann positive Einflüsse auf das Cross-Selling ausüben. Da das Cross-SellingManagement frühzeitig auf Umweltveränderungen reagieren muss, sind diese Einflussfaktoren bei einer Ermittlung der Cross-Selling-Gesamtleistung zu berücksichtigen. Zur Messung können die in Teil 2 dargestellten Methoden herangezogen werden. Analog der Berücksichtigung der Erfolge und Potenziale ist auch hier darauf zu achten, dass der Stichtag der Berechnung kongruent zu dem der anderen Dimensionen ist. Zudem dürfen sich die Messmethoden für eine periodenübergreifende Vergleichsmöglichkeit der Ergebnisse nicht ändern. Für die gesamten Nachhaltigkeitsfaktoren gilt, dass diese analog zur Messung der Erfolge dieselbe Granularität der Messung gewährleisten müssen. Diese Problematik lässt sich besonders an den kundenbezogenen Einflussfaktoren, wie z. B. der Kundenzufriedenheit, darstellen. Soll wie im obigen Beispiel die CrossSelling-Gesamtleistung von Kundenberatern gemessen werden, ist sicherzustellen, dass auch die Zufriedenheitswerte in die Betrachtung einfließen, die dem Berater eindeutig zurechenbar sind. Dazu müssten Messergebnisse auf der Granularität von Einzelkunden vorliegen. Im Ergebnis bestimmt somit immer der Faktor mit

Nachhaltigkeit der erzielten Cross-Selling-Leistung

271

der geringsten Granularität der Messung die Möglichkeiten der Messung einer Gesamtleistung. Wird die Kundenzufriedenheit in einem extremen Fall nur bankweit gemessen, kann die Cross-Selling-Gesamtleistung auch nur bankweit ermittelt werden. Im Ergebnis wird durch die Berücksichtigung der drei Dimensionen eine ausgewogene Steuerung erreicht, da hierbei eine umfassende Cross-Selling-Orientierung verfolgt wird.766 Nach der Klärung der Komponenten einer Cross-SellingGesamtleistung kann im Folgenden ein Scoringsystem zu deren Berechnung aufgestellt werden.

III. Scoringsystem zur Bewertung der Gesamtleistung In diesem Unterkapitel soll ein Cross-Selling-Scoring (CSS) entwickelt werden, das es erlaubt, die Cross-Selling-Gesamtleistung mittels einer aggregierten und eindeutigen Kennzahl zu quantifizieren. Es wurde bereits dargestellt, wie CrossSelling auf bestehende Scoringverfahren zur Bemessung der Kundenattraktivität Einfluss nimmt. Dabei wurde das Scoring als ein parametrisches Verfahren der multidimensionalen Nutzwertanalyse definiert, das die systematische Klassifizierung eines Bewertungsgegenstands durch Punktevergabe auf Basis von im Vorfeld definierten Kriterien erlaubt.767 Im Rahmen der Bewertung können dazu sowohl quantitative als auch qualitative Eingangsfaktoren herangezogen werden. Scoringsysteme besitzen darüber hinaus die Eigenschaft, dass für Entscheidungsprobleme mehrere Zielsetzungen berücksichtigt werden können.768 Besonders bei einer integrierten Cross-Selling-Betrachtung ist diese Eigenschaft von Nutzen. Im Folgenden soll in einem ersten Schritt die formale Beschreibung des CrossSelling-Scorings vorgenommen bevor im zweiten Schritt die notwendigen Parameter beschrieben werden. Im dritten Schritt werden anhand einer Beispielrechnung die Ergebnisse eines solchen Scorings dargestellt und abschließend deren Verwendung in der Steuerung untersucht.769

766

Vgl. REINECKE (Management, 2004), S. 243.

767

Vgl. 1. Teil: B.III.2. Vgl. STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 35.

768 769

Dies entspricht dem Vorgehen der Zielsystembildung, Kriterienauswahl und Kriteriengewichtung (vgl. 1. Teil: B.III.2).

272

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

1.

Formale Beschreibung des Cross-Selling-Scoring

Das Ziel dieses Scorings besteht in der Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung. Grundlage hierfür stellen die Messergebnisse der in Teil 2 hergeleiteten Methoden zur Messung und Steuerung von Cross-Selling dar. Gemäß dem Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung muss dieses Scoringsystem die Dimensionen Erfolge, Potenziale und Einflussfaktoren berücksichtigen. Aus dieser Anforderung ergibt sich bereits implizit eine dreistufige Struktur des Cross-SellingScorings. Die erste Stufe bezeichnet den Erfolgs-Score, die zweite den PotenzialScore und die dritte den Einflussfaktoren-Score. Diese drei Stufen müssen zum eigentlichen Cross-Selling-Score aggregiert werden. Folgende Abbildung veranschaulicht diese Dreistufigkeit auf Basis des Konzepts der Gesamtleistung. Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Erfolgs-Score: Bewertung des Erfolges auf Basis bestehender Kennzahlen und Kalkulationsverfahren.

Potenzial-Score: Bewertung der noch vorhandenen Potenziale, um zukünftige Erfolge zu gewährleisten.

EinflussfaktorenScore: Bewertung der unterstützenden Einflussfaktoren zur Bestimmung der Nachhaltigkeit des Cross-Sellings.

+

+

CSS

=

Cross-SellingScore: Gesamtbewertung der Cross-SellingTätigkeiten zur Aussage über die aktuelle Gesamtleistung.

Abb. 64: Dreistufige Ermittlung des Cross-Selling-Scores Fraglich ist jedoch, wie die einzelnen Komponenten und die darin enthaltenen Einzelfaktoren miteinander verknüpft werden sollen. Die obige Abbildung impliziert hierbei bereits einen additiven Zusammenhang. Dies entspricht auch der grundlegenden mathematischen Formulierung eines Scoringsystems. Danach berechnet sich der Cross-Selling-Score aus der Summe der gewichteten Einzelfaktoren gemäß folgender Formel.770 CSS

D 1 F1  D 2 F2  ...  D n Fn

n

¦D F i

i 1

i

u.d.N.

n

¦D

i

1 mit Įi t 0

i 1

Die einzelnen Faktoren (Fi) werden mit den jeweiligen Faktorgewichten (Di) multipliziert und in der Folge alle gewichteten Faktoren aufsummiert. Die Summe der Gewichte Di muss dabei immer gleich 1 und Di immer größer oder gleich null sein. Im Ergebnis ergibt sich ein dimensionsloser Punktwert. Neben der Grundform der additiven Methode können die Einzelfaktoren auch multiplikativ verknüpft wer770

Vgl. ZANGEMEISTER (Nutzwertanalyse, 1976), S. 84; LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 84; BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 185 und S. 193.

Formale Beschreibung des Cross-Selling-Scoring

273

den. In diesem Fall werden die einzelnen Faktoren mit ihren Faktorgewichten potenziert und die so gewichteten Einzelfaktoren miteinander multipliziert. Dies führt zu folgender formaler Beschreibung.771 CSS

D

D

F1 1 ˜ F2 2 ˜ ... ˜ Fn

Dn

n

–F

Di

i

u.d.N.

i 1

n

¦D

i

1 mit Įi t 0

i 1

Analog zur additiven Methode gelten die Restriktionen für die Faktorgewichte. Der Unterschied der beiden Verfahren besteht darin, dass die additive Methode unterstellt, dass die Kriterien untereinander unabhängig sind und der Nutzenzuwachs konstant ist. Das Ergebnis der multiplikativen Methode wird jedoch verfälscht, sobald ein Faktor mit Null bewertet wird. Durch die multiplikative Verknüpfung wird in diesem Fall das Scoreergebnis, unabhängig der Ausprägungen der anderen Faktoren, auch Null. Allerdings konnte anhand von Simulationsstudien nachgewiesen werden, dass keine der beiden Methoden signifikant bessere Ergebnisse liefert.772 Die Methode der additiven Verknüpfung ist jedoch auf Grund ihrer guten Nachvollziehbarkeit weiter verbreitet, so dass diese im weiteren Verlauf herangezogen werden soll. Neben der Auswahl des Verknüpfungsalgorithmus ist des Weiteren ein Normierungsverfahren für die Ausprägungen der Faktoren zu wählen. Diese müssen auf das gleiche Intervall normiert werden, da sonst bereits eine implizite Gewichtung durchgeführt wird.773 So gehen z. B. Kundenwerte mit einem Wertebereich zwischen 500 € und 1.000 € stärker ein als die Kundenzufriedenheit mit einem Wertebereich zwischen 0 und 5, sofern keine Normierung durchgeführt wird.774 Der CSS würde über die Maßen durch die Höhe des Kundenwertes beeinflusst. Eine Normierung erreicht man mittels einer Zuordnungstabelle, welche die einzelnen Faktorausprägungen auf eine vorher festgelegte Skala projiziert. Dazu werden Intervalle festgelegt und den einzelnen Nutzenwerten zugeordnet.775 Im Ergebnis würden z. B. der Kundenwert und die Kundenzufriedenheit auf eine Intensitätsskala zwischen 0 und 10 normiert. Durch die Normierung der Faktorgrößen bekommt das Faktorgewicht Di die Bedeutung der Herstellung des „wahren“ Wertes von Fi.776 Problematisch hierbei ist die Transformation von intervallskalierten Werten, wie z. B. dem Kundenwert, auf eine 10-stufige ordinalskalierte Intensi771

Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 193. Es ist des Weiteren eine Kombination zwischen multiplikativer und additiver Methode möglich. Diese beschreibt jedoch kein neues Vorgehen, sondern beinhaltet lediglich die beiden gezeigten Verfahren.

772

Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 184 und S. 194. Vgl. LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 85.

773 774 775 776

Vgl. 2. Teil: B zum Wertebereich der einzelnen Messergebnisse der Einflussfaktoren. Vgl. STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 34. Vgl. STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 98.

274

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

tätsskala. Es sind daher Intervalle festzulegen, die den einzelnen Stufen zugerechnet werden.777 Formal wird die Normierung eines unnormierten Faktors Fiu in einen normierten Faktor Fi folgendermaßen durchgeführt:778 Fi

Fi max  Fí min ( Fiu  Fiumin ) Fiumax  Fiumin

Fimax und Fimin geben hierbei das Maximum und das Minimum der normierten Skala, wie z. B. 10 und 0, an. Fiumax und Fiumin bezeichnen hingegen das Maximum und das Minimum der unnormierten Ausprägungen, z. B. 1000 € und 500 € für den Kundenwert. Wird nun für einen beliebigen Faktor Fiu der normierte Wert Fi gesucht, sind die Werte in die Formel einzusetzen. Für dieses Beispiel würde für einen Kundenwert von 800 € bei einem Wertebereich von 500 € bis 1.000 € und einer Skala von 0 bis 10 ein normierter Wert von 6 in das Scoring einfließen. Nach Klärung der formalen Anforderungen an das Cross-Selling-Scoring sollen im Folgenden die relevanten Scoring-Parameter bestimmt werden. 2.

Bestimmung der Scoring-Parameter

Die formale Betrachtung des Scorings hat gezeigt, dass vor der Durchführung eines Scorings die Einzelfaktoren sowie deren Gewichtung zu bestimmen sind. Für die Auswahl der Einzelfaktoren, die im Cross-Selling-Scoring berücksichtigt werden sollen, ist in einem ersten Schritt der Bewertungsgegenstand festzulegen, dessen Gesamtleistung gemessen werden soll.779 Grundsätzlich ist die Berechnung eines CSS sowohl für Vertriebskanäle, Mitarbeiter, Kundengruppen als auch Produkte möglich. Je nach Art des Bewertungsgegenstands ist jedoch eine unterschiedliche Auswahl der Faktoren vorzunehmen. Für die adäquate Steuerung muss hierbei sichergestellt sein, dass die gewählten Faktoren durch den Bewertungsgegenstand auch beeinflussbar sind. Bei einer Betrachtung auf Mitarbeiterebene ist somit die Wahl des Einflussfaktors „Produkt- und Sortimentsgestaltung“ nicht dienlich, da dieser der Einzelne nicht zu vertreten hat. Im Folgenden soll als Beispiel ein Scoring aufgestellt werden, das es erlaubt, den gesamten Retailbereich

777

778

779

Vgl. STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 82. Eine solche Normierung auf Basis der Intervallzuordnung lässt auch die Möglichkeit zu, einen abnehmenden Grenznutzen zu modellieren. Dazu werden die Bandbreiten der Intervalle mit steigendem Nutzwert vergrößert. Vgl. HOFFMEISTER (Nutzwertanalyse, 2008), S. 289. Hierbei wird der Annahme gefolgt, dass ein höherer ungewichteter Faktorwert auch ein höheres Nutzenniveau besitzt. Sofern Kostengrößen berücksichtigt werden sollen, wird jedoch deutlich, dass ein geringerer Wert ein höheres Nutzenniveau besitzt. Im Folgenden bezeichnet ein Bewertungsgegenstand das Objekt, dessen Cross-Selling-Gesamtleistung bewertet werden soll.

Bestimmung der Scoring-Parameter

275

auf seine Cross-Selling-Gesamtleistung hin zu untersuchen. Dadurch können sowohl operative als auch strategische Aussagen des Scores untersucht werden. Die Faktoren zur Bewertung des gesamten Retailbereichs können grundsätzlich völlig beliebig durch den Modellgestalter ausgewählt werden. Sinnvollerweise sollten solche Faktoren herangezogen werden, die mit dem Zielsystem korrelieren. Die Faktoren können daher auch als operationelle Nebenbedingungen bezeichnet werden. Trotz der freien Gestaltung müssen die im Scoringsystem verwendeten Faktoren folgenden Anforderungen genügen:780 x

Eindeutigkeit: Die Kriterien müssen präzise und allgemeinverständlich formuliert sein, damit eindeutig definiert ist, welche Entscheidungsvariablen Anwendung finden soll. Unter Umständen ist eine genaue Definition der Zielvariablen vorzunehmen, um Missverständnisse zu vermeiden.

x

Informationsverfügbarkeit: Die Kriterien müssen mittels vertretbarem Aufwand ermittelt werden können. Kriterien, für die nur sehr schwer Informationen zu beschaffen sind oder nur unsichere Informationen vorliegen, sollten nicht berücksichtigt werden.

x

Vollständigkeit: Die Kriterien sollten den Bewertungsgegenstand so gut wie möglich beschreiben, jedoch in ihrer Höchstzahl auf ein vertretbares Maß begrenzt werden.

x

Skalierbarkeit: Die Ausprägungen der Kriterien müssen sich anhand von Skalen mit operationalisierten Maßeinheiten abbilden lassen. Somit muss auch für qualitative Kriterien sichergestellt sein, dass diese quantifiziert werden können.

x

Unabhängigkeit: Nach Möglichkeit sollte gewährleistet sein, dass sich die gewählten Kriterien nicht gegenseitig beeinflussen.

Die Grundgesamtheit der zur Verfügung stehenden Faktoren ergibt sich aus den in Teil 2 dargestellten Messungen von Cross-Selling. Die einzelnen Faktoren müssen den jeweiligen Stufen des Cross-Selling-Scores zugeordnet werden. Folgende Tabelle zeigt die Grundgesamtheit der verfügbaren Faktoren und deren Zuordnung zu den einzelnen Stufen:

780

Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 135; STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 54-59.

276

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Faktoren eines Cross-Selling-Scores Erfolgs-Score x Cross-Selling-Quote x Deckungsbeitrag II x Share of Wallet x x x x

(Kundenausschöpfung) Potenzialausschöpfung (CrossSelling-Erfolg) Cross-Selling-Leverage Kundenlebenswert (Customer Lifetime Value) Cross-Selling-Ertragsquote

Potenzial-Score

Einflussfaktoren-Score

x Gesamtzahl offener Produkte im

x Ausbildungsgrad der Mitarbeiter

Kundenstamm (Stück) x Durchschnittliche Anzahl offener

Produkte je Kunde (Stück) x Gesamtzahl erwarteter Deckungsbeiträge im Kundenstamm (€) x Durchschnittlich erwartete Deckungsbeiträge je Kunde (€)

x Fähigkeit zur

Chancentransformation x Gestaltung Produktprogramm x Markenwahrnehmung x Kundenzufriedenheit x Kundenbindung x Kundenorientierung

Tab. 22: Mögliche Faktoren eines Cross-Selling-Scores Fraglich ist, ob die einzelnen Faktoren den dargestellten Anforderungen entsprechen, um im Rahmen eines Scorings eingesetzt werden zu können. Die erforderliche Korrelation mit dem Zielsystem wurde bei der Darstellung der einzelnen Faktoren in Teil 2 gezeigt. In Bezug auf die Eindeutigkeit kann festgehalten werden, dass die einzelnen Kennzahlen auch eindeutig definiert sind. Mittels der Umfrage wurde nachgewiesen, dass Messergebnisse der Faktoren in den Instituten verfügbar sind und somit keine Informationsknappheit vorliegt. Speziell für die qualitativen Einflussfaktoren wurde in Teil 2 auch gezeigt, dass diese messbar und die Ergebnisse der Messung auf einer Skala abbildbar sind.781 Für die quantitativen Faktoren des Erfolgs- und Potenzial-Scores gilt dies analog. Die geforderte Skalierbarkeit der Merkmale ist daher ebenfalls erfüllt. Das Kriterium der Unabhängigkeit kann jedoch besonders im Hinblick auf die Cross-Selling-Einflussfaktoren nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Kundenzufriedenheit, die Kundenbindung und die Kundenorientierung sind nicht vollständig unabhängig.782 Somit sollten diese nicht zusammen in einem Scoringsystem berücksichtigt werden. Bis auf diese Einschränkung können jedoch alle in obiger Tabelle dargestellten Faktoren berücksichtigt werden. Das würde allerdings nicht der Forderung entsprechen, diese auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Daher soll nachfolgend eine Auswahl der für das Beispiel tatsächlich herangezogenen Faktoren durchgeführt werden. Gemäß der Forderung des Konzepts der Cross-Selling-Gesamtleistung, darf der Erfolg nicht nur rein mengenorientiert, sondern muss auch in Bezug auf die Werthaltigkeit des Cross-Sellings gemessen werden. Eine mengenorientierte Erfolgs781

Vgl. 2. Teil: B.II und 2. Teil: B.III.

782

Vgl. 2. Teil: B.III.

Bestimmung der Scoring-Parameter

277

größe stellt die Cross-Selling-Quote dar. Die Werthaltigkeit eines Geschäfts kann mittels des Deckungsbeitrags II bemessen werden. Um die externe Vergleichbarkeit nicht zu gefährden, sollte hierbei eine um die Größe des Instituts bereinigte Kennzahl Anwendung finden. Die Größe des Instituts drückt sich u. a. in der Anzahl der Retailkunden aus. Die Werthaltigkeit von Cross-Selling soll im Rahmen des Scorings daher mittels des durchschnittlichen Deckungsbeitrags II je Folgegeschäft berücksichtigt werden. Die weiteren möglichen Faktoren der Stufe des Erfolgs-Scores bringen keine zusätzlichen Informationen als die beiden bisher herausgearbeiteten. Der Share of Wallet, die Potenzialausschöpfung und der CLV beinhalten neben Erfolgs- auch Potenzialkomponenten, die jedoch nur auf der Stufe des Potenzial-Scores berücksichtigt werden sollen. Der Cross-SellingLeverage ist produktorientiert und eignet sich daher nicht bei einem Fokus auf ein Institutsscoring. Die Cross-Selling-Ertragsquote soll außerdem deshalb nicht herangezogen werden, da die Werthaltigkeit der Cross-Selling-Anstrengung bereits durch den durchschnittlichen DB II je Folgegeschäft berücksichtigt wird. Somit werden zur Ermittlung des Erfolgs-Scores – unter Berücksichtigung des Konzepts der Cross-Selling-Gesamtleistung – die Faktoren „Cross-Selling-Quote“ und „durchschnittlicher Deckungsbeitrag II je Folgegeschäft“ verwendet. Beide Faktoren sind zudem durch die Führungsebenen des Retailbankings auch direkt beeinflussbar. Auf der Stufe des Potenzial-Scores werden die noch offenen Cross-SellingPotenziale der Bank berücksichtigt, um die Nachhaltigkeit der aktuellen CrossSelling-Erfolge zu bestimmen. Analog zum Erfolgs-Score sollen auch hier sowohl mengen- als auch wertorientierte Größen zur Anwendung kommen. Fraglich ist hierbei, ob der Fokus auf die Bewertung des gesamten Kundenstamms oder auf die durchschnittliche Ausprägung je Kunde gelegt werden soll. Um auch hier eine externe Vergleichbarkeit des Scores nicht zu gefährden, muss ein um die Institutsgröße – in Form der Kundenzahl – bereinigter Faktor zur Anwendung kommen. Daher sollen Durchschnittsgrößen in Bezug auf die offenen Produkte und die zu erwartenden Erträge im Kundenstamm herangezogen werden. Dies kann mittels der Faktoren „durchschnittliche Anzahl der noch offenen Produkte je Kunde“ und „durchschnittlich erwartete Erträge je Kunde“ erreicht werden.783 Auch diese Faktoren sind durch die Leitung des Retailbanking direkt beeinflussbar. Die Stufe des Einflussfaktoren-Scores soll wie auch die Stufe des PotenzialScores, gemäß dem Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung, die Nachhaltigkeit aktueller Anstrengungen ausdrücken. Das Kriterium zur Auswahl eines Einflussfaktors aus der Grundgesamtheit ist, dass dieser besonders durch die oberste Lei783

Vgl.2. Teil: A.I.2 zum Konzept des erwarteten Ertrags.

278

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

tungsebene des Retailbankings beeinflussbar ist. Das „Produktprogramm“ und die „Markenwahrnehmung“ sind Faktoren, die diese Anforderung erfüllen. Dezentrale Bereiche, wie z. B. eine Filiale, können keine bankweiten Entscheidungen zum Produktprogramm treffen. Dies gilt auch für den „Ausbildungsgrad der Mitarbeiter“, da ein zu erfüllendes Skillset übergreifend festgelegt werden muss. Die kundenbezogenen Faktoren sind zwar von den dezentralen Bereichen beeinflussbar, diese müssen jedoch auch bei der Bewertung des Gesamtinstituts Berücksichtigung finden. Auf Grund der nicht vollständigen Unabhängigkeit soll lediglich die „Kundenzufriedenheit“ als Faktor herangezogen werden. Im Ergebnis finden somit die „Kundenzufriedenheit“, der „Ausbildungsgrad der Mitarbeiter“ das „Produktprogramm“ und die „Markenwahrnehmung“ Anwendung im nachfolgend aufgestellten Cross-Selling-Scoring. Die Festlegung der Faktorgewichte ist analog zur Faktorfestlegung grundsätzlich in der freien Verantwortung desjenigen, der ein Scoringsystem gestaltet. Dennoch können zur Unterstützung folgende Verfahren zur Bestimmung von Kriteriengewichten herangezogen werden.784

784

x

Delphi-Methode: Die Gewichtungskoeffizienten werden im ersten Schritt anonym von verschiedenen Entscheidungsträgern abgefragt und aus den Ergebnissen Mittelwerte und Streuungsmaße ermittelt. Im zweiten Schritt werden die Ergebnisse, zusammen mit den Begründungen, den Entscheidern mitgeteilt und nochmals eine Befragung durchgeführt. Im Scoringsystem werden in der Folge die Mittelwerte oder die Mediane der Einzelgewichtsschätzungen am Ende der zweiten oder einer weiteren Befragungsrunde verwendet. Durch diese Vorgehensweise sollen die Nachteile einer offenen Diskussion vermieden werden. Bei offenen Diskussionen hängt das Ergebnis stark von der Überzeugungskraft, dem sozialen und beruflichen Status oder der Diskussionsaversion Einzelner ab.

x

Einfaches Rangordnungsverfahren: Anhand einer Kriterienliste müssen die Entscheidungsträger den einzelnen Kriterien eine Bedeutung mittels einer Rangfolgezahl zuordnen. Dem wichtigsten Kriterium wird die höchste Zahl zugeordnet und dem am unwichtigsten Kriterium die niedrigste. Die Einzeleinschätzungen können entweder aufsummiert oder der Mittelwert bzw. der Median gebildet werden. In der Folge werden die Zahlen normiert, so dass diese in Summe eins ergeben und damit die Kriteriengewichtungen darstellen. Der Nachteil dieses Verfahren besteht darin, dass die Grenzen der Einzelfaktorengewichtung bereits durch die

Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 185-191; DREYER (Nutzwertanalyse, 1975), S. 100; STREBEL (Forschungsplanung, 1975), S. 94-101; ADAM (Investitionscontrolling, 2000), S. 98-99.

Bestimmung der Scoring-Parameter

279

Gesamtzahl der Kriterien implizit festgelegt sind. Je mehr Kriterien berücksichtigt werden, desto stärker wird das Faktorgewicht nach oben und unten beschränkt. x

Sukzessiver Kriterienvergleich: Im ersten Schritt werden alle Kriterien durch die Entscheidungsträger nach deren Bedeutung sortiert und mit impliziten Gewichten (t 0), beginnend mit 1 für das wichtigste, versehen. Im zweiten Schritt wird das wichtigste Kriterium mit dem darauf folgenden sowie der Summe aller Gewichte verglichen. Im Rahmen des Vergleichs müssen die Gewichte so angepasst werden, damit diese auch den relativen Wert widerspiegeln. Diese Prozedur wird absteigend für alle Gewichte wiederholt. Abschließend werden die Gewichte normiert, um in das Scoring übernommen zu werden. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Komplexität der Berechnung mit der Zahl der Faktoren zunimmt.

x

Binäres Vergleichsverfahren: Für jedes Kriterium wird durch den Entscheidungsträger im direkten Vergleich mit einem anderen Kriterium festgelegt, ob es bedeutsamer ist. Die Gesamtzahl, wie oft ein Kriterium als bedeutender eingestuft wurde, stellt bereits eine implizite Gewichtung dar. Werden die impliziten Gewichtungen über alle Kriterien normiert, ergeben sich daraus die Kriteriengewichte. Ähnlich zum einfachen Rangordnungsverfahren bestimmen sich die Extremwerte der Gewichtungen implizit bereits durch die Anzahl der Faktoren. In der Folge kann eine Vielzahl an Kriterien, die eher eine geringe Auswirkung auf das Zielsystem haben, die Bedeutung von eher wichtigen Faktoren schmälern.

x

Statistische Methoden: Mittels statistischer Methoden werden die Ursache-Wirkungszusammenhänge der Einzelfaktoren mit dem Zielsystem quantifiziert. Die dabei ermittelten Korrelationen können normiert und in der Folge als Faktorgewichte in das Scoring übernommen werden. Nachteil hierbei ist, dass Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge exakt quantifizierbar sein müssen, um die „richtige“ Faktorgewichtung im Scoring zu erreichen.

Es wird ersichtlich, dass bis auf statistische Verfahren alle hier betrachteten Möglichkeiten der Kriteriengewichtung an einem Punkt der Bestimmung auf subjektive Entscheidungen über die Rangfolge angewiesen sind. Zudem können auf Grund der Subjektivität Inkonsistenzen in der Bewertung auftreten. Beim binären Vergleichsverfahren ist es z. B. erforderlich, dass der Bewertende die Ergebnisse der vorherigen Vergleiche berücksichtigt. Diese Anforderung resultiert daraus, dass die Einzelvergleiche A ist wichtiger als B und B ist wichtiger als C auch implizit zum Ergebnis führen müssen, dass A auch wichtiger als C ist. Das binäre Vergleichsverfahren schließt jedoch nicht aus, dass der Bewertende C wichtiger als A

280

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

ansieht. Somit würde eine Inkonsistenz in der Bewertung nicht verhindert. Bei allen Verfahren, die für ein Kriterium einen Rang festlegen gilt zudem, dass ordinale Größen (z. B. Rang Nr. 3) in metrische Informationen (z. B. Faktorgewicht 0,2) transformiert werden.785 Statistische Methoden können diesen Nachteil beheben. Wie jedoch gezeigt wurde, sind die Ursache-Wirkungszusammenhänge besonders bei den Einflussfaktoren noch nicht so eindeutig quantifiziert, dass diese Verfahren angewendet werden können. Für die Methoden, die subjektive Entscheidungsmerkmale heranziehen, konnte in empirischen Untersuchungen allerdings ermittelt werden, dass es keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Gewichtungsergebnisse gibt. Vielmehr kommt es darauf an, dass der einzelne Entscheidungsträger im Stande sein muss, konsistente Urteile zu fällen, um so Verfälschungen bei der Festlegung der Gewichte zu vermeiden. Daher wurde in der Untersuchung vorgeschlagen, das einfache Rangordnungsverfahren heranzuziehen, wenn eine gute Kosten-Nutzen-Relation angestrebt wird.786 Auf Grund der empirischen Ergebnisse zur Signifikanz der Unterschiede der Gewichtungsergebnisse, soll nachfolgend das Rangordnungsverfahren für die Gewichtsbestimmung herangezogen werden. Im Rahmen dieser beispielhaften Modellgestaltung wird daher der Ansicht gefolgt, dass die Gewichte basierend auf den strategischen Überlegungen des Managements ermittelt werden können. Strategische Überlegungen bezeichnen hierbei die Meinungen von Experten zu einer sinnvollen Faktorgewichtung.787 Die oben durchgeführte Umfrage hat zu diesem Zweck die Teilnehmer nach einer sinnvollen strategischen Gewichtung der drei Bereiche befragt. Folgende Abbildung zeigt die aus der Umfrage ermittelten Expertenmeinungen zu den drei Bereichen Potenziale, Erfolge und Einflussfaktoren im Rahmen des Cross-Selling-Scorings. Es wurden jeweils die Extremwerte sowie der Median der einzelnen Gruppe dargestellt.

785 786

787

Vgl. ADAM (Investitionscontrolling, 2000), S. 98-99. Vgl. DREYER (Nutzwertanalyse, 1975), S. 100-104. Ähnlich dazu auch ADAM (Investitionscontrolling, 2000), S. 101. Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 186; BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 28.

Beispielhafte Berechnung des Cross-Selling-Scores

281

100% 80%

80%

60%

50%

50%

40% 20%

25%

30%

30% 20%

10% 0%

0% Erfolge

Potenziale

Einflussfaktoren

Abb. 65: Expertenmeinungen zur Gewichtung der Scoringkategorien Es konnte hierbei ermittelt werden, dass die befragten Experten im Median eine Gewichtung von 50 % (Erfolge), 30 % (Potenziale), 20 % (Einflussfaktoren) vornehmen. Diese Werte sollen daher im Rahmen dieses Beispiels Anwendung finden. Für die einzelnen Faktoren innerhalb der drei Dimensionen wurde keine Befragung der Experten durchgeführt. Daher soll Gleichverteilung der Gewichte angenommen werden, da es keine Anhaltspunkte gibt, dass einzelne Faktoren bedeutsamer sind.788 Im Folgenden kann auf Basis der in diesem Abschnitt ermittelten Parameter eine Beispielrechnung des Cross-Selling-Scoring durchgeführt werden. 3.

Beispielhafte Berechnung des Cross-Selling-Scores

In den vorangegangenen Abschnitten wurden neben der Verknüpfungsmethode auch die Einzelfaktoren der drei Stufen des CSS sowie deren Gewichtung festgelegt. Nachfolgend soll dazu ein Beispiel berechnet werden, das veranschaulicht, welche Ergebnisse ein solches Scoring ermittelt. Aufbauend zu diesem Beispiel können die Implikationen für die Steuerung bestimmt werden. Die im Rahmen der Beispielrechnung verwendeten Daten sind fiktiv für eine Retailbank zusammengestellt. Die herangezogenen Wertebereiche orientieren sich an den im Rahmen des zweiten Teils hergeleiteten Möglichkeiten der Messung. Folgende Tabelle zeigt die Werte des Beispielinstituts für die gewählten Faktoren sowie die auf Basis des oben dargestellten Verfahrens normierten Werte: 788

Die Annahme resultiert daraus, dass im Rahmen der Darstellung der Zielgrößen zur Bestimmung des CrossSelling-Erfolgs gezeigt wurde, dass es notwendig ist, sowohl Stück- als auch Werterfolge als gleichwertig zu betrachten. In Bezug auf die Einflussfaktoren kann aus den betrachteten Studien des Weiteren keine gesicherte Annahme abgeleitet werden, die auf die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Gewichtung der Einflussfaktoren schließen lässt.

282

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Komponenten

aktueller Wert (Fiu)

Wertebereich (Fiumin-Fiumax)

Normierte Bewertung (Fi) (0=niedrig bis 10=hoch)

Cross-Selling-Quote

3,4

1-5

6

Durchschnittlicher DB II je Folgeprodukt (€)

160

0-200

8

Durchschnittliche Anzahl offener Produkte je Kunde (Stück)

4,9

0-7

7

Durchschnittlich erwartete Deckungsbeiträge je Kunde (€)

600

0-1000

6

2

0-5

4

Ausbildungsgrad der Mitarbeiter

1,5

0-5

3

Gestaltung Produktprogramm

2,5

0-5

5

3

0-5

6

Kundenzufriedenheit

Markenwahrnehmung

Tab. 23: Ausgangsdaten des Cross-Selling-Scores789 Die normierten Einzelausprägungen der gewählten Faktoren sowie deren Gewichtung können in der Folge in das additive Verknüpfungsschema übertragen und daraus der Cross-Selling-Score und die Scores für die einzelnen Stufen abgeleitet werden. Folgende Tabelle zeigt das Ergebnis der Berechnung für die oben gewählten Beispielwerte. Komponenten

Gewichtung

Normierte Bewertung

Gewichteter Einzelwert

I) Erfolgs-Score

0,50

Cross-Selling-Quote

0,25

6

1,50

0,25

8

2,00

0,15

7

1,05

0,15

6

0,90

Durchschnittlicher DB II je Folgeprodukt

II) Potenzial-Score Durchschnittliche Anzahl offener Produkte/Kunde Durchschnittlich erwartete Deckungsbeiträge/Kunde

III) Einflussfaktoren-Score

Gewichteter Kategorienwert ™ 3,50

0,30

™ 1,95

0,20

™ 0,90

Kundenzufriedenheit

0,05

4

0,20

Ausbildungsgrad der Mitarbeiter

0,05

3

0,15

Gestaltung Produktprogramm

0,05

5

0,25

Markenwahrnehmung

0,05

6

0,30

Cross-Selling-Score

6,35

Tab. 24: Berechnung des Cross-Selling-Scores

789

Für den Wertebereich der Daten wird ein maximaler Produktbedarf des Kunden von acht Produkten zu Grunde gelegt (vgl. 2. Teil: A.II.1). Es wird vereinfachend angenommen, dass ein konstanter Grenznutzen vorliegt.

Beispielhafte Berechnung des Cross-Selling-Scores

283

Der ermittelte Cross-Selling-Score kann dahingehend interpretiert werden, dass mit einem steigenden Scorewert die Cross-Selling-Gesamtleistung der Retailbank zunimmt. Ziel muss es daher sein, einen möglichst hohen Scorewert zu erreichen. Allerdings bekommt der Gesamtscore seine eigentliche Aussagekraft erst im Vergleich mit Scores aus anderen Perioden oder mit anderen Untersuchungsobjekten. Wie die Umfrage gezeigt hat, stehen Daten auch für eine vergangenheitsorientierte Berechnung in den Instituten zur Verfügung. Neben dem Gesamtscore können jedoch auch Aussagen über die Leistung des Instituts in den einzelnen Stufen abgeleitet werden. Betrachtet man bspw. den Erfolgs-Score mit einem Wert von 3,5 sind grundsätzlich Aussagen im Rahmen eines Periodenvergleichs möglich. Die Ergebnisse der einzelnen Stufen beinhalten jedoch noch weitere Informationen über die aktuelle Gesamtleistung des Instituts. Dazu müssen die Einzelergebnisse mit den maximal möglichen Ausprägungen verglichen werden. Der aktuelle Erfolgs-Score kann z. B. maximal den Wert 5 annehmen, sofern das Institut sowohl bei der Cross-Selling-Quote als auch bei dem durchschnittlichen DB II je Folgeprodukt einen normierten Wert von 10 erreicht. Es kann so eine auf Basis der Maximalausprägung relativierte Scoredarstellung erreicht und die drei Dimensionen vergleichbar gemacht werden. Wird dieser Vergleich für jede der drei Stufen des Cross-Selling-Scores durchgeführt und werden die Ergebnisse in ein Netzdiagramm übertragen, erhält man für obiges Beispiel folgendes Profil:790 Erfolg (max 5,0)

Einfluss (max 2,0)

Potenzial (max 3,0)

Abb. 66: Ergebnisse des Cross-Selling-Scores Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass das Institut sowohl bei den Erfolgen als auch bei den Potenzialen etwa zwei Drittel der für diese Stufe maximal möglichen Scorepunkte erhält. Die Einflussfaktorenausprägungen befinden sich jedoch unterhalb der Hälfte der möglichen Ausprägungen für diese Stufe. Somit sollte das 790

Die Referenz muss an dieser Stelle nicht zwangsläufig das Maximum der Scorewerte darstellen, sondern kann auch die im Vergleich mit anderen Untersuchungseinheiten ermittelte Best-Practise-Ausprägung bezeichnen.

284

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Beispielinstitut einen besonderen Fokus auf die Einflussfaktoren legen. Eine Tendenz, dass aktuelle Erfolge nicht durch zukünftige Potenziale unterstützt werden, ist in diesem Fall jedoch nicht gegeben. Im Folgenden sollen weitere mögliche Ausprägungen diskutiert und Steuerungsimplikationen daraus abgeleitet werden. 4.

Verwendung von Cross-Selling-Scores in der Steuerung

Nach der Beispielberechnung des Cross-Selling-Scores soll gezeigt werden, wie das Ergebnis in die Steuerung einfließen und das Cross-Selling-Management geeignete Maßnahmen ergreifen kann. Im Folgenden sollen dazu die Steuerungsinformationen des Cross-Selling-Scores abgeleitet werden. Je nach Bewertungsfokus des Scores und den darin enthaltenen Faktoren verlagert sich auch der Fokus der Steuerung. Bei einer Bewertung des gesamten Retailbereichs liegt der Fokus eher auf einer globalen/strategischen Steuerung. Dies wird am Beispiel des Faktors „Gestaltung des Produktprogramms“ deutlich, der auf Gesamtbankebene gesteuert wird. Dennoch bestehen stets auch Anforderungen an die operative Steuerung. Eine Erhöhung der Cross-Selling-Quote muss z. B. immer mit operativen Steuerungsmaßnahmen verfolgt werden. Der Cross-Selling-Score gibt somit Informationen über die zu ergreifenden strategischen und operativen Maßnahmen. Ziel der Bank muss es immer sein, in allen drei Stufen einen hohen Scorewert zu erreichen. Aktuelle Erfolge sollten nachhaltig durch zukünftig hohe Potenziale im Kundenstamm und mit einer hohen Unterstützung durch Einflussfaktoren untermauert werden. Im seltensten Fall wird ein Institut jedoch in allen drei Bereichen den vollen Scorewert erhalten. Nachfolgend sind mögliche Scoreergebnisse der einzelnen Stufen beispielhaft in Netzdiagrammen dargestellt, um deren Steuerungsimplikation zu verdeutlichen. Grundlage bilden hierbei die in obigem Beispiel verwendeten Einzelfaktoren.

Verwendung von Cross-Selling-Scores in der Steuerung

Erfolgsdominanz

Potenzialdominanz

Einflussdominanz

Erfolg

Erfolg

Erfolg

Einfluss

Einfluss

285

Potenzial

Einfluss

Potenzial

Einfluss

Potenzial

Erfolgs-Lücke

Potenzial-Lücke

Einfluss-Lücke

Erfolg

Erfolg

Erfolg

Potenzial

Einfluss

Potenzial

Einfluss

Potenzial

Abb. 67: Beispielhafte Ausprägungen des Cross-Selling-Scores791 Extrembeispiele zeigen die Formen der Erfolgs-, Potenzial-, und EinflussfaktorenDominanz. Die Erfolgsdominanz verdeutlicht, dass zwar aktuell ein anzahl- und wertstarkes Cross-Selling erreicht wird, in Zukunft jedoch wenig Potenzial für weitere Erfolge verfügbar ist. Außerdem sind die Einflussfaktoren relativ zu gering ausgeprägt. Für das Cross-Selling-Management bedeutet dies, dass Steuerungsmaßnehmen ergriffen werden müssen, damit das Institut verstärkt potenzialträchtige Kunden hinzugewinnt und die Einflussfaktoren verbessert werden.792 Analog dazu der Fall der Potenzialdominanz, aus dem ersichtlich wird, dass die Bank grundsätzlich hohe Cross-Selling-Potenziale besitzt, diese jedoch nicht in Erfolge transformieren kann. Ein Grund hierfür kann die geringe Ausprägung der Einflussfaktoren darstellen oder ein nicht funktionierender Anspracheprozess. Das Cross-Selling-Management muss daher vor allem eine Verbesserung der CrossSelling-Erfolge herbeiführen. Die Einflussfaktoren-Dominanz auf der anderen Seite verdeutlicht, dass die Bank weder Erfolge erzielen kann noch über viel zukünftiges Potenzial verfügt. Von den drei Dominanzausprägungen stellt die Ein791

Vgl. dazu auch HAUPT/RÖHL (Cross Selling, 2009).

792

Hierbei zeigt sich die Schnittstelle zwischen Cross-Selling und dem Neukundengeschäft. Die Neukundenakquise kann als Instrument zur Vergrößerung der Cross-Selling-Potenziale dienen.

286

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

flussfaktoren-Dominanz für das Institut das schlechteste Ergebnis dar, da weder aktuell noch zukünftig gute Ergebnisse erzielt werden können. Die unter einem Cross-Selling-Fokus abgeleitete Handlungsempfehlung würde eine Neugestaltung des Kundenportfolios bedeuten, damit das Institut grundsätzlich Potenziale zur Verfügung hat. In der Folge müssten dann Steuerungsmaßnahmen zu deren erfolgreichen Transformation ergriffen werden. Im Fall der „Lücken“-Ausprägungen ist die Bank in zwei Dimensionen gut aufgestellt, kann jedoch nicht alle drei Bereiche abdecken. Diese Formen eines Scoringergebnisses sollten in der Praxis häufiger anzutreffen sein, da davon auszugehen ist, dass viele Banken nicht zugleich Schwächen in zwei Dimensionen aufweisen. Das Beispiel der Erfolgs-Lücke zeigt, dass das Institut zwar die notwendigen Potenziale und Einflussfaktorenausprägungen besitzt, eine Transformation in CrossSelling-Erfolge jedoch ausbleibt. Das Cross-Selling-Management muss somit Maßnahmen ergreifen, welche die Erfolgstransformation fördern. Ähnlich dazu die Potenzial-Lücke, bei der sich analog zur Potenzialdominanz Aussagen zur kundenbezogenen Nachhaltigkeit ableiten lassen. Momentane Erfolge können in diesem Fall kurzfristig sein, da die Bank nicht über die notwendigen Potenziale verfügt, um diese nachhaltig zu festigen. Hierbei besteht die Gefahr, dass das Institut in eine Einflussfaktoren-Dominanz abrutscht, sobald die notwendigen Erfolge ausbleiben. Im Gegensatz zur Einflussfaktoren-Dominanz beschreibt der letzte Fall der Einflussfaktoren-Lücke eine eher positive Situation. Das Institut ist aktuell sowohl erfolgreich als auch im Besitz weiterer Potenziale, um die Erfolge nachhaltig zu untermauern. Positiv für das Institut hierbei ist, dass dies alles trotz eher unterentwickelter Einflussfaktoren erreicht werden konnte. Die Bank muss an dieser Stelle den Fokus „nur“ auf eine Verbesserung der Einflussfaktoren legen. Neben den dargestellten Formen sind noch solche möglich, die in allen Dimensionen im Vergleich zum Maximalwert gleich abschneiden. Diese Formen geben jedoch keine eindeutigen Steuerungsinformationen, da jede einzelne Dimension verbessert werden sollte, sofern der Maximalwert noch nicht erreicht wurde. Des Weiteren sind noch solche Ausprägungsformen möglich, die tendenziell in Richtung einer der gezeigten Darstellungen gehen, jedoch nicht so stark ausgeprägt sind. Deren Steuerungsinformationen können jedoch aus den bisher beschriebenen Formen abgeleitet werden. Einleitend wurde angesprochen, dass sich die Steuerungsimplikationen sowohl strategisch als auch operativ auswirken können. Das hier gewählte Beispiel gibt durch die Betrachtung des gesamten Retailgeschäfts mehr strategische Steuerungsinformationen als z. B. die Betrachtung eines Filialscores. Dies liegt in der Wahl der Faktoren begründet, die für das Cross-Selling-Scoring herangezogen werden. Wie gezeigt, sollten die Faktoren stets durch den Bewertungsgegenstand beein-

Verwendung von Cross-Selling-Scores in der Steuerung

287

flusst und somit gesteuert werden können. Der Ausbildungsgrad der Mitarbeiter, das Produktprogramm und die Markenwahrnehmung werden eher auf Ebene der Gesamtbank gesteuert und zentral verantwortet. Wird der Bewertungsgegenstand z. B. auf Filial- oder Kundenberaterebene verkleinert, ergeben sich in der Folge stärkere operative Steuerungsimplikationen.793 Zur Ableitung von Steuerungsmaßnahmen für solche eher fokussierte Untersuchungsgegenstände können wiederum die dargestellten Beispielausprägungen herangezogen werden. Die dahinter liegenden Handlungsalternativen unterscheiden sich jedoch. Dies kann am Beispiel der Bewertung von einzelnen Kundenberatern und einer auftretenden ErfolgsLücke dargestellt werden. Das Scoring liefert die Information, dass es der Einzelne trotz bestehender Potenziale und unterstützender Einflussfaktoren nicht schafft, diese in Erfolge zu wandeln. Während bei der Betrachtung des Retailgeschäfts gesamtbankweit nach Gründen für die fehlende Potenzialtransformation gesucht werden muss, steht in diesem Fall der Kundenberater im Zentrum der Betrachtung. Wird davon ausgegangen, dass das Institut die tatsächlich potenzialträchtigen Kunden identifizieren kann, lässt dies auf Mängel im Aktivitätenprozess schließen. Durch eine genauere Analyse mittels des Aktivitäten-Controllings können so exakt die Berater identifiziert werden, bei denen Verbesserungsbedarf besteht. Die operative Steuerungsmaßnahme würde hier z. B. in Weiterbildungsmaßnahmen in den zu fördernden Bereichen münden. Die Steuerungsimplikationen der anderen Ausprägungen können analog abgeleitet werden. Der Cross-Selling-Score gibt somit unabhängig vom Bewertungsgegenstand Steuerungsinformationen über die Cross-Selling-Gesamtleistung. Die in der Folge zu ergreifenden Steuerungshandlungen sind jedoch unterschiedlich. Im Ergebnis zeigt sich, dass bankweit eine Vielzahl von Scorekarten mit unterschiedlichen Aggregationen vom einzelnen Kundenberater bis hin zum gesamten Retailbereich erstellt werden können, um die Gesamtleistung zu bewerten. Folgende Abbildung zeigt dazu eine Möglichkeit der Aggregation auf Basis der Dimensionen des Ergebniswürfels:

793

Hierbei ist anzumerken, dass das hier gewählte Beispiel dahingehend angepasst werden muss, dass die einzelnen Faktoren des Scorings auch vom Untersuchungsgegenstand beeinflussbar sind. Würde als Einflussfaktor z. B. die Kundenzufriedenheit gewählt, dürfte auch nur die Zufriedenheit der Kunden gemessen werden, die im Einflussbereich des Untersuchungsgegenstandes (Kundenberater) liegen.

288

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Gesamtscore

Kundenscore

Produktscore

Vetriebswegscore

Abb. 68: Aggregationsstufen der Scorekarten Der Kunden-Score würde zum Beispiel eine Bewertung der Gesamtleistung in Bezug auf definierte Kundengruppen ermöglichen. Im Ergebnis kann die Aussage abgeleitet werden, wie erfolgreich das Institut in den selbst definierten Kundengruppen ist und welche Nachhaltigkeit dieser Erfolg mit Blick auf zukünftige Potenziale und Einflussfaktoren besitzt. Ein Vergleich der Kundengruppen kann dabei u. U. die Notwendigkeit eines Strategiewechsels aufzeigen. Heruntergebrochen auf Einzelkundenebene leistet ein solches Scoring eine umfassende Kundensicht. Wird die oben gezeigte Darstellung der Scoringergebnisse als Netzdiagramm im internen Informationssystem hinterlegt, hat der Kundenberater einen schnellen Überblick über die Bedeutung des Kunden in Bezug auf das CrossSelling. Analog zu dieser Vorgehensweise können auch Implikationen für die einzelnen Produktsparten und die Vertriebswege abgeleitet werden. Eine Aggregation der einzelnen Scorekarten ist jedoch nur dann möglich, wenn dieselben Einzelfaktoren in den verschiedenen Scorekarten zur Anwendung kommen. Die Kriterien der Erfolgs- und Potenzialmessung können durch Anpassungen übergreifend herangezogen werden. In Bezug auf die Einflussfaktoren ist wieder auf die dimensionsübergreifende Beeinflussbarkeit zu achten. Hierbei können besonders kundenbezogene Einflussfaktoren, wie z. B. die Kundenzufriedenheit, herangezogen werden. Eine Kongruenz der Einzelfaktoren des Cross-SellingScorings ist bei einer dimensionsübergreifenden Aggregation allerdings unerlässlich.794 794

Eine weitere Möglichkeit würde die selektive Aggregation darstellen, die ein kumuliertes Scoring lediglich für die kongruenten Faktoren in den einzelnen Dimensionen ermittelt. Dies würde allerdings zu unterschiedlichen Aussagen auf den verschiedenen Ebenen führen.

Würdigung des Scoringverfahrens

289

Des Weiteren bilden die im Scoring verwendeten Faktorgewichte eine Steuerungsmöglichkeit für das Management, um die Bedeutung der einzelnen Dimensionen zu variieren. Werden diese in langfristigen Zeitabständen angepasst, tritt in der Folge zwischen den einzelnen Faktoren/-gruppen ein Fokuswechsel auf. Im Rahmen des obigen Beispiels wurde eine Gleichverteilung der Gewichte innerhalb der Stufen angenommen. Es kann jedoch z. B. die Kundenzufriedenheit auch stärker gewichtet werden als die Qualifikation der Mitarbeiter. Eine Verbesserung des Scores kann somit besser durch eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit erreicht werden. Damit bei einer Veränderung der Gewichtungen im Zeitablauf vergleichbare Aussagen abgeleitet werden können, müssen Scorewerte aus vorangegangenen Perioden auf Basis der neuen Gewichtung nachkalkuliert werden. Die Variation der Faktorgewichte steht somit nicht im Widerspruch der periodenübergreifenden Vergleichbarkeit. Bei einer Neudefinition der Faktorzusammensetzung des Scorings ist diese Vergleichbarkeit jedoch stärker gefährdet. Eine Nachberechnung kann nur durchgeführt werden, wenn alle Messwerte auch für die Vergangenheit verfügbar sind. Wird im Institut z. B. damit begonnen die Mitarbeiterzufriedenheit zu messen und wird dieser Einflussfaktor sofort in das Scoring übernommen, ist eine vergangenheitsbezogene Nachkalkulation nicht möglich. Die Betrachtung der Verwendung des Cross-Selling-Scorings in der Steuerung hat gezeigt, dass sowohl strategische als auch operative Steuerungsimplikationen abgeleitet werden können. Dies ist besonders durch die Betrachtung der einzelnen Stufen Erfolgs-, Potenzial- und Einflussfaktoren-Score möglich.

IV. Würdigung des Scoringverfahrens Es hat sich gezeigt, dass das Scoringverfahren eine gute Möglichkeit bietet, die Cross-Selling-Gesamtleistung zu messen und es erlaubt, die Dimensionen Erfolge, Potenziale und Einflussfaktoren zu verknüpfen. Darüber hinaus können detaillierte strategische und operative Steuerungsimplikationen abgeleitet werden. Für die kritische Würdigung ist zu beachten, dass das Scoringverfahren durch die Hinzunahme einzelner Erfolgsmessverfahren grundsätzlich den im Rahmen der kritischen Würdigung gemachten Aussagen unterliegt. Durch die Verknüpfung von verschiedenen einzelnen Erfolgsmessverfahren können jedoch bestehende Nachteile, wie z. B. eine fehlende wertorientierte Erfolgsbewertung im Fall der CrossSelling-Quote, kompensiert werden. Im Folgenden soll daher das gesamte Sco-

290

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

ringverfahren anhand des in Teil 2 aufgestellten Kriterienkatalogs bewertet werden.795 Aussagen zum Stück- und zum Werterfolg können im Rahmen des Scorings auf der Stufe 1 (Erfolgs-Score) eingebunden werden. Dies ist durch Verwendung der vorgestellten Messergebnisse der Erfolgsbewertung möglich. Dem Verfahren kann somit bescheinigt werden, dass es sehr gut erlaubt, Aussagen zu beiden Bereichen zu treffen. Die Gefahr, dass nicht-werthaltige Cross-Selling-Maßnahmen durchgeführt werden, kann somit durch das Scoring eingeschränkt werden. Informationen zum Potenzial fließen auf der Stufe 2 (Potenzial-Score) des Scorings mit ein. Diese können je nach verwendetem Faktor sowohl mit oder ohne Wertkomponenten ausgedrückt werden. Das Scoring kann somit Aussagen zu noch offenen aber auch schon genutzten Potenzialen geben. Handlungsempfehlungen können aus dem aggregierten Scoreergebnis nur im Vergleich mit anderen Scoreergebnissen abgeleitet werden. Die Aufsplittung des Scores in die drei Bestandteile ermöglicht jedoch die Identifikation von Handlungsfeldern. Somit gibt das Scoring eindeutige Empfehlungen in welchen Bereichen sich der Untersuchungsgegenstand verbessern muss. Der Vorteil des Scoringverfahrens liegt hierbei vor allem darin, dass daraus homogene Entscheidungen abgeleitet werden können, die frei von persönlichen Einflüssen sind, sobald das Scoringsystem mit dessen Parametern einmal definiert wurde.796 Die Vergleichbarkeit der Scoringergebnisse ist bankintern gegeben, sofern dieselben Faktoren bei der Berechnung herangezogen werden. Wie gezeigt, ist dies besonders bei den Einflussfaktoren zu gewährleisten. Extern ist die Vergleichbarkeit jedoch nur begrenzt gegeben. Grundsätzlich ist das Verfahren zur bankübergreifenden Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung geeignet, sofern die Faktorausprägungen auf Basis öffentlicher Daten ermittelt werden. Dabei ist nicht zwangläufig sichergestellt, dass auch kongruente Ermittlungsverfahren zu Grunde liegen oder die Informationen überhaupt verfügbar sind. Besonders kalkulatorische Daten, wie z. B. der Kundenwert, sind aus öffentlichen Daten nicht ermittelbar. Wird jedoch ein Scoring auf Basis öffentlich verfügbarer und vergleichbarer Informationen erstellt, kann ein Benchmark zu den Konkurrenzinstituten durchgeführt werden. Ein solches Scoring auf Gesamtbankebene würde sich jedoch auf Grund der beschränkten Faktorverfügbarkeit weit von dem intern zur Steuerung eingesetzten Scores entfernen. Im Ergebnis müsste somit ein internes und ein externes Scoring aufgestellt werden.

795

Vgl. zu den Kriterien 2. Teil: A.III.

796

Vgl. THIEL (Scoring, 2006), S. 201.

Würdigung des Scoringverfahrens

291

Die Objektivität der Berechnung des Scorewerts ist nicht vollständig gegeben. Zwar können homogene Entscheidungen aus bestehenden Scoringsystemen abgeleitet werden, subjektive Einflüsse resultierten allerdings aus der Festlegung der relevanten Faktoren sowie deren Gewichtung durch die Entscheidungsträger. In der Literatur wird dies als Hauptkritikpunkt an einem Scoringverfahren stets angeführt, da es zu Fehleinschätzungen auf Seiten des Gestalters des Scoringsystems kommen kann.797 Zwar gibt es die gezeigten Möglichkeiten die Faktorgewichtungen mittels eines Modells zu bestimmen, letztendlich ist die abschließende Festlegung jedoch immer durch das Management durchzuführen.798 Der Ermittlungsaufwand des Scorewerts ist bei vorliegenden Messwerten für die Einzelfaktoren eher gering einzuschätzen, da die Vorgehensweise nachvollziehbar ist. Der Ermittlungsaufwand in Bezug auf die Inputparameter hängt von der vorgenommenen Auswahl ab und ist daher unterschiedlich. Die Aufwände der reinen Scoreberechnung sind daher eher als gering zu bewerten.799 Die Anreizfähigkeit bestimmt sich vor allem daraus, ob beeinflussbare Größen verwendet werden und das Modell transparent genug ist, um Akzeptanz zu finden. Die Transparenz des Modells kann uneingeschränkt bestätigt werden und die Nachvollziehbarkeit der Berechnungen ist gegeben. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass lediglich beeinflussbare Größen verwendet werden, um dem Scoringverfahren insgesamt auch eine sehr gute Anreizfähigkeit zu bescheinigen. Folgende Tabelle fasst die hier vorgenommenen Bewertungen nochmals zusammen:

797 798

799

Vgl. LILLICH (Nutzwertverfahren, 1992), S. 86; BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 135. Die Modellformulierung und Beurteilung sollte dabei von unterschiedlichen Stellen in der Bank durchgeführt werden, um einen Interessenausgleich herzustellen (vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 135). Vgl. BUDDE (Marktinnovationen, 1983), S. 230.

292

Das Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels Scoring

Kriterium

Erfüllungsgrad

Aussagen zum Stückerfolg



Aussagen zum Werterfolg



Aussagen zum Werterfolg in Stufe 1 möglich.

Informationen zum Potenzial



Aussagen zu bestehenden und genutzten Potenzialen in Stufe 2 möglich.

Handlungsempfehlungen



Der Gesamtscore allein gibt eher eingeschränkt Handlungsempfehlungen. Durch die Stufenbetrachtung wird dies jedoch größtenteils behoben.

Vergleichbarkeit

/ Interner Vergleich sehr gut möglich. Externer Vergleich jedoch nur auf Basis frei zugänglicher Daten möglich.

Objektivität der Berechnung

/ Die Festlegung der Gewichtung ist subjektiv geprägt. Das Berechnungsverfahren ist jedoch objektiv.

Ermittlungsaufwand



Sofern die notwendigen Daten vorliegen ist eine einfache Berechnung möglich.

Anreizfähigkeit



Nachvollziehbares Verfahren, das beeinflussbare Kriterien unterstellt und somit anreizfähig ist.

++ + +/  

Aussagen zum Stückerfolg in Stufe 1 möglich.

vollumfänglich erfüllt zu großen Teilen erfüllt zu gleichen Teilen erfüllt und nicht erfüllt zu großen Teilen nicht erfüllt gar nicht erfüllt

Tab. 25: Erfüllung des Kriterienkatalogs durch den Cross-Selling-Score Das Cross-Selling-Scoring stellt somit eine geeignete Möglichkeit dar, um das Ziel der Ermittlung der Cross-Selling-Gesamtleistung zu erreichen. Der Vorteil gegenüber den bisher dargestellten Erfolgsmessverfahren liegt in der Integrationsfähigkeit aller Cross-Selling relevanten Dimensionen. Außerdem ist ein solches Verfahren transparent, gut nachvollziehbar und damit überaus praxisrelevant. Dennoch ist gerade die subjektive Festlegung von Gewichtungsfaktoren in der Kritik besonders hervorzuheben. Speziell dieser Kritikpunkt soll daher im Folgenden durch Ermittlung der Cross-Selling-Gesamtleistung mittels der Data Envelopment Analysis behoben werden.

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

293

B. Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis Die Aufstellung eines Scoringsystems zur Messung der Cross-SellingGesamtleistung stellt ein erstes Ergebnis in Bezug auf die integrierte Erfolgsbewertung dar. Es konnte ein Scoring entwickelt werden, das Potenziale, Erfolge und Einflussfaktoren berücksichtigt und damit eine umfassende Betrachtung erlaubt. Neben den Vorteilen der intuitiven Berechnungsweise, der damit verbundenen guten Nachvollziehbarkeit und der Eignung zur Anreizsteuerung hat sich jedoch gezeigt, dass die strategische Gewichtung der einzelnen Elemente einer gewissen Willkür unterworfen sein kann. Dies soll durch die Entwicklung eines Modells gelöst werden, das die Gesamtleistung im Cross-Selling mittels der Data Envelopment Analysis (DEA) bewertet. Die DEA stellt ein Verfahren dar, das mittels Input-Output-Zusammenhängen die Effizienz eines Produktionsprozesses ermittelt. Im Rahmen der DEA wird die strategische Gewichtung der jeweiligen Faktoren modellendogen erreicht. Die Sichtweise, eine Bank unter dem Blickwinkel produktionstheoretischer Fragestellungen zu betrachten, hat sich erst mit der zunehmenden Industrialisierung der Banken durchgesetzt. Dennoch kann auch im bankbetrieblichen Zusammenhang die typische Input-Output-Beziehung gebildet werden.800 Wie im Folgenden dargestellt wird, gibt es bereits Modelle, die sich mit der Effizienzmessung in Banken auseinander setzen. Der spezielle Fokus auf das Cross-Selling ist bisher allerdings nur in Ansätzen mittels einer produktorientierten Filialbewertung vorgenommen worden. In einem ersten Schritt soll das Konzept der Data Envelopment Analysis beschrieben werden. Ausgehend davon wird ein eigenständiges Modell zur Berechnung der Cross-Selling-Gesamtleistung aufgestellt. Dazu werden die notwendigen Schritte der Modellgestaltung sukzessive dargestellt. Ein Fokus soll hierbei vor allem auf den Anforderungen an die Wahl einer Entscheidungseinheit und der Inund Outputfaktoren liegen. Zweitens soll ein Modell aufgestellt werden, das es erlaubt eine Aussage darüber zu treffen, ob eine Entscheidungseinheit effizient in Ihren Bestrebungen ist, Cross-Selling zu betreiben.801 Anhand einer Beispielbe800

Vgl. HÖLSCHER (Produktion, 2006), S. 361-363. Hierbei wird zwischen einem faktortheoretischen und einem funktionstheoretischen Definitionsansatz unterschieden. Die Effizienzbewertung bezieht sich hierbei auf eine faktortheoretische Sichtweise, da eine Berechnung der effizienten Faktorkombination im Vordergrund steht. Die Festlegung einer DMU orientiert sich jedoch an der funktionstheoretischen Sichtweise, die eine Abgrenzung des Produktionsbereichs verfolgt.

801

Die Begrifflichkeiten „Gesamtleistung“ und „Effizienz“ sollen synonym verwendet werden. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass Effizienz nur erreicht werden kann, wenn alle Faktoren der hier beschriebenen Gesamtleistung berücksichtigt werden.

294

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

rechnung werden analog zum Scoring die Auswirkungen auf die Steuerung untersucht. Im Ergebnis wird somit ergänzend zum Scoring ein theoretisch fundiertes und praktisch anwendbares Modell zu Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung entwickelt, das die bestehenden Schwächen des Scorings z. T. behebt.

I. Effizienzmessung mittels Data Envelopment Analysis Wie dargestellt wurde, beschränkt sich die reine Messung von Erfolgen mittels Kennzahlen jeweils nur auf die erzielten Ergebnisse in den Dimensionen Anzahl oder Wertbeitrag. Wesentliche Einflussfaktoren bzw. Umfeldbedingungen im Prozess der Erfolgserreichung werden hierbei nicht berücksichtigt.802 Erfolge unter günstigen Umfeldbedingungen werden somit als gleichwertig zu solchen unter schlechten Bedingungen angesehen. Dies versucht das Konzept der Data Envelopment Analysis zu beheben.803 Im Rahmen dieses Teils der Untersuchung sollen die Grundlagen zur DEA dargestellt und ein Modell gezeigt werden, das die Cross-Selling-Effizienz mittels der DEA berechnet. Die Cross-Selling-Effizienz ist somit eine erweiterte Form der Berechnung des Cross-Selling-Erfolgs unter Berücksichtigung der Strategie der Erfolgserreichung. Dieses Unterkapitel dient dabei auch als Ausgangspunkt für die darauf folgende Bestimmung eines DEAModells zur Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung. In einem ersten Schritt soll daher das Verfahren der Data Envelopment Analysis beschrieben werden. 1.

Vorgehen im Rahmen der Data Envelopment Analysis

Ziel einer DEA ist die Ermittlung der Effizienz einer betrachteten Entscheidungseinheit. Eine Entscheidungseinheit oder Decision Making Unit (DMU) kann zum einen eine Abteilung oder ein Vertriebsweg mit tatsächlicher Entscheidungsgewalt und zum anderen auch ein Produkt der Bank darstellen.804 Effizienz bezeichnet dabei das optimale Verhältnis von In- zu Outputgrößen.805 Inputfaktoren sind die 802

Vgl. DIETSCH/LOZANO-VIVAS (Environment, 2000), S. 986.

803

Im deutschen hat sich der englische Begriff „Data Envelopment Analysis“ und die Abkürzung „DEA“ im Rahmen der Untersuchungen durchgesetzt. Eine mögliche deutsche Übersetzung stellt „datenumhüllende Analyse“ dar. Im Rahmen dieser Arbeit soll jedoch der üblich gebrauchte englische Begriff verwendet werden (vgl. MESCHER/MÜLLER (Data, 2002), S. 299; DYCKHOFF/ALLEN (Effizienzanalyse, 1999), S. 412). Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 22. Im weiteren Verlauf soll neben Entscheidungseinheit auch von DMU gesprochen werden, da dies auch in der deutschsprachigen Literatur gängig ist (vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 12; DYCKHOFF/ALLEN (Effizienzanalyse, 1999), S. 412).

804

805

Vgl. FARRELL (Efficiency, 1957), S. 254-255. Für eine ausführliche Diskussion zur Abgrenzung von Effektivität und der Effizienz vgl. DYCKHOFF/AHN (Sicherstellung, 2001), S. 112.

Vorgehen im Rahmen der Data Envelopment Analysis

295

zur Transformation von außen zugeführten Objekte. Als Outputfaktoren werden auf der anderen Seite diejenigen Objekte bezeichnet, die aus der Transformation resultieren und vom Produktionssystem nach außen abgegeben werden.806 Die bekannteste Art der Messung der Effizienz stellt die Regressionsfunktion dar, die zu den sogenannten parametrischen Messverfahren gehört. Wie im Rahmen der Messung der Cross-Selling-Potenziale beschrieben, ist ein Beispiel hierfür eine Punktwolke, die ein Input-Output-Verhältnis verschiedener Einheiten darstellt.807 Wird durch diese eine Regressionsgerade gelegt, gibt dies das durchschnittliche Einsatzfaktorenverhältnis über alle Einheiten an.808 Abweichungen von dieser sogenannten Durchschnittsproduktionsfunktion werden als Zufallsschwankungen angesehen. Positive Abweichungen stellen somit eine über- und negative eine unterdurchschnittliche Leistung dar. Beide sind jedoch grundsätzlich nicht erwünscht und werden als temporär interpretiert.809 Alle parametrischen Verfahren haben gemeinsam, dass im Vorfeld Parameter geschätzt werden müssen, die das Verhältnis zwischen In- und Output festlegen.810 Auf diesen Grundannahmen baut die DEA als nicht parametrisches Verfahren auf. In den vergangenen Jahren hat sie als Instrument in der Banksteuerung verstärkt Beachtung erfahren.811 Im Unterschied zu den parametrischen Verfahren geht die DEA nicht von einer bestehenden Durchschnittsproduktionsfunktion, der sogenannten „wahren Produktionsfunktion“ aus, die es zu treffen gilt.812 Bei der DEA als mathematischem Programmiermodell soll eine empirische Randfunktion ermittelt werden, ohne dass Input-Output-Zusammenhänge vorher vollständig bekannt sind. So ist gerade im Cross-Selling der genaue Wirkungszusammenhang zwischen Input und Outputfaktoren nur in der Tendenz bekannt.813 Das Grundmodell zur DEA wurde von CHARNES/COOPER/RHODES (1978) entwickelt und soll anhand nachfolgender Abbildung veranschaulicht werden. Es wurde hier ein fiktives Beispiel von zehn Vertriebseinheiten als DMUs mit jeweils einem Input- und dem dazugehörigen Outputfaktor grafisch aufbereitet. Die hier allgemein betrachteten Faktoren können als Inputfaktoren z. B. Kundentermine, durchgeführte Werbemaßnahmen oder auch die Kundenzufriedenheit darstellen. Outputfaktoren können

806

Vgl. DYCKHOFF (Produktion, 1994), S. 11.

807

Vgl.2. Teil: A.I.1. Vgl. SKIERA/ALBERS (Regressionsanalyse, 2000), S. 217. Vgl. dazu auch Abb. 69.

808 809 810

811 812 813

Vgl. BOWLIN ET AL. (Envelopment, 1985), S. 114. Vgl. POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 145. Zur Schätzung der Parameter einer Regressionsfunktion vgl. 2. Teil: A.I.1. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 24; POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 251. Vgl. BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 275. Vgl. dazu auch 2. Teil: B.

296

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

z. B. Anzahl abgesetzte Produkte, Umsatz oder Deckungsbeitrag sein. Einzige Voraussetzung, die erfüllt sein muss, ist die Quantifizierbarkeit des Faktors. Eine Mischung verschiedener Einheiten (Stücke, Euro,...) ist dabei unerheblich, somit besteht Skalenunabhängigkeit.814 Inputslack

7

Output

5

G

OH

4

Effizienter Rand Durchschnittsfunktion (Regressionsgerade)

H

E

F

3 2

J

VH

I

6

C

D

A

B

1 QH O

2

4

6

8

Input

10

12

14

Abb. 69: DEA mit einem Input- und einem Outputfaktor815 Vergleicht man die einzelnen Vertriebseinheiten wird deutlich, dass B durch A dominiert wird, da A den gleichen Output mit weniger Input erzeugt. C wird dagegen von E dominiert, da hier ein höherer Output mit geringerem Input erzielt wird. Eine Übersicht über alle Vertriebseinheiten zeigt, dass A, E, G, I und J relativ effizient sind, da diese durch keine andere Faktorkombination dominiert werden. Bei der ermittelten Effizienz handelt es sich jedoch „nur“ um eine relative Effizienz auf Grundlage der betrachteten DMUs. Besteht die Bank nur aus diesen Vertriebseinheiten, können Aussagen darüber abgeleitet werden, welche unter ihnen relativ am effizientesten auf Basis der gewählten In- und Outputs arbeitet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es am Markt nicht Vertriebseinheiten gibt, die im Vergleich hierzu effizienter vorgehen. Auf Grund dieser relativen Effizienz kann die Betrachtung der Abhängigkeiten zwischen In- und Output außen vor bleiben. Die Einheiten A, E, G, I und J besitzen somit in diesem Fall einen Effizienzwert 814

Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 24; BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 275.

815

Eigene Darstellung in Anlehnung an COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 3-4; BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 280.

Vorgehen im Rahmen der Data Envelopment Analysis

297

von 100 %. Die Effizienzwerte der restlichen Vertriebseinheiten werden entweder mit Blick auf den Input (Inputorientierung) oder mit Blick auf den Output (Outputorientierung) ermittelt. Dazu werden die Referenzpunkte auf dem ermittelten effizienten Rand betrachtet. Am Beispiel von H gilt für das inputorientierte Effizienzmaß, dass die Inputmenge um (8-3)/8·100 = 62,5 % gesenkt werden muss, um auf das Effizienzmaß von G zu gelangen. Grafisch zeigt dies der Quotient der Strecken GH/OHH. Im Fall des outputorientierten Effizienzmaßes von H kann kein bestehender Referenzpunkt herangezogen werden, sondern es muss ein „künstlicher“ Punkt VH geschaffen werden. In diesem Beispiel bedeutet dies, dass der Output von 5 auf 6 gesteigert werden muss. Dies entspricht 6/5·100 = 120 % des Ausgangsniveaus und der Output ist somit um 20 % zu steigern, um auf das Effizienzmaß von VH zu gelangen. Grafisch ergibt sich das outputorientierte Effizienzmaß aus dem Quotienten der Strecken QHVH/QHH.816 Im Fall von Punkt J zeigt sich, dass dieser zwar auf der Effizienzkurve liegt, jedoch durch den Punkt I eine inputorientierte Verbesserungsmöglichkeit von 33 % beinhaltet. Aus dem Blickwinkel des Outputs ist dieser jedoch effizient. Dieser Punkt wird daher als schwach effizient bezeichnet, da ein so genannter Inputslack besteht.817 In der Praxis ist solch ein Beispiel mit nur einem Input- und einem Outputfaktor relativ selten. Gerade beim Cross-Selling gibt es unterschiedliche Faktoren auf beiden Seiten. Das Modell kann auch auf mehrere Inputs und Outputs erweitert werden, solange diese die Prämisse der Messbarkeit erfüllen. Als Inputfaktoren können z. B. wieder die Anzahl der Kundengespräche sowie Anzahl durchgeführter Werbemaßnahmen herangezogen werden. Auf der Outputseite kann z. B. die Anzahl zusätzlich abgesetzter Produkte verwendet werden. Für eine grafische Aufbereitung auf zwei Achsen müssen die eingesetzten Mengen je Entscheidungseinheit jedoch auf die erreichte Outputmenge normiert werden. Eine Achse bezeichnet somit nicht mehr nur den In- oder den Output, sondern immer das Verhältnis aus Inputfaktor zum erzielten Output. Setzt die Entscheidungseinheit z. B. 3 Teile von Input1 und 14 Teile von Input2 bei einem Output von 15 ein, ergibt dies ein relatives Einsatzverhältnis von 0,2 bzw. 0,93. Diese beiden Werte bilden somit die Punkte des Koordinatensystems, wie in Punkt F der folgenden

816

Die Ermittlung von VH ist in diesem Fall trivial, da IJ eine Waagrechte verbindet. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste die Funktion der Verbindungslinie zuerst berechnet werden. Die Steigung der Geraden ergibt sich aus Y J  YI der Division der Differenzen der Koordinaten b und würde dann mittels Grundform y = a + bx XI J  durch Einsetzen eines Punktes zum Wert a führen.XIm weiteren Verlauf könnte XH eingesetzt werden und damit die Lage von VH genau bestimmt werden.

817

Vgl. BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 281.

298

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Abbildung. Diese zeigt ein DEA-Beispiel mit zwei Inputfaktoren und einem Outputfaktor.818 1,80

B

1,60

Input2/Output

1,40

1,00

E

A

VB

1,20

G

F

J

0,80 0,60

H

I

0,40

K VH D

0,20

C

0,00 0,00

0,20

0,40

0,60

0,80

1,00

1,20

Input1/Output

Abb. 70: DEA mit zwei Inputfaktoren und einem Outputfaktor819 Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, gibt es wieder solche Vertriebseinheiten, die relativ zu den anderen effizient sind (C, D, I und F) und somit den Effizienzwert 1 erhalten. Das Verhältnis, in dem die einzelnen Vertriebseinheiten die Inputfaktoren einsetzen, ist für die absolute Höhe des Effizienzwerts nicht relevant. So ist C genauso effizient wie F. Das Ergebnis wird lediglich durch eine andere Strategie des Einsatzes der Inputfaktoren der Vertriebseinheit bestimmt. Die Entscheidungseinheit C kann in diesem Fall einen relativ hohen Output durch einen geringen Einsatz von Input2 erzeugen. Einheit F hingegen ist relativ zum Output gesehen besser durch einen geringen Einsatz von Input1. Die Messung der Effizienz der anderen Vertriebseinheiten soll am Beispiel von H vorgenommen werden. H wäre effizient, wenn das gewählte Einsatzfaktorenverhältnis auf dem effizienten Rand liegen würde. Durch die Ursprungsgerade durch H wird sichergestellt, dass der ermittelte effiziente Punkt dasselbe Faktoreinsatzverhältnis wie H 818

Dieses Beispiel wurde gewählt, da nur bei insgesamt maximal drei Faktoren noch eine sinnvolle grafische Aufbereitung möglich ist.

819

Eigene Darstellung in Anlehnung an COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 7; BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 283. Die Darstellung bezieht sich auf das im Folgenden beschriebene CCR-Modell.

Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell

299

selbst besitzt. Dies ist in der virtuellen DMU VH der Fall. Es ist daher keine „strategische“ Anpassung notwendig, um Effizienz zu erreichen. Der Effizienzwert von H bestimmt sich durch das Verhältnis der Strecken 0VH/0H und beträgt rund 80 %. Der Benchmarkpunkt VH erwirtschaftet somit den gleichen relativen Output wie H mit nur 80 % des Faktoreinsatzes. Der Effizienzgrad von H beträgt damit 80 %. H müsste beide Inputs um rund 20 % senken, um relativ effizient zu werden. Die Entscheidungseinheit K hingegen muss nicht mit einer virtuellen DMU verglichen werden. Sie kann genau das Vorgehen der „realen“ Vertriebseinheit D imitieren, da diese dasselbe Faktoreinsatzverhältnis besitzt.820 Vertriebseinheit B auf der anderen Seite hat auch dann keine Effizienz erreicht, wenn das Faktoreinsatzverhältnis proportional soweit verringert wird, dass es auf der Effizienzkurve in VB liegen würde. An dieser Stelle würde es zwar effizient in Bezug auf Input 1 sein, Input 2 müsste jedoch noch weiter reduziert werden da VB durch F dominiert wird. VB ist daher schwach effizient, da dieser einen Inputslack in Bezug auf Input2 aufweist. Der Referenzpunkt für B ist somit F.821 Das Vorgehen im Rahmen der DEA wurde bisher anhand von Beispielen dargestellt, die eine grafische Lösung zulassen. Da die DEA jedoch explizit auch für mehrere In- und Outputkombinationen herangezogen werden kann, ist in diesen Fällen nur noch eine mathematische Lösung möglich. Im Folgenden soll daher das Ursprungsmodell von CHARNES/COOPER/ RHODES (1978) formal beschrieben werden. Aufbauend dazu wird die Anwendung der DEA in einem Cross-SellingUmfeld ausgeführt. 2.

Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell

Die formale Beschreibung einer Data Envelopment Analysis lässt sich am besten am Ursprungsmodell von CHARNES/COOPER/RHODES (1978) nachvollziehen.822 Es wird in der Literatur in Anlehnung an die Namen der Autoren als CCR-Modell bezeichnet. Den Ausgangspunkt der Herleitung bildet eine „normale“ Effizienzbetrachtung, bei der Output und Input ins Verhältnis gesetzt werden. Eine Entscheidungseinheit ist jedoch durch mehrere Inputs und Outputs beschrieben, von denen nicht immer bekannt ist mit welchem Anteil diese eingehen. Die Effizienz h ist

820 821 822

Dies gilt auch für die Einheit G, die die DMU I imitieren kann. Vgl. CHARNES ET AL. (Envelopment, 1995), S. 4-7. Hier soll die grundlegende Vorgehensweise im Rahmen der formalen Betrachtung der DEA dargestellt werden. Slackbetrachtungen und die daraus entstehende Unterscheidung in radialer und Pareto Koopman Effizienz soll an dieser Stelle unterbleiben. Ein ähnliches Vorgehen zur Darstellung der formalen Grundlagen wählt auch SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 163. Zur Betrachtung dieser Sachverhalte vgl. CHARNES/COOPER/RHODES (Measuring, 1978), S. 433.

300

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

daher als Verhältnis der Summe von gewichteten virtuellen Outputs zu Inputs zu sehen.823 s

Effizienz: h

virtuellerOutput virtuellerInput

u1 y1  u 2 y2  ...  u r yr v1 x1  v2 x2  ...  vi xi

¦u

r

yr

r 1 m

¦v x

i i

i 1

Die Variablen xi und yr bezeichnen hierbei nichtnegative Inputs und Outputs sowie ur und vi die dazu gehörenden Gewichtungsfaktoren. Die Gewichtungsfaktoren bzw. Koeffizienten sind jedoch a priori nicht festgelegt und werden erst durch Optimierung im Rahmen der DEA ermittelt. Die angestrebte Effizienz h für eine einzelne DMU ist daher das Maximum der gewichteten Outputs zu den gewichteten Inputs. Um einen Vergleich von verschiedenen Entscheidungseinheiten vornehmen zu können, muss zusätzlich das Effizienzmaß normiert werden. Im CCRModell wird dies durch eine Nebenbedingung erreicht, die den Effizienzwert jeder beliebigen anderen DMUj auf den Grenzwert 1 beschränkt. Außer dieser Normierungsanforderung muss durch eine weitere Nebenbedingung gewährleistet sein, dass die einzelnen Koeffizienten ur, vi größer oder gleich Null sind. Daraus ergibt sich folgendes Optimierungsproblem für eine beliebige DMU0 zur Maximierung deren Effizienz h0: 824 s

max h0

¦u r 1 m

r

yr0

u.d.N.

¦ vi xi 0 i 1

s

¦u y r

rj

r 1 m

d 1;

j=1,...,n

und

(1)

¦v x

i ij

i 1

u r , vi t 0 ;

r=1,...,s; i=1,...,m

Das Ergebnis des Optimierungsproblems beschreibt die optimale Höhe der Gewichte ur und vi zur Maximierung der Effizienz h0 einer DMU0 im Vergleich zu jeweils einer anderen DMUj. Es müssen somit n verschiedene Optimierungen durchgeführt werden.825 Das dargestellte Modell beschreibt jedoch ein nichtlineares Optimierungsproblem, da sowohl die Zielfunktion h0 als auch eine Nebenbe823 824 825

Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 21. Vgl. CHARNES/COOPER/RHODES (Measuring, 1978), S. 430. Vgl. CHARNES/COOPER/RHODES (Measuring, 1978), S. 430; COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 23. Die strikte positive Ausprägung der Gewichte wurde in Weiterentwicklungen der Modelle aufgehoben.

Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell

301

dingung Quotienten darstellen. Dies wird als so genanntes Quotientenprogramm bezeichnet. CHARNES/COOPER/ RHODES (1978) beweisen, dass eine Umformung in ein lineares Problem möglich ist und eine Lösung mittels linearer Optimierung erreicht werden kann. Ausgangspunkt des Beweises ist folgendes reziprokes Optimierungsproblem. Hierbei wird eine Minimierung der Ineffizienz f0 angestrebt. m

¦v x i

i0

i 1 s

min f 0

u.d.N.

¦ ur yr 0 r 1

m

¦v x

i ij

i 1 s

t 1;

j=1,...,n

und

(2)

¦ ur yrj r 1

vi , u r t 0 ;

r=1,...,s; i=1,...,m

Ausgehend von diesem reziproken Fall wird eine Umwandlung von (2) in ein lineares Optimierungsproblem durchgeführt. CHARNES/COOPER/RHODES (1978) nutzen die so genannte Fractional Programming Theorie.826 Dazu wird in einem ersten Schritt folgendes lineares Optimierungsproblem aufgestellt, das eine Maximierung des Output-Effizienzmaßes z0 einer DMU0 erreichen soll.827 u.d.N.

max z0 n

 ¦ y rj O j  y r 0 z 0 d 0 ;

r=1,...,s

j 1

n

¦x O ij

j

d xi 0 ;

i=1,...,m

(3)

j 1

Oj t 0 ;

j=1,...,n

Dieses lineare Optimierungsmodell ist dahingehend interpretierbar, dass das maximale Output-Effizienzmaß z0 bestimmt werden soll. Dazu ist in der ersten Nebenbedingung zu erfüllen, dass eine virtuelle DMU existiert, die sich aus einer Kombination von mit Ȝj gewichteten Entscheidungseinheiten zusammensetzt und dabei einen gleichen oder höheren Output als die DMU0 erzeugt. Der Output wird 826

Zu den Ausführungen der Fractional Programming Theorie vgl. CHARNES/COOPER (Fractional, 1962). Eine detaillierte Beschreibung der Theorie soll an dieser Stelle unterbleiben, da dies zu keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn über die Wirkungsweise des CCR-Modells führt. Für eine ähnliches Vorgehen vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 164-167.

827

Vgl. CHARNES/COOPER/RHODES (Measuring, 1978), S. 431.

302

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

hierbei proportional mittels z0 bis an die Effizienzgrenze erhöht, um den Output der virtuellen DMU zu erreichen. Daraus lässt sich auch ableiten, dass z0 t 1 sein muss. Sofern ein Effizienzfaktor von 1 erreicht wird, kann bei gegebenen Inputgrößen der Output nicht weiter erhöht werden und die DMU0 wäre effizient. Die zweite Nebenbedingung zeigt, dass der höhere Output der Vergleichseinheit mit einem geringeren oder gleichen Input erzeugt werden kann. Die virtuelle DMU ergibt somit die auf dem effizienten Rand liegende Vergleichseinheit für DMU0. Schafft es die DMU0 denselben Output mit derselben Höhe an Inputs wie die virtuelle DMU zu erreichen, ist diese effizient.828 Um zu zeigen, dass das in (3) aufgestellt lineare Optimierungsproblem wieder in (2) überführt werden kann, betrachten CHARNES/COOPER/RHODES (1978) das duale Problem (4) zum aufgestellten linearen Optimierungsmodell (3).829 min g 0

m

¦Z x i

u.d.N.

i0

i 1

s

m

r 1

i 1

 ¦ P r y rj  ¦ Z i xij t 0 ; s

¦P

r

yr0

j=1,...,n

(4)

1;

r 1

P r , Zi t 0 ;

r=1,...,s; i=1,...,m

In diesem dualen Problem werden für eine DMU0 die gewichteten kumulierten Inputfaktoren g0 unter der Nebenbedingung eines normierten Outputs minimiert. Im Gegensatz zu (3), das als Ergebnis das Effizienzmaß ergibt, erhält man aus (4) die optimalen Gewichte der In- und Outputfaktoren. Zum abschließenden Beweis, dass das duale Problem (4) in das nichtlineare Optimierungsproblem (2) überführt werden kann, nutzen CHARNES/COOPER/RHODES (1978) folgende Substitutionen. Zi

1

vi ;

s

¦P r 1

r

yr 0

i = 1,...,m

und

Pr

1

ur ;

s

¦P y r

r = 1,...,s

r0

r 1

Im Wesentlichen wird durch diese Substitutionen der in (4) normierte Output wieder aufgelöst. Im Ergebnis erhält man (2), womit CHARNES/COOPER/RHODES (1978) bewiesen hätten, dass eine lineare Lösung des in (1) aufgestellten Optimierungsproblems möglich ist. 828

Vgl. BAUER/HAMMERSCHMIDT (Grundmodelle, 2006), S. 48.

829

Das Prinzip der Dualität besagt, dass jedes lineare Optimierungsproblem (primales Problem) ein duales lineares Optimierungsproblem besitzt. Dieses Dual verhält sich symmetrisch zum primalen Problem. Die Lösung des einen beinhaltet dabei alle Aussagen zur Lösung des anderen. Ein primales Maximierungsproblem wird somit zu einem Minimierungsproblem als dessen Dual (vgl. VARMAZ (Rentabilität, 2006), S. 297).

Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell

303

Die lineare Darstellung hat zu zwei verschiedenen Optimierungsmöglichkeiten des nichtlinearen Problems (1) geführt. Es kann entweder eine Optimierung des Outputs oder des Inputs durchgeführt werden. Je nach Vorgehen wird das CCRModell als outputorientiert oder inputorientiert bezeichnet.830 Das primale outputorientierte CCR-Modell (CCR(O)) maximiert das Outputeffizenzmaß z0 gegenüber einer mit Ȝj gewichteten virtuellen Vergleichseinheit. Dies entspricht dem in (3) dargestellten Optimierungsproblem wobei z0 regelmäßig auch als ij0 bezeichnet wird. Das duale outputorientierte Modell verfolgt dagegen das Ziel, die gewichtete Summe der Inputfaktoren gegen einen normierten Output zu minimieren. Dies entspricht dem in (4) dargestellten Optimierungsproblem. Zur besseren Übersicht wird nachfolgend sowohl das primale als auch das duale outputorientierte CCR-Modell nochmals formal dargestellt:831 Primales CCR (O):

Duales CCR (O): u.d.N.

max M 0 n

 ¦ y rj O j  y r 0M 0 d 0 ;

r=1,...,s

j 1

n

¦x O ij

j

d xi 0 ;

i=1,...,m

min g 0

i

u.d.N.

i0

i 1

s

m

r 1

i 1 s

 ¦ P r y rj  ¦ Z i xij t 0 ;

j 1

Oj t 0 ;

m

¦Z x

j=1,...,n

¦P

r

yr0

j=1,...,n

1;

r 1

P r , Zi t 0 ;

r=1,...,s; i=1,..., m

Das primale inputorientierte CCR-Modell (CCR (I)) hingegen bestimmt den minimalen Inputeffizienzfaktor T0 einer mit Ȝj gewichteten virtuellen Vergleichseinheit und stellt damit den reziproken Fall zu (3) dar. Ähnlich der Interpretation zu (3) gilt, dass hierbei durch die Nebenbedingungen erfüllt sein muss, dass keine Vergleichs-DMU besteht, die den gleichen Output mit lediglich dem T0-fachen des Inputs der DMU0 erzeugt. In diesem Fall gilt 0 < T0 d 1. Außerdem darf keine Kombination der gewichteten Input-Faktoren aus den Vergleichs-DMUs ein T0faches des Input-Faktors i der DMU0 überschreiten. Das Modell versucht somit die Inputs bis an die Grenze der Effizienz zu minimieren. Das duale inputorientierte Modell versucht hingegen die gewichtete Summe der Outputs gegen einen normierten Input zu maximieren und beschreibt den reziproken Fall zu (4). Folgende formale Optimierungsmodelle ergeben sich hieraus:832 830

Vgl. im Folgenden SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 164-167; BAUER/HAMMERSCHMIDT (Grundmodelle, 2006), S. 48. Vgl. zur In- oder Outputorientierung auch die grafische Darstellung im vorangegangenen Abschnitt.

831

Vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 168. Vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 166.

832

304

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Primales CCR (I):

Duales CCR (I): u.d.N.

min T 0

max h0

n

 ¦ xij O j xi 0T 0 t 0 ;

i=1,...,s n

¦y O rj

j

r 1

t yr 0 ;

r

u.d.N.

yr 0

r 1 m

s

¦P

j 1

s

¦P

r

yrj  ¦ Zi xij d 0 ; i 1 m

¦Z x

r=1,...,m

i ij

j=1,...,n

1;

i 1

j 1

P r , Zi t 0 ;

Oj t 0 ;

r=1,...,s; i=1,..., m

j=1,...,n Die primalen Formen des CCR (I)- und CCR (O)-Modells werden auch als Envelopment-Formen bezeichnet, da diese als Ergebnis die relevanten VergleichsDMU auf der Umhüllenden darstellen. Die dualen Darstellungsformen hingegen werden auch als Multiplier-Formen bezeichnet, da diese im Ergebnis die Gewichtungen für die einzelnen Faktoren ergeben.833 Ein Beispiel mit sechs DMUs und jeweils zwei Inputfaktoren und einem Outputfaktor soll aufbauend zur formalen Herleitung die Berechnungsweise und die Ergebnisse des CCR-Modells verdeutlichen.834 Gegeben sei folgende Tabelle mit Input- und Outputwerten. Input Output

x1

A

B

C

D

E

F

4

7

8

4

2

10

x2

3

3

1

2

4

1

y

1

1

1

1

1

1

Tab. 26: Beispieldaten zur Berechnung eines CCR-Modells Zur vollständigen Lösung müssen insgesamt sechs Optimierungen durchgeführt werden. Dies soll am Beispiel für die DMUA nachvollzogen werden. Hierzu soll eine Maximierung des Effizienzmaßes vorgenommen und dabei der Einsatz der Inputfaktoren minimiert werden. Im Folgenden kommt dazu das duale inputorientierte CCR-Modell zum Einsatz und führt zu nachstehendem Optimierungsproblem: 833

Vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 165-167. Weiterführend können Slackvariablen in das Modell integriert werden, die jedoch das grundsätzliche Vorgehen der DEA nicht verändern (vgl. CHARNES/COOPER/RHODES (Measuring, 1978), S. 433).

834

Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 27-28. Von der Art der Faktoren soll im Rahmen der Beispielrechnung abstrahiert werden.

Formale Beschreibung der DEA mittels CCR-Modell

305

max ș = u u.d.N. 4v1 +3v2 = 1 u d 4v1 + 3v2 (A)

u d 7v1 + 3v2 (B)

u d 8v1 + v2

u d 4v1 + 2v2 (D)

u d 2v1 + 4v2 (E)

u d 10v1 + 1v2 (F)

(C)

v1, v2 t 0 Die Nebenbedingungen (A)-(F) gewährleisten, dass es keine Vergleichseinheit gibt, die mit denselben Inputs einen geringeren Output erzielt. Die Lösung des Problems kann direkt über eine lineare Optimierung berechnet werden. Bei lediglich zwei Variablen v1 und v2 kann die Lösung auch durch eliminieren von v2=(14v1)/3 ermittelt werden. Wird dies in die weiteren Nebenbedingungen A-F eingesetzt, ergibt sich: ud1

(A)

u d 1ѿv1 + Ҁ (D)

u d 3v1 + 1

(B)

u d 6Ҁv1 + 1 (C)

u d -3ѿv1 + 1ѿ (E)

u d 8Ҁv1 + ѿ (F)

Der Effizienzgrad wird nach oben dadurch beschränkt, dass dieser kleiner als die transformierten Inputeinsatzverhältnisse sein muss. Weiterführend können daher diejenigen Nebenbedingungen ermittelt werden, bei denen u voraussichtlich am kleinsten wird. Dies ist auf Grund der Koeffizienten bei D und E der Fall. Wird (D) und (E) gleich gesetzt, ergibt sich für v1 ein Wert von 1/7 (0,1429). Aus der ersten Nebenbedingung kann ein Wert von 1/7 auch für v2 abgeleitet werden. Der Effizienzwert von 6/7 (85,7 %) ergibt sich in der Folge durch einsetzen von v1 und v2 in (D) oder (E). Somit dürfte die DMUA lediglich 85,7 % der aktuellen Inputfaktoren für den erzielten Output einsetzen, um relativ effizient zu sein. Als Vergleichsmaßstab dient eine virtuelle DMU, die sich aus den Anteilen von DMUD und DMUE zusammensetzt. Werden die Optimierungen für alle DMUs durchgeführt, ergibt sich folgendes Ergebnis: DMU

x1

x2

y

CCR (ș*)

Referenz DMU

v1

v2

u

A

4

3

1

0,8571

D, E

0,1429

0,1429

0,8571

B

7

3

1

0,6316

C, D

0,0526

0,2105

0,6316

C

8

1

1

1

C

0,0833

0,3333

1

D

4

2

1

1

D

0,1667

0,1667

1

E

2

4

1

1

E

0,2143

0,1429

1

F

10

1

1

1

C

0

1

1

Tab. 27: Lösung des CCR-Beispiels Es zeigt sich, dass in diesem Beispiel die DMUA und DMUB nicht effizient sind und lediglich 85,7 % bzw. 63,2 % der Inputfaktoren für den aktuellen Output ein-

306

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

setzen sollten. Bei DMUF wird deutlich, dass diese schwach effizient ist, da sie von Input1 relativ mehr als DMUC benötigt und somit von DMUC dominiert wird. Folgende Abbildung zeigt die korrespondierende grafische Lösung zu diesem Optimierungsproblem:

Input2/Output

5 E

4

B

A

3

A*

D

2

B* 1

F

C

0 0

1

2

3

4

5 6 7 Input1/Output

8

9

10

Abb. 71: Grafische Lösung des CCR-Beispiels Zum dargestellten CCR-Grundmodell gab es in der Vergangenheit Weiterentwicklungen, die zusätzliche Bedingungen abbilden. Das Modell von BANKER/CHARNES/COOPER (1984) (BCC-Modell) beschäftigt sich mit der Frage der Einbeziehung variabler Skalenerträge.835 Das so genannte additive Modell baut sowohl auf dem CCR- als auch dem BCC-Modell auf. Es besitzt jedoch keine In- oder Outputorientierung, sondern optimiert beide Seiten gleichermaßen.836 Die im weiteren Zeitablauf gestalteten Modelle beschäftigen sich vor allem mit einer Verbesserung der Interpretierbarkeit, der Stabilität von Resultaten, dem Einbezug nicht kontrollierbarer Faktoren und der Integration vorhandenen Wissens.837 Je nach Forschungsgegenstand muss somit eine Auswahl des „richtigen“ Modells bzw. die Erweiterung eines bestehenden Modells vorgenommen werden. Die Forschung der Effizienzmessung mittels DEA hat jedoch bereits einen Stand erreicht, der es erlaubt eine Vielzahl von unterschiedlichen Anpassungserfordernissen abzubilden. Die grundlegende Logik der Effizienzberechnung entspricht dabei immer der hier dargestellten.

835 836 837

Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1086. Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 87-88. Vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 179; VARMAZ (Rentabilität, 2006), S. 200; COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), ab S. 177; SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 1.

Bisherige DEA-Modelle mit Cross-Selling-Bezug

307

Der Vorteil einer Effizienzberechnung mittels DEA ist die Aggregation des Ergebnisses auf eine Gesamtkennzahl. Dies ist im Performancemanagement selten der Fall.838 Das Ergebnis der DEA beinhaltet darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen zur Steigerung der relativen Effizienz, da genaue Aussagen zur Gewichtung der Faktoren ableitbar sind. Außerdem können unterschiedlich skalierte Variablen für einen Vergleich herangezogen werden. Eine a priori Gewichtung, wie im Rahmen eines Scoringsystems, muss hierbei nicht vorgenommen werden.839 Kritikpunkt an der Messung der relativen Effizienz mittels DEA stellt vor allem die notwendige Modellauswahl dar. Auf Grund der Vielzahl von Modellen hängt der Auswahlprozess für ein einzelnes Modell von verschiedensten Faktoren ab, die geprüft werden müssen.840 Gerade auch wegen der Messung einer relativen Effizienz wird kritisiert, dass die ermittelten Werte nicht mit unternehmensexternen Größen im Sinne eines Benchmarks verglichen werden können.841 Des Weiteren muss zwingend sichergestellt sein, dass die einzelnen miteinander verglichenen Einheiten mit denselben Mitteln auch die gleichen Ziele verfolgen, sonst ist eine bloße Faktorenanpassung nicht möglich.842 Trotz der Kritikpunkte hat die DEA bereits eine hohe Verbreitung im Hinblick auf Banken erfahren.843 Bevor ein DEA-Modell zur Ermittlung der Cross-Selling-Gesamtleistung aufgestellt wird, soll untersucht werden, ob es bereits ein Modell gibt, welches CrossSelling explizit berücksichtigt. 3.

Bisherige DEA-Modelle mit Cross-Selling-Bezug

Es besteht bereits eine Vielzahl an Untersuchungen, welche die Effizienz der Banken auf Länderebene bewerten.844 Hierbei kommen Faktoren, wie z. B. Bilanz-, GuV- und länderspezifische Umfeldgrößen, zum Einsatz. Modelle, die den Vertrieb und speziell das Cross-Selling betrachten sind jedoch eher selten. Einen Ansatz zur Messung der Produktivität mittels DEA bei Banken hat POREMBSKI (2000) vorgestellt. Ziel war es, die Effizienz von Filialen einer Sparkasse zu messen und deren evtl. Grad der Ineffizienz genau zu quantifizieren. Die Untersuchung hatte ihren Ursprung im Controlling der Sparkassen, die ein konkre838 839

840

841 842 843 844

Vgl. PODDIG/VARMAZ (Benchmarking, 2005), S. 566. Vgl. BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 37. Es werden jedoch lediglich Entscheidungsempfehlungen abgeleitet und nicht die Entscheidungen selbst generiert. Vgl. BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 38. Zum Vorgehen der Modellauswahl vgl. 3. Teil: B.III.1. Vgl. SCHEFCZYK (Erfolgsfaktoren, 1994), S. 303; BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 38. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 28; DYCKHOFF/ALLEN (Effizienzanalyse, 1999), S. 432. Vgl. DYCKHOFF/ALLEN (Effizienzanalyse, 1999), S. 422. Vgl. VARMAZ (Rentabilität, 2006), S. 211.

308

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

tes Maß zur Bemessung des Produktivitätsdefizits einforderten.845 Es wurden hierbei zwei Modelle geschaffen, die sich in der Wahl der Einheiten für die Outputfaktoren unterscheiden. Dieselben Faktoren wurden zum einem monetär (in Euro) und zum anderen mengenorientiert (in Stückzahlen) als Output herangezogen. Es handelt sich hierbei um produktorientierte Faktoren, wie z. B. Spareinlagen, Termingelder und Girokonten. Grund hierfür war, dass die Auswirkungen der Geschäftsvolumina auf die Effizienz mit berücksichtigt werden sollten. Die Inputs stellen Faktoren wie Mitarbeiter (in Zeiteinheiten), genutzte Filialfläche und die IT-Ausstattung (Punktwert) dar. Diese waren für beide Modelle gleich.846 Zur Berechnung wurde ein inputorientiertes Modell gewählt, da diese Faktoren am ehesten anpassbar sind.847 Im Rahmen dieser Untersuchung stellte sich heraus, dass Ineffizienzen zwar durch das Modell aufgedeckt, jedoch nicht in vollem Umfang behoben werden können. Grund hierfür ist, dass keine statische Produktionstechnologie in den Filialen vorliegt und Inputfaktoren nicht ohne weitere Anpassungen skaliert werden können. Dennoch kann für Filialen mit relativ niedriger Effizienz Handlungsbedarf erkannt werden. Kritisiert wird, dass die Effizienz eventuell stark von externen Faktoren, wie z. B. der Kaufkraft, abhängig ist. Diese ist durch die Filiale nicht beeinflussbar. Trotz dieser Problematik wird positiv bewertet, dass Effizienzdefizite quantifiziert werden können und so den Verantwortlichen der Handlungsbedarf genau dargelegt wird.848 BARTH/STAAT (2006) wählen einen ähnlichen Ansatz zur Bestimmung der Effizienz von Bankfilialen. Neben Erfolgsgrößen, wie z. B. Provisionen und Aktiv/Passiv-Zinsen, sowie Ressourcengrößen, wie z. B. Sachkosten und Anzahl Kundenberater, werden explizit auch Umfeldvariablen mit einbezogen. Diese setzen sich aus der Fläche der Filiale, der Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und dem Wettbewerbsindex zusammen.849 Auf Grund der Berücksichtigung von Umfeldvariablen wurde ein zweistufiges Verfahren gewählt. Im ersten Schritt wurde die Effizienz mit einem outputorientierten Modell für konstante Skalenerträge ohne und im zweiten Fall mit Umfeldvariablen berechnet. Im Ergebnis konnte gezeigt werden, dass durch die Berücksichtigung von Umfeldvariablen die Effizienz der Filialen eher überschätzt wird.850

845

Vgl. POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 251. Des Weiteren wurde noch ein Effizienzvergleich verschiedener Sparkassen durchgeführt. Dieser gibt jedoch keine weiteren Aufschlüsse im Rahmen dieser Untersuchung.

846

Vgl. POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 230-231. Vgl. POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 234.

847 848

849 850

Vgl. POREMBSKI (Produktivität, 2000), S. 250-251 und S. 76. In diesem Fall gingen die Ergebnisse in der Folge auch in das Zielvereinbarungssystem der Sparkasse mit ein. Vgl. BARTH/STAAT (Effizienz, 2006), S. 157, S. 159, S. 160. Vgl. BARTH/STAAT (Effizienz, 2006), S. 165.

Bisherige DEA-Modelle mit Cross-Selling-Bezug

309

Auf die Messung der Filialeffizienz konzentrieren sich auch HÜLSMANN/PETERS (2007). Inputfaktoren sind hierbei die Mitarbeiter, das Aktiv-Passiv-Volumen und die Kundenzahl. Der Output wird durch den erzielten DB II beschrieben.851 Die Berechnung der Effizienz wird mittels eines outputorientierten BCC-Modells vorgenommen. Neben der Filialeffizienz steht auch noch die Strategieeffizienz der Filialleiter im Vordergrund. Die Filialen wurden dabei auf zwei Filialleiter aufgeteilt und die erzielten Einzeleffizienzwerte aus der Berechnung verglichen.852 NASH/STERNA-KARWAT (1996) legten bisher als einzige Autoren einen speziellen Fokus auf die Effizienzmessung von Cross-Selling.853 Diese haben ein Modell entwickelt, das es erlaubt, die Cross-Selling-Effizienz von 74 Filialen einer Retailbank mittels DEA zu messen. Den Ausgangspunkt bildet der Hypothekenkredit des Instituts. Dieses Produkt wurde im Vorfeld als besonderes Ankerprodukt identifiziert, da im Zuge eines Hauskaufs verschiedenste weitere Bankprodukte für den Kunden interessant sind.854 Für vier mit dem Hypothekenkredit eng verbundene Produkte wurde untersucht, welchen Anteil diese jeweils an den gesamten zugesagten Hypothekenkrediten einnehmen. Das daraus resultierende Verhältnis ist ähnlich dem dargestellten Cross-Selling-Leverage – hier für Hypothekenkredite – bezogen auf ein bestimmtes Folgeprodukt. NASH/STERNA-KARWAT (1996) nutzen diese vier Kennzahlen in der Folge als Outputfaktoren für ihr Modell, da sie zugleich eine Skaleninformation durch das Verhältnis mit den zugesagten Hypothekenkrediten beinhalten.855 Dieses Modell entfernt sich jedoch sehr weit vom ursprünglichen Input-Output-Gedanken, da keine Inputfaktoren berücksichtigt werden.856 Zur Berechnung wird ein additives Modell herangezogen, da die klassischen CCR- und BCC-Modelle zum Ziel haben, alle Inputs oder Outputs simultan zu verändern. Ein additives Modell hingegen besitzt keine In- oder Outputorientierung. Beispielhaft führen die Autoren eine Filiale an, die bereits einen hohen Leverage bei den einen und einen niedrigen bei den anderen Produkten erreicht hat. In der Praxis ist es so, dass eine Filiale eher noch Potenzial bei solchen Produkten besitzt, die bisher weniger veräußert wurden. Daher war eine Modifikation des Modells notwendig, um im Rahmen der Effizienzverbesserung nicht alle vier Produkte proportional anpassen zu müssen. Des Weiteren sind solche Filialen besser

851

Vgl. HÜLSMANN/PETERS (Bankgewerbe, 2007), S. 70.

852

Vgl. HÜLSMANN/PETERS (Bankgewerbe, 2007), S. 91-92. In Abgrenzung dazu gibt es Untersuchungen, die sich mit der Vertriebseffizienz beschäftigen und z. B. die Cross-Selling-Quote als In- oder Outputfaktor einbeziehen. Diese Untersuchungen haben jedoch nicht zum Ziel die Cross-Selling-Effizienz zu messen.

853

854 855 856

Vgl. NASH/STERNA-KARWAT (application, 1996), S. 385. Hierbei wurde angenommen, dass größere Filialen eine höhere Anzahl an Kreditzusagen verbuchen. Vgl. NASH/STERNA-KARWAT (application, 1996), S. 389.

310

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

zu werten, die es geschafft haben alle Produkte zu veräußern.857 Ein zusätzlicher Output neben den vier Kennzahlen ist damit die Stückzahl der verschiedenartigen Produkte, die verkauft wurden. Die Cross-Selling-Effizienz setzt sich somit aus der Anzahl verschiedener vertriebener Produkte sowie der jeweiligen Anzahl der vier Produkte im Verhältnis zu den Hypothekenkrediten zusammen.858 Im Ergebnis konnten Aussagen darüber abgeleitet werden, ob Filialen gut im Cross-Selling sind oder lediglich im Vertrieb einzelner Produkte. Das dargestellte Modell verfolgt einen sehr produktzentrierten Ansatz. Hierbei wurden keine potenzial- oder wertbezogenen Komponenten berücksichtigt. Die Notwendigkeit der Werthaltigkeit der Zusatzverkäufe wurde bereits erörtert.859 Die Berücksichtigung von Potenzialkomponenten würde jedoch Aussagen liefern, wie nachhaltig der Erfolg ist. Sofern für die Zukunft nur wenig Potenziale bestehen, kann die Bank auch nur schwierig eine Effizienzverbesserung erreichen. Außerdem werden keine Angaben darüber gemacht, ob die Filiale in Bezug auf die Ausprägung der Einflussfaktoren effizient ist. Der Erfolg von Cross-Selling hängt jedoch sehr stark von der Ausprägung der Einflussfaktoren ab. Sind diese schlecht ausgeprägt, ist u. U. die durch das Modell postulierte Effizienz nicht zu erreichen. Es konnte jedoch im Ergebnis gezeigt werden, dass die DEA grundsätzlich dazu geeignet ist, die verschiedenen Dimensionen des Cross-Selling-Erfolgs zu integrieren. Nach Darstellung des Konzepts der Data Envelopment Analysis sowie deren bisheriger Anwendung mit Cross-Selling-Bezug soll nachfolgend ein Modell zur Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung aufgestellt werden. Dazu müssen in einem ersten Schritt die notwendigen Modellparameter bestimmt werden.

II. Bestimmung der Modellparameter Um das Modell zur Bewertung der Cross-Selling-Gesamtleistung aufzustellen, wird dem gängigen Prozess zur Gestaltung einer Effizienzbewertung mittels DEA gefolgt. Der erste Schritt umfasst dabei eine Analyse der bestehenden UrsacheWirkungszusammenhänge auf das Zielsystem. Im zweiten Schritt werden die betrachteten DMUs abgegrenzt, bevor im dritten Schritt die Festlegung der In- und

857 858 859

Vgl. NASH/STERNA-KARWAT (application, 1996), S. 387 und S. 389. Vgl. NASH/STERNA-KARWAT (application, 1996), S. 390. Vgl. 1. Teil: B.III.3.

Abgrenzung der Entscheidungseinheiten

311

Outputfaktoren des Modells durchgeführt wird.860 Eine Analyse der UrsacheWirkungszusammenhänge sowie der Verfahren der Potenzial- und Erfolgsmessung ist bereits in Teil 2 vorgenommen worden. An dieser Stelle steht somit Schritt zwei und drei im Vordergrund. Darüber hinaus sollen spezielle Anforderungen an das Modell aus Cross-Selling-Sicht erörtert werden. 1.

Abgrenzung der Entscheidungseinheiten

Die im Rahmen eines DEA-Modells gegebenen Handlungsalternativen beziehen sich auf die im Vorfeld definierten DMUs. Diese Entscheidungseinheiten sollen in Ihrer Effizienz bewertet werden, indem man sie mit anderen innerhalb des Instituts vergleicht. Der Begriff „Entscheidungseinheit“, dessen Effizienz berechnet wird, impliziert dabei, dass diese auch eine tatsächliche Entscheidungsgewalt besitzt. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig. Es wurden bereits Modelle gestaltet, die als Entscheidungseinheit Bankprodukte oder Wertpapiere besitzen.861 Eine DMU ist daher eher als Bindeglied zwischen der Organisation und dem Markt zu sehen.862 Für sie muss jedoch die Voraussetzung gelten, dass alle über dieselben Produktionstechnologien verfügen.863 Innerhalb eines Instituts kann angenommen werden, dass diese Bedingung erfüllt ist, da die notwendigen Produktionsfaktoren (Personal, IT-Ausstattung etc.) in der gesamten Bank gleichermaßen zur Verfügung stehen. Außerdem werden bankintern homogene Prozesse zur Leistungserstellung angewendet. Eine weitere Anforderung ist, dass die Zahl der DMUs die Zahl der In- und Outputfaktoren mehrfach übersteigen muss, um sinnvolle Ergebnisse zu bekommen.864 Außerdem sollten die Entscheidungseinheiten dieselben Umweltbedingungen vorfinden.865 Umweltbedingungen bezeichnen hier Faktoren, die sich auf die Effizienz hin auswirken, jedoch nicht bankintern beeinflussbar sind (gesamtwirtschaftliche Lage etc.). Fraglich ist, welche DMUs für eine Effizienzbewertung herangezogen werden sollten. Die granularste Sicht der Cross-Selling-Gesamtleistung würde den einzelnen Vertriebsmitarbeiter für einen Vergleich in den Vordergrund stellen. Hierbei kann ermittelt werden, wie effizient der einzelne Mitarbeiter im Rahmen des Cross860

Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 21. Bei der praktischen Formulierung eines Modells können diese Stufen zur Verfeinerung der jeweiligen Ergebnisse auch mehrmals durchlaufen werden.

861

Vgl. 3. Teil: B.I.3; SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 12. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 14.

862 863 864

865

Vgl. BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 10. Vgl. DYSON ET AL. (Pitfalls, 2001), S. 247. Das genaue Verhältnis ist in der Literatur jedoch umstritten. Die Untergrenze bildet das Dreifache der Faktoren, wobei auch multiplikative und exponentielle Zusammenhänge gesehen werden (vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 49). Vgl. DYSON ET AL. (Pitfalls, 2001), S. 247.

312

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Sellings ist. Eine aggregiertere Betrachtungsweise orientiert sich an den Vertriebseinheiten, wie z. B. Filialen oder Vertriebsgebieten im Fall des mobilen Vertriebs. Aber auch die einzelnen Vertriebswege können als Untersuchungsgegenstand herangezogen werden. In der aggregiertesten Form würde der Retailbankingvorstand/-bereich an sich betrachtet. Dies ist jedoch nur zweckmäßig, wenn es innerhalb des Instituts/Verbandes eine größere Anzahl davon gibt. Diese Aggregationsebene eignet sich somit vor allem für eine Betrachtung von Sparkassen oder Genossenschaftsbanken auf Verbandsebene.866 Eine andere Sicht wäre z. B. einzelne Produkte oder Produktgruppen auf ihre Cross-Selling-Effizienz hin zu untersuchen. Dabei kann gezeigt werden, wie gut sich einzelne Produkte zum CrossSelling eignen bzw. für welche Produkte, in Bezug auf ein Ankerprodukt, es weiter Potenzial gibt.867 Aber auch Kunden und vor allem Kundengruppen, die im Rahmen der Segmentierung gebildet wurden, können auf ihre Effizienz hin beurteilt werden. Hierbei ist es möglich Aussagen darüber abzuleiten, welche Kundengruppen besonders hohe Erfolge gepaart mit hohen Potenzialen und einer starken Einflussfaktorenausprägungen vorweisen können. Es gibt eine Vielzahl Möglichkeiten DMUs für eine Cross-Selling bezogene Effizienzbetrachtung festzulegen. Grundsätzlich orientieren sich diese wieder an den Dimensionen des Ergebniswürfels. Es zeigt sich jedoch, dass die Zahl der Entscheidungseinheiten zunimmt, je granularer der Betrachtungsfokus ist. Mit Blick auf den Bankensektor wurden bisher vor allem DEA-Modelle gestaltet, welche die Effizienz von Filialen in den Vordergrund stellen.868 Wie gezeigt wurde, verfolgte der bisher einzige Ansatz mit Cross-Selling-Bezug einen filialzentrierten Ansatz. Dabei standen verstärkt Produktanzahlen im Vordergrund.869 Das Ziel im Rahmen dieser Modellgestaltung soll jedoch sowohl eine mengen- als auch wertorientierte Sichtweise sein. Darüber hinaus müssen für eine integrierte Messung und Steuerung explizit auch die Potenziale und Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Die Umfrage hat gezeigt, dass die Messung der Kundenzufriedenheit, -bindung und -orientierung sehr stark verbreitet ist und daher auch grundsätzlich Messergebnisse zu Verfügung stehen. Diese kundenbezogenen Einflussfaktoren können

866

Hierbei wird vorausgesetzt, dass es einen Verantwortlichen für das Retailbanking für jedes Einzelinstitut gibt, der nicht gleich dem Vorstandsvorsitzenden ist. Alternativ kann auch der Retailbankingbereich an sich als DMU fungieren.

867

Vgl. 3. Teil: B.I.3. Vgl. BARTH/STAAT (Effizienz, 2006), S. 157; SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 24; HÜLSMANN/PETERS (Bankgewerbe, 2007), S. 26.

868

869

Vgl. 3. Teil: B.I.3.

In- und Outputfaktoren des Modells

313

am besten durch die Vertriebskanäle mit direktem Kundenkontakt, wie z. B. in der Filiale oder dem Call Center, beeinflusst werden. Eine weitere Auswirkung auf die Wahl der Entscheidungseinheit ist die Forderung, dass deren Anzahl die der In- und Outputfaktoren deutlich übersteigen sollte. Wird eine zu aggregierte Form der DMUs ausgewählt, so ist diese Vorgabe nur schwer zu erfüllen. Die explizite Forderung der Betrachtung von Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren lässt die Zahl der Faktoren schnell ansteigen. Wird lediglich die Sichtweise eines einzelnen Instituts gewählt, sollte eine niedrige Aggregationsform der DMUs gewählt werden. Bezieht man die Anforderungen an die Wahl der Entscheidungseinheit mit ein, eignen sich Filialen, Einzelprodukte und Kundengruppen am besten als DMUs, deren Cross-Selling-Effizienz bewertet werden kann. Im Rahmen dieser Untersuchung soll sich jedoch von einem allzu produktzentrierten Ansatz gelöst werden. Außerdem muss das Modell Handlungsalternativen bieten, die direkt von den DMUs beeinflussbar sind und auch Möglichkeiten zur Anreizsteuerung beinhalten. Einzelprodukte und Kundengruppen können somit zwar als DMUs definiert werden, sind jedoch keine Entscheidungseinheit mit direkter Verfügungsgewalt. Vor diesem Hintergrund, dass eine DMU ihre eigene Effizienz auch direkt beeinflussen kann, scheint eine Bewertung der Cross-Selling-Effizienz von Filialen am geeignetsten.870 Ein Beispiel, das die Effizienz von Filialen betrachtet, kann daher die Steuerungsauswirkungen auch direkt transparent machen. Aufbauend zur Wahl der DMU steht nun die Auswahl der In- und Outputfaktoren im Vordergrund. 2.

In- und Outputfaktoren des Modells

Die In- und Outputfaktoren, die zum Einsatz kommen sollen, sind analog zum Scoringsystem frei wählbar. Wird das Modell praxisorientiert an Hand von vorliegenden Daten aufgestellt, sind die möglichen Faktoren jedoch durch die zur Verfügung stehenden Daten begrenzt. Wird ein Modell eher theoretisch beschrieben, so ist man frei von dieser Beschränkung und kann sich an der Aussagegüte des Modells orientieren. In Teil 2 wurden bereits vielfältige Möglichkeiten zur Messung im Rahmen des Cross-Selling-Prozesses sowie der Einflussfaktoren vorgestellt. Diese Messergebnisse sollen die Grundlage zu einer möglichen Faktorenwahl darstellen. Folgende Voraussetzungen müssen jedoch bei der Auswahl der im Modell angewendeten Faktoren berücksichtigt werden: 870

In Bezug auf das Kriterium gleicher Umweltbedingungen muss vor allem auf die zur Verfügung stehende Kundenstruktur hingewiesen werden. Filialen in unterschiedlichen Regionen können in Folge der regionalen Gegebenheiten auch einen mehr oder weniger potenzialträchtigen Kundenstamm besitzen. Durch den expliziten Einbezug der Potenziale in der folgenden Berechnung soll dieses Problem jedoch als gelöst angesehen werden.

314

871 872

873 874

875

876

877

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

x

Variierbarkeit der In- und Outputfaktoren: Sind diese nicht direkt durch die DMU beeinflussbar, können die durch das Modell implizierten Handlungsempfehlungen nicht umgesetzt werden.871

x

Korrelation zwischen In- und Outputfaktoren: Es muss eine Korrelation zwischen den In- und Outputgrößen bestehen, sonst ist nicht gewährleistet, dass sich eine Variation der Inputs auch tatsächlich auf die Outputs auswirkt. Grund hierfür ist, dass modellendogen keine Prüfung der Korrelation zwischen Inputs und Outputs durchgeführt wird.872

x

Nichtnegativität der Korrelation: Die Inputgrößen müssen so gewählt werden, dass eine Erhöhung nicht zu einer Verringerung der Outputgrößen führt.873

x

Messbarkeit der In- und Outputfaktoren: Die Höhe der Faktorenausprägung muss quantifiziert werden können und sollte in ihrer Ausprägung positiv sein.874 Eine monetäre Bewertung oder etwa eine gewichtete Anpassung zur Vergleichbarkeit ist nicht notwendig. Verschiedene Maßeinheiten sind hierbei zulässig.875 Die Skalierung der Daten ist dabei nicht ausschlaggebend.876

x

Komponentenunabhängigkeit zwischen Inputs und Outputs: Bei der Festlegung von Outputfaktoren sollte darauf geachtet werden, dass sich der Faktor nicht aus Größen zusammensetzt, die bereits auf der Inputseite berücksichtigt wurden. Beschreibt der Gewinn z. B. den Output und die Kosten einen Input würde bei freier Verschwendbarkeit der Kosten eine Outputreduzierung herbeigeführt.877

Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 92 und SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 28. Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 102. Hierbei ist lediglich ein grundsätzlich nachgewiesener Zusammenhang notwendig und nicht die tatsächliche Stärke des Zusammenhangs. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 18. Sind die Faktoren nicht positiv, müssten Anpassungen vorgenommen werden, die jedoch die Aussagekraft schmälern (vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 41). Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 82. Die Unabhängigkeit der Maßeinheiten ist jedoch nicht für alle Modelle gegeben und muss nach Modellauswahl nochmals geprüft werden (vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 39-40). Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 19 und S. 46. Im Ergebnis kann jedoch der Fall eintreten, dass z. B. 0,6 Mitarbeiter eingestellt werden müssen, um effizient zu sein. Solch ein Ergebnis muss in der Folge z. B. durch Klassenbildung in der Steuerung angepasst werden (vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 38). Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 17. Freie Verschwendbarkeit bezeichnet die Eigenschaft, dass die Vergrößerung eines beliebigen Inputfaktors nicht zu einer Senkung eines Outputfaktors führt (vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 46).

In- und Outputfaktoren des Modells

315

x

Substituierbarkeit der Inputfaktoren: Es sollte Substituierbarkeit der Faktoren vorliegen oder diese zumindest nicht ausgeschlossen werden können.878

x

Periodenabgrenzbarkeit der Inputwirkung: Veränderungen von Inputniveaus resultieren u. U. erst in der Folgeperiode in Outputniveauveränderungen. Hierbei ist auf die richtige Wahl der Eingangsgrößen im Rahmen der Berechnung zu achten.879 Technischer Fortschritt zwischen den Perioden wirkt sich ähnlich aus. Zur Vergleichbarkeit der Perioden müssten daher Anpassungen vorgenommen werden.880

x

Vollständige Beschreibbarkeit: Es ist sicherzustellen, dass alle gebildeten DMUs auch durch die aufgestellten In- und Outputfaktoren beschreibbar sind.881

x

Grenzen der Faktorenzahl: Untersuchungen zur DEA haben gezeigt, dass der Grenznutzen der Effizienzbewertung sinkt, je mehr In- und Outputfaktoren für die Berechnung herangezogen werden. Je mehr Faktoren betrachtet werden, desto stärker nähern sich die Entscheidungseinheiten in Bezug auf deren relative Effizienz an.882

Eine integrierte Sicht zur Cross-Selling-Effizienzbewertung erfordert die Aufstellung eines In- und Outputfaktorensets, das sich sowohl an Erfolgen als auch Potenzialen und Einflussfaktoren orientiert. Dabei sind die obigen Voraussetzungen zu erfüllen. Auf der Inputseite sind diejenigen Faktoren abzubilden, welche die Filiale als betrachtete Entscheidungseinheit zur „Arbeit“ zur Verfügung hat. Dies sind in erster Linie die im Kundenstamm vorhandenen Potenziale sowie die umgebenden Einflussfaktoren. Es müssen jedoch noch weitere Faktoren mit aufgenommen werden. Wie im Rahmen des Aktivitäten-Controllings aufgezeigt, beschreibt die Effizienz einer Filiale auch die Fähigkeit, Kunden zielgerichtet im persönlichen Gespräch zu beraten. Dies muss durch das Modell reflektiert werden. Die Potenziale können auf verschiedene Weise abgebildet werden. Es ist möglich, entweder ausgeschöpfte Potenziale oder noch offene Potenziale in die Betrachtung mit einzubeziehen. Im Rahmen der Erfolgsmessung hat sich gezeigt, dass ausge878 879 880 881

882

Vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 47. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 18. Vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 28. Vgl. BACKHAUS/WILKEN (Effizienzmessung, 2003), S. 10 und S. 47-48; SCHLAMP (Effizienzmessung, 2005), S. 188. Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 80.

316

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

schöpfte Potenziale als Cross-Selling-Erfolg gesehen werden können (z. B. Share of Wallet).883 Der Erfolg soll in diesem Modell allerdings durch die Outputgrößen quantifiziert werden. Ein Inputfaktor für die DMUs sind daher bestehende, noch offene Potenziale je Kunde.884 Die bestehenden Potenziale in den Entscheidungseinheiten, die im Rahmen der Modelle entwickelt werden, können dabei in einen Potenzialwert übergeleitet werden. Ein Inputfaktor soll somit das in Euro ausgedrückte durchschnittliche Cross-Selling-Potenzial je Kunde darstellen. Bei den beschriebenen Einflussfaktoren ist in erster Linie zu untersuchen, welche durch die hier betrachteten DMUs überhaupt variierbar sind, um als Inputfaktor in Betracht zu kommen. Vor allem die Kundenzufriedenheit, die Kundenorientierung und die Mitarbeiterqualifikation sind durch die Filiale selbst direkt steuerbar. Der Einbezug solcher verhaltensabhängigen Faktoren in eine DEA war jedoch in der Vergangenheit eine nicht so weit verbreitete Vorgehensweise.885 Mittlerweile vertreten Autoren jedoch verstärkt die Ansicht, dass auch vorökonomische bzw. weiche Faktoren zwangsläufig in eine Betrachtung des Vertriebs mit einfließen müssen.886 Weitere Faktoren sollen erreichen, dass filialgrößenrelevante Gegebenheiten, die nicht unbedingt ein direkter Teil des Cross-Selling-Prozesses sind, abgebildet werden. Dabei ist interessant welche Mitarbeiterkapazitäten in den DMUs grundsätzlich für das Cross-Selling bereitstehen.887 Dieser Inputfaktor hat zur Folge, dass die relative Größe der Entscheidungseinheit Berücksichtigung findet. Des Weiteren sollte ein Faktor mit eingehen, der sich speziell auf den Anspracheprozess bezieht. Wie im Aktivitäten-Controlling gezeigt, gibt es hierzu verschiedene Größen und Kennzahlen. Im Rahmen dieses Modells soll die aktuelle Gesprächsquote mit Cross-Selling-Hintergrund einen weiteren Inputfaktor bilden. Durch sie kann abgebildet werden, in wie vielen Fällen es die Filiale tatsächlich geschafft hat, ein Gespräch mit dem Kunden durchzuführen. Je höher diese ist, desto höher sollte auch die Zahl der tatsächlichen Abschlüsse sein. Es könnte darüber hinaus argumentiert werden, dass besonders die Kundenzahl ein weiterer wichtiger Faktor zur Größenbestimmung der DMU darstellt. Wie im Folgenden zu sehen ist, wird diese jedoch bereits im Nenner der Cross-Selling-Quote auf der Outputseite abgebildet. Auf Grund der Komponentenunabhängigkeit zwischen In- und Outputfak883 884

885 886 887

Vgl. 2. Teil: A.II.2. Im Rahmen der Periodenabgrenzung ist darauf zu achten, dass hier Potenzialwerte ins Modell einfließen, die ursprünglich zur Outputbildung (Cross-Selling-Erfolg) zur Verfügung standen (vgl. 3. Teil: A.II). Vgl. DONTHU/YOO (Retail, 1998), S. 103; MORRIS/DAVIS/ALLEN ET AL. (Relationship, 1991), S. 26. Vgl. DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 112 und S. 115. Es kann die Annahme getroffen werden, dass jeder Kundenberater einer Filiale auch Cross-Selling-Tätigkeiten übernimmt.

In- und Outputfaktoren des Modells

317

toren kann die Kundenzahl daher nicht als Inputfaktor herangezogen werden.888 Einige Modelle zielen explizit auch auf gesamtwirtschaftliche Inputfaktoren ab.889 Diese sollen im Rahmen dieses Modells nicht betrachtet werden, da diese nicht Cross-Selling spezifische, sondern bankweite, nicht beeinflussbare Inputs darstellen. Auf der Outputseite kommen solche Faktoren in Betracht, die das Ergebnis der Cross-Selling-Anstrengung der Filiale widerspiegeln. Dies sind vor allem die Ergebnisse zum Cross-Selling-Erfolg. Sie sind dabei sowohl mengen- als auch wertorientiert auszudrücken. Die erste Zielgröße zur Bestimmung des Erfolges stellt somit die durchschnittliche Produktanzahl pro Kunde dar.890 Dies entspricht der dargestellten Cross-Selling-Quote, die im Innenverhältnis der Bank eindeutig und vergleichbar definiert ist und in diesem Fall alle Produktsparten des Retailgeschäfts beinhalten sollte. Durch diese Quote kann der Erfolg der Filiale in Bezug zu deren Kundenbasis ausgedrückt werden. Die Wertkomponente zur Prüfung der Ertragskraft der Cross-Selling-Anstrengung beschreibt einen zweiten Outputfaktor. Dieser Faktor soll mittels des durchschnittlichen Deckungsbeitrags II je Zusatzprodukt ausgedrückt werden. So lässt sich beurteilen, ob die DMU eine ertragreiche Ausweitung der Produktnutzung verfolgt, oder diese mit einem Rückgang an Deckungsbeiträgen erkauft. Folgende Tabelle gibt einen zusammenfassenden Überblick zu den im Rahmen dieses Modells heranzuziehenden In- und Outputfaktoren:

888

889 890

Dies ist auch insofern unproblematisch, da die reine Kundenanzahl keine Angaben zu den beanspruchten Kapazitäten einer Filiale liefert. Eine hohe Anzahl inaktiver Kunden könnte hier zu nicht aussagekräftigen Ergebnissen führen. Potenziale hängen zudem nicht ausschließlich von der Größe des Kundenstamms ab, so dass dies auch aus Potenzialsicht nicht für eine Hinzunahme dieses Faktors in das Modell spricht. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 28; DYSON ET AL. (Pitfalls, 2001), S. 247. Vgl. 2. Teil: A.II.1.

318

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Inputfaktoren Potenziale Cross-Selling-Potenzial je Kunde (in Euro) Einflussfaktoren Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Qualifikation der Mitarbeiter Weitere Mitarbeiterzahl Gesprächsquote

Outputfaktoren Erfolge ‡ Anzahl Produkte je Kunde ‡ DB II pro Zusatzgeschäft (in Euro)

Tab. 28: In- und Outputfaktoren eines Cross-Selling orientierten DEA-Modells Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob die gewählten Faktoren die dargestellten Bedingungen erfüllen. Das Kriterium der direkten Variierbarkeit durch das DMU ist bis auf die Potenziale für alle Faktoren erfüllt. Potenziale müssen für die Entscheidungseinheit als gegeben und nicht variierbar angesehen werden.891 Sofern die Steuerungsimplikationen jedoch darauf abzielen sollten, dass der Potenzialstamm vergrößert werden muss, können notwendige Maßnahmen für das Neukundengeschäft eingeleitet werden. Dies hängt in der Folge jedoch vom ausgewählten Modell und dessen Orientierung ab. Sollte zur Berechnung der Cross-Selling-Gesamtleistung ein outputorientiertes Modell angewendet werden, ergeben sich daraus keine Steuerungsinformationen in Bezug auf die Inputs. Eine Variierbarkeit der Inputfaktoren müsste somit nicht gegeben sein. Die Korrelation sowie deren Nichtnegativität zwischen In- und Outputfaktoren ist insgesamt gegeben. Des Weiteren sind alle Faktoren messbar und komponentenunabhängig.892 Auch die Substituierbarkeit ist in diesem ersten Betrachtungsschritt anzunehmen. Die geforderte Periodenabgrenzbarkeit ist zur reinen Formulierung des Modells unbedeutend, da diese Forderung sich auf die tatsächliche Berechnung bezieht.893 Im Hinblick auf den technischen Fortschritt kann die Annahme getroffen werden, dass dieser bei Einführung bereits bankweit zur Verfügung steht.894 Alle Faktoren können zudem alle DMUs beschreiben. Insgesamt führt die Aufstellung somit zu sechs In- und zwei Outputfaktoren. Unter Berücksichtigung der Begrenzung der Faktorenzahl ist dies vertretbar. Obwohl es keine eindeutige Regelung zur Mindestzahl der DMU in Abhängigkeit der Zahl der In- und Outputfaktoren gibt, um 891

Vgl. DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 115.

892

Vgl. hierzu Teil 2. Es ist jedoch davon auszugehen, dass besonders bei den Einflussfaktoren periodenübergreifende Effekte eintreten können, die vor der Verwendung der Daten bereinigt werden müssen.

893

894

Technische Fortschritte stellen im Retailbanking meist Prozess- oder IT-System-Verbesserungen dar, die allen Entscheidungseinheiten im Regelfall gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden.

Cross-Selling bezogene Modellanforderungen

319

aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, kann ein konservatives Vorgehen gewählt werden. Dieses legt die Anzahl der DMU auf 2·Inputzahl·Outputzahl, in diesem Fall also 24 DMU, fest.895 Im Folgenden können Cross-Selling spezifische Anforderungen untersucht und geprüft werden, wie sich diese auf die Modellgestaltung auswirken. 3.

Cross-Selling bezogene Modellanforderungen

Ein DEA-Modell zur Berechnung der Cross-Selling-Effizienz muss auch die speziellen Eigenheiten von Cross-Selling abbilden. Neben der Besonderheit im Rahmen der Modellgestaltung, dass sowohl Potenzial- als auch Erfolgs- und Einflussgrößen Berücksichtigung finden sollen, gibt es weitere Anforderungen auf Grund des Cross-Selling-Bezugs. Aus der Aufstellung der Entscheidungseinheiten sowie der In- und Outputfaktoren wurde deutlich, dass das Modell auch dahingehend ausgestaltet sein muss, dass eine sinnvolle Effizienzbewertung generiert werden kann. Dies wird besonders im Falle der Kundenzufriedenheit deutlich. Es könnte z. B. der Fall eintreten, dass ein inputorientiertes Modell zu dem Ergebnis kommt, dass die Kundenzufriedenheit gesenkt werden muss, um bei bestehenden Outputs relativ effizient zu sein. Aus strategischer Sicht kann dies jedoch keine sinnvolle Handlungsempfehlung darstellen, da es nicht das Ziel der Bank ist, die Kundenzufriedenheit künstlich zu vermindern. Darüber hinaus hat eine Verminderung der Kundenzufriedenheit eine umfassendere Auswirkung als nur auf das Cross-Selling. Ähnlich verhält es sich mit den Cross-Selling-Potenzialen. Sollte sich eine Handlungsempfehlung darauf beziehen, dass die Potenziale oder Einflussfaktoren zur Erreichung der Effizienz vermindert werden müssten, stellt dies keine strategische Option für die Bank dar. Aus diesem Grund kann für die Potenziale und Einflussfaktoren festgehalten werden, dass diese für eine Optimierung nicht vermindert werden dürfen. Eine optimale Lösung muss somit mindestens mit den aktuell bestehenden Werten erreicht werden. In Bezug auf die Outputfaktoren ist eine Verminderung ebenso wenig wünschenswert. Diese Faktoren werden jedoch nur bei outputorientierten Modellen in der Weise verändert, dass sie bei gegebenen Inputs maximiert werden. Eine Verminderung ist daher nicht zu erwarten. Die grundlegenden Ausführungen zur DEA im vorangegangenen Unterkapitel haben bereits gezeigt, dass die jeweiligen In- und Outputfaktoren modellendogen gewichtet werden. Im Rahmen der Optimierung kann somit auch der Fall eintreten, dass ein Faktor zur optimalen Lösung nicht in die Bewertung mit einbezogen 895

Vgl. DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 112; 3. Teil: B.II.1.

320

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

wird. Daher können Bedingungen in das Modell formuliert werden, die die Wertebereiche der Gewichte beschränken oder solche, die eher bedeutsame Faktoren stärker in das Ergebnis einfließen zu lassen.896 Gerade die Notwendigkeit der Festlegung der strategischen Bedeutung einzelner Faktoren ist jedoch ein Kritikpunkt des aufgestellten Cross-Selling-Scorings. Bei der Berechnung der Cross-SellingGesamtleistung mittels der DEA werden die Faktoren vollständig modellendogen gewichtet. Die Effizienzbetrachtung setzt auch voraus, dass zur optimalen Faktorenanpassung eine beliebige Teilbarkeit derselben vorliegt. Es ist jedoch möglich, dass eine beliebige Teilbarkeit u. U. zwar erreicht wird, die punktgenaue Steuerung jedoch nicht möglich ist.897 Am Beispiel des Inputfaktors der Gesprächsquote kann als Durchschnittswert in der Filiale zwar ein intervallskalierter Wert erreicht werden, die punktgenaue Steuerung hin zu diesem Wert ist allerdings nicht möglich. Dies gilt auch besonders für die Einflussfaktoren, da z. B. die Kundenzufriedenheit nicht exakt auf einen vorher bestimmten Zielwert beeinflusst werden kann. Trotz dieser Problematik der tatsächlichen Erreichung der Ergebnisse der DEA stellen die ermittelten Ergebnisse Benchmarkdaten dar. Eine Filiale sollte daher z. B. den durch die DEA ermittelten Qualifikationsgrad der Mitarbeiter mindestens erreichen. Ein Modell zur Messung der Cross-Selling-Effizienz steht auch vor der Herausforderung, dass eine institutsübergreifende Effizienzbewertung möglich sein sollte. Gerade im Rahmen von Kooperationen zwischen Banken darf die Effizienz nicht nur auf Einzelinstitutsebene betrachtet werden, sondern muss portfolioübergreifend bewertet werden. Je nach Wahl der Entscheidungseinheiten stellt dies das Institut vor die Herausforderung sicherzustellen, dass die notwendigen Daten zur Verfügung stehen. Die Gestaltung des Modells ist hiervon jedoch nicht betroffen, da es sich lediglich um die Verfügbarkeit der Daten im Rahmen der Berechnung handelt. Jedoch muss hierbei gewährleistet werden, dass dieselben Verfahren in Bezug auf die Messung der In- und Outputfaktoren vorliegen. Ist dies nicht der Fall, sind diese Werte nicht vergleichbar und können nicht als Faktoren herangezogen werden. Im Rahmen dieser Untersuchung wird daher die Annahme getroffen, dass alle notwendigen Daten, unabhängig der gewählten DMUs und Faktoren, für die Berechnung vorliegen. Des Weiteren wird angenommen, dass konzernweit dieselben Verfahren zur Messung von Potenzialen und Einflussfaktoren angewendet werden. Formal ergeben sich in diesen Punkten jedoch keine Auswirkungen auf das Modell.

896

Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 67.

897

Vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 30.

Cross-Selling bezogene Modellanforderungen

321

Die Nachfrage nach Dienstleistungen im Retailgeschäft ist immer auch abhängig von nicht beeinflussbaren Gesamtmarktvariablen, wie z. B. der Wirtschaftssituation, der Bevölkerungsentwicklung, der Zusammensetzung des Kundenportfolios oder der Größe des Einzugsgebietes der Entscheidungseinheiten. Diese Faktoren könnten im Rahmen der DEA-Formulierung als nicht veränderbare Inputs mit einbezogen werden.898 Innerhalb dieser Untersuchung sollen solche nicht veränderbaren externen Faktoren jedoch nicht als Variablen herangezogen werden. Im Fokus stehen hier Cross-Selling bezogene Faktoren. Es wird daher die Annahme getroffen, dass der Retailmarkt hinreichend diversifiziert ist und sich Effekte aus der Zusammensetzung der Kundengruppen innerhalb der DMUs aufheben. Makroökonomische Faktoren werden als gegeben angenommen, da auch diese durch die einzelnen Entscheidungseinheiten nicht verändert werden können. Eine Effizienzbetrachtung wäre nur dahingehend möglich, wie eine DMU diese Faktoren zu nutzen weiß, jedoch nicht was sie verändern muss, um im Cross-Selling erfolgreicher zu sein. Im Rahmen der Betrachtung von Quersubventionen zur Cross-Selling-Steigerung wurde deutlich, dass Banken u. U. Produkte nicht kostendeckend veräußern, um aus weiteren Folgegeschäften mit dem Kunden Erträge zu generieren.899 Das Modell muss somit gewährleisten, dass der durchschnittliche DB II des zusätzlichen Geschäftes positiv ist. Die explizite Forderung, dass jedes einzelne Folgegeschäft einen positiven Deckungsbeitrag generiert, würde jedoch nicht der Praxis entsprechen.900 Mit der Formulierung des durchschnittlichen DB II pro Folgegeschäft im Rahmen der Outputfaktoren kann sich der Forderung nach stets positiven Erlösen jedoch angenähert werden. Hierbei ist gewährleistet, dass die Filiale in der Summe ein ertragreiches Cross-Selling verfolgt. Für die Gestaltung des Modells kann daher die Annahme getroffen werden, dass die wertmäßige Bedeutung der Folgegeschäfte für die Bank hinreichend durch diesen Outputfaktor abgebildet wird. In diesem Unterkapitel wurden die relevanten Entscheidungseinheiten, die heranzuziehenden In- und Outputfaktoren sowie weitere Modellanforderungen hergeleitet. Im Folgenden kann daher die Formulierung des DEA-Modells vorgenommen sowie Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung diskutiert werden.

898 899 900

Vgl. PODDIG/VARMAZ (Benchmarking, 2005), S. 570; WUTZ (Umfeld, 2002), S. 8. Vgl. 1. Teil: B.III.3. Vgl. 2. Teil: C.II.2.

322

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

III. Formulierung des DEA-Modells zur Bewertung der Gesamtleistung In der Literatur wurden in der Vergangenheit zahlreiche Modelle zur Effizienzbewertung mittels DEA in den verschiedensten Branchen aufgestellt. Die Auswahl der Modelle wurde jedoch nicht immer in vollem Umfang begründet.901 SIEMENS (2005) hat daher einen Prozess definiert, der die Auswahl eines DEA-Modells auf Basis einer gegebenen Problemstellung erlaubt. Zur Auswahl eines DEAGrundmodells soll dieses Vorgehen im Rahmen dieser Arbeit Anwendung finden.902 Die Verwendbarkeit des Vorgehensmodells wurde bereits bei der Formulierung einer DEA für den Bankenbereich bestätigt, so dass es im Rahmen dieser Untersuchung herangezogen werden kann.903 Wie in folgender Abbildung dargestellt, gliedert sich das Vorgehen in die drei Phasen Anwendbarkeit, Modellauswahl und Modifikationen: Anwendbarkeit der DEA Prüfung formaler Voraussetzungen, zur Anwendbarkeit der DEA auf diese Problemstellung.

Modellauswahl Kriterienbasierte Auswahl eines Grundmodells zur formalen Beschreibung der Problemstellung

Modifikationen Prüfung der Problemstellung auf Anpassungserfordernisse im Modell.

Abb. 72: Dreiphasiges Vorgehensmodell der DEA Modellauswahl/-entwicklung904 Die Anwendbarkeit der DEA wurde bereits in den bisherigen Ausführungen bestätigt, so dass im Rahmen dieses Abschnitts die Modellauswahl und die erforderlichen Modifikationen im Vordergrund stehen können. 1.

Auswahl des Grundmodells

Zur Auswahl eines anwendbaren DEA-Grundmodells müssen anhand einzelner Entscheidungsknoten Voraussetzungen geprüft werden, die für die verschiedenen Modelle erfüllt sein müssen. Diese Kriterien orientieren sich an Bedingungen der DEA-Technologie und Ausprägungen der In- und Outputfaktoren. Im Ergebnis wird eine Empfehlung abgegeben, welches DEA-Modell als Ausgangspunkt für 901

Vgl. DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 109.

902

GOLANY/ROLL (Application, 1989) haben ebenfalls einen Prozess zur Auswahl eines Modells gestaltet. Sie fokussieren sich jedoch auf eine geringere Anzahl Modelle, die bei der Auswahl berücksichtigt werden können. Vgl. HÜLSMANN/PETERS (Bankgewerbe, 2007), S. 25.

903 904

Eigene Darstellung in Anlehnung an SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 51.

Auswahl des Grundmodells

323

eine gegebene Problemstellung geeignet ist. Die Auswahl des Grundmodells umfasst fünf Kriterienbereiche, die weiterführend für die hier verfolgte Problemstellung untersucht werden sollen. Auswahlkriterien eines DEA-Grundmodells Wertebereich Wie ist der Wertebereich der In-/Outputfaktoren?

Substituierbarkeit Liegt Substituierbarkeit der Faktoren vor?

Skalenerträge Welche Art von Skalenerträgen liegen vor?

Technologie

Orientierung

Um welche Produktionstechnologie handelt es sich?

Welche Orientierung soll das Modell besitzen?

Abb. 73: Auswahlkriterien eines DEA-Grundmodells905 Die Anwendbarkeit eines DEA-Modells hängt, unabhängig von der späteren Orientierung, im ersten Schritt von den Wertebereichen der In- und Outputfaktoren ab. Je nach Modellwahl müssen diese t0, !0 oder t1 sein. Für die im vorangegangenen Kapitel ausgewählten Inputfaktoren kann angenommen werden, dass die Wertebereiche grundsätzlich t0 sind. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, dass diese den Wert Null tatsächlich annehmen, jedoch kann dies per se nicht ausgeschlossen werden. Negative Werte für die Inputfaktoren können auf Grund der Ergebnisse aus Teil 2 jedoch gänzlich ausgeschlossen werden. Für die Outputfaktoren ergibt sich dasselbe Bild. Die durchschnittliche Zahl der Produkte je Kunde könnte im unwahrscheinlichen Extremfall eins betragen, wenn die Filiale es nicht geschafft hat, den Kunden mehrere Produkte zu veräußern. Auch für den durchschnittlichen DB II je Folgegeschäft kann angenommen werden, dass dieser immer positiv oder Null ist. Ein negativer DB II würde sonst bedeuten, dass es die Bank nicht schafft, alle dem Geschäft direkt zurechenbaren Kosten zu decken. Die Filiale würde in der Folge konstant einen negativen Ertrag erwirtschaften.906 Sowohl für In- als auch für Outputfaktoren sind damit die möglichen Ausprägungen t0. Es müssen somit solche Modelle ausgeschlossen werden, die einen Wertebereich für die Faktoren von !0 oder t1 fordern. Der zweite Schritt der Entscheidung zu einem Grundmodell orientiert sich an der Frage der Substituierbarkeit der Faktoren. Die DEA sieht die Produktionstechnologie grundsätzlich als Black Box an. Es ist daher nicht möglich eine Aussage darüber zu treffen, ob eine Substituierbarkeit der Faktoren besteht. So ist z. B. nicht auszuschließen, dass eine erhöhte Gesprächsquote je Kundenberater u. U. 905

Vgl. zu den einzelnen Einscheidungsknoten SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 55.

906

Die Positivität ergibt sich hier aus der Kumulierung der DBS. Der DB II eines einzelnen Folgegeschäfts könnte u. U. auch negativ sein.

324

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Mitarbeiter substituieren kann und vice versa.907 Außerdem ist es grundsätzlich möglich, dass zur Erreichung desselben Outputs Potenziale durch eine erhöhte Kundenzufriedenheit substituiert werden können. Die Substituierbarkeit kann an dieser Stelle daher weder bestätigt noch vollständig verneint werden. Das Vorgehensmodell für die Modellauswahl sieht für diesen Fall vor, dass die Substituierbarkeit der Faktoren nicht ausgeschlossen und damit angenommen werden muss.908 Somit bleiben solche Modelle unberücksichtigt, die eine Nichtsubstituierbarkeit der Faktoren voraussetzen. Der dritte Schritt im Auswahlprozess soll die Art der Skalenerträge prüfen. Diese können entweder konstant oder variabel sein. Bei konstanten Skalenerträgen würde die Veränderung des Inputs um eine Einheit zu einer gleichgerichteten Veränderung des Outputs um eine Einheit führen. Variable Skalenerträge hingehen führen zu einer über- oder unterproportionalen Zu- oder Abnahme des Outputs.909 Die integrative Sichtweise der Cross-Selling-Gesamtleistung erfordert den Einbezug qualitativer Faktoren, wie z. B. der Kundenorientierung. Gerade bei der Verwendung qualitativer Faktoren ist jedoch davon auszugehen, dass keine konstanten Skalenerträge vorliegen.910 Eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit oder der Mitarbeiterkapazität führt nicht automatisch zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Zahl an Folgeprodukten in gleichem Verhältnis. Die Untersuchungen zum Zusammenhang der Einflussfaktoren und dem Cross-Selling-Erfolg haben zusätzlich gezeigt, dass Korrelationen stets unter eins liegen. Somit ist ein Modell zu wählen, das variable Skalenerträge abbilden kann. Des Weiteren muss im vierten Schritt der Entscheidung zum DEA-Grundmodell mit einfließen, um welche Art Technologie es sich handelt. Eine Technologie beschreibt hierbei den Verlauf der Randfunktion.911 Diese kann abschnittsweise linear sein  so wie in den bisher dargestellten Beispielen , Log-linear oder die Cobb-Douglas-Form annehmen. Eine sichere Auswahl lässt sich jedoch nur durch Berechnungen oder Expertenmeinungen ermitteln. Expertenmeinungen besagen, dass der Normalfall eine abschnittsweise lineare Randfunktion beschreibt.912 Dies wurde auch bereits für andere Untersuchungen mit Finanzdienstleistungsbezug

907

Dies gilt unter der Bedingung, dass keine Vollauslastung vorliegt, da sonst keine Kapazitäten bei den Kundenberatern für zusätzliche Gespräche, die von anderen übernommen werden, vorhanden sind.

908

Vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 46. Vgl. DYCKHOFF (Produktion, 1994), S. 82-83.

909 910 911

912

Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 64. Vgl. 3. Teil: B.I.1. Die Randfunktion ergibt sich in der grafischen Darstellung aus der Verbindung der relativ effizienten DMUs. Vgl. SCHEFCZYK (Data, 1996), S. 174.

Auswahl des Grundmodells

325

nachgewiesen.913 Näherungsweise soll daher im Rahmen dieser Untersuchung angenommen werden, dass die Randfunktion abschnittsweise linear verläuft. Werden die Ergebnisse zur Substituierbarkeit und der Art der Technologie zusammengefasst lassen sich Aussagen zur Konvexität der Randfunktion ableiten. Konvexität bedeutet, dass die effizienten Einheiten auf der Randfunktion linear verbunden werden können. Virtuelle DMU zwischen zwei effizienten Entscheidungseinheiten können nur bei Konvexität anteilig aus beiden ermittelt werden.914 Dazu ist es erforderlich, dass die Zusammenhänge der In- und Outputvariablen unbekannt, aber Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Faktoren und den Produktionsmöglichkeiten bestehen.915 Wie gezeigt wurde, wird sowohl Substituierbarkeit als auch die abschnittsweise Linearität angenommen, da für die vorliegende Problemstellung keine Anhaltspunkte vorliegen, dass beide Bedingungen nicht erfüllt sind.916 Somit kann Konvexität der Randfunktion angenommen werden. Im letzten fünften Schritt steht die Frage nach der Orientierung des Modells im Vordergrund. Bisher wurden die Kriterien zur Auswahl des Modells unabhängig von der zu verfolgenden Orientierung geprüft. Abschließend muss daher eine Entscheidung für eine Input-, Output- oder ungerichtete Orientierung getroffen werden. Die Inputorientierung würde eine Minimierung der Inputs bei aktuellen Outputs zur Folge haben. Hierbei würde der Fokus folglich auf den internen Dienstleistungsprozess gelegt und angenommen, dass ein vorgegebener Output möglichst effizient erreicht werden soll. Eine Outputorientierung würde im Gegensatz dazu den Output auf Basis der aktuellen Inputs maximieren. Somit würde der Fokus hier darauf liegen, die aktuellen Kapazitäten möglichst effizient zu nutzen und die maximale Ausbringungsmenge zu erreichen. Des Weiteren gibt es noch ungerichtete Modelle, die versuchen beide Seiten zu optimieren. Ziel der Messung der Cross-Selling-Gesamtleistung ist es jedoch, eindeutige Handlungsempfehlungen zu erhalten. Aus diesem Grund soll kein ungerichtetes Modell zur Anwendung kommen. Fraglich ist weiterführend die Entscheidung zur In- oder Outputorientierung. Ziel der Bank muss es immer sein, die Cross-SellingAktivitäten auszuweiten, um bestehende Kapazitäten bestmöglich auszunutzen. Vor allem bei vertriebsbezogenen Fragestellungen wie dem Cross-Selling, ist eine 913

Vgl. HÜLSMANN/PETERS (Bankgewerbe, 2007), S. 48.

914

Vgl. Abb. 70; SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 47. Vgl. CHERCHYE/KUOSMANEN/POST (Convexity, 2000), S. 4-5.

915 916

DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 118 bestätigen diese Annahme für ein Modell, in dem qualitative Faktoren zur Anwendung kommen. CHERCHYE/KUOSMANEN/POST (Convexity, 2000), S. 4 merken an, dass vollständige Substituierbarkeit nur selten besteht, diese jedoch eine sinnvolle Annahme darstellt. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 47-48 weist darauf hin, dass bei der Effizienzbetrachtung von Einzelprodukten Konvexität jedoch nicht angenommen werden kann.

326

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Maximierung des Outputs anzustreben.917 Kurzfristig die Inputfaktoren durch die Bank eher schwer anzupassen. Die Erhöhung z. B. der Kundenzufriedenheit ist ein eher langfristiger Prozess.918 Außerdem soll das hier aufgestellte Modell auch im Rahmen der Anreizgestaltung Anwendung finden können. Hierbei ist besonders die Orientierung an der Anzahl und dem Wertbeitrag von Folgegeschäften notwendig.919 Diese Aspekte führen dazu, dass eine Maximierung der Outputs auf Basis der aktuellen Inputs im Rahmen eines outputorientierten Modells verfolgt werden soll. Das Modell führt somit zur Aussage, welche Outputgrößen mit den aktuellen Inputfaktoren de facto erreicht werden könnten. Nach Prüfung der einzelnen Auswahlkriterien ergeben sich folgende Bedingungen an das Modell. Es muss Faktoren mit einem Wertebereich t 0 zulassen, Substituierbarkeit der Faktoren annehmen, variable Skalenerträge abbilden, eine lineare Randfunktion betrachten und outputorientiert formuliert sein. Gemäß des Vorgehensmodells eignet sich hier besonders das Modell von BANKER/CHARNES/ COOPER (1984) (BCC-Modell) in einer Outputorientierung.920 Bei diesem Modell handelt es sich um eine Weiterentwicklung des dargestellten CCR-Modells, in dem variable Skalenerträge berücksichtigt wurden.921 Andere Modelle müssen vor allem wegen der Anforderung an variable Skalenerträge und dem Wertebereich der Faktoren ausgeschlossen werden. 2.

Formale Beschreibung des Modells

Gemäß dem Ergebnis zur Auswahl des Grundmodells wird das Modell von BANKER/CHARNES/COOPER (1984) herangezogen. Dieses basiert auf dem ursprünglichen Modell von CHARNES/COOPER/RHODES (1978) das formal bereits im vorangegangenen Unterkapitel dargestellt und hergeleitet wurde. Das BCCModell beschreibt eine Erweiterung dahingehend, dass variable Skalenerträge Anwendung finden können. Hierbei wird der Idee gefolgt, dass durch freie Verschwendung immer ein Übermaß an Inputs oder ein zu geringer Output bestehen kann.922 Das BCC-Modell geht des Weiteren davon aus, dass die ursprünglich im CCR-Modell dargestellte Effizienz in eine technische und eine größenabhängige (skalenabhängige) Effizienz unterteilt werden kann. Je nach Art der Skalenerträge wirken sich diese Einzelkomponenten unterschiedlich auf die Gesamteffizienz aus. 917

Vgl. SCHEFCZYK (Data, 1996), S. 174.

918

Vgl. DILLER/METZ/KELLER (Messung, 2006), S. 119; SCHEFCZYK/GERPOTT (Benchmarking, 1995), S. 341. Vgl. 1. Teil: C.III.3.

919 920 921 922

Vgl. SIEMENS (Vorgehensmodell, 2005), S. 55. Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1086. Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1082.

Formale Beschreibung des Modells

327

Die Gesamteffizienz ergibt sich dabei aus dem Produkt der technischen und der größenabhängigen bzw. Skalen-Effizienz. Im Fall von abnehmenden Skalenerträgen führt z. B. eine geringe größenabhängige Effizienz zu einer Verminderung der rein technischen Effizienz.923 Im CCR Modell lässt sich somit nicht feststellen, ob eine Ineffizienz auf Grund technischer Bedingungen oder suboptimaler Betriebsgrößen vorliegt. Gerade im Marketingbereich herrschen jedoch oft Sättigungseffekte auf Grund von abnehmenden Grenzerträgen vor.924 Dies muss in das Modell mit aufgenommen werden. Formal ist der Ausgangspunkt des BCC-Modells somit im dargestellten Optimierungsproblem des CCR-Modells. Folgendes primales lineares outputorientiertes Optimierungsproblem war dabei ein Ergebnis aus der Betrachtung der DEA bei der Herleitung des CCR-Modells. Es sollten hierbei die durch ij0 gewichteten Outputs der DMU0 bei gegebenen Inputs maximiert werden.925 u.d.N.

max M 0 n

 ¦ y rj O j  y r 0M 0 d 0 ;

r=1,...s,

j 1

n

¦x O ij

j

d xi 0 ;

i=1,...m,

j 1

Oj t 0 ;

j=1,...n,

Ausgehend von diesem Ergebnis soll die Bedingung der variablen Skalenerträge in das Modell formuliert werden. Für einen Transformationsprozess kann grundsätzlich festgelegt werden, dass es eine Produktionsmöglichkeit als Bestandteil einer Technologiemenge gemäß (ȝX, ȝY)  T gibt.926 Ein X > 0 führt damit auch zu einem Y > 0. Der Faktor ȝ beschreibt dabei die Skalierung der Faktoren. Je nach dessen Wertebereich liegt eine andere Art von Skalenerträgen vor. Ist ȝ = 1 gelten konstante Skalenerträge, für ȝ > 1 hingegen ergeben sich überproportional steigende und für ȝ < 1 überproportional fallende Skalenerträge. Wie im Rahmen der Darstellung zum CCR-Modell gezeigt, beschreibt Ȝj das DMU-Gewicht zur Bildung einer virtuellen Entscheidungseinheit für eine optimale Lösung. Im CCRModell wurde keine Beschränkung für Ȝj formuliert. Werden jedoch variable Skalenerträge mit in die Betrachtung einbezogen, ergeben sich auf Grund der Unter923

Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1088.

924

Vgl. BAUER/HAMMERSCHMIDT (Grundmodelle, 2006), S. 54. Z. B. wird der Grenznutzen der Kundenorientierung geringer je stärker diese ausgeprägt ist, da ein Sättigungseffekt eintritt. Vgl. dazu 3. Teil: B.I.2.

925 926

Vgl. DYCKHOFF (Produktion, 1994), S. 51 und S. 83. X und Y werden dabei auch als Input-Output-Vektoren bezeichnet.

328

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

scheidung von technischer und größenabhängiger Effizienz Unterschiede in der Betrachtung. Durch das BCC-Modell zeigt sich, dass bei der Annahme von variablen Skalenerträgen für ein Ȝj größer oder kleiner eins Ineffizienz bescheinigt werden kann. In diesen Fällen ist die Referenzeinheit zu groß oder zu klein.927 Die folgende Abbildung veranschaulicht die unterschiedlichen Ergebnisse in einem inputorientierten Fall für jeweils einen In- und einen Outputfaktor. Outputs konstante Skalenerträge F

E

A

B

D*

variable Skalenerträge

D

C Inputs

Abb. 74: Konstante vs. variable Skalenerträge928 Die obige Abbildung zeigt den Input-Output-Zusammenhang für die beispielhaften Entscheidungseinheiten C, D, E und F. Im Fall des CCR-Modells würde Punkt E den effizienten Fall darstellen. Würde nun die relative Effizienz für D berechnet werden, müsste ein Vergleich mit der Referenzeinheit B durchgeführt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Annahme variabler Skalenerträge im BBC-Modell. Während im CCR-Modell die Menge der Produktionsmöglichkeiten rechts von der Ursprungsgerade durch E bestimmt wird, liegt diese im BCC-Modell rechts von der Umhüllenden um C, E und F. Somit liegt B außerhalb der Produktionsmöglichkeit des BCC-Modells. Folglich ändert sich auch der Grad der Effizienz, der im CCR-Modell durch AB/AD ausgedrückt wird. Im Fall von variablen Skalenerträgen berechnet sich der Grad der Effizienz durch AD*/AD. In beiden Fällen B und D* setzt sich die virtuelle Vergleichseinheit aus Anteilen von anderen DMUs zusammen. Auf Grund konstanter Skalenerträge besteht B jedoch aus einem Bruchteil der DMUE. Im BCC-Modell hingegen wird die virtuelle Entscheidungseinheit D* gewichtet aus zwei existierenden DMU gebildet. Dies hat zur Folge, dass gewährleistet ist, dass diese DMU auch tatsächlich erreichbar ist. Dies ist im CCR-Modell nicht immer gegeben, da z. B. ein Vielfaches von E nicht zwangläufig eine realisierbare Lösung darstellen muss. Der Effizienzgrad im BCC-Fall ist 927

Vgl. BAUER/HAMMERSCHMIDT (Grundmodelle, 2006), S. 54-55.

928

Eigene Darstellung in Anlehnung an COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 90.

Formale Beschreibung des Modells

329

zudem größer als im CCR-Fall, da die virtuelle Vergleichseinheit näher an der ursprünglichen DMU liegt.929 Der Unterschied in den Effizienzen kann weiterführend in einen technischen- und einen skaleneffizienten Bereich aufgeteilt werden. Die technische Effizienz bezeichnet AD*/AD und die Skaleneffizienz bezeichnet AB/AD*. Da im CCR-Modell somit Entscheidungseinheiten verglichen wurden, die unterschiedliche Skalenvolumina (Ȝj < 1 oder Ȝj > 1) besitzen, formulierten BANKER/CHARNES/COOPER (1984) eine weitere Nebenbedingung der Form n

¦O

j

1;

j=1,...n

j 1

in das ursprüngliche CCR-Modell.930 Diese Nebenbedingung fordert, dass die Summe der Skalierungsfaktoren über alle DMUs nicht größer als 1 sein darf, um optimal zu sein. Somit setzt sich die Vergleichs-DMU anteilig aus anderen Entscheidungseinheiten zusammen, kann jedoch nie mehr als eine komplette DMUj (Ȝj = 1) beinhalten. Ein Vielfaches oder ein Bruchteil nur einer einzelnen DMUj als effizientes Gegenstück kann im BCC-Modell somit nicht als Vergleich herangezogen werden. Dies bewirkt, dass ein Vergleich der Einheiten jeweils mit der korrespondierenden auf der Umhüllenden vorgenommen wird und nicht mit der Einheit auf der Ursprungsgeraden. Produktivitätsunterschiede auf Grund von Größenunterschieden werden so eliminiert.931 Dies wird auch als Konvexitätsbedingung bezeichnet.932 Hierbei wird ausgeschlossen, dass eine Vergleichs-DMU generiert wird, die in der Realität eigentlich gar nicht zu erreichen ist. Die Nebenbedingung ist sowohl für die in- als auch die outputorientierte Berechnung gleich. Nach der Beschreibung der allgemeinen Form des BCC-Modells ist fraglich, inwieweit Anpassungen auf Basis der speziellen Cross-Selling Modellanforderungen vorgenommen werden müssen. Im Rahmen der vorstehenden Betrachtung konnten Anforderungen aus Gewichtsrestriktionen, Quersubventionsaspekten, Umfeldvariablen, der Portfoliobetrachtung oder der beliebigen Teilbarkeit der Faktoren bereits gelöst werden. Offen ist die Forderung, dass Inputfaktoren, wie z. B. der Ausbildungsgrad der Mitarbeiter, im Rahmen der Optimierung nicht vermindert werden dürfen. Andernfalls würden keine praxisrelevanten Handlungsempfehlungen durch das Modell erzeugt. Im vorliegenden Fall hat die Modellauswahl zu einem outputorientierten BCC-Modell geführt. Das outputorientierte Modell nimmt die Inputfaktoren als gegeben an und maximiert darauf aufbauend die Outputfaktoren. Die Modellwahl impliziert somit bereits, dass Inputfaktoren nicht 929

Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 90; SCHEFCZYK (Data, 1996), S. 172-173.

930

Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1085. Vgl. SCHEFCZYK (Data, 1996), S. 173.

931 932

Vgl. BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1081.

330

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

vermindert werden. Eine gesonderte Modellierung muss daher nicht vorgenommen werden. 3.

Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung

Das aufgestellte Modell soll nun an einem Beispiel auf dessen Aussagegehalt für die Steuerung von Cross-Selling untersucht werden. Dazu wurde ein Datensatz mit Zufallsdaten für die im vorangegangenen Unterkapitel gewählten In- und Outputdaten generiert, der 50 Filialen umfasst.933 Dies entspricht in etwa der durchschnittlichen Filialzahl einer Sparkasse. In Abhängigkeit der Gesamtzahl der Inund Outputfaktoren wurde eine Mindestzahl von 24 DMU ermittelt, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.934 Die hier gewählte Zahl an Beispielfilialen erfüllt diese Mindestanforderungen. Diese Daten bilden somit die Ausgangsbasis zur Berechnung der relativen Effizienz mittels des aufgestellten BCC-Modells. Zur Berechnung der Effizienzwerte, der prozentualen Verbesserungserfordernis und der daraus resultierenden Rangfolge der DMU wurde die Software „DEA-Solver" in der Version 5 herangezogen.935 Diese Software basiert auf Microsoft Excel© und kann Effizienzberechnungen für verschiedene DEA-Modelle durchführen. Folgende Tabelle zeigt die Ausgangsdaten und Ergebnisse der Effizienzberechnung für die ersten zehn Entscheidungseinheiten, die im Folgenden zur Interpretation herangezogen und diskutiert werden: 936

933

Daten für die hier gewählten In- und Outputfaktoren sind grundsätzlich in den Banken vorhanden (vgl. 2. Teil: C). Die hier verwendeten Beispieldaten wurden gemäß den in Teil 2 hergeleiteten Wertebereichen zufällig generiert. Hierbei wurde eine Abhängigkeit zwischen der Zahl der Mitarbeiter und dem Cross-Selling-Potenzial in der Weise angenommen, dass Filialen mit mehr Mitarbeitern größer sind und daher eine höhere Kundenzahl und in der Folge einen höheren Cross-Selling-Potenzialwert aufweisen. Weitere Abhängigkeiten wurden bei der Datengenerierung nicht angenommen.

934

Vgl. 3. Teil: B.II.2. Für die Berechnungssoftware in der Version 5 wurde sich entschieden, da sie vom „Erfinder“ des BCCModells stammt (COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007). Für eine Übersicht über gängige Software zur Berechnung vgl. BARR (Software, 2004), S. 3-5.

935

936

Die ausführliche Darstellung der Ergebnisse aller DMUs findet sich im Anhang.

Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung

Input

331

Output

Ergebnisse

FilialNr.

CSP

KDZFH

KDOT

QdM

MA

DGSQ

CSQ

DDBII

Rang

Effizienz Grad

1

3,76

2,63

3,28

3,81

25

0,49

3,79

104

30

0,96

2

3,85

3,02

2,47

2,83

22

0,66

3,27

290

1

1,00

0%

3

3,29

3,79

3,96

2,47

22

0,44

2,16

155

46

0,70

43 %

4

3,05

2,9

2,37

3,76

28

0,66

2,77

113

45

0,70

43 %

5

1,31

3,36

3,29

3,42

11

0,31

2,54

125

1

1,00

0%

6

3,93

2,42

2,87

3,01

18

0,43

1,43

207

1

1,00

0%

7

3,3

2,38

2,68

3,59

22

0,61

1,38

147

48

0,54

84 %

8

3,27

2,72

3,84

3,01

28

0,72

1,03

131

50

0,45

120 %

9

4,37

3,77

2,73

3,97

24

0,34

3,89

275

1

1,00

0%

10

4,49

3,11

2,4

2,36

17

0,73

3,36

195

28

0,97

3%

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

...

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

Cross-Selling-Potenzial je Kunde in Tausend Euro Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Qualifikation der Mitarbeiter Anzahl der Mitarbeiter Durchschnittliche Gesprächsquote Cross-Selling-Quote Durchschnittlicher DB II je Folgegeschäft in Euro

Delta 4%

...

Durchschnittswerte im Sample: ‡ Effizienzgrad = 90,1 % ‡ Cross-Selling-Quote = 2,75 ‡ Durchschnittlicher DB II = 191,86 Euro

Tab. 29: Datenmaterial für die Beispielrechnung des DEA-Modells Die Datentabelle der Beispielrechnung zeigt neben den herangezogenen In- und Outputfaktorenausprägungen auch die Ergebnisse der Berechnung. Die Ergebnisspalte „Rang“ beschreibt, wie effizient die DMU im Vergleich zu den anderen Einheiten ist. Ist diese auf Rang 1 handelt es sich um eine relativ effiziente DMU mit einem Effizienzwert von 100 %. Filiale 3 ist z. B. auf Rang 46 und somit relativ ineffizient. Die Spalte Effizienzgrad gibt an, welche Effizienz die jeweilige Entscheidungseinheit erreicht hat. Für das Beispiel der Filiale 3 sind dies 70 %. Ausgehend von dieser Basis ist somit eine Verbesserung von rund 43 % (30 %/70 %) notwendig, um einen Effizienzwert von 100 % zu erreichen. Im Vergleich mit einer effizienten Einheit bedeutet dies, dass lediglich 70 % deren Leistung erbracht wird und die Outputs um mindestens 43 % gesteigert werden müssen, um auf Basis der aktuellen Inputausprägungen relativ effizient zu sein. Von den insgesamt 50 untersuchten DMUs sind 27 Stück relativ effizient und 23 Stück relativ ineffizient. Der durchschnittliche Effizienzgrad über das gesamte Sample beträgt dabei rund 90 % und es müsste im Durchschnitt eine relative Verbesserung der Outputs um rund 11 % erreicht werden. Folgende Abbildung gibt eine Übersicht über die Effizienzgrade aller Entscheidungseinheiten im Vergleich zum durchschnittlichen Effizienzgrad:

332

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

1,00

Effizienzgrad

0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 1

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Filial-Nr.

Abb. 75: Ergebnisse für die Effizienzgrade aller Filialen Die reine Betrachtung der Effizienzgrade gibt jedoch noch keinen Aufschluss darüber, welche Steuerungsinformationen das Cross-Selling-Management in der Folge ergreifen sollte. Die Ergebnisse können daher außer anhand des Effizienzgrades, der lediglich eine globale Sicht auf die einzelnen DMUs erlaubt, noch weiter aufgesplittet werden. Dazu wird für jeden In- und Outputfaktor derjenige Wert betrachtet, den die Entscheidungseinheit erreichen müsste, um relativ effizient zu sein. Ein Vergleich zwischen der Ist-Ausprägung eines Faktors und dessen Sollwert zeigt in der Folge die Höhe des Anpassungserfordernisses. Folgende Tabelle veranschaulicht dies am Beispiel der Filiale 3:937 Filiale 3 Inputs:

Outputs:

Faktor CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

Wert aktuell Projektion 3,29 3,29 3,79 3,13 3,96 2,94 2,47 2,47 22 15,80 0,44 0,44 2,16 3,52 155 222

Delta 0,00 % -17,31 % -25,69 % 0,00 % -28,19 % 0,00 % 62,86 % 43,49 %

Tab. 30: Ineffizienzen aus der DEA-Berechnung für Filiale 3 Da hier ein outputorientiertes Modell angewendet wurde, das eine Maximierung der Outputs bei gegebenen Inputs vornimmt, besteht das Anpassungserfordernis lediglich bei den Outputfaktoren. Die relativ effizienten Werte für die Inputdaten dienen der Information, wie stark diese für die Vergleichs-DMUs abweichen. Diese Angaben können als Ineffizienztreiber verstanden werden. Anders als im 937

Die detaillierten Ergebnisse für alle relativ ineffizenten DMUs finden sich im Anhang.

Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung

333

CCR-Modell ist es jedoch nicht möglich, die Ergebnisse der outputorientierten Sichtweise direkt in die inputorientierte umzurechnen.938 Um relativ effizient zu sein, müsste Filiale 3 somit eine Cross-Selling-Quote von 3,52 Produkten je Kunde oder einen durchschnittlichen DB II je Folgegeschäft von 222 Euro aufweisen. Dies entspricht einer Erhöhung von rund 63 % bzw. 43 %. Die relative Ineffizienz resultiert aus der im Vergleich hohen Kundenzufriedenheit, Kundenorientierung und Zahl der Mitarbeiter. Mit den für Filiale 3 aktuell bestehenden Inputwerten würden relativ effiziente Entscheidungseinheiten einen höheren Output erzeugen. Für die Filiale 3 wurde ein Effizienzwert von 70 % mit einer Verbesserungserfordernis von 43 % berechnet. Das Beispiel zu den Ineffizienzen der Einzelfaktoren hat jedoch gezeigt, dass die Cross-Selling-Quote um rund 63 % verbessert werden müsste, damit die Filiale relativ effizient ist. Der Grund hierfür kann durch die Analyse der modellendogen im Rahmen der Optimierung festgelegten Gewichtungen erhalten werden. Eine Nullgewichtung deutet darauf hin, dass ein Faktor besonders schlecht ausgeprägt war. Dieser wurde nicht einbezogen, um das Ergebnis nicht zu verschlechtern.939 Dies bedeutet, dass dieser Faktor auf dem aktuellen Niveau verbleiben sollte und nicht angepasst wird. Am Beispiel der Filiale 3 hat die Cross-Selling-Quote eine Nullgewichtung erfahren. Dies ist somit der stärkste Ineffizienztreiber. Nur auf Grund der Nullgewichtung dieses Faktors reicht eine Outputverbesserung um 43 % beim durchschnittlichen DB II für die Filiale 3 aus, um relativ effizient zu werden. Andernfalls bestünde ein Verbesserungserfordernis von 63 % für die Cross-Selling-Quote. Die Strategie für Filiale 3 sollte daher eine Verbesserung der Werthaltigkeit der Geschäfte darstellen, um relativ effizient zu sein. Unabhängig davon kann diese auch anstreben, die CrossSelling-Quote zu verbessern. In diesem Fall müsste sie jedoch ein relativ höheres Ziel erreichen. Das Cross-Selling-Management erhält somit nicht nur die Aussage, wie hoch der Effizienzgrad der einzelnen Filiale ist, sondern auch genaue Informationen darüber, wie stark ein Faktor verbessert werden muss, damit die Filiale relativ effizient wird. Diese Werte können in der Folge als Zielvorgaben für die Filiale bzw. als Bestimmungsfaktoren in der Anreizgestaltung der Filialmitarbeiter herangezogen werden. Die Gewichtung der einzelnen Faktoren geben jedoch nicht nur Informationen zu Ineffizienzen. Analog können bei der Betrachtung der jeweiligen Gewichtungen bei effizienten Filialen auch Aussagen darüber gemacht werden, durch welche Faktoren dieses Optimum am meisten beeinflusst wird. So liegt z. B. die relative Effizienz der Filiale 6 in dem im Vergleich hohen durchschnittlichen DB II je

938

Vgl. COOPER/SEIFORD/TONE (Envelopment, 2007), S. 90.

939

Vgl. BARTH/HAMMERSCHMIDT/GARDE (Return, 2006), S. 132-135.

334

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Folgegeschäft begründet. Daraus folgt, dass sowohl strategische Stärken als auch Schwächen mit der DEA ermittelt werden können. Neben der globalen Betrachtung des Effizienzgrades und der granularen Untersuchung der Einzelfaktorbetrachtung kann des Weiteren die so genannte DEAMatrix Aufschluss darüber geben, wie die Entscheidungseinheiten in Bezug auf einzelne Outputfaktoren abschneiden. Folgendes Beispiel soll dies anhand des Vergleichs zwischen dem Effizienzgrad und der erzielten Cross-Selling-Quote (Output 1) deutlich machen. Dazu wurden die Werte jeder einzelnen Filiale in ein Punktdiagramm übertragen und eine Sektoreinteilung auf Basis der Mittelwerte vorgenommen.940 Im Ergebnis erhält man folgende Übersicht:

Effizienzgrad

1 0,9

Performing Underperforming

0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0

Losers Stars 0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

Cross-Selling-Quote (Output 1)

Abb. 76: DEA-Matrix auf Basis des Effizienzgrades und der Cross-Selling-Quote Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass es Filialen gibt, die sowohl relativ ineffizient sind als auch eine unter dem Durchschnitt liegende Cross-Selling-Quote aufweisen. Diese DMUs können als so genannte Underperforming-Losers bezeichnet werden. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch solche, die zwar einen über dem Durchschnitt liegenden Effizienzwert besitzen, deren Cross-SellingQuote jedoch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Dies sind die sogenannten Performing-Losers. Analog dazu werden diejenigen Einheiten als Performing- oder Underperforming-Stars bezeichnet, die eine überdurchschnittliche Cross-SellingQuote aufweisen und deren Effizienzwerte über- oder unterdurchschnittlich sind. Das Cross-Selling-Management erhält hierbei die Information in welcher Filiale akuter Handlungsbedarf besteht. Die Gestaltung konkreter Maßnahmen kann sich 940

Vgl. BARTH/HAMMERSCHMIDT/GARDE (Return, 2006), S. 136. Eine Abgrenzung der einzelnen Sektoren kann auch auf Basis des Median vorgenommen werden, sofern Ausreißer bestehen, die das Bild verzerren würden.

Steuerungsimplikationen auf Basis einer Beispielrechnung

335

in einem ersten Schritt auf diejenigen DMUs beziehen, die entweder jeweils bei einem oder bei beiden Outputfaktoren als Underperforming-Losers kategorisiert wurden. Filiale 3 liegt z. B. mit einem Effizienzgrad von 70 %, einer durchschnittlichen Cross-Selling-Quote von 2,16 und einem durchschnittlichen DB II je Folgegeschäft von 155 Euro im Bereich der Underperforming-Losers. Filiale 39 hingegen besitzt zwar mit rund 72 % nur einen geringfügig höheren Effizienzgrad, kann jedoch mit 210 Euro einen überdurchschnittlichen DB II erwirtschaften. Bei überaus begrenzten Mitteln sollten somit zuerst in Filiale 3 effizienzsteigernde Maßnahmen umgesetzt werden. Durch diese Betrachtungsweise ist sichergestellt, dass die verfügbaren Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Es hat sich gezeigt, dass mit den oben erhaltenen Ergebnissen aktuelle Erfolge auf Basis bestehender Potenziale und Einflussfaktorenausprägungen bewertet werden können. Des Weiteren konnte dargestellt werden, wie durch die Rangabstufung ersichtlich wird, in welchen Filialen akuter Handlungsbedarf besteht. Hierbei wird jedoch die jeweilige Strategie der Filiale berücksichtigt, wie sie ihre aktuellen Erfolge erzielt. Die Kombination der Faktoren zur Erzielung des Ergebnisses bleibt somit den einzelnen Verantwortlichen überlassen. Lediglich die CrossSelling-Quoten oder den DB II je Folgegeschäft der Filialen zu vergleichen würde die jeweiligen Gegebenheiten der Zweigstellen nicht berücksichtigen. Am Beispiel von Filiale 4 zeigt sich, dass die Cross-Selling-Quote von 2,77 nahe am Gesamtdurchschnitt von 2,75 liegt. Somit würde dies noch keinen akuten Handlungsbedarf aufzeigen. Vor dem Hintergrund einer Effizienzberechnung durch die DEA besitzt diese Filiale allerdings lediglich einen Effizienzgrad von 70 %. An diesem Beispiel wird nochmals ersichtlich, dass die Fokussierung auf eine einzelne Kennzahl, wie z. B. der Cross-Selling-Quote, nur zu unpräzisen Steuerungsimpulsen führen kann. Außerdem könnte bei einem reinen Vergleich der Kennzahlen von den Verantwortlichen immer argumentiert werden, dass z. B. die Potenziale nicht groß genug sind, um die Cross-Selling-Quote zu erhöhen. Durch das Vorgehen der DEA ist sichergestellt, dass solche Vergleiche bereits bei der Bewertung der Gesamtleistung eingehen. Im obigen Beispiel der Filiale 3 würde dies bedeuten, dass auf Basis der ermittelten Effizienzwerte stärkere Cross-Selling-Anstrengungen unternommen werden müssen. Diese können dabei zentral oder dezentral eingeleitet werden. Für Filiale 10 mit einem Effizienzgrad von 0,97 ist die Dringlichkeit hingegen nicht so groß. Es ist damit möglich, dass die Steuerung gezielt bei den DMUs ansetzt, die akuten Handlungsbedarf besitzen. Je nach verfügbaren Mitteln könnte hierbei die Festlegung eines Grenzwertes des Effizienzgrades Anwendung finden. Eine detaillierte Betrachtung der Höhe des Handlungsbedarfs bei begrenztem Mitteleinsatz ist in der Folge auch aus der DEA-Matrix ableitbar. Anhand des Beispiels wurde somit gezeigt, dass die Messung einer Cross-SellingGesamtleistung mittels der DEA für die Steuerung detaillierte Entscheidungshilfen

336

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

geben kann, die sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren mit berücksichtigt. Durch die Berücksichtigung von Faktoren, die bereits aktuell bei Banken gemessen werden, wurde auch ein hoher Praxisbezug des Modells erreicht werden. Im Folgenden soll abschließend eine Bewertung dieses Vorgehens auf Basis des Kriterienkatalogs vorgenommen werden.

IV. Würdigung der Data Envelopment Analysis Analog zu den bisher betrachteten Messmethoden soll auch dieses Modell in einem ersten Schritt gemäß dem aufgestellten Kriterienkatalog bewertet werden. Grundsätzlich positiv zu sehen ist, dass die Gewichtung der einzelnen Faktoren nicht wie im Rahmen des Scorings durch Festlegung von strategischen Gewichten, sondern modellendogen durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist die DEA besonders für die Messung der Gesamtleistung von Vorteil. Darüber hinaus ist positiv zu werten, dass die Gesamtleistung nicht als absolute Größe, sondern relativ zu den anderen betrachteten DMUs ermittelt wird. Somit wird ein Vergleich mit dem „besten“ Untersuchungsobjekt angestrebt. Bei der Verwendung anderer Erfolgskennzahlen und Modelle muss immer eine Referenz bestimmt werden, ab wann Erfolg tatsächlich vorliegt. Bei der DEA wird der Vergleich jedoch auf Basis eines tatsächlich bereits erreichten Falls durchgeführt. In Bezug auf die Erfolgsbewertung, ausgedrückt in Stück und Werterfolgen, bietet die DEA die Möglichkeit, durch die eigene Definition relevanter Faktoren beide Erfolgsdimensionen auszudrücken. Die Bewertung des Untersuchungsobjekts kann somit beide Dimensionen berücksichtigen und so auch direkt Quersubventionstendenzen aufdecken. Informationen zum Potenzial sind in der DEA, wie in obigem Beispiel gezeigt, im Rahmen der Modellgestaltung zu berücksichtigen. So können genutzte und weiter bestehende Potenziale im Kundenstamm zur Bewertung der relativen Effizienz herangezogen werden. Mittels DEA ist somit auch ein Vergleich möglich, welche Potenziale durch die Entscheidungseinheiten bereits ausgeschöpft wurden. In Bezug auf die Handlungsempfehlungen gibt die DEA im Gegensatz zum Scoring und den anderen Bewertungsverfahren sehr konkrete Informationen. An der Beispielrechnung hat sich gezeigt, dass klar abzugrenzen ist, wo eine DMU Defizite besitzt und welche Einheit eine besondere Aufmerksamkeit erfordert. Besonders der Vergleich der Effizienzgrade in Verbindung mit der DEA-Matrix macht die Handlungsnotwendigkeit deutlich.

Würdigung der Data Envelopment Analysis

337

Die interne Vergleichbarkeit ist besonders auf Grund der relativen Betrachtungsweise und der direkten Gegenüberstellung der einzelnen DMU gegeben. Verglichen wird hierbei unter zur Hilfenahme von mehreren Faktoren und nicht wie bei einzelnen Kennzahlen auf Basis einer singulären Sichtweise. Auf der anderen Seite muss analog zum Scoringsystem und den anderen Messmethoden angemerkt werden, dass die DEA einen Interbankenvergleich nur schwer zulässt. Die im Rahmen der Beispielrechnung herangezogenen Cross-Selling spezifischen Faktoren sind in der Praxis nicht über alle Banken hinweg ermittelbar. Die gewählten Faktoren sind somit für einen Interbankenvergleich eher ungeeignet. Dennoch kann das Modell so angepasst werden, dass ein Vergleich durchführbar ist. Eine Entscheidungseinheit würde dann eine einzelne Bank darstellen. In- und Outputfaktoren müssten so gewählt werden, dass diese auf Basis verfügbarer Informationen ermittelbar sind. Die Kundenzufriedenheit oder die Markenbekanntheit wird bereits institutsübergreifend gemessen und veröffentlicht, so dass diese hinzugezogen werden kann. Auf der anderen Seite gibt es für die Institute zugängliche Datenbanken, die produktspezifische Zahlen, wie z. B. die Cross-Selling-Quote, der Institute beinhalten.941 Diese müssen in der Folge in ein Modell eingebunden werden, das die relative Cross-Selling-Effizienz institutsübergreifend bewertet. Somit ist die DEA grundsätzlich auch dafür geeignet, institutsübergreifende Vergleiche durchzuführen. Die Objektivität der Berechnung hängt vor allem mit der Subjektivität der Entscheidungen zusammen, die im Rahmen der Modellgestaltung getroffen werden müssen. In Bezug auf die Berechnungsweise hat die DEA den entscheidenden Vorteil, dass die Faktoren modellendogen gewichtet werden. Die Subjektivität des Scorings, die aus der eigenen Festlegung der Gewichtungsfaktoren resultiert, besteht im Rahmen der DEA nicht. In Bezug auf den Ermittlungsaufwand kann festgehalten werden, dass die Eingangsparameter analog der anderen Verfahren in der Bank bereits vorhanden sein sollten. Je nach Wahl der DMUs kann in der Praxis jedoch der Fall eintreten, dass u. U. die notwendige Granularität z. B. auf Kundenebene nicht zur Verfügung steht. Die Cross-Selling orientierte Effizienzbewertung nutzt somit nur bereits vorhandene Daten. Der Ermittlungsaufwand der Effizienz an sich ist jedoch durch das theoretisch anspruchsvolle Konzept weitaus komplexer nachzuvollziehen als z. B. eine Cross-Selling-Quote oder das Cross-Selling-Scoring. Obwohl bereits verschiedene Softwarelösungen zur Berechnung verfügbar sind, ist eine grundlegende Methodenkompetenz zur Anpassung des Modells im Zeitablauf unabdingbar. 941

Ein Beispiel hierfür ist der Finanzmarktdatenservice FMDS von TNS Infratest. Banken können aus dieser Datenbank Branchendaten zu Cross-Selling bezogenen Schlüsselkennzahlen abrufen.

338

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

Es verbleibt die Frage nach der Möglichkeit zur Nutzung des Modells im Rahmen der Anreizgestaltung. Ein Anreizsystem muss in der Lage sein für den Einzelnen beeinflussbar, transparent und flexibel zu sein.942 Die aus dem Modell berechnete Effizienz würde somit die Leistungsbemessungsgrundlage bzw. einen Bestimmungsfaktor im Rahmen der Anreizgestaltung darstellen. Die In- und Outputfaktoren sind für den Einzelnen direkt beeinflussbar, wie sich im gewählten Beispiel der Filialeffizienz gezeigt hat. Auf der anderen Seite ist das Verfahren jedoch weniger transparent für die Mitarbeiter als z. B. die einfache Berechnung einer Kennzahl. Hier wären besondere Informationen an den Mitarbeiter notwendig. Der Transparenz förderlich ist jedoch, dass das Modell keinen festgesetzten Vergleichsmaßstab heranzieht, sondern eine relative Bewertung vornimmt. Dies sollte auch der Akzeptanz dieses Instruments dienlich sein, da die einzelnen Einheiten mit den „Besten“ in der Grundgesamtheit verglichen werden. Es muss somit nicht erst um die „Richtigkeit“ der Referenzgröße debattiert werden. Die Flexibilität der DEA ist gegeben, da diese stetig angepasst werden könnte, sofern dies notwendig ist. Von der Umgestaltung der In- und Outputfaktoren bis hin zur strategischen Einschränkung von Gewichtungen ist das Modell hinreichend flexibel in seinen Möglichkeiten. Darüber hinaus können verschiedenste DMUs betrachtet werden, die z. B. auch eine Effizienzbewertung von Produkten zulässt. Insgesamt bleibt zur Anreizgestaltung festzuhalten, dass die DEA die Anforderung an die Beeinflussbarkeit zwar erfüllt, jedoch auf Seiten der Nachvollziehbarkeit Grenzen auf Grund des komplexen Berechnungsverfahrens bestehen. In Bezug auf die Anreizfähigkeit ist das Verfahren im Vergleich zum Scoring daher schlechter einzustufen. Folgende Tabelle soll die hier vorgenommenen Bewertungen nochmals zusammenfassen:

942

Vgl. 1. Teil: C.III.1.

Würdigung der Data Envelopment Analysis

339

Kriterium

Erfüllungsgrad

Aussagen zum Stückerfolg



Aussagen zum Stückerfolg können im Modell hinterlegt werden.

Aussagen zum Werterfolg



Aussagen zum Werterfolg können im Modell hinterlegt werden.

Informationen zum Potenzial



Aussagen zu aktuell bestehenden Potenzialen können im Modell hinterlegt werden.

Handlungsempfehlungen



Es werden konkrete und eindeutige Handlungsempfehlungen gegeben.

Vergleichbarkeit

/ Ein interner Vergleich ist sehr gut möglich. Der externe Vergleich ist wiederum auf eine Vielzahl verfügbarer Daten angewiesen.

Objektivität der Berechnung



Das Berechnungsverfahren ist objektiv und es müssen keine subjektiven Entscheidungen vorgenommen werden.

Ermittlungsaufwand



Auch wenn die notwendigen Daten vorliegen, ist das Berechnungsverfahren nicht trivial und nicht einfach nachvollziehbar.

Anreizfähigkeit

/ Anreizfähigkeit besteht darin, dass Faktoren verwendet werden, die durch den Einzelnen beeinflussbar sind. Nachteil ist jedoch die schlechte Nachvollziehbarkeit des Modells.

++ + +/  

vollumfänglich erfüllt zu großen Teilen erfüllt zu gleichen Teilen erfüllt und nicht erfüllt zu großen Teilen nicht erfüllt gar nicht erfüllt

Tab. 31: Erfüllung des Kriterienkatalogs durch die DEA Auf Basis des Kriterienkatalogs hat sich gezeigt, dass die DEA in der Lage ist, die Schwächen der gängigen Bewertungsverfahren zu lösen. Im Gegensatz zum Scoring besteht hier der Vorteil, dass so wenig subjektive Schätzungen wie möglich durch den Modellersteller selbst vorgenommen werden müssen. Im Gegensatz dazu handelt es sich allerdings um ein nicht triviales Berechnungsverfahren, das nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist. Im Folgenden soll daher die Eignung der DEA zur Steuerung nochmals explizit herausgegriffen werden. Ziel der Betrachtung der DEA war, eine integrierte Messmethode zu finden, die eine Aussage zur Effizienz im Rahmen der Steuerung von Cross-Selling Anwendung finden kann. Die Bewertung durch die DEA wird mit Hilfe beobachteter Daten im Gegensatz zu Planungsdaten durchgeführt. Dem Entscheider stehen als Grundlage ex post Daten statt ex ante Daten zur Verfügung.943 Die Effizienz enthält somit auch immer Informationen über den Erfolg von Entscheidungen des Cross-Selling-Managements. Vor dem Einsatz der DEA ist jedoch zu beachten, dass „...one must be satisfied with a measure of only relative efficiency based on

943

Vgl. KLEINE (DEA, 2002), S. 126-127.

340

Messung der Gesamtleistung mittels Data Envelopment Analysis

the available observations...“.944 Dies bedeutet, dass der Effizienzvergleich immer nur auf Basis der herangezogenen Entscheidungseinheiten und nicht mit einem Best-Practise-Vergleich am Markt durchgeführt wird. Unterstützung im Rahmen des Cross-Selling-Managements kann die DEA durch die Effizienzbewertung und dem Benchmarking leisten. Zum einen bildet die DEA eine Spitzenkennzahl zur Effizienzbewertung über deren Zusammensetzung nicht beraten werden muss. Dies wird vor allem durch die Fähigkeit der DEA unterstützt, ein hohes Maß an Leistungstransparenz zwischen den betrachteten Entscheidungseinheiten herzustellen. Zum anderen wird durch den Vergleich der DMU mit einem virtuellen best case ein Vergleichspunkt gesetzt, der zum Benchmarking herangezogen werden kann.945 In der Praxis werden z. B. im Rahmen der Definition der Vertriebsziele Vorgaben gemacht, auf welche Produkte ein besonderer Fokus gelegt werden soll. Aus dem DEA-Modell können in der Folge Aussagen abgeleitet werden, welcher Output bei gegebenen Inputs erreicht werden sollte. Diese Messergebnisse bilden somit die Grundlage zur Zieldefinition im Rahmen des Cross-Selling-Managements. Damit würde die Basis gelegt, die gemäß Wachstumsvorgaben weiter angepasst werden kann. Dies wird besonders durch die Fähigkeit der DEA unterstützt, Ziele modellendogen festzulegen.946 Diese Ziele stellen in der Folge Bemessungsfaktoren für die Anreizgestaltung dar bzw. der Effizienzgrad kann als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Dennoch lassen sich die aus dem Modell gewonnenen Handlungsempfehlungen nicht immer unkorrigiert in eine Steuerungshandlung transferieren. Unter Umständen lassen sich in Abstimmung mit der einzelnen Entscheidungseinheit weitere Faktoreinsatzverhältnisse finden, die auf dem effizienten Rand liegen und einfacher zu erreichen sind. Die zu setzenden Ziele müssen somit nicht immer mit dem Vergleichspunkt auf der Umhüllenden übereinstimmen.947 Über die dargestellten Steuerungsmöglichkeiten hinaus kann die DEA das CrossSelling-Management auch unterstützen, um einzelne DMUs zu reorganisieren. So zeigt sie klar auf, welche Entscheidungseinheiten in Bezug auf das Cross-Selling eher ineffizient sind und gibt Hinweise, welche Faktoren noch unzureichend genutzt werden. Außerdem kann bei einer Betrachtung von Filialen die Standortpolitik bewertet werden.948 Um hierzu adäquate Aussagen zu erhalten, müssten die Inund Outputfaktoren stärker auf standortbezogene Faktoren ausgerichtet werden. 944

BANKER/CHARNES/COOPER (Models, 1984), S. 1079.

945

Vgl. BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 291; SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 138. Vgl. BAUER/STOKBURGER/HAMMERSCHMIDT (Performance, 2006), S. 289.

946 947 948

Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 138. Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 15.

Würdigung der Data Envelopment Analysis

341

Dennoch bleibt der Fall kritisch, dass zu viele Entscheider in die Festlegung der In- und Outputfaktoren mit einbezogen werden. Dies kann zu einer überhöhten Faktorenanzahl führen, da bevorzugt diese genommen werden, in denen die jeweilige Entscheidungseinheit relativ am besten ist. Es kann auch dazu kommen, dass Faktoren hinzugezogen werden, die nicht im Entscheidungsbereich der DMU liegen und somit unveränderliche äußere Umstände darstellen. Dies würde die Handlungsempfehlungen des Modells stark einschränken. Die Faktoren müssen somit im Rahmen der Steuerung von übergeordneter Stelle festgelegt werden.949 Dennoch sollten die Entscheidungseinheiten intensiv an der Entwicklung der DEA partizipieren, damit die notwendige Akzeptanz in der Bank gegeben ist.950 Bei dem hier dargestellten Beispiel wären dies die Filialleiter. Würden eher Produkte im Fokus der Betrachtung liegen, müssten Produktmanager in die Entstehung eingebunden werden. Ziel sollte immer sein, dass auf breiter Basis über Faktoren diskutiert wird, die letztendliche Entscheidung jedoch auf höherer Ebene im Management getroffen wird. Die Eignung der DEA für die Steuerung von Cross-Selling hängt auch eng mit der Frage der Granularität der zur Verfügung stehenden Daten zusammen. Im schlimmsten Fall kommt es hier zu Datenengpässen, die eine Bewertung unmöglich machen. Wenn des Weiteren unterschiedliche Messmethoden der Einflussfaktoren in den verschiedenen DMU eingesetzt werden, sind die ermittelten Daten nicht verwendbar. Soll z. B. auf Verbandsebene eine Effizienzberechnung der angeschlossenen Institute durchgeführt werden, so kann dies durch unterschiedliche Methodiken zunichte gemacht werden. Vor der Steuerung von Cross-Selling mittels der DEA müssen diese Problematiken somit ausgeschlossen werden. Deutlich geworden ist, dass durch den Einsatz der DEA neben dem Cross-SellingScoring eine weitere Möglichkeit besteht, eine integrierte Messung der Gesamtleistung mit Cross-Selling Bezug durchzuführen. Das Konzept der DEA gibt darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen, die im Rahmen der Steuerung eingesetzt werden können. Es ist jedoch zu betonen, dass die Ergebnisse der DEA „lediglich“ Empfehlungen abgeben. Ein Modell kann immer nur Verbesserungsmöglichkeiten für die modellierte Problemstellung liefern. Die Auswirkungen der Entscheidungen sind immer nochmals im Gesamtrahmen auf negative Interdependenzen zu prüfen. Im Ergebnis konnte somit in diesem Teil die dritte Forschungsfrage nach Möglichkeiten der Messung einer Cross-Selling-Gesamtleistung beantwortet werden.

949

Vgl. LÖBER/STAAT (Weiterentwicklung, 2006), S. 80-81.

950

Vgl. SCHEEL (Effizienzmaße, 2000), S. 17.

Schlussbetrachtung

343

C. Schlussbetrachtung Zu Beginn der Arbeit wurden folgende Lücken in der bestehenden Forschung zum Cross-Selling identifiziert: x

Auf Grund der Verteilung über verschiedene Forschungsrichtungen gab es keine strukturierte Aufarbeitung der Messverfahren zu Potenzialen, Erfolgen und Einflussfaktoren und deren Eingang in die Steuerung. Außerdem war keine empirische Untersuchung zur aktuellen Verwendung der Verfahren in der Praxis verfügbar.

x

Es wurde bisher keine Methode entwickelt, die es einem Institut erlaubt eine Cross-Selling-Gesamtleistung zu bestimmen, und dabei sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren berücksichtigt.

x

Eine Untersuchung, wie ein Cross-Selling-Management in die Gesamtbanksteuerung und -organisation Eingang finden kann, ist bisher lediglich ansatzweise im Rahmen des Vertriebsmanagements durchgeführt worden. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und der Ausgestaltung einer Cross-Selling orientierten Anreizstruktur ist dabei unterblieben.

Auf Basis dieser identifizierten Lücken in der bestehenden Forschung wurden aufbauend folgende Forschungsfragen formuliert, um mittels deren Beantwortung die bestehenden Lücken zu schließen: 1. Wie muss ein Cross-Selling-Management als Teilbereich des Vertriebsmanagements im Retailbanking ausgestaltet sein und welche Anreizstruktur muss speziell in Bezug auf das Cross-Selling bestehen? 2. Welche Methoden stehen zur Messung und Steuerung von Cross-Selling im Rahmen des Cross-Selling-Managements zur Verfügung und wie ist der aktuelle Status quo in der Anwendung dieser Methoden in der Praxis? 3. Wie kann eine vollumfängliche Bewertung der Cross-SellingGesamtleistung eines Instituts durchgeführt werden, die die bestehenden Interdependenzen berücksichtigt? Der erste Teil der Untersuchung hatte zum Ziel, die Frage nach der Ausgestaltung eines Cross-Selling-Managements sowie dessen Anreizstruktur zu beantworten. Dazu wurde neben der grundlegenden Abgrenzung des Cross-Sellings von anderen Arten des Verbundverkaufs auch eine detaillierte Betrachtung des Retailbankings durchgeführt. Weiterführend wurde im ersten Teil durch eine schrittweise Fokussierung, ausgehend vom Gesamtbankmanagement über die Retailge-

344

Schlussbetrachtung

schäftssteuerung bis hin zum Vertriebsmanagement, der Gesamtrahmen für ein Cross-Selling-Management festgelegt. Daraus ließen sich die Ziele, Aufgaben, Instrumente und Funktionen ableiten, die ein solches Cross-Selling-Management zu erfüllen hat. Außerdem wurde dargestellt wie ein Cross-Selling orientiertes Anreiz- und Entlohnungssystem ausgestaltet sein muss. Im Ergebnis konnte somit die erste Forschungsfrage in diesem Teil beantwortet werden. Im zweiten Teil wurde mittels einer strukturierten Aufarbeitung der Methoden und Modelle der Messung von Cross-Selling die zweite Forschungsfrage bearbeitet. Neben den Verfahren zur Potenzial- und Erfolgsmessung entlang des CrossSelling-Prozesses wurde auch ausführlich auf die jeweiligen Einflussfaktoren eingegangen. Ziel war hierbei neben einer Messmethode auch die relevante Ursache-Wirkungskette zu betrachten. Im Ergebnis konnte die aktuell bestehende Lücke in Bezug auf eine strukturierte Aufarbeitung der Messmethoden damit geschlossen werden. Des Weiteren ließ sich im zweiten Teil der Status quo des Einsatzes der Instrumente und Verfahren zur Messung und Steuerung in der Praxis mittels einer empirischen Umfrage ermitteln. Der Untersuchungsansatz hat gewährleistet, dass besonders Innovationsführer auf diesem Gebiet befragt wurden. Im Ergebnis konnten neben dem reinen Status quo auch Informationen zu aktuellen Problemstellungen und zukünftigen Herausforderungen ermittelt werden. Außerdem zeigte sich, dass die notwendigen Daten zur Berechnung der CrossSelling-Gesamtleistung mittels Scoring oder DEA bereits heute zu großen Teilen in den Banken verfügbar sind. Somit kann die Umfrage auch die Verwendungsfähigkeit der Messmethoden der Gesamtleistung in der Praxis bestätigen. Außerdem hat die Umfrage die aktuell anhaltende hohe strategische Bedeutung des Themas Cross-Selling für Retailbanken nochmals unterstrichen. Die zweite Forschungsfrage konnte somit in diesem Teil abschließend beantwortet werden. Im letzten Teil der Untersuchung sollte die dritte Forschungsfrage nach einer Methode zur vollumfänglichen Bewertung der Cross-Selling-Anstrengungen im Sinne des Konzepts der Cross-Selling-Gesamtleistung beantwortet werden. Die Notwendigkeit für ein solches Messverfahren besteht zum einen darin, dass mittels aktueller Erfolgsmessverfahren keine eindeutigen Handlungsanweisungen generiert werden können. Zum anderen hat die empirische Untersuchung diese Problematik für die Praxis bestätigt. Kritikpunkt an den bestehenden Erfolgsmessverfahren ist hauptsächlich die Tatsache, dass keine integrierte Betrachtung der Gesamtleistung auf Basis von Erfolgen, Potenzialen und Einflussfaktoren durchgeführt wird. Nur durch die integrierte Betrachtung dieser drei Dimensionen ist auch eine Aussage zur Nachhaltigkeit der aktuell erzielten Erfolge möglich. Zur Lösung dieser Problematik wurde neben dem eher praktisch orientierten Scoringverfahren die Gesamtleistung außerdem mittels der Data Envelopment Analysis berechnet. Diese berücksichtigen Messergebnisse aus allen drei Dimensionen, so dass eine umfas-

Schlussbetrachtung

345

sende Bewertung möglich ist. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass beide Verfahren auf Basis des aufgestellten Kriterienkatalogs bessere Ergebnisse für die Steuerung liefern, als aktuelle Erfolgsmessverfahren. Besonders die DEA kann durch die modellendogene Gewichtung von Inputfaktoren bestehende Problematiken der Subjektivität des Scorings lösen. Durch die Ermittlung eines Effizienzwerts und des damit verbundenen Benchmarkings der Untersuchungseinheiten ist es möglich, Handlungserfordernisse abzuleiten. Besonders die granulare Sichtweise mittels der DEA-Matrix kann Aussagen zur Dringlichkeit von Anpassungen geben. Die empirische Überprüfung der Verwendung in der Praxis hat darüber hinaus gezeigt, dass das Verfahren des Scorings in der Praxis bereits verbreitet ist. Der DEA konnte jedoch noch keine so breite Verwendung bescheinigt werden. Für beide Verfahren gilt jedoch, dass diese Steuerungsimpulse geben, die zu eindeutigen Handlungsempfehlungen führen. Im Ergebnis konnte damit die dritte Forschungsfrage beantwortet werden. Im Rahmen der Untersuchung hat sich herauskristallisiert, dass besonders bei der Messung der Treffergenauigkeit der Potenzialmodelle weiterer Forschungsbedarf besteht. Die aktuelle Multikanalorientierung der Banken führt dazu, dass nicht eindeutig messbar ist, ob Kunden ein Produkt auf Basis der gemachten Potenzialaussage erworben haben. Des Weiteren sollte zukünftig ein Augenmerk auf Verfahren gelegt werden, die es erlauben, die kundenbezogenen Einflussfaktoren auf Einzelkundenebene zu messen. Je granularer diese gemessen werden, desto detailliertere Aussagen können in Bezug auf die Cross-Selling-Gesamtleistung abgeleitet werden. Außerdem besteht aus der Praxis die Anforderung Produkte zu gestalten, deren Konfiguration dem Kunden einen Mehrwert bieten, wenn dieser mehrere Produkte bei der Bank unterhält. Im Hinblick auf das aufgestellte DEAModell hat sich gezeigt, dass dieses zur Messung der Gesamtleistung herangezogen werden kann. Zukünftig kann anhand eines empirischen Datensatzes geprüft werden, ob weitere Modellrestriktionen auf Grund von Faktorbeschränkungen in ein solches Modell integriert werden müssten. Des Weiteren sollte das hier vorgestellte Konzept der Cross-Selling-Gesamtleistung auf dessen Anwendbarkeit in anderen Branchen geprüft werden, da CrossSelling nicht nur bei Banken ein wichtiges Thema ist. Zur Beantwortung der Übertragbarkeit der Ergebnisse stehen vor allem Fragestellungen der branchenübergreifenden Definition von Cross-Selling, der Unterschiedlichkeit der Messinstrumente, den bestehenden Einflussfaktoren und dem Status quo der Messung und Steuerung im Vordergrund.

Anhang

347

Anhang A1: Fragebogen zur Ermittlung des Status quo Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retailbanking

Sehr geehrte/-r Teilnehmer/-in, ein nahezu verteilter Markt im deutschen Mengengeschäft hat die Bedeutung des Vertriebs von Produkten an Bestandskunden – dem Cross-Selling – in den vergangenen Jahren stetig gesteigert. Die bisherige Forschung hat sich verstärkt dem Thema gewidmet, welche Einflussfaktoren auf das Cross-Selling wirken. Vereinzelt wurden außerdem Aussagen zu möglichen Potenzial- und Erfolgsmessinstrumenten getroffen. Bisher gibt es jedoch noch keine integrierte Sicht, die eine Bewertung der gesamten Cross-SellingLeistung zulässt und dabei sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren berücksichtigt.

Zur Klärung dieser Frage im Rahmen eines Dissertationsprojektes an der Universität Kaiserslautern soll dieser Fragebogen den aktuellen Status quo in Bezug auf die Cross-Selling orientierte Messung und Steuerung im deutschen Retailbanking untersuchen. Der Fragebogen richtet sich an deutsche Banken mit einen hohen Anteil an Retailbankingaktivitäten. Die zu Grunde liegende Leitfrage lautet: "Welche Verfahren, Methoden und Instrumente setzen Banken aktuell im Rahmen der Messung und Steuerung von Cross-Selling im Retailgeschäft ein?" Die Befragung dauert rund 45 Minuten. Auf Wunsch werden die Ergebnisse den Teilnehmern gerne zur Verfügung gestellt. Vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Mit freundlichen Grüßen, Sven Röhl

Datenschutz: Die hier erhobenen Daten werden lediglich im Rahmen des oben beschriebenen Forschungsprojekts verwendet. Die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse erfolgt in hoch aggregierter Form und lässt keinerlei Rückschlüsse auf das teilnehmende Institut oder dessen Vertreter zu.

348

Anhang

1. Allgemeine Angaben zur Bank, dem Retailbanking und der Vertriebsstruktur Freiwillige allgemeine Angaben zum Institut Zahl der Mitarbeiter bankweit - davon in Retailbanking - davon im Vertrieb von Retailbankingprodukten Zahl der Kunden im Retailbanking - davon die Anzahl im reinen Mengengeschäft - davon die Anzahl der vermögenden Privatkunden Grenze (Euro) zwischen Mengengeschäfts- und vermögenden Privatkunden Anteil der aktiven Mengengeschäftskunden (mind. 1 Transaktion im Produkt/Jahr) Kosten-Ertragsverhältnis (CIR) im Retailbanking (in %) Aktuelle Cross-Selling-Quote im Retailbanking «« »» Welche Bedeutung haben für Sie folgende Vertriebswege für das Cross-Selling aktuell und in welchen Kanälen davon stehen bereits Daten für eine bedarfsorientierte A nsprache zur Verfügung? hoch

Filiale Persönliche Beratungsgespräche in der Filiale Call Center Persönliche Beratungsgespräche am Telefon Mobiler Vertrieb durch einen Kundenbesuch Internetauftritt (frei zugänglicher Bereich) Internet-Banking (kundenspezifischer Bereich) Mobile Banking (Handy, Pocket PC etc.) Direktmarketing (E-Mail, Post) Weitere

mittel

gering

keine

Daten

11

0

0

0

0

1

7

9

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0

0

1

0

5

0

2

6

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1

7

0

3

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1

1

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4

1

1

2

4

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1

1

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2

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0

2

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3

1

0

1

2

1

7

3

2

5

2

0

0

5

0

0

0

0

0

12

0

0

«« »» Welche Bedeutung haben für Sie die folgenden Vertriebswege für das Cross-Selling in Zukunft und in welchen Kanälen planen Sie, Daten für eine bedarfsorientierte Ansprache zur Verfügung zu stellen? hoch

Filiale Persönliche Beratungsgespräche in der Filiale Call Center Persönliche Beratungsgespräche am Telefon Mobiler Vertrieb durch einen Kundenbesuch Internetauftritt (frei zugänglicher Bereich) Internet-Banking (kundenspezifischer Bereich) Mobile Banking (Handy, Pocket PC etc.) Direktmarketing (E-Mail, Post) Weitere

mittel

gering

keine

Daten

10

1

0

0

0

1

7

9

2

0

0

1

0

5

0

3

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0

1

8

0

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3

2

1

6

3

1

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0

4

4

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0

0

4

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0

2

2

3

3

1

3

4

4

1

0

0

5

0

0

0

0

0

12

0

Anhang

349

2. Messung des Cross-Selling-Potenzials Wo würden Sie für Ihr Institut Cross-Selling-Potenzial beim Kunden sehen? Potenziale bestehen beim aktuell durch den Kunden noch nicht gedeckten Bedarf Potenziale bestehen sowohl beim gedeckten als auch nicht gedeckten Kundenbedarf Potenziale bestehen nur beim schon gedeckten Kundenbedarf

0 12 0

«« »» Welche Bedeutung haben folgende D aten in Ihrer Bank zur systematischen Ermittlung von Cross-Selling-Potenzialen? hoch

Demographische Kundendaten Persönliche Kundenangaben aus der Neukundenaufnahme Daten zur aktuellen Produktnutzung Aktueller Wert des einzelnen Kunden Transaktionsdaten (Konto-, Kreditkartenumsätze) Lebenszyklusinformationen Befragungen von Kunden Persönliche Einschätzung des Kundenberaters

mittel

gering

keine

geplant

5

4

2

1

0

0

0

1

3

2

2

1

3

0

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2

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0

0

0

1

1

5

0

2

3

0

3

1

1

1

1

5

0

3

4

2

3

0

0

0

0

2

1

3

2

4

0

2

5

2

1

0

2

0

«« »» Welche der folgende Methoden zur Ermittlung von Cross-Seling-Potenzialen nutzen Sie aktuell oder planen Sie in Zukunft zu nutzen? Nutzung ja

Assoziationsanalyse Entscheidungsbäume Regressions-/Diskriminanzanalyse Clusteranalyse Neuronale Netze Weitere

0

5

7

5

1

3

6

6

0

4

6

6

1

4

1

11

1

6

1

6

0

4

1 3 2 2 0 6

Wie werden die Ergebnisse der Potenzialbestimmung für die jeweiligen Vertriebskanäle aufbereitet?

«« »»

nein

7

«« »»

Keine Aufbereitung sondern zentrale Ansprache des Kunden auf direktem Weg Übergabe der Ergebnisse an die Vertriebswege zur dortigen Ansprache Hinterlegung der Potenzial-Daten direkt am Kundenprofil (Datenbank) Weitere:

ja

5

«« »» In welchen Zeitabständen ermitteln Sie Cross-Selling-Potenziale? Wöchentlich Monatlich Quartalsweise Jährlich Laufende Berechnung bei Änderungen des Kundenproduktportfolios Anlassbezogen (Produktkampagne etc.)

In Planung

nein

5 8 4 0

350

Anhang

Welche Daten werden den Vertriebswegen bereitgestellt? Keine Datenbereitstellung Kundenbezogene Vorschläge zu Produkten mit hohem Bedarf Einfache Rangabstufung der Produktvorschläge gemäß ermitteltem Bedarf Detaillierte Bereitstellung der Wahrscheinlichkeit des Kundenbedarfs eines Produkts Weitere:

3 6

Anz. Vorschläge

1 0 0

«« »» Mittels welcher Kriterien wird die Rangfolge festgelegt, welches Produkt dem Kunden als nächstes angeboten wird? Auf Basis der ermittelten Abschlusswahrscheinlichkeiten Gemäß dem erwarteten Ertrag (DB*Abschlusswahrscheinlichkeit) Die Rangbildung obliegt der Erfahrung der Vertriebskanäle bzw. Kundenbetreuer Weitere:

4 3 3 0

«« »» Wie beurteilen Sie die IT-Ausstattung ihres Instituts zur Identifikation von Cross-SellingPotenzialen? Aktuell zu gering, um diese informationstechnisch zu identifizieren. IT-Infrastruktur ist zum gegebenen Zeitpunkt ausreichend IT-Infrastruktur ist mehr als ausreichend

1 9 0

3. Messung des Cross-Selling-Erfolgs Welche Bedeutung haben folgende Verfahren z ur Bewertung des Cross-Selling-Erfolgs aktuell und welche planen Sie in Zukunft einzusetzen? hoch

Abschlussquote (Abschlüsse/Gesamtzahl der Ansprachen) Bewertung des Erfolgs mittels Scoringmodellen Cross-Selling-Ertragsquote (CS Erträge/CS Aufwendungen) Cross-Selling-Leverage (Gesamtzahl der Retailprodukte/Einstiegsprodukt) Cross-Selling-Quote Cross-Selling-Quotenbaum Cross-Selling-Vertriebskanalanteil (Anzahl zusätzlicher Produkte/Vertriebskanal) Data Envelopment Analyse Deckungsbeitrag Kampagnenbezogene Erfolgsmessung Kundenausschöpfung (Share of Wallet) Kundenwert Potenzialausschöpfung (Bezogene Produkte/Gesamtbedarf) Reine Vergleiche zwischen Plan und Ist-Zahlen Treffergenauigkeit der angewandten Potenzialmodelle Weitere Kennzahlen

«« »»

mittel

gering

keine

geplant

6

4

1

0

0

1

1

0

2

1

0

3

6

1

3

1

1

1

1

5

1

0

0

1

1

1

9

1

5

3

2

2

0

0

0

1

1

0

0

0

10

0

2

1

1

2

0

6

1

0

0

0

0

1

11

1

5

3

0

1

1

2

1

6

4

2

0

0

0

0

2

1

1

1

0

7

1

3

2

0

3

0

4

0

1

1

3

0

1

6

2

2

1

3

2

1

3

1

1

2

2

0

0

7

1

0

1

0

0

0

11

0

351

Abschlussquote Bewertung des Erfolgs mittels Scoringmodellen Cross-Selling-Ertragsquote (CS Erträge/CS Aufwendungen) Cross-Selling-Leverage (Gesamtzahl der Retailprodukte/Einstiegsprodukt) Cross-Selling-Quote Cross-Selling-Quotenbaum Cross-Selling-Vertriebskanalanteil (Anzahl zusätzlicher Produkte/Vertriebskanal) Data Envelopment Analyse Deckungsbeitrag Kampagnenbezogene Erfolgsmessung Kundenausschöpfung (Share of Wallet) Kundenwert Potenzialausschöpfung (Bezogene Produkte/Gesamtbedarf) Reine Vergleiche zwischen Plan und Ist-Zahlen "Treffergenauigkeit" der angewandten Potenzialmodelle Weitere Kennzahlen

Mitarbeiter

Kunden

Vertrieb

Welche der genutzten Verfahren werden für die Bewertung des Cross-Selling-Erfolgs in den Bereichen Kunden, Produkte, Vertriebswege und Mitarbeiter eingesetzt?

Produkte

Anhang

4

0

6

3

1

1

0

1

2

2

1

2

0

1

0

1

5

6

4

2

1

2

1

1

3

1

1

3

0

0

0

0

7

5

4

5

6

2

3

4

0

2

0

1

1

5

0

0

0

2

0

1

3

3

3

3

3

2

1

2

0

0

0

0

«« »» Wenn Sie die Cross-Selling Quote nutzen, welche Summe bilden Sie dazu im Zähler? Es wird jedes einzelne von Kunden gehaltene Produkt im Zähler addiert

5

Es wird die Anzahl der nachfolgend abgedeckten Produktgruppen im Zähler aufaddiert - Girokonten - Kreditkarten - Sparprodukte - Privatkredite - Immobilienkredite - Versichern und Vorsorgen - Wertpapiere - Weitere Produktgruppen:

6 6 5 6 6 4 6 3

«« »» Wenn Sie die Cross-Selling-Quote nutzen, welche Komponenten addieren Sie dazu im Nenner? Gesamtzahl aller Retailkunden Anzahl Kunden aus den für den Zähler relevanten Produktkategorien Weitere:

9 2 0

«« »» Welche Bedeutung haben für Sie folgende Aussagen in B ezug auf die Werthaltigkeit von Geschäften? hoch

Jeder einzelne Produktverkauf muss einen positiven Wertbeitrag liefern. Die Potenziale einer Kundenbeziehung sind wichtiger als kurzfristiger Ertrag. Der Kundenwert ist bedeutender als die Einzelproduktkalkulation. Der Kundenlebenswert ist bedeutsamer als der aktuelle Kundenwert.

mittel

gering

1

4

5

2

0

2

7

2

1

0

1

6

4

1

0

2

3

3

2

2

352

Anhang

4. Messung der Einflussfaktoren auf das Cross-Selling

Halbj.

Länger

Nie

Gesamtbank Image und Markenbekanntheit der Bank Strategische Ausrichtung Filialgestaltung Ausrichtung des Produktprogramms in Bezug auf die Kundenbedürfnisse Adäquanz der IT-Ausstattung Cross-Selling Orientierung der internen und externen Kommunikation

Jährlich

Kunden Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Kundenvertrauen Kundenbindung Kundenprofitabilität Kundeninteraktion (Zahl der Kontakte) Kundenverhältnis Kundenbedarf

Quartal

Mitarbeiter Mitarbeiterqualifikation Anreizstruktur Führungsverhalten Mitarbeitermotivation Mitarbeiterzufriedenheit

Monatl.

In welcher Frequenz werden folgende Faktoren in Ihrem Institut bewertet?

0

1

1

6

1

3

0

0

1

9

1

1

0

0

0

7

1

4

0

1

0

3

4

4

0

1

0

4

6

1

1

1

0

8

2

0

1

0

1

7

2

1

1

0

1

8

2

0

3

0

0

7

1

1

5

0

0

5

1

1

2

1

0

6

1

2

1

0

1

6

1

3

2

0

0

7

0

3

1

1

1

7

2

0

0

0

2

6

3

1

1

0

1

0

7

3

1

1

2

4

1

3

0

1

1

1

5

4

1

1

0

0

1

9

«« »» Welche Bedeutung haben die Ergebnisse der Messung oben genannter Faktoren speziell im Rahmen der Steuerung von Cross-Selling? hoch

Mitarbeiter Mitarbeiterqualifikation Anreizstruktur Führungsverhalten Mitarbeitermotivation Mitarbeiterzufriedenheit Kunden Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Kundenvertrauen Kundenbindung Kundenprofitabilität Kundeninteraktion Kundenverhältnis Kundenbedarf Gesamtbank Image und Markenbekanntheit der Bank Strategische Ausrichtung Filialgestaltung Ausrichtung des Produktprogramms in Bezug auf die Kundenbedürfnisse Adäquanz der IT-Ausstattung Cross-Selling Orientierung der internen und externen Kommunikation

mittel

gering

keine

geplant

0

3

1

1

0

6

0

1

3

0

1

0

6

0

1

1

2

0

0

7

0

1

2

1

0

0

7

0

1

2

1

0

0

7

0

3

2

0

0

0

6

0

0

3

1

0

0

7

0

1

2

1

0

0

7

0

2

2

0

0

0

7

0

1

2

0

1

1

6

0

0

1

1

1

1

7

0

0

2

0

1

1

7

0

1

3

0

0

0

7

0

2

2

0

1

0

6

0

1

1

2

1

0

6

0

0

1

2

0

1

7

0

1

3

1

0

0

6

0

0

1

1

1

1

7

0

1

2

1

1

0

6

0

Anhang

353

5. Steuerung von Cross-Selling Welche Bedeutung haben für Sie folgende Methoden der strategischen Steuerung von CrossSelling im Retailbanking? hoch

Anreizorientierte Steuerung Data Envelopment Analyse Personalkapazitätsplanung mittels Ergebnisse der Kundenpotenzialanalysen Potenzialorientierte Kundensegmentierung Wertorientierte Kundensegmentierung (ABC-Analyse etc.) Steuerung mittels Cross-Selling-Verankerung in der Unternehmensstrategie Steuerung mittels Erfolgsscoring-Modellen Weitere:

mittel

gering

keine

2

7

1

0

0

1

0

0

1

0

1

9

2

2

2

1

1

3

2

4

0

2

1

2

1

3

3

0

2

2

1

1

3

2

0

0

2

0

2

1

6

0

0

0

0

0

11

4

«« »» Welche Bedeutung haben für Sie folgende Methoden der operativen Steuerung von CrossSelling im Retailbanking? hoch

Aktivitätencontrolling Anreizorientierte Steuerung Budgetierung von Vertriebszielen Data Envelopment Analyse Potenzialbasierte Einzelkundenansprache Wertbasierte Einzelkundenansprache Steuerung mittels Erfolgsscoringmodellen Weitere:

mittel

gering

keine

4

3

2

1

0

1

3

4

1

1

0

2

1

4

2

1

1

2

0

1

0

0

2

8

3

3

1

2

1

1

2

2

1

1

2

3

1

1

0

1

2

6

0

0

0

0

2

9

«« »» Welche Bedeutung haben für Sie folgende Aussagen zur Eindeutigkeit der Ergebnisse der Erfolgsmessung zur Verwendung in der Steuerung? hoch

Die einzelnen Erfolgs-Messergebnisse ergeben eindeutige Handlungsanweisungen. Die einzelnen Erfolgs-Messergebnisse ergeben keine eindeutige Handlungsanweisungen. Eine alleinige Steuerung auf Basis der Erfolgsmessung ist nicht möglich. Eine Steuerung muss immer Potenziale und Erfolge berücksichtigen. Eine Steuerung muss sowohl Potenziale, Erfolge als auch Einflussfaktoren berücksichtigen.

mittel

gering

0

3

3

4

1

2

5

1

1

2

2

5

3

1

0

1

6

4

0

0

1

3

5

1

1

354

Anhang

6. Cross-Selling-Fokussierung der Anreizsysteme Welche der folgenden Kenngrößen werden im Rahmen der leistungsorientierten Vergütung der Mitarbeiter herangez ogen? Unser Institut besitzt keine leistungsorientierte Vergütungsstruktur.

1

Deckungsbeitrag/Kunde Cross-Selling-Quote Share of Wallet Kontaktquote Terminquote Gesprächsquote Abschlussquote Mitarbeiterkompetenz Führungsverhalten Kundenlebenswert Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Kundenbindung Weitere:

4 3 2 1 0 2 5 2 3 1 5 1 2 1

«« »» In welchen Zeitabständen wird die Zielerreichung gemessen und incentiviert? Messung

Monatlich Quartalsweise Halbjährlich Jährlich

Incentivierung

6

0

5

4

0

0

8

11

7. Organisatorische Gestaltung der Cross-Selling-Messung In welcher organisatorischen Einheit erfolgt die Messung von Potenzialen, Erfolgen oder Einflussfaktoren? Potenziale

Oberste Leitungsebene Im Vertriebscontrolling des Retailgeschäfts Im Vertriebscontrolling der Gesamtbank Im Marketing Im Human Ressource Bereich In den einzelnen Vertriebskanälen separat In einer speziell auf Cross-Selling-Messung spezialisierte Abteilung Weitere:

«« »»

Erfolge

Einflüsse

0

2

1

5

8

3

2

3

2

3

2

3

0

0

2

2

3

1

2

2

1

0

0

1

Anhang

355

In welcher organisatorischen Einheit werden die Ergebnisse der Messung von Potenzialen, Erfolgen oder Einflussfaktoren genutzt? Potenziale

Oberste Leitungsebene Im Vertriebscontrolling des Retailgeschäfts Im Vertriebscontrolling der Gesamtbank Im Marketing Im Human Ressource Bereich In den einzelnen Vertriebskanälen separat In einer speziell auf Cross-Selling-Steuerung spezialisierte Abteilung Weitere:

Erfolge

Einflüsse

6

8

4

7

8

3

5

5

3

6

4

5

0

1

2

7

7

5

1

2

1

0

0

0

«« »» Welcher der folgenden Aussagen in Bezug auf eine organisatorische Verankerung zur Messung und Steuerung von Cross-Selling stimmen Sie zu?

Die bisherige Verankerung in der Orga ist ausreichend Die Durchführung der Potenzial und Erfolgsmessung muss getrennt erfolgen Die Messung und Steuerung sollte von einer einzigen Abteilung ausgehen

8 0 5

8. Institutsspezifische Ausprägung ausgewählter Kennziffern Wie würden Sie ihr Haus im Vergleich zu den anderen Instituten bei den folgenden Ausprägungen einschätzen? Erfolge Cross-Selling Quote Deckungsbeitrag je Geschäft Deckungsbeitrag je Bestandskunde Share of Wallet

besser

Potenziale Offene Potenziale im Kundenstamm Durchschnittliche Kundenlebenswerte Einflussfaktoren Kundenzufriedenheit Kundenbindung Mitarbeiterausbildung Mitarbeiterzufriedenheit Gestaltung des Produktprogramms Markenwahrnehmung «« »» Welche strategische Gewichtung würden Sie den einzelnen Bereichen zuordnen (Summe 100%)? Erfolge Potenziale Einflussfaktoren

‡

schlechter

0

0

5

3

0

1

1

4

1

1

1

1

5

1

0

0

0

5

1

0

1

1

3

3

0

0

3

4

1

0

2

5

2

0

0

1

5

3

0

0

2

3

4

0

0

0

5

3

0

1

1

3

3

2

0

3

1

3

1

1

356

Anhang

9. Ansprechpartner Die Angaben zur Person sind freiwillig und werden in jedem Fall vertraulich behandelt. Sollte jedoch Interesse an den Ergebnissen der Studie bestehen, wird - sofern noch nicht vorhanden - mindestens Ihre Email-Adresse benötigt. Ich möchte einen Ergebnisbericht der Studie zugesandt bekommen Institut Name, Vorname Abteilung Telefon eMail-Adresse

Abb. 77: Fragebogen der empirischen Umfrage

ja

nein

Anhang

357

A2: In-, Output- und Ergebnisdaten der DEA-Beispielrechnung Input

Output

Ergebnisse

FilialNr.

CSP

KDZFH

KDOT

QdM

MA

DGSQ

CSQ

DDBII

Rang

Effizienz Grad

Delta

1

3,76

2,63

3,28

3,81

25

0,49

3,79

104

30

0,96

2

3,85

3,02

2,47

2,83

22

0,66

3,27

290

1

1,00

0%

3

3,29

3,79

3,96

2,47

22

0,44

2,16

155

46

0,70

43 %

4

3,05

2,9

2,37

3,76

28

0,66

2,77

113

45

0,70

43 %

5

1,31

3,36

3,29

3,42

11

0,31

2,54

125

1

1,00

0%

6

3,93

2,42

2,87

3,01

18

0,43

1,43

207

1

1,00

0%

7

3,3

2,38

2,68

3,59

22

0,61

1,38

147

48

0,54

84 %

8

3,27

2,72

3,84

3,01

28

0,72

1,03

131

50

0,45

120 %

9

4,37

3,77

2,73

3,97

24

0,34

3,89

275

1

1,00

0%

10

4,49

3,11

2,4

2,36

17

0,73

3,36

195

28

0,97

3%

11

2,21

2,58

3,46

2,28

13

0,38

3,94

149

1

1,00

0%

12

2,61

3,13

2,49

2,63

13

0,46

1,91

146

43

0,71

40 %

13

1,8

3,66

2,59

2,52

15

0,79

3,7

194

1

1,00

0%

14

3,64

3,24

2,14

2,77

16

0,61

1,34

156

47

0,60

67 %

4%

15

3,35

3,73

3,26

3,13

22

0,75

3,16

241

35

0,90

11 %

16

4,54

3,73

2,12

2,55

19

0,6

2,56

216

36

0,90

11 %

17

3,47

3,05

2,63

3,88

21

0,47

1,34

126

49

0,47

112 %

18

1,43

3,93

3,63

3,89

14

0,42

3,02

122

32

0,94

6%

19

2,43

2,84

2,3

2,01

12

0,8

3,13

257

1

1,00

0%

20

4,73

2,31

2,61

3,25

23

0,43

1,9

133

44

0,71

42 %

21

2,47

2,67

2,02

3,85

11

0,35

3,97

156

1

1,00

0%

22

3,17

3,47

2,16

2,26

17

0,75

3,21

175

1

1,00

0%

23

4,86

3,15

2,99

2,77

19

0,76

3,69

254

1

1,00

0%

24

1,42

2,04

2,06

2,27

12

0,75

2,25

284

1

1,00

0%

25

2,61

3,58

2,35

3,87

10

0,55

2,22

155

1

1,00

0%

26

4

3,67

3,8

2,33

29

0,77

2,13

293

1

1,00

0%

27

4,07

3,31

2,09

3,24

17

0,63

3,96

125

1

1,00

0%

28

4,54

3,09

3,64

2,92

28

0,52

3,36

236

33

0,94

6%

29

3,16

3,62

3,84

3,97

26

0,53

3,1

179

40

0,80

24 %

30

4,57

2,29

2,46

3,84

29

0,5

3,41

135

1

1,00

0%

31

4,6

3,75

2,61

3,89

25

0,47

3,99

105

1

1,00

0%

32

1,55

2,17

2,06

2,37

12

0,49

2,8

198

1

1,00

0%

33

2,12

3,24

3,95

3,21

14

0,48

3,16

263

1

1,00

0%

34

4,66

3,73

2,54

2,51

19

0,47

3,39

277

1

1,00

0%

35

4,01

2,91

3,21

2,81

22

0,69

3,93

207

1

1,00

0%

358

Anhang

Input

Output

Ergebnisse

FilialNr.

CSP

KDZFH

KDOT

QdM

MA

DGSQ

CSQ

DDBII

Rang

Effizienz Grad

36

3,57

3,63

2,93

3,33

20

0,43

3,18

190

39

0,82

22 %

37

3,87

2,73

2,35

2,96

24

0,63

2,57

149

42

0,72

39 %

38

3,89

3,71

2,42

2,75

18

0,42

2,94

173

34

0,91

10 %

39

3,72

3,58

3,75

3,17

24

0,78

2,15

210

41

0,72

38 %

40

3,21

2,64

2,29

3,24

21

0,32

2,26

131

1

1,00

0%

41

4,62

2,01

3,61

3,83

26

0,58

2,13

253

1

1,00

0%

42

4,95

3,08

2,55

3,68

25

0,39

2,24

234

29

0,96

4%

43

2,68

3,46

3,7

3,9

13

0,5

3,35

257

1

1,00

0%

44

4,08

2,31

3,66

2,86

24

0,43

2,47

128

38

0,84

19 %

45

1,19

3,29

2,9

2,64

13

0,55

3,55

211

1

1,00

0%

46

4,34

3,06

2,09

3,81

23

0,47

1,69

196

37

0,86

16 %

47

3,76

3,73

3,43

3,02

19

0,57

2,75

283

1

1,00

0%

48

3,86

2,1

2,37

3,31

27

0,41

1,46

186

1

1,00

0%

49

3,34

3,14

2,07

3,94

28

0,45

3,15

229

1

1,00

0%

50

3,07

3,86

3,39

3,8

17

0,41

1,62

239

31

0,96

5%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

Cross-Selling-Potenzial je Kunde in Tausend Euro Kundenzufriedenheit Kundenorientierung Qualifikation der Mitarbeiter Zahl der Mitarbeiter Durchschnittliche Gesprächsquote Cross-Selling-Quote Durchschnittlicher DB II je Folgegeschäft

Durchschnittswerte im Sample: ‡ Effizienzgrad = 90,1 % ‡ Cross-Selling-Quote = 2,75 ‡ Durchschnittlicher DB II = 191,86 Euro

Tab. 32: Ergebnisse der Effizienzberechnung für alle DMUs

Delta

Anhang

359

A3: Granulare Darstellung der Effizienzzielwerte für die relativ ineffizienten DMUs Faktor Filiale 1 Input

Output Filiale 3 Input

Output Filiale 4 Input

Output Filiale 7 Input

Output Filiale 8 Input

Output

Wert aktuell

Projektion

Delta

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,76 2,63 3,28 3,81 25,00 0,49 3,79 104,00

2,35 2,63 2,66 3,15 11,89 0,36 3,96 152,89

-37,38% 0,00% -18,90% -17,26% -52,44% -25,85% 4,40% 47,01%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,29 3,79 3,96 2,47 22,00 0,44 2,16 155,00

3,29 3,13 2,94 2,47 15,80 0,44 3,52 222,42

0,00% -17,31% -25,69% 0,00% -28,19% 0,00% 62,86% 43,49%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,05 2,90 2,37 3,76 28,00 0,66 2,77 113,00

2,63 2,70 2,13 3,76 12,11 0,38 3,97 161,77

-13,90% -6,79% -10,03% 0,00% -56,76% -42,46% 43,16% 43,16%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,30 2,38 2,68 3,59 22,00 0,61 1,38 147,00

3,02 2,38 2,68 3,10 18,85 0,61 2,54 271,08

-8,35% 0,00% 0,00% -13,52% -14,32% 0,00% 84,41% 84,41%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,27 2,72 3,84 3,01 28,00 0,72 1,03 131,00

3,11 2,72 2,34 2,66 18,94 0,69 2,96 288,16

-5,01% 0,00% -38,95% -11,68% -32,36% -4,51% 187,16% 119,97%

360

Anhang

Faktor Filiale 10 Input

Output Filiale 12 Input

Output Filiale 14 Input

Output Filiale 15 Input

Output Filiale 16 Input

Output

Wert aktuell

Projektion

Delta

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,49 3,11 2,40 2,36 17,00 0,73 3,36 195,00

2,64 3,04 2,40 2,36 13,56 0,73 3,45 211,62

-41,25% -2,10% 0,00% 0,00% -20,21% 0,00% 2,80% 8,53%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

2,61 3,13 2,49 2,63 13,00 0,46 1,91 146,00

2,00 2,66 2,49 2,63 13,00 0,46 2,88 204,63

-23,45% -15,01% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 51,02% 40,16%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,64 3,24 2,14 2,77 16,00 0,61 1,34 156,00

2,41 2,58 2,14 2,77 16,00 0,61 2,77 260,75

-33,78% -20,27% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 106,75% 67,15%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,35 3,73 3,26 3,13 22,00 0,75 3,16 241,00

3,35 3,30 2,70 3,13 20,30 0,54 3,51 267,33

0,00% -11,45% -17,33% 0,00% -7,75% -28,38% 10,93% 10,93%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,54 3,73 2,12 2,55 19,00 0,60 2,56 216,00

2,02 2,40 2,12 2,55 12,52 0,60 2,84 239,82

-55,54% -35,58% 0,00% 0,00% -34,11% 0,00% 11,03% 11,03%

Anhang

361

Faktor Filiale 17 Input

Output Filiale 18 Input

Output Filiale 20 Input

Output Filiale 28 Input

Output Filiale 29 Input

Output

Wert aktuell

Projektion

Delta

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,47 3,05 2,63 3,88 21,00 0,47 1,34 126,00

3,47 3,05 2,61 3,42 20,39 0,47 3,24 267,22

0,00% 0,00% -0,84% -11,74% -2,91% 0,00% 141,75% 112,08%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

1,43 3,93 3,63 3,89 14,00 0,42 3,02 122,00

1,43 3,19 3,16 2,89 12,18 0,42 3,21 164,21

0,00% -18,94% -12,83% -25,66% -12,99% 0,00% 6,29% 34,60%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,73 2,31 2,61 3,25 23,00 0,43 1,90 133,00

2,85 2,31 2,29 3,25 17,77 0,43 2,69 188,46

-39,69% 0,00% -12,08% 0,00% -22,73% 0,00% 41,70% 41,70%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,54 3,09 3,64 2,92 28,00 0,52 3,36 236,00

3,59 3,09 2,78 2,92 20,05 0,52 3,57 251,06

-20,90% 0,00% -23,66% 0,00% -28,38% 0,00% 6,38% 6,38%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,16 3,62 3,84 3,97 26,00 0,53 3,10 179,00

3,16 3,31 2,51 3,70 17,60 0,38 3,86 222,79

0,00% -8,65% -34,51% -6,88% -32,32% -28,29% 24,46% 24,46%

362

Anhang

Faktor Filiale 36 Input

Output Filiale 37 Input

Output Filiale 38 Input

Output Filiale 39 Input

Output Filiale 42 Input

Output

Wert aktuell

Projektion

Delta

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,57 3,63 2,93 3,33 20,00 0,43 3,18 190,00

3,57 3,40 2,93 3,33 20,00 0,41 3,88 231,89

0,00% -6,30% 0,00% 0,00% 0,00% -5,15% 22,05% 22,05%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,87 2,73 2,35 2,96 24,00 0,63 2,57 149,00

2,71 2,73 2,35 2,96 13,69 0,59 3,58 207,44

-30,04% 0,00% 0,00% 0,00% -42,95% -6,93% 39,22% 39,22%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,89 3,71 2,42 2,75 18,00 0,42 2,94 173,00

2,69 2,71 2,42 2,75 14,77 0,42 3,22 189,54

-30,73% -26,95% 0,00% 0,00% -17,92% 0,00% 9,56% 9,56%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,72 3,58 3,75 3,17 24,00 0,78 2,15 210,00

3,72 3,09 2,71 2,69 22,76 0,69 2,97 290,21

0,00% -13,76% -27,66% -15,09% -5,16% -11,76% 38,20% 38,20%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,95 3,08 2,55 3,68 25,00 0,39 2,24 234,00

3,92 3,08 2,55 3,60 23,73 0,39 2,99 243,71

-20,80% 0,00% 0,00% -2,24% -5,06% 0,00% 33,58% 4,15%

Anhang

363

Faktor Filiale 44 Input

Output Filiale 46 Input

Output Filiale 50 Input

Output

Wert aktuell

Projektion

Delta

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,08 2,31 3,66 2,86 24,00 0,43 2,47 128,00

2,33 2,31 2,66 2,55 15,79 0,43 2,93 176,64

-43,00% 0,00% -27,25% -10,87% -34,23% 0,00% 18,59% 38,00%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

4,34 3,06 2,09 3,81 23,00 0,47 1,69 196,00

2,99 2,95 2,09 3,70 23,00 0,47 3,19 227,03

-31,11% -3,74% 0,00% -2,85% 0,00% 0,00% 88,73% 15,83%

CSP KDZFH KDOT QdM MA DGSQ CSQ DDBII

3,07 3,86 3,39 3,80 17,00 0,41 1,62 239,00

2,96 3,33 3,21 3,58 17,00 0,41 3,55 249,77

-3,52% -13,68% -5,30% -5,81% 0,00% 0,00% 118,92% 4,51%

Tab. 33: Effizienzzielwerte relativ ineffizienter DMUs

Literaturverzeichnis

365

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