138 52 35MB
German Pages 476 [497] Year 1993
Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von
Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann f
Abteilung I: Schriften und Reden Band 4 2. Halbband
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Max Weber Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892-1899
Herausgegeben von
Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit
Rita Aldenhoff
2. Halbband
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen
Redaktion: Rita A l d e n h o f f - Karl-Ludwig Ay - Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Werner-Reimers-Stiftung gefördert.
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Weber, Max: Gesamtausgabe / Max Weber. Im Auftr. der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hrsg. von Horst Baier . . . -Tübingen: Mohr. Abt. 1, Schriften und Reden. NE: Baier, Horst [Hrsg.]; Weber, Max: [Sammlung] Bd. 4. Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik: Schriften und Reden 1892-1899/ hrsg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff. Halbbd. 2. - (1993) ISBN 3-16-145808-7 Gewebe ISBN 3-16-145809-5 Hldr. N E : Mommsen, Wolfgang J. [Hrsg.]
978-3-16-158128-1 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© 1993 J . C . B . Mohr (Paul Siebeck)Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von der Druckerei Guide in Tübingen auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen nach einem Entwurf von Alfred Krugmann in Stuttgart.
Inhaltsverzeichnis (1. Halbband) Vorwort
xv
Siglen, Zeichen, Abkürzungen Einleitung
xvm l
I. Schriften „Privatenqueten" über die Lage der Landarbeiter Editorischer Bericht Text
71 74
Zur Rechtfertigung Göhres Editorischer Bericht Text
106 108
Die Erhebung des Vereins für Sozialpolitik über die Lage der Landarbeiter Editorischer Bericht Text
120 123
Wie werden einwandfreie Erhebungen über die Lage der Landarbeiter angestellt? Editorischer Bericht Text
154 156
Die ländliche Arbeitsverfassung. Referat und Diskussionsbeiträge auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik am 20. und 21. März 1893 Editorischer Bericht Texte
157 165
Referat Erster Diskussionsbeitrag Zweiter Diskussionsbeitrag
165 199 206
VI
Inhaltsverzeichnis
Die Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Verhältnisse der Landarbeiter Deutschlands Editorischer Bericht Text
208 209
Zwei neue Schriften zur Landfrage im Osten Editorischer Bericht Text
220 223
Die Evangelisch-sozialen Kurse in Berlin im Herbst dieses Jahres Editorischer Bericht Text
229 233
Rezension von: Theodor Freiherr von der Goltz, Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat Editorischer Bericht Text
238 240
Landwirtschaft und Agrarpolitik. Grundriß zu 8 Vorlesungen im Evangelisch-sozialen Kursus zu Berlin. Oktober 1893 Editorischer Bericht Text
254 259
Monographien von Landgeistlichen über die Lage der Landarbeiter Editorischer Bericht Text
272 275
Argentinische Kolonistenwirthschaften Editorischer Bericht Text
282 286
Rezension von: Bodo Lehmann, Die Rechtsverhältnisse der Fremden in Argentinien Editorischer Bericht Text
304 306
Die deutschen Landarbeiter. Korreferat und Diskussionsbeitrag auf dem fünften Evangelisch-sozialen Kongreß am 16. Mai 1894 Editorischer Bericht Texte
308 313
Inhaltsverzeichnis Korreferat Diskussionsbeitrag
VII 313 342
Rezension von: Was heißt Christlich-Sozial? Gesammelte Aufsätze von Friedrich Naumann Editorischer Bericht Text
346 350
Entwickelungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter Editorischer Bericht Texte
362 368
Erste Fassung Zweite Fassung
368 425
Zum Preßstreit über den Evangelisch-sozialen Kongreß Editorischer Bericht Text
463 467
Die Verhandlungen der Preußischen Agrarkonferenz Editorischer Bericht Text
480 483
Das Anerbenrecht auf der preußischen Agrarkonferenz Editorischer Bericht Text
500 502
Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm Editorischer Bericht Text
512 517
Eingesandt Editorischer Bericht Text
520 522
„Römisches" und „deutsches" Recht Editorischer Bericht Text
524 526
VIII
Inhaltsverzeichnis
(2. Halbband) Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede - Editorischer Bericht Text
535 543
Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck Editorischer Bericht Text
575 577
Rezension von: Karl Grünberg, Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien Editorischer Bericht Text
579 581
Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern Editorischer Bericht Text
586 589
Agrarpolitik. Grundriß einer Vortragsreihe Editorischer Bericht Text
597 599
Rezension von: Wilhelm Vallentin, Westpreußen seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts Editorischer Bericht Text
602 604
Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Hans Delbrück: „Die Arbeitslosigkeit und das Recht auf Arbeit" Editorischer Bericht Text
606 609
Diskussionsbeitrag in der Debatte über das allgemeine Programm des Nationalsozialen Vereins Editorischer Bericht Text
612 619
Inhaltsverzeichnis
IX
Diskussionsbeiträge zum Vortrag von Karl Oldenberg: „Über Deutschland als Industriestaat" Editorischer Bericht Texte
623 626
Erster Diskussionsbeitrag Zweiter Diskussionsbeitrag
626 639
Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechtes, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung? Editorischer Bericht Text
641 645
Stellungnahme zu der von der Allgemeinen Zeitung im Dezember 1897 veranstalteten Flottenumfrage Editorischer Bericht Text
667 671
Über die Schriftenreihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen" Editorischer Bericht Text
674 677
Herr v. Miquel und die Landarbeiter-Enquete des Vereins für Sozialpolitik Editorischer Bericht Text
678 683
Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands Editorischer Bericht Texte
687 693
1. Werbetext 2. Vorbemerkung des Herausgebers 3. Anmerkung des Herausgebers
693 694 711
II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge Zur Polenfrage Diskussionsbeitrag auf dem ersten Alldeutschen Verbandstag am 9. September 1894 in Berlin Editorischer Bericht Bericht in der Flugschrift des Alldeutschen Verbandes
715 717
X
Inhaltsverzeichnis
Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft Vortrag am 12. März 1895 in Frankfurt am Main Editorischer Bericht Bericht der Frankfurter Zeitung Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten
720 722 724 726
Über Burschenschaften und Corps Rede am 20. Juli 1895 in Freiburg Editorischer Bericht Bericht der Breisgauer Zeitung
729 731
Die Bedeutung des Luxus Vortrag am 29. Oktober 1895 in Gießen Editorischer Bericht Erster Bericht des Frankfurter Volksboten Zweiter Bericht des Frankfurter Volksboten
732 734 735
Agrarpolitik Vortragsreihe am 15., 22. und 29. Februar, 7. und 14. März 1896 in Frankfurt am Main Editorischer Bericht Erster Vortragsabend: Agrargeschichte Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten Bericht der Frankfurter Zeitung Zweiter Vortragsabend : Agrarverfassung Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten Dritter Vortragsabend: Agrarkredit Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten Vierter Vortragsabend: Die Landarbeiter Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten Fünfter Vortragsabend: Agrarschutz und positive Agrarpolitik Bericht des Frankfurter Journals Bericht des Frankfurter Volksboten Bericht der Frankfurter Zeitung Bericht Friedrich Naumanns über die ersten drei Vortragsabende
743 748 751 755 756 759 763 766 770 773 777 779 785 788
Die Zukunft der deutschen Bodenverteilung Vortrag am 7. März 1896 in Frankfurt am Main Editorischer Bericht Bericht der Frankfurter Zeitung Bericht des Frankfurter Volksboten
791 794 796
Inhaltsverzeichnis
XI
Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen Vortrag am 26. September 1896 in Berlin Editorischer Bericht Bericht der Vossischen Zeitung Bericht des Berliner Tageblatts
799 803 808
Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die Bevölkerungs-Bewegung Vortrag am 9. Januar 1897 in Saarbrücken Editorischer Bericht Bericht der St. Johanner Zeitung
810 814
Das Polenthum in den deutschen Ostmarken Vortrag am 13. März 1897 in Freiburg Editorischer Bericht Bericht der Freiburger Zeitung Bericht der Breisgauer Zeitung
819 821 824
Agrarpolitik Vortragsreihe vom 4. bis 8. Oktober 1897 in Karlsruhe Editorischer Bericht Berichte der Badischen Landeszeitung Bericht des Heidelberger Zeitung
826 830 841
Der Gang der wirthschaftlichen Entwicklung Vortragsreihe am 19. und 26. November, 3. und 10. Dezember 1897 in Mannheim Editorischer Bericht Berichte des General-Anzeigers der Stadt Mannheim und Umgebung
842 846
Bodenverteilung und Bevölkerungsbewegung Vortrag am 7. Dezember 1897 in Straßburg Editorischer Bericht Bericht der Straßburger Post
853 855
Anhang I : Mitunterzeichnete Eingaben und Aufrufe Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit Editorischer Bericht Text
859 861
XII
Inhaltsverzeichnis
Eingabe an den Evangelischen Oberkirchenrat zum Entwurf einer neuen Agende Editorischer Bericht Text
863 866
Erklärung gegen die Umsturzvorlage Editorischer Bericht Text
872 879
Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung Editorischer Bericht Text
885 890
Kundgebung gegen die Sprachenverordnungen in Österreich Editorischer Bericht Text
896 899
Aufruf zum Besuch eines sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe vom 4. bis 8. Oktober 1897 Editorischer Bericht Text
900 902
Anhang II: Nachgewiesene, aber nicht überlieferte Vorträge und Diskussionsbeiträge Die Gewerbe-Gesellschaft ohne firma in jetzigem Recht Probevorlesung am 19. Januar 1892
907
Die Agrarverfassung in Deutschland Vortrag in der „Staatswissenschaftlichen Vereinigung" zu Berlin im Frühjahr 1892
908
Grundzüge der modernen sozialen Entwickelung Vortragsreihe am 20. und 27. Januar sowie am 3., 10., 17. und 24. Februar 1894 in Berlin
910
Die landwirthschaftliche Arbeiterfrage Vortrag in der „Sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigung" in Berlin, 1894 .
912
Vortrag in der sog. „kleinen staatswissenschaftlichen Gesellschaft" am 23. März 1896 in Berlin
914
Inhaltsverzeichnis
XIII
Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Georg Jellinek am 16. Februar 1898 im Verein „Frauenbildung" in Heidelberg . . .
916
Personenverzeichnis
921
Glossar
937
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
943
Verzeichnis der als Varianten zum Edierten Text berücksichtigten Textfassungen
951
Personenregister
952
Sachregister
959
Seitenkonkordanzen
1001
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
1005
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
aa ab ac
Seitenwechsel Hinzufügung des Editors Paragraph Prozent siehe Indices bei Anmerkungen Max Webers Indices bei Anmerkungen des Editors Siglen für Webers Textfassungen in chronologischer Folge Siglen für parallel überlieferte Berichte von Reden oder Diskussionsbeiträgen Seitenzählung der Druckvorlagen Indices für Varianten oder textkritische Anmerkungen Beginn und Ende von Varianten oder Texteingriffen Indices für Varianten oder Texteingriffe zu Textstellen im textkritischen Apparat
a.a.O. Ab.BI. Abschn. Abt., Abtlg. a.D. AfSS Anm. a.o. Prof. Art. Aufl. Aug.
am angegebenen Ort Abendblatt, Abendausgabe Abschnitt Abteilung außer Dienst Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Anmerkung außerordentlicher Professor Artikel Auflage August
BA Koblenz Bd. bes. bez., bezw., bzw. BGB Bl. BSB
Bundesarchiv Koblenz Band besonders beziehungsweise Bürgerliches Gesetzbuch Blatt Bayerische Staatsbibliothek
ca. cf., conf. cm c.t. Ctr.
circa confer Zentimeter cum tempore Zentner
D. d.
Doktor der evangelischen Theologie der
[ ] § % 2 \ 3 1 2 3
)
A, B, C A(1),A(2),A(3) A1,A2, A3 a b c a...a
b...b
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
XV
dass. DDP dergl. ders. Dez. d.h. d.i. d.J. d. M. Dr. DV
dasselbe Deutsche Demokratische Partei dergleichen derselbe Dezember das heißt das ist dieses Jahres dieses Monats Doktor Druckfehlerverzeichnis
ebd. EO, E O K etc.
ebenda Evangelischer Oberkirchenrat et cetera
f., ff. Febr. Frhr. FZ
folgende Februar Freiherr Frankfurter Zeitung
Geh. Rat, Geh.-Rat ggf. GLA GS
Geheimer Rat, Geheim-Rat gegebenenfalls Generallandesarchiv Gesetz-Sammlung; Sammlung der für die Königlichen Preußischen Staaten erschienenen Gesetze und Verordnungen von 1806 bis zum 27. Oktober 1810. Als Anhang zu der seit dem Jahre 1810 edirten Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten. - Berlin 1822; Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Jg. 1 8 1 0 - 1 9 0 6 . - Berlin 1 8 1 0 - 1 9 0 6 . Fortgesetzt unter dem Titel: Preußische Gesetzsammlung, Jg. 1 9 0 7 - 1 9 4 4 . - B e r l i n 1 9 0 7 - 1 9 4 4 .
Ha., ha, ha. HdStW1,2,3
Hg., hg. hl, hl. HSA HStA
Hektar Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von Johannes Conrad u.a. [1. Aufl.], 6Bände, 2Supplementbände. - Jena: Gustav Fischer 1 8 9 0 - 1 8 9 7 ; 2.Aufl., 7Bände, 1 8 9 8 - 1 9 0 1 ; 3. Aufl., 8 Bände, 1 9 0 9 - 1 9 1 1 . Herausgeber, herausgegeben Hektoliter Handschriftenabteilung Hauptstaatsarchiv
i.B., i.Br. inkl.
im Breisgau inklusive
Jan. Jg.
Januar Jahrgang
Kap. kg Kgl.
Kapitel Kilogramm Königlich
XVI
Siglen, Zeichen,
Abkürzungen
I.e. Leg. Per.
loco citato Legislaturperiode
m M„ Mk. masch. m.a. W. Mdpr. AH Mdpr. HH MdR m.E. Mill. Mo. Bl. Mommsen, Max Weber Ms. m.W. MWG
Meter Mark maschinenschriftlich mit anderen Worten Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses Mitglied des preußischen Herrenhauses Mitglied des Reichstags meines Erachtens Million, Millionen Morgenblatt, Morgenausgabe Mommsen, Wolfgang J., Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 19742. Manuskript meines Wissens Max Weber-Gesamtausgabe
n.Chr. NF Nl. No., Nr. Nov. NZ
nach Christus Neue Folge Nachlaß Nummer November National-Zeitung
o.J. Okt. o.[ö.] Prof.
ohne Jahr Oktober ordentlicher [öffentlicher] Professor
p.Ct., pCt., Proz. Pfd. Pf., Pfg. Phil. Fak. P. P. Prof. PSt
Prozent Pfund Pfennig Philosophische Fakultät Praemissis praemittendis Professor Poststempel
Rep. resp. RGBl Riesebrodt
Repertorium respektive Reichsgesetzblatt Riesebrodt, Martin, Einleitung; Editorischer Bericht, in: Weber, Max, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, 1892, hg. von Martin Riesebrodt.-Tübingen: J.C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984 (MWG I/3), S. 1 - 1 7 , 1 8 - 4 7 .
s. S„ SS. SBPK Schulthess
siehe Seite, Seiten Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Europäischer Geschichtskalender, hg. von Heinrich Schulthess, Jg. 1 (1860) - Jg. 25 (1884); fortgesetzt unter dem Titel: Schulthess' Europäischer Geschichtskalender, hg. von Hans
Siglen, Zeichen,
Sept. Sess. Slg. sog., sogen. Sp. SPD Sr. StA Sten. Ber.
Abkürzungen
XVII
Delbrück u.a., Jg. 26 (1885) - Jg. 59 (1918). - Nördlingen, bzw. ab 30. Jg. (1890), München: C.H. Beck 1 8 6 1 - 1 9 2 2 . September Session Sammlung sogenannt Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Seiner Staatsarchiv Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Bd. 1 - 1 5 , 1 8 6 7 - 1 8 7 0 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Zollparlaments, Bd. 1 6 - 1 8 , 1 8 6 8 - 1 8 7 0 ; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages, Bd. 1 9 - 3 2 5 , 1 8 7 1 - 1 9 1 8 . - Berlin: Julius Sittenfeld 1867-1918.
Suppl.-Band s.Z.
Stenographische Berichte über die Verhandlungen des schen Hauses der Abgeordneten 1 8 7 1 - 1 9 1 8 . W. Moeser 1 8 7 1 - 1 9 1 9 . Stenographische Berichte über die Verhandlungen des schen Herrenhauses 1871 - 1 9 1 8 . - Berlin: Verlag der chen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei 1871 - 1 9 1 9 . Supplement-Band seinerzeit
To.
Tonne
U.A., u.a. UA UB undat. u.s.w.
und Andere; unter anderem Universitätsarchiv Universitätsbibliothek undatiert und so weiter
v. VA Vf. vgl., vergi. v.H.
von Verlagsarchiv Verfasser vergleiche von Hundert
Weber, Marianne, Lebensbild 1
Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1926 1 (Nachdruck = 3. Aufl. - Tübingen 1984; 4. A u f l . - M ü n c h e n : Piper1989).
z.B. zit. n. ZStA
zum Beispiel zitiert nach Zentrales Staatsarchiv der DDR (jetzt: Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam, bzw. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Merseburg) zum Teil zurZeit
Sten. Ber. pr. AH
Sten. Ber. pr. HH
z.T. z.Z., z.Zt.
PreußiBerlin: PreußiKönigli-
Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Die Akademische Antrittsrede an der Universität Freiburg i.Br. gehört zu den bedeutendsten Dokumenten des frühen politischen und wissenschaftlichen Denkens Max Webers. Sie wurde zu einem Zeitpunkt gehalten, an dem das politische System des Deutschen Reichs mit der mehr oder minder unverhüllten Etablierung des „persönlichen Regiments" Wilhelms II., für das die Kanzlerschaft des greisen Fürsten Hohenlohe-Schillingsfürst eigentlich nur eine Fassade abgeben sollte, einer schweren strukturellen Krise ausgesetzt war. In seinen Ausführungen nahm Max Weber wiederholt sowohl direkt als auch indirekt auf die aktuellen politischen Vorgänge Bezug. Im Oktober 1894 war der Reichskanzler Leo Graf von Caprivi zum Rücktritt gezwungen worden, nachdem seine innenpolitische Machtstellung durch die erbitterte Agitation der preußischen Aristokratie gegen die Politik der Handelsverträge immer stärker untergraben worden war. Den Ausschlag dafür hatten die Auseinandersetzungen innerhalb der Führungselite des Deutschen Reiches und Preußens über die Frage gegeben, ob an die Stelle des Sozialistengesetzes neue gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Sozialdemokratie treten sollten, gegebenenfalls auch um den Preis einer Beschneidung der in der Verfassung garantierten bürgerlichen Rechte. Auch von Seiten der Konservativen und teilweise der Nationalliberalen in Preußen war die Forderung nach einer energischen Bekämpfung der Sozialdemokratie laut geworden; letzteres hat Max Weber, wie dies auch in der Akademischen Antrittsrede anklingt, in besonderem Maße irritiert. In eben jenen Wochen und Monaten stand die „Umsturzvorlage", die an die Stelle des 1890 nicht mehr erneuerten Sozialistengesetzes treten sollte, zur Debatte. 1 Max Weber sah in diesem jüngsten, höchst plumpen Versuch, die Arbeiterschaft politisch zu knebeln und an ihrer sozialen Emanzipation zu hindern, ein äußerst bedenkliches Symptom dafür, wie weit es mit der politischen Kultur des Deutschen Reiches gekommen war; einige
1 Die „Umsturzvorlage" kam am 8. Mai 1895 in zweiter Lesung in den Reichstag und wurde am 10. und 11. Mai 1895 abgelehnt; Weber hielt die Antrittsrede am 13. Mai 1895.
536
Der Nationalstaat
und die
Volkswirtschaftspolitik
der politischen Ausführungen der Antrittsrede beziehen sich direkt auf diese Vorgänge. Vor allem aber war er tief beunruhigt darüber, daß die eben anlaufenden politischen Bemühungen zugunsten einer kraftvollen deutschen Weltpolitik, nachdem Bismarck in den späteren 1880er Jahren jegliches Interesse an einer Politik kolonialer Erwerbungen verloren hatte, bei Teilen des deutschen Bürgertums, und namentlich bei einem Teil der bürgerlichen politischen Parteien, auf keine Gegenliebe stießen. Insbesondere die Freisinnige Volkspartei unter Führung Eugen Richters stellte sich allen kolonialpolitischen Bestrebungen entgegen, nicht zuletzt deshalb, weil man dieser Reichsleitung nicht das notwendige Vertrauen entgegenbrachte, die deutschen politischen Interessen angemessen zu vertreten. Max Weber hatte sich mit der Bearbeitung der Enquete des Vereins für Socialpolitik zur Lage der Landarbeiter in Deutschland 2 und den sie begleitenden Veröffentlichungen fast über Nacht große wissenschaftliche Reputation erworben. Wesentlich aufgrund dieser Leistungen wurde er, obwohl er in Berlin für Handelsrecht und Römisches Staats- und Privatrecht habilitiert worden war 3 und dieses Fachgebiet dort seit dem Wintersemester 1893/94 als außerordentlicher Professor vertrat, 4 Anfang April 1894 auf den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Universität Freiburg berufen. 5 Weber nahm den Ruf an und wurde wenig später, am 25. April 1894, zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft ernannt. 6 Zum Wintersemester 1894/95 vollzog er dann den Wechsel nach Freiburg; 7 am 13. Mai 1895 hielt er dort nach herkömmlichem Brauch seine Akademische Antrittsrede. 8 2 Weber, Landarbeiter (MWG I/3). 3 Zur Habilitation Max Webers siehe die Einleitung Jürgen Deiningers zu: Weber, Max, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, 1891 (MWG I/2).-Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1986, S. 6 4 - 6 7 . 4 Vgl. Hochschul-Nachrichten, Nr. 39 vom 26. Dez. 1893, S. 16. Ausführlich: oben, S. 39, in der Einleitung zu diesem Band. 5 Weber teilte den Erhalt des Rufes sogleich Friedrich Althoff mit, der zu dieser Zeit im preußischen Kultusministerium Vortragender Rat für die Personalien der Universitäten war. Vgl. Brief an Friedrich Althoff vom 3. April 1894, ZStA Merseburg, Rep. 76 Va, Sekt. 2, Tit. IV, Nr. 45, BandV. 6 Mitteilung des badischen Kultusministeriums an den Senat der Universität Freiburg vom 30. April 1894, Universitätsarchiv Freiburg, Personalakten, Phil. Fak., sowie Biesenbach, Friedhelm, Die Entwicklung der Nationalökonomie an der Universität Freiburg i.Br. 1768-1896.-Freiburg im Breisgau: Eberhard Albert 1969, S.202. 7 Die Übersiedlung erfolgte vermutlich zwischen dem 10. September und dem 6. Oktober 1894, denn am 9. September nahm Weber in Berlin noch am ersten Alldeutschen Verbandstag teil (der Bericht über Webers Beitrag zu dieser Tagung ist unten, S. 717-719, abgedruckt), und der erste nachweisbare Brief aus Freiburg stammt vom 6. Oktober (Brief an Gustav Schmoller vom 6. Okt. 1894, ZStA Merseburg, Rep. 196, Nr. 69, Bl. 201 f.). Zu Webers Vorlesungstätigkeit in Freiburg siehe in der Einleitung, oben, S. 40f. 8 Hochschul-Nachrichten, Nr. 56 vom Mai 1985, S. 16. Vgl. auch den kurzen Bericht in
Editorischer Bericht
537
Für Max Weber bedeutete die Übernahme des Freiburger Lehrstuhls einen völligen Wechsel seines eigentlichen Fachgebiets. Es lag demnach nahe, das Thema für seine Antrittsvorlesung aus jenem Bereich zu wählen, der sein wissenschaftliches Ansehen auf dem Felde der Nationalökonomie begründet hatte. Dies waren seine Arbeiten zur Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, oder, genauer gesagt, seine Studien über die Arbeitsverfassung, die Grundbesitzverteilung und die soziale Schichtung der Grundeigentümer einerseits, sowie über die Veränderungen der Nationalitätenverhältnisse in den ostelbischen Gebieten Preußens andererseits. Als Thema für die Antrittsrede wählte er „Die Nationalität in der Volkswirtschaft" , 9 ein Titel, der dann in der späteren Druckfassung eine Änderung in „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik" erfuhr. Max Weber stützte sich bei seinem Vortrag nicht nur auf seine bisherigen Untersuchungen zur ostelbischen Landarbeiterfrage, sondern auch auf unveröffentlichtes Material, das er im Zusammenhang mit der Erhebung des Evangelischsozialen Kongresses über die Lage der Landarbeiter gesammelt und durch Hilfskräfte hatte berechnen und auswerten lassen. 10 Schon länger beschäftigte ihn die Frage, aus welchen wirtschaftlichen, politischen und psychologischen Gründen es in den östlichen Gebieten Preußens zu einer fortschreitenden Verdrängung der deutschen durch die polnische Bevölkerung gekommen sei. Er kam zu dem Ergebnis, daß sich unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Großbetriebsstruktur im Osten ohne billige polnische Arbeitskräfte nicht länger wirtschaftlich aufrechterhalten ließe und daß es daher in fortschreitendem Maße zu einer „ökonomischen Verdrängung" der deutschen Landarbeiter und der deutschen Bauern durch polnische Saisonarbeiter und Kleinbauern komme, und zwar gerade deshalb, weil diese auf einem niedrigeren Kulturniveau stünden und sich daher an die widrigen ökonomischen und sozialen Verhältnisse besser anpassen könnten. Von diesen Überlegungen leitete Weber die Forderung nach konkreten politischen Maßnahmen ab, zum einen die
der Freiburger Zeitung, Nr. 110 vom 15. Mai 1895, S.2. Die Datierung der Antrittsrede geht ebenfalls aus dem Brief Webers an den Verlag J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, hervor. 9 Vgl. Webers Brief an den Verlag J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895 (wie Anm. 8), sowie: Freiburger Zeitung, Nr. 111 vom 16. Mai 1895, S. 2, und Breisgauer Zeitung, Nr. 113 vom 15. Mai 1895, S. 2, die Berichte über die Antrittsrede unter dieser Überschrift druckten. Unter diesem Titel war die Antrittsrede zuvor auch angekündigt worden. Siehe: Hochschul-Nachrichten, Nr. 56 vom Mai 1895, S. 16. 10 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 213f. Auf S. 214 heißt es: „ Das kostbare Zahlenmaterial wurde teils Schülern zur Verfügung gestellt, teils bei späteren agrarpolitischen Aufsätzen verwertet. Einiges ging sogleich als Anschauungsmaterial in die akademische Antrittsvorlesung ein". Zur späteren Auswertung durch Webers Schüler, siehe unten, S. 688 f.
538
Der Nationalstaat
und die
Volkswirtschaftspolitik
Schließung der deutsch-polnischen Grenze für polnische Wanderarbeiter, um der polnischen Einwanderung ein für alle Mal den Weg zu verlegen, und zum anderen die Parzellierung großer Teile des Großgrundbesitzes zugunsten der Ansiedlung deutscher Bauern, die vorwiegend nicht für den Markt produzieren und demgemäß weniger krisenanfällig sein würden. Die Sprengkraft dieser politischen Schlußfolgerungen, die auf die Beseitigung der Großgrundbesitzstruktur in den östlichen Gebieten Preußens hinausliefen, wurde noch verschärft dadurch, daß Max Weber jene Ausführungen, die sich mit der theoretischen Frage beschäftigten, ob die Nationalökonomie aus sich heraus Wertmaßstäbe für die eigene Arbeit zu entwikkeln imstande sei oder nicht - eine Argumentation, die Webers spätere Forderung nach Enthaltung von Werturteilen in der Wissenschaft vorwegnahm - in seinen mündlichen Darlegungen teilweise ausließ. 11 Max Weber betonte mit äußerster Schärfe, daß nicht irgendwelche, dem Stoff selbst entnommene ethische oder eudämonistische Ideale, sondern allein die Interessen des nationalen Machtstaates den politischen Wertmaßstab für eine Beurteilung dieser Vorgänge abgeben könnten. Daran schlössen sich dann allgemeine Ausführungen über den Grad der politischen Reife der führenden Schichten der Nation an, der es offenbar verhindere, daß entschlossen das getan werde, was im Interesse der Erhaltung der Machtstellung des deutschen Nationalstaates geboten sei. Es waren vermutlich insbesondere diese Darlegungen, die einem unverhüllt vorgetragenen nationalen Machtstreben ebenso Ausdruck gaben wie einem tiefen Pessimismus hinsichtlich der im Deutschen Reich bestehenden politischen Verhältnisse, die, wie Max Weber wenig später seinem Bruder Alfred schrieb, bei seiner Zuhörerschaft „Entsetzen über die Brutalität" seiner „Ansichten" auslösten. 12 Nach seinem eigenen Bekunden entschloß sich Max Weber angesichts des großen Aufsehens, welches seine Akademische Antrittsrede gefunden hatte, diese unverzüglich dem Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Frei-
11 Siehe die Vorbemerkung zur Antrittsrede, unten, S. 543. Es handelt sich um die Passagen auf S. 561 („War es etwa überflüssig...) bis 565 (.. .nicht immer zusammenfallen."). 12 Brief an Alfred Weber vom 17. Mai 1895, ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 4: „Mit meiner Antrittsvorlesung hier habe ich übrigens Entsetzen über die Brutalität meiner Ansichten erregt, fast am zufriedensten waren die Katholiken, weil ich der .Ethischen Cultur' einen festen Tritt versetzt hatte." Freiburg war eines der Zentren des politischen Katholizismus. Die Freiburger Universität hatte von den beiden Landesuniversitäten die katholische, Heidelberg die evangelische Fakultät. Zur Gesellschaft für Ethische Kultur, zu deren Zielen die Einführung eines von kirchlichem Einfluß freien Ethikunterrichts gehörte, siehe unten, S. 573, Anm. 58.
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bürg zur Veröffentlichung anzubieten. 13 Im Zuge der Erstellung der Druckvorlage gab er der Antrittsrede nun den Titel „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik". Außerdem fügte er in die zur Veröffentlichung bestimmte Fassung jene Partie, „die sich mit der Methode der .Historischen] Schule' befaßte", wieder ein, welche er im mündlichen Vortrag „mit Rücksicht auf die Zeit" ausgelassen hatte. 14 Vermutlich am 25. oder 26. Mai schickte Weber das Manuskript an den Verlag; das Vorwort, die wahrscheinlich bereits neue Formulierung des Titels sowie ein zuvor irrtümlich dem Manuskript nicht beigegebenes Blatt übersandte er am darauffolgenden Tage. 15 Am 20. und 21. Juni wurde der Verlagsvertrag unterzeichnet. Er lautete auf den Titel „ Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik". Die Höhe der ersten Auflage wurde auf 1250 Exemplare bemessen, Weber wurden ein Honorar von 100 Mark sowie 50 Freiexemplare und weitere Exemplare zum Buchhändler-Nettopreis zugesagt. 16 Ende Juni lag die Antrittsrede im Druck vor; 17 im „Wöchentlichen Verzeichnis" des deutschen Buchhandels wurde ihr Erscheinen unter dem Datum vom 18. Juli 1895 mitgeteilt. 18 Max Weber selbst ersuchte den Verlag um die Versendung von Rezensionsexemplaren an eine Reihe namhafter, auch überregionaler Zeitungen. 19 Desgleichen bat er, Georg Simmel ein Exemplar zusenden zu lassen. 20 Das Echo in der Tagespresse und den politischen Zeitschriften war bemerkenswert. 21 Besonders zu nennen sind die Stellungnahmen Friedrich 13 Brief an J.C.B. Mohr vom 19. Mai 1895 (wie oben, Anm. 8). Für den Fall der Ablehnung wollte Weber die Antrittsrede den Preußischen Jahrbüchern anbieten. 14 Vgl. ebd. Weber gibt in diesem Brief auch an, daß die Antrittsrede eine Stunde gedauert habe. 15 Brief an J.C.B. Mohr mit dem Vermerk des Empfängers: 27. Mai 1895, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 16 Ein Exemplar des Vertrags befindet sich im VA Mohr/Siebeck, Tübingen. Im Verlagsarchiv sind auch die Absatzzahlen überliefert (1895: 580, 1 8 9 6 - 1 9 0 0 : 168, danach nur noch einzelne Exemplare). 17 Eingangsvermerk der gedruckten Antrittsrede in: Frankfurter Zeitung, Nr. 179 vom 30. Juni 1895, 4. Mo. BI..S.1. 18 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 29 vom 18. Juli 1895, S. 674. 19 Brief an J.C.B. Mohr mit dem Vermerk des Empfängers: 27. Juni 1895, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 20 Karte an J.C.B. Mohr vom 4. Aug. 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 21 Von den von Weber (Brief; wie Anm. 19) dem Verlag genannten Zeitungen und Zeitschriften (Deutsches Wochenblatt, Frankfurter Zeitung, Münchener Allgemeine Zeitung, Die Nation, Die Neue Zeit und Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung)) brachten nur die Frankfurter Zeitung, Nr. 179 vom 30. Juni 1895, 4. Mo. Bl., S. 1, und das Deutsche Wochenblatt, N . 28 vom 11. Juli 1895, S.336, Eingangsvermerke. Besprechungen erschienen u.a. in: Akademische Rundschau, Leipzig, Nr. 7 vom 11.Juli 1896, S. 115f.; Die Zeit, Wien, Band 4, Nr. 41 vom 13. Juli 1895, S.29; Schwäbischer Merkur, Nr. 186 vom
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Naumanns und Hans Delbrücks. Friedrich Naumann kommentierte die Antrittsrede zustimmend in seiner in den Kreisen der protestantischen Bildungsschicht vielgelesenen Wochenschrift „Die Hilfe". 2 2 Hans Delbrück behandelte sie in den von ihm herausgegebenen äußerst einflußreichen Preußischen Jahrbüchern, die insbesondere auch die hohe Beamtenschaft zu ihren Lesern zählten. 2 3 Darüber hinaus hatte offenbar Ernst Hasse, Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes, die Absicht, Auszüge in den „Alldeutschen Blättern" oder einer anderen Publikation des Alldeutschen Verbandes zu veröffentlichen; dazu ist es dann aber aus uns unbekannten Gründen nicht g e k o m m e n . 2 4 Weber selbst hat sechzehn Jahre später rückblickend über die Antrittsrede geurteilt: „Ich habe schon in meiner Freiburger Antrittsrede, so unreif sie in vielem gewesen sein mag, die Souveränität nationaler Ideale auf dem Gebiete aller praktischen Politik, auch der sogen. Sozialpolitik, in der rücksichtslosesten Weise vertreten, als die große Mehrzahl meiner Fachgenossen d e m Schwindel des sogen, sozialen Königtums nachlief. Aber ich habe auch damals sehr absichtlich hervorgehoben, daß Politik kein moralisch fundamentiertes Gewerbe ist noch jemals sein k a n n . " 2 5 Eine weitere Selbstinterpretation der Antrittsrede bei gleichzeitiger Distanzierung findet sich in Webers Äußerungen zur Werturteilsdiskussion von 1913. Hier heißt es: „Ausnahmslos jede, wie immer geartete Ordnung der gesellschaftlichen Beziehungen ist letztlich auch daraufhin zu prüfen, welchem menschlichen Typus sie, im Wege äußerer oder innerer (Motiv-) Auslese, die optimalen Chancen gibt, zum herrschenden zu werden. Weder ist sonst die empirische Untersuchung wirklich erschöpfend, noch ist auch die nötige tatsächliche Basis für eine - sei es bewußt .subjektive', sei es eine .objektive' Geltung in Anspruch nehmende - Bewertung überhaupt vorhanden. In sicherlich vielfach unreifer Form wollte dies seinerzeit meine
10. Aug. 1895, Ab. Bl., S. 1; General-Anzeiger für Leipzig und Umgebung, Nr. 231 vom 22. Aug. 1895, S. 1; Die christliche Welt, Nr. 42 vom 17. Okt. 1895, Sp. 1014. 22 Vgl. Naumanns Artikel „Wochenschau", in: Die Hilfe, Nr.28 vom 14. Juli 1895, S. 1 f., sowie Theiner, Peter, Sozialer Liberalismus und deutsche Weltpolitik. Friedrich Naumann Im Wilhelminischen Deutschland ( 1 8 6 0 - 1 9 1 9 ) . - B a d e n - B a d e n : Nomos 1983, S . 4 8 f . 23 Preußische Jahrbücher, Band 81, 1895, S. 3 8 5 - 3 8 9 . Zur Rezeption der Antrittsrede und ihrer Rolle als „Initialzündung für die Entstehung eines liberalen Imperialismus" in Deutschland vgl. Mommsen, Max Weber 2 , S. 7 4 - 7 6 . 24 Brief Max Webers an J. C. B. Mohr vom 7. Aug. 1895, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Das Vorhaben scheiterte offensichtlich an den Bedenken des Verlags, wie aus einem späteren Brief an den Verlag J.C.B. Mohr vom 23. Sept. 1895, VA Mohr/ Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, hervorgeht. 25 Brief an die Freiburger Kollegen vom 15. Nov. 1911, Abschrift (masch.), ZStA Merseburg, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30/6.
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akademische Antrittsrede zum Ausdruck bringen, mit der ich mich sonst in vielen wichtigen Punkten nicht mehr identifizieren kann." 26
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text „ Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede" von Dr. Max Weber, o.ö. Professor der Staatswissenschaft in Freiburg i.B. Freiburg i.B. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J.C.B.Mohr (Paul Siebeck) 1895 (A). Gemäß dem Wöchentlichen Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels1 lag die Antrittsrede am 18. Juli 1895 gedruckt vor. Die Anmerkungen Max Webers, die in A auf jeder Seite neu gezählt sind, sind hier durchnumeriert. Der Seitenverweis unten, S. 543, wurde der Seitenzählung in der vorliegenden Edition angepaßt.
26 Äußerungen zur Werturteildiskussion im Ausschuß des Vereins für Sozialpolitik. Als Manuskript gedruckt. - 0 . 0 . 1 9 1 3 , S. 108 (MWG 1/12). 1 Nr. 29 vom 18. Juli 1895, S. 674.
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Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede
Vorbemerkung. Nicht die Zustimmung, sondern der Widerspruch, welchen die nach5 stehenden Ausführungen bei vielen ihrer Hörer fanden, veranlaßten mich, sie zu veröffentlichen. Sachlich Neues werden sie Fachgenossen wie Andern nur in Einzelheiten bringen, und in welchem speziellen Sinn allein sie den Anspruch auf das Prädikat der „Wissenschaftlichkeit" erheben, ergiebt sich aus der Veranlassung ihres Entstehens. 10 Eine Antrittsrede bietet eben Gelegenheit zur offenen Darlegung und Rechtfertigung des persönlichen und insoweit „subjektiven" Standpunktes bei der Beurteilung volkswirtschaftlicher Erscheinungen. Die Ausführungen S. 561—565 hatte ich mit Rücksicht auf Zeit und Hörerkreis fortgelassen, andere mögen beim Sprechen eine 15 andere Form angenommen haben. Zu den Darlegungen im Eingang ist zu bemerken, daß die Vorgänge hier naturgemäß wesentlich vereinfacht gegenüber der Wirklichkeit dargestellt werden. Die Zeit von 1871 —1885 zeigt in den einzelnen Kreisen und Gemeinden Westpreußens keine einheitlichen, sondern charakteristisch wechselnde 20 Bevölkerungsbewegungen, die keineswegs durchweg so durchsichtig sind wie die herausgegriffenen Beispiele. Die Tendenz, welche an diesen zu veranschaulichen versucht ist, wird in anderen Fällen durch andere Momente durchkreuzt. Darauf | werde ich demnächst aus- A [IV] führlicher an anderem Ort zurückkommen. 1 Daß die Resultate, 25 welche diese Zahlen bieten können, auf unsichereren Füßen stehen
1 Auf eine solche Arbeit verweist Weber auch in anderen Texten, die um die Mitte der 1890er Jahre entstanden sind, so in seiner Rezension der Schrift Karl Grimbergs (unten, S. 584), seinem Artikel „Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern" (unten, S. 593) und in seinem Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Karl Oldenberg „Über Deutschland als Industriestaat" (unten, S. 636f.). Offensichtlich handelt es sich hierbei um den auch in seinem Fideikommißaufsatz erwähnten Plan einer „größeren agrarstatistischen Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus", den er jedoch nicht ausgeführt hat. Vgl. Weber, Max, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19,1904, S. 504 (MWG I/8).
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als diejenigen, welche die verdienstlichen Veröffentlichungen mehrerer Schüler Neumanns uns über die Nationalitätsverhältnisse in Posen und Westpreußen geliefert haben, 2 liegt auf der Hand. Aber in Ermangelung korrekten Materials müssen wir uns vorerst mit ihnen begnügen, zumal die Erscheinungen, welche sie veranschauli- 5 chen, uns in ihren Hauptzügen bereits aus den ländlichen Enqueten der letzten Jahre bekannt sind. 3 Freiburg, Mai 1895. Max Weber. I 10
2 Gemeint sind die Arbeiten von Eugen von Bergmann, Alexis Markow und Wilhelm Vallentin (Bergmann, Geschichte; Markow, Wachstum; Vallentin, Westpreußen). Alle drei Untersuchungen erschienen in der von dem Tübinger Nationalökonomen Friedrich Julius Neumann herausgegebenen Reihe „Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung in Deutschland seit dem Anfange dieses Jahrhunderts". 3 Weber bezieht sich hier auf die Erhebungen über die Verhältnisse der Landarbeiter, die 1891/92 vom Verein für Socialpolitik und 1892/93 vom Evangelisch-sozialen Kongreß durchgeführt wurden. An beiden Enqueten war Weber an führender Stelle beteiligt.
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Die Fassung meines Themas verspricht weit mehr als ich heute halten A [1 ] kann und will. Was ich beabsichtige, ist zunächst: an einem Beispiel die Rolle zu veranschaulichen, welche die physischen und psychischen Rassendifferenzen zwischen Nationalitäten im ökonomischen Kampf ums Dasein spielen. Daran möchte ich einige Betrachtungen über die Stellung der auf nationaler Grundlage ruhenden Staatswesen - wie es das unsrige ist - im Rahmen der volkswirtschaftspolitischen Betrachtung knüpfen. - Ich wähle für jenes Beispiel einen Kreis von Vorgängen, die örtlich fern von uns sich abspielen, aber seit einem Jahrzehnt die öffentliche Aufmerksamkeit wiederholt erregt haben - und bitte Sie, mir in die Ostmarken des Reiches, auf das platte Land der preußischen Provinz Westpreußen zu folgen. Dieser Schauplatz verbindet die Eigenschaft eines nationalen Grenzlandes mit ungewöhnlich schroffen Unterschieden der ökonomischen und sozialen Existenzbedingungen, und dies empfiehlt ihn für unseren Zweck. Ich kann leider nicht umhin, Ihre Geduld zunächst für eine Reihe trockener Daten in Anspruch zu nehmen. Die Provinz umschließt in ihren Landdistrikten Gegensätze von dreierlei Art. Zunächst außerordentliche Verschiedenheiten in der Güte des Ackerbodens: - von den Zuckerrübenböden der Weichselebene bis auf die sandige kassubische Höhe liegen Unterschiede in der Steuerreinertragsschätzung um das 10- und 20fache. Selbst | die Kreis- A 2 durchschnitte schwanken zwischen 43A und 33% Mk. pro ha. 4 Gegensätze ferner in der sozialen Schichtung der Bevölkerung, die diesen Boden bebaut. Wie im Osten überhaupt, kennen auch hier die amtlichen Aufnahmen neben der „Landgemeinde" eine zweite dem Süden unbekannte Form der kommunalen Einheit: den „Gutsbezirk". Und dem entsprechend heben sich im Landschaftsbilde zwischen den Dörfern der Bauern die Rittergüter ab, die Sitze der Klasse, welche dem Osten sein soziales Gepräge giebt: der Junker - , Herrenhöfe, umgeben von den einstöckigen Kathen, welche der Gutsherr nebst Ackerstücken und Weide den Tagelöhnern anweist, die das Jahr über zur Arbeit auf dem Hofe verpflichtet sind. Etwa je
4 In den Kreisen Karthaus und Schlochau betrug der Grundsteuerreinertrag pro Hektar Ackerboden 1885 jeweils im Durchschnitt 4,70 Mark, In Marienburg dagegen 33,68 Mark. Gemeindelexikon, Band 2, S. 190 und 186. - Zu dem für Webers Arbeiten grundlegenden „Gemeindelexikon" siehe oben, S. 317, Anm. 6.
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zur Hälfte ist die Fläche der Provinz zwischen beide verteilt. 5 Aber in den einzelnen Regionen schwankt der Anteil der Gutsbezirke von wenigen Prozenten bis zu % der Fläche der Kreise. 6 Endlich innerhalb dieser dergestalt in zweifacher Art sozial geschichteten Bevölkerung der dritte Gegensatz: derjenige der Nationalitäten. Und auch die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung der einzelnen Gemeindeeinheiten ist regional eine verschiedene. Diese Verschiedenheit ist es, welche uns interessiert. Dichter wird das Polentum zunächst - natürlich - mit Annäherung an die Grenze. Es nimmt aber ferner, wie jede Sprachenkarte zeigt, zu mit abnehmender Güte des Bodens. Das wird man - nicht überall mit Unrecht - zunächst historisch erklären wollen aus der Art der deutschen Okkupation, welche zuerst das fruchtbare Weichselthal überflutete. Allein wenn man nun weiter fragt: welche sozialen Schichten sind auf dem Lande die Träger des Deutschtums und des Polen-1 A 3 tums? - so zeigen uns die Ziffern der bisher zuletzt publizierten1' Bevölkerungsaufnahme von 1885 ein merkwürdiges Bild. Aus dieser Aufnahme können wir zwar die nationale Zusammensetzung der Gemeinden nicht direkt, wohl aber - wenn wir uns mit einer nur annähernden Richtigkeit der Ziffern zufrieden geben - indirekt entnehmen: durch das Mittelglied der Konfession, die innerhalb des für uns in Betracht kommenden national gemischten Gebietes mit der Nationalität bis auf wenige Prozente zusammentrifft. Scheiden wir die ökonomischen Kategorien der Bauerndörfer und der Rittergüter in den einzelnen Gegenden, indem wir sie, gleichfalls ungenau, mit den Kommunaleinheiten 2) der Landgemeinden bezw. Gutsbezirken identifizieren, so zeigt sich, daß sie sich je nach der Bodengüte in Bezug auf ihre nationale Zusammensetzung entgegengesetzt von einander verhalten: in den fruchtbaren Kreisen sind die Katholiken, „Gemeindelexikon" Berlin 1887. Für die soziale Schichtung ist diese Verwaltungseinteilung dennoch charakteristischer als die Zugrundlegung der Betriebsverteilung. In der Ebene sind Gutsbetriebe unter 100, auf der Höhe Bauernbetriebe über 200 Hektar nichts seltenes. | 2)
5 Von den 2550874 Hektar der Provinz Westpreußen entfielen 1885 1 283710 Hektar auf die Landgemeinden, 1 158204 Hektar auf die Gutsbezirke (und 108963 Hektar auf die Städte). Ebd., S. 190. 6 Im Kreis Marienburg betrug z.B. der Anteil der Gutsbezirke 1,4% der Fläche des Gesamtkreises, im Kreis Rosenberg dagegen 67,7%. Errechnet nach: ebd., S. 182, 186, 190.
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d. h. die Polen, relativ am stärksten auf den Gütern und die Evangelischen, d.h. die Deutschen[,] in den Dörfern zu finden - und gerade umgekehrt steht es in den Kreisen mit schlechtem Boden. Faßt man z.B. die Kreise mit unter fünf Mark Durchschnittssteuerreinertrag pro Hektar zusammen, so sind in den Dörfern nur 3 5 , 5 % , auf den Gütern 50,2% Evangelische, 7 nimmt man dagegen die Kreisgruppe, welche 10 bis 15 Mark Durchschnittssteuerreinertrag pro Hektar umfaßt, so sind die Evangelischen in den Dörfern mit 6 0 , 7 % , auf den Gütern | nur mit 42,1% beteiligt. 8 Wie kommt das? Warum sind in A 4 der Ebene die Güter, auf der Höhe die Dörfer die Sammelbecken des Polentums? Eins sieht man alsbald: die Polen haben die Tendenz[,] sich in der ökonomisch und sozial niedrigst stehenden Schicht der Bevölkerung anzusammeln. Auf den guten Böden, zumal der Weichselebene, stand der Bauer in seiner Lebenshaltung stets über dem Gutstagelöhner, auf den schlechten Böden dagegen, die rationell nur im Großen zu bewirtschaften waren, war das Rittergut der Träger der Kultur und damit des Deutschtums, die kümmerlichen Kleinbauern stehen dort in ihrer Lebenshaltung noch heute unter den Gutstagelöhnern. Wüßten wir das nicht ohnehin - der Altersaufbau der Bevölkerung ließe es uns vermuthen. Steigt man in den Dörfern von der Ebene zum Höhenrücken hinauf, so steigt der Anteil der Kinder unter 1 4 Jahren von 3 5 — 3 6 % mit abnehmender Bodengüte bis auf 4 0 — 4 1 % , - und wenn man damit die Güter vergleicht, so ist in der Ebene der Anteil der Kinder größer als in den Dörfern, steigt nach der Höhe zu, aber langsamer als in den Dörfern und bleibt auf derselben hinter ihnen zurück. 9 Die große Kinderzahl
7 Unter Z u g r u n d e l e g u n g der Angaben im G e m e i n d e l e x i k o n von 1885 ergibt sich in d e n e n t s p r e c h e n d e n Kreisen ein Anteil der Evangelischen an der o r t s a n w e s e n d e n Bevölkerung auf den Dörfern von 3 1 % und auf d e n Gütern von 5 0 , 6 % . Errechnet nach: ebd., S. 1 8 2 - 1 8 8 . 8 Der Anteil der Evangelischen an der o r t s a n w e s e n d e n Bevölkerung betrug in den Kreisen mit 10 bis 15 Mark durchschnittlichem Grundsteuerreinertrag in den Dörfern 5 8 , 3 % und auf den Gütern 4 3 % . Errechnet nach: ebd. 9 In seiner Landarbeiterenquete von 1892 unterteilt Weber Westpreußen in einen fruchtbaren, die östlichen und die Niederungsgebiete umfassenden, und einen weniger fruchtbaren, die westlichen Höhenbezirke umfassenden Teil. Weber, Landarbeiter, S. 199f. und 242 ( M W G I/3, S . 2 7 7 f . und 323f.). Legt man diese Einteilung auch bei seinen hier vorgestellten B e r e c h n u n g e n z u g r u n d e und ordnet d e n Kreis Briesen, d e n W e b e r bei seiner Aufstellung a n s c h e i n e n d übersehen hat, e n t s p r e c h e n d Lage und Grundsteuerreinertrag der ersten G r u p p e zu, so ergibt sich ein Anteil der Kinder unter vierzehn Jahren in
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heftet sich hier wie überall an die Fersen der niedrigen Lebenshaltung, welche die Erwägungen der Fürsorge für die Zukunft erstickt. - Wirtschaftliche Kultur, relative Höhe der Lebenshaltung und Deutschtum sind in Westpreußen identisch. Und doch konkurrieren beide Nationalitäten seit Jahrhunderten auf demselben Boden unter wesentlich gleichen Chancen mit einander. Worin ist also jene Scheidung begründet? Man ist alsbald versucht, an eine auf physischen und psychischen Rassenqualitäten 5 beruhende Verschiedenheit der Anpassungsfähigkeit der beiden Nationalitäten an die verschiedenen ökonomischen und sozialen Existenzbedingungen zu glauben. Und in der That ist dies der Grund, - der Beweis dafür liegt in der Tendenz, welche in der Verschiebung der Bevölkerung und der Nationalitäten zu Tage tritt und welche zugleich das Verhängnißvolle jener verschiedenen Anpassungsfähigkeit für das Deutschtum des Ostens erkennen läßt. Es stehen uns zur Beobachtung der Verschiebungen in den einzelnen Gemeinden allerdings nur die Zahlen von 1871 bis 1885 zum Vergleich zur Verfügung, und diese lassen uns den Anfang einer Entwicklung erst undeutlich erkennen, die sich seither nach allem, was wir wissen, außerordentlich verstärkt fortsetzt. Die Deutlichkeit des Zahlenbildes leidet ja überdies naturgemäß durch die notgedrungene, aber nicht ganz genaue Gleichsetzung von Konfession und Nationalität einerseits, Verwaltungseinteilung und sozialer Gliederung andererseits. Allein trotzdem sehen wir das, worauf es ankommt, deutlich genug. - Die Landbevölkerung der Provinz, wie diejenige großer Teile des Ostens überhaupt, zeigte während des Zeitraumes von 1880—1885 eine Tendenz zur Abnahme: in Westpreußen betrug sie 12700 Köpfe, 10 d.h., während die Bevölkerung des Reiches sich um etwa 3'/2% vermehrt hat, 11 verminderte sie sich um li/4%.12 Auch diese Erscheinung, wie die bisher besprochenen,
den fruchtbaren Dörfern der Ebene von 36,9%, bei den Dörfern in der unfruchtbaren Höhe von 38,7%; für die fruchtbaren Güter lautet der Anteil 36,6%, für die unfruchtbaren 38%. Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band 2, S. 184 und 188. 10 Die genaue Zahl beträgt 12656. Errechnet nach: ebd., S. 190f. 11 Zwischen 1880 und 1885 wuchs die Bevölkerung des Deutschen Reiches von 45234061 auf 46855704, d.h. um 3,6%. Statistik des Deutschen Reichs. Neue Folge, B a n d 3 2 . - B e r l i n : Puttkammer und Mühlbrecht 1888, S.21*. 12 Die Landbevölkerung Westpreußens sank zwischen 1880 und 1885 von 1 026083 auf 1 013427, d. h. um 1,23%. Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band 2, S. 190f.
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verteilt sich aber ungleich: in manchen Kreisen steht ihr eine Zunahme der Landbevölkerung gegenüber. Und zwar ist die Art, wie sich beide verteilen, recht eigentümlich. Nehmen wir zunächst die verschiedenen Bodenqualitäten, so wird Jeder vermuten: die Abnahme wird am stärksten die schlechtesten Böden betroffen haben, wo unter dem Druck der sinkenden Preise der Nahrungs| Spielraum zuerst zu A 6 eng werden mußte. Sieht man sich die Zahlen an, so zeigt sich: das Umgekehrte ist der Fall: gerade eine Reihe der gesegnetsten Kreise: Stuhm und Marienwerder z. B. mit rund 15—17 Mark Durchschnittsreinertrag, hatten den stärksten Abfluß: 7—8%,13 während auf der Höhe die Kreise Könitz, Tuchel mit 5—6 Mark Reinertrag mit die stärkste schon seit 1871 konstante Vermehrung erlebten. 14 Man sucht nach Erklärung und fragt zunächst: welche sozialen Schichten sind es, denen einerseits jener Abfluß entstammte, und denen andererseits diese Vermehrung zu Gute kam? Sieht man sich die Kreise mit starken Verminderungsziffern an, Stuhm, Marienwerder, Rosenberg, so sind es durchweg solche, in denen der große Grundbesitz besonders stark herrscht, und betrachtet man nun weiter die Gutsbezirke der ganzen Provinz zusammen, so kommen, trotzdem sie 1880 auf derselben Bodenfläche ohnehin eine um zwei Drittel geringere Volkszahl aufwiesen als die Dörfer, 15 doch fast 3A der Verminderung der Landbevölkerung, über 9000 Köpfe, auf sie allein: 16 ihre Bevölkerung hat um etwa 33/4% abgenommen. 17 Aber auch innerhalb der Güter ist diese Abnahme wieder verschieden verteilt, teilweise fand Zunahme statt, und wenn man die Gegenden mit starker Abnahme
13 Die ländliche Bevölkerung sank in S t u h m z w i s c h e n 1871 und 1885 um 7 , 7 % und in Marienwerder um 4 , 8 % . Errechnet nach: ebd., S . 1 8 6 f . Die Grundsteuerreinerträge pro Hektar Ackerland betrugen für S t u h m und Marienwerder in d e n L a n d g e m e i n d e n 18,02 und 17,23 Mark, in d e n Gutsbezirken 16,06 und 12,93 Mark. Ebd., S. 186. 14 In Könitz w u c h s die ländliche Bevölkerung im gleichen Zeitraum u m 9 , 7 % , in Tuchel um 2 , 9 % . Errechnet nach ebd., S. 186f. Die Grundsteuerreinerträge für Könitz und Tuchel lauten: 6,27 und 7,83 Mark in d e n L a n d g e m e i n d e n und 6,66 und 7,05 Mark auf den Gütern. Ebd., S. 186. 15 Die Bevölkerungszahl in d e n L a n d g e m e i n d e n betrug 1880 7 8 3 2 0 0 und auf d e n Gütern 2 4 2 8 8 3 , war hier also um 6 9 % geringer als auf d e n Dörfern. Errechnet nach: ebd., S. 190 f. 16 Von 1 2 6 5 6 Personen, um die sich die Landbevölkerung z w i s c h e n 1880 und 1885 verminderte, s t a m m t e n 9 0 4 7 aus d e n Gutsbezirken. Errechnet nach: ebd. 17 Die Bevölkerung in d e n Gutsbezirken sank z w i s c h e n 1880 und 1885 u m 3 , 7 2 % . Errechnet nach: ebd.
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der Gutsbevölkerung aussondert, so zeigt sich: gerade die Güter auf guten Böden haben einen besonders starken Abfluß erlebt. Die Zunahme der Bevölkerung dagegen, welche auf den schlechten Böden der Höhe stattfand, ist vornehmlich den Dörfern zu Gute gekommen, und gerade den Dörfern auf schlechten Böden am stärksten, im Gegensatz zu den Dörfern der Ebene. Abnahme der Tagelöhner der Güter auf den besten Böden, Zunahme der Bauern auf den A 7 schlechten | also ist die Tendenz. Um was es sich dabei handelt und wie das zu erklären ist, wird klar, wenn man schließlich auch hier fragt: wie sich die Nationalitäten zu diesen Verschiebungen verhalten. Das Polentum im Osten schien in der ersten Hälfte des Jahrhunderts langsam und stetig zurückgedrängt zu werden, seit den 60er a Jahren aber ist es, wie bekannt, ebenso langsam und stetig im Vordringen begriffen. Das letztere ergeben für Westpreußen die Spracherhebungen trotz ihrer mangelhaften Grundlagen doch auf das Deutlichste.18 Nun kann die Verschiebung einer Nationalitätengrenze auf zweierlei, grundsätzlich zu scheidende, Arten sich vollziehen. - Einmal so, daß nationalen Minderheiten im national gemischten Gebiet Sprache und Sitte der Mehrheit allmählich oktroyiert wird, daß sie „aufgesogen" werden. Auch diese Erscheinung findet sich im Osten: sie vollzieht sich statistisch nachweisbar an den Deutschen katholischer Konfession. Das kirchliche Band ist hier stärker als das nationale, Reminiszenzen aus dem Kulturkampfe spielen mit, und der Mangel eines deutsch erzogenen Klerus läßt sie der nationalen Kulturgemeinschaft verloren gehen. Wichtiger aber und für uns interessanter ist die zweite Form der Nationalitätenverschiebung: die ökonomische Verdrängung. - Diese liegt hier vor. Prüft man die Ver-
a A: 60iger
18 Gemeint sind die beiden allgemeinen, die gesamte Bevölkerung Preußens umfassenden Spracherhebungen von Dezember 1861 und Dezember 1890. Die zweite Erhebung fand im Rahmen einer allgemeinen Volkszählung statt. Eine Verschiebung der Nationalitätenverhältnisse zuungunsten des Deutschtums konstatierte aufgrund dieser Erhebungen auch Richard Böckh, Die Verschiebung der Sprachverhältnisse in Posen und Westpreußen, in: Preußische Jahrbücher, Band 77,1894, S. 424-436. Böckh weist auf die Schwächen der Zählung von 1861 hin, die vor allem in der Vernachlässigung der Militärbevölkerung gelegen hätten. Ebd., S. 425.
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Schiebungen des Anteils der Konfessionen in den ländlichen Gemeindeeinheiten 1871-1885, so zeigt sich: der Abfluß der Gutstagelöhner ist regelmäßig mit einer relativen Abnahme des Protestantismus in der Ebene, die Zunahme der Dorfbevölkerung auf der Höhe mit einer relativen Zunahme des Katholizismus verknüpft3'. Es sind vornehmlich deutsche \ Tagelöhner, die aus den Gegenden mit hoher A 8 Kultur abziehen, es sind vornehmlich polnische Bauern, die in den Gegenden mit tiefem Kulturstand sich vermehren. Beide Vorgänge aber - der Abzug hier, die Vermehrung dort führen in letzter Linie auf einen und denselben Grund zurück: die niedrigeren Ansprüche an die Lebenshaltung - in materieller teils, teils in ideeller Beziehung - , welche der slavischen Rasse von der Natur auf den Weg gegeben oder im Verlaufe ihrer Vergangenheit angezüchtet sind, verhalfen ihr zum Siege. Warum ziehen die deutschen Tagelöhner ab? Nicht materielle Gründe sind es: nicht aus den Gegenden mit niedrigem Lohnniveau und nicht aus den schlecht gelohnten Arbeiterkategorien rekrutiert sich der Abzug; kaum eine Situation ist materiell gesicherter, als die eines Instmanns auf den östlichen Gütern. - Auch nicht die vielberufene Sehnsucht nach den Vergnügungen der Großstadt. Sie ist ein Grund für das planlose Wegwandern des jungen Nachwuchses, aber nicht für den Abzug altgedienter Tagelöhnerfamilien, - und warum erwacht jene Sucht gerade da unter den Leuten, wo der Großbesitz vorherrscht, warum können wir nachweisen, daß die Abwanderung 3>
Z.B. hatten die Gutsbezirke des Kreises Stuhm 1871-1885 einen Bevölkerungsrück- A 7 gang um 6,7% , 1 9 der Anteil der Protestanten | an der christlichen Bevölkerung ging von A 8 33,4 auf 31,3 [%] zurück. 20 Die Dörfer der Kreise Könitz und Tuchel hatten + 8% , 21 der Anteil der Katholiken stieg von 84,7 auf 86,0% , 2 2 |
19 Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band 2, S.186f. 20 Zwischen 1871 und 1885 sank der Anteil der Evangelischen von 33,08 auf 31,8%. Errechnet nach: Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band 1, S. 512f., und: Gemeindelexikon, Band 2, S. 188f. 21 Zwischen 1871 und 1885 wuchs die Bevölkerung in den Landgemeinden Könitz und Tuchel zusammengenommen um 8,7%. Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band2, S. 186f. 22 Die entsprechenden Angaben lauten 84,7% und 85,9%. Errechnet nach: Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band 1, S. 510f., und Gemeindelexikon, Band2, S. 188f. Die Angaben für 1871 basieren auf den Zahlen für die Landgemeinden im Kreis Könitz. Zu diesem Zeitpunkt war die Landgemeinde Tuchel noch Teil des Kreises Könitz. Vgl. Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band 1, S. 478f.
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der Tagelöhner abnimmt, je mehr das Bauerndorf die Physiognomie" der Landschaft beherrscht? Dies ist es: zwischen den Gutskomplexen der Heimat giebt es für den Tagelöhner nur Herren und Knechte und für seine Nachfahren im fernsten Glied nur die Aussicht, nach der Gutsglocke auf fremdem Boden zu scharwerken. In | 9 dem dumpfen, halbbewußten Drang in die Ferne liegt ein Moment eines primitiven Idealismus verborgen. Wer es nicht zu entziffern vermag, der kennt den Zauber der Freiheit nicht. In der That: selten berührt uns heute ihr Geist in der Stille der Bücherstube. Verblichen sind die naiv freiheitlichen Ideale unserer frühen Jugend, und manche von uns sind vorzeitig alt und allzu klug geworden, und glauben, einer der urwüchsigsten Triebe der Menschenbrust sei mit den Schlagworten einer niedergehenden politischen und wirtschaftspolitischen Anschauung zu Grabe getragen worden. 23 Es ist ein massenpsychologischer Vorgang: die deutschen Landarbeiter vermögen sich den sozialen Lebensbedingungen ihrer Heimat nicht mehr anzupassen. Über ihr „Selbstbewußtsein" klagen uns Berichte der Gutsherrn aus Westpreußen. 24 Das alte patriarchalische Gutshintersassen-Verhältnis, welches den Tagelöhner als einen anteilsberechtigten Kleinwirt mit den landwirtschaftlichen Produktionsinteressen unmittelbar verknüpfte, schwindet. Die Saisonarbeit in den Rübenbezirken fordert Saisonarbeiter und Geldlohn. Eine rein proletarische Existenz steht ihnen in Aussicht, aber ohne die Möglichkeit jenes kraftvollen Aufschwungs zur ökonomischen Selbstständigkeit, welche das in den Städten örtlich zusammengeschlossene Industrieproletariat mit Selbstbewußtsein erfüllt. - Diesen Existenzbedingungen sich zu fügen^ vermögen diejenigen besser, welche an die Stelle der Deutschen treten, die polnischen Wanderarbeiter, Nomadenzüge, welche durch Agenten in Rußland geworben im Frühjahr zu Zehntausenden über die Grenze kommen, im Herbst wieder abziehen. Zuerst im Gefolge der Zuckerrübe, welche
b A: Physionomie
2 3 Dies bezieht sich auf die damals in der Tat in ihrer Bedeutung rückläufige liberale Doktrin und insbesondere die Freihandelslehre. 2 4 Weber bezieht sich hier auf die Berichte, die dem Verein für Socialpolitik im Rahmen seiner Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1891/92 von zahlreichen Gutsherrn zugegangen waren.
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den Landwirtschaftsbetrieb in ein Saisongewerbe verwandelt, treten sie auf, dann allgemein, weil man an Arbeiter|Wohnungen, Armenla- A 10 sten, sozialen Verpflichtungen spart, weil sie ferner als Ausländer prekär gestellt und deshalb in der Hand des Besitzers sind. Der 5 ökonomische Todeskampf des alten preußischen Junkertums vollzieht sich unter diesen Begleiterscheinungen. Auf den Zuckerrübengütern tritt an die Stelle des patriarchalisch schaltenden Gutsherrn ein Stand industrieller Geschäftsleute, - und auf der Höhe bröckelt unter dem Druck der landwirtschaftlichen Notlage das Areal der 10 Güter von außen her ab, Parzellenpächter- und Kleinbauernkolonieen entstehen auf ihren Außenschlägen. Die ökonomischen Fundamente der Machtstellung des alten Grundadels schwinden, er selbst wird zu etwas anderem, als er war. Und weshalb sind es die polnischen Bauern, die an Terrain gewin15 nen? Ist es ihre überlegene ökonomische Intelligenz oder Kapitalkraft? Es ist vielmehr das Gegenteil von beiden. Unter einem Klima und auf einem Boden, welche neben extensiver Viehzucht wesentlich Getreide- und Kartoffelproduktion gestatten, ist hier Derjenige am wenigsten durch die Ungunst des Marktes bedroht, der seine 20 Produkte dahin bringt, wo sie durch den Preissturz am wenigsten entwertet werden: in seinen eigenen Magen: - der für seinen Eigenbedarf produziert. Und wiederum ist Derjenige begünstigt, der seinen Eigenbedarf am niedrigsten bemessen kann, die geringsten Ansprüche an die Lebenshaltung in physischer und ideeller Beziehung 25 macht. Der polnische Kleinbauer im Osten ist ein Typus sehr abweichender Art von dem geschäftigen Zwergbauertum, welches Sie hier in der gesegneten Rheinebene durch Handelsgewächsbau und Gartenkultur sich an die Städte angliedern sehen. Der polnische Kleinbauer gewinnt an Boden, weil er gewissermaßen das Gras vom 30 Boden frißt, | nicht trotz, sondern wegen seinen tiefstehenden physi- A 11 sehen und geistigen Lebensgewohnheiten. Ein Ausleseprozeß also scheint es zu sein, den wir sich vollziehen sehen. Beide Nationalitäten sind in die gleichen Existenzbedingungen seit langer Zeit hineingestellt. Die Folge war nicht, daß sie, wie 35 der Vulgärmaterialismus sich vorstellt, die gleichen physischen und psychischen Qualitäten annahmen, sondern daß die eine der andern weicht, daß diejenige siegt, welche die größere Anpassungsfähigkeit an die gegebenen ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen besitzt.
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Diese verschiedene Anpassungsfähigkeit selbst bringen sie, so scheint es, als feste Größe mit, sie könnte vielleicht im Verlaufe generationenlanger Züchtungsprozesse so, wie sie in Jahrtausenden entstanden sein mag, wieder verschoben werden, aber für die Erwägungen der Gegenwart ist sie ein Moment, mit welchem wir als gegeben zu rechnen haben 4) . A 12 Nicht immer - das sehen wir - schlägt, wie die Opti|misten unter uns meinen, die Auslese im freien Spiel der Kräfte zu Gunsten der ökonomisch höher entwickelten oder veranlagten Nationalität aus. Die Menschengeschichte kennt den Sieg von niedriger entwickelten Typen der Menschlichkeit und das Absterben hoher Blüthen des Geistes- und Gemütslebens, wenn die menschliche Gemeinschaft, welche deren Träger war, die Anpassungsfähigkeit an ihre Lebensbedingungen verlor, es sei ihrer sozialen Organisation oder ihrer Rassenqualitäten wegen. In unsrem Fall ist es die Umgestaltung der landwirtschaftlichen Betriebsformen und die gewaltige Krisis der Landwirtschaft, welche der in ihrer ökonomischen Entwicklung tieA 11
4)
Ich glaube kaum, bemerken zu müssen, daß die naturwissenschaftlichen Streitfragen über die Tragweite des Selektionsprinzipes, überhaupt die naturwissenschaftlicherem dung des Begriffes der „Züchtung" und alle Erörterungen, die sich daran auf jenem, mir fremden Gebiete knüpfen, für die obigen Bemerkungen irrelevant sind. Der Begriff der „Auslese" ist heute ebenso Gemeingut, wie etwa die heliocentrische Hypothese, und der Gedanke der Menschen-„Züchtung" gehört schon dem platonischen Staat an. 2 5 Beide Begriffe sind z. B. schon von F[riedrich] A[lbert] Lange in seiner „Arbeiterfrage" verwendet 26 und bei uns längst derart heimisch, daß ein Mißverständnis ihres Sinnes für Niemand, der unsere Litteratur kennt, möglich ist. Schwieriger ist die Frage, wieweit den neuesten, geistreichen, aber nach Methode und sachlichen Ergebnissen erhebliche Bedenken erregenden, in mancher Übertreibung zweifellos verfehlten Versuchen der Anthropologen, A 12 die Tragweite des Auslesegesichtspunktes im Sinne Darwins | und Weismanns auch auf dem Boden der ökonomischen Forschung zu verbreitern, dauernder Wert zukommt. Trotzdem verdienen z.B. die Schriften von Otto Ammon („Die natürliche Auslese beim Menschen". „Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen") jedenfalls mehr Aufmerksamkeit als ihnen zu Teil wird, - unbeschadet aller zu machenden Vorbehalte. Ein Fehler der meisten von naturwissenschaftlicher Seite gelieferten Beiträge zur Beleuchtung der Fragen unserer Wissenschaft liegt in dem verfehlten Ehrgeiz, vor allen Dingen den Sozialismus „widerlegen" zu wollen. Im Eifer dieses Zweckes wird aus der vermeintlichen „naturwissenschaftlichen Theorie" der Gesellschaftsordnung unwillkürlich eine Apologie derselben. |
2 5 Piaton, Politeia, 4 5 9 e - 4 6 1 e. 2 6 Friedrich Albert Lange versuchte in dieser Schrift, die Entstehung der Arbeiterfrage in Anlehnung an die Darwinschen Theorien zu erklären. Siehe dazu besonders die ersten beiden Kapitel seiner Schrift: „Der Kampf um das Dasein" und „Der Kampf um die bevorzugte Stellung". Lange, Arbeiterfrage, S. 7 - 8 1 .
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fer stehenden Nationalität zum Siege verhilft. Parallel mit einander wirken der emporgezüchtete Rübenanbau und die Unrentabilität der Absatzproduktion von Cerealien nach der gleichen Richtung: der erstere züchtet die polnischen Saisonarbeiter, die letztere die polnischen Kleinbauern. Blicken wir zurück auf die erörterten Thatsachen, so bin ich, wie ich gern bekenne, völlig außer stände, theoretisch die Tragweite der etwa daraus zu entnehmenden allgemeinen Ge| sichtspunkte zu ent- A wickeln. Die unendlich schwierige und zur Zeit sicherlich nicht zu lösende Frage, wo die Grenze für die Variabilität physischer und psychischer Qualitäten einer Bevölkerung unter dem Einfluß der Lebensverhältnisse, in die sie gestellt wird, liegt, wage ich nicht auch nur anzurühren. Unwillkürlich fragt dagegen jeder vor allen Dingen: was kann und soll hier geschehen? Gestatten Sie aber, daß ich es unterlasse, bei dieser Gelegenheit ausführlicher darüber zu sprechen, und mich begnüge, kurz die beiden Forderungen anzudeuten, die m.E. vom Standpunkt des Deutschtums zu stellen sind und thatsächlich mit wachsender Einmütigkeit gestellt werden. Die eine ist: Schließung der östlichen Grenze. Sie war verwirklicht unter dem Fürsten Bismarck 27 und ist nach seinem Rücktritt 1890 wieder beseitigt worden; dauernde Ansiedlung blieb den Fremdlingen versagt, aber als Wanderarbeiter wurden sie zugelassen. 28 Ein „klassenbewußter" Großgrundbesitzer an der Spitze Preußens schloß sie aus im Interesse der Erhaltung unserer Nationalität - und der verhaßte Gegner der Agrarier 29 ließ sie zu im 27 1885 wurden aus den preußischen Grenzprovinzen die Polen russischer und galizischer Herkunft ausgewiesen und die Grenzen geschlossen; nur Grenzgängern war die zeitweise landwirtschaftliche Arbeit auf preußischem Gebiet erlaubt. Mai, Joachim, Die preußisch-deutsche Polenpolitik 1885/87. - Berlin: Rütten & Loening 1962, S. 42 und 57f. 28 Die Erlasse vom 26. November und vom 18. Dezember 1890 ermöglichten Polen beiderlei Geschlechts aus Rußland und Galizien die Arbeit in den preußischen Grenzprovinzen unter der Bedingung, daß sie jeweils zwischen dem 15. November und 1. April das Land wieder verließen. Nichtweiss, Johannes, Die ausländischen Saisonarbeiter in der Landwirtschaft der östlichen und mittleren Gebiete des Deutschen Reiches. - Berlin: Rütten & Loening 1959, S.43. 2 9 Gemeint ist Leo Graf von Caprivi, unter dessen Reichskanzler- und Ministerpräsidentschaft die Grenzen im Osten Preußens wieder geöffnet wurden. Mit seiner Handelsvertragspolitik, die mit einer Senkung der Einfuhrzölle für Getreide verknüpft war, stieß Caprivi bei den Vertretern der Großgüterwirtschaft auf schärfste Ablehnung.
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Interesse der Großgrundbesitzer, welche allein von ihrem Zuzug Vorteil haben: nicht immer, das zeigt sich, entscheidet der „ökonomische Klassenstandpunkt" in Dingen der Wirtschaftspolitik, - hier war es der Umstand, daß das Steuerruder des Staates aus einer starken Hand in eine schwächere fiel. - Die andere Forderung ist: systematischer Bodenankauf seitens des Staates, also Erweiterung des Domänenbesitzes einerseits, und systematische Kolonisation deutscher Bauern auf geeigneten Böden, namentlich auf geeigneten Domänen, andererseits. Großbetriebe, welche nur auf Kosten des Deutschtums zu erhalten sind, sind vom Standpunkt der Nation | A 14 werth, daß sie zu Grunde gehen, und sie sich selbst überlassen heißt^ im Wege der allmählichen Abparzellierung existenzunfähige slavische Hungerkolonien entstehen lassen. Und nicht nur das Interesse an der Hemmung der slavischen Flut ruft nach der Überführung bedeutender Teile des östlichen Bodens in die Hand des Staates, sondern auch die vernichtende Kritik, welche die Grundbesitzer selbst an dem Fortbestand ihres Privateigentums üben durch das Verlangen, in Gestalt des Getreidemonopols 30 und einer Kontribution von Vi Milliarde jährlich31 ihnen das Risiko, die Selbstverantwortlichkeit für ihren Besitz, seinen einzigen Rechtfertigungsgrund, abzunehmen^. A 14
5) Jene Forderung stellt jetzt in dem gleichen Gedankenzusammenhang insbesondere auch Professor Schmoller in seinem Jahrbuch.32 In der That ist derjenige Teil des Großgrundbesitzerstandes, dessen Erhaltung als landwirtschaftlicher Betriebsleiter staatlich von Wert ist, vielfach nur als Domänenpächter, nicht als Eigentümer zu halten. Allerdings
30 Weber bezieht sich auf den 1894 erstmalig von dem konservativen Abgeordneten Hans Wilhelm Alexander Graf Kanitz eingebrachten Antrag auf Errichtung eines Reichsmonopols für Getreidehandel. Siehe oben, S. 531, Anm. 11. 31 Der Antrag Kanitz wurde erneut am 13. März 1895 im Reichstag eingebracht. In den parlamentarischen Beratungen am 30. März 1895 legte der freisinnige Abgeordnete Theodor Barth eine Rechnung vor, derzufolge die Einführung eines staatlichen Getreidehandelsmonopols und somit die künstliche Hochhaltung der inländischen Getreidepreise der Einführung einer Kopfsteuer gleichkäme, die die Bevölkerung 400 Millionen Mark jährlich kosten würde. Sten. Ber. Band 140, S. 1802. 32 Gustav Schmoller lehnte die Errichtung eines staatlichen Getreidemonopols ab, da dieses einen „centralisierten und fast auch einen absolutistischen Einheitsstaat" voraussetze. Statt dessen schlug er die Vergabe staatlicher Notstandsdarlehen sowie den Ankauf wirtschaftlich gefährdeter Güter durch den preußischen Staat vor. Auf diesen staatlichen Gütern sollten die bisherigen Besitzer weiterhin tätig sein, und zwar mit der Option auf einen Rückerwerb ihres früheren Besitzes in der nächsten Generation. Schmoller, Einige Worte zum Antrag Kanitz, S. 611 - 6 2 9 . Das Zitat: S. 626.
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Allein, wie gesagt, nicht diese praktische Frage der preußischen A 15 Agrarpolitik möchte ich heute besprechen. Ich möchte vielmehr an bin ich der Ansicht, daß der Bodenankauf nur in organischer Verbindung mit einer Kolonisation geeigneter Domänen einen dauernden Sinn hat, derart also, daß ein Teil des östlichen Bodens die Hände des Staates durchläuft und während er sich in diesen befindet, eine energische Meliorationskur mit staatlichen Krediten durchmacht. Die Schwierigkeit, mit welcher die Ansiedlungskommission zu ringen hat, ist[,j abgesehen von der Belastung mit der „Nachkur" der angesetzten Kolonisten, welche nebst ihren Stundungsgesuchen nach einiger Zeit besser dem etwas hartherzigeren gewöhnlichen Fiskus überantwortet würden, darin begründet, daß die angekauften Güter zum großen Teil besser erst ein Jahrzehnt sich in einer solchen Kur in der Hand von Domänenpächtern befänden. 33 Jetzt muß die Melioration Hals über Kopf im Wege der Administration mit großen Verlusten ausgeführt werden, während sicherlich zahlreiche Domänen zur alsbaldigen Kolonisation geeignet wären. Die durch diese Schwierigkeiten veranlaßte Langsamkeit des Verfahrens rechtfertigt | freilich Hans Delbrücks Urteil über dessen nationalpolitische Wirkung in A 15 seinen verschiedenen bekannten Artikeln in den Preußischen] Jahrbüchern 34 keineswegs. Schon die mechanische Berechnung unter Vergleichung der Zahl der begründeten Bauernhöfe mit der Zahl der Polen 35 ist für Niemand, der sich das Kulturwerk der Kolonisation an Ort und Stelle betrachtet hat, beweiskräftig; 36 wenige Dörfer mit je ein Dutzend deutschen Höfen germanisieren eventuell mehrere Quadratmeilen, natürlich vorausgesetzt, daß der proletarische Nachschub aus dem Osten abgedämmt wird und daß man nicht, indem man die Abbröckelung und den Zerfall des Großbesitzes im Übrigen sich selbst und dem durch die Rentengutsgesetze noch weiter entbundenen freien Spiel der Kräfte allein überläßt, 37 dem Faß, in welches man schöpft, den Boden ausschlägt. |
3 3 Die 1886 errichtete Ansiedlungskommission hatte einen nationalpolitischen Auftrag, sie kaufte polnischen Grundbesitz in Posen und Westpreußen auf, parzellierte ihn und siedelte deutsche Bauern an. In diesem Zusammenhang waren oftmals aufwendige Meliorationsarbeiten notwendig. 3 4 Gemeint sind Delbrück, Das Polenthum, und ders., Die Polenfrage. Delbrück nahm in der „Politischen Korrespondenz" der von ihm herausgegebenen Preußischen Jahrbücher wiederholt zu dem Thema Stellung, so in Band 79, 1895, S. 5 5 5 - 5 6 7 , wo auch Webers Arbeiten eine positive Erwähnung finden (S. 565). 3 5 Delbrück hatte geschrieben, daß das Ergebnis der achtjährigen Tätigkeit der Ansiedlungskommission die Ansiedlung von 853 Familien mit einem Aufwand von neun Millionen Mark sei. Schreite die Entwicklung in diesem Tempo weiter, so habe man für die preußischen Ostprovinzen in hundert Jahren die Aussicht auf 100000 angesiedelte Deutsche, denen zweieinhalb Millionen Polen gegenüberständen. Delbrück, Das Polenthum, S. 174. - Delbrück replizierte auf Webers Vorwurf im Rahmen einer Besprechung der Freiburger Antrittsrede, wo er sein Unverständnis darüber ausdrückte, daß ein Mann wie Weber die Kolonisationspolitik verteidigen könne. Preußische Jahrbücher, Band 81, 1895, S. 389, Anm. 3 6 Weber selbst hatte 1888 und 1894 Ansiedlungsgüter besichtigt. Vgl. die Einleitung, S. 12, Anm. 26. 3 7 Im Gegensatz zu dem Ansiedlungsgesetz vom 26. April 1886 enthielten die für ganz Preußen geltenden Rentengutsgesetze von 1890/91 keinen nationalpolitischen Auftrag. Auf den auf Vermittlung der Generalkommissionen parzellierten und aufgesiedelten Gütern konnten sich also auch Angehörige anderer als deutscher Nationalität niederlassen.
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die Thatsache anknüpfen, daß eine solche Frage bei uns Allen überhaupt entsteht, daß wir das Deutschtum des Ostens als solches für etwas halten, das geschützt werden und für dessen Schutz auch die Wirtschaftspolitik des Staates in die Schranken treten soll. Es ist der Umstand, daß unser Staatswesen ein Nationalstaat ist, welcher uns 5 das Recht zu dieser Forderung empfinden läßt. Wie verhält sich aber die volkswirtschaftspolitische Betrachtung dazu? Sind für sie derartige nationalistische Werturteile Vorurteile, deren sie sich sorgsam zu entledigen hat, um ihren eigenen Wertmaßstab, unbeeinflußt durch Gefühlsreflexe, an die ökonomischen 10 Thatsachen legen zu können? Und welches ist dieser „eigene" Wertmaßstab der Volkswirtschaftspolitik? Dieser Frage möchte ich in einigen weiteren Überlegungen näher zu kommen versuchen. A 16
Auch unter dem Schein des „Friedens", das zeigte sich | uns, geht der ökonomische Kampf der Nationalitäten seinen Gang. Nicht im offenen Streit werden die deutschen Bauern und Taglöhner des Ostens durch politisch überlegene Feinde von der Scholle gestoßen: im stillen und öden Ringen des ökonomischen Alltagslebens ziehen sie einer tieferstehenden Rasse gegenüber den Kürzeren, verlassen die Heimat und gehen dem Untertauchen in eine dunkle Zukunft entgegen. Es giebt keinen Frieden auch im wirtschaftlichen Kampf ums Dasein; nur wer jenen Schein des Friedens für die Wahrheit nimmt, kann glauben, daß aus dem Schöße der Zukunft für unsere Nachfahren Frieden und Lebensgenuß erstehen werde. Wir wissen es ja: die Volkswirtschaftspolitik ist der vulgären Auffassung ein Sinnen über Rezepten für die Beglückung der Welt - die Besserung der „Lustbilanz" des Menschendaseins ist für sie das einzig verständliche Ziel unserer Arbeit. Allein: schon der dunkle Ernst des Bevölkerungsproblems hindert uns, Eudämonisten zu sein, Frieden und Menschenglück im Schöße der Zukunft verborgen zu wähnen und zu glauben, daß anders als im harten Kampf des Menschen mit dem Menschen der Ellenbogenraum im irdischen Dasein werde gewonnen werden. Es giebt sicherlich keine volkswirtschaftspolitische Arbeit auf anderer als altruistischer Grundlage. Die Früchte alles wirtschafts- und sozialpolitischen Strebens der Gegenwart kommen in ihrer gewaltigen Überzahl nicht der lebenden Generation, sondern künftigen zu Gute. Unsere Arbeit ist und kann, wenn sie einen Sinn behalten soll,
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nur sein wollen Fürsorge für die Zukunft, für unsere Nachfahren. Aber es giebt auch keine volkswirtschaftspolitische Arbeit auf der Grundlage optimistischer Glückshoffnungen. Für den Traum von Frieden und Menschen | glück steht über der Pforte der unbekannten A 17 Zukunft der Menschengeschichte: lasciate ogni speranza. 38 Nicht wie die Menschen der Zukunft sich befinden, sondern wie sie sein werden, ist die Frage, die uns beim Denken über das Grab der eigenen Generation hinaus bewegt, die auch in Wahrheit jeder wirtschaftspolitischen Arbeit zugrunde liegt. Nicht das Wohlbefinden der Menschen, sondern diejenigen Eigenschaften möchten wir in ihnen emporzüchten, mit welchen wir die Empfindung verbinden, daß sie menschliche Größe und den Adel unsrer Natur ausmachen. Abwechselnd hat man in der Volkswirtschaftslehre das technischökonomische Problem der Gütererzeugung und das Problem der Güterverteilung, der „sozialen Gerechtigkeit", als Wertmaßstäbe in den Vordergrund gerückt oder auch naiv identifiziert - und über beiden erhob sich doch immer wieder, halb unbewußt und dennoch alles beherrschend, die Erkenntnis, daß eine Wissenschaft vom Menschen, und das ist die Volkswirtschaftslehre, vor allem nach der Qualität der Menschen fragt, welche durch jene ökonomischen und sozialen Daseinsbedingungen herangezüchtet werden. Und hier hüten wir uns vor einer Illusion. Die Volkswirtschaftslehre als erklärende und analysierende Wissenschaft ist international, allein sobald sie Werturteile fällt, ist sie gebunden an diejenige Ausprägung des Menschentums, die wir in unserem eigenen Wesen finden. Sie ist es oft gerade dann am meisten, wenn wir unserer eigenen Haut am meisten entronnen zu sein glauben. Und - um ein etwas phantastisches Bild zu brauchen vermöchten wir nach Jahrtausenden dem Grab zu entsteigen, so wären es die fernen Spuren unsres eignen Wesens, nach denen wir im Antlitz des | Zukunftsgeschlechts forschen würden. Auch unsre A18 höchsten und letzten irdischen Ideale sind wandelbar und vergänglich. Wir können sie der Zukunft nicht aufzwingen wollen. Aber wir können wollen, daß sie in unserer Art die Art ihrer eignen Ahnen erkennt. Wir, mit unsrer Arbeit und unsrem Wesen, wollen die Vorfahren des Zukunftsgeschlechts sein.
38 „Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate." Dante, Divina Commedia Inf Ili, 9.
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Die Volkswirtschaftspolitik eines deutschen Staatswesens, ebenso wie der Wertmaßstab des deutschen volkswirtschaftlichen Theoretikers können deshalb nur deutsche sein. Ist dem vielleicht anders, seit die ökonomische Entwicklung über die nationalen Grenzen hinaus eine umfassende Wirtschaftsgemeinschaft der Nationen herzustellen begann? Ist jener „nationalistische" Beurteilungsmaßstab ebenso wie der „Nationalegoismus" in der Volkswirtschaftspolitik seitdem zum alten Eisen zu werfen? - Ja, - ist denn der Kampf für die ökonomische Selbstbehauptung, für das eigene Weib und Kind überwunden, seit die Familie ihrer einstigen Funktionen als Produktionsgemeinschaft entkleidet und verflochten ist in den Kreis der volkswirtschaftlichen Gemeinschaft? Wir wissen, es ist nicht der Fall: dieser Kampf hat andere Formen angenommen, Formen, von denen sich noch fragen ließe, ob sie als eine Milderung, und 0 nicht vielmehr als eine Verinnerlichung und Verschärfung anzusehen seien. So ist auch die volkswirtschaftliche Gemeinschaft nur eine andere Form des Ringens der Nationen miteinander, und eine solche, welche den Kampf für die Behauptung der eigenen Kultur nicht gemildert, sondern erschwert hat, weil sie materielle d Interessen im eigenen Schöße der Nation als Bundesgenossen gegen deren Zukunft in die Schranken ruft. 19 Nicht Frieden und Menschenglück haben wir unseren Nach | fahren mit auf den Weg zu geben, sondern den ewigen Kampf um die Erhaltung und Emporzüchtung unserer nationalen Art. Und wir dürfen uns nicht der optimistischen Hoffnung hingeben, daß mit der höchstmöglichen Entfaltung wirtschaftlicher Kultur bei uns die Arbeit gethan sei und die Auslese im freien und „friedlichen" ökonomischen Kampfe dem höher entwickelten Typus alsdann von selbst zum Siege verhelfen werde. Nicht in erster Linie für die Art der volkswirtschaftlichen Organisation, die wir ihnen überliefern, werden unsere Nachfahren uns vor e der Geschichte verantwortlich machen, sondern für das Maß des Ellenbogenraums, den wir ihnen in der Welt erringen und hinterlassen. Mac/zikämpfe sind in letzter Linie auch die ökonomischen Entwicklungsprozesse, die Mac/ziinteressen der Nation sind, wo sie in Frage gestellt sind, die letzten und entscheidenden Interessen, in
c Zu erwarten wäre: oder
d A: materiellen
e A: von
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deren Dienst ihre Wirtschaftspolitik sich zu stellen hat, die Wissenschaft von der Volkswirtschaftspolitik ist eine politische Wissenschaft. Sie ist eine Dienerin der Politik, nicht der Tagespolitik der jeweils herrschenden Machthaber und Klassen, sondern der dauernden machtpolitischen Interessen der Nation. Und der Nationalstaat ist uns nicht ein unbestimmtes Etwas, welches man um so höher zu stellen glaubt, je mehr man sein Wesen in mystisches Dunkel hüllt, sondern die weltliche Machtorganisation der Nation, und in diesem Nationalstaat ist für uns der letzte Wertmaßstab auch der volkswirtschaftlichen Betrachtung die „Staatsraison". Sie bedeutet uns nicht, wie ein seltsames Mißverständnis glaubt: „Staatshülfe" statt der „Selbsthülfe", 39 staatliche Reglementierung des Wirtschaftslebens statt des freien Spiels der wirtschaftlichen Kräfte, sondern wir wollen mit diesem Schlagwort die Forderung erheben, daß für die Fragen | der deutschen Volkswirtschaftspolitik, - auch für die Frage unter A 20 anderen, ob und wieweit der Staat in das Wirtschaftsleben eingreifen oder ob und wann' er vielmehr die ökonomischen Kräfte der Nation zu eigener freier Entfaltung losbinden und ihre Schranken niederreißen solle, - im einzelnen Falle das letzte und entscheidende Votum den ökonomischen und politischen Machtinteressen unserer Nation und ihres Trägers, des deutschen Nationalstaates, zustehen soll. War es etwa überflüssig, an diese scheinbaren Selbstverständlichkeiten zu erinnern? oder doch, daß gerade ein jüngerer Vertreter der ökonomischen Wissenschaften daran erinnerte? - Ich glaube nicht, denn es scheint, daß gerade unsere Generation diese einfachsten Urteilsgrundlagen nicht selten am leichtesten aus den Augen verliert. Wir sind Zeugen, wie ihr Interesse für die Fragen, die gerade unsere Wissenschaft bewegen, in ungeahntem Maße wächst. Auf allen Gebieten finden wir die ökonomische Betrachtungsweise im f A: wenn 39 „Staatshülfe" und „Selbsthülfe" waren politische und wirtschaftliche Kampfbegriffe der 1860er Jahre. Die „Selbsthülfe" wurde von liberaler Seite vertreten; der Begriff verknüpft sich vor allem mit dem Namen Hermann Schulze-Delitzsch, der als einzige sozialpolitische Maßnahme den Zusammenschluß von sich selbst finanzierenden Genossenschaften gelten lassen wollte. Sein (sozial-)politischer Kontrahent war Ferdinand Lassalle, der ein System staatlich unterstützter Produktivgenossenschaften propagierte. Vgl. Aldenhoff, Rita, Schulze-Delitzsch. Ein Beitrag zur Geschichte des Liberalismus zwischen Revolution und Reichsgründung. - Baden-Baden: Nomos 1984, S. 170-189.
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Vordringen. Sozialpolitik an Stelle der Politik, ökonomische Machtverhältnisse an Stelle der Rechtsverhältnisse, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte an Stelle politischer Geschichte treten in den Vordergrund der Betrachtung. In hervorragenden Werken unserer historischen Kollegen finden wir da, wo uns früher von den Kriegsthaten unserer Vorfahren erzählt wurde, heute den Unhold des „Mutterrechtes" sich in die Breite dehnen und die Hunnenschlacht auf den katalaunischen Feldern in einen Nebensatz gedrängt. 40 Die Jurisprudenz glaubte das Selbstgefühl eines unserer geistreichsten Theoretiker als eine „Magd der Nationalökonomie" bezeichnen zu können. 41 Und Eines ist ja wahr: auch in die Jurisprudenz drang die ökonomische Form der Betrachtung, selbst in ihrem Intimum, in den HandA 21 büchern | der Pandektisten beginnt es hie und da leise ökonomisch zu spuken; und in den Urteilen der Gerichte finden wir nicht selten, wo die juristischen Begriffe zu Ende gingen, sogenannte „wirtschaftliche Gesichtspunkte" an die Stelle gesetzt, - kurz, um das halb vorwurfsvolle Wort eines juristischen Kollegen zu gebrauchen: wir sind „in die Mode gekommen". 42 - Eine Betrachtungsweise, welche sich so selbstbewußt Bahn bricht, geräth in die Gefahr gewisser Illusionen und einer Überschätzung der Tragweite der eigenen Gesichtspunkte, - einer Überschätzung zumal in einer ganz bestimmten Richtung. Wie die Verbreiterung des Stoffes der philosophischen Betrachtung, - welche sich schon äußerlich darin kenntlich macht, daß wir heute vielfach die alten Lehrstühle der Philosophie den Händen z.B. hervorragender Physiologen anvertraut finden, 43 - unter uns Laien 40 Vermutlich Anspielung auf Karl Lamprecht, der im ersten Band seiner „Deutschen Geschichte" ausführlich die Rolle des „Mutterrechts" behandelte. Lamprecht, Karl, Deutsche Geschichte, Band 1. - Berlin: R. Gaertners Verlagsbuchhandlung 1891, S. 81-121. In seinem Brief an Lujo Brentano vom 2[5], Februar 1893 hob Weber die Behandlung des „Mutterrechts" bei Lamprecht besonders hervor. BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 67. 41 Gemeint ist wahrscheinlich der Jurist Bernhard Windscheid, der in den Beratungen über das BGB von der Rechtswissenschaft gesagt haben soll, diese sei zwar eine Magd der von Machtfaktoren gelenkten praktischen Gesetzgebung, aber eine Magd, die eine Herrscherkrone trägt. Vgl. Schieder, Theodor, Kultur, Wissenschaft und Wissenschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich, in: Medizin, Naturwissenschaft, Technik und das Zweite Kaiserreich, hg. von Mann, Gunter, und Winau, Rolf. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1977, S. 27 f. 42 Als Zitat nicht nachgewiesen. 43 Vermutlich handelt es sich um eine Anspielung auf den seit 1880 in Freiburg lehrenden Physiologen Johannes von Kries, der sich auch als Philosoph einen Namen erworben hatte. Zu denken ist auch an Wilhelm Wundt, zunächst Mediziner, dann Psychologe und ordentlicher Professor der Philosophie in Leipzig.
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vielfach zu der Meinung geführt hat, als seien die alten Fragen nach dem Wesen des menschlichen Erkennens nicht mehr die letzten und centralen Probleme der Philosophie, so hat sich in den Köpfen der aufwachsenden Generation auch die Vorstellung gebildet, als sei 5 Dank der Arbeit der nationalökonomischen Wissenschaft nicht nur die Erkenntnis des Wesens der menschlichen Gemeinschaften gewaltig erweitert, sondern auch der Maßstab, an welchem wir in letzter Linie die Erscheinungen bewerten, ein völlig neuer geworden, als sei die politische Ökonomie in der Lage, ihrem eigenen Stoff eigenartige 10 Ideale zu entnehmen. Die optische Täuschung, als gäbe es selbständige ökonomische oder „sozialpolitische" Ideale, wird freilich als solche klar, sobald man an der Hand der Litteratur unserer Wissenschaft diese „eigenen" Grundlagen der Bewertung zu ermitteln sucht. Ein Chaos von Wertmaßstäben teils eudämonistischer, teils 15 ethischer Art, oft beider in unklarer | Identifikation, tritt uns entge- A 22 gen. Werturteile werden überall unbefangen gefällt - und ein Verzicht auf die Beurteilung der ökonomischen Erscheinungen bedeutete ja in der That den Verzicht auf eben diejenige Leistung, die man von uns verlangt. Aber nicht die Regel, sondern fast die Ausnahme 20 ist es, daß der Urteilende Andere und sich selbst ins Klare setzt über den letzten subjektiven Kern seiner Urteile, eben über die Ideale, von welchen aus er zur Beurteilung der beobachteten Vorgänge schreitet: die bewußte Selbstkontrolle fehlt, die inneren Widersprüche des Urteils kommen dem Schriftsteller nicht zum Bewußtsein 25 und, wo er sein spezifisch „ökonomisches" Prinzip der Beurteilung allgemein zu formuliren sucht, fällt er in vage Unbestimmtheiten. In Wahrheit sind es keine eigenartigen und selbst gewonnenen, sondern die alten allgemeinen Typen menschlicher Ideale, die wir auch in den Stoff unserer Wissenschaft hineintragen. Nur wer ausschließlich das 30 rein platonische Interesse des Technologen oder wer umgekehrt die aktuellen Interessen einer bestimmten, sei es herrschenden oder beherrschten Klasse zu Grunde legt, kann jenem Stoffe selbst einen eigenen Maßstab zu seiner Beurteilung entnehmen wollen. Und sollte es so ganz unnötig sein, daß gerade wir Jünger der 35 deutschen historischen Schule44 uns diese überaus einfachen Wahr44 Gemeint ist die von Wilhelm Roscher und Karl Knies begründete und dann vor allem von Gustav Schmoller fortgeführte Schule der historischen Nationalökonomie. In Abgrenzung von der klassischen, theoretischen Nationalökonomie betrachtete sie alle wirtschaftlichen Vorgänge in ihren historischen Zusammenhängen und Bedingtheiten.
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heiten vor Augen führen? Gerade wir verfallen leicht einer speziellen Illusion: derjenigen, uns des eigenen bewußten Werturteiles überhaupt enthalten zu können. Die Folge ist freilich, wie man sich leicht überzeugen kann, nicht, daß wir einem entsprechenden Vorsatze treu bleiben, sondern, daß wir unkontrollierten Instinkten, Sympathien und Antipathien, verfallen. Und noch leichter widerA 23 fährt es uns, daß der Punkt, | von welchem wir bei der Analyse und Erklärung der volkswirtschaftlichen Vorgänge ausgingen, unbewußt auch bestimmend wird für unser Urteil darüber. Vielleicht werden gerade wir uns davor zu bewahren haben, daß diejenigen großen Eigenschaften der toten und lebenden Meister unserer Schule, denen sie und die Wissenschaft ihre Erfolge verdanken, sich bei uns nicht in Fehler verwandeln. Zweierlei verschiedene Ausgangspunkte der Betrachtung kommen praktisch hauptsächlich in Betracht: Entweder wir blicken auf die ökonomische Entwicklung vornehmlich von oben her: von der Höhe der Verwaltungsgeschichte großer deutscher Staaten aus, deren Verwaltung und Verhalten in ökonomischen und sozialen Dingen wir in seiner Genesis verfolgen, - und unfreiwillig werden wir ihre Apologeten. Wenn - um bei unserem Beispiel zu bleiben - die Verwaltung sich entschließt, die östliche Grenze zu schließen, so werden wir geneigt und imstande sein, darin den Abschluß einer historischen Entwicklungsreihe zu finden, welche im Gefolge großer Reminiscenzen der Vergangenheit dem heutigen Staate hohe Aufgaben im Interesse der Kulturpflege der eigenen Nation stellt, - und unterbleibt jener Entschluß, so liegt uns die Erkenntnis näher, daß derartige radikale Eingriffe teils unnötig, teils den heutigen Anschauungen nicht mehr entsprechend seien. Oder aber: wir betrachten die ökonomische Entwicklung mehr von unten aus, sehen das große Schauspiel, wie aus dem Chaos ökonomischer Interessenkonflikte sich die Emanzipationskämpfe aufsteigender Klassen abheben, beobachten, wie die ökonomische Machtlage sich zu ihren Gunsten verschiebt - und unbewußt nehmen wir Partei für die, welche aufsteigen, weil sie die Stärkeren sind oder A 24 zu werden beginnen. Eben dadurch, | daß sie siegen, scheinen sie ja zu beweisen, daß sie einen „ökonomisch" höher stehenden Typus des Menschentums darstellen: allzuleicht beherrscht den Historiker die Vorstellung, daß der Sieg der höher entwickelten Elemente im Kampfe selbstverständlich und das Unterliegen im Daseinskampf Symptom der „Rückständigkeit" sei. Und jedes neue der zahlreichen
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Symptome jener Machtverschiebung bietet ihm dann nicht nur deshalb eine Genugthuung, weil es seine Beobachtungen bestätigt, sondern halb unbewußt empfindet er es wie einen persönlichen Triumph: die Geschichte löst die Wechsel ein, welche er auf sie zog. Die Widerstände, welche jene Entwicklung findet, beobachtet er, ohne es zu wissen, mit einer gewissen Animosität, sie erscheinen ihm, ungewollt, nicht einfach als naturgemäße Ausflüsse selbstverständlicher Interessenvertretung, sondern gewissermaßen als Auflehnung gegen das „Urteil der Geschichte", wie es der Historiker formulierte. 45 Die Kritik, welche wir auch an Vorgängen zu üben haben, die uns als das unreflektierte Ergebnis geschichtlicher Entwicklungstendenzen erscheinen, verläßt uns dann gerade da, wo wir ihrer am nötigsten bedürfen. Allzunahe liegt ja für uns ohnehin die Versuchung, das Gefolge des Siegers im ökonomischen Machtkampf zu bilden und dabei zu vergessen, daß ökonomische Macht und Beruf zur politischen Leitung der Nation nicht immer zusammenfallen. Denn - und damit werden wir zu einer letzten Reihe von Betrachtungen mehr praktisch-politischer Art geführt - an jenem politischen Wertmaßstab, der uns ökonomischen Nationalisten der für uns einzig souveräne ist, messen wir auch die Klassen, welche die Leitung der Nation in der Hand haben | oder erstreben. Wir fragen nach ihrer A politischen Reife, das heißt nach ihrem Verständnis und ihrer jeweiligen Befähigung, die dauernden ökonomischen und politischen A/ac/irinteressen der Nation über alle anderen Erwägungen zu stellen. Eine Gunst des Schicksals für die Nation ist es, wenn die naive Identifikation der Interessen der eigenen Klasse mit denen der Allgemeinheit den dauernden Machtinteressen auch der letzteren entspricht. Und es ist andererseits auch eine der Täuschungen, welche auf der modernen Überschätzung des „Ökonomischen" im gewöhnlichen Sinne des Wortes beruhen, wenn man meint, daß die politischen Gemeingefühle eine Belastungsprobe durch abweichende ökonomische Tagesinteressen nicht vertrügen, womöglich selbst nur eine Wiederspiegelung des ökonomischen Unterbaues jener wandel-
4 5 Die Urteilsmetapher findet sich vor allem in der liberalen Historiographie des 19. Jahrhunderts, so bei Friedrich Christoph Schlosser, Karl von Rotteck, Georg Gottfried Gervinus und Theodor Mommsen. Vgl. Hübinger, Gangolf, Georg Gottfried Gervinus. Historisches Urteil und politische Kritik. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1984, S.79.
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baren Interessenlage seien. Das trifft nur in Zeiten fundamentaler sozialer Umschichtung annähernd zu. - Eins nur ist wahr: bei Nationen, welchen die Abhängigkeit ihrer ökonomischen Blüte von ihrer politischen Machtlage nicht, wie der englischen, täglich vor Augen geführt wird, wohnen die Instinkte für diese spezifisch politischen Interessen nicht, wenigstens nicht in der Regel, in den breiten Massen der Nation, die mit der Not des Tages zu ringen haben, - es wäre ungerecht, sie von ihnen zu beanspruchen. In großen Momenten, im Fall des Krieges, tritt auch ihnen die Bedeutung der nationalen Macht vor die Seele, - dann zeigt sich, daß der nationale Staat auf urwüchsigen psychologischen Unterlagen auch bei den breiten ökonomisch beherrschten Schichten der Nation ruht und keineswegs nur ein „Überbau", die Organisation der ökonomisch herrschenden Klassen ist. Allein in normalen Zeiten sinkt dieser politische Instinkt A 26 bei der Masse unter die Schwelle des Bewußtseins. Dann ist es | die spezifische Funktion der ökonomisch und politisch leitenden Schichten, Träger des politischen Sinnes zu sein, der einzige Grund, der politisch ihr Vorhandensein zu rechtfertigen vermag. Die Erlangung ökonomischer Macht ist es zu allen Zeiten gewesen, welche bei einer Klasse die Vorstellung ihrer Anwartschaft auf die politische Leitung entstehen ließ. Gefährlich und auf die Dauer mit dem Interesse der Nation unvereinbar ist es, wenn eine ökonomisch sinkende Klasse die politische Herrschaft in der Hand hält. Aber gefährlicher noch ist es, wenn Klassen, zu denen hin sich die ökonomische Macht und damit die Anwartschaft auf die politische Herrschaft bewegt, politisch noch nicht reif sind zur Leitung des Staates. Beides bedroht Deutschland zur Zeit und ist in Wahrheit der Schlüssel für die derzeitigen Gefahren unserer Lage. Und auch die Umschichtungen der sozialen Struktur des Ostens, mit denen die im Eingang besprochenen Erscheinungen zusammenhängen, gehören in diesen größeren Zusammenhang. Bis in die Gegenwart hinein hat im preußischen Staat die Dynastie politisch sich auf den Stand der preußischen Junker gestützt. Gegen ihn zwar, aber doch auch nur mit ihm, hat sie den preußischen Staat geschaffen. Ich weiß es wohl, daß der Name der Junker süddeutschen Ohren unfreundlich klingt. Man wird vielleicht finden, ich spräche eine „preußische" Sprache, wenn ich ein Wort zu ihren Gunsten sage. Ich wüßte nicht. Noch heute führen in Preußen für jenen Stand viele Wege zu Einfluß und Macht, viele Wege auch an
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das Ohr des Monarchen, die nicht jedem Staatsbürger sich ebnen; er hat diese Macht nicht immer so gebraucht, wie er es vor der Geschichte verantworten kann, und ich sehe nicht ein, weshalb ein bürgerlicher Gelehrter ihn lieben sollte. Allein trotz alledem war die | Kraft seiner politischen Instinkte eins der gewaltigsten Kapitalien, A 27 welche im Dienst der Machtinteressen des Staates verwendet werden konnten. - Sie haben ihre Arbeit geleistet und liegen heute im ökonomischen Todeskampf, aus dem keine Wirtschaftspolitik des Staats sie zu ihrem alten sozialen Charakter zurückführen könnte. Und auch die Aufgaben der Gegenwart sind andere, als solche, die von ihnen gelöst werden könnten. Ein Vierteljahrhundert stand an der Spitze Deutschlands der letzte und größte der Junker, und die Tragik, welche seiner staatsmännischen Laufbahn neben ihrer unvergleichlichen Größe anhaftete und die sich heute noch immer dem Blick Vieler entzieht, wird die Zukunft wohl darin finden, daß unter ihm das Werk seiner Hände, die Nation, der er die Einheit gab, langsam und unwiderstehlich ihre ökonomische Struktur veränderte und eine andere wurde, ein Volk, das andere Ordnungen fordern mußte, als solche, die er ihm geben und denen seine cäsarische Natur sich einfügen konnte. Im letzten Grund ist eben dies es gewesen, was das teilweise Scheitern seines Lebenswerkes herbeigeführt hat. Denn dieses Lebenswerk hätte doch nicht nur zur äußeren, sondern auch zur inneren Einigung der Nation führen sollen, und jeder von uns weiß: das ist nicht erreicht. Es konnte mit seinen Mitteln nicht erreicht werden. Und als er im Winter des letzten Jahres, umstrickt von der Huld seines Monarchen, in die geschmückte Reichshauptstadt einzog, 46 da - ich weiß es wohl - gab es viele, welche so empfanden, als öffne der Sachsenwald wie ein moderner Kyffhäuser seine Tiefen. 47 Allein nicht Alle haben diese Empfindung geteilt. Denn es schien, als sei in der Luft des Januartages der kalte Hauch geschichtlicher Vergänglichkeit zu spüren. Uns überkam ein eigenartig beklemmendes Gefühl, - als | ob ein Geist herniederstiege aus A 28 46 Am 26. Januar 1894 wurde Bismarck von Kaiser Wilhelm II. feierlich in Berlin empfangen und zum Chef des Kürassier-Regiments von Seydlitz, Nr. 7, ernannt. Schulthess 1894, S. 33. 4 7 Weber spielt hier auf die Legende an, derzufolge Kaiser Friedrich Barbarossa im Berg Kyffhäuser in Thüringen auf seine Wiederkehr warte, um Deutschland erneut als Führer zu dienen. Bismarck lebte nach seiner Entlassung 1890 auf seinem Gut Friedrichsruh im Sachsenwald, wenige Kilometer östlich von Hamburg gelegen.
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einer großen Vergangenheit und wandelte unter einer neuen Generation durch eine ihm fremd gewordene Welt. Die Gutshöfe des Ostens waren die Stützpunkte der über das Land dislocirten herrschenden Klasse Preußens, der soziale Anschlußpunkt des Beamtentums, - aber unaufhaltsam rückt mit ihrem Zerfall, mit dem Schwinden des sozialen Charakters des alten Grundadels, der Schwerpunkt der politischen Intelligenz in die Städte. Diese Verschiebung ist das entscheidende politische Moment der agrarischen Entwicklung des Ostens. Welches aber sind die Hände, in welche jene politische Funktion des Junkertums hinübergleitet und wie steht es mit ihrem politischen Beruf? Ich bin ein Mitglied der bürgerlichen Klassen, fühle mich als solches und bin erzogen in ihren Anschauungen und Idealen. Allein es ist der Beruf gerade unserer Wissenschaft, zu sagen, was ungern gehört wird, - nach oben, nach unten, und auch der eigenen Klasse, und wenn ich mich frage, ob das Bürgertum Deutschlands heute reif ist, die politisch leitende Klasse der Nation zu sein, so vermag ich heute nicht diese Frage zu bejahen. Nicht aus eigener Kraft des Bürgertums ist der deutsche Staat geschaffen worden, und als er geschaffen war, stand an der Spitze der Nation jene Cäsarengestalt aus anderem als bürgerlichem Holze. Große machtpolitische Aufgaben wurden der Nation nicht abermals gestellt, weit später erst, schüchtern und halb widerwillig begann eine überseeische „Machtpolitik", die diesen Namen nicht verdient. Und nachdem so die Einheit der Nation errungen war und ihre politische „Sättigung" feststand, 48 kam über das aufwachsende | A 29 erfolgstrunkene und friedensdurstige Geschlecht des deutschen Bürgertums ein eigenartig „unhistorischer" und unpolitischer Geist. Die deutsche Geschichte schien zu Ende. Die Gegenwart war die volle Erfüllung der vergangenen Jahrtausende, - wer wollte fragen, ob die Zukunft anders urteilen möchte? Die Bescheidenheit verbot ja - so schien es - der Weltgeschichte, zur Tagesordnung ihres alltäglichen
48 Bismarck hat verschiedentlich das Deutsche Reich als territorial „gesättigt" oder „saturiert" bezeichnet, so z.B. am 11. Januar 1887 vordem Reichstag: „Wir haben keine kriegerischen Bedürfnisse, wir gehören zu den - was der alte Fürst Metternich nannte: saturirten Staaten, wir haben keine Bedürfnisse, die wir durch das Schwert erkämpfen könnten". Sten. Ber. Band 93, S. 336.
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Verlaufes überzugehen über diese Erfolge der deutschen Nation. Heute sind wir nüchtern geworden, es ziemt uns der Versuch, den Schleier der Illusionen zu lüften, der uns die Stellung unserer Generation in der historischen Entwicklung des Vaterlandes verhüllt. Und es scheint mir, daß wir dann anders urteilen. An unserer Wiege stand der schwerste Fluch, den die Geschichte einem Geschlecht als Angebinde mit auf den Weg zu geben vermag: das harte Schicksal des politischen Epigonentums. Schaut uns nicht eben jetzt, wohin wir blicken im Vaterland, sein kümmerliches Antlitz entgegen? In den Vorgängen der letzten Monate, welche bürgerliche Politiker in erster Reihe zu verantworten haben, 49 in allzu Vielem, was in den letzten Tagen im deutschen Parlament und in Manchem, was zu ihm gesprochen wurde, 50 erkannten diejenigen von uns, denen die Fähigkeit des Hasses gegen das Kleine geblieben ist, mit der Leidenschaft zorniger Trauer das kleinliche Treiben politischer Epigonen. Die gewaltige Sonne, welche im Zenith Deutschlands stand und den deutschen Namen in die fernsten Winkel der Erde leuchten ließ, war, so scheint es fast, zu groß für uns und hat die langsam sich entwickelnde politische Urteilsfähigkeit des Bürgertums ausgebrannt. Denn was erleben wir an ihm? Nur allzu offenkundig sehnt sich ein Teil des Großbürgertums | nach dem Erscheinen eines neuen Cäsar, der sie schirme - nach A 30 unten gegen aufsteigende Volksklassen - nach oben gegen sozialpolitische Anwandlungen, deren ihnen die deutschen Dynastien verdächtig sind. 4 9 Diese Bemerkungen beziehen sich auf die Auseinandersetzungen im Reichstag und in der Öffentlichkeit über die sog. „Umsturzvorlage", d.h. den Entwurf eines „Gesetzes betreffend Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse", der Anfang Dezember 1894 in den Reichstag eingebracht worden war. Dadurch sollten die rechtlichen Möglichkeiten zur Beschneidung der politischen Aktivitäten der Sozialdemokratie, deren Anhängerschaft seit 1890 sprunghaft angestiegen war, erweitert werden. Für die Einbringung der „Umsturzvorlage" machte Weber in erster Linie die Nationalliberalen verantwortlich. Siehe dazu die Berichte über Webers Vortrag: „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft" vom 12. März 1895, unten S. 7 2 2 - 7 2 8 . Zu Inhalt und Entstehung der Umsturzvorlage siehe den Editorischen Bericht zu der von Weber mitunterzeichneten „Erklärung gegen die Umsturzvorlage", unten S. 8 7 2 - 8 7 7 . 5 0 Max Weber spielt hier auf die zweite Beratung der „Umsturzvorlage" und auf die Schlußabstimmungen vom 8 . - 1 1 . Mai 1895 im Reichstag an. Nach heftigen Debatten war die Vorlage abgelehnt worden.
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Und ein anderer Teil ist längst versunken in jene politische Spießbürgerei, aus welcher die breiten Schichten des Kleinbürgerthums noch niemals erwacht sind. Schon als nach den Einheitskriegen die ersten Anfänge positiver politischer Aufgaben der Nation nahe traten, der Gedanke einer überseeischen Expansion, - da fehlte ihm selbst jenes einfachste ökonomische Verständnis, welches ihm gesagt hätte, was es für den Handel Deutschlands in fernen Meeren bedeutet, wenn an den Küsten umher die deutschen Fahnen wehen. 51 Nicht ökonomische Gründe, auch nicht die vielberufene „Interessenpolitik", welche andere Nationen in nicht geringerem Maße kennen als wir, sind Schuld an der politischen Unreife breiter Schichten des deutschen Bürgertums, der Grund liegt in seiner unpolitischen Vergangenheit, darin, daß die politische Erziehungsarbeit eines Jahrhunderts sich nicht in einem Jahrzehnt nachholen ließ und daß die Herrschaft eines großen Mannes nicht immer ein Mittel politischer Erziehung ist. Und die ernste Frage für die politische Zukunft des deutschen Bürgertums ist jetzt: ob es nicht nunmehr zu spät ist, sie nachzuholen. Kein ökonomisches Moment kann sie ersetzen. Werden andere Klassen die Träger einer politisch größeren Zukunft sein? Selbstbewußt meldet sich das moderne Proletariat als Erbe der bürgerlichen Ideale. Wie steht es mit seiner Anwartschaft auf die politische Leitung der Nation? Wer heute der deutschen Arbeiterklasse sagen würde, sie sei | 31 politisch reif oder auf dem Wege zur politischen Reife, der wäre ein Schmeichler und strebte nach der fragwürdigen Krone der Popularität. Ökonomisch sind die höchsten Schichten der deutschen Arbeiterklasse weit reifer, als der Egoismus der besitzenden Klassen zugeben möchte, und mit Recht fordert sie die Freiheit, auch in der Form des offenen organisierten ökonomischen Machtkampfes ihre Interessen zu vertreten. Politisch ist sie unendlich unreifer, als eine Journalistenclique, welche ihre Führung monopolisieren möchte, sie glauben machen will.52 Gern spielt man in den Kreisen dieser deklassierten
51 Anspielung auf die von der Freisinnigen Volkspartei unter der Führung Eugen Richters artikulierten Widerstände in Teilen des liberalen Bürgertums gegen eine weit ausgreifende Politik formeller kolonialer Erwerbungen. 52 Anspielung auf den Sachverhalt, daß zahlreiche sozialdemokratische Politiker festbesoldete Redakteure ihrer Parteipresse waren.
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Bourgeois mit den Reminiscenzen aus der Zeit vor 100 Jahren - man hat damit in der That erreicht, daß hie und da ängstliche Gemüter in ihnen die geistigen Nachkommen der Männer des Konvents erblikken. 53 Allein sie sind unendlich harmloser, als sie selbst sich erschei5 nen, es lebt in ihnen kein Funke jener katilinarischen Energie der That, aber freilich auch kein Hauch der gewaltigen nationalen Leidenschaft, die in den Räumen des Konventes wehten. 54 Kümmerliche politische Kleinmeister sind sie, - es fehlen ihnen die großen MacMnstinkte einer zur politischen Führung berufenen Klasse. 10 Nicht nur die Interessenten des Kapitals, wie man die Arbeiter glauben macht, sind heute politische Gegner ihrer Mitherrschaft im Staate. Wenig Spuren der Interessengemeinschaft mit dem Kapital fänden sie bei Durchforschung der deutschen Gelehrtenstuben. Aber: wir fragen auch sie nach ihrer politischen Reife, und weil es für 15 eine große Nation nichts Vernichtenderes giebt, als die Leitung durch ein politisch unerzogenes Spießbürgertum, und weil das deutsche Proletariat diesen Charakter noch nicht verloren hat, deshalb sind wir seine politischen Gegner. Und weshalb | ist das Proletariat A 32 Englands und Frankreichs zum Teil anders geartet? Nicht nur die 20 ältere ökonomische Erziehungsarbeit, welche der organisierte Interessenkampf der englischen Arbeiterschaft an ihr vollzogen hat, ist der Grund: es ist vor allem wiederum ein politisches Moment: die Resonanz der Weltmachtstellung, welche den Staat stetig vor große machtpolitische Aufgaben stellt und den einzelnen in eine chroni25 sehe politische Schulung nimmt, die er bei uns nur, wenn die Grenzen bedroht sind, akut empfängt. - Entscheidend ist auch für unsere Entwicklung, ob eine große Politik uns wieder die Bedeutung der großen politischen Machtfragen vor Augen zu stellen vermag. Wir müssen begreifen, daß die Einigung Deutschlands ein Jugendstreich 30 war, den die Nation auf ihre alten Tage beging und seiner Kostspieligkeit halber besser unterlassen hätte, wenn sie der Abschluß und nicht der Ausgangspunkt einer deutschen Weltmachtpolitik sein sollte. 53 Gemeint ist der nach dem allgemeinen Stimmrecht gewählte französische Nationalkonvent, der im September 1792 zusammentrat und die Republik proklamierte. Im Konvent gewannen die Jakobiner unter der Führung Robespierres, die unter nationalem Vorzeichen eine Politik der radikalen Verfolgung aller angeblichen Widersacher der Revolution betrieben, immer stärker die Oberhand. 54 Hinweis au! die Revolutionskriege und das Sendungsbewußtsein der ersten Republik gegenüber den anderen europäischen Mächten.
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Das Drohende unserer Situation aber ist: daß die bürgerlichen Klassen als Träger der Machtinteressen der Nation zu verwelken scheinen und noch keine Anzeichen dafür vorhanden sind, daß die Arbeiterschaft reif zu werden beginnt, an ihre Stelle zu treten. Nicht, - wie diejenigen glauben, welche hypnotisiert in die Tiefen der Gesellschaft starren, - bei den Massen liegt die Gefahr. Nicht eine Frage nach der ökonomischen Lage der Beherrschten, sondern die vielmehr nach der politischen Qualifikation der herrschenden und aufsteigenden Klassen ist auch der letzte Inhalt des soz/fl/politischen Problems. Nicht Weltbeglückung ist der Zweck unserer sozialpolitischen Arbeit, sondern die soziale Einigung der Nation, welche die A 33 moderne | ökonomische Entwicklung sprengte, für die schweren Kämpfe der Zukunft. Gelänge es in derThat, eine „Arbeiteraristokratie" 55 zu schaffen, welche Trägerin des politischen Sinnes wäre, den wir heute an der Arbeiterbewegung vermissen, dann erst möge der Speer, für welchen der Arm des Bürgertums noch immer nicht stark genug zu werden scheint, auf jene breiteren Schultern abgelegt werden. Bis dahin scheint es noch ein weiter Weg. Für jetzt aber sehen wir Eines: eine ungeheure politische Erziehungsarbeit ist zu leisten und keine ernstere Pflicht besteht für uns, als, ein Jeder in seinem kleinen Kreise, uns eben dieser Aufgabe bewußt zu sein: an der politischen Erziehung unserer Nation mitzuarbeiten, welche das letzte Ziel auch gerade unserer Wissenschaft bleiben muß. Die ökonomische Entwicklung der Übergangsperioden bedroht die natürlichen politischen Instinkte mit Zersetzung; es wäre ein Unglück, wenn auch die ökonomische Wissenschaft dem gleichen Ziele zustrebte, indem sie einen weichen Eudämonismus, wenn auch in noch so vergeistigter Form, hinter der Illusion selbständiger „sozialpolitischer" Ideale züchtete. Freilich dürfen deshalb gerade wir wohl daran erinnern, daß es das Gegenteil von politischer Erziehung ist, wenn man ein Mißtrauens-
55 In Großbritannien hatte sich im Zuge der industriellen Revolution, in scharfer Abgrenzung gegenüber der Masse der ungelernten Arbeiterschaft, eine Oberschicht von hochqualifizierten Facharbeitern herausgebildet, die teilweise sogar die Kontrolle der Produktionsabläufe in den Betrieben behauptete. Diese sogenannte labour aristocracy legte großen Wert auf ihre „Respektabilität" innerhalb der bestehenden bürgerlichen Ordnung und unterstützte vielfach auch die imperiale Machtpolitik Großbritanniens. Der Begriff „Arbeiteraristokratie" als solcher findet sich bereits bei Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1 . - H a m b u r g : Otto Meissner 1890 4 , S.634.
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votum gegen die friedliche soziale Zukunft der Nation in Paragraphen zu formulieren sucht, 56 oder wenn das brachium saeculare nach der Hand der Kirche greift zur Stütze zeitlicher Autoritäten. 57 Aber das Gegenteil von politischer Erziehung bekundet auch das schablonenhafte Gekläff jenes stets anwachsenden Chorus der - wenn mir der Ausdruck verziehen wird - Wald- und Wiesen-Sozialpolitiker, und ebenso jene menschlich liebenswürdige und achtungswerte, dennoch aber unsäglich spießbürgerliche Erweichung des Gemütes, welche poli| tische Ideale durch „ethische" ersetzen zu können meint und A 34 diese wieder harmlos mit optimistischen Glückshoffnungen identifiziert. 5 8 Auch angesichts der gewaltigen Not der Massen der Nation, welche das geschärfte soziale Gewissen der neuen Generation belastet, müssen wir aufrichtig bekennen: schwerer noch lastet auf uns heute das Bewußtsein unserer Verantwortlichkeit vor der Geschichte. Nicht unserer Generation ist beschieden zu sehen, ob der Kampf, den wir führen, Früchte trug, ob sich die Nachwelt zu uns als ihren Ahnen bekennt. Es wird uns nicht gelingen, den Fluch zu bannen, unter dem wir stehen: Nachgeborene zu sein einer politisch großen Zeit, - es müßte denn sein, daß wir verstünden, etwas Anderes zu werden: Vorläufer einer größeren. Wird das unser Platz in der Geschichte sein? Ich weiß es nicht und sage nur: es ist das Recht der Jugend, zu sich selbst und ihren Idealen zu stehen. Und nicht die Jahre sind es, die den Menschen zum Greise machen: jung ist er, so lange er mit den großen Leidenschaften, welche die Natur in uns
56 Erneute Anspielung auf die „ U m s t u r z v o r l a g e " . W i e oben, A n m . 49. 57 Anspielung auf die B e s t r e b u n g e n des preußischen Staates, d e m Vordringen liberaler und sozialdemokratischer Ideen durch eine Stärkung des Einflusses der christlichen Kirchen auf die Schule e n t g e g e n z u w i r k e n . Diese staatlichen Bestrebungen kamen u.a. in der Schulvorlage des Kultusministers von Zedlitz-Trützschler v o m Jahre 1892 z u m A u s druck, die allerdings angesichts massiver Proteste in der Öffentlichkeit nicht realisiert wurde. 58 Dies bezieht sich auf die 1892 von d e m Berliner A s t r o n o m e n Wilhelm Foerster, d e s s e n S o h n Friedrich Wilhelm Foerster, G e o r g von Gizycki und Ferdinand Tönnies begründete Gesellschaft für Ethische Kultur. (Vgl. oben, S. 538, A n m . 12.) Diese strebte soziale und kulturelle Reformen auf der Grundlage der ethischen Lehren der d e u t s c h e n idealistischen Philosophie an. Die Freiburger Abteilung der Gesellschaft w u r d e v o n d e m späteren.Pazifisten Friedrich Wilhelm Foerster geleitet, der seit Mai 1895 Herausgeber der Zeitschrift „Ethische Kultur" war. W e b e r s Fakultätskollege Gerhart von S c h u l z e - G a e v e r nitz hatte im Februar und März 1895 in der Freiburger Abteilung eine Vortragsreihe gehalten. Ethische Kultur, Nr. 18 v o m 4. Mai 1895, S. 143.
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legte, zu empfinden vermag. Und so - damit lassen Sie mich schließen - so sind es nicht die Jahrtausende einer ruhmreichen Geschichte, unter deren Last eine große Nation altert. Sie bleibt jung, wenn sie die Fähigkeit und den Mut hat, sich zu sich selbst und den großen Instinkten, die ihr gegeben sind, zu bekennen, und wenn ihre führen- 5 den Schichten sich hinaufzuheben vermögen in die harte und klare Luft, in welcher die nüchterne Arbeit der deutschen Politik gedeiht, die aber auch durchweht ist von der ernsten Herrlichkeit des nationalen Empfindens. |
[Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Am 20. Juli 1895 feierte die Freiburger Alemannia das 80jährige Bestehen der deutschen Burschenschaften. Max Weber gehörte seit seinem Studium der Heidelberger Allemannia an. Er nahm an dem Freiburger Festkommers teil und hielt eine kurze Rede, in der er die Burschenschaften positiv von den Studentischen Corps absetzte und - dem Bericht der Breisgauer Zeitung zufolge - behauptete, „einer Burschenschaft wäre es auch niemals vorgekommen, daß sie einen Bismarck zuerst aus ihren Reihen gestoßen, und als er ein berühmter, einflußreicher Mann geworden, ihn demüthig eingeladen hätte, wieder einzutreten." 1 Daraufhin meldete sich der Jurastudent Anton Lindeck, Mitglied jenes Corps Hannovera, dem Bismarck 1832 in Göttingen beigetreten war, mit einer am 26. Juli 1895 veröffentlichten Leserzuschrift zu Wort und wies die Behauptung Webers entschieden zurück. 2 Bismarck sei 1832 in das Corps eingetreten und zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Leserbriefs wandte sich Weberam 27. Juli 1895 an die Breisgauer Zeitung mit einer Zuschrift, in der er die Möglichkeit des Irrtums seinerseits einräumte, aber auch die Berichterstattung und korrekte Wiedergabe seiner Rede in der Breisgauer Zeitung in Zweifel zog. Der Zuschrift war folgender Brief Webers hinzugefügt: „Sehr geehrter Herr Redakteur! Ich bitte Sie sehr ergebenst um geneigte unverkürzte Aufnahme des anliegenden Schreibens in Ihr geschätztes Blatt. Mit ausgezeichneter Hochachtung Prof. Max Weber" . 3 Webers Zuschrift wurde am 30. Juli 1895 in der Breisgauer Zeitung veröffentlicht. 4 Die Redaktion fügte dem Abdruck am Schluß folgende Bemerkung hinzu: „Zu vorstehender Zuschrift haben wir, soweit sie die Redaktion betrifft, zu bemerken, daß eine Berichterstattung über studentische Com-
1 Breisgauer Zeitung, Nr. 169 vom 23. Juli 1895, S.2. Der Bericht über Webers Rede unten, S. 731. 2 Ebd., Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S. 2. 3 Brief an Unbekannt, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld. Das Manuskript der Zuschrift: ebd. 4 Breisgauer Zeitung, Nr. 175 vom 30. Juli 1895, S. 2.
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merse allerdings nicht allgemein üblich ist, aber dann stets erfolgt, wenn, wie in diesem Falle, die Redaktion ausdrücklich dazu eingeladen wurde. Bezüglich der Fassung des Berichts ergab sich wohl auch für den unkundigen Leser von selbst, daß es sich nur um Inhaltsskizzen der betr. Rede gehandelt hat. Hieraus erklärt sich denn auch die Möglichkeit, daß ein thatsächlich nicht gefallenes Wort darin vorkommt. Doch versichert unser Berichterstatter, daß er den Sinn der Rede getreu wiedergegeben habe." Die Stellungnahme Webers veranlaßte Lindeck zu einer weiteren Entgegnung, in der er nochmals betonte, daß Bismarck nicht ausgeschlossen worden sei, es handle sich vielmehr um von einem Presseorgan der Weifen gezielt lancierte Gerüchte. 5 Weber reagierte hierauf nicht mehr.
Zur Überlieferung und Edition Von der Zuschrift Max Webers ist ein Manuskript (A) überliefert. Dieses auf den 27. Juli 1895 datierte Manuskript befindet sich als „Brief Max Webers an Unbekannt" in: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld. Der Text erschien in der Breisgauer Zeitung, Nr. 175 vom 30. Juli 1895, S. 2, (B) wortgetreu und ohne jegliche Kürzung. Geändert war nur die Kopfzeile. Statt „Freiburg 27. VII. 95" heißt es dort: „Wir erhalten folgende Zuschrift, datirt vom 27. d. M.:" Dem Abdruck wird die eindeutig von Webers Hand stammende Manuskriptfassung A zugrundegelegt; die Abweichungen der Druckfassung B werden textkritisch annotiert.
5 Ebd., Nr. 178 vom 2. Aug. 1895, S. 2.
[Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck]
Geehrte Redaktion! Zu der mir gestern zugegangenen Zuschrift des stud. jur. Lindeck in N° a 172 Ihres sehr geschätzten Blattes1 habe ich zu bemerken: „Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck sind, wie der Einsender ebenso wie jeder Andere wissen wird, als notorisch zahllose Male b öffentlich und privatim erwähnt worden, 2 ohne daß mir oder irgend Jemandem, den ich darnach fragte, ein öffentlicher oder privater Widerspruch dagegen bekannt geworden wäre. Da auch in diesem Sinn ,notorische' Thatsachen auf Irrtum0 beruhen können, bezweifle ich die Gutgläubigkeit des hier erhobenen Widerspruchs nicht. Da der Einsender für seine Corporation eintreten zu müssen glaubt, kann ich ihm auch die naiv-jugendliche Deutung der Motive zu meiner übrigens neben manchen anderen nur sehr beiläufigen Äußerung nicht weiter verargen, während ich die ungehörige Schlußbemerkung3 in scharfer Form zurückweisen müßte, wenn ich nicht genötigt 0 wäre, ihm einen Umstand zu Gute zu halten, der seine Aufregung verzeihlicher erscheinen läßt: die Form des Berichts.
a B:Nr.
b B: Mal
c B: Irrthum
d B: genöthigt
1 Breisgauer Zeitung, Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S. 2. Vgl. oben, S. 575. 2 Die Behauptung, die Hannovera habe Bismarck 1866 nach der Annexion Hannovers ausgeschlossen und etwa 1870 wieder aufgenommen, geht anscheinend auf Mitteilungen der Deutschen Volkszeitung, Hannover - ein Presseorgan der Weifen - zurück. Vgl. die Entgegnung Lindecks (Breisgauer Zeitung, Nr. 178 vom 2. Aug. 1895, S.2) sowie die Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809-1959, hg. von Franz Stadtmüller, Göttingen 1963, S. 112f. Dieser „Geschichte" zufolge läßt sich ein vorübergehender Ausschluß Bismarcks zwischen 1866 und 1870 aus den Protokollen der Hannovera nicht erkennen. 3 Lindecks erster Artikel schließt mit den Worten: „Man hätte von einem akademischen Lehrer erwarten müssen, daß er sich besser informirt hätte, ehe er einen solchen auf unberechtigten Vorwürfen basirenden Angriff gegen die Corporation einer deutschen Hochschule und damit, was seine Absicht war, gegen einen großen Verband aller deutschen Universitäten unternahm." Breisgauer Zeitung, Nr. 172 vom 26. Juli 1895, S.2.
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Die Couleurschicksale
des Fürsten
Bismarck
Daß über Couleur-Commerse Preßberichte erscheinen, scheint eine Neuerung der letzten Jahre, über deren Berechtigung ich nicht sprechen will, da es mir an sich gleichgültig® ist, ob Äußerungen von mir in die Öffentlichkeit gelangen. Nur muß ich verlangen, daß ein solcher Bericht, wo er den Anschein der Wörtlichkeit erregt, auch wörtlich ist. Wie schon das mitabgedruckte Bruchstück zeigt, ist dies hier nicht der Fall. 4 Unzulässig ist es insbesondre', meinen Bemerkungen eine gradezu 9 injurióse Form zu geben (wie in den Worten, man habe Bismarck],demütigt eingeladen etc.'), in welche ich auch die 'schärfste sachliche' Kritik nicht zu kleiden pflege und über die, wenn ich mich ihrer bedient hätte, ein Teilk der Studentenschaft sich mit Recht beschweren könnte. Die Art der Anbringung dieser Beschwerde ist freilich wenig akademisch. Glaubt eine Kategorie studentischer Corporationen oder ein Mitglied als solches sich von einem akademischen Lehrer mit Recht oder Unrecht gekränkt, so stehen ihnen die eignen1 oder befreundete alte Herren zu Gebote, welche zunächst die Authentizität" 1 der Form der Äußerung feststellen und dann eventuell dem Verband in jeder ihnen" genehmen Form Genugthuung zu verschaffen suchen können. Dieser und nicht der Weg einer kümmerlichen Preßpolemik ist der einzig gangbare; da er nicht beschritten wurde, und ich mich auf Preßfehden und Erörterungen mit Mitgliedern der hiesigen Studentenschaft nicht einlassen kann, so ist mit dieser Bemerkung, welche, für künftige Fälle, zu machen der wesentliche Zweck dieser Zuschrift war, für mich die Angelegenheit erledigt. Hochachtungsvoll Professor °Max Weber 0 "
e B: gleichgiltig f B: insbesondere g B: geradezu h B: demüthig schärfsten sachlichen k B: Theil I B: eigenen m B: Authenticität ihm o In B hervorgehoben.
i A: n B:
4 Lindeck zitierte in seiner Zuschrift folgende Passage aus dem Bericht über Webers Rede: „Einer Burschenschaft wäre es auch niemals vorgekommen, daß sie einen Bismarck zuerst aus ihren Reihen gestoßen, und als er ein berühmter, einflußreicher Mann geworden, ihn demütig eingeladen hätte, wieder einzutreten." Vgl. unten, S. 731.
[Rezension von: Karl Grünberg,] Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Die Habilitationsschrift des Rechts- und Wirtschaftshistorikers Carl G r ü n berg über die Agrarreform in B ö h m e n , Mähren und Schlesien 1 war die erste systematische U n t e r s u c h u n g über Ursprung, Ziele und Verlauf der Bauernbefreiung in Österreich. Der erste Teil der umfangreichen Studie befaßte sich mit den rechtlichen Verhältnissen auf d e m Lande und den staatlichen Eingriffen in die Agrarverfassung. Von den ersten Reformen unter Maria Theresia schlug G r ü n b e r g den B o g e n bis zur endgültigen A u f l ö s u n g des G u t s v e r b a n d e s 1 8 4 8 / 4 9 . Im zweiten Teil der U n t e r s u c h u n g b e s c h r i e b er im Detail die D u r c h f ü h r u n g der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse aufgrund der amtlichen Akten. G r ü n b e r g s Schrift bildete ein Pendant zu der Arbeit s e i n e s Straßburger Lehrers G e o r g Friedrich Knapp über die Bauernbefreiung in Preußen. 2 Knapp unternahm es daher, in e i n e m Vortrag in der juristischen Gesellschaft in W i e n die A g r a r r e f o r m e n in Österreich und Preußen auf der Basis seiner e i g e n e n und G r ü n b e r g s Untersuc h u n g e n miteinander zu vergleichen. Dieser Vortrag erschien w e n i g später in d e m von Gustav Schmoller h e r a u s g e g e b e n e n „ J a h r b u c h für G e s e t z g e bung, Verwaltung und Volkswirtschaft im D e u t s c h e n Reich" 3
1 Grünberg, Karl, Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2 Bände: 1. Teil: Überblick der Entwicklung, 2. Teil: Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1680 bis 1848 nach den Akten. - Leipzig: Duncker & Humblot 1893/94. 2 Knapp, Georg Friedrich, Die Bauern-Befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Theilen Preußens, 2 Bände: 1. Theil: Überblick der Entwicklung, 2. Theil: Die Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1706 bis 1857, nach den Akten. - Leipzig: Duncker & Humblot 1887. 3 Ders., Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 18. Jg., 1894, S. 409-431.
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Rezension von: Karl Grünberg
Angeregt durch Knapps Besprechung verfaßte Max Weber für die Historische Zeitschrift eine Rezension, die sich auf die wesentlichen Grundzüge des Werkes, zum Teil Im Vergleich mit Knapps älterer Untersuchung, beschränkte. Weiteres ist über die Entstehung der Rezension nicht bekannt.
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der in der Historischen Zeitschrift, hg. von Heinrich von Sybel und Friedrich Meinekke, 75. Band, I.Heft (Juli/August), 1895, S. 143-146, erschienen ist (A). Die Besprechung ist gezeichnet „Max Weber".
[Rezension von:]
Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich a -bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien. - 2Bände: Erster Theil: Überblick der b Entwicklung. - Zweiter Theil: Die Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1680 bis 1848 nach den Akten. Von Karl Grünberg. Leipzig, Duncker & Humblot. 1893. 1 1,432 S. und II, 497 S. Das Werk ist G[eorg] F[riedrich] Knapp zugeeignet und schließt sich in der Art der Anlage sowohl wie in dem Standpunkt der Betrachtungsweise in allen wesentlichen Punkten seinem Vorbild, dem Knapp'schen Parallelwerk für die preußischen Ostprovinzen, an. 2 Es unterliegt auch wohl keinem Zweifel, daß es für die Beurtheilung der österreichischen Bauernbefreiungsgesetzgebung in annähernd ähnlichem Grade grundlegend bleiben wird, wie Knapp's Werk für diejenige der preußischen. Der Schauplatz der Begebenheiten ist einheitlicher in seiner Gesammtstruktur bei Grünberg als bei Knapp, der Gebiete von so grundverschiedener sozialgeschichtlicher Vergangenheit, wie Schlesien und das deutsche Ordensland, vor sich hatte; deshalb treten manche Züge in der geschilderten Entwicklung in ihrer typischen Gestaltung bei G[rünberg] eher noch schärfer hervor. Die Grundlagen aber sind die gleichen. Wir sehen das Erstehen eines landwirthschaftlichen Großbetriebes innerhalb der Grundherrschaften, welcher den Bestand der unterthänigen bäuerlichen Wirthschaften bedroht, und finden in der Darstellung G[rünberg]'s mit überzeugender Deutlichkeit dargelegt, wie der erstarkende absolutistische Staat zunächst lediglich im Interesse des ungeschmälerten Eingangs der Kontribution zu einer Kontrolle der Verschiebungen innerhalb der Grundherrschaften, welche jener Entwicklungsprozeß zeitigte, geführt und dann auf der einmal betre-
a A : grundherrlich
b A: und
1 Der erste Teil erschien 1894, der zweite Teil 1893. 2 Gemeint ist Knapp, Bauern-Befreiung, Bände 1 - 2 .
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Rezension von: Karl Grünberg
tenen Bahn weiter gedrängt wurde zu Konsequenzen von steigender Tragweite: von der Konservirung des Rustikallandes in seiner Qualität als Steuerobjekt, wobei die Frage, in wessen Händen - denen des Gutsherrn oder der Unterthanen - es sich befand, irrelevant schien, zur Konservirung des Gesammtbesitzstandes der bäuerlichen Bevölkerung als der Gesammtheit der Steuersubjekte, wobei die einzelne Person des Bauern noch fungibel blieb, daneben behufs Erhaltung der Steuerkraft der Bauern, zur Ermittelung und Regulirung ihrer 144 Unter|thanenschuldigkeiten, und endlich erst am Endpunkt der Entwicklung zu dem Versuch, den einzelnen Bauern in seinem Besitzstande zu schützen. Und mit der Fortentwicklung der Art und des Maßes des staatlichen Eingreifens verwandelt sich vor unseren Augen zugleich der centrale Gesichtspunkt, unter dem dasselbe erfolgt: aus einem vorwiegend fiskalischen wird er unter Maria Theresia ein überwiegend populationistischer und gewinnt unter Joseph II. einen radikalphilanthropischen Charakter; die Überstürzung, welche dieser unpolitische Standpunkt in die Befreiungsgesetzgebung brachte, und der verfrühte Angriff auf die fundamentalen Lebensbedingungen des agrarischen Großbetriebes, den die letzten Maßregeln Joseph's II. unternahmen, 3 führten dazu, daß nach seinem Tode der bis dahin stetige Fortgang der Agrargesetzgebung mit einem plötzlichen Ruck für ein halbes Jahrhundert zum Stillstand gebracht und der Abschluß erst durch die 48er Revolution erzwungen wurde. 4 - Den naheliegenden Vergleich dieses Hergangs mit dem Verlauf der preußischen Agrargesetzgebung hat auf Grund des G[rünberg]schen Werkes inzwischen Knapp mit der ihm eigenen künstlerischen Formvollendung derart gezogen, 5 daß es verlorene Mühe wäre, das, was er gesagt hat, hier zu wiederholen. Wenn der Vergleich in sozialpoli-
3 Gemeint ist die „Urbarialregulierung" vom 10. Februar 1789. Diesem Gesetz zufolge wurden sämtliche bäuerlichen Leistungen, sowohl Naturalabgaben als auch Frondienste, in Geld umgerechnet. Die Höhe dieser Abgaben wurde auf maximal 17%% des Bruttogrundertrages der bäuerlichen Stelle begrenzt. Grimberg, Bauernbefreiung, B a n d l , S. 322f. Durch diese Maßnahme erlitten die Grundherren nicht nur finanzielle Einbußen; ihnen wurden darüber hinaus durch die Abschaffung der Frondienste Arbeitskräfte entzogen. 4 Die Adelsopposition zwang den Nachfolger J o s e p h s II., das Gesetz vom 10. Februar 1789 wieder zurückzunehmen. Erst die Patente vom 7. September 1848 und vom 4. März 1849 schufen die rechtlichen Voraussetzungen für die Ablösbarkeit der bäuerlichen Leistungen. Ebd., S. 350 und S. 390ff. 5 Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen.
Rezension
von: Karl
Grünberg
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tischer Beziehung nothwendigerweise zu gunsten Österreichs ausfällt, so muß dabei - das möge, in Anknüpfung an Knapp und Gfrünberg], hier nochmals betont werden - im Auge behalten werden, daß die Reform sich in Österreich gegen einen Stand von weniger als 2000 Grundherren 6 richtete, welche ihr ungeheueres Areal überwiegend durch administrirte Betriebe, also in derjenigen Form nutzten und nutzen mußten, welche auch rein privatwirthschaftlich die wenigst entwicklungsfähige war, während es sich in Preußen um die Depossedirung einer wohl etwa zehnfach größeren Zahl von damals sehr lebenskräftigen Eigenwirthen handelte. Noch 1871 zählte Pommern allein % mal so viel „Gutsbezirke", als Böhmen, Mähren und Schlesien zusammen „Dominien". 7 Und in welchem Maße die neuerdings oft in Zweifel gezogene Behauptung, daß der ostelbische landwirthschaftliche Großbetrieb auf den ungünstigen Sandböden des Ostens Träger nicht nur des technischen Fortschrittes, sondern auch der nationalen deutschen Kultur überhaupt gewesen ist, zutrifft, ergeben z. B. noch die Zahlen der Volkszählung von 1871 in den nationalgemischten Gebieten Westpreußens. Wenn 1871 Evangelische (= Deutsche) und Katholiken (= Polen) an der Bevölkerung der Landgemeinden und Gutsbezirke der mit besonders | ungünstigem Boden in der Provinz ausgestatteten Kreise A 145 Schlochau, Könitz, Tuchel, Neustadt, Putzig folgendermaßen beteiligt waren: 8 1. Schlochau: Landgemeinden]: Evangfelische] 48,9, Kath[oliken] 51,5% 9 Güter: " 60,1, " 39,9% 2. Könitz und Tuchel: Landgemeinden]: " 15,3, " 84,7% Güter: " 26,6, " 73,4%
6 Vgl. Grünberg, Bauernbefreiung, Band 1, S. 413. 7 1871 betrug die Zahl der Gutsbezirke in der Provinz Pommern 2444. Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band3, S. 222. 8 Errechnet nach: Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band 1, S. 5 1 0 - 5 1 3 . Die Angaben sind von Weber jeweils auf- oder abgerundet worden und beziehen sich auf den Anteil an der christlichen Bevölkerung. Tuchel und Putzig waren 1871 noch nicht selbständig, sondern gehörten zu den Kreisen Könitz und Neustadt. 9 In den Landgemeinden im Kreis Schlochau waren 48,8% der christlichen Bevölkerung evangelisch und 51,1 % katholisch.
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Rezension von: Karl Grünberg
3. Neustadt u[nd] Putzig: Landgemeinden]: " 19,5, " 80,5% Güter: " 30,5, " 68,5%10 so zeigt dies die Bevorzugung des evangelischen (deutschen) Elementes durch die Güter im Gegensatz zu den polnischen Kleinbaue r n d ö r f e r n . D i e Erhaltung des landwirthschaftlichen Großbetriebes im östlichen Preußen war nicht nur, wie schon - im Gegensatz zu seiner sonstigen Zurückhaltung mit politischen Werthurtheilen, Knapp hervorhob, politisch nothwendig, 11 sondern sie lag auch im Kulturinteresse: die Rittergüter waren damals noch, was sie heute nicht mehr sein können, die Träger der deutschen Kultur im Osten. Wenigstens im Nordosten: Brandenburg, Pommern, Preußen, Posen. Das Streben nach Erhaltung der Großbetriebe war hier nicht nur begreiflich, sondern auch gerechtfertigt, fehlerhaft und eine verhängnisvolle Konzession an die Interessen des Großgrundbesitzes nur die Aufgabe des Bauernschutzes im entscheidenden Moment. 1 2 Anders freilich und den österreichischen näher verwandt waren die Verhältnisse der Provinz Schlesien. 13 Die Durchführung der Agrargesetzgebung in Preußisch-Schlesien findet allerdings eine für sie äußerst ungünstige Folie in dem Gang der Entwicklung in Österreich. Hat Knapp den mehr sozialpolitisch moralisirenden Standpunkt G[rünberg]'s durch die Betonung der Bedeutung der rein politischen 1 ) Ich komme in größerem Zusammenhange demnächst auf diese Zahlen zurück, 14 und es wird dann zu zeigen sein, daß die geschilderten Zahlenverhältnisse auf guter Bodenlage sich fast genau umkehren, und wie die neueste Entwicklung überhaupt sie modifizirt. |
10 Auf den Gütern im Kreis Neustadt waren 69,4% der christlichen Bevölkerung katholisch. 11 Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, S.427. 12 In Österreich bestand bis 1848, in Preußen dagegen nur bis 1807 bzw. 1816 Bauernschutz, der die Vergrößerung des Gutslandes auf Kosten der Bauern verhinderte. Ebd., S.415. 13 Die Gutsherren in der preußischen Provinz Schlesien hatten es verstanden, Sonderregelungen zu ihren Gunsten bei der Regulierung und Ablösung der bäuerlichen Dienste durchzusetzen. Knapp, Bauern-Befreiung, Band 1, S. 2 1 0 - 2 1 7 . 14 Weber hegte damals den Plan „einer größeren agrarstatistischen Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus", wie u. a. aus einer Anmerkung zu seinem Artikel über „Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen", in: AfSS, Band 19,1904, S. 504 (MWG I/8), hervorgeht. Diese Arbeit ist nicht zustandegekommen.
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Gesichtspunkte ergänzt, so bietet uns G[rünberg] andrerseits - wie auch Knapp selbst hervorhob 15 - sehr erwünschte Ergänzungen für die rec/itehistorische Seite der Bauernbefreiung. In der That dürfte hier seine Stärke liegen, und es scheint mir, daß die erste, die rechtliche Struktur der Erbunterthänigkeit darstellende Partie des Buchs, trotz mancher Bedenken im einzelnen, und ohne dem Werth der sorgfältigen aktenmäßigen Darstellung des V[er]f[assers] zu nahe treten zu wollen, doch die werthvollste und jedenfalls die am meisten originelle ist. Gelegentlich | möchte die Behandlung des A146 Stoffes hier fast zu ausschließlich rechtshistorisch sein: wir erfahren relativ wenig über die Besiedlungsart des Landes, und auch die Art der Wirthschaftsführung der großen Güter kommt, so scheint es mir, etwas kurz fort: die Typen der „Dreschgütner", „Auenhäusler" etc. sind nicht so eingehend gezeichnet, wie Mancher angesichts der Bedeutung, die diesen Begriffen auch in Preußisch-Schlesien zukam, es wünschen wird. Das vorwiegende Interesse für die rechtshistorische Seite der Sache tritt auch in der Art der Weiterführung und des Abschlusses der Erzählung des V[er]f[assers] hervor. Die Darstellung magert ab, je mehr sie sich der neuesten Zeit nähert, und schließt mit dem Rechtsakt der Beseitigung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses durch Erlaß der Patente am 7. September 1848 und 9. März 1849.16 Die Würdigung des Ergebnisses ihrer Durchführung für die Grundbesitzvertheilung und Arbeitsverfassung des platten Landes, namentlich im Vergleich mit Preußen oder anderen österreichischen Ländern, hat der V[er]f[asser] nicht unternommen. - Allein es wäre undankbar, mit dem V[er]f[asser] darüber zu rechten, daß und weshalb er nicht den Bereich seiner Betrachtung hier und da noch weiter erstreckt hat; wir haben Anlaß, uns dessen zu erfreuen, was er uns in seinem Werke bieten wollte, und anzuerkennen, daß die Ausführung hinter der Absicht zum Mindesten nicht zurückgeblieben ist.
15 Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, S. 411. 16 Vgl. Anm.4. Das Patent von 1849 ist datiert auf den 4. März.
Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Als Reaktion auf die hohe Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes war es zu Beginn der 1890er Jahre zu einer Kreditkrise gekommen, d.h. zu einer Verweigerung der Gewährung neuer Kredite seitens der Banken und Kreditinstitute. Zur Bewältigung dieser Krise hatte der preußische Landwirtschaftsminister Wilhelm von Heyden-Cadow 1894 eine Agrarkonferenz einberufen. Vom 28. Mai bis 2. Juni 1894 tagte in Berlin ein Kreis von Sachverständigen: Staats- und Kommunalbeamte, Leiter verschiedener ländlicher Kreditinstitute, Rittergutsbesitzer, Interessenvertreter des mittleren und großen Grundbesitzes sowie namhafte Nationalökonomen wie Georg Friedrich Knapp, August Meitzen, Gustav Schmoller, Max Sering und Adolph Wagner. 1 Gegenstand der Erörterungen war die Erforschung der Ursachen der Kreditkrisis; darüber hinaus wurde nach Mitteln Ausschau gehalten, um der wachsenden Verschuldung des Grundbesitzes entgegenzuwirken. Eine besondere Rolle spielte dabei der Vorschlag, das Anerbenrecht in einer modernisierten Form wiedereinzuführen. Dieses bäuerliche Erbrecht, demzufolge der Hof im Erbfall ungeteilt nur einem von mehreren potentiellen Erben, dem sogenannten Anerben, zufiel, während die Miterben gar nicht oder nur gering abgefunden wurden, sollte in Form eines Intestaterbrechts Wiederaufleben. Dieses hatte den Vorteil, daß die grundsätzliche Testier- und Verfügungsfreiheit des Eigentümers nicht beschränkt wurde. Auf diesem Wege sollte wenigstens eine der Ursachen beseitigt werden, die zu der hohen Verschuldung des Grundbesitzes geführt hatten, nämlich die Aufnahme hoher Kredite durch den Hoferben, um die Miterben abfinden zu können. Die Wiedereinführung des Anerbenrechts empfahl sich darüber hinaus, um die Fortführung der „inneren Kolonisation" - der staatlichen Maßnah-
1 Die Agrarkonferenz vom 28. Mai bis 2. Juni 1894. Bericht über die Verhandlungen der von Sr. Excellenz dem Kgl. Preuß. Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zur Erörterung agrarpolitischer Maßnahmen einberufenen Konferenz. - Berlin: Paul Parey 1894, S.XVIIf.
Editorischer
Bericht
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men zur Besiedlung der östlichen Gebiete - zu sichern und ihre Wirkungen auf Dauer zu stellen. Auf der Agrarkonferenz wurde daher von einigen Teilnehmern ein förmlicher Antrag auf Wiederherstellung des Anerbenrechts gestellt. 2 Daraufhin arbeitete das preußische Landwirtschaftsministerium, in dem Wilhelm von Heyden-Cadow inzwischen von Ernst Freiherr von Hammerstein-Loxten abgelöst worden war, einen Gesetzentwurf aus, der bei Renten- und Ansiedlungsgütern die Einführung des Anerbenrechts vorsah. 3 Diese Güter waren im Zuge der Ansiedlungsgesetzgebung von 1886, 1890 und 1891 durch Vermittlung der Ansiedlungskommission (für Westpreußen und Posen) oder der Generalkommissionen (für ganz Preußen) errichtet worden. Als Rentengüter hatten sie einen rechtlichen Sonderstatus: die Verfügungsrechte der Eigentümer waren eingeschränkt. Mit Widerstand gegen eine weitere Begrenzung der Eigentumsrechte durch Einführung des Anerbenrechts schien daher in diesen Fällen nicht zu rechnen zu sein, zumal sich bei den Ansiedlern selber noch kein spezifisches Rechtsempfinden oder besondere Gewohnheiten im Erbrecht hatten ausbilden können. 4 Der Gesetzentwurf sah die Einführung des Erbrechts als Intestaterbrecht vor (§10). Die Testierfreiheit wurde jedoch ebenso wie die freie Verfügungsgewalt „unter Lebenden" (§ 9) eingeschränkt durch die Bestimmung, daß eine Aufteilung bzw. der Verkauf, sei es von Teilen, sei es des gesamten Guts, nur mit vorheriger Genehmigung durch die zuständigen Behörden zulässig sein solle und zwar auch nach Ablauf der Rentengutspflicht (§6). Ein weiteres wirtschaftspolitisches Novum bedeutete die Einführung von Renten zur Abfindung der Miterben (§21). Diese sollten am Maßstab des jährlichen Ertragswerts des Guts bemessen werden (§19). Um den weichenden Erben dennoch in einem gewissen Maße Kapitalabfindung zu sichern, war die Übernahme der Erbabfindungsrenten auf die Rentenbank zulässig (§§23ff.). Die auf der Agrarkonferenz 1894 erwogene Einführung einer Verschuldungshöchstgrenze, über die hinaus ein Hof oder ein Gut nicht belastet werden dürften, wurde in dem Entwurf nicht berücksichtigt. Durch die angeführten Vorschriften hoffte man, eine Parzellierung der mit staatlichen Mitteln und Krediten errichteten Güterauf Dauer, d.h. auch für die Zeit nach Ablauf der rechtlichen Bindungen des Rentenguts, zu verhindern; zudem sollte durch die Abfindung der Miterben in Form von Renten, die sich nach dem Ertragswert und nicht nach dem in der Regel höher
2 Ebd., S. 258. 3 Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern, in: Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger, Nr. 162 vom 10. Juli 1895, Erste Beilage. 4 Siehe die Allgemeine Begründung, ebd.
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Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht
liegenden Verkehrswert des Hofes richten sollten, die Verschuldung des Anerben infolge der Aufnahme von Krediten zu Abfindungszwecken vermieden werden. Max Weber gehörte zu den Befürwortern des Anerbenrechts bei Bauerngütern unter bestimmten Voraussetzungen. Er begrüßte die Gesetzesvorlage als ersten Schritt auf dem richtigen Wege. Nachdem er bereits die Verhandlungen der Agrarkonferenz im allgemeinen und die Behandlung des Anerbenrechts auf der Konferenz im besondern im Sozialpolitischen Centraiblatt kommentiert hatte,5 meldete er sich nun in der Zeitschrift Soziale Praxis6 erneut zu Wort, um Stellung zu dem Gesetzentwurf zu nehmen. Die näheren Umstände der Entstehung des Textes sowie der Publikation sind nicht bekannt. Der Gesetzentwurf wurde am 13. Mai 1896 - in seinen wesentlichen Zügen unverändert - vom Preußischen Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit angenommen7 und am 8. Juni 1896 Gesetz.8
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift „Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern", in: Soziale Praxis. Centralblatt für Sozialpolitik, hg. von Ignaz Jastrow, Berlin, Frankfurt a. M., Nr. 50 vom 9. September 1895, Sp. 956-960, erschienen ist (A). Der Text ist gezeichnet: „Freiburg i.B. Max Weber."
5 Siehe Webers Artikel: „Die Verhandlungen der Preußischen Agrarkonferenz" und „Das Anerbenrecht auf der preußischen Agrarkonferenz", oben, S. 483-499 und 502-511. 6 Das von Heinrich Braun herausgegebene Sozialpolitische Centralblatt war 1895 mit den vom Frankfurter Institut für Gemeinwohl herausgegebenen Blättern für Sociale Praxis zusammengelegt worden, und zwar unter dem Titel: Soziale Praxis. Centralblatt für Sozialpolitik; vgl. Sachße, Christoph, Mütterlichkeit als Beruf. - Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986, S. 88. 7 Sten. Ber. pr. AH., 18. Leg. Per., Ill.Sess. 1896, Band 3, S.2166. 8 GS 1896, S. 124-139.
Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern.1* Der vorliegende Gesetzentwurf1 verdient trotz des beschränkten Zweckes eine kurze Wiedergabe seines Hauptinhalts an dieser Stelle, weil er einerseits das einzige positive Resultat der mit dem Thema der „Umgestaltung des Agrarrechts" befaßt gewesenen vorjährigen Agrarkonferenz auf diesem Gebiete darstellt, und weil er andererseits sich selbst als den ersten Schritt auf einem weiter zu verfolgenden Weg ankündigt. Von den beiden Projekten, welche die Agrarkonferenz zeitigte, scheint das eine, die Verschuldungsgrenze, „unter | den Tisch gefal- A len" zu sein. 2 Man wird das kaum bedauern dürfen. Der Schäffle'sche Plan der sog. „Inkorporation des Hypothekenkredits" hatte trotz der unsäglich krausen Form und der doch etwas pedantischen Einzelausführung in seiner Art etwas Geniales. 3 Er war folgerecht gedacht und zog die letzten Konsequenzen aus dem Grundgedanken, - womit gewiß nicht gesagt ist, daß man diesem Grundgedanken selbst zustimmen müßte. Er ist die Mobilmachung des Bauernstandes gegen das bewegliche Kapital und die ökonomische Beherrschung durch das Bürgerthum, ebenso wie gegen die Aufsaugung durch die großen Güter, und es wird dieser „Bauernschutz"4 in die Hand des 11
Reichsanzeiger vom 10. Juli. |
1 Siehe die „Allgemeine Begründung" zur Gesetzesvorlage, in: Deutscher ReichsAnzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger, Nr. 162 vom 10. Juli 1895, Erste Beilage. 2 Neben einer Reaktlvlerung des Anerbenrechts war auf der Agrarkonferenz auch die Einführung einer staatlich festgesetzten Höchstverschuldungsgrenze erwogen worden. Siehe: Agrarkonferenz, S. 261 - 3 1 9 . 3 Albert Schäffle hatte In seiner Schrift: Die Inkorporation des Hypothekarkredits. Tübingen: H.Laupp 1883, den Gedanken einer korporativen Organisation der Bauernschaft entwickelt. Allein die Genossenschaft sollte zur Vergabe von landwirtschaftlichen Krediten an einzelne Bauern, besonders zum Zwecke von Meliorationen, berechtigt sein. Besitzkredite oder Kredite zur Sicherung der Ansprüche von Miterben sollten nur beschränkt oder gar nicht gewährt werden. Schäffle, Inkorporation, S. 6f. 4 Anspielung auf die frlderizianische Landeskulturgesetzgebung, durch die der Bauernschutz gefördert worden war. Der Bauernschutz war das positive Gegenstück zur Erbuntertänigkeit, demzufolge der Gutsherr freiwerdende Höfe erbuntertäniger Bauern nicht einziehen durfte, sondern wiederbelegen mußte.
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Der preußische
Gesetzentwurf
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Anerbenrecht
genossenschaftlich organisirten Standes selbst gelegt. Demgemäß bleiben einerseits die Rittergüter draußen und andererseits monopolisirt die Genossenschaft den Kredit. Die faktische Beseitigung des Kreditkaufs und der Erbverschuldung soll dafür sorgen, daß in die Bauernzwn/f- denn um Schaffung einer solchen handelt es sich - nur der gelangt, welcher die Vermögens-Qualifikation dazu besitzt: die Nothwendigkeit des Baarkaufs entspricht bei der agrarischen dem Eintrittsgeld und Meisterstück der sich abschließenden gewerblichen Zunft. Wer nicht auf seinen eigenen Füßen - seinem eigenen Kapital nämlich - stehen kann, der mag - nach Schäffle 5 - sein Gut der Genossenschaft auftragen, damit diese es anderweit vergebe: nicht der Einzelne soll auf seiner Scholle gehalten werden, er ist bei Schäffle ähnlich wie beim friderizianischen Bauernschutz „fungibel", sondern der Stand soll mit einer Mauer umgeben werden gegen jede Entstehung kapitalistischer Abhängigkeits-Verhältnisse nach außen hin. Die innere Schranke des Gedankens lag - ganz abgesehen hier von der Frage seiner technischen Ausführbarkeit und seiner sozialen Annehmbarkeit - nur darin: daß er von der Coincidenz von Besitz und Betrieb ausging und das Bestehen eines spezifisch gearteten Bauernstandes in rein agrarischen Gebieten mit typischer BesitzHierarchie voraussetzte. Ein Fehler - vom Standpunkt des Projekts selbst aus - war es deshalb, daß Schäffle zwar eine soziale Schranke nach oben, nicht aber nach unten schaffen wollte. Acker-Nahrungen unterhalb des Maaßes der selbstständigen Bauernhöfe bedeuten sozial und ökonomisch eben so sehr etwas vom Typus des „Bauernstandes" Abweichendes nach der einen, wie die Rittergüter nach der anderen Seite. Will man den Bauernstand als solchen zünftig ausgestalten, so muß man eben die Konsequenzen ziehen, welche jede Zunft, nachdem die Periode ihrer expansiven und aufsteigenden Entwickelung vorüber und sie aus der Aggressive in die Defensive gedrängt war, ziehen mußte: die Beschränkung auf die selbstständigen Standesgenossen. Aber abgesehen von dieser Unvollständigkeit ist, wie gesagt, das Projekt insofern konsequent, als es den Bauernstand und nur ihn, diesen aber in seiner Gesammtheit, zusammenfassen will. Die „Schuldgrenze" der Agrarkonferenz unterschied sich davon entschieden nicht zu ihrem Vortheil. Sie wollte nicht den Bauern5 Schäffle, Inkorporation, S. 7 f .
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stand als solchen in seiner Gesammtheit organisiren, sondern vielmehr durch successive Desinfektion von Grundbüchern eine Kategorie von Besitzern mit beschränkter Dispositionsfreiheit und Kreditwürdigkeit erstehen lassen, deren Stellung im Kreise ihrer Genos5 sen völlig problematisch erscheinen muß, wenn man berücksichtigt, daß nichts von der bäuerlichen Bevölkerung in dem Maaß gehütet wird, als ihre ökonomische Autonomie. Und sie ging von der Annahme der Interessen-Identität des Groß-Grundbesitzes und des Bauernstandes, ja im Grunde geradezu aller landwirthschaftlichen Besit10 zer überhaupt aus, trotzdem schon der Gegensatz in der Bodenbewegung, der Art der Verschuldung, den Erbgewohnheiten, wie er zwischen den selbstständigen Bauern-Nahrungen und den übrigen, oberhalb und unterhalb dieser Besitzklasse bestehenden Besitzungen obwaltet, jene Fiktion als solche erkennen läßt. - Indessen: der 15 Gedanke scheint | aufgegeben. Es geht das aus nichts deutlicher als A 958 daraus hervor, daß der Entwurf die Schuldgrenze nicht einmal für die Rentengüter vorschlägt, wo sie (da es sich um abhängige Besitzstände handelt) discutabel wäre: man könnte hier sehr wohl ein Kreditgewährungs-Monopol öffentlicher Instanzen in Aussicht nehmen. 20 Der Gedanke des Anerbenrechts, wie ihn die Agrarkonferenz auffaßte und erörterte, krankte an dem gleichen inneren Fehler, daß nämlich angesichts des Vorwiegens der Groß-Grundbesitzer in der Konferenz 6 die Berührung gerade einiger agrarpolitisch entscheidender Gesichtspunkte wohl oder übel unterlassen werden mußte, 25 wenn man nicht heftige Konflikte in den Kauf nehmen wollte. Dazu gehörte insbesondere die Erörterung der sehr verschiedenen Bedeutung, welche dem Anerbenrecht für die einzelnen Besitzgrößenklassen und Wirthschaftstypen zukommt. Daß das Anerbenrecht etwas anderes bedeutet bei Eigenbetrieb als da, wo Besitz und Betrieb sich 30 getrennt haben - was z.B. durch eine Schuldgrenze stark verallgemeinert werden würde - , ferner da, wo der Boden lediglich Produktionsmittel und Standort ist, wie in der Provinz Sachsen, als in Gegenden, wo die Bodenbesitz-Hierarchie in erster Linie die Unter-
6 Nur zwei Vertreter des Grundbesitzes, die nach der offiziellen Teilnehmerliste zu der Konferenz geladen worden waren, konnten als Repräsentanten des „Bauernstandes" gelten: Christoph Winkelmann, der stellvertretende Vorsitzende des Westfälischen Bauernvereins, und der nationalliberale Hof- und Ziegeleibesitzer Johann Friedrich Schoof. Agrarkonferenz, S.XVIIf.
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läge der typischen sozialen Gliederung der ländlichen Gesellschaft ist, liegt auf der Hand. Ebenso dies3: daß ein Anerbenrecht für Besitzungen keinen Sinn hat, welche ihrem Inhaber nicht volle Nahrung geben, wo also der Boden nur theils unkündbare Wohnstätte, theils, in seinem Ertrage, Quelle eines Zuschusses zum Arbeitsverdienst ist. Und ebenso endlich: daß das Anerbenrecht bei Rittergütern, vollends etwa in Verbindung mit einer Schuldgrenze, den Fideikommissen an bodenkonzentrirender Wirkung nahekommen könnte. Seinen natürlichen Standort hat das Anerbenrecht nur da, wo die geschlossene Vererbung zu einem Vorzugsanschlag der bäuerlichen Erbsitte und diese ihrerseits den ökonomischen Bedürfnissen des Betriebes entspricht, und wo diese Erbsitte durch Rechtsvorstellungen bedroht ist, welche nicht auf zwingenden ökonomischen Bedingungen - Gartenkultur, Rübenbau und dergl., starke Parzellirung und Beweglichkeit des Bodens bei durchgeführter Geldwirthschaft beruhen. Hier ist das Intestat-Anerbenrecht innerhalb der vollbäuerlichen Betriebe eine Stütze der bedrohten Erbsitte und damit der Autonomie der bäuerlichen Bevölkerung gegen eindringende bürgerliche Ideale. Die Zurücksetzung der „weichenden Erben" ist hier nicht, wie auf der Versammlung des Vereins für Sozialpolitik behauptet wurde, eine Zurückstellung der Interessen der Menschen hinter diejenigen des Guts,7 sondern eine Zurückstellung der Interessen von Individuen hinter die des Standes. Sie ist ein Mittel, eine relativ „aristokratische" - bäuerlich-aristokratische - Gliederung der ländlichen Gesellschaft da zu schützen, wo die ökonomischen Vorbedingungen ihrer Demokratisirung nicht gegeben sind. Und dies ist da der Fall, wo eine Angliederung an lokale Absatzmärkte, welche die Produkte der Kleinbetriebe voll aufzusaugen vermögen, zufolge
a A: die
7 Auf der Generalversammlung des Vereins für Soclalpolitik in Wien 1894 hatte Lujo Brentano die Pläne für eine Reaktivierung des Anerbenrechts scharf angegriffen. Ziel des Vereins für Socialpolitik sei es gewesen, im Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie nicht das Kapital, sondern den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: „Meine Herren, wenn dies unser Ausgangspunkt war, so wollen wir nicht damit enden, daß wir sagen, Ausgangs- und Endpunkt der Socialpolitik ist nicht der Mensch, sondern der Hof." Verhandlungen der am 28. und 29. September 1894 in Wien abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die Kartelle und über das ländliche Erbrecht (Schriften des Vereins für Socialpolitik 61). - Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S. 285.
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des Mangels intensiver städtischer und industrieller Entwicklung fehlen und auch nicht künstlich zu schaffen sind, denn hier ist die „Demokratisirung" der ländlichen Gesellschaft mit der Schaffung eines kulturfeindlichen grundbesitzenden Proletariats identisch. Allein man muß sich andererseits hüten, diese „aristokratische" Gliederung und die damit gegebene relativ größere Unbeweglichkeit des Bodens durch die Gesammtschicht der ländlichen Besitzhierarchie durchsetzen zu wollen, wie dies bei einer Erstreckung des Anerbenrechts über die Grenze des Mittel- und Großbauernstandes nach oben oder unten und ebenso über seine natürlichen ökonomischen Standorte hinaus der Fall sein würde. Damit würde man die Stetigkeit der Bevölkerung alteriren. Ich hoffe demnächst zu zeigen, 8 daß die Stetigkeit der ländlichen Bevölkerung, wie sie in dem Quotienten der Ortsgebürtigen zum Ausdruck kommt, fast | mathematisch ge- A nau umgekehrt parallel geht mit der Durchschnittsgröße der Betriebe: - j e kleiner diese, ein desto größerer Bruchtheil der Bevölkerung ist ortsgebürtig, - und dadurch die optische Täuschung zu beseitigen, als ob die Mobilisirung des Bodens mit Mobilisirung der Bevölkerung identisch wäre. Das ist nicht der Fall. Nur allzu oft würde geradezu eine künstliche Einschränkung der Bodenbewegung identisch sein mit künstlicher Steigerung der Bevölkerungsbewegung. In den Industriebezirken Westfalens (Reg[ierungs]-Bez[irk] Arnsberg) und des Rheins (Düsseldorf) mit absolut parzellirtem und mobilisirtem Boden ist auf dem Lande der Prozentsatz der Ortsgebürtigen größer als in den „patriarchalischen" Gutsbezirken der weltfremdesten Gegenden des Ostens. - Die Schwierigkeit also ist, das richtige Anwendungsgebiet zu finden und innerhalb dieses die geeigneten Besitzgruppen, und es muß vorerst noch zweifelhaft erscheinen, ob diese schwierige Aufgabe gelingen wird, denn mit einem Nebeneinanderstellen von geschlossen unter Vorzugsrecht vererbenden Gütern und anderen Besitzungen in der mechanischen Art, wie in mitteldeutschen Staaten geschlossene Höfe und walzende Grund-
8 Wie aus einer Anmerkung zu Webers Artikel „Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen", in: AfSS, Band 19,1904, S.504 (MWG I/8), hervorgeht, trug sich Weber mit dem Gedanken einer „größeren agrarstatistischen Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus". Diese Arbeit kam jedoch nicht zustande.
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stücke neben einander stehen, 9 wird man sich kaum zufrieden geben können. Es ist deshalb erfreulich, aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu ersehen, 10 daß die Erhebungen über das zweckmäßige Anwendungsgebiet noch fortgesetzt werden^] und zu hoffen, daß die bäuerliche Bevölkerung selbst dabei thunlichst zu Worte kommt. Der vorliegende Entwurf nun greift ein Anwendungsgebiet heraus, welches besonders unbedenklich ist. Der Ansiedelungsfiskus hatte schon bisher auf Grund des ihm nach dem Normal-Rentengutsvertrag zustehenden - allerdings juristisch nicht unbedenklichen Tax-Rückkaufsrechts im Erbfalle die Möglichkeit, die Erbregulirung, welche auf Grund des Parzellirungsverbots regelmäßig nur in einem geschlossenen Übergang bestehen kann, so zu beeinflussen, daß das Ergebnis ein ökonomisch angemessenes war. 11 Jetzt soll für alle vom Staat oder durch Intervention der Generalkommissionen geschaffenen Rentengüter die Anerbenfolge mit dem Recht des Anerben, das Gut zum kapitalisirten Ertragswerth zu übernehmen, als Intestaterbrecht, also unter Erhaltung der Dispositionsfreiheit innerhalb der durch die Rentenguts-Qualität gegebenen Schranken, eingeführt werden. Es entspricht das ökonomisch und rechtlich dem Erbpacht-Charakter des ganzen Instituts und kann deshalb nur Beifall finden. Auch ist es unbedenklich, daß das Spezial-Erbrecht in dieser Form die Rentenguts-Qualität auch eventuell überdauern soll. Die technischen Einzelheiten der Erbregulirung (Rentenabfindung mit verbundener Übernahme auf die Rentenbank) interessiren hier vorerst noch nicht. Auf sie mag, wenn die legislatorische Behandlung des Entwurfs näher rückt, zurückgekommen werden. 12
9 Ein Nebeneinander von an das Anerbenrecht gebundenen und ungebundenen („walzenden") Höfen gab es in den Großherzogtümern Baden, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, dem Fürstentum Schaumburg-Lippe, dem Herzogtum Braunschweig, dem Landgebiet der Stadt Bremen sowie in den preußischen Provinzen Hannover, Westfalen, Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein einschließlich dem Kreis Herzogtum Lauenburg. Miaskowski, August von, Anerbenrecht, in: HdStW 1 1 ,1890, S. 272. 10 Deutscher Reichs-Anzeiger, Erste Beilage. 11 Zum Normalrentengutsvertrag der Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen sowie Webers juristischen Bedenken gegenüber dem Rückkaufsrecht siehe oben, S. 510, Anm. 21. 1 2 Das Abgeordnetenhaus beriet den Gesetzentwurf am 23. März, sowie abschließend am 11., 12. und 13. Mai 1896. W e b e r g i n g später auf die technischen Einzelheiten nicht mehr ein.
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Eine Bestimmung mag schon jetzt hervorgehoben werden, welche auf Bedenken stoßen wird. Nach § 6 des Entwurfs soll bei künftig begründeten Kolonien auch nach Erlöschen der Rentenguts-Qualität das „Anerbengut" nicht nur nach Anerbenrecht b vererben, sondern überhaupt geschlossen und nur mit Genehmigung der Generalkommission parzellirbar sein. Diese Beschränkung der Frei-Theilbarkeit wird, wenn verständig gehandhabt, nicht besonders lästig empfunden werden und ist auch an sich nicht bedenklich. Allein wenn weiter vorgeschrieben wird, daß die Veräußerung auch im Ganzen nur mit Konsens zulässig sein soll, welcher in dem Falle (nur in diesem) zu versagen ist, wenn der Verdacht der Kommassation c13 obwaltet, 14 so wird gerade diese Einschränkung der Verkehrsfreiheit nach Wegfall der Rentenpflicht auf die Dauer sehr ungern ertragen werden. Es wäre erwünschter, wenn man der befürchteten Aufsaugung nicht rechtliche, sondern faktische Hindernisse in den Weg stellen könnte. Und das ist in | umso höherem Maaße der Fall, je systematischer und umfassender A 960 die Parzellirung betrieben wird. Hier liegt die Schwäche des Vorgehens mit der privaten Rentengutsbildung. Wenn man aus den Materialien des Entwurfs sieht, daß auf 40000 ha Rentenguts-Land 72500 ha Restguts-Fläche kommen, 15 so erkennt man, daß es sich hier eben doch zum ganz überwiegenden Theil um Abstoßung von Außenschlägen handelt, nicht aber um systematische Überführung ganzer Ritterguts-Komplexe in die soziale Verfassung von Bauerngemeinden. Wäre letzteres der Fall, so wäre die Bestimmung des § 1
b A: Anerberecht
c A: Kommissation
13 Der Begriff „Kommassation" bezeichnet im österreichischen Recht die zwangsweise Zusammenlegung von Grundstücken im Rahmen des gesetzlichen Flurumlegungsverfahrens. Hier gebraucht Weber ihn im allgemeinen Sinn von „Zusammenlegung von Grundstücken". 14 §6, Absatz2, lautet: „Das Gleiche gilt für die Veräußerung im Ganzen. In diesem Fall darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß die wirthschaftliche Selbständigkeit des Anerbenguts durch Vereinigung mit einem größeren Gut aufgehoben wird." 15 Seit Inkrafttreten des Rentengutsgesetzes am 7. Juli 1891 bis Ende 1894 wurden Rentengüter mit einer Gesamtfläche von 40208 Hektar gebildet; die Größe der nicht kolonisierten, zum größten Teil im Besitz des privaten Rentengutsausgebers verbleibenden oder anderweitig veräußerten Restgüter betrug demgegenüber 72475 Hektar. Siehe Anlage I, in: Deutscher Reichs-Anzeiger, Dritte Beilage.
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entbehrlich, 16 und eine Erschwerung des Aufkaufes jener Außenkolonien andererseits bietet relativ wenig Interesse. Vorzuziehen wäre eventuell eine Verlängerung der Periode der Unablösbarkeit eines Rententheils und die Aufrechterhaltung bezw. Statuirung des Rücktrittsrechts für diese längere Periode. Nach dem Ablauf dagegen 5 sollte man die Güter dem freien Verkehr überlassen. Der vorliegende Gesetzentwurf erscheint so als in der Hauptsache nützlich und natürlich, wenn schon nicht an sich von weittragender Bedeutung, - gerade wegen des letzteren Umstandes steigert er nur die Spannung, welche Richtung die preußische Agrarpolitik nun 10 weiter nehmen wird. Schlimmer als eine Erstarkung des Anerbenrechtsd über seine natürlichen Gebiete hinaus wäre z . B . die weitere Ausbreitung der Fideikommisse und ihre Erleichterung von Staatswegen. Sie würde die Entvölkerung des Ostens zu einer dauernden Erscheinung entwickeln und würde in ihrer Begünstigung der feudal- 15 aristokratischen Gliederung des platten Landes in genau umgekehrter Richtung liegen als die kolonisatorische Arbeit, welcher der jetzt vorliegende Gesetzentwurf dienen will. Hoffentlich bleibt er 17 uns erspart. - |
d A: Anerberechts
16 Offensichtlich ist § 1, letzter Absatz, des Gesetzentwurfs über das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedlungsgütern gemeint: „Bei den durch Zukauf gebildeten Rentengütern wird durch Eintragung der Anerbengutseigenschaft im Grundbuche die ganze Stelle Anerbengut im Sinne dieses Gesetzes." 17 Gemeint ist ein möglicher Gesetzentwurf zum Fideikommißwesen, dessen Reform der preußische Finanzminister Johannes von Miquel in Aussicht stellte. Siehe ausführlicher, unten, S. 796, Anm. 1.
Agrarpolitik [Grundriß einer Vortragsreihe]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Das Freie Deutsche Hochstift war 1859 von Otto Volger, einem Demokraten der 48er Revolution, gegründet worden. Neben der Pflege des Goetheschen Erbes veranstaltete das Hochstift Kurse zur Volksbildung. 1 Diese Kurse bzw. Vortragsreihen wurden von namhaften Fachwissenschaftlern durchgeführt. Zu ihnen gehörte auch Max Weber. Unter dem Titel „Agrarpolitik" führte er dort am 15., 22. und 29. Februar sowie am 7. und 14. März 1896 eine Vortragsreihe durch. Die Umstände seiner Einbeziehung in das Vortragsprogramm des Freien Deutschen Hochstifts sind nicht bekannt. Das Programm des Hochstifts für das Winterhalbjahr 1 8 9 5 - 9 6 (Oktober bis März) 2 sah Vorträge in insgesamt sechs Abteilungen vor: I.Geschichte, II. Literaturgeschichte, III. Kunstgeschichte, IV. Staatswissenschaften, V.Volkswirtschaftslehre und VI.Philosophie. Für jede Fachrichtung, mit Ausnahme der Literaturgeschichte, für die das Programm drei Referenten nannte, wurde jeweils ein Dozent angegeben; jeder Lehrgang bestand aus fünf Vorträgen. Webers Vortragsreihe war der Abteilung „V.Volkswirtschaftslehre" zugeordnet. Im Rahmen der Ankündigung des Lehrplans wurden pro Abteilung von den Referenten selbst mehr oder weniger ausführliche stichwortartige Überblicke über die geplanten Vorträge und einzelnen Sitzungen gegeben. 3 Auch Weber fertigte ein solches Exposé an. Der gedruckte Text ist zwar sowenig wie die übrigen Überblicke namentlich gezeichnet, doch ist davon auszugehen, daß er von ihm stammt: Der Entwurf ist sehr detailliert, er stimmt weitgehend mit den tatsächlich gehaltenen Vorträgen, über die uns ausführliche Zeitungsberichte überliefert sind, 4
1 Vgl. zur Geschichte des Hochstifts: Adler, Fritz, Freies Deutsches Hochstift. Seine Geschichte, I.Teil: 1859-1885. - Frankfurt a.M.: Johannes Weisbecker 1959, bes. S. 26f., sowie Rumpf, Hermann, Aus der Geschichte des freien Deutschen Hochstifts. Frankfurt a.M.: Osterrieth o. J. [1938], 2 Freies Deutsches Hochstift zu Frankfurt a. M. Lehrgänge im Winter-Halbjahr 1895-96. -Frankfurta.M.: Gebrüder Knauero.J. [1895], S . 5 - 1 2 . 3 Ebd., S. 7 - 1 2 . 4 Siehe den Abdruck der Berichte unten, S. 748-790.
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überein; ferner bestehen thematische Bezüge zu anderen Vorträgen Webers über agrarpolitische Fragen, z.B. die Betonung des Zusammenhangs von Bodenbesitzverteilung und Bevölkerungsdichte 5 und die ausführliche Behandlung der Vorschläge der Nationalökonomen Johann Karl Rodbertus und Albert Schäffle über die Begrenzung des Realkredits. 6 Das genaue Datum der Entstehung und Veröffentlichung des Textes ist nicht bekannt. Doch dürfte er spätestens im September 1895, eher früher, gedruckt vorgelegen haben. Denn da die „Lehrgänge" des Winterhalbjahrs im Oktober 1895 begannen, mußten die Ankündigungen, in deren Rahmen das Epose Webers ja gedruckt war, zu diesem Zeitpunkt spätestens fertiggestellt sein.
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift: „ V. Volkswirtschaftslehre. 7. Herr Professor Max Weber aus Freiburg i.Br.: Agrarpolitik", in: Freies Deutsches Hochstift zu Frankfurt a.M. Lehrgänge im Winter-Halbjahr 1 8 9 5 - 9 6 . - Frankfurt a. M.: Gebrüder Knauer o.J. [1895], S.10f., erschienen ist (A).1 Der Titel von Webers Vortragsreihe lautete demnach „Agrarpolitik". Der Text lag spätestens im September 1895 gedruckt vor. Neben der Übersicht existieren über die jeweiligen Vortragsabende ausführliche Presseberichte. 2 Die Zwischenüberschriften der Übersicht stimmen mit den in den Zeitungsberichten genannten Titeln der einzelnen Vorträge überein.
5 Unten, S. 599. 6 Unten, S. 600. 1 Die „Lehrgänge" sind als Broschüre erschienen und in der Bibliothek des Freien Deutschen Hochstifts, Frankfurt am Main, gesammelt überliefert. 2 In diesem Band abgedruckt, unten, S. 748-790.
Agrarpolitik
I. Vortrag: Agrargeschichte. Form der Siedelung und Flurgemeinschaft. Die Grundherrschaften und ihre ökonomische Bedeutung. Die zwiespältige Entwickelung 5 der Grundherrschaften im Osten und Westen Deutschlands und deren ökonomischer Grund. Die Sprengung der mittelalterlichen Agrarverfassung durch die Bauernbefreiung, die Separationen und Gemeinheitsteilungen, 1 und die Entstehung der Landarbeiterklasse. Viergleich mit Frankreich und England.
II. Vortrag: Agrarverfassung. Verhältnis von Bodenbesitzungen und landwirtschaftlichem Betrieb 15 zu einander in Frankreich, England und Deutschland. Die Besitzund Betriebsverteilung in Deutschland und die drei Typen der deutschen Agrarverfassung. 2 Die Wirkungen der Boden-Besitzverteilung auf 1. die Dislokation der Bevölkerung, 2. ihre Stabilität, 3. ihre Vermehrung, 4. ihre Lebenshaltung. Entwickelungstendenzen auf 20 dem Gebiete der Agrarverfassung. Probleme auf dem Gebiete der Agrarverfassung: 1. Gütergeschlossenheit und Fideikommisse, 2. ländliches Bodenerbrecht, 3. innere Kolonisation. 3 1
1 Gemeint sind vor allem die preußischen Agrarreformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vgl. oben, S. 95, Anm. 10 und 11. 2 Weber unterscheidet folgende drei Typen der Bodenbesitzverteilung: das Rheinland mit ländlichem Kleinbesitz und Realteilung; Hannover und Westfalen mit großbäuerlichem Besitz und Tendenz zur geschlossenen Vererbung, sowie das Gebiet östlich der Elbe mit Großgrundbesitz und rationeller, großbetrieblicher Bewirtschaftung. Vgl. seine Ausführungen dazu oben, S. 5 0 3 - 5 0 5 , und unten, S. 757, 760. 3 Gemeint sind die Bemühungen um die Seßhaftmachung von Landarbeitern und die Stärkung des bäuerlichen Mittelstandes. Preußen betrieb seit 1886 und dann 1890/91 eine verstärkte Kolonisationspolitik. Vgl. auch oben, S. 83f., Anm. 5.
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III. Vortrag: Agrarkredit. Kategorien: Real- und Personalkredit; Besitz-, Meliorations-, Betriebskredit. Die rechtliche Ordnung des Kredits, speziell des Realkredits, in Frankreich, England, Deutschland, insbesondere die Hypothek, das Maß der Bodenbelastung. Die verschiedene ökonomische und soziale Bedeutung der Bodenbelastung je nach der Agrarverfassung. Die Kreditinstitute. Probleme und Reform Vorschläge auf dem Gebiete des Realkreditwesens: insbesondere Rodbertus und Schäffle. 4 Der wirkliche Grundgedanke des Schäffleschen Projekts und seine soziale Tragweite. Kritik dieses Projekts und der auf ihm beruhenden neuesten Vorschläge in Österreich und Preußen. 5 Das sogenannte „Heimstätterecht". 6 Die thatsächlich möglichen Reformen. Der Personalkredit, speziell seine genossenschaftliche Organisation.
4 Um eine weitere Verschuldung des Grundbesitzes zu verhindern, hatte der Nationalökonom Johann Karl Rodbertus vorgeschlagen, die Abfindung für weichende Erben nicht mehr unter Zugrundelegung des Verkehrswertes, sondern des durchschnittlichen Ertragswertes eines Gutes zu berechnen und die Auszahlung in Rentenform vorzunehmen. So sollte die Besitzkreditverschuldung des Haupterben in Grenzen gehalten werden. Vgl. Rodbertus-Jagetzow, Johann Karl, Zur Erklärung und Abhülfe der heutigen Creditnoth des Grundbesitzes, 2 Bände. - Berlin: Hermann Bahr [1868], passim; Conrad, Johannes, Rentenprinzip, in: HdStW 5 1 , 1893, S. 427-430. Der Nationalökonom und ehemalige österreichische Handelsminister Albert Schäffle hatte in seiner 1883 erschienenen Schrift „Die Inkorporation des Hypothekarkredits" den Plan einer genossenschaftlichen Organisation der Bauernschaft zur Beschaffung von Krediten entwickelt. Grundgedanke war, den ländlichen Klein- und Mittelbesitz vom städtischen Kapital unabhängig zu machen. 5 1890 legte die österreichische Regierung einen Gesetzentwurf zur Bildung von Zwangsberufsgenossenschaften der Landwirte vor. Diese Korporationen sollten bei Zwangsversteigerungen zugunsten des Schuldners intervenieren. Vgl. oben, S.494, Anm. 41. Ein vergleichbarer Plan wurde auf der preußischen Agrarkonferenz (28. Mai bis 2. Juni 1894) von dem Agrarwissenschaftler Max Sering vorgelegt, stieß jedoch bei den Grundbesitzern auf Ablehnung. Siehe oben, S. 494f. 6 Seit den 1890er Jahren gab es in Deutschland eine Bewegung zur Schaffung eines Heimstättenrechts, z.T. nach amerikanischem Vorbild. Ziel war der Schutz von kleinem und mittlerem Grundbesitz vor Zwangsvollstreckung durch Festsetzung eines nicht pfändbaren Besitzminimums.
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IV. Vortrag: Die Landarbeiter. Die verschiedenen Typen der Organisation der ländlichen Arbeit in Deutschland, im Vergleich mit Frankreich und England. Die Entstehung der deutschen Landarbeiterklasse im Osten und Nordwesten. Die Entwickelungstendenzen, speziell innerhalb der ländlichen Arbeiter des deutschen Ostens, und ihre sozialen und politischen Konsequenzen. Die Landarbeiter und das deutsche Proletariat. Die praktischen Probleme der ländlichen Arbeiterfrage. Die Landarbeiter und der Sozialismus.
V. Vortrag: Agrarschutz und positive Agrarpolitik. Entstehung des Agrarschutzes und heutiger Zustand in Deutschland. Allgemeiner Grund der volkswirtschaftlichen Zubußen auf agrarischem Gebiet. Verschiedene Formen der Zubußen und agrarpolitische Folgen ihrer Anwendung. Positive Ziele der deutschen Agrarpolitik: verschiedene Möglichkeiten der Weiterentwickelung: aristokratische oder demokratische Gliederung der ländlichen Gesellschaft. Die sozial- und bevölkerungspolitische Funktion der Landbevölkerung. Die „Übervölkerung" des platten Landes. Die entscheidenden Gesichtspunkte für die Beurteilung der Probleme der deutschen Agrarpolitik.
[Rezension von: Wilhelm Vallentin,] Westpreußen seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Max Weber hatte in seiner Freiburger Antrittsrede 1 die These von der „ökonomischen Verdrängung" 2 der deutschen durch die polnische Bevölkerung am Beispiel der Provinz Westpreußen entwickelt. Mit Hilfe der preußischen Gemeindelexika und dem Unterscheidungskriterium „protestantisch" für deutsch sowie „katholisch" für polnisch hatte er die Bevölkerungsbewegung in Westpreußen, getrennt nach Gütern und Dörfern der jeweiligen Bodengüte, analysiert. Er war dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß deutsche Landarbeiter vorzugsweise aus fruchtbaren Gegenden abwanderten, während sich gleichzeitig polnische Bauern in kargen, weniger fruchtbaren Gegenden ansiedelten. Die Ursache für diese tendenzielle Zunahme der polnischen Bevölkerung sah er in der Fähigkeit der Polen begründet, sich den jeweils schlechteren Lebensbedingungen anzupassen. Unter diesen Gesichtspunkten rezensierte Weber die Untersuchung Wilhelm Vallentins über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Westpreußens für die Historische Zeitschrift. Es ist nicht bekannt, ob und von wem er dazu aufgefordert wurde oder ob er sich selbst an die Redaktion gewandt hat. Vallentins Arbeit war als Band vier der von dem Tübinger Professor für Volkswirtschaft Friedrich Julius Neumann herausgegebenen Reihe „Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung In Deutschland seit dem Anfange dieses Jahrhunderts" erschienen, eine Reihe, auf die Max Weber bereits in seiner Antrittsrede Bezug genommen hatte. 3
1 Siehe oben, S. 543-574. 2 Oben, S. 550. 3 Oben, S. 543f.
Editorischer Bericht
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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der in der Historischen Zeitschrift, hg. von Heinrich von Treitschke und Friedrich Meinecke, 76. Band, 2. Heft (März/April), 1896, S. 308f., erschienen ist (A). Der Text ist gezeichnet „Max Weber".
[Rezension von:]
Westpreußen seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Entwicklung des allgemeinen Wohlstandes in dieser Provinz und ihren einzelnen Theilen. Von Dr. Vallentin. Tübingen, H[ermann] Laupp. 1893. 225 S. (A[uch] u[nter] d[em] Tfitel]: Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung in Deutschland seit dem Anfang dieses Jahrhunderts. Herausg. von F[riedrich] J[ulius] Neumann. Bd. 4.) Die verdienstliche Schrift muß an dieser Stelle mit einem kurzen Hinweis vorlieb nehmen. Die rein deskriptive Darstellung, vielfach den Charakter einer in fließende Rede aufgelösten Zahlentabelle in sich tragend, behandelt einleitend die Boden- und klimatischen Verhältnisse, Ernteerträge, Viehstand, Bodenerträge, Minimallöhne im allgemeinen, sodann in einem ersten Theil die Wohnungsverhältnisse, Verkehrsmittel, Gewerbe, Arbeitslöhne, Steuerergebnisse, Schul- und Sanitätsverhältnisse, Sparkassen, Kriminalstatistik, und in einem zweiten Theil die gleichen Gegenstände, örtlich gesondert nach ihrem allgemeinen Charakter und ihrer nationalen Besiedlung nach zusammengehörigen Gebieten, stets im Vergleich mit den entsprechenden Verhältnissen in den anderen Provinzen und im preußischen Staat. Neben der amtlichen Statistik sind Spezialwerke und gelegentlich handschriftliche Zusammenstellungen Neumann's benutzt. Die durchweg sorgfältige Arbeit will nur eine Wiedergabe des zahlenmäßig Feststellbaren als Materialsammlung bieten und meidet offenbar geflissentlich alle mehrdeutigen oder nothwendig nur annäA 309 hernd genauen Zahlen |darstellungen. Wohl deshalb hat der V[er-] f[asser] - was mir bedauerlich erscheint - die Verarbeitung des Materials, welches die verschiedenen „Handbücher des Grundbesitzes"1 an die Hand geben, unterlassen. Ebenso sind die Gemeinde1 Das nach amtlichen Quellen bearbeitete „Handbuch des Grundbesitzes" bezog sich auf das gesamte Deutsche Reich. Es verzeichnete sämtliche Güter, ihre Qualität und Größe, ihre Besitzer und Pächter. Darüber hinaus gab es u. a. auch Auskunft über Gewerbe, Poststationen und die Züchtung spezieller Viehrassen. Für die Provinz Westpreußen lagen Ausgaben von 1880,1885,1891 und 1894 vor. Siehe im Literaturverzeichnis, unten, S. 946.
Rezension von: Wilhelm Vallentin
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lexika2 nicht in der Art, wie sie es verdienten, herangezogen. Sie bilden eine Quelle allerersten Ranges für die beschreibende Bevölkerungsstatistik nicht nur, sondern auch für die Ermittlung der Verschiebungen, welche innerhalb der kleinsten Einheiten - Gemeinden und Güter - vor sich gehen. Die Benutzung ist, namentlich zu dem letzteren Zweck, mühsam, aber dennoch sehr lohnend. Schon wenn der V[er]f[asser] die Landgemeinden und Gutsbezirke einmal für größere gleichartige Gebiete, z.B. inbezug auf ihre konfessionelle Zusammensetzung, getrennt betrachtet und dabei gefunden hätte, daß sie sich verschieden und zwar typisch verschieden verhalten, wenn er dann weiter die Verschiebungen der Konfessionen zwischen 1871 und 1885 beobachtet und bemerkt hätte, daß auch hier beide genannte Kategorien in charakteristischer Art von einander abweichen, würde er in der Beurtheilung der Frage nach den Gründen des Rückgangs des Deutschthums weiter gekommen sein, als es jetzt bei ihm der Fall ist. Freilich operirt man dabei mit Zahlen, welche durchweg der Interpretation bedürfen; allein wie steht es mit der „Exaktheit" z.B. der Grundsteuer-Reinertragsziffern? - Die Zahlen Vallentins erweisen auch so den Zusammenhang der Grundbesitzvertheilung mit der Verschiebung der Nationalitäten, aber sie geben ein einseitiges Bild: es scheint nach ihnen so, als ob nur der Großgrundbesitz da, wo er vorherrscht, polonisirt. Das ist freilich der Fall, und zwar, weil dort die deutsche Bevölkerung sich durch Abzug vermindert. Aber dazu tritt ein ferneres Moment: die Polonisirung durch Neuansiedlung polnischer Kleinbauern, und dies Moment lassen V[allentin]'s Zahlen nicht erkennen. - Damit soll dem Werth der Arbeit nicht zu nahe getreten werden; es zeigt sich nur an diesem Beispiel, daß die m.E. doch etwas willkürliche Begrenzung des verarbeiteten Stoffs gelegentlich Nachtheile mit sich bringt.
2 Das „Gemeindelexikon" verzeichnete sämtliche Stadtgemeinden, Landgemeinden und Gutsbezirke im Königreich Preußen. Es gab Auskunft u.a. über die Größe der Kreise, die durchschnittlichen Grundsteuerreinerträge und die Bodenart sowie die ansässige Bevölkerung und ihre Konfession. Siehe im Literaturverzeichnis unter „Gemeindelexikon" und „Die Gemeinden und Gutsbezirke", unten, S. 944f.
[Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Hans Delbrück: Die Arbeitslosigkeit und das Recht auf Arbeit"]
Editorischer Bericht Zur
Entstehung
Am 28. und 29. Mai 1896 fand in Stuttgart der siebente Evangelisch-soziale Kongreß statt. Der Kongreß befand sich zu dieser Zeit in einer schweren Krise:1 eine Reihe konservativer Mitglieder, allen voran Adolf Stoecker, waren ausgetreten; damit war der Charakter des Kongresses als eines alle kirchenpolitischen Richtungen umfassenden Forums zur Erörterung der sozialen Fragen in Zweifel gestellt worden. Für umso notwendiger hielt Max Weber es daher, daß die noch verbleibenden Mitglieder an den Verhandlungen in Stuttgart möglichst zahlreich teilnahmen. Am 22. April 1896 schrieb er an Friedrich Naumann: „Gestern hörte ich [...] das Gerücht [...], daß von Ihnen und Ihren Freunden beabsichtigt werde, nicht zum Ev[angelisch]Soz[ialen] Congresse zu kommen? Das ist doch hoffentlich nicht richtig? Es wäre ja unter allen Umständen ein unverzeihlicher Fehler. Hoffentlich fordern Sie doch in der .Hilfe' noch ausdrücklich zum Kommen auf!" 2 Auf dem Programm des Kongresses standen am ersten Verhandlungstag Referate über die soziale Arbeit der Geistlichen3 und über die „soziale
1 Siehe hierzu: Pollmann, Klaus Erich, Landesherrliches Kirchenregiment und soziale Frage. - Berlin: de Gruyter 1973, S. 266ff. 2 Brief an Friedrich Naumann vom 22. April 1896, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106. Zahlreiche Tageszeitungen veröffentlichten Einladungen des Evangelisch-sozialen Kongresses für das bevorstehende Treffen, so z. B. die Freiburger Zeitung, Nr. 93 vom 24. April 1896, 2. Blatt, S. 3. Wie üblich wurden unter diesen Einladungen auch die Namen der Mitglieder des Ausschusses aufgeführt, darunter auch der Max Webers. Unter der Einladung des den Kongreß organisierenden Stuttgarter Lokalkomitees wurden darüber hinaus herausragende Mitglieder der Landesorganisationen des Evangelisch-sozialen Kongresses genannt, unter anderem auch Max Weber als Mitglied des Ausschusses der Evangelisch-sozialen Vereinigung Badens. (Text der Einladung in: Die Hilfe, Nr. 20 vom 17. Mai 1896, S. 7.) 3 Bericht über die Verhandlungen des Siebenten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Stuttgart am 28. und 29. Mai 1896. - Berlin: Karl Georg Wiegandt 1896, S. 15-56.
Editorischer
Bericht
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Bedeutung des Handels". 4 Den zweiten Verhandlungstag eröffnete der Historiker Hans Delbrück, der Mitglied des Aktionskomitees des Kongresses war, mit einem Referat über „die Arbeitslosigkeit und das Recht auf Arbeit". 5 Delbrück, der die Zahl der Arbeitslosen im Deutschen Reich auf 200000 schätzte, 6 sah die Arbeitslosigkeit durch zwei sich überschneidende Faktoren bedingt: durch sektorale konjunkturelle Schwankungen einerseits und durch eine mit der fortschreitenden Arbeitsteilung verbundenen Saisonalisierung des Arbeitsanfalls andererseits. 7 Eine weitere Ursache für die Arbeitslosigkeit lag für ihn in dem „Nichtwissen der Arbeitsgelegenheit" , 8 d. h. im Fehlen von Arbeitsvermittlungsstellen. Die Befürchtung, es könne durch die volle Ausschöpfung des vorhandenen Arbeitskräftepotentials zu einer Überproduktion kommen, wies er zurück. Das Problem sei vielmehr in einem Mangel an kaufkräftigen Schichten begründet. Nicht um „Überproduktion", sondern um „Unterkonsumtion" handele es sich. 9 In der im Anschluß an den Vortrag stattfindenden Diskussion ergriff Max Weber nach einer Wortmeldung des Stuttgarter Oberbürgermeisters Rümelin als zweiter Redner das Wort. Das Problem der Arbeitslosigkeit, so Weber, könne nur durch die Ausdehnung des ökonomischen und damit des politischen Machtbereichs Deutschlands gelöst werden. Weber bekannte sich damit zu einer bestimmten Gruppe deutscher Nationalökonomen, deren hervorragendster Vertreter sein Fakultätskollege Gerhart von Schulze-Gaevernitz war. Diese Gruppe sah in einer Ausweitung der Exportmöglichkeiten Deutschlands, die gegebenenfalls mit machtpolitischen Mitteln sichergestellt werden müsse, die einzige Chance, die materielle Situation der Arbeiterschaft dauerhaft zu verbessern. Im Anschluß an Webers Diskussionsbeitrag vermerkt das Protokoll: „Lebhafter Beifall."
4 5 6 7
Ebd., S. 7 3 - 8 9 . Ebd., S. 105-119. Ebd., S. 106. Ebd., S. 110. 8 Ebd. 9 Ebd., S. 116.
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Zum Vortrag von Hans Delbrück Zur Überlieferung
und
Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck erfolgt nach den stenographischen Protokollen: Bericht über die Verhandlungen des Siebenten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Stuttgart am 28. und 29. Mai 1896. - Berlin: Karl Georg Wiegandt 1896, S.122f. (A). Webers Diskussionsbeitrag wird eingeleitet: „Professor Dr. Max Weber - Freiburg". Die Protokolle erschienen am 21. Juli 1896 gedruckt. 1 Es kann als sicher gelten, daß Max Weber die stenographischen Mitschriften vor der Drucklegung durchgesehen und autorisiert hat.2
1 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die verwandten Geschäftszweige, Nr. 167 vom 21. Juli 1896, S. 4382. 2 Zum Verfahren im Evangelisch-sozialen Kongreß siehe oben, S. 311 f.
[Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Hans Delbrück: „Die Arbeitslosigkeit und das Recht auf Arbeit"]
Ich möchte nur in Kürze einigen mehr allgemeinen Äußerungen des Herrn Referenten entgegentreten, weil diese, wie mir scheint, das Problem einfacher erscheinen lassen, als es ist. Der Herr Referent hat zunächst ausgesprochen, es existiere seiner Ansicht nach innerhalb der Volkswirtschaft begrifflich und thatsächlich eine „Überproduktion" nicht. Das sei nur äußerer Schein, thatsächlich sei nicht Überproduktion, sondern Unterkonsumtion - das Fehlen einer kaufkräftigen Nachfrage der letzte Grund des Zwiespalts zwischen vorhandenem Angebot und vorhandenen Abnehmern. Er argumentierte dabei, wie erinnerlich, mit dem Beispiel von den wollenen Jacken. 1 Damit aber beweist er wohl etwas zu viel. Man kann eben so gut behaupten, daß der überwiegende Teil der Menschheit nicht ungern ziemlich häufig Champagner konsumieren würde, wenn nämlich seine Kaufkraft dazu ausreichte. Die Unterkonsumtion in Champagner ist im Sinne des Herrn Referenten eine ganz ungeheuer große. 3 Ich glaube eben doch, man wird anerkennen müssen: auch das Rangverhältnis zwischen den menschlichen Bedürfnissen und damit zwischen den einzelnen Produktionszweigen kommt hier in Betracht; nicht der sicherlich außerordentlich wichtige Zustand der Kaufkraft allein, sondern auch Verschiebungen und einseitige Richtungen der Produktion tragen bei zu der Erscheinung, die wir als Überproduktion bezeichnen. - Doch das nur nebenbei. Wichtiger ist mir der zweite Punkt. Der Herr Vortragende hat in einer auch etwas einseitigen Weise das Problem der Arbeitslosigkeit im wesentlichen als das Problem des Ausgleichs des Arbeitsbedarfs zwischen den
a In A folgt der redaktionelle Zusatz: (Lachen).
1 Delbrück hatte darauf hingewiesen, daß im Grunde niemals zu viele wollene Jacken produziert werden könnten; gäbe es dennoch einen Überschuß, so liege das nicht an dem fehlenden Bedarf, sondern an der mangelnden Kaufkraft der Bevölkerung. Bericht über die Verhandlungen des Siebenten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Stuttgart am 28. und 29. Mai 1896. - Berlin: Karl Georg Wiegandt 1896, S. 116.
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Zum Vortrag von Hans Delbrück
einzelnen Gewerben bezeichnet. Wesentlich oder fast allein durch A 123 den Saisoncharakter einzelner Industrien sei es bedingt. | Ich glaube das nicht und meine, daß das Problem der Arbeitslosigkeit keineswegs bloß dieses rein technische Problem des Ausgleichs des Arbeitsbedarfs ist. Ich glaube, daß sich dahinter verbirgt der ganze furchtbare Ernst des Bevölkerungsproblems. Die halbe Million Hände, welche mit jedem Jahr neu verfügbar wird, ruft nach Arbeit. Da liegt eine, nicht die einzige, aber die weit wichtigere, wenn schon verborgenere Ursache des Problems. Wohin mit diesen Händen? Wo ist der Raum für sie? Unleugbar ist, daß zum Teil die soziale und wirtschaftliche Verfassung Deutschlands es ist, welche eine Barriere bildet für die Verwendung dieser Arbeitskräfte, wie ja auch der Herr Referent hervorhob. 2 Ich deute nur an, daß es das ungeheure proletarische Bevölkerungsreservoir im Osten Deutschlands ist, woher der fortwährende Nachschub auf den Westen und auf den Arbeitsmarkt überhaupt drückt. Die unterste Grundlage der sozialen Schichtung: die Art der Agrarverfassung des Ostens im Gegensatz zum Westen hat ihren Teil an dem Problem der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Aber keine Kunst wird das Problem, Arbeitsgelegenheit für eine stetig wachsende Bevölkerung zu schaffen, nur auf dem Boden des innern deutschen Wirtschaftslebens zu lösen vermögen. Wir brauchen dafür Raum nach außen, Erweiterung der Erwerbsmöglichkeit durch Ausdehnung der Absatzgelegenheit, das heißt Ausdehnung des b ökonomischen Machtbereichs Deutschlands nach Außen, und diese ist heute auf die Dauer absolut bedingt durch Ausdehnung der politischen Macht nach außen. Ein Dutzend Schiffe an der ostasiatischen Küste sind in gewissen Momenten mehr wert als ein Dutzend kündbarer Handelsverträge. Und deshalb muß auch bei der Erörterung des heutigen Problems daran erinnert werden: es ist Lebensfrage für uns, daß in den breiten Massen unseres Volkes das Bewußtsein erwacht, daß die Ausdehnung der Machtstellung Deutschlands allein es sein kann, welche ihnen dauernden Erwerb im Inland und die
b A: der 2 Delbrück hatte auf die Unmöglichkeit hingewiesen, ehemalige Landarbeiter, die in der Industrie tätig waren, zur Rückkehr in die ländlichen Gebiete des Ostens zu bewegen. Ebd., S. 110.
Zum Vortrag von Hans Delbrück
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Möglichkeit der Emporentwicklung schafft. Gerade sie, gerade der Nachwuchs von unten ist in seinem Schicksal untrennbar verknüpft mit dem Aufsteigen Deutschlands zur ökonomischen und politischen Weltmacht, mit der Macht und Größe des Vaterlandes. c
c In A folgt der redaktionelle Zusatz: (Lebhafter Beifall).
[Diskussionsbeitrag in der Debatte über das allgemeine Programm des Nationalsozialen Vereins]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Der Plan Friedrich Naumanns, den Kreis der jüngeren Christlich-Sozialen aus dem Evangelisch-sozialen Kongreß herauszulösen und zu verselbständigen, sei es als Verein oder als Partei, nahm 1896 konkretere Formen an.1 Hand in Hand damit ging das Vorhaben, eine eigenständige Tageszeitung nationaler und sozialer Ausrichtung auf christlicher Grundlage ins Leben zu rufen.2 Obwohl Max Weber dem Komitee, das die Gründung der Zeitung vorbereitete, angehörte und das Projekt finanziell unterstützte, 3 stand er den Plänen einer Vereins- oder Parteigründung überaus skeptisch gegenüber. An dem von Naumann am 6. August 1896 in Heidelberg anberaumten Treffen der jüngeren Christlich-Sozialen nahm er nicht teil. Die dort gefaßten Beschlüsse, die geplante Tageszeitung definitiv zum I.Oktober 1896 erscheinen zu lassen und im November eine Versammlung aller nichtkonservativen Christlich-Sozialen nach Erfurt einzuberufen, um eine Partei oder einen Verein zu gründen, 4 bezeichnete er als voreilig. „Was gesche-
1 Zur Geschichte des Nationalsozialen Vereins siehe: Düding, Dieter, Der Nationalsoziale Verein 1896-1903. - München: Oldenbourg 1972, und Wenck, Martin, Die Geschichte der Nationalsozialen von 1895 bis 1903. - Berlin: Buchverlag der „Hilfe" 1905. 2 Weber unterzeichnete als Mitglied des vorbereitenden Komitees ein vertrauliches Anschreiben mit einem Programmentwurf, die beide Anfang 1896 versandt wurden. In diesem Band abgedruckt, S. 8 9 0 - 8 9 5 . Zu Webers weiteren Aktivitäten im Vorfeld der Vereins- und Zeitungsgründung bis Februar 1896 siehe den dazugehörigen Editorischen Bericht, unten, S. 8 8 5 - 8 8 8 . 3 Im Nachlaß Friedrich Naumann befindet sich eine undatierte Liste der Geldgeber für die geplante Tageszeitung „Die Zeit", auf der unter der Rubrik „Geschenke" vermerkt ist: „Prof.Dr.M.Weber Freiburg i.B. 500". ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr.60, Bl. 89. Ebenfalls im Nachlaß Naumann befinden sich eine telegraphische Geldanweisung von Max Weber an Naumann vom 9. September 1896 in Höhe von 500 Mark sowie eine Visitenkarte Webers mit einer Bemerkung über die gespendete Summe „als Geschenk". Ebd., Nr. 228, Bl.5und 39. 4 Düding, Der Nationalsoziale Verein, S. 44.
Editorischer
Bericht
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hen ist, ist nicht zu ändern", schrieb er am 13. August 1896 an Naumann, „und ich kenne die Gründe^] die Sie zu dem Versuch^ die Ernte zu schneiden^ ehe sie reif ist, bewogen haben, im Wesentlichen ganz gut. Ich kam nicht, weil ich ziemlich sicher war, daß ich Ihnen höchstens das Herz schwer gemacht, aber nichts geändert hätte und weil ich nicht gern meiner Freundschaft mit Göhre einen weiteren Stoß gegeben hätte, - das wäre geschehen, denn ich kann nun einmal nicht sehen, wenn politische Kinderwie er es i s t - mit dem Feuer spielen und das Haus anzünden." 5 Trotz dieser Bedenken traf Weber im Herbst 1896 in Freiburg mit Naumann zu einem Gespräch zusammen.6 Vermutlich dürfte er sich bei dieser Gelegenheit bereit erklärt haben, an der für November geplanten Gründungsversammlung in Erfurt teilzunehmen. Die von Naumann an ihn zu diesem Zeitpunkt oder später herangetragene Bitte, ein Referat über Programmfragen zu übernehmen,7 hat er jedoch offensichtlich abgelehnt. Im September 1896 kam es anläßlich des vom Evangelisch-sozialen Kongreß veranstalteten nationalökonomischen Herbstkurses in Berlin erneut zu einer Begegnung zwischen Naumann und Weber.8 Helene Weber berichtete aus diesem Anlaß ihrer Schwester Ida Baumgarten über Webers Verhältnis zu Friedrich Naumann, Paul Göhre und Hellmut von Gerlach, jenem Kreis also, der sich anschickte, einen eigenständigen politischen Verein auf christlich-sozialer Grundlage zu gründen, folgendes: „Max jun. ist sehr viel mit ihm [Friedrich Naumann] zusammengewesen, auch mit Gerlach, und wenn sie auch politisch anders stehen, so kam er doch immer ganz erfreut und beruhigt über das, was sie im Grunde wollen, zurück. Er wird auch im November nach Erfurt gehen und dort sprechen, im vollen Einverständnis mit Naumann seine abweichenden Ansichten entwickeln, um zur Klärung der Ziele beizutragen. Worum mir bange ist, ist, daß er dort mit Göhre und seiner etwas sehr unklaren unreifen Formulierung der Partei der kleinen Leute zusammenstoßen und sich etwa schroff auseinandersetzen wird, und ich hatte deshalb so gehofft, daß die beiden sich erst mal hier im Hause treffen und das Gröbste von der Seele herunterreden würden; aber Göhre konnte nicht." 9 5 Brief an Friedrich Naumann vom 13. Aug. [1896], ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl.4f. Paul Göhre war führend an der Gründung des Nationalsozialen Vereins beteiligt und später dessen stellvertretender Vorsitzender. 6 Weber, Marianne, Lebensbild 1 , S.233. Das Gespräch fand wahrscheinlich zwischen Mitte August und dem 24. September 1896 statt, wie aus dem Brief Webers an Friedrich Naumann vom 13. August [1896] (wie Anm. 5) erschlossen werden kann. 7 In einem Schreiben „An die Mitglieder des Ausschusses der jüngeren ChristlichSozialen" vom 15. September 1896 schlug Naumann Weber als Referenten für Programmfragen vor. ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 232, Bl. 18f. 8 Weber referierte hier vom 24. bis 26. September über Börsenfragen. Vgl. MWG I/5. 9 Helene Weber an Ida Baumgarten vom 7. Okt. 1896, zitiert nach: Baumgarten, Eduard, Max Weber. Werk und Person.-Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1964, S. 331.
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Über das Programm des Nationalsozialen Vereins
Die Gründungsversammlung des Nationalsozialen Vereins fand vom 23. bis 25. November 1896 in Erfurt statt. 116 Teilnehmer hatten sich eingefunden. Sie stammten überwiegend aus dem Bildungsbürgertum: die Pfarrer waren mit 42 Teilnehmern am stärksten vertreten, 13 Teilnehmer waren Professoren, während nur 18 Delegierte aus der Arbeiterschaft und dem Handwerk kamen. 1 0 Die gemeinsame Basis bildete zunächst der vom Ausschuß der jüngeren Christlich-Sozialen ausgearbeitete Programmentwurf. 11 In Punkt 1 des Entwurfs bekannten sich die Nationalsozialen zu einer machtvollen Außenpolitik als Voraussetzung für soziale Reformen im Innern. Sie erklärten sich mit der Reichsverfassung einverstanden, forderten hingegen die Beseitigung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen (Punkt 2 und 4). Bei Bejahung des Privateigentums traten sie für eine Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft und des ländlichen Kleinbesitzes, die Verwirklichung der politischen und wirtschaftlichen Vereinsfreiheit sowie die Beschneidung der Macht der Großindustrie und des Großgrundbesitzes ein, letzteres in Verbindung mit der Forderung nach einer verstärkten „inneren Kolonisation", also der Ansiedlung deutscher Bauern und Landarbeiter im Osten mit staatlichen Mitteln (Punkt3 und 4). Schließlich forderten sie eine Hebung der ökonomischen und rechtlichen Stellung der Frau (Punkt 5) sowie eine „Belebung des evangelischen Glaubens im Sinne der Reformation" (Punkt 6); ferner sprachen sie sich für die Erhaltung des konfessionellen Charakters der Volksschule, jedoch gegen jegliche „kirchliche Bevormundung der Schule" aus (Punkt7). Dieses Programm war bis auf eine Formulierung in Punkt vier sowie den beiden letzten Punkten sechs und sieben wortidentisch mit den im Februar 1896 entstandenen Leitlinien zur Gründung der geplanten Tageszeitung, der späteren „Zeit", denen seinerzeit auch Max Weber zugestimmt hatte. 12 Umso stärker mußte es ihn treffen, als Naumann auf der Gründungsversammlung plötzlich und auch für die übrigen Teilnehmer unvermutet einen neuen Programmentwurf vorlegte. 1 3 Obwohl Naumann an s e i n e r - u n t e r dem Einfluß Webers getroffenen Entscheidung für einen nationalen Sozialismus festhielt, „der eine entschlossene sozialreformistische Politik im Innern mit nationaler Weltpolitik nach außen verbinden wollte", 1 4 enthielt der neue Entwurf eine Reihe von entscheidenden Neuerungen. Neu aufgenommen worden war unter anderem ein Passus, in dem „die Vertreter deutscher Bildung" aufgefordert
10 Düding, Der Nationalsoziale Verein, S. 47. 11 Abgedruckt in: Protokoll über die Vertreter-Versammlung aller National-Sozialen in Erfurt vom 23. bis 25. November 1896. - Berlin: Verlag der „Zeit" [1896], S. 6f. 12 Vgl. oben, Anm.2. 13 Abgedruckt in: Protokoll über die Vertreter-Versammlung, S. 38f. 14 Mommsen, Max Weber2, S. 134.
Editorischer
Bericht
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wurden, „den politischen Kampf der deutschen Arbeit gegen die Übermacht vorhandener Besitzrechte" zu unterstützen. 15 Ebenso hieß es nun in Punkt sechs, daß der christliche Glaube zwar nicht zur Parteisache gemacht werden dürfe, daß er sich aber dennoch „als Macht des Friedens und der Gemeinschaftlichkeit" im öffentlichen Leben bewähren müsse. 1 6 Dagegen waren zwei in dem ursprünglichen Entwurf enthaltene Punkte eliminiert worden, nämlich die Frauenfrage sowie die für Weber so wichtigen Forderungen nach Eindämmung der Macht des Großgrundbesitzes im Osten und nach verstärkter „innerer Kolonisation". Diese Veränderungen des ursprünglichen Programmentwurfs bestärkten Max Weber in seinen Vorbehalten und riefen nunmehr seine schärfste Kritik hervor; er erklärte, nur auf der Grundlage des ursprünglichen Programmentwurfs erschienen zu sein, und wandte sich entschieden gegen die Auffassung, daß die Gebildeten als Stoßtrupp einer neuen nationalen Arbeiterpartei auftreten sollten; Naumann agiere ohne soziale Basis, gewissermaßen im luftleeren Raum, und trete nicht dezidiert für eine industrielle, bürgerliche Entwicklung Deutschlands ein. Ebenso mißbilligte er die redaktionelle Linie der Tageszeitung „Die Zeit", die am I.Oktober 1896 gegründet worden war, 17 wegen der Art der Behandlung der Polenfrage. Webers Ausführungen wurden von der Versammlung mit großer Zurückhaltung und Verunsicherung aufgenommen. Das Protokoll vermerkt im Anschluß an seinen Beitrag: „Vereinzelter Beifall." 18 Im Verlauf der sich daran anschließenden Debatte wiesen die beiden Redakteure der „Zeit", Hellmut von Gerlach und Heinrich Oberwinder, die Kritik Webers zurück. 19 Gerlach bezichtigte Weber einer „Nietzscheschen Herrenmoral". 20 Dagegen stimmte der Leipziger Publizist Max Lorenz 21 Weber darin zu, daß die Unterstützung der bürgerlichen Entwicklung ein wesentliches Ziel der Vereinigung sein müsse. 2 2 An den weiteren Verhand-
15 Protokoll über die Vertreter-Versammlung, S. 39. 16 Ebd. 17 Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, 1. Okt. 1896 30. Sept. 1897. 18 Protokoll über die Vertreter-Versammlung, S.49. Siehe auch den Bericht in: „Die Hilfe", Nr. 49 vom 6. Dez. 1896, S. 5. 19 Ebd., S. 5 3 - 5 5 . Hellmut von Gerlach berichtete rückschauend über Webers Beitrag: „ Max Weber wandte sich mit seiner herrlichen Ironie gegen die Verteidiger der Miserabilitätstheorie (damit meinte er mich und meine Freunde, die wir wohl etwas zu gefühlsmäßig unseren sozialen Radikalismus begründeten)." Gerlach, Hellmut von, Erinnerungen eines Junkers. - Berlin: Die Welt am Montag, o.J., S.90. 20 Ebd., S. 54. 21 Zu Lorenz, der erst wenige Wochen zuvor aus der Sozialdemokratischen Partei ausgetreten war, siehe: Düding, Der Nationalsoziale Verein, S. 48. 22 Protokoll über die Vertreter-Versammlung, S. 54f.
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Über das Programm des Nationalsozialen Vereins
lungen am 24. und 25. November nahm Weber nicht mehr teil; er mußte nach Berlin zurückreisen, um dort im provisorischen Börsenausschuß im Reichsamt des Innern zu referieren. 23 Welchen Eindruck Webers Rede in Erfurt bei einem Teil der Zuhörer hinterließ, läßt sich u.a. einem Brief des Jenaer Pädagogen Wilhelm Rein an Friedrich Naumann vom 5. Dezember 1896 entnehmen: „Max Weber in Erfurt ist mir ganz unverständlich gewesen und geblieben. Er kam mir vor wie ein Mann, der in das Zimmer seines Freundes eindringt, ihm einen Felsblock an den Kopf wirft, im Hinauseilen ihn verhöhnt als politischen Hampelmann, auf der Treppe ein Zeitungsblatt sieht, dem er einen Fußtritt gibt, um dann abzustürzen. Wozu das alles?" 2 4 Martin Rade, der Herausgeber der Christlichen Welt, wandte sich unmittelbar an Weber und gab seiner Verwunderung über dessen Verhalten Ausdruck. Weber antwortete ihm: „Sie sagen, daß Sie mein Auftreten nicht verstehen. Nun - Sie sind nicht Politiker genug, um die tiefe Empörung nachzufühlen, die einen solchen ergreifen muß, wenn er politische Kinder, wie Göhre und 9 0 % der anwesenden Pastoren es sind, ohne eine Ahnung von ihrer furchtbaren Verantwortlichkeit, ihre Hand an das Steuerruder des Staatsschiffes legen sieht. Er mag die Kinder selbst recht gern haben, aber es handelt sich um eine gute und große Sache, die durch diese Verhandlungen, an die ich lange mit Schaudern zurückdenken werde, dem Gespött aller Welt preisgegeben und vorläufig innerlich gebrochen ist. Davon können Sie Sich durch Rückfragen bei jedem Unbefangenen überzeugen. Daß ich das, was die Außenstehenden bei diesem Eindruck empfinden mußten, in der Verhandlung sagte, entspricht nun einmal meiner Natur. Und nicht zuletzt empörte es mich zu sehen, wie eine Persönlichkeit wie Naumann an diese jammervollen Schwätzer gekettet ist, von denen die Hälfte wie ich sehr wohl gesehen habe, jedesmal Beifall klatschte, sowohl dem der für als dem der gegen Streichung des berufenen , § 6 ' stimmte! Dazu die Enttäuschung über ihn selbst, über dies schwächliche Zurückweichen gegenüber Intriganten wie Gerlach und Leuten, die nicht grade diese, aber eine ähnliche Bezeichnung
23 Weber hatte die Teilnahme an den Sitzungen des Börsenausschusses vom 19. bis 26. November 1896 nur für einen Tag, den 23. November, unterbrochen, um an der Gründungsversammlung in Erfurt teilzunehmen. Brief an Marianne Weber vom [22.] Nov. 1896, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Weber referierte am 25. und 26. November 1896 auf der Sitzung des provisorischen Börsenausschusses. Verhandlungen des provisorischen Börsenausschusses im Reichsamt des Innern in der Zeit vom 19. bis 26. November 1896, S.23f., 31, 33f., 43f., 53f„ 56, 66f., 70f„ 74, 77, 82, 90, 109-113, 128f„ 132, 147-149, 154, 158, 165-167, 170, 194-212, Bayerisches HStA München, MH 11 250 (MWG i/5). 24 Zitiert nach: Düding, Der Nationalsoziale Verein, S. 56.
Editorischer
Bericht
617
verdienen, wie Delbrück. - Kurz die Sache ist für mich zunächst tot, und ich bleibe in meiner Schreibstube." 25 In ähnlicher Weise beschrieb Weber die Situation in Erfurt in einem Brief an Marianne Weber: „Montag in Erfurt hatte Naumann die Sache insofern arg verpfuscht, als er einen ganz neuen Programm-Entwurf vorlegte, indem er die Frauenfrage (!) und die Stellungnahme gegen die Großgrundbesitzer gestrichen hatte. Die Folge war, daß ich in scharferWeise ihn und die ganze .Partei' angriff, sagte, daß sie auf diese Weise .politische Hampelmänner' würden, und bemerkte, daß wenn die jetzige Art der Behandlung der Polenfrage fortdauere, ich die .Zeit' weder halten noch unterstützen, sondern auf das Äußerste bekämpfen würde. [...] Das Gequatsche der Pfaffen, aus denen zu % die Versammlung bestand, und dies ganze Schauspiel, wie politische Kinder in die Speichen des Rades der deutschen Entwicklung einzugreifen suchten, war über die Maßen kläglich. - Nun, es ist schließlich auf die Gründung der .Partei' verzichtet worden, wie ich aus der Zeitung sehe, und man hat einen .Verein' gegründet. Was dann daraus weiter werden wird, ist abzuwarten. Ich glaube: wenig." 2 6 Friedrich Naumann forderte Max Weber zu einer Stellungnahme in der „Zeit" auf, die dieser jedoch kategorisch ablehnte 2 7 Die von Hellmut von Gerlach verfaßten Artikel bezeichnete er als niveaulos; durch sie würde die „Zeit" Gefahr laufen, in ein „Christlich-Soziales Käseblatt" verwandelt zu werden. 28 Trotz seiner scharfen Kritik an der „Zeit" und der Zielsetzung des Nationalsozialen Vereins unterstützte Max Weber jedoch Naumanns Reichstagskandidatur 1898 finanziell; 29 daß er allerdings, wie Marianne Weber berichtet, 30 auch dem Nationalsozialen Verein beigetreten sei, ist unwahrscheinlich und ansonsten nicht belegt.
25 Brief an Martin Rade vom [7.] Dez. 1896, Nl. Rade, UB Marburg, Ms. 839. 26 Brief an Marianne Weber vom [25.] Nov. 1896, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 27 Brief an Friedrich Naumann vom 9. Dez. 1896, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl. 111 f. 28 Ebd. 29 U.a. Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 19. Juni 1898, ebd., Bl. 105f. 30 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 235.
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Über das Programm des Nationalsozialen
Zur Überlieferung
Vereins
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der in dem „Protokoll über die Vertreter-Versammlung aller National-Sozialen in Erfurt vom 23. bis 25. November 1896". - Berlin: Verlag der „Zeit" [1896], S. 4 7 - 4 9 , erschienen ist (A). Weber wurde eingeführt als „Professor Max Weber (Freiburg)". Da Max Weber das stenographische Protokoll vor der Drucklegung ausdrücklich zur Durchsicht angefordert hatte, weil er Entstellungen befürchtete,1 kann der Wortlaut als autorisiert gelten.
1 Brief an Friedrich Naumann vom 9. Dez. 1896, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bi.111f.
[Diskussionsbeitrag in der Debatte über das allgemeine Programm des Nationalsozialen Vereins]
Naumann hat mit scharfer Accentuierung von der Stellung der Gebildeten zu dieser national-sozialen Bewegung gesprochen und uns 5 denn ich darf zwar nicht | im Namen derer, die er meint, wohl aber als A48 Einer von ihnen sprechen - gesagt, wie weit wir mitgehen können. Da müssen wir aber unserseits zunächst fragen: „Was wollen Sie denn eigentlich?" Will man in einer nationalen Arbeiterpartei die aufsteigenden Klassen der Arbeiter für sich zu gewinnen suchen, so 10 wäre das zweifellos ein Fortschritt. Es würde die geistige Emanzipation der Arbeiter bedeuten, Gedankenfreiheit, die die Sozialdemokratie nicht duldet, indem sie Marx' zerbrochenes System als Dogma in die Köpfe der Masse stempelt, Gewissensfreiheit, die es bei ihr, wie jeder Berliner Stadtmissionar berichten kann, nur dem Worte, 15 nicht der Sache nach giebt.1 Aber in einer Klassenpartei hätten wir natürlich keinen Platz, und vollends dann nicht, wenn Sie jetzt einen neuen Gewissensdruck ausüben wollen, indem Sie verlangen, daß der christliche Glaube zum öffentlichen Versammlungs-Bekenntnis gemacht werde. 2 - Was nun aber in dem Entwurf Naumanns geboten 20 wird, ist ein Rückschritt. Seltsam kontrastiert mit dem vermeintlichen Realismus, welcher politische Parteien nur auf wirtschaftlicher Interessenbasis aufbauen zu können meint, die Art, wie hier diese Interessengruppe, die den nationalen Sozialismus tragen soll, umschrieben wird. Denn welches ist sie? Es ist die Partei der Mühseligen 25 und Beladenen, derjenigen, die irgendwo der Schuh drückt, aller 1 Anspielung darauf, daß die Sozialdemokratie sowohl im Gothaer Programm von 1875 als auch im Erfurter Programm von 1891 die „Religion zur Privatsache" erklärt hatte. Zitiert nach: Fricke, Dieter, Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1869 bis 1917, Band 1. - Berlin: Dietz Verlag 1987, S. 150 und 219. Weber führt diesen Sachverhalt in einem Vortrag „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft" näher aus, unten, S. 723, 725, 728. 2 In Naumanns neuem Programmentwurf hieß es unter Punkt sechs, daß „der Glaube an Jesus Christus, der nicht zur Parteisache gemacht werden darf, sich aber auch im öffentlichen Leben als Macht des Friedens und der Gemeinschaftlichkeit bewähren soll." Protokoll über die Vertreter-Versammlung aller National-Sozialen in Erfurt vom 23. bis 25. November 1896.-Berlin: Verlag der „Zeit" [1896], S.39.
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Über das Programm
des Nationalsozialen
Vereins
derer, die keinen Besitz haben und welchen haben möchten. Ob Professor oder Arbeiter ist gleich; das Kriterium soll sein, ob das Einkommen aus Arbeit oder Rente fließt. Wer kann nun da zu Ihnen kommen und bei Ihnen bleiben? Ein Kellner gehört zu Ihnen. Wird er morgen Oberkellner, wird seine Befähigung zum nationalen Sozialismus schon fraglich. Und ist er ein tüchtiger Mann und bringt er es einmal zum Wirt, der selber Kellner und Oberkellner hält, hat er sicherlich bei Ihnen nichts mehr zu suchen. Ein bis zum Hals verschuldeter Gutsbesitzer kann der Ihrige sein, ein Bauer, der aufsteigt und seinen Besitz mehrt, nicht. Nun, das sind Karrikaturen, werden Sie sagen - aber vergegenwärtigen Sie sich, daß eine Partei, die kein anderes Prinzip kennt, als: nieder mit den wirtschaftlich Starken, die Karrikatur einer Partei ist. Alle aufsteigenden Schichten des Volkes, auch die aufsteigenden Schichten der Arbeiterklasse, werden dann damit, daß sie aufsteigen, natürliche Gegner der national-sozialen Bewegung. Nur der Bodensatz der Bevölkerung bleibt bei Ihnen. Eine Partei aber, die nur die Schwächsten zu sich rechnet, wird die politische Macht nie erlangen. Wollen Sie derartige an die ethische Kultur 3 erinnernde miserabilistische Gesichtspunkte zu Grunde legen, so werden Sie nichts anderes als politische Hampelmänner, Leute, die je nachdem wo ihnen der Anblick irgend eines wirtschaftlichen Elendes auf die Nerven fällt, durch unartikulierte Bewegungen bald nach rechts, bald nach links, hier einmal gegen die Agrarier, dort einmal gegen die Börse und die Großindustrie reagieren. Das sind keine politischen Gesichtspunkte. Die einzige klare politische Formel 3 , welche das seinerzeit vereinbarte erste Programm, auf Grund dessen allein ich hier erschienen bin, enthielt, die Bewegung gegen die Großgrundbesitzer^] ist aus Unklarheit fallen gelassen. 4 a A: Form 3 Zu der von dem Berliner Astronomen Wilhelm Foerster 1892 gegründeten Gesellschaft für Ethische Kultur siehe oben, S. 573, Anm. 58. - Die Gesellschaft für Ethische Kultur reagierte auf Webers Angriff höchst kritisch. Die von ihm geforderten Maßnahmen zur Zurückdrängung des Polentums bezeichnete sie als „brutale Aktionen". Vgl. Ethische Kultur, 4. Jg., 1896, S.390f. und415f. 4 Der ursprüngliche Programmentwurf sah unter Punkt vier vor: „Für den deutschen Osten wünschen wir unter gleichzeitiger Verhinderung fremdländischer Einwanderung innere Kolonisation und Einschränkung der Latifundien, in deren Ausdehnung wir eine nationale Gefahr erblicken, ebenso wie in dem politischen und sozialen Übergewicht ihrer Besitzer." Protokoll über die Vertreter-Versammlung, S. 7.
Über das Programm
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Damit ist die politische Pointe fortgefallen. Denn | seien Sie sich klar: A Sie haben heute einzig und allein die Wahl, welches von den einander bekämpfenden Interessen der heute führenden Klassen Sie stützen wollen: das bürgerliche oder das agrarisch-feudale. Eine Politik, die das nicht berücksichtigt, ist eine Utopie. Jede aufstrebende neue Partei steht vor der Entscheidung, ob sie die bürgerliche Entwickelung fördern oder unbewußt die feudale Reaktion stützen will. Auch wenn Sie es nicht wollen und meinen, ein Drittes thun, eine Politik des vierten Standes treiben zu können, wird das, was Sie wirklich erreichen, doch stets nur und allein die Stützung eines dieser beiden Interessen sein. Zwischen ihnen müssen Sie wählen, und, wenn Ihnen die Zukunft der Bewegung am Herzen liegt, die bürgerlichkapitalistische Entwicklung wählen. Die Sozialdemokratie hat dadurch, daß sie gegen das Bürgertum vorgegangen ist, der Reaktion die Wege geebnet. - Wie unpolitisch Naumann denkt, ist daran zu ersehen, daß er dem Parlament die Entscheidung über die Heeresstärke nehmen möchte. 5 Im Gegenteil: Die einzige gesunde Lösung ist die Behandlung der Militärfrage als einfache Budgetfrage, also die jährliche Bewilligung. Die neue Partei muß sein eine nationale Partei der bürgerlichen Freiheit, denn nur eine solche fehlt uns: es fehlt eine Demokratie, der wir die Leitung Deutschlands durch unsere Wahlstimmen anvertrauen könnten, weil wir der Wahrung der nationalen und wirtschaftlichen Machtinteressen in ihrer Hand sicher sein würden. - Damit komme ich zu einem Spezialpunkt, dessen Behandlung in Ihrer Presse mir gezeigt hat, daß Sie vorläufig diese Partei nicht sind. Es ist die Art, wie in der letzten Zeit die sogenannte „Polenfrage" in der „Zeit" erörtert worden ist. Über die Einzelmaßnahmen, die da diskutiert wurden, läßt sich streiten, davon spreche ich nicht, sondern von der Art der Behandlung dieser Dinge in einem deutschen Blatte, wie die „Zeit" sein will. Die „Zeit" hat diejenigen, die eine energische Stellungnahme gegen die Polen befürworten, in einem hämischen Tone angegriffen, den Deutsche in nationalen Fragen gegen einander nie anschlagen sollten. Man hat . gesprochen von einer Herabdrückung der Polen zu deutschen Staats-
5 Naumann hatte in seiner programmatischen Rede auf der Erfurter Versammlung gefordert: „Es ist nötig, daß die Militärbewilligungen überhaupt dem Streite der Parteien entzogen werden und die Militärmacht in Progression gesetzt wird zu der Bevölkerungszahl." Ebd., S. 42.
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Über das Programm des Nationalsozialen Vereins
bürgern zweiter Klasse. 6 Das Gegenteil ist währ: wir haben die Polen aus Tieren zu Menschen gemacht. Auch in der Auffassung der Polenfrage tritt bei Ihnen eben jener unpolitische Zug des Miserabilismus hervor. Aber die Politik ist ein hartes Geschäft, und wer die Verantwortung auf sich nehmen will, einzugreifen in die Speichen des 5 Rades der politischen Entwicklung des Vaterlandes, der muß feste Nerven haben und darf nicht zu sentimental sein, um irdische Politik zu treiben. Wer aber irdische Politik treiben will, der muß vor allen Dingen illusionsfrei sein und die eine fundamentale Thatsache, den unabwendbaren ewigen Kampf des Menschen mit dem Menschen 10 auf der Erde, wie er thatsächlich stattfindet, anerkennen. Wenn nicht, dann soll er davon abstehen, eine politische Partei zu begründen. Ich möchte hier, in dieser thüringischen Stadt, Ihnen das alte Thüringerwort entgegenrufen: „Landgraf, werde hart". b7
b In A folgt der redaktionelle Zusatz: (Vereinzelter Beifall).
6 Dies bezieht sich auf einen Artikel Hellmut von Gerlachs in der „Zeit" .indem die Polen mit den Sozialdemokraten zur Zeit des Sozialistengesetzes verglichen worden waren: „Wie man die Sozialdemokraten zu Staatsbürgern zweiter Klasse herabdrückte und gerade dadurch ihrer Bewegung einen riesigen Aufschwung verlieh, so geht es genau ebenso mit den Polen." Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, Nr. 29 vom 3. Nov. 1896, S. 1. 7 Zeile aus Wilhelm Gerhards Gedicht „Der Edelacker" von 1817. Das Gedicht lehnt sich an die Sage vom Landgrafen Ludwig den Eisernen von Thüringen an, der seinen milden Regierungsstil den Großen des Landes gegenüber, die die Bevölkerung unterdrückten, erst änderte, nachdem er einen arbeitenden Schmied beobachtet hatte, der jedesmal, wenn er das Eisen schlug, rief: „Nun werde hart".
[Diskussionsbeiträge zum Vortrag von Karl Oldenberg: Über Deutschland als Industriestaat"]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Am 10. und 11. Juni 1897 fand in Leipzig der achte Evangelisch-soziale Kongreß statt.1 Nach einem Vortrag über „Das Eigentum nach christlicher Beurteilung" 2 referierte am 10. Juni der aus der Schule Gustav Schmollers stammende Marburger Nationalökonom Karl Oldenberg „Über Deutschland als Industriestaat" 3 Ausgehend von der Vorstellung, daß die Volkswirtschaft ein „Organismus" sei, 4 kritisierte er die zunehmende Industrialisierung Deutschlands sowie die unter der Reichskanzlerschaft Leo von Caprivis eingeleitete Handelsvertragspolitik. Das Gleichgewicht zwischen industriellem und agrarischem Sektor werde dadurch empfindlich gestört. Die Industrialisierung und damit der Export von industriellen Waren werde auf Kosten der Landwirtschaft zum Teil mit staatlicher Hilfe gefördert. Auf diese Weise werde Deutschland vom Ausland doppelt abhängig gemacht. Einerseits sei es auf die ausländischen Märkte angewiesen, um Abnehmer für seine Industrieprodukte zu gewinnen, andererseits seien Getreideimporte nötig, da es ja seine eigene Landwirtschaft zugunsten der Industrie vernachlässige. Eines Tages, so Oldenberg, werde dieses System kollabieren,
1 Unter den vom Evangelisch-sozialen Kongreß veröffentlichten Einladungen wurden wie üblich auch die Namen der Mitglieder des Aktionskomitees und des Ausschusses, unter den letzteren auch der Max Webers, genannt. Die Einladungen wurden in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften publiziert. Vgl.: Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, Nr. 110 vom 12. Mai 1897, S. 1 f.; Die christliche Welt. EvangelischLutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, Nr. 19 vom 13. Mai 1897, Sp. 4 5 5 - 4 5 6 ; Die Hilfe, Nr. 20 vom 16. Mai 1897, S. 6. 2 Die Verhandlungen des Achten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Leipzig am 10. und 11. Juni 1897.-Göttingen: Vandenhoeck& Ruprecht 1897, S . 9 - 3 4 . 3 Ebd., S. 64-104. Oldenbergs Vortrag erschien noch 1897 als selbständige Schrift: Deutschland als Industriestaat. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1897. Zum Kontext siehe auch: Barkin, Kenneth David, The Controversy over German Industrialization. Brown University, Ph.D., 1966. 4 Verhandlungen, S. 67.
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Zum Vortrag von Karl Oldenberg
und zwar unweigerlich dann, wenn die Länder, die der deutschen Wirtschaft heute noch als Exportmärkte offenstünden, eine eigene Industrie aufgebaut hätten. Der Vorsitzende des Kongresses, Moritz August Nobbe, sprach Oldenberg nach dem Vortrag seine Anerkennung aus, bedauerte jedoch, daß dieser keinen Ausweg aufgezeigt habe, um Deutschland „vor den furchtbaren Folgen" 5 dieser Entwicklung zu bewahren. Im Anschluß daran meldete sich Max Weber zu Wort. 6 In einer ausführlichen Stellungnahme zeigte er die Widersprüchlichkeit des Oldenbergschen Konzepts auf und vertrat die Ansicht, daß eine Autarkiepolitik für Deutschland und seine Bevölkerung, insbesondere die Industriearbeiterschaft, fatale Konsequenzen haben würde. Im Anschluß an eine Wortmeldung des Leipziger Publizisten Max Lorenz 7 sprach dann der Berliner Nationalökonom Adolph Wagner. 8 Wagner stimmte den in „ihrem Kern unwiderleglichen Ausführungen" 9 Oldenbergs zu. Die Kritik Webers wies er zurück; die Interpretation der Schutzzollpolitik als bloßer großagrarischer Interessenpolitik, die Weber gegeben habe, sei verfehlt. 10 Zu diesen Ausführungen nahm Max Weber in einem zweiten Diskussionsbeitrag Stellung. 11 Am Ende seines ersten Diskussionsbeitrags vermerkte das Protokoll: „Lebhafter Beifall und Zischen", am Ende des zweiten Beitrags: „Beifall". Abschließend erhielt Karl Oldenberg die Gelegenheit, auf die in der Diskussion vorgebrachten Argumente zu antworten; 1 2 dabei konzentrierte er sich insbesondere auf die Einwände Webers. Als der Vorsitzende Nobbe daraufhin eine Resolution der Versammlung im Sinne der Darlegungen Oldenbergs herbeiführen wollte, erhob Max Weber dagegen Einspruch. Das Protokoll gibt an dieser Stelle Webers Votum nicht wörtlich wieder, sondern vermerkt nur: „Widerspruch seitens des Herrn Professor Dr. We-
5 Ebd., S. 105. 6 Verhandlungen, S. 105-113. Anfang Juni 1897 hatte Weber seinem Bruder Alfred noch geschrieben: „Ich werde Oldenbergs Referat jedenfalls hören, aber kaum in die Debatte eingreifen, da ich das Zahlenmaterial nicht durcharbeiten kann, wie ich es dazu müßte." Abschrift Marianne Weber (masch.), ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30/4. 7 Verhandlungen, S. 113-116. 8 Ebd., S. 116-122. 9 Ebd., S. 116. 10 Ebd., S. 117. In dem Artikel „Deutschland als Industriestaat" führte Wagner wenig später seine Verteidigung Oldenbergs, insbesondere gegen Weber, weiter aus. In: Die Zukunft, Band 20, 25. Sept. 1897, S. 534-548. 11 Verhandlungen, S.122f. 12 Ebd., S. 123-127.
Editorischer
Bericht
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ber." 1 3 Daraufhin wurde von der Verabschiedung einer Resolution Abstand genommen. Aufschlußreich für Max Webers Einschätzung des Vortrags von Karl Oldenberg ist eine Karte an seinen Bruder Alfred, wo es heißt: „Oedenberg]'s Vortrag dauerte 2%Stunden! ich war - von dem Standpunkte natürlich ganz abgesehen - doch offen gestanden recht enttäuscht, er schien mir (ich muß es natürlich noch nachprüfen) teilweise zwar recht scharf und hie und da nicht uninteressant, aber teilweise direkt unwissenschaftlich, schief, nicht ohne Sensations-Bedürfnis. Hoffentlich kommt er nun endlich wirklich in feste Position, dies schien mir Produkt nervöser Abspannung. - Glücklicherweise trat Wagner sehr warm für ihn ein, ich mußte ihn scharf bekämpfen." 1 4
Zur Überlieferung
und
Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt den stenographischen Protokollen: Die Verhandlungen des Achten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Leipzig am 10. und 11. Juni 1897. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1897, S. 1 0 5 - 1 1 3 [1.] und S.122f. [2.]. Beide Texte sind mit A sigliert. Weber wird in den Protokollen jeweils eingeführt mit: „Professor Dr. Max Weber- Heidelberg". Die stenographischen Protokolle erschienen gedruckt am 5. August 1897. 1 Von einer Durchsicht und Autorisierung vor der Drucklegung durch Max Weber kann ausgegangen werden. 2
13 Ebd., S. 128. 14 Karte an Alfred Weber, undat. [PSt 11. Juni 1897], ZStA Merseburg, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 4. 1 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 31 vom 5. Aug. 1897, S. 788. 2 Zum diesbezüglichen Verfahren im Evangelisch-sozialen Kongreß siehe oben, S. 311 f.
[Diskussionsbeiträge zum Vortrag von Karl Oldenberg: „Über Deutschland als Industriestaat"]
1.
Verehrte Anwesende! Ich habe meinerseits nicht die Schauder geteilt, von denen der Herr Vorsitzende angesichts der Schilderung meines verehrten Freundes Oldenberg ergriffen worden ist, und ich kann auch nicht sagen, daß ich in dem Maße, wie der Herr Vorsitzende, gespannt wäre auf die positive Seite der Erörterungen des Herrn Referenten. Denn eine solche positive Seite dieser Erörterungen giebt es nicht. Es geht aus den eigenen Bemerkungen des Herrn Referenten hervor, daß es eine solche nicht giebt, daß es ihm an positiven Zukunftsidealen in demselben Maße fehlt, wie seine Stärke in der Kritik liegt. Und ich bin der Meinung, daß eine solche Kritik, wie sie hier an den Wegen, die unsere Wirtschaftspolitik wirklich oder angeblich eingeschlagen hat, geübt worden ist, in dieser scharfen und aggressiven Art nur dann berechtigt ist, wenn positive Ideale hinter dieser Kritik stehen, und der Kritiker einen bessern Weg zu zeigen vermag oder zu erkennen wenigstens glaubt. Aber auch die Kritik selbst scheint mir in fast allen Punkten unglücklich. Nur auf einige von ihnen kann ich eingehen. Verehrte Anwesende! Als Herr Kollege Oldenberg seine Philippika gegen die angebliche Züchtung des Exportes begann, da glaubte 106 ich, er würde zu sprechen kommen auf Zuckerprämien, 1 auf | die Branntweinsteuergesetzgebung, 2 auf diejenigen Exportprämien, die wir dem landwirtschaftlichen Export in Gestalt der Getreidezölle bei
1 Für ausgeführten Zucker ab einer Mindestmenge von 500 Kilogramm wurden seit dem I.August 1892 (zunächst für fünf Jahre) Zuschüsse aus dem Ertrag der Zuckersteuer gewährt. Siehe § 6 8 des „Gesetzes, die Besteuerung des Zuckers betreffend" vom 31. Mai 1891, R G B l 1891, S. 318f. 1896 wurde diese Praxis der Gewährung von Ausfuhrprämien verlängert. 2 Nach dem Branntweinsteuergesetz vom 24. Juni 1887 wurde der zur Ausfuhr vorgesehene Branntwein von der Verbrauchsabgabe befreit. R G B l 1887, S . 2 5 3 . Darüber hinaus wurde seit 1895 eine Ausfuhrprämie von sechs Mark pro Hektoliter gewährt.
Zum Vortrag von Karl
Oldenberg
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aufgehobenem Identitätsnachweis 3 gewähren. 4 Denn das - diese Subventionen der Landwirtschaft - sind ja doch die einzigen Beispiele von wirklicher Exportprämiirung, die wir in Deutschland kennen. Ich kenne nichts Ähnliches auf dem Gebiete der Industrie, und nicht von einem Exportlande überhaupt, sondern von einem Exportindustriestaate war ja doch hier die Rede. Nun hat zwar Herr Kollege Oldenberg als Beispiel für eine „latente" Exportprämie auf dem Gebiet des Gewerbes gewisse Verhältnisse auf dem Gebiete der Eisenindustrie hier berührt: die von gewissen industriellen Kartellen beobachtete Praxis, die Unterbietung des Auslandes auf dem Weltmarkt durch billige Preise dort mittelst teurerer Preisstellung im Inlande zu ermöglichen. 5 Fragt man sich aber, worin hier eigentlich - soweit staatliche mit jenen Begünstigungen der Landwirtschaft zu vergleichende Maßnahmen in Betracht kommen - die Exportprämie liegt, so zeigt sich: in den Eisenzöllen, und die positive Folgerung des Herrn Kollegen müßte lauten: Freihandel auf dem Gebiete des Eisens, also die Durchbrechung derselben nationalen Wirtschaftspolitik, welche er gerade ins Extreme steigern möchte, Beweis genug für die Planlosigkeit seiner Kritik. Ich befürworte meinerseits zur Zeit jene Maßnahme nicht, aber welche andere sich Herr Kollege Oldenberg als positives Mittel zur Beseitigung dieser einzigen von ihm als „Züchtung des Exportes" 6
3 Rückvergütungen des Einfuhrzolls wurden ursprünglich nur bei Nachweis der Identität der ausgeführten Ware mit der ehemals importierten Ware gewährt, z. B. nach der Weiterverarbeitung von Rohstoffen oder Halbfabrikaten. Dieser Identitätsnachweis wurde 1894 für Getreide aufgehoben, das heißt, bei Export von Getreide wurde grundsätzlich eine Vergütung in Höhe des bestehenden Getreidezolls gezahlt. Diese Vergütung wurde in Form von Einfuhrscheinen gewährt, die beim Import von Getreide, Tee, Kaffee, Petroleum und weiteren Kolonialwaren an Stelle des Einfuhrzolls einzulösen waren. Dieses Einfuhrscheinsystem lief auf eine indirekte Prämierung des Getreideexports hinaus, der 1894 wieder sprunghaft anstieg. Lexis, Wilhelm, Identitätsnachweis, in: HdStW 42, 1900, S. 1315-1320. 4 In der Druckfassung hat Oldenberg die Hinweise auf die Zucker- und Branntweinsteuergesetzgebung sowie die Aufhebung des Identitätsnachweises bei Getreide nachgetragen, offensichtlich aufgrund der Kritik Max Webers. Die Verhandlungen des Achten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Leipzig am 10. und 11. Juni 1897. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1897, S.89. 5 In seinem Vortrag hatte Oldenberg angeführt, daß die größten Walzwerke des Deutschen Reichs unter der Führung Friedrich Krupps ein Kartell gegründet hätten, „um die Schienen im Inlande teuer, im Auslande eher aber unter dem Kostenpreis zu verkaufen." Ebd., S. 86. 6 In der gedruckten Fassung als Zitat nicht nachgewiesen.
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auf dem Gebiete der Industrie angeführten Erscheinung denkt, hat er nicht gesagt und weiß ich nicht. Aber kommen wir nach dieser Richtigstellung zu den eigentlichen Kernpunkten seiner Kritik. In gewisser Beziehung verdient ja der nach mancher Richtung hervorragend scharf logische Vortrag des Herrn Kollegen Olden- 5 berg als ein Denkmal der Zukunft überliefert zu werden. Man wird an nichts anderem den ungeheuren Umschwung der wirtschaftspolitischen Anschauungen in Deutschland, den wir seit dem letzten Vierteljahrhundert erlebt haben, veranschaulichen können, als wenn man die damals selbstverständliche Auffassung, daß der zu- 10 nehmende Export der ganz naturgemäße Ausdruck der zunehmenden internationalen Arbeits- und Produktionsteilung sei, wie sie gegeben ist durch die Differenzen der klimatischen und örtlichen Bedingungen der Produktion, also etwas ganz ebenso Natürliches und Gesundes, wie der Güteraustausch innerhalb der durch den 15 Zufall der Geschichte politisch zusammengefaßten geographischen Gebiete - vergleicht mit dem, was wir heute erlebten: daß ein angesehener deutscher Nationalökonom aufsteht und - ohne die Anwesenden auszunehmen - diejenigen Nationalökonomen, welche diesen internationalen Güteraustausch als etwas, nicht etwa künstlich 20 zu Züchtendes, sondern durch die Verhältnisse in gewissem Umfang unvermeidlich Gewordenes ansehen und anerkennen, „blöder geldwirtschaftlicher Befangenheit" 7 zeihen zu können glaubt. | A 107 Nun, jenen technologischen Optimismus und jenen freihändlerischen Dogmenglauben von vor 25 Jahren teilen wir heute nicht 25 mehr; er ist, so wie er war, für immer überwunden. Aber das schließt nicht aus, daß jene Anschauung eben doch auch ihren berechtigten Kern hatte, und diesen berechtigten Kern hat Herr Kollege Oldenberg in einer wirklich kaum glaublichen Weise ignorirt. Wenn Sie, verehrte Anwesende, dem Vortrag des Herrn Kollegen 30 Oldenberg aufmerksam gefolgt sind, so werden Sie den Eindruck haben gewinnen müssen - jedenfalls diejenigen von Ihnen, welche noch niemals eine statistische Übersicht von Deutschlands auswärtigem Handel in der Hand gehabt haben - daß die Abnehmer unsres Exports zu neun Zehnteln die Wilden Afrikas, die Ostasiaten und 35 7 Die Nationalökonomie, so hatte Oldenberg ausgeführt, habe sich von ihren Ursprüngen als Finanzwissenschaft niemals lösen können. „ Dafür zeugt die blöde geldwirtschaftliche Grundstimmung, die sie noch heute beherrscht." Ebd., S. 75.
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Südamerikaner und ähnliche in der kapitalistischen und industriellen Entwicklung spezifisch rückständige Völker seien - daß also jene „Stützen", diese vorgebauten Exporterker und -Balkone unsrer Industrie8 auf dem unbekannten Boden finstrer Barbarenländer aufge5 stellt sind und weiter dort hineinstreben, und deshalb, wenn andere kommen und sie wegziehen, das Gebäude, wie Oldenberg meint, einstürzen würde - und daß ferner mit zunehmender Entwicklung eines jeden solchen Landes zum „Industriestaat" oder doch zum Kapitalismus der Export dorthin versiegen würde. Dieser Teil von 10 Ihnen würde nach dem Vortrag sehr erstaunt sein, wenn Sie aus den Exportübersichten ersehen, daß unser größter Exportabnehmer England ist. Daß überhaupt die ökonomisch höchstentwickelten, die großen kapitalistisch-entwickelten Nationen und gerade die Industriestaaten unter ihnen unsre größten Abnehmer, und zwar auch 15 gerade unserer industriellen Erzeugnisse sind - darüber schwieg die Darstellung des Herrn Kollegen Oldenberg. Und doch fällt damit sein ganzes „entsetzliches" Schauergemälde, welches auf der problematischen Zukunft jener, erst in den Anfängen der kapitalistischen Entwicklung begriffenen fernen Völkerschaften aufgebaut 20 war. Ich gehöre nicht zu denjenigen Optimisten des Kapitalismus und der Verflechtung in die internationale Produktionsteilung, gegen welche sich Herr Kollege Oldenberg in erster Linie gewendet hat. Aber unmöglich kann ich mit ihm den Versuch, die Schranken, welche der naturgemäßen Weiterentwicklung der Absatzmärkte der 25 deutschen Industrie durch Maßnahmen fremder Wirtschaftspolitik gezogen werden, im Wege der Handelsvertragspolitik zu beseitigen, als „Züchtung des Exports" bezeichnen. Er hat darauf hingewiesen, daß der Export eine Abhängigkeit von fremden politischen Maßnahmen bedinge, und gemeint, die daraus resultirende, besonders 30 schwankende Unsicherheit der Erwerbsgelegenheit steigere sich mit steigendem Export. Ich bin umgekehrt der Meinung, daß die steigende Bedeutung des stehenden Kapitals allmälig dazu führen wird, daß in den führenden Nationen die Interessen an einer Stabilisirung der gegenseitigen Handelsbeziehungen eine stetig zunehmende Macht
8 Oldenberg hatte die Volkswirtschaft als Haus bezeichnet. Das Fundament sei die Landwirtschaft, der erste Stock die Industrie. Je mehr die Industrie expandiere, desto mehr bedürfe sie der „Pfeiler" oder „Stützen" im Ausland, das heißt der ausländischen Absatzmärkte. Ebd., S. 68f.
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erlangen. Die absolute Unsicherheit der Existenzbedingungen der 108 eigenen Industrie wird vielmehr eine Eigentüm|lichkeit derjenigen Nationen sein, welche die „autonome" Zollpolitik, die Herr Kollege Oldenberg offenbar als Ideal ansieht, treiben werden. - Trotzdem betrachte ich mit dem Herrn Kollegen Oldenberg die zunehmende Verschiebung eines Teiles der Erwerbsgelegenheit der inländischen Bevölkerung auf die durch den Export gebotenen Absatzchancen als ein gewaltiges Risiko, welches die Nation in ökonomischer Beziehung auf ihre Schultern ladet. Es ist das aber dasselbe Risiko, welches alle großen Handels- und Industrievölker der Vergangenheit, welches die in der Kulturentwicklung führenden Völker der Vergangenheit, welches die großen Nationen der Weltgeschichte in der Zeit ihrer Größe auf ihre Schultern genommen haben, und ich bin allerdings der Meinung, daß wir keine Politik der nationalen Behaglichkeit, sondern eine solche der nationalen Größe treiben und deshalb dieses Risiko ebenfalls auf unsere Schultern nehmen müssen, wenn wir ein nationales Dasein anderer Art als etwa die Schweiz führen wollen. Ich bin aber ferner der Meinung: wir werden von der geschichtlichen Entwicklung gar nicht danach gefragt, ob wir es wollen. Versuchen wir unser uns auferlegtes Schicksal abzulehnen, so wird ganz etwas anderes als die ländliche Idylle des Kollegen Oldenberg bei uns sich entwickeln. Wenn man natürlich es hinnehmen will, daß infolge der Stillstellung der gewerblichen Entwicklung, wie Oldenberg sie wünscht, die Massenauswanderung uns unsere psychisch und physisch kräftigsten Männer aus dem Lande führt, dann kann man dem Rest, dem Bodensatz, ein solches „ländliches" Dasein bereiten, aber man muß sich eben klar sein, daß jene selbstgenügsame 3 Politik, wie Herr Kollege Oldenberg sie wünscht, praktisch nur bedeutet, daß Deutschland seinen besten Kindern zuruft: „Sucht euch eine andere Heimat, denn ich will Ruhe haben." Und wie es mit der „inneren Verarmung" 9 im einen und im andern Falle steht, - das ist schließlich Geschmacksache. Ich möchte Herrn Kollegen Oldenberg einmal vor die realen Vertreter jener von ihm nach Art der
a A: selbst g e n ü g s a m e
9 Durch die Industrialisierung, so hatte Oldenberg argumentiert, sei das wirtschaftliche Leben „zwar komfortabler geworden, aber innerlich verarmt". Ebd., S. 74.
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„Dorfgeschichten" 10 geschilderten „Eigenwirtschaft" stellen, ihm einen kassubischen Kleinbauern präsentiren und dann sehen, wo, wenn er einen Arbeiter aus unserer ganzen Exportindustrie daneben stellt, er den „inneren Reichtum" finden wird. A m erstauntesten über die idyllischen Bilder, die er entrollte, würden wohl diejenigen sein, die in diesen „Eigenwirtschaften" zu existiren haben. Allein ich sehe nicht ein, warum ich mich mit der Frage des Exports herumschlagen soll. Einmal hat ja Herr Kollege Oldenberg selbst in seiner Schrift über die Arbeitslosigkeit11 die - meines Erachtens allerdings unrichtige - Behauptung aufgestellt, unser Export vermehre sich gar nicht. Dann aber: wir sprechen ja hier vom „Industriestaat", und die ganze erste Hälfte der Ausführungen des Herrn Kollegen Oldenberg war ein wütender Hieb gegen den Industrialismus und Kapitalismus, gegen die Herrschaft | und führende Stellung A 109 des Kapitals. Nun ist zwar die internationale Produktionsteilung eine normale Begleiterscheinung des expansiven Kapitalismus, aber damit, daß man sie etwa totschlägt[,] schlägt man heute doch nicht den Kapitalismus tot. Anstatt des Ingrimms des Herrn Kollegen Oldenberg gegen den Kapitalismus wäre wohl vom wissenschaftlichen Standpunkt die Frage am Platze gewesen: kann denn diese kapitalistische Entwicklung für Deutschland gehindert werden, und so lange nicht der Herr Kollege Oldenberg das Gegenteil auch nur zu behaupten vermag, sage ich: nein, sie kann nicht gehindert werden, sie ist unabwendbar für uns, und nur die Bahn, in der sie sich bewegt, läßt sich wirtschaftlich beeinflussen. Ob aber diejenige Wirtschaftspolitik, die Oldenberg zu wünschen scheint, die kapitalistische Entwicklung in erfreuliche Bahnen lenken würde, ist mehr als zweifelhaft. Hemmung der industriellen Entwicklung im Inlande bedeutet, daß in noch vermehrtem Maße das deutsche Kapital im Auslande Anlage sucht und die thatkräftigsten Elemente der industriellen Bevölkerung abfließen; faule Rentiers und eine stumpfsinnige traditionalistische Masse bleibt zurück; an die Stelle des Industrialismus, wie ihn ein gesunder Merkantilismus zu schaffen sich vorsetzt, wird der
10 Gemeint ist eine Literaturgattung, auf die Weber auch mit Bezug auf Karl Leberecht Immermann an anderer Stelle anspielt. Siehe unten, S. 834, Anm. 10. 11 Gemeint ist vermutlich der Artikel Oldenbergs „Arbeitslosenstatistik, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung", in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaftim Deutschen Reich, 19. Jg., 1895, S.631 - 6 6 0 .
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i?enienkapitalismus gesetzt. Der deutsche Kapitalist bezieht die Gewinste von ausländischen Unternehmungen. Ist das das Ideal des Kollegen Oldenberg? Aber beachten wir auch die ländliche Seite der Entwicklung, die er sich vorstellt. Wenn man die Kritik des Herrn Kollegen Oldenberg acceptiren würde, müßte man doch fragen: was soll an die Stelle dieser kapitalistischen Organisation der Volkswirtschaft gesetzt werden? Darüber hat nun Herr Kollege Oldenberg geschwiegen; er hat sich zugeknöpft. Aber nach dem, was er andeutete, will er offenbar eine Verschärfung der sogenannten „nationalen Wirtschaftspolitik", wie sie Bismarck 1879 inaugurirte. 12 Ich halte diese Wirtschaftspolitik auch meinerseits für eine notwendige Phase in unserer Entwicklung, aber sehen wir zu, was ihre Weiterführung und Steigerung bedeuten würde. Nichts anderes, als daß neben dem Kapitalismus in der Industrie auch der Kapitalismus in der Landwirtschaft erhalten und gesteigert wird. Denn ihm - der geldwirtschaftlichen Absatzproduktion von Getreide [-] kommt diejenige Koalition der Interessen zu Gute und soll sie zu Gute kommen, welche durch jene nationale Wirtschaftspolitik geschlossen wurde. Dies „Kompagniegeschäft", 13 diese Kompagniegesellschaft der großgrundbesitzerlichen kapitalistischen Interessen und des Kapitals des großindustriellen Unternehmertums haben wir ja nun als Folge der Abschließungspolitik, der Politik des „innern Marktes" gründlich kennen lernen können. Diese Interessenkoalition ist es, welche alle diejenigen Erscheinungen gezeitigt hat, gegen welche die Gegner zusammenstehen, welche Herr Kollege Oldenberg hier mit und ohne Nennung ihres Namens bekämpfte, und welchen auch ich, so wenig ich z.B. unbe110 dingt mit | Brentano oder meinem Freund Schulze-Gävernitz in allen Einzelheiten harmonire, mich zuzählen zu müssen glaube. Diese Koalition, wie sie zu Ende der siebziger Jahre zu stände kam, ist es gewesen, welche die Angliederung des großindustriellen Bürger-
1 2 Gemeint ist der Übergang zum Schutzzollsystem für industrielle und landwirtschaftliche Produkte von 1879. Der Begriff der „nationalen Wirtschaftspolitik" wurde vom Bund der Landwirte geprägt. Siehe die Präambel der Leitsätze von 1895, zitiert nach: Puhle, Hans-Jürgen, Agrarische Interessenpolitik und preußischer Konservatismus im wilhelminischen Reich (1893-1914). - Hannover: Verlag für Literatur und Zeitgeschehen 1967, S. 78. 13 Oldenberg hatte die Volkswirtschaft als ein „Kompagniegeschäft" bezeichnet, „das die Nation, die Gesamtheit mit dem Kapital geschlossen" habe. Verhandlungen, S. 71.
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tums an die Interessen des Großgrundbesitzes, man kann sagen, die Feudalisirung des bürgerlichen Kapitals, herbeigeführt hat. Das war ihr großer Erfolg, und dieser Erfolg stand unter der politischen Tendenz, die in ihrer ökonomischen Unterlage wankend gewordene 5 Herrschaft der östlichen Junker bei uns zu erhalten, deren Interessen unsere Wirtschaftspolitik bisher so gut wie ausschließlich zu Diensten sein mußte. Denn im Gegensatz zu dem, was der Minister Miquel wiederholt behauptet hat, 14 im Gegensatz zu dem, was man aus dem Vortrag des Herrn Kollegen Oldenberg heraus entnehmen 10 mußte, bin ich der Meinung: wir haben noch niemals eine andere Politik betrieben, als diejenige, die dem Großgrundbesitz, die den landwirtschaftlichen, und nicht den industriellen Interessen genehm war - womit natürlich nicht gesagt ist, daß sie deren ökonomischen Interessen nun auch wirklich objektiv entsprochen habe; denn nicht 15 immer sind die jeweiligen Interessenten selbst die objektivsten Urteiler über das, was den dauernden Interessen ihres Standes entspricht. - Wir sind Freihändler gewesen, so lange es die Großgrundbesitzer in Preußen waren, so lange das Wort galt, welches ein solcher sprach: „ich bin konservativ und deshalb bin ich Freihändler"; 15 und wir sind 20 Schutzzöllner geworden in dem Augenblick, als gewisse Erscheinungen den Großgrundbesitzer veranlaßten, schutzzöllnerisch zu werden. In einer Periode, als die Industrie der Schutzzölle absolut bedurft hätte, haben wir, nachgebend dem Interesse der Landwirtschaft, diese Schutzzölle beseitigt, 16 und erst als die Landwirtschaft 25 schutzzöllnerisch wurde, als dann diese Koalition, von der ich sprach, zu stände gekommen war, erhielten wir die „nationale Wirt-
14 Der preußische Finanzminister Johannes von Miquel forderte seit Anfang 1897 eine Rückkehr zum Protektionismus, um die durch die Caprivischen Handelsverträge angeblich verursachte Benachteiligung der Landwirtschaft wieder wettzumachen und einem Interessenausgleich zwischen Industrie und Landwirtschaft den Weg zu bahnen. Förster, Stig, Der doppelte Militarismus. - Stuttgart: Franz Steiner 1985, S. 79. 15 Vermutlich handelt es sich um eine Anspielung auf eine Äußerung Bismarcks während der Friedensverhandlungen in Frankfurt am Main 1871 gegenüber dem französischen Unterhändler: „Jawohl, ich bin zur Zeit Freihändler." Poschinger, Heinrich von, Fürst Bismarck und die Parlamentarier, Band 2. - Breslau: Eduard Trewendt 1895, S.216. 16 Das Deutsche Reich verfolgte bis Mitte der 1870er Jahre konsequent den Ausbau des Freihandelssystems und den Abbau aller noch bestehenden Schutzzölle. Am 1. Januar 1877 wurden die letzten Zölle, die noch für Eisen- und Eisenprodukte bestanden, aufgehoben. Der Abbau der Eisenzölle wurde u.a. auch von der Landwirtschaft gefordert, die sich eine Verbilligung landwirtschaftlicher Maschinen erhoffte.
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Zum Vortrag von Karl
Oldenberg
schaftspolitik". Und alsbald zeitigte diese Koalition ihre eigenartigen Früchte. Wir erlebten jenes eigentümliche Emporschwellen der rein äußerlichen, rein formalen büreaukratischen Religiosität, wie sie dem Feudalismus und Konservatismus, dem Offizierstand und feudalisirten Beamtentum eigentümlich ist, das Eindringen dieser büreaukratischen formalen Kirchlichkeit in unser Bürgertum. Wir erlebten den Umschwung in der Sittlichkeitsvorstellung unserer herrschenden Schichten nach der feudalen Seite hin. Ich selbst erinnere mich sehr wohl aus meinen jungen Jahren, wie die allerdings ja vielleicht „bürgerlich-philiströsen" Anschauungen der bürgerlichen Kreise, des Nachwuchses über das, was z.B. auf geschlechtlichem Gebiet ehrbar ist und was nicht, feudalisirt, d.h. umgestaltet wurden zu Gunsten anderer Anschauungen, die herstammten nicht aus dem Kreise des Bürgertums, sondern aus jenen Kreisen, an die es sich damals angliederte. Wir haben dann neuerdings erlebt jene widerwärtige Erschei11 nung des industriellen Briefadels mit seiner gerade für An|hänger des Zweikampfes wahrhaft ekelhaften öffentlichen Duellrenommage: 17 deren Träger sind nicht die Repräsentanten des alten Adels, sondern jene bramarbasirenden Parvenüs, vor denen heute der preußische Kultusminister zittern muß - so sehr, daß er nur durch ein kluges Mißverständnis des Ausdrucks „Praktiker" sich zu helfen weiß. 18 Sie sind es auch, welche den Moment ersehnen, wo die Sozialpolitik mit den Kanonen getrieben wird. Das Weiterwuchern dieser Feudalisirung des bürgerlichen Kapitals würde die „ländliche" Idylle sein, welche eine nach dem Wunsch des Herrn Kollegen Oldenberg gestaltete Wirtschaftspolitik uns bringen würde. Denn
17 Anspielung auf die Duellaffäre des saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm mit dem Berliner Nationalökonomen Adolph Wagner aus dem Jahre 1895. Siehe dazu Webers Zuschriften „Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm" und „Eingesandt". In diesem Band abgedruckt, S. 517-519, 522f. 18 Am 28. Mai 1897 war es im preußischen Herrenhaus zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen von Stumm und dem preußischen Kultusminister Robert Bosse gekommen: Von Stumm warf Bosse vor, mit den Kathedersozialisten zu sympathisieren, die gegen „Kapital und Besitz" hetzten, ohne praktisch etwas für das Wohl der Arbeiterschaft zu leisten. Bosse entgegnete, da von Stumm selbst hervorgehoben habe, „daß die kathedersozialistischen Professoren in der Praxis absolut nichts gethan hätten, auch nicht zu Gunsten der Arbeiter", müsse er ja wohl auch anerkennen, daß die „praktische Thätigkeit eines Mannes und die wissenschaftliche Stellung des Gelehrten" auseinanderzuhalten seien. Sten. Ber. pr. HH, 1896/97, Bandl, S.383f. und 388.
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Oldenberg
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jene Koalition ruht auf derjenigen wirtschaftlichen Anschauung, welche die einzig mögliche positive Kehrseite der Kritik des Herrn Kollegen Oldenberg bildet: die Theorie von der Pflege des sogenannten „innern Marktes" an Stelle der internationalen Arbeitsteilung, d.h. eines Zustandes, bei welchem 1. der deutschen Industrie in der künstlich gesteigerten Kaufkraft der Landwirtschaft ein Ersatz für die Einschränkung des Exports geboten werden und 2. Deutschland seinen Getreidebedarf ganz aus dem Inland decken soll. Hier, in dieser Theorie, und namentlich in dem letzterwähnten Punkt, liegt das entscheidende Problem. Denn nicht daß Güter exportirt, sondern daß Getreide importirt wird und werden muß, ist das dem Herrn Kollegen Oldenberg Odiöse. Oldenberg hat nun dabei Deutschland als eine ökonomische Einheit angenommen, indem er glaubte fragen zu dürfen, ob Deutschland, also diese Einheit[,] den Weg zum „Industriestaat" weiter verfolgen solle. Deutschland ist aber keine ökonomische Einheit, Deutschland ist zusammengeschweißt aus zwei von einander wesentlich verschiedenen wirtschaftlichen Gebieten, von denen das eine nach Westen, das andere nach Osten blickt, das eine längst „Industriestaat" ist, das andere bisher „Agrarstaat" blieb; und das fundamentale Problem unserer ganzen nationalen Wirtschaftspolitik liegt in dem unausgeglichenen Verhältnis dieser beiden, ungefähr an der Elbe und untern Weser sich von einander scheidenden Hälften, welche politisch zusammengehören, ökonomisch aber auseinanderstreben. Die praktische Seite dieses Problems ist die Frage: können wir unserer Industrie durch Zollschutz der Landwirtschaft einen den Export ersetzenden „inneren Markt" in jener agrarischen Hälfte Deutschlands schaffen, und ferner: können wir unsere Wirtschaftspolitik darauf einrichten, daß wir die ganze Ernährung unserer Bevölkerung aus unserem eigenen Boden, d.h. aus dem Überschuß jener agrarischen Hälfte den Unterschuß13 der industriellen Hälfte^] decken? sollen wir eine darauf sich zuspitzende Wirtschaftspolitik treiben oder nicht, können wir sie vor allen Dingen treiben? Ich will heute nur wenige Worte über diese entscheidende Frage sagen. Da die Bevölkerung Deutschlands schnell steigt, müßte auch
b A: Überschuß
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Zum Vortrag von Karl
Oldenberg
der Überschuß der agrarischen Hälfte, der auf den Markt kommt, 12 stetig gesteigert werden. Damit aber dies | geschehen könne, ist die stetige Abnahme der Landbevölkerung der agrarischen Hälfte notwendig. Unter dem Gesichtspunkt der Erzeugung eines möglichst hohen Absatzquantums für die Ernährung der deutschen Bevölkerung, ist das platte Land Deutschlands noch heute übervölkert, sind unsere Bauern, sind die Produkte unsrer inneren Kolonisation 19 vom Übel. Zwei Dinge, die so oft mit einander verwechselt werden, sind eben nicht identisch, sondern das Gegenteil von einander: starke, d.h. zahlreiche Landbevölkerung einerseits und große Überschüsse des produzirten Kornes über den Eigenbedarf andererseits. Je dichter die Landbevölkerung, desto weniger Überschuß für die Städte, desto mehr also drückt 0 deren Ernährung auf den Getreideimport, desto unentbehrlicher wird dieser und desto unentbehrlicher damit der von Oldenberg perhorreszirte industrielle Export. Wer das Maximum von Getreideertrag aus dem deutschen Boden herauswirtschaften lassen will im Interesse der Ernährung eines Maximums von Volkszahl durch inländisches Korn, der muß den Boden in rationell bewirtschaftete Großbetriebe zerlegen, und damit das platte Land zu Gunsten der Städte - und damit zu Gunsten der Vermehrung des industriellen Proletariats - entvölkern. Damit so wirtschaftlich wie möglich so viel wie möglich Korn gewonnen werde, müßte die landwirtschaftliche Bevölkerung fortwährend in die Städte abfließen und also den industriellen Unternehmern billige Arbeitskräfte bei niedrigen Löhnen zur Ermöglichung der kapitalistischen Weiterentwicklung und damit - zur Ermöglichung des billigen Exportes liefern. Das ist der eigentümliche Zirkel, in dem sich die Wirtschaftspolitik des Herrn Kollegen Oldenberg bewegen würde. Daß ich Ihnen hier nicht graue Theorie vortrage, sondern daß sich die Bewegung der landwirtschaftlichen Bevölkerung thatsächlich diesem Gesetze fügt, das werde ich demnächst an der Hand der Volkszählungsergebnisse der
c A:rückt 19 Gemeint ist die durch das Ansiedlungsgesetz von 1886 und die Rentengutsgesetze von 1890 und 1891 geförderte Ansiedlung von deutschen Landarbeitern und Bauern in den preußischen Ostprovinzen.
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einzelnen Perioden zeigen. 20 Die landwirtschaftliche Marktproduktion verdrängt die Bevölkerung vom Lande. Starke deutsche Landbevölkerung und Ernährung Deutschlands nur von inländischem Getreide sind unversöhnliche Gegensätze. 5 Und wie steht es mit dem „innern Markt", der unsrer Industrie durch jene Politik der „Selbstgenügsamkeit" dargeboten werden soll? Der Gedanke dieses „innern Marktes" läßt sich dahin zusammenfassen: um den deutschen Industrieunternehmern einen kaufkräftigen Abnehmer in den deutschen Landwirten zu sichern, giebt 10 man diesen noch mehr Getreidezölle, das heißt, eine Kontribution aus den Taschen der Industriearbeiter - nicht nur aus den ihrigen, sondern auch aus den unseren, aber d soweit das Verhältnis zwischen Industrie und Landwirtschaft in Frage kommt, aus denjenigen der Industriearbeiter. Diese Kontribution aus der Tasche der Arbeiter 15 fließt in die Tasche des Landwirtes und von da in die Tasche des Industrieunternehmers, dem der so „kaufkräftig" gemachte Landwirt seine Produkte abnimmt. Seine eigenen Arbeiter sind es, die auf dem Umwege über die | Landwirtschaft dem Industriellen den „in- A 113 nern Markt" bezahlen müssen, denn die Belastung des übrigen Teils 20 der Bevölkerung mindert deren Kaufkraft für industrielle Produkte um ebensoviel als die entsprechend gestiegene Kaufkraft der Landwirtschaft austragen kann. Das ist - theoretisch formulirt - der eigentümliche Zirkel, den man die „Erweiterung des inneren Marktes" nennt. Die Steigerung dieses wirtschaftspolitischen Systems be25 deutet aber nicht Abnahme, sondern Zunahme des Kapitalismus, gesteigerte Einkommensdifferenzirung, gesteigerte Proletarisirung der Arbeiterschaft, welche den „inneren Markt" bezahlt. Daraus erwächst dann jener eigentümliche konservative Binnenkapitalismus, der nicht in der Erschließung neuer Absatzbahnen, sondern in 30 der ökonomischen Niederhaltung der Arbeiterschaft seinen Vorteil sucht, ökonomisch den Klassenkampf von Oben gegen Unten züch-
d A: oder
20 Wie aus einer Anmerkung zu Webers Artikel „Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen", in: AfSS, Band 19,1904, S. 504 (MWG I/8), hervorgeht, trug sich Weber mit dem Gedanken einer „größeren agrarstatistischen Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus". Dieser Plan kam jedoch nicht zur Ausführung.
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Zum Vortrag von Karl Oldenberg
tet und politisch den Todfeind in der Emporentwicklung der Arbeiterklasse und den freien Institutionen des Landes erblickt. Dies sind die sozialpolitischen Seiten des Oldenbergschen Programms - eines Programms, vor dessen positiver Darlegung er selbst aus guten Gründen zurückscheut, welches aber die allein mögliche positive Seite seiner Kritik ist. Den Interessenten dieses Kapitalismus wird er aus dem Herzen gesprochen haben. Gegen die künstliche Züchtung solcher Zustände wenden sich alle diejenigen, die Herr Kollege Oldenberg heute bekämpft hat. Sie wollen eine bürgerliche Politik, sie wünschen die Loslösung des sich auf sich selbst besinnenden, zur selbstbewußten Pflege seiner eigenen Ideale zurückkehrenden Bürgertums aus seiner unnatürlichen Bundesgenossenschaft, im Interesse der gedeihlichen sozialen Entwicklung und in dem der Entwicklung der politischen Freiheit des Landes. Wenn Herr Kollege Oldenberg damit gedroht hat, daß einst die Erde und ihr Brot knapp werden würde, so meinen wir, daß nicht die angebliche Exportpolitik, sondern die Volksvermehrung es ist, welche - möge die Wirtschaftsverfassung der Erde sein welche sie will, es ist, was den Kampf um das Dasein, den Kampf des Menschen mit dem Menschen, in Zukunft wieder schwerer und härter gestalten wird, und wir leiten daraus das Evangelium des Kampfes ab21 als einer Pflicht der Nation, als ökonomisch unvermeidliche Aufgabe wie des einzelnen so der Gesamtheit, und wir „schämen" uns dieses Kampfes, des einzigen Weges zur Größe, nicht. 22 Wir wissen sehr wohl, daß die weitere Entwicklung der Nation dazu führen muß, daß sie ihre Zukunft einsetzt. Wir halten das aber für eine unvermeidliche Folge der geschichtlichen Entwicklung, und wir glauben, daß diejenigen Nationen, die ihre ökonomische Zukunft heute nicht einsetzen für ihre Größe, überhaupt keine Zukunft haben. e e In A folgt der redaktionelle Zusatz: (Lebhafter Beifall und Zischen.)
21 Oldenberg hatte In seinem Vortrag auf die Gruppe deutscher Nationalökonomen um Gerhart von Schulze-Gaevernltz angespielt, die in einer machtvollen Außenpolitik Deutschlands im Wettlauf um neue Absatzmärkte den einzigen Weg zur dauerhaften Hebung der materiellen Lage der Arbeiterschaft sahen. Dieses Programm, so Oldenberg, sei ein „neues sozialpolitisches Evangelium". Verhandlungen, S. 96. 22 Mit Blick auf den englischen Imperialismus hatte Oldenberg von einer nicht erstrebenswerten „Größe" gesprochen, „deren man sich zu schämen hat." Ebd., S. 95f.
Zum Vortrag von Karl Oldenberg
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2.
Zwei Worte in Erwiderung einiger Bemerkungen des Herrn Geheimrat Wagner. Er hat gefragt: wie kommt es, daß nicht nur der ostelbische Junker, sondern auch der Bauer in Frankreich und am 5 Rhein Anhänger der Getreidezölle ist?1 Darauf erlaube ich mir zu antworten: das kommt daher, daß jeder Mensch das nimmt, was er kriegen kann. Damit, daß jene Bauern eine Erhöhung der Getreidepreise, wenn man sie ihnen anbietet, getrost einstecken, folgt noch nicht, daß sie sie nötig haben. Wenn sie vor die Frage gestellt wür10 den, ob sie lieber auf die Getreideschutzzölle verzichten würden oder auf die Entwicklung der Industrie am Rhein, die ihr einziger kauffähiger Abnehmer ist, dann würden sie nach kurzer Probe eine Stellung zur Entwicklung Deutschlands zum „Industriestaat" bekunden, die von der des Kollegen Oldenberg radikal abweichen würde. 15 Mit einer zweiten Bemerkung gestatte ich mir nochmals in aller Schärfe eine Ausführung zu wiederholen, die, glaube ich, Herrn Geheimrat Wagner entgangen ist, da er sonst manche Gegenbemerkungen nicht hätte machen können. Es herrscht die Illusion, auch bei Herrn Kollegen Oldenberg offenbar, und, wie es scheint, auch bei 20 Herrn Geheimrat Wagner, daß zwei Dinge identisch seien: das Vorhandensein eines einheimischen Getreidequantums, welches für | den Bedarf der Bevölkerung verfügbar ist und dafür ausreicht einer- A 123 seits, und einer starken deutschen landwirtschaftlichen Bevölkerung andrerseits. Das ist aber nicht dasselbe; das ist das Gegenteil von 25 einander. Je dünner die landwirtschaftliche Bevölkerung, und sie ist da am dünnsten, wo der Großbetrieb vorherrscht, desto mehr Getreideüberschuß ist verfügbar für den Konsum der Städte, je dichter, desto weniger ist Getreide dafür verfügbar. Jede Stärkung der bäuerlichen Bevölkerung Deutschlands macht den Import von Getreide 30 für die Industriebevölkerung Deutschlands unentbehrlicher. Je mehr die Landbevölkerung zunimmt, desto mehr Getreide muß importirt werden, desto mehr rückt der industrielle Bruchteil der
1 Adolph Wagner hatte Weber vorgeworfen, in den Getreidezöllen fälschlich nur den Ausdruck großagrarischer Interessenpolitik zu sehen. Immerhin hätten auch französische, italienische, west- und süddeutsche Bauern ihr Interesse an Kornzöllen bekundet. Verhandlungen, S. 117.
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Zum Vortrag von Karl Oldenberg
Bevölkerung auf jene „Balkone" hinaus, von denen Oldenberg sprach. 2 Schließlich noch eine letzte Bemerkung. Herr Geheimrat Wagner wunderte sich, daß ich so temperamentvoll gegen meinen Freund Oldenberg auftrat. Das wird er selbst am wenigsten ausdeuten. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund, so wenig wie Herr Geheimrat Wagner dies zu thun pflegt. Wogegen ich mich gewendet habe, war das böse Wort von der „nationalen Größe, deren man sich schämen müsse." 3 Eine solche nationale Größe giebt es für mich nicht. - Ich kann mich zum Schluß nur resumiren: es giebt Optimisten und Pessimisten in der Betrachtung der Zukunft der deutschen Entwicklung. Nun, zu den Optimisten gehöre ich nicht. Das gewaltige Risiko, welches die unvermeidliche ökonomische Expansion Deutschlands nach außen uns auferlegt, erkénne auch ich. Aber ich halte dies Risiko für unvermeidlich, und deshalb sage ich: „So mußt du sein, du wirst dir nicht entrinnen." 34
a In A folgt der redaktionelle Zusatz: (Beifall.) 2 Vgl. oben, S . 6 2 9 , A n m . 8 . 3 Vgl. oben, S. 638, Anm. 22. 4 Johann Wolfgang von Goethe, Urworte. Orphisch, Dämon: „ S o mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen". Goethes Werke, Band 1/3. - Weimar: Hermann Böhlau 1890, S. 95.
Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechtes, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung?
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Zu Beginn der 1890er Jahre setzte im Deutschen Reich eine lebhafte Agitation zugunsten der Einführung eines Heimstättengesetzes nach dem Vorbild der amerikanischen homestead laws ein. Der Begriff „homestead" hatte sich in Nordamerika zunächst nur auf Grundstücke bezogen, die an Siedler unentgeltlich vergeben worden waren, wurde dann aber ausgedehnt auch auf alle diejenigen Grundbesitzungen, die, unabhängig davon, ob neu besiedelt oder nicht, vor Zwangsvollstreckung geschützt werden sollten. 1 Der kleine Grundbesitz sollte so vor Überschuldung und Bankrott bewahrt werden. Der gleiche Gedanke lag auch den deutschen Plänen zugrunde. Hiernach sollte auch im deutschen Bereich der Schutz vor Zwangsvollstreckung über die zum Wirtschaftsbetrieb unentbehrlichen Hilfsmittel hinaus auf den Grundbesitz selbst ausgedehnt werden. In Ergänzung der durch die Ansiedlungs- und Rentengutsgesetzgebung von 1886, 1890 und 1891 geförderten „inneren Kolonisation" sollte so ein zusätzlicher Schutz für den ländlichen Kleinbesitz geschaffen werden. 1890 wurde im Reichstag erstmalig ein entsprechender Gesetzentwurf von einer Reihe von Abgeordneten der Deutschkonservativen Partei, der Deutschen Reichspartei und des Zentrums eingebracht. 2 Dieser Entwurf sah die Errichtung von Heimstätten bis zur Größe eines Bauernhofes vor, die genaue Bemessung blieb der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Heimstätte sollte unteilbar und prinzipiell der Zwangsvollstreckung entzogen sein. Im Gegensatz zu den amerikanischen homestead laws, denen zufolge der Schutz vor Zwangsvollstreckung auf Personalschulden begrenzt war und die keine Beschränkung für die Aufnahme von Realkrediten vorsahen,
1 Zu den amerikanischen „homesteads" siehe: Sering, Max, Heimstättenrecht, in: HdStW4 1 , 1892, S. 449. 2 Sten. Ber. Band 121, S. 645.
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Gutachten zum
Heimstättenrecht
insofern also nur eine geringe Reichweite hatten, 3 schloß der deutsche Gesetzentwurf den Schutz vor Zwangsvollstreckung bei Schulden aus Realkrediten mit ein, und zwar durch die gleichzeitige Festlegung einer Verschuldungshöchstgrenze bis zur Hälfte des Ertragswertes. Die Umwandlung eines höher belasteten Besitzes in eine Heimstätte sollte nur unter Beachtung ganz bestimmter Auflagen überhaupt möglich sein. Der Gesetzentwurf führte zu einer heftigen Kontroverse in der Öffentlichkeit. Wie anläßlich der Diskussion um die Wiederbelebung des Anerbenrechts übten die Gegner auch hier hauptsächlich Kritik an der mit liberalen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Einschränkung der persönlichen Verfügungsgewalt über das Grundeigentum, die durch die Unteilbarkeit der Heimstätte und die gesetzlich verordnete Verschuldungshöchstgrenze gegeben war. 4 Neben dem Deutschen Landwirtschaftsrat 5 befaßte sich auch der Deutsche Juristentag mit der Frage der Einführung eines Heimstättenrechts. Der Deutsche Juristentag war 1860 mit dem Ziel der Vereinheitlichung des deutschen Rechts gegründet worden. Ihm gehörten sowohl deutsche als auch österreichische Juristen an. Er verstand sich als politisch unabhängiger legislatorischer Berater, der aber in keinem direkten Kontakt zu den Regierungen und Parlamenten stand. 6 Nachdem das Problem des Heimstättenrechts bereits auf dem 23. Juristentag 1895 erörtert worden war, trat man an Max Weber mit der Bitte um die Anfertigung eines Gutachtens für den folgenden Juristentag heran. Die näheren Umstände, die dazu geführt haben, sind nicht bekannt. Webers Gutachten wurde 1897, ein Jahr vor dem 24. Juristentag veröffentlicht. 7 Neben Weber hatte sich auch der Wiener Nationalökonom, Rechts- und Wirtschaftshistoriker Carl Grünberg gutachtlich zur Frage der Einführung eines Heimstättenrechts geäußert. 8 Während Weber in seinem Gutachten
3 Grünberg, Carl, Der Entwurf eines Heimstättengesetzes für das Deutsche Reich, in: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Band 4, 1891, S. 374: Sering, Max, Heimstättenrecht, in: HdStW4\ 1892, S.450f. 4 Sering, Heimstättenrecht, S. 456. 5 Vgl. das auf der 19. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats von Adolf Buchenberger vorgetragene Referat über den Gesetzentwurf von 1890: Entwurf eines Heimstätten-Gesetzes für das Deutsche Reich, in: Archiv des Deutschen Landwirthschaftsraths, 15. Jg., 1891, S. 229-263. 6 Conrad, Hermann, Der Deutsche Juristentag 1860-1960, in: Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1860-1960, Band 1. - Karlsruhe: C. F. Müller 1960, S. 1 - 3 6 . 7 Siehe unten, S. 644. 8 Verhandlungen des Vierundzwanzigsten Deutschen Juristentages, Band 2: Gutachten. -Berlin: J.Guttenberg 1897, S.213-234.
Editorischer
Bericht
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ausführlich die Gründe darlegte, die ihn zur Ablehnung des Heimstättenrechts bestimmten, sprach sich Grünberg für einen Ausbau der in den kontinentalen Rechtssystemen vorhanden Ansätze zum Schutz des Immobiliarvermögens aus. Die Einführung eines Heimstättenrechts nach amerikanischem Muster hielt er jedoch ebenfalls für nicht ratsam. 9 Max Weber stützte sich in seinem Gutachten auf sein aus dem preußischen Gemeindelexikon von 1887/88 berechnetes Zahlenmaterial zum Zusammenhang von Bodenbesitzverteilung und Seßhaftigkeit der Bevölkerung. 10 Dieses Material verwendete er auch in seinen Vorträgen in den Jahren 1896 und 1897 11 sowie in seinem Aufsatz zur Fideikommißfrage in Preußen. 12 Offensichtlich handelte es sich um Zahlenmaterial, das er für eine geplante, aber nie durchgeführte agrarstatistische Arbeit über den landwirtschaftlichen Kapitalismus errechnet hatte. 13 Auf dem 24. Deutschen Juristentag kam es am 12. September 1898 zur Debatte über das Heimstättenrecht und die darüber angeforderten Gutachten. Der Referent, Regierungsrat Alfred Meyer aus Bromberg, lehnte sich in seinen Ausführungen eng an das Gutachten Webers an; auch er verneinte die Notwendigkeit der Einführung des Heimstättenrechts. 14 Dem trat Carl Grünberg, der im Unterschied zu Max Weber an dem Juristentag teilnahm, entgegen. Er trat Webers Auffassung entgegen, daß, wenn es zu Zwangsvollstreckungen im Kleinbesitz komme, diese in viel höherem Maße als bei Großbetrieben auf persönliches Verschulden zurückzuführen seien, mithin die Zwangsvollstreckung im Kleinbesitz den Charakter eines Ausleseprozesses trüge. 15 Grünberg befürwortete statt dessen eine Reihe gezielter Maßnahmen zum Schutze des Eigentums. 16 Auf das Gutachten Max Webers wurde in der Folge nicht mehr eingegangen.
9 Ebd., S. 234. 10 Unten, S. 6 6 0 - 6 6 6 . 11 Unten, S. 761, 789, 805 und 832. 12 Weber, Max, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19,1904, bes. S. 504 und 563f. (MWG I/8). 13 Vgl. seine Äußerung ebd., S. 504. 14 Verhandlungen des Vierundzwanzigsten Deutschen Juristentages, Band4: Verhandlungen. - Berlin: J. Guttenberg 1898, S. 1 4 6 - 1 7 0 . 15 Ebd., S. 172f. 16 Siehe die Abstimmung über die von Grünberg gestellten Anträge, ebd., S. 196ff.
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Gutachten zum Heimstättenrecht Zur Überlieferung
und
Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der am 29. Juli 1897 1 unter der Überschrift „VIII. Gutachten des Herrn Professor Max Weber in Heidelberg über die Frage: Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechtes, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung?", in: Verhandlungen des Vierundzwanzigsten Deutschen Juristentages, Band 2: Gutachten. - Berlin: J. Guttenberg 1897, S. 1 5 - 3 2 , erschienen ist (A). Webers eigene Anmerkungen binden in A mit Sternchen an. Diese wurden durch die Indizierung mit in offene Klammern gesetzte Ziffern ersetzt.
1 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 30 vom 29. Juli 1897, S. 755.
Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechtes, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung ?
Die Frage des „Heimstättenrechts" ist auf dem Deutschen Juristentag 1895 Gegenstand der Erörterung gewesen. Damals lag der Berathung ein Gutachten des Herrn Stadtrath Dr. Flesch (Frankfurt a.M.) vor, - abgedruckt in den Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages, Bd.I S.367f. 1 - , und es fand auch in der mit der Besprechung befaßten Abtheilung eine an das mündliche Referat 3 des gedachten Herrn anschließende kurze Debatte statt - deren Stenogramm daselbst Bd. II S. 140f. abgedruckt ist2 - ; bei der Abwesenheit der designirten beiden Referenten, Geh. Rath Dr. Dernburgb und Dr. Millanich, wurde dieselbe jedoch auf den Antrag des Herrn Geh. Rath Gierke auf den diesmaligen Juristentag vertagt. Der Referent hatte in seinem schriftlichen Gutachten und in seinem kurzen mündlichen Vortrage mit Recht als von einander grundsätzlich auseinanderzuhaltend geschieden a) die agrarpolitische Frage der Einführung eines Heimstättenrechts für den ländlichen Kleingrundbesitz im Sinne des dem Deutschen Reichstage vorgelegten Heimstättengesetzentwurfs, b) die executionstechnische Frage einer Ausdehnung der Pfändungsexemtionen über den Kreis der jetzt davon betroffenen Mobilien hinaus zum Behufe des Schutzes von „Familienvätern" im Besitz des zu ihrer und ihrer Familien Obdach und zur Verwerthung ihrer Arbeitskraft im Interesse der Erfüllung ihrer Familienpflichten unentbehrlichen - gleichviel ob städtischen oder ländlichen - Immobiliarbesitzes, im Sinne der amerikanischen homestead laws. | Er hatte sich auf die Frage sub b beschränkt. Dazu gab die damali- A ge Fragestellung, namentlich durch die Bezugnahme auf die Civilproceßordnung, Anlaß. Die diesmal etwas anders gefaßte Fragestela A: Referent
b A: Dernberg
1 Im angegebenen Band, S. 367-393. 2 Ebd., Band 2, S. 140-159.
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Gutachten
zum
Heimstättenrecht
lung sowohl als der Umstand, daß mir die agrarpolitische Seite der Frage näher liegt als die executionstechnische, veranlaßt mich, meinerseits den deutschen Heimstättengesetzentwurf zum Ausgangspunkt zu nehmen und also die Bedeutung des Heimstättengedankens für die Verhältnisse des ländlichen Kleinbesitzes zu erörtern 1 '. Entsprechend dem besonderen Hinweis auf den Schutz gegen die Zwangsvollstreckung soll dieser Gesichtspunkt zunächst kurz zur Sprache kommen. Unmöglich aber ist es, bei einer Erörterung vom ökonomischen Standpunkt aus dabei nicht alsbald die ganze Frage der Einschränkung der Verpfändbarkeit des kleinen Grundbesitzes mitzuerörtern, ja darauf den Hauptnachdruck zu legen, denn die Frage, wie sich die Heimstätte zum Realcredit verhalten soll, ist die volkswirthschaftlich allein fundamentale, wie sich bald zeigen wird.
I. Da die Sonderstellung des Heimstättengutes in erster Linie in der Ausschließung oder Beschränkung des im Wege der Subhastation sich vollziehenden Zugriffes der Gläubiger bestehen soll, wird man mit der Frage beginnen müssen: 1. Ist gerade der kleine Besitz, welchem die Privilegien des Heimstättenrechts zu Gute kommen sollen, in relativ besonders starkem Maße an den Subhastationen betheiligt? Darüber giebt für Preußen und die Jahre 1886-1889 die folgende Tabelle Aufschluß: 3
6
Ich habe mich dabei darauf beschränkt, Gesichtspunkte, welche bisher, insbesondere auch in den die Heimstättenfrage im übrigen erschöpfend behandelnden Ausführungen von Buchenberger4 und Sering5, weniger in den Vordergrund gestellt worden sind, meinerseits etwas eingehender in ihrer Bedeutung darzulegen. |
3 Die folgenden Angaben wurden übernommen bzw. berechnet nach den Angaben in: Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, 29. Jg., 1889, S. 163. 4 Weber bezieht sich hier auf Adolf Buchenbergers Schrift über den „Entwurf eines Heimstätten-Gesetzes" von 1891. 5 Gemeint ist Max Serings Artikel „Heimstättenrecht" von 1894.
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Gutachten zum Heimstättenrecht
auf Betr iebe bezw . Besitzurl gen von Es entfielen
unter 2ha
2-10 ha
10-50 ha
über 50 ha
a) Von der Betriebsfläche %
1,52°
14,68
37,90
45,90
b) Von der Zwangsversteigerungsfläche in den Jahren 1886/87, 1887/88, 1888/89 durchschnittlich % . . . .
0,79
5,33
15,70
78,14
Der relative Antheil ad b übersteigt ( + ) bezw. bleibt zurück (—) hinter dem Antheil zu a um %
-48,1
-63,7
-58,6
+70,2
Diese Tabelle ergiebt, daß der Antheil der kleinen ländlichen A 17 Besitzungen in Preußen an den Zwangsversteigerungen ein weit geringerer ist, als ihr Antheil an der Betriebsfläche, während der landwirthschaftliche Großbetrieb und Großbesitz - beides fällt in Deutschland bekanntlich mehr als in den westeuropäischen Staaten zusammen - einer im Verhältniß zu seinem Antheil an der Betriebsfläche weit größeren Subhastationschance unterliegt. Am günstigsten stellt sich das Verhältniß zwischen beiden Zahlen in der Größengruppe von 2—10 ha, welche die kleinbäuerlichen Besitzungen in sich schließt. Diese Gruppe umfaßt 14,68 Procent der Betriebsfläche, es entfallen aber nur 5,33pCt. der zwangsversteigerten Fläche auf sie. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß die Bedeutung der Zwangsversteigerung nicht an den auf die einzelnen Gütergruppen entfallenden absoluten Zahlen gemessen werden kann - daß dabei der Klein- und Zwergbesitz d das weitaus größte Contingent stellt, liegt in seiner ungeheuren ziffernmäßigen Überzahl, - sondern an der ökonomischen Tragweite des Vorgangs, wie sie in der betroffenen Fläche immerhin am anschaulichsten sich wiederspiegelt. Die relative Subhastationschance ist also für den Kleinbesitz, zumal für den bäuerlichen Klein- und Mittelbetrieb, im Verhältniß namentlich zum Großbetrieb, eine günstige zu nennen. Es kommt ferner in Betracht: 2. die Frage, welche ökonomische Funktion versieht die Zwangsversteigerung, und zwar speciell im Bereiche des Kleinbetriebs? Ist sie ein - stets unerwünschtes, aber zuweilen unvermeidliches - MitC A: -1,52
d A: Zweigbesitz
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Gutachten zum
Heimstättenrecht
tel, den Bodenbesitz ungeeigneten Händen zu Gunsten geeigneterer zu entwinden, oder vielmehr Folge des Waltens übermächtiger ökonomischer Einflüsse, gegen die man den kleinen Besitz sturmfrei stellen soll und kann? Wie sich in dieser Beziehung die einzelnen Größencategorien des 5 ländlichen Besitzes zu einander verhalten, dafür können wir Anhaltspunkte nur durch den Versuch gewinnen, den ökonomischen Gründen der Zwangsversteigerung nachzugehen. Die Erhebungen, welche darüber in Preußen angestellt sind, haben ein Material ergeben, welches selbstverständlich keinen statistischen Werth im eigent- 10 liehen Sinne beanspruchen kann, da die betreffenden „Ursachen" nicht ziffernmäßig meßbar sind. Trotzdem genügen die Resultate, um einen hinlänglichen Anhalt zur Beantwortung der gestellten Frage zu geben. Die folgende Tabelle zeigt die ziffernmäßige Zusammenstellung der erfolgten Auskünfte über die in den früher gedach- 15 ten Jahren stattgehabten ländlichen Subhastationen für die einzelnen Größenklassen. | A 18 Als Gründe der Zwangsversteigerung wurden angegeben :2) Bei ländlichen Besitzungen mit einer Fläche von
1. Capitalschwäche (Übernahmeschulden bei Kauf oder Erbgang)
ha
%
bis 0,75 0,75-2 2-10 10-50 über 50
15,04 23,81 6 25,86 26,88 32,06
2. Individuelle Verhältnisse, nämlich: a. b. c. d. Wucher Familien- Geschäft- Eigenes u[nd] per- liche Ver- Verschulsönliche] hältnisse den Verhältnisse % % % % 2,97 2,59 1,95 2,41 2,23
20,02 15,83 12,64 7,77 5,40
7,15 6,20 6,10 5,91 7,69 7
45,36 43,60 42,46 41,12 29,69
e. insgesammt
3. Conjunkturen
%
%
75,50 68,21 63,15 57,21 45,01
2,58 2,57 4,03 7,21 15,52
Zu dieser Zusammenstellung ist zunächst zu bemerken, daß die Procentantheile der einzelnen Ursachen für die drei Berichtsjahre von dem wiedergegebenen Durchschnitt durchweg nur sehr wenig 35 A 18
2) Zusammengestellt und berechnet nach den Tabellen in der Bearbeitung des Erhebungsmaterials in der Zeitschrift] des Preußischen] Statistischen] Bureaus Band 29, 1889, S. 148f. 8 von Regierungsrath G[eorg] Evert. Als Auskunftspersonen haben Amtsrichter und Landräthe gedient. Daß es sich, - wie die verdienstvolle Bearbeitung selbst hervorhebt, - nicht um statistische Zahlen handelt, sei nochmals betont. |
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abweichen. Dies und die überraschende Rhythmik der hier gegebenen Durchschnittszahlen, namentlich in Spalte l , 2 b , 2 d , 2 e , 3 zeigen, daß trotz der nothwendig unexacten Grundlage wir in diesen Ziffern dennoch den Ausdruck typischer Zusammenhänge vor uns 5 haben; und zwar lassen sich folgende für uns wichtige Gesichtspunkte daraus entnehmen: a) Es zeigt sich (Spalte 1), daß Capitalschwäche beim Bodenerwerb, also die Inanspruchnahme des Beszizcredites gerade in der Gruppe des ländlichen kleineren und mittleren Besitzes relativ selte10 ner zur Zwangsversteigerung führt, als in den größeren Besitzclassen. b) Es zeigt sich (Spalte 2, b, d und e und Spalte 3), in wieviel stärkerem Maße zur Zeit der landwirthschaftliche Großbetrieb durch den Umstand, daß er Conjuncturen-Betrieb ist, bedroht ist, als 15 die Kleinbetriebe. Während individuelle, mit der Persönlichkeit des Besitzers zusammenhängende Umstände bei den kleinsten Betrieben 3/4 aller Subhastationen verschulden, werden bei der Gruppe der Großbetriebe dadurch weniger als die Hälfte veranlaßt. Die Bedeutung der übermächtigen, alle individuellen Momente überwiegenden 20 Conjuncturen des großen Marktes steigt - wie Spalte 3 zeigt - , je mehr der Betrieb in den großen | nationalen und Weltmarkt verfloch- A 19 ten ist, je mehr er Exportbetrieb wird. Der Kleinbetrieb der untersten Stufe (bis zu 3 Morgen) ist gegenüber diesen Momenten um das sechsfache sturmfreier. 25 c) Geht man auf die Einzelheiten ein, so zeigt sich zwar, daß „geschäftliche Verhältnisse" (Spalte 2 c) bei den größten landwirtschaftlichen Unternehmungen am relativ häufigsten mitspielen; innerhalb der vorwiegend bäuerlichen Besitzgruppen aber ist das Moment des individuellen geschäftlichen Ungeschickes und Mißge30 schickes gerade bei den kleinsten Besitzungen besonders wirksam, dies deshalb, weil - wie noch zu erörtern sein wird - diese die am wenigsten typischen sind. - Am deutlichsten tritt das Überwiegen der individuellen Momente bei den Kleinbetrieben in den Spalten 2 b 6 Nach den dieser Tabelle zugrundeliegenden Angaben aus den Berichtsjahren 1886/87, 1887/88 und 1888/89 ergibt sich ein Durchschnitt von 23,51%. Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, 29. Jg., 1889, S. 163. 7 Nach den Angaben ebd., ergibt sich hier die Zahl von 7,36%. 8 Die entsprechende Tabelle befindet sich ebd., S. 163. Weber errechnet hier jeweils den Durchschnitt der Angaben aus den Berichtsjahren 1886/87,1887/88 und 1888/89.
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und d hervor. Auf „eigenes Verschulden" werden fast die Hälfte aller Subhastationen in den untersten Besitzgruppen zurückgeführt, der Antheil nimmt mit zunehmender Größe stetig ab und beträgt in der Gruppe der Großbetriebe ¥1. Derjenige Complex von individuellen, an der Person des Betriebsleiters haftenden Umständen endlich, welche als „Familien- und persönliche Verhältnisse" zusammengefaßt sind, verschuldet bei den kleinsten Betrieben Ys aller Subhastationen, fast den 4fach größeren Antheil als bei den Großbetrieben, und nimmt ebenfalls mit zunehmender Größe stetig ab. Daraus dürfte sich ergeben: 1. daß die Subhastation im Kleinbesitz in ganz außerordentlich viel höherem Maße den Charakter eines Ausleseprocesses an sich trägt, als bei den größeren Betrieben. Gerade für den Kleinbesitz kann man von ihr mit einem außerordentlich viel höheren Grade von Recht, als von anderen Größenclassen behaupten, daß sie den Boden dem nach seinen persönlichen Verhältnissen jeweilig minder qualificirten Wirth entreißt. Diesen Proceß zu hemmen, besteht vom Standpunkt der Gesammtheit kein Interesse, 2. ergiebt sich, daß die Inanspruchnahme des Besitzcredites, so außerordentlich häufig sie gerade beim Parcellenbesitz ist, dennoch keineswegs eine Verschärfung der Gefahr des Vermögensverfalles für ihn in höherem Maße als für andere Besitzcategorien mit sich führt. Der Antheil des Besitzcredites an der Verursachung der Zwangsversteigerungen steigt vielmehr mit zunehmender Größe | 20 des Besitzes (Sp. 1). Der Ausschluß der Verschuldbarkeit überhaupt oder soweit der Besitzcredit in Betracht kommt, läßt sich deshalb für den kleinen Besitz als solchen und etwa im Unterschied zu den größeren Besitzgruppen nicht auf spezifische Gefahren des Besitzeredi ts gerade für ihn begründen.
II. Mit der letzteren Bemerkung gelangen wir bereits zu der weitaus wichtigeren Frage der Stellung der zu schaffenden Heimstätten zum Realcredit.
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Handelt es sich bei dem zu schaffenden „Heimstättenrechte" nur um eine Erweiterung der Exequenden-Competenz 9 gewisser qualificirter Grundeigenthümer gegenüber persönlichen Forderungen, ohne daß der Freiheit der Realverschuldung Schranken gesetzt werden, so hat die ganze Heimstättenfrage eine agrarpolitische Bedeutung nur in relativ geringem Maße. Eine solche Hemmung des Zugriffes des Personalgläubigers kann, allgemein eingeführt, zu einer an sich kaum erwünschten Verschiebung zu Gunsten der Inanspruchnahme des Realcredites führen und wäre für alle Gegenden mit intensiver geldwirthschaftlicher Entwickelung der landwirthschaftlichen Betriebe überhaupt ungangbar. Aber von großer principieller Tragweite wäre sie nicht. Wenn vollends die Entstehung des Heimstättenschutzes eine besondere Willenserklärung des Besitzers voraussetzen, also natürlich auch erst für die nach dieser Erklärung und ihrer Publikation entstehenden Personalschulden wirksam werden sollte, so schrumpfte ihre Bedeutung auf ein Minimum und würde sich practisch wohl auf das Gebiet der durch innere Colonisation neugeschaffenen Stellen beschränken. Außerhalb dieser, für welche die betreffenden Instanzen jene Erklärung des Besitzers wohl erzwingen würden, ist nur in dem Fall, daß ein alternder Kleinbesitzer seiner Wittwe und seinen Kindern einen gewissen Schutz gewähren wollte, ein typischer Anlaß zum Erwerb der Executions-Privilegien10 zu denken. Ein gering verschuldeter Besitzer hat keinen Anlaß und ein hoch verschuldeter keine Möglichkeit, sie sich zu sichern; für ersteren sprechen naheliegende Erwägungen dagegen. Überdies würde die Qualität der Heimstätte in diesem Falle nicht wohl als eine Qualität des Gutes rechtlich behandelt werden können. Sie müßte vielmehr, da sie ja möglicherweise von der Qualität des Besitzers (z.B. als Familienvater) und jedenfalls von seiner Willenserklärung abhängen würde, mit dem Besitzwechsel erlöschen, wäre also rechtlich ein Personalprivileg des Besitzers. Aber nicht nur im Falle einer facultativen Unterstellung | des kleinen Besitzers unter den Heim- A stättenschutz, sondern auch bei gesetzlicher Einführung desselben 9 Ex(s)equi bedeutet in der lateinischen Rechtssprache „(zwangsweise) vollstrecken". Der exequendus oder Exequend ist also die Person, bei der die Vollstreckung stattfindet. „Erweiterung der Exequenden-Competenz" bedeutet Erweiterung des Schutzes oder der Vorteile einer Person, bei der eine Zwangsvollstreckung stattfindet. 10 Gemeint sind bestimmte Vorteile, die eine Person zum Schutz vor Zwangsvollstrekkung erwirbt.
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würde des weiteren, wenn der Competenz-Charakter des Privilegs gewahrt werden soll, doch wohl Rückenbesitz als Voraussetzung zu statuiren sein und also in Fällen der Verpachtung der Schutz für den Verpächter wegfallen müssen. Nun ist gerade beim Klein- und namentlich beim Zwergbesitz die Pacht eine dem Eigenthum ebenbür- 5 tig zur Seite tretende Besitzform. In der Besitzklasse bis zu 1ha umfaßt 3) die Pachtfläche nur in der Provinz Posen und den Regierungsbezirken Marienwerder, Königsberg, Stralsund weniger als 20pCt. der Gesammt- (nicht etwa nur der Wirthschafts-) Fläche der betreffenden Größenclasse, dagegen in den übrigen nordöstlichen 10 Bezirken ca. VA, in den drei schlesischen Regierungsbezirken 30 (Liegnitz), 45 (Oppeln) und 46 pCt. (Breslau), in den Regierungsbezirken Magdeburg 58, Merseburg 46, Erfurt 39, Schleswig 32, Hannover 72, Hildesheim 55, Lüneburg 74, Stade 41, Osnabrück 53, Aurich 34, Münster 60, Minden 59, Arnsberg 42pCt., und erst am 15 Rhein tritt das Kleineigenthum wieder stärker hervor, so daß die Pachtfläche zwischen 20 und 35, nur in Düsseldorf 41 pCt. beträgt. In den höheren Größenclassen nimmt der Antheil der Pachtfläche allmählich mit zunehmender Größe ab, um am Rhein meist in der Größenclasse 10—20 ha, weiter nach Osten zu regelmäßig in den 20 Größenclassen zwischen 20 und 50 ha - bei den am stärksten naturalwirthschaftlichen mittleren und größeren Bauern - auf ihr relatives Minimum zu sinken und dann in den noch größeren Besitzclassen wieder zu steigen. Die Pacht wird gerade im Kleinbesitz wenigstens im Allgemeinen zur Zeit an relativer Bedeutung in der Zunahme 25 begriffen sein. Darnach ist es also von den kleinen Betriebsleitern nur ein Bruchtheil von verschiedener, im Allgemeinen aber wohl abnehmender Größe, welcher von dem Executionsprivileg betroffen würde. Indem ich im Übrigen auf eine Kritik des Gedankens meinerseits verzichte, - die in der Debatte 1895 geltend gemachten Beden- 30
A 21
Nach der landwirthschaftlichen Betriebsstatistik Preußens berechnet. 1 1 |
11 Preußische Statistik, Band 76, 3. Teil, S . 2 - 4 9 . Zu den Angaben in der Größenklasse bis 1 ha vgl. auch die Berechnungen aufgrund der landwirtschaftlichen Betriebsstatistik Preußens, in: Statistik des Deutschen Reichs. Neue Folge, Band 5. - Berlin: Puttkammer und Mühlbrecht 1885, S. 28*.
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ken 12 lassen sich unschwer vermehren wiederhole ich darnach nur die Feststellung, daß ein Heimstättenprivileg für den ländlichen Kleinbesitz ohne Einschränkung der Verschuldbarkeit zwar mannigfache Störungen hervorrufen und - voraussichtlich - keine sehr 5 erheblichen Wohlthaten zeitigen würde, aber als ein practisch und insbesondere agrarpolitisch besonders bedeutsames Institut nicht angesehen werden könnte. Erheblich anders würde dagegen die Tragweite eines HeimstättenInstituts im Sinne des dem Reichstag wiederholt vorgelegten Gesetz10 ent\wurfes zu beurtheilen sein, 13 wenn angenommen wird, daß diese A 22 Rechtsform nicht nur in vereinzelten aus rein individuellen Gründen oder in caritativer e Absicht geschaffenen Exemplaren, sondern massenhaft ins Leben träte. Von dieser letzteren Unterstellung aber muß hier - sie möge so unwahrscheinlich erscheinen wie immer - zunächst 15 einmal ausgegangen werden. Es ist in Deutschland bisher noch nicht üblich gewesen, „Papiergesetze" zu schaffen. Und da der Gesetzgeber, wenn er die neugeschaffene Rechtsform einmal für ersprießlich hält, geneigt sein wird, für sie Propaganda zu machen, so ist zu gewärtigen, daß im Falle der Verabschiedung eines dem vorgelegten 20 ähnlichen Entwurfes, sei es durch Gewährung billigen öffentlichen Rentencredites, sei es in anderer Art, die Annahme des „Heimstättenrechts" durch möglichst breite Schichten des kleinen Grundbesitzes derart prämiirt werden wird, - wie dies von Sering im H[and-] W[örter-]B[uch] der Staatswissfenschaften] Art[ikel] „Heimstätten25 recht" angedeutet worden ist - , daß ein Erfolg in dieser Richtung wenigstens im Bereich des Möglichen liegt. Würde nun, es sei auf welchem Wege immer, es gelingen, der neuen Rechtsform eine practisch ins Gewicht fallende Verbreitung zu verschaffen, so würde damit also ein Typus von ländlichen Kleinbesitzungen geschaffen, 30 welche nur in beschränktem Umfang, ferner nur in Rentenform und zu bestimmten Zwecken, unter Controle einer bureaukratischen e A: caricativer
12 Auf dem Juristentag 1895 hatte es eine heftige Diskussion darüber gegeben, ob die Einführung des Heimstättenrechts in Deutschland sinnvoll sei oder ob die deutschen Verhältnisse nicht vielmehr mit den amerikanischen gänzlich unvergleichbar seien. Diese Debatte hatte schließlich zur Vertagung und erneuten Diskussion auf dem Juristentag 1898 geführt. Verhandlungendes 23. Deutschen Juristentages, Band 2, S. 1 4 0 - 1 5 9 . 13 Vgl. den Editorischen Bericht, S. 641 f.
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Instanz, mit Schulden belastet werden könnten, für welche namentlich nicht oder nur sehr beschränkt Besitzcreditbelastung möglich wäre und die im Erbgang wie außerhalb desselben völlig untheilbar oder doch nur in Ausnahmefällen theilbar sein würden. Ob die Verbreitung einer in dieser allgemeinen Richtung - denn die Einzelheiten, die im Laufe der Erörterung des Heimstätten-Projects gewechselt haben, interessiren nicht - ausgestalteten Bodenbesitzform auf dem Gebiet des ländlichen Kleinbesitzes erwünscht sein würde, muß nun untersucht werden, und zwar hier zunächst mit Bezug auf die practische Bedeutung der dem Heimstättengedanken hauptsächlich essentiellen Verschuldungsbeschränkung. Die ohne Vergleich consequenteste Durchführung des Gedankens einer sogenannten „Emancipation des ländlichen Grundbesitzes vom Capital" - um welche es sich bei dem Heimstättenproject offensichtlich gleichfalls handelt, wenn man von dem mehr zufälligen Beiwerk absieht - , findet sich in Schäffle's Schrift über die „Incorporation des Hypothekencredites" niedergelegt. 14 Alle sonst in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Projecte dieser Art einschließlich der neuerdings in Preußen ventilirten „Verschuldungsgrenze" 15 und des Heimstättengedankens sind theils nicht ausgereifte Vorläufer, theils abgeblaßte oder büreaukratisch umgeknetete Abwandlun23 gen dieses Gedankens. Auf die principielle Seite des|selben kann hier nicht eingegangen werden, sondern lediglich auf diejenigen Consequenzen, welche für den Kleingrundbesitz agrarpolitisch in erster Linie stehen. Dahin gehört hauptsächlich die Einwirkung der beschränkten Verschuldbarkeit, zumal der - ja stets besonders betonten - Einschränkung des ßeszizcredites, auf die Umsatzfähigkeit des Grundes und Bodens. Die Nothwendigkeit, den Boden ganz oder zum überwiegenden Theil baar bezahlen zu müssen, schränkt den Kreis der Kaufreflectanten auf diejenige kaufkräftigste Schicht derselben ein, welche dazu in der Lage ist. Die als Folge einer „Verschuldungsgrenze" von deren Verfechtern hingestellte „Sen14 Schäffle, Albert, Die Inkorporation des Hypothekarkredits.-Tübingen: H. Laupp 1883. Schäffle schlug in seiner Schrift die genossenschaftliche Vereinigung des mittleren und kleinen Grundbesitzes zur Regelung der Kreditvergabe vor. 15 Die Errichtung einer Verschuldungshöchstgrenze zur Einschränkung der Verschuldung des Grundbesitzes war auf der preußischen Agrarkonferenz vom 28. Mai bis 2. Juni 1894 erörtert worden. Siehe dazu Webers Artikel: „Die Verhandlungen der Preußischen Agrarkonferenz", oben, S . 4 8 3 - 4 9 9 .
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kung der Bodenpreise" kann ja nur auf diesem Wege der Einschränkung des Kreises der Nachfragenden erzielt werden. Es wird gewissermaßen das „Entree" in den Stand der Grundbesitzer durch Forderung der Baarzahlung erhöht und damit natürlich der Grundbesitz selbst unverkäuflicher. Es entsteht die Frage, wie dies auf die einzelnen Schichten des ländlichen Kleinbesitzes wirkt. Seltsamer Weise ist von den Befürwortern des Heimstättengedankens der Umstand, daß diese Classe' Schichten von absolut entgegengesetzter allgemeiner Interessenlage und socialer Eigenart in sich schließt, regelmäßig ignorirt oder nur beiläufig bemerkt worden 9 . Die Schicht des „kleinen Besitzes" umfaßt aber: 1. Grundbesitzende Tagelöhner. Dem Grundbesitz dieser Categorie die Rechtsform einer „Heimstätte" zu geben oder dies auch nur zuzulassen, wäre in keiner Weise zu verantworten. Nicht nur würde Arbeitern, die sich ankaufen wollen, der Erwerb von Grundbesitz erschwert, meist geradezu unmöglich gemacht - was Sering a. a. O. richtig hervorhebt 16 - , sondern - was wichtiger ist - es wird dadurch eine indirecte Schollenpflichtigkeit herbeigeführt, indem die Veräußerung und damit der Wechsel der Arbeitsstelle erschwert wird. Schon jetzt ist die Lage der grundbesitzenden ländlichen Tagelöhner eine höchst ungleichmäßige und weit davon entfernt, die günstige Beurtheilung, welche der „Ansässigkeit" zumeist gespendet wird, allgemein zu verdienen. Man kann sagen, daß in den stark städtisch entwickelten Districten im Westen, wo bei dichter Bevölkerung und stetiger Erwerbsgelegenheit starke Bodenmobilisirung und damit ein stetiger „Markt" für Grundbesitz, ferner Schwinden der typischen Betriebsgrößen und damit der traditionellen Besitzhierarchie zusammentreffen, der Besitz eigenen Landes seitens eines Tagelöhners ihn zwar social nicht in nennenswerthem Maße hebt, aber natürlich - ökonomisch im Allgemeinen für ihn vortheilhaft und vor Allem - kein Hemmniß für seine Bewegungsfreiheit ist. Da ferner, wo unzulängliche städtisch-gewerbliche Entwickelung und | deshalb geringer Bodenumsatz mit typischen, durch das Vorherr- A sehen des Getreidebaus bestimmten Betriebsgrößen und deshalb fester Besitzhierarchie zusammentrifft, ist die Lage des grundbesitf In A folgt: in sich
g A: werden
16 Sering, Heimstättenrecht, S. 456.
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zenden Tagelöhners als solchen eine ökonomisch und social gegenüber dem nicht ansässigen Tagelöhner relativ günstige da, wo er bei dichter Siedelung innerhalb eines bäuerlichen Gemeindeverbandes steht und zwischen einer Vielzahl von Arbeitsgelegenheiten die Wahl hat. Hier schiebt ihn der Grundbesitz immerhin in die Besitzhierarchie ein, innerhalb deren der als „Einlieger" sich einmiethende Besitzlose ein reines Helotendasein führt. Je mehr aber die Großbetriebe überwiegen und je dünner damit die Besiedelung wird, desto ungünstiger wird seine Lage absolut und speciell im Verhältniß zu dem nicht ansässigen Arbeiter. Dem Rittergut gegenüber ist er social durch einige Morgen Land nicht gehoben, hingegen fesselt es ihn an die unmittelbar benachbarten Arbeitsgelegenheiten und ermöglicht so dem oder den wenigen Rittergutsbesitzern, auf die er dadurch als Arbeitgeber angewiesen ist, ihm den Lohn zu diktiren. Dabei zeigt sich z.B. in Schlesien, daß der dort zahlreiche eigene Grundbesitz der Tagelöhner, während er das allgemeine Lohnminimum drückt, überdies den besitzenden Tagelöhnern vor den anderen keinerlei Einkommenserhöhung gewährt. Die Nicht-Besitzenden erhalten neben dem gleichen Lohn Naturalien, welche dem, was der „eigene" Besitz den Besitzenden einträgt, wesentlich gleichkommen, und haben den Vorzug größerer Beweglichkeit. Zeigt sich so, daß unter diesen Verhältnissen nicht das Eigenthum am Boden, sondern die bewegliche Pacht oder pachtähnliche Verhältnisse die ädaquate Form der Beziehung der Tagelöhner zum Boden ist, so wäre es vollends bedenklich, jenes Eigenthum überdies durch Verwandlung in „Heimstätten" dem Arbeiter gewissermaßen an die Fersen zu kleben und womöglich der Meinung zu sein, daß dadurch dessen Liebe zu diesem vaterländischen Boden gesteigert würde. - Wird aber das Heimstättenrecht auch nur facultativ diesem kleinsten Besitz zugänglich gemacht, so wird das Interesse der ostelbischen Großgrundbesitzer, welche bereits das Institut des Rentenguts zu Zwekken der Schaffung von Schollensclaven zu mißbrauchen wenigstens versucht haben, dazu führen, daß diese Besitzform, so weit als möglich, den auf die Arbeitsgelegenheit auf den Rittergütern angewiesenen Arbeitern, sei es, daß sie schon als Kleineigenthümer angesessen sind, sei es, daß ihnen Land auf den Außenschlägen der Güter überlassen wird, als beneficium odiosum octroyiert wird. Günstigsten Falles würde dadurch die Zahl der sachsengängernden Kleinbesitzer vermehrt,
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Heimstättenrecht
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2. umfaßt der kleine Grundbesitz die Kategorie der gelegentlich tagelöhnernden Grundbesitzer, bei denen also nicht die Lohnarbeit, son|dern die eigene Landwirthschaft den Schwerpunkt der Existenz A 25 in sich schließt. Diese Schicht ist nach allen Erfahrungen überall da, 5 wo sie nicht ein Übergangsstadium darstellt, also bei stark beweglichem Bodenbesitz dem allmählichen Aufsteigen kleiner Besitzer zur bäuerlichen Selbständigkeit entstammt, in der ungünstigsten Lage von allen, da zu der Zeit, wo Saisonarbeitsnachfrage besteht - in der Ernte - sie auf ihrem eigenen Areal unentbehrlich i s t \ Wo die 10 Chance des Aufsteigens, welches stets die Inanspruchnahme des Realcredites mit sich führt, nicht besteht, zerfällt dieser hybride Besitz besser. Klammert man ihn aber, indem man ihm die Annahme der Heimstättenform suggerirt, zusammen und macht ihn dadurch realcreditlos, so schafft man nur die sichere Aussicht, daß auf der 15 „Heimstätte" die industrielle Heimarbeit ihre Stätte findet. Der „kleine Grundbesitz" im Sinne der Frage umfaßt ferner und namentlich 3. die Schicht der Kleinbauern, d.h. der von eigener B e w i r t schaftung ihres Besitzes ohne regelmäßige Mithilfe fremder Vollar20 beitskräfte und andererseits ohne Aufsuchen von Arbeit bei Dritten selbständig existirenden Landwirthe. Diese Schicht der ländlichen Bevölkerung beginnt unter den örtlich so überaus verschiedenen ökonomischen Bedingungen bei einer örtlich ziemlich verschiedenen Besitzgröße. Die Anzahl der land25 wirthschaftliche oder andere Tagelöhnerei treibenden Personen sinkt4) auf unter Vio der Anzahl der vorhandenen Wirthschaftsbetriebe in den Regierungsbezirken: Königsberg, Gumbinnen, Frankfurt a.O., Stettin, Cöslin, Stralsund, Posen, Breslau, Liegnitz, Oppeln, Merseburg, Erfurt, Hannover, Hildesheim, Minden, Arnsberg, Cas30 sei, Wiesbaden in der Classe der Betriebe von 2—5 ha Fläche, am Rhein vielfach in der Classe von 1—2 ha Fläche, 17 in den Regierungs4)
Nach der landwirtschaftlichen Betriebsstatistik berechnet. 1 8 |
h A: sind
17 Die von Weber gemachten Angaben bezüglich der Rheinprovinz beziehen sich vermutlich auf die nächsthöhere Größenklasse von 2 - 5 ha. 18 Preußische Statistik, Band 76, 3. Teil, S. 2 - 4 9 .
A 25
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bezirken Danzig, Marienwerder, Potsdam, Bromberg, Magdeburg, Schleswig, Lüneburg, Stade, Osnabrück, Aurich, Münster erst in der Classe von 5—10 ha. In der Classe von 1—2 ha Fläche bewegt sich im Osten die Anzahl der gedachten Personen bereits zwischen VA und LA der Anzahl der Betriebe, in einzelnen Bezirken erheblich mehr. Auch innerhalb der gedachten Bezirke aber ist die relative Bedeutung der Personen mit anderweitigem Erwerb innerhalb der betroffenen Größenclassen eine überaus verschiedene. Selbst für Bezirke von der Größe von Regierungsbezirken würde daher ein nach der Fläche zu berechnendes Maß für die Untergrenze des Kleinbauernthums nicht auch nur annähernd aufzustellen sein. Selbst für die A 26 Betriebsgruppe unter 1 ha kommen | am Rhein auf 100 Betriebe nur ca. 75 und auch im Osten doch nur 90—92 Personen, die überhaupt Nebenerwerb haben. Es existirt also selbst in dieser untersten Schicht eine recht beachtliche Gruppe „selbständiger" Landwirthe. Es ergiebt sich daraus, wie außerordentlich schwierig ein etwaiger Versuch der Feststellung typischer Maximal- und Minimalgrößen sein würde, falls man etwa das „Heimstättenrecht" mit Rücksicht auf die vorstehend für die Tagelöhnerklasse geltend gemachten Bedenken oder aus anderen Gründen auf die Klasse der selbständigen Kleinbauern beschränken wollte. - Es hängt aber diese anscheinend regellose Gestaltung der Untergrenze des Bauernthums mit einem Umstände zusammen, welcher eine Scheidung des Kleinbauernthums' in zwei factisch ineinander durch mannigfache Zwischenstadien übergehende, grundsätzlich aber einander scharf entgegenstehende Kategorien bedingt. a) Der Kleinbauer des Westens ist in der Tiefebene des Rheins und seiner Nebenflüsse reiner Afoafzproducent auf ausgeprägt geldwirthschaftlicher Grundlage: auf der Verflechtung in den durch die intensive städtisch-gewerbliche Entwickelung geschaffenen Lokalmarkt ruht ökonomisch seine Existenz. Da er nur durch unausgesetzte Anpassung an diesen Markt zu bestehen vermag, so bedarf er selbstverständlich der ungehemmtesten Bewegungsfreiheit und des ausgiebigsten Credites. Bei dem starken Bodenumsatz ist es kein principieller Unterschied, ob er den Boden auf Credit erwirbt oder ob er ihn pachtet. Ihm die Möglichkeit des Creditkaufes verschrän-
i A: Kleinbauerthums
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ken oder ihn in der Möglichkeit, auch seinen Bodenbesitz im Interesse seines Credites auszunutzen, hindern wollen, wäre ein absoluter Widersinn. Keineswegs nur die „Rechtsanschauungen", sondern höchst durchgreifende ökonomische Motive bedingen hier den stren5 gen Individualismus der Agrarverfassung. - Vollends undenkbar wäre selbstverständlich eine Creditbeschränkung für diejenige Schicht der westlichen Kleinbauern, welche, als Wein- oder Tabakbauern oder als Erzeuger von nicht auf den rein localen Bedarf hingewiesenen Gartenproducten, von schroff schwankenden Ernte10 chancen und Marktconjuncturen abhängig sind. Zumal der Rebbau bedingt eine oft durch Jahre hindurch fortgesetzte Anspannung des Credites bis auf das alleräußerste, bis der Zufall eines großen Weinjahres plötzlich Luft schafft. b) Sehr anders geartet ist das Kleinbauernthum k der Gegenden 15 mit zurückgebliebener städtisch-gewerblicher Entwickelung und deshalb unzulänglichem Localmarkt. Da der Fernabsatz naturgemäß auf den Schultern von Großbetrieben ruht, ist der Kleinbauer in solchen mehr oder minder rein agrarischen Regionen in erster Linie auf die Production des .Eigenbedarfes hingewiesen, also auf eine im 20 Großen und Ganzen vorwiegend «aiwra/wirthschaftliche Grundlage A 27 gestellt, mindestens soweit die Production von Feldfrüchten in Betracht kommt. Speciell im Osten zeigt unter den heutigen Verhältnissen das naturalwirthschaftliche Element in der kleinbäuerlichen Wirthschaft ganz naturgemäß die Tendenz, sich zu verstärken. Es ist 25 zur Zeit gerade der kleinbäuerliche Eigenproducent auf breiten verkehrsarmen Flächen des östlichen Bodens begünstigt. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß in dieser Begünstigung der kleinbäuerlichen Naturalwirthschaft ein stark culturfeindliches Entwickelungsmoment liegt, an der Ostgrenze des Reiches verstärkt dadurch, daß 30 hier die Träger dieses Kleinbauernthums einer im allgemeinen Bedürfnißstand und der Culturentwickelung gegenüber den Deutschen unterwerthigen Nationalität angehören. Eine Entziehung oder scharfe Beschränkung des Realcredites aber klammert diese stark zunehmende Schicht in verstärktem Maße zugleich am Boden und in 35 der Naturalwirthschaft fest. Dazu besteht mindestens kein Anlaß.
k A: Kleinbauerthum
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Gutachten zum
Heimstättenrecht
Es läßt sich also keine typische ländliche Bevölkerungsgruppe denken, für welche die Fixirung des Bodenbesitzes in Gestalt des Heimstättenrechtes Bedürfniß oder - vom eigenen Interessenstandpunkt oder vom Standpunkt der Gesammtheit - auch nur erwünscht wäre. Daß und warum der Besitz unverkäuflicher oder schwer verkäuflicher Landstücke für die Arbeiter der Industrie weder Reiz noch Werth hat, liegt zu sehr auf der Hand, als daß es der Ausführung bedürfte.
III. Allein[,] die Frage des „Heimstättenrechtes" bedarf schließlich noch der Beleuchtung in einem allgemeineren Zusammenhange. Schon aus der Theilbarkeitsbeschränkung und der daraus folgenden Anerbenfolge ergiebt sich, daß eine Rückwirkung auf die Agrarverfassung im Allgemeinen beabsichtigt ist. Es ist auch offenbar, daß die Sympathien, welchen die juristisch keineswegs „deutsch", sondern, man könnte eher sagen, „preußisch-bureaucratisch" construirte, amtlich beaufsichtigte Heimstätte vielerseits und zwar auch bei sehr hervorragenden Juristen begegnet, mit einer allgemeinen Vorliebe für die gebundenen Formen der ländlichen Agrarverfassung zusammenhängen1. Indem man den Boden rechtlich binden und dadurch die Agrarverfassung und Besitzvertheilung stabilisiren wollte, glaubte man auch die Bevölkerung stabilisiren zu können. Die principielle Richtigkeit dieses Gedankens, dessen Werth von dem Ergebniß der vorstehenden Erörterungen an sich ja unabhängig ist, bedarf noch einer kurzen Prüfung, soweit sie ohne allzuweite Entfernung vom Specialthema dieser Abhandlung möglich ist. | 28 Es ist unzweifelhaft, daß die Mobilisirung des Bodens, also der Grad des Bodenumsatzes und die Flüssigkeit der Besitzvertheilung im Westen außerordentlich viel weiter fortgeschritten ist, als im Osten des preußischen Staates. Im agrarischen Exportgebiet zumal ist die Größe der Betriebe, der Zusammenhang der bewirtschafteten Flächen und die Besitzvertheilung ungleich stabiler als im Westen, Parcellirung des Besitzes im Erbgange und parcellenweiser
I A: zusammenhangen
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Umsatz des Bodens ist dort die relativ seltene Ausnahme, hier in breiten Gebieten eine höchst regelmäßige Erscheinung. Am stabilsten ist natürlich die Bodenvertheilung und der Besitzzusammenhang da, wo der Rittergutsbesitz stark vorwiegt. Wäre der oben wiedergegebene Gedanke, daß stabile Besitzvertheilung und Besitzgrößen und stabile Landbevölkerung parallel gingen, richtig, so müßte dies sich statistisch darin ausdrücken, daß der Procentsatz, welchen die am Orte oder im Kreise ihres Aufenthaltsortes nach der Volkszählung Geborenen von der gezählten Gesammtbevölkerung des platten Landes ausmachen, im Westen geringer wäre, als im Osten, - innerhalb des Westens um so größer, je mehr man in Gegenden mit relativ gebundener Agrarverfassung, also vom Rhein nach Westfalen und den nordwestlichen Geltungsgebieten des Anerbenrechtes gelangt, - innerhalb des Ostens um so größer, je mehr die patriarchalische Agrarverfassung, zumal das Rittergut, beherrschend wird. Wie sich dazu die Wirklichkeit verhält, zeigen die folgenden, aus den Ergebnissen der Volkszählungen von 1871 und 1885 - der einzigen für diese Feststellung nach der Art ihrer Publikation verwendbaren - entnommenen 5) Thatsachen. Es betrugen auf dem platten Lande im Jahre 1885 in den Regierungsbezirken der Rheinprovinz:19 die Kreisgebürtigen % der 1885 Ortsanwesenden Trier Aachen. . . . Coblenz . . . Cöln Düsseldorf . .
86,6 88,8 88,7 85,0 75,2
bei einer VolksVermehrung seit 1871 um % 11,9 5,5 9,5 8,5 22,9
die Kreisgebürtigen 1885 % der Bevölkerung von 1871 96,9 93,6 20 97,1 92,2 92,4
5) Die absoluten Zahlen sind in dem „Gemeindelexikon", herausgegeben provinzweise A 28 bisher auf Grund der Volkszählungen von 1871 und 1885 vom Preußischen] Statistischen] Bureau, enthalten und danach die folgenden Angaben berechnet. |
1 9 Diese Angaben sind dem Gemeindelexikon, Band 12, S. 2 4 8 - 2 5 0 , entnommen. 2 0 Aufgrund der Daten im Gemeindelexikon ergibt sich ein prozentualer Anteil von
93,7%.
662
Gutachten zum
Heimstättenrecht
In der Provinz Westfalen:.21 Münster Minden Arnsberg
29
81,8 90,7 72,4
5,4 4,9 31,4
86,2 95,1 95,1|
6,9 49,0
79,8 69,7 78,5 60,1 91,3 93,8
In der Provinz Schlesien:22 Breslau Liegnitz Oppeln
Landgemeinden Gutsbezirke
85,5 63,0
Schon ein Blick auf die Zahlenangaben der ersten Spalte über diese drei Provinzen zeigt die Überlegenheit des Westens in Bezug auf die Stabilität der Bevölkerung. Diese Überlegenheit tritt besonders dann deutlich hervor, wenn man den Einfluß der durch industrielle Entwickelung veranlaßten starken Zuwanderung zu eliminiren sucht. In einem höchst rohen Überschlage, mit dem wir uns aber hier begnügen dürfen, kann dies geschehen, indem man die seit 1871, also seit einer halben Generation eingetretene procentuale Vermehrung derart in Rechnung stellt, daß man die Verhältnißzahl der 1885 Kreisgebürtigen zu der Bevölkerung von 1871 berechnet. Alsdann zeigt sich die große Stabilität der Bevölkerung der Rheinprovinz und der angrenzenden, auch der stark industriellen, Bezirke Westfalens. Man kann annähernd sagen, daß in den westlichen Industriebezirken mit großer Zuwanderung die zugewanderte Bevölkerung auf einen fast vollkommen stabilen Bevölkerungsuntergrund daraufgepfropft worden ist. Hiergegen fällt sofort die geringere relative Stabilität des überwiegend rein agrarischen, auf dem Lande von großbäuerlichen, stark naturalwirthschaftlichen Betrieben social beherrschten und mit Fideicommissen nicht unerheblich durchsetzten Regierungsbezirks 21 Die Überprüfung der hier gemachten Angaben ergibt folgende Werte (nach der Berechnung im Gemeindelexikon, BandIO, S.130-132): für Münster 84,7% (I.Spalte), 5,7% (2. Spalte), 89,5% (3.Spalte); für Minden 90,1% (I.Spalte), 94,5% (3. Spalte); für Arnsberg 95,2% (3. Spalte). 22 Unter Zugrundelegung der Angaben im Gemeindelexikon, Band 6, S. 502-504, ergibt sich für Spalte 3, mit Ausnahme des Gutsbezirks Oppeln, durchweg ein Plus von 0,1 %, für den Gutsbezirk Oppeln ein Plus von 2%. Ansonsten lauten die abweichenden Werte: für Liegnitz (Landgemeinden) 79,8% (I.Spalte), - 1,5% (2. Spalte); für Liegnitz (Gutsbezirke) 7,9% (2. Spalte); für Oppeln (Gutsbezirke) 63,9% (1. Spalte) und 50,2% (2. Spalte).
Gutachten zum
Heimstättenrecht
663
Münster auf. Und wenn man die Provinz Schlesien, für welche Landgemeinden und Gutsbezirke geschieden sind, heranzieht, so zeigt sich auf den ersten Blick in die erste Columne, daß der Durchschnitt der Stabilität tief unter dem westlichen liegt. Wiederum ist der überwiegend rein agrarische Regierungsbezirk Liegnitz mit seinem vielfach fideicommissarisch gebundenen Boden der Bezirk mit am wenigsten stabiler Bevölkerung. Es zeigt sich zugleich die weit größere Flüssigkeit der Bevölkerung der Gutsbezirke. Und wenn man wiederum in der vorgedachten Weise das durch die theilweise colossale Volkszunahme bedingte Moment der Verschiedenheit zu eliminiren sucht, so zeigt sich das höchst auffallende Resultat der dritten Columne: der einzige Bezirk, der das Maß der relativen Stabilität der westlichen Be|zirke annähernd erreicht, ist Oppeln. A Und zwar sind es hier die Gutsbezirke, die Sitze dieser östlichen „Starosten-Industrie", 23 in denen sich die Berg- und HüttenarbeiterBevölkerung, wie die Einzelergebnisse der Gemeindeerhebungen m zeigen, massenhaft angesiedelt hat, welche die relativ stabilste Bevölkerung aufweisen, während die vorwiegend agrarischen Gutsbezirke in den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz im Verhältniß von 2:3 weniger stabil sind. - Zieht man nun die übrigen Bezirke des Ostens heran und geht mehr in die Einzelheiten ein, legt also die Kreise zu Grunde, so zeigt sich, daß die Erscheinung durchaus typisch ist. Nimmt man z. B. die so gut wie schlechthin von agrarischen Interessen beherrschte Provinz Westpreußen mit ihrem stark überwiegenden Großgrundbesitz, mit streng patriarchalischer Arbeitsverfassung und Naturallöhnen und dem daneben relativ (für den Osten) stark vertretenen großbäuerlichen Besitz, starker Gebundenheit der Besitzverteilungn und relativ zweifellos sehr großer Unbem A: Gemeindeursachen
n A: Besitzerteilung
23 In Rußland w u r d e als „Starost" der nach der Bauernbefreiung von 1861 v o n der D o r f g e m e i n d e gewählte Dorfvorsteher bezeichnet. In Polen w u r d e n als Starosten zunächst die adligen Lehensleute auf den königlichen Gütern bezeichnet, später die Landräte. Weber spielt hier offensichtlich auf die in d e m s c h o n stark industrialisierten Kreis Tarnowitz (Regierungsbezirk Oppeln) ansässigen Grafen H e n c k e l - D o n n e r s m a r c k an. Sie bezeichnet er 1904 als „spezifische Repräsentanten der schlesischen .Starostenindustrie'". Weber, Max, Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19, 1904, S . 5 3 3 f . ( M W G I/8). Charakteristisch für diese Art der Industrie war die systematische A u s b e u t u n g von Bodenschätzen im R a h m e n des Großgrundbesitzes.
664
Gutachten
zum
Heimstättenrecht
weglichkeit des Bodens, so zeigt sich, daß 1885 nur in den beiden Kreisen Könitz und Schlochau mit ihrem stark vorwiegenden Kleinbauernthum 0 die Bevölkerung der Landgemeinden das Maß der durchschnittlichen Stabilität des Landes im Regierungsbezirk Trier (86,6pCt. Kreisgebürtige) 24 überstieg (88,16 bezw. 87,28pCt.). 25 In allen übrigen Kreisen blieb es - immer die Landgemeinden für sich betrachtet - hinter der Stabilität des Westens und zwar theilweise sehr weit zurück. In den Gutsbezirken vollends war die Stabilität in allen Kreisen ausnahmslos noch geringer, als in den betreffenden Landgemeinden: nur in einem Kreise (Karthaus) waren auf den Gutsbezirken über 80pCt. kreisgebürtig, in 18 von den 25 Landkreisen (immer die Gutsbezirke für sich gerechnet) zwischen 60 und 70pCt., in den rein agrarischen Kreisen Löbau, Strasburg, Briesen, Thorn, Culm, Graudenz 57,25pCt.; 26 in 6Kreisen war die Bevölkerung in den Gutsbezirken weniger stabil als in den Städten, dies alles, obwohl die Zunahme der Bevölkerung gegen 1871, wo sie überhaupt zu verzeichnen war, mit wenigen Ausnahmen hinter dem Geburtenüberschuß weit zurückblieb, so daß bei Durchführung der oben angewandten Umrechnung der Abstand gegenüber dem Westen noch weit schroffer hervortreten würde. Innerhalb des Westens aber sind es gerade Bezirke mit notorisch stark beweglichem, im Erbgange getheilten und parcellenweise umgesetzten Boden, wie manche Kreise des Regierungsbezirks Coblenz, die einen besonders hohen Grad von Bevölkerungsstabilität aufweisen; die Kreisgebürtigkeit bleibt hier oft nur um 2 - 3 pCt. hinter 100pCt. zurück. Im Westen, so kann man für die nicht von starker - und unentbehrlicher industrieller Zuwanderung betroffenen Bezirke ohne große ÜberA 31 treibung sagen, | bewegt sich unter einer stabilen heimathsässigen Bevölkerung der Boden, im Osten bewegt sich über dem festgeklammerten Boden die Bevölkerung. Es spricht einfach den Thatsachen Hohn, wenn Graf Limburg-Stirum vor einem allerdings höchst min-
O A: K l e i n b a u e r t h u m
2 4 Berechnet nach den Angaben im Gemeindelexikon, Band 12, S. 250. 2 5 Berechnet nach den Angaben im Gemeindelexikon, Band 2, S. 188. 26 Legt man die Angaben im Gemeindelexikon, Band 2, S. 188, zugrunde, ergibt sich ein durchschnittlicher Wert von 66,42%.
Gutachten zum Heimstättenrecht
665
derwerthigen Publikum, 27 oder Commerzienrath Vorster in einer Polemik gegen meinen Freiburger Specialcollegen 28 die Sitze des Junkerthums als Hort einer schollentreuen Bevölkerung preisen. Thatsächlich ist in Deutschland die Masse der Bevölkerung der rein agrarischen Gegenden mit am meisten gebundener Agrarverfassung im Begriffe, zu Flugsand zu werden. Die „fluctuirende Bevölkerung der Großstadt", von der der erstgenannte Politiker redet, ist es keineswegs in höherem Grade. Trotz der sprichwörtlichen Schwierigkeit, einen geborenen Berliner in Berlin anzutreffen, hat die Reichshauptstadt den Vergleich mit den Rittergütern nicht zu scheuen. Im Stadtkreis Berlin mit seinen ca. 6300 ha Fläche waren 1885 42,4pCt. der Bevölkerung ortsgebürtig bei einem Bevölkerungszuwachs von 37,2 pCt. seit 1871.29 Vergleicht man auch hier den Bruchtheil der 1885 Stadtkreisgebürtigen mit der Bevölkerung von 1871, so verhält er sich wie 67,5:10030 und ist also erheblich größer als der entsprechende Bruch z.B. bei den Rittergütern der Kreise Löbau, Strasburg, Briesen, Thorn, Culm, Graudenz mit je zwischen
27 Friedrich Wilhelm Graf von Limburg-Stirum war einer der konservativen Wortführer der Großagrarier im preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag. Auf welche Rede Max Weber hier anspielt, konnte nicht ermittelt werden. Über Friedrich Wilhelm Graf von Limburg-Stirum allgemein vgl. dessen eigene Veröffentlichung: Aus der konservativen Politik der Jahre 1890/1905. - Berlin: Kärrner 1921. 28 Weber bezieht sich auf die Kontroverse zwischen dem Industriellen Julius Vorster und dem Freiburger Nationalökonomen Gerhart von Schulze-Gaevernitz. Vorster hatte den Nationalökonomen der historischen Schule vorgeworfen, die Praxis nicht genügend aus eigener Anschauung zu kennen und von der Wirklichkeit erheblich abweichende „Doktrinen" zu entwickeln (Vorster, Julius, Die Großindustrie, eine der Grundlagen nationaler Sozialpolitik.-Jena: Gustav Fischer 1896, Vorwort). Auf diesen Angriff reagierte SchulzeGaevernitz als einer der führenden Vertreter der historischen Schule mit einem offenen Brief (Großindustrie und Sozialpolitik. Offener Brief an Herrn Kommerzienrat Vorster, in: Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Litteratur, Nr. 33 vom 16. Mai 1896, S. 495-497). Dies veranlaßte Vorster in der zweiten Auflage seiner Schrift zu einer Stellungnahme gegen Schulze-Gaevernitz, wobei er diesem seine „wenig freundliche Betrachtung" des ostelbischen Grundbesitzes vorwarf. Dabei stellte er sich auf den Standpunkt, daß eine seßhafte Bevölkerung „im landwirtschaftlichen Betriebe weit gesunder und billiger erhalten werden kann wie in den Städten" (ders., Die Großindustrie, eine der Grundlagen nationaler Sozialpolitik. - Jena: Gustav Fischer 18962, S. XII). 29 Berechnet nach den Angaben im Gemeindelexikon, Band 3, S . 2 - 3 . Der Bevölkerungszuwachs betrug nicht 37,2% sondern 59,2%; Weber hat bei seiner Berechnung die Bezugszahlen (1885 = 100, statt 1871 = 100) vertauscht. 30 Berechnet nach den Angaben ebd., ergibt sich ein prozentualer Anteil von 67,43.
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Gutachten zum
Heimstättenrecht
72000 und 105000 ha Fläche, 31 welche theils Bevölkerungsverminderungen, theils Vermehrungen um nur 0,38—5,09pCt. 32 erfuhren und dabei zusammen im Durchschnitt 57,25 pCt. 33 Kreisgebürtige aufwiesen. Was vollends die Gebürtigkeit in der Heimathgememde anlangt, so sank diese auf den östlichen Rittergütern schon 1871 mehrfach im Kreisdurchschnitt auf unter 20pCt. und bewegte sich theils um 30, theils um 40, zuweilen um 50pCt., welchen Bruchtheil sie nicht oft überstieg, während der gleiche Procentsatz im Durchschnitt der einzelnen Regierungsbezirke des Westens sich zwischen 70 und 80pCt., und nur bei starker Zuwanderung um niedrigere Procentzahlen bewegte. Es stammt also die Mobilisirung der Landbevölkerung des Ostens auch nicht etwa erst aus den Zeiten der Nothlage, sondern sie bestand ebenso schon, als sich eine Periode beispiellosen Prosperirens dem Ende zuneigte. Ich kann im Rahmen dieser Abhandlung diese Zusammenhänge nicht weiter verfolgen. Das eine hat sich gezeigt: Gebundenheit der Bodenvertheilung und Unbeweglichkeit des Bodens sind mit nickten identisch mit Gebundenheit und Seßhaftigkeit der ländlichen Bevölkerung. Dafür sind ganz andere Momente entscheidend, insbesondere die Art der Erwerbsgelegenheit und - namentlich - der Umfang, in welchem die Landbevölkerung am Bodenbesitz Theil hat. Die Stabilität der Bevölkerung steigt mit zunehmender Kleinheit der A 32 Durchschnittsgröße \ der landwirtschaftlichen Betriebe. Sie wird um so unsteter, je mehr der landwirthschaftliche Großbetrieb, der, in die Conjuncturschwankungen des Weltmarktes verflochten, seiner Natur nach ein Saisonbetrieb ist, die wirtschaftlichen Verhältnisse beeinflußt. Je leichter zugänglich der Bodenbesitz für die Massen der Bevölkerung ist, desto fester haftet sie an der Scholle. Und weil die Verwandlung in Heimstätten den Zutritt zum Boden erschweren würde, muß gerade vom Standpunkt der Bevölkerungsstabilität aus die Frage, ob sich die Einführung des Heimstättenrechts für den ländlichen Kleinbesitz empfiehlt, ohne Vorbehalt mit nein beantwortet werden.
31 Gemeindelexikon, Band 2, S. 190. Der niedrigste Flächeninhalt ergibt sich hiernach im Kreis Briesen mit 70548 ha. 3 2 Berechnet nach den Angaben ebd., S. 186f. Die höchste Bevölkerungsvermehrung liegt hiernach bei 5,03% bei den Rittergütern im Kreis Briesen. 3 3 Wie oben, S. 664, Anm. 26.
[Stellungnahme zu der von der Allgemeinen Zeitung im Dezember 1897 veranstalteten Flottenumfrage]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Seit 1895 drängte Wilhelm II. auf den Bau einer deutschen Schlachtflotte, durch die das politische und militärische Gewicht des Deutschen Reiches gegenüber Großbritannien entsprechend gesteigert werden sollte. Doch bestand bei den Parteien im Reichstag, insbesondere dem Zentrum, welches eine parlamentarische Schlüsselstellung besaß, zunächst keinerlei Bereitschaft, sich auf ein so ambitiöses und kostspieliges Projekt einzulassen, zumal die Beziehungen zwischen der Reichsleitung und dem Reichstag damals auf einem Tiefpunkt angekommen waren. Auch in Regierungskreisen wurden die Aussichten, eine größere Flottenvorlage durch den Reichstag zu bringen, sehr gering eingeschätzt und die Rückwirkungen der in diesem Zusammenhang zu erwartenden Auseinandersetzungen auf andere Bereiche der Reichspolitik ungünstig beurteilt. In Konteradmiral Alfred von Tirpitz, der im Juni 1897 zum Staatssekretär des Reichsmarineamts berufen worden war, fand der Kaiser schließlich eine Persönlichkeit, die entschlossen war, den Bau einer Schlachtflotte ungeachtet der bestehenden politischen Widerstände mit allen verfügbaren Mitteln durchzusetzen. Tirpitz war bestrebt, durch ein kluges und in der Form maßvolles Auftreten gegenüber dem Reichstag die bestehenden parlamentarischen Widerstände gegen eine Flottenvorlage zu überwinden. Dazu gehörte auch, daß er den Parlamentariern nicht länger formal das Recht zur freien Entscheidung über das Flottenbauprogramm absprach, im Unterschied zu der bisherigen Praxis bei den Heeresvorlagen. Gleichzeitig bemühte er sich, durch eine großangelegte Propagandakampagne, die vor allem auf eine Beeinflussung der Presse gerichtet war, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer starken Flotte zu überzeugen und auf diese Weise die widerstrebenden Parteien des Reichstags zu einer Änderung ihrer Haltung in der Flottenfrage zu bewegen. Die am 30. November 1897 eingebrachte sogenannte erste Flottenvorlage war hinsichtlich der quantitativen Anforderungen relativ maßvoll gehalten; sie beschränkte sich auf die Errichtung von nur zwei Geschwadern zu je
668
Flottenumfrage
acht Schlachtschiffen innerhalb der nächsten sechs Jahre. Im übrigen vermied es Tirpitz sorgfältig, die eigentliche politische und strategische Zielsetzung des Flottenbaus, nämlich den Bau einer gegen England gerichteten Schlachtflotte, die gegebenenfalls sogar einen Kampf mit der britischen Nordseeflotte werde aufnehmen können, offen darzulegen; er stellte vielmehr die defensive Funktion der zu schaffenden Flotte in den Vordergrund: „ Die Aufgabe der Schlachtflotte ist die Verteidigung der heimischen Küsten. Ausschließlich hiernach ist Zahl und Größe der Schiffe bemessen", hieß es in der dem Reichstag mit der Vorlage des Flottengesetzes zugeleiteten amtlichen Begründung. „Größeren Seemächten gegenüber" habe die deutsche Flotte im Kriegsfalle „lediglich die Bedeutung einer Ausfallflotte." Hingegen sei „jede weitergehende Verwendung" der Schlachtflotte angesichts ihrer vorgesehenen geringen Stärke „ausgeschlossen." 1 Tirpitz beabsichtigte über den beantragten Zeitraum von sechs Jahren hinaus die dauernde Indiensthaltung der Schiffe und damit eine entsprechende Berücksichtigung im jährlichen Reichshaushalt sowie die Ersetzung der Linien- und Küstenpanzerschiffe nach 25 Jahren, der großen Kreuzer nach 20 Jahren und der kleinen Kreuzer nach 15 Jahren. 2 Der Reichstag sollte so ein für alle Mal auf die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel zur planmäßigen Fortführung des Flottenbaus auch in künftigen Haushaltsjahren festgelegt werden. In Zusammenhang mit der von dem Nachrichtenbüro des Reichsmarineamts betriebenen offiziösen Propagandakampagne für den Bau einer deutschen Schlachtflotte, die sich an zahlreiche Zielgruppen, nicht zuletzt auch an die Akademikerschaft, richtete, 3 steht auch die von Dezember 1897 bis März 1898 von der in München erscheinenden Allgemeinen Zeitung veranstaltete Flottenumfrage. Bereits im Juli 1897 hatte das Reichsmarineamt Kontakt mit der süddeutschen Presse aufgenommen, um dem Schlachtflottenbau förderliche Artikel zu lancieren. Neben der Badischen Landeszeitung (Karlsruhe), dem Schwäbischen Merkur (Stuttgart) und der Fränkischen Morgenzeitung
1 Zitiert nach Berghahn, Volker R., und Deist, Wilhelm, Rüstung im Zeichen der wilhelminischen Weltpolitik. Grundlegende Dokumente 1890-1914. - Düsseldorf: Droste 1988, S. 153. 2 Vgl. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die deutsche Flotte, in: Sten. Ber. Band 162, Anlagen, Band 1, Nr. 4, S. 1. 3 Siehe dazu insbesondere: Marienfeld, Wolfgang, Wissenschaft und Schlachtflottenbau in Deutschland 1897-1906. - Frankfurt am Main: E.S.Mittler und Sohn 1957; Deist, Wilhelm, Flottenpolitik und Flottenpropaganda. - Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1976, S. 102f., und vom Bruch, Rüdiger, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890-1914). - Husum: Matthiesen 1980, S. 6 6 - 9 2 .
Editorischer
Bericht
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( N ü r n b e r g ) w u r d e a u c h die A l l g e m e i n e Z e i t u n g ( M ü n c h e n ) für die Propag a n d a g e w o n n e n . 4 Die A l l g e m e i n e Z e i t u n g w a r bereits z u v o r d u r c h ihre f l o t t e n f r e u n d l i c h e Haltung, die im s ü d d e u t s c h e n R a u m die A u s n a h m e war, aufgefallen. 5 Im N o v e m b e r 1 8 9 7 hielt sich Tirpitz längere Zeit in M ü n c h e n auf; es ist w a h r s c h e i n l i c h , daß sich bei d i e s e r G e l e g e n h e i t a u c h K o n t a k t e z u m C h e f r e d a k t e u r d e r A l l g e m e i n e n Z e i t u n g e r g a b e n , als d e r e n Resultat die schließlich v o n d e r Z e i t u n g veranstaltete U m f r a g e a n g e s e h e n w e r d e n k ö n n t e . 6 Im D e z e m b e r 1 8 9 7 w u r d e f o l g e n d e r F r a g e b o g e n an 1 8 0 0 P e r s ö n lichkeiten d e s ö f f e n t l i c h e n L e b e n s v e r s c h i c k t : 7 „1. Halten Sie eine starke Flotte im Falle eines Krieges für nothwendig: a) Zur V e r t e i d i g u n g der deutschen Küsten und Häfen gegen feindliche Angriffe? b) Zum Schutz gegen eine Blockade, im besonderen zur Offenhaltung der Verkehrswege für Ein- und Ausfuhr? 2. Halten Sie eine starke Flotte für nothwendig als Machtfaktor für die deutsche Politik, besonders auch in Europa? Wird die Bedeutung unsrer Freundschaft für die Politik anderer Staaten durch die Flotte wesentlich erhöht? 3. Halten Sie eine starke Flotte für nothwendig: a) Zur Erhaltung und Förderung des auswärtigen Handels und der Handelsschifffahrt? b) Zur Wahrung und Förderung unsrer gesammten wirtschaftlichen Machtstellung im Auslande? c) Zum Schutze der im Auslande ansässigen Reichsangehörigen und der deutschen Unternehmungen? 4. Halten Sie die beabsichtigte Flottenverstärkung für vereinbar mit dem Stande der Reichs- und Staatsfinanzen? 5. Welche Folgen würden nach Ihrer Ansicht eintreten, wenn die deutschen Küsten in einem Kriege von einer feindlichen Flotte vollständig (effektiv) blockirt wären und Deutschland nach einem unglücklichen Kriege von der Seegeltung ausgeschlossen würde?" 8 Z u d e n P e r s ö n l i c h k e i t e n d e s ö f f e n t l i c h e n L e b e n s , an die die U m f r a g e g e s a n d t w u r d e , g e h ö r t e e i n e g r o ß e Zahl v o n W i s s e n s c h a f t l e r n . N e b e n e i n e r Reihe v o n N a t i o n a l ö k o n o m e n w i e Lujo B r e n t a n o , Carl J o h a n n e s Fuchs, G e o r g v o n Mayr, A u g u s t M e i t z e n , Karl O l d e n b e r g u n d A d o l p h W a g n e r 9
4 Kehr, Eckart, Schlachtflottenbau und Parteipolitik 1894-1901. - Berlin: Ebering 1930, S. 111 f. 5 Vgl. Foerster, Raimund, Politische Geschichte der Preußischen und Deutschen Flotte bis zum ersten Flottengesetz von 1898.-Dresden: Limpert1928, S.119f. 6 Vgl. Deist, Flottenpolitik (wie Anm. 3), S. 102f. 7 Abgedrucktin: Allgemeine Zeitung, München, Außerordentliche Ausgabe, Nr. 333 vom 2. Dez. 1897, sowie Außerordentliche Beilage, Nr. 1 vom 11. Jan. 1898. 8 Zitiert nach: ebd., Außerordentliche Beilage, Nr. 1 vom 11. Jan. 1898. 9 Marienfeld, Wissenschaft und Schlachtflottenbau, S. 110-115.
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Rottenumfrage
wurde auch Max Weber angeschrieben. 10 Allerdings ist uns nichts über die näheren Umstände bekannt, die zur Berücksichtigung Max Webers geführt haben. Bis Anfang 1898 gingen der Redaktion der Allgemeinen Zeitung mehr als 400 Stellungnahmen zu, 64 davon von Professoren, 11 darunter auch die nachstehend abgedruckte Erklärung von Max Weber. Die Ergebnisse dieser Umfrage wurden in den Monaten Januar bis März 1898 in mehreren außerordentlichen Beilagen der Allgemeinen Zeitung, München, veröffentlicht, 12 also kurz vor den entscheidenden zweiten und dritten Lesungen der Flottenvorlage im Reichstag. 13 Die Stellungnahme Max Webers wurde, wie aus der dem Beitrag vorangestellten redaktionellen Vorbemerkung „[Nr.] 46. Prof. Max Weber. Heidelberg, Dez. 1897" hervorgeht, im Dezember 1897 verfaßt. Weber hat sie vermutlich in der zweiten Monatshälfte geschrieben, da in ihrem Schlußteil auf eine Reichstagsrede des Staatssekretärs des Reichsamts des Innern Arthur Graf von Posadowsky-Wehner vom 13. Dezember 1897 angespielt wird. 14 An sonstigen Aktionen zugunsten der Unterstützung der Flottenvorlage von Seiten der Professorenschaft hat sich Max Weber, soweit wir wissen, nicht mehr beteiligt. 15
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der in der Allgemeinen Zeitung, München, Außerordentliche Beilage, Nr. 3 vom 13. Januar 1898, S. 4f., erschienen ist (A). Von seiten der Zeitungsredaktion war dem Text vorangestellt: „46. Prof. Max Weber. Heidelberg, Dez. 1897."
10 Ebd., S. 115. Vgl. auch Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, S . 4 0 3 - 4 0 5 , und Mommsen, Max Weber 2 , S. 82. 11 Vom Bruch, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung, S. 77. 12 Allgemeine Zeitung, München, Außerordentliche Beilagen, Nr. 1 bis Nr. 20 vom 11. Jan. bis 3. Febr. 1898, Nachträge: Nr. 22 und Nr. 23 vom 5. und 6. März 1898. 13 Die zweite Lesung fand am 23., 24. und 26. März, die dritte, entscheidende Lesung, in der die Vorlage angenommen wurde, am 28. März 1898 statt. Sten. Ber. Band 161, S. 1 6 9 7 - 1 8 0 1 und 1 8 1 6 - 1 8 4 3 . 14 Siehe unten, S. 673. 15 Vgl. die bei Marienfeld, Wissenschaft und Schlachtflottenbau, S. 1 1 0 - 1 1 5 , aufgeführte Liste der sog. „Flottenprofessoren".
[Stellungnahme zu der von der Allgemeinen Zeitung im Dezember 1897 veranstalteten Flottenumfrage]
Für eine Vorlage, welche durch die unerwartete Geringfügigkeit ihrer Anforderungen fast ebenso sehr wie durch die kluge Sachlichkeit ihrer Vertretung 1 die Gegner in offenbare Verlegenheit gesetzt hat, noch besonders einzutreten, scheint mir unnöthig. Wird auf formale Momente kein unnöthiges Gewicht gelegt, so erscheint sie ja glücklicherweise im wesentlichen gesichert. Nur völlige politische Verzogenheit und naiver Optimismus können verkennen, daß das unumgängliche handelspolitische Ausdehnungsbestreben aller bürgerlich organisirten Kulturvölker, nach einer Zwischenperiode äußerlich friedlichen Konkurrirens, sich jetzt in völliger Sicherheit dem Zeitpunkt wieder nähert, wo nur die Macht über das Maß des Antheils der Einzelnen an der ökonomischen Beherrschung der Erde und damit über den Erwerbsspielraum ihrer Bevölkerung, speziell auch ihrer Arbeiterschaft, entscheiden wird. Wenn nun angesichts der Selbstverständlichkeit dieser Entwicklung, die uns stets erneute militärische Opfer im Interesse unsrer Zukunft, für welche wir, als eine große Nation, unsern Nachfahren vor der Geschichte verantwortlich sind, näherlegen wird, sich trotzdem auch hier im Südwesten ein verhängnißvoller Mangel an Verständniß dafür gerade in breiten bürgerlichen Kreisen zeigt, so darf zur Erklärung dessen verschiedenes nicht vergessen werden. Zunächst, daß die Art des Regimes in Deutschland in den letzten 20 Jahren, halb cäsaristisch, halb „patriarchalisch", neuerdings überdies durch eine spießbürger-
1 Angesichts der zu erwartenden parlamentarischen Widerstände war die erste Flottenvorlage in ihrem Umfang vergleichsweise bescheiden: sie beschränkte sich auf die Schaffung von zwei Geschwadern mit je acht Schlachtschiffen in den nächsten sechs Jahren. Im Vergleich mit den weitreichenden Tirpitzschen Plänen von 1896 war dies eine Überraschung. Außerdem hatte das Reichsmarineamt dem Reichstag zur sachlichen Begründung der Vorlage ein umfangreiches Dossier über die Bedeutung und Schutzbedürftigkeit des deutschen Außenhandels, insbesondere des Seehandels, zugeleitet. Sten. Ber. Band 162, Anlagen, Band 1, Nr. 5, S. 11 - 9 0 .
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Flottenumfrage
liehe Furcht vor dem rothen Gespenst verzerrt,2 das Gegentheil politischer Erziehungsarbeit an der Nation gewesen ist. Zumal durch3 die Benutzung der Militärfragen als Kampfmittel gegen unbequeme Oppositionsparteien hat sie - sehr zum Schaden der Heeresinteressen - um einfach sachliche Budgetfragen in Angelpunkte des periodisch sich wiederholenden inneren Machtkampfs umzuwandeln an ihrem Theil beigetragen. 3 Eine ostentative „gefällige", die errungenen Lorbeeren schonende, allen überseeischen Expansionsgedanken ersichtlich abholde Politik, wie sie nach 1870 begann, konnte der Erweckung des Interesses an der Flotte gewiß nicht förderlich sein. Noch weniger aber kann dies in der Gegenwart eine Wirtschaftspolitik, welche sich von der allmächtigen agrarischen Phrase beherrschen läßt, der auch die Allgemeine] Z[ei]t[un]g nicht selten arglos zum Opfer fällt. Es ist begreiflich, daß zwischen dem Streben nach maritimer Macht und einer Politik, welche Deutschlands kommerzielle Machtstellung theils schon geschädigt hat, theils weiter preiszugeben sich bereit zeigt, ein Widerspruch gefunden wird. Nicht eine mit antikapitalistischen Schlagworten operirende Politik selbstgenügsamer sogenannter „Sammlung",4 sondern allein eine entschlossene Durchführung der Konsequenzen unsrer kraftvollen bürgerlich-gewerblichen Entwicklung - ohnehin die auf die Dauer allein
a Fehlt in A; durch sinngemäß ergänzt.
2 Vermutlich Anspielung auf die konservative Wende, eingeleitet durch die sogenannte Umsturzvorlage von 1894/95, mit der, nachdem das Sozialistengesetz 1890 nicht mehr verlängert worden war, die Sozialdemokratie erneut bekämpft werden sollte. 3 Dies bezieht sich auf die von Bismarck wiederholt, zuletzt bei den Wahlen 1887 angewandte Taktik, die Wehrvorlagen für die Wahlpropaganda der Regierung auszunutzen. Bismarck brandmarkte den Widerstand der linksliberalen Parteien und des Zentrums gegen die unter Mißachtung des jährlichen Budgetbewilligungsrechts des Parlaments jeweils für sieben Jahre zu bewilligenden Heeresvorlagen bei den Wählern als Verletzung der nationalen Interessen. 4 Der preußische Finanzminister Johannes von Miquel hatte in seiner programmatischen Rede vom 15. Juli 1897 in Solingen die Parole der „Sammlung" aller staatstreuen Parteien gegen die Sozialdemokratie ausgegeben, mit dem Ziel, eine Wiederannäherung von Großindustrie und Landwirtschaft herbeizuführen. Den Begriff selbst scheint Miquel am 23. Juli 1897 vordem Preußischen Landtag geprägt zu haben. Miquel widersetzte sich der Flottenpolitik Tirpitz', weil diese einseitig im Interesse der Industrie liege; angesichts der Zurückhaltung der Konservativen gegenüber der Flottenpolitik sah er dadurch die Strategie der „Sammlung" gefährdet. Vgl. Eley, Geoff, Sammlungspolitik, Social Imperialism and the Navy Law of 1898, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 15,1974, bes. S. 2 9 - 3 4 .
Flottenumfrage
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mögliche Wirthschaftspolitik Deutschlands im Zeitalter des Kapitalismus, man mag ihn nun lieben oder hassen - kann für die bürgerliche Klasse dem Verlangen nach Macht zur See einen Sinn verleihen. Zum Schutze der Grundrente bedarf es keiner Flotte. Und nur einem 5 Regiment, welches in seiner | inneren Politik zeigt, daß es die freien A 5 Institutionen des Vaterlandes zu erhalten und freiheitlich weiterzuentwickeln sich nicht fürchtet, wird man das Vertrauen entgegenbringen, daß ihm nicht auf dem Gebiete der äußeren Politik Kraft und Muth im entscheidenden Momente, aller starken Worte ungeachtet, 10 versagen werden, ebenso, wie dies auf dem Gebiete der sozialpolitischen Arbeit im Innern der Fall zu sein scheint.5
5 Dies bezieht sich vermutlich auf eine Erklärung des e b e n b e r u f e n e n Staatssekretärs des Innern und Stellvertreter des Reichskanzlers Arthur Graf von P o s a d o w s k y - W e h n e r . A m 13. D e z e m b e r 1897 hatte dieser im Reichstag eine Verlangsamung der sozialpolitis c h e n G e s e t z g e b u n g angekündigt und d e n Bestrebungen nach einer rechtlichen Besserstellung der G e w e r k s c h a f t e n eine A b s a g e erteilt. Vgl. Born, Karl Erich, Staat und Sozialpolitik seit Bismarcks Sturz. - Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1957, S. 1 4 0 - 1 4 4 .
[Über die Schriftenreihe Volkswirtschaftliche Abhandlungen"]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Seit 1897 erschienen in unregelmäßigen Abständen die von Carl Johannes Fuchs (Freiburg i. B.), Heinrich Herkner (Karlsruhe), 1 Gerhart von SchulzeGaevernitz (Freiburg i.B.) und Max Weber herausgegebenen Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen. Zweck der Reihe war es, jüngeren Wissenschaftlern die Möglichkeit zur Veröffentlichung ihrer Arbeiten zu geben. Als erstes Heft erschien die Untersuchung Robert Liefmanns über Unternehmerverbände, 2 mit der dieser noch in Freiburg bei Weber promoviert hatte. 3 Weber, der seit dem Frühjahr 1897 die Verlagsverhandlungen führte, erbot sich, einen Werbetext zu entwerfen. 4 Am 8. August 1897 übersandte er Paul Siebeck einen „Entwurf des Prospekt-Eingangs, mit dem die anderen Herren, nach ihren Briefen zu urteilen, wohl sachlich einverstanden sein werden." Er bat Siebeck, den Text durch die „Darlegung der buchhändlerischen Bedingungen" sowie durch die Hinzufügung der Namen der Herausgeber und des Verlegers zu ergänzen. Im übrigen gab er Siebeck bei der Redaktion des Textes freie Hand und stellte ihm anheim, anstelle eines Prospektes eine Buchhändlernotiz auf der letzten Umschlagseite zu drucken. Den anderen Herausgebern sollten Korrekturabzüge geschickt werden. Weber erklärte sich vorab mit allen Änderungen einverstanden. 5 Ein Manuskript dieses Weberschen Entwurfs ist nicht überliefert. Spätestens am 24. März 1898 erschien dann, eingebunden in das zweite Heft der Volkswirtschaften Abhandlungen, 6 ein Prospekt der Reihe, dessen 1 Herkner ging 1898 nach Zürich und schied aus dem Herausgebergremium aus. 2 Liefmann, Robert, Die Unternehmerverbände (Konventionen, Kartelle). Ihr Wesen und ihre Bedeutung.-Freiburg i.B.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1897. 3 Robert Liefmann, in: Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. von Felix Meiner, 1. Band. - Leipzig: Felix Meiner 1924, S. 157f. 4 Brief an Paul Siebeck vom 28. Juli 1897, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 5 Brief an Paul Siebeck vom 8. Aug. 1897, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 6 Vgl. „Zur Überlieferung und Edition".
Editorischer
Bericht
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Vorspann auf den Entwurf Webers zurückgeht. Der Werbetext war, wie Weber Siebeck gebeten hatte, von den Herausgebern und dem Verlag unterzeichnet. Da ein Manuskript nicht überliefert ist, ist nicht bekannt, ob bzw. inwieweit die Druckfassung von dem Entwurf Webers abweicht. Max Weber hat jedoch zumindest als Mitverfasser zu gelten. Dies geht aus dem Umstand hervor, daß er vor dem 18. September 1897 Paul Siebeck einen Nachtrag mit Angaben zu den weiteren in der Reihe geplanten Heften sandte: „Mannheim und der süddeutsche Getreidehandel Von Dr. W. Borgius Ferner: Die Landarbeiter in Deutschland nach den Erhebungen des Evangelisch-sozialen Congresses Von verschiedenen Verfassern, herausgegeben von Max Weber Zur preußischen Agrarpolitik Von Max Weber" 7 Von diesen Titeln ist die Untersuchung von Walter Borgius in der Reihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen" erschienen. 8 Die Ergebnisse der Landarbeiterenquete des Evangelisch-sozialen Kongresses wurden später in einer eigenständigen, von Max Weber allein herausgegebenen Reihe veröffentlicht. 9 Die von ihm angekündigte Untersuchung „Zur preußischen Agrarpolitik" ist überhaupt nicht erschienen. Bei dieser Studie, von der auch in einem weiteren Brief an Paul Siebeck die Rede ist, 10 könnte es sich um das Schlußheft der Reihe über die Landarbeiterenquete 11 oder um eine seit Mitte der 1890er Jahre wiederholt erwähnte, aber nicht realisierte agrarstatistische Untersuchung gehandelt haben. 12 Es ist nicht bekannt, wann und in welcher Form der Prospekt, der den auf Webers Entwurf zurückgehenden Vorspann enthält, erstmals erschienen ist, ob bereits mit dem ersten Heft, das am 21. Oktober 1897 angezeigt
7 Das Manuskript befindet sich im VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Es trägt die Notiz von fremder Hand „abgelegt: 18. IX. 97". Der Auflistung der Titel schließt Weber folgende Bemerkung an: „NB! Dies falls Herr Siebeck diese Angaben wünscht! Leider erreicht mich die Correctur erst heute hier!" 8 Borgius, Walter, Mannhelm und die Entwicklung des südwestdeutschen Getreidehandels. I.Geschichte des Mannheimer Getreidehandels. 2. Gegenwärtiger Zustand des Mannheimer Getreidehandels (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen. Zweiter Band, Erstes und Zweites Heft). - Freiburg LB.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1899. 9 Siehe unten, S.688f. 10 Brief an Paul Siebeck vom 28. Mai 1898, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 11 Siehe Max Webers Ankündigung, unten, S. 708. 12 Siehe in der Einleitung, oben, S. 24f.
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Volkswirtschaftliche
Abhandlungen
wurde, 13 oder erst mit dem zweiten Heft (vom 24. März 1898). Überliefert ist der Prospekt nur für das zweite Heft.
Zur Überlieferung und Edition Der auf Max Webers Entwurf zurückgehende Werbetext (A) ist abgedruckt am Anfang eines insgesamt drei Seiten umfassenden Prospektes des Verlags J. C. B. Mohr (Paul Siebeck). Dem Werbetext ist die Überschrift vorangestellt: „Im unterzeichneten Verlage erscheinen: Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen. Herausgegeben von Carl Johannes Fuchs, Heinrich Herkner, Gerhard [sie!] v. Schulze-Gävernitz, Max Weber." Der Text ist unterzeichnet „Die Herausgeber. Die Verlagsbuchhandlung." Es folgen eine Reihe weiterer Verlagshinweise und Werbetexte anderer Autoren sowie die von Weber Paul Siebeck nachträglich zugesandten Titel der noch für die „Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen" geplanten Hefte. 1 Im folgenden wird nur der auf Max Weber zurückgehende Werbetext von der ersten Prospektseite abgedruckt. Ein Exemplar des Prospektes befindet sich eingebunden in: Hecht, Gustav, Colbert's politische und volkswirtschaftliche Grundanschauungen (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen. Erster Band, Zweites Heft).-Freiburg LB.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1898, im Exemplar der BSB München. Dieser Band erschien am 24. März 1898. 2 Auf der ersten Seite des Verlagsprospektes ist unten eingedruckt: „1898. Nr. 22".
13 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 42 vom 21. Okt. 1897, S. 1058. 1 Siehe oben, S. 675. 2 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 12 vom 24. März 1898, S. 265.
[Über die Schriftenreihe Volkswirtschaftliche Abhandlungen"]
Die Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der badischen Hochschulen werden entweder Lehrer der gedachten Hochschulen zu Verfassern haben oder durch ihre Anregung entstehen, bezw. aus dem Seminar eines von ihnen hervorgehen. Die litter arische Verantwortlichkeit für die letztgedachten Arbeiten übernimmt der betreffende Herausgeber, wie stets in ähnlichen Fällen nur insoweit, als der aufgenommene Beitrag nach seiner Meinung wissenschaftlichen Wert besitzt. Den Maßstab für diesen Wert wird selbstverständlich nur der Grad der Förderung abgeben, welche unsere objektive Erkenntnis der Thatsachen des Wirtschaftslebens aus den betreffenden Arbeiten gewinnen kann. Daß diese auch nicht unter dem Bann irgend einer einheitlichen „Schule" stehen sollen und werden, ergiebt die Zusammensetzung der Herausgeber. In den behandelten Gegenständen sollen, wenn schon naturgemäß das Beobachtungsobjekt häufig den wirtschaftlichen Verhältnissen Badens entnommen sein wird, keinerlei regionale oder sachliche Schranken inne gehalten werden.
Herr v. Miquel und die Landarbeiter-Enquete des Vereins für Sozialpolitik
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Zu Beginn des Jahres 1899 lebte die Diskussion über den Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft der ostelbischen Gebiete erneut auf. Der Zentrumsabgeordnete Julius Szmula, Rittergutsbesitzer in Schlesien, brachte im preußischen Abgeordnetenhaus eine Interpellation „betreffend den Mangel an ländlichem Gesinde und landwirtschaftlichen Arbeitern" ein; 1 der freikonservative Abgeordnete Karl von Gamp(-Massaunen) stellte einen Antrag, in dem weitreichende staatliche Maßnahmen zur Behebung des Mangels an Arbeitskräften gefordert wurden, so z. B. die Konzessionspflicht für Gesindemakler und Arbeitsvermittler, die „Erschwerung des Kontraktbruchs", die Reduzierung der Schulpflicht während der Sommerzeit und die „erleichterte Zulassung ausländischer Arbeiter" , 2 Gegen diese massiven interessenpolitischen Forderungen erhob sich während der Debatten im Abgeordnetenhaus vom 9. bis 11. Februar 1899 3 von Seiten der Liberalen scharfer Protest. Zunächst ergriff Max Hirsch, der Führer der liberalen deutschen Gewerkvereine, für die Freisinnige Volkspartei das Wort. Die wichtigste Ursache für den Arbeitskräftemangel im Osten und für die Abwanderung deutscher Landarbeiter sei die von den Grundbesitzern bewußt forcierte Heranziehung ausländischer Arbeitskräfte und die dadurch bewirkte Verdrängung deutscher Landarbeiter sowie deren schlechte materielle Lage. 4 Zur Begründung zitierte er in diesem Kontext ausführlich aus Max Webers Beitrag zur Enquete des Vereins für Socialpolitik aus dem Jahre 1892. 5 Er führte insbesondere solche Passagen an, in
1 Sten. Ber. pr. AH, 19. Leg. Per., I.Sess. 1899, Band 1, S. 428. 2 Ebd., Anlagen, Band 3, S.1732f. 3 Wie Anm. 1, S. 4 2 8 - 4 9 0 und 498-527. 4 Ebd., S. 483f. 5 Weber, Max, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. Preußische Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien, Brandenburg, Großherzogtümer Mecklenburg, Preußischer Kreis Herzogtum Lauenburg (Provinz SchleswigHolstein), in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 3. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 55). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892 (MWG I/3).
Editorischer
Bericht
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denen, sei es von Weber selbst, sei es von den ländlichen Arbeitgebern, deren Berichte Weber zitierte, die Verdrängung von deutschen Landarbeitern durch polnische Wanderarbeiter, die materielle und psychische Situation der Landarbeiter sowie das Verhältnis zwischen Grundbesitzern und Arbeitern geschildert wurden, wobei er besonders die Angaben für die Provinz Schlesien heranzog. 6 Ähnlich argumentierte auch Theodor Barth für die Freisinnige Vereinigung. Barth wies zunächst das Argument von konservativer Seite zurück, wonach diejenigen, die mit den Verhältnissen auf dem Lande nicht aus eigener Anschauung vertraut seien, diese auch nicht beurteilen könnten. 7 Sodann bekräftigte auch er den Wert der Enquete des Vereins für Socialpolitik über die Lage der Landarbeiter. Weder die Bearbeiter der Erhebung noch die Berichterstatter vom Lande seien freisinniger Bestrebungen verdächtig, sondern eher den „rechts stehenden Parteien politisch nahe"; zudem seien die Berichterstatter, auf deren Angaben sich die Erhebungen stützten, selbst Arbeitgeber. 8 Gegen den von Max Hirsch und Theodor Barth vertretenen Standpunkt wandte sich sodann der preußische Finanzminister Johannes von Miquel. 9 Er erklärte, daß der Wert der Enquete des Vereins für Socialpolitik nicht so hoch einzuschätzen sei wie seine Vorredner dies getan hätten; den Referaten der lokalen Berichterstatter für die Erhebungen werde zu viel Gewicht beigemessen, da diese Berichterstatter den jeweiligen Bearbeitern der einzelnen Bände noch nicht einmal persönlich bekannt seien. Im Hinblick auf den Umstand, daß Max Hirsch Max Weber ausführlich zitiert hatte, fügte der Minister hinzu, daß es ihm zweifelhaft erscheine, „ein Buch [zu] lesen von einem einzelnen Menschen, der dem Leser garnicht bekannt ist, dessen Wissen und Zuverlässigkeit, dessen Stellung zu allen sozialen Fragen ihm vollkommen schleierhaft sind, und darauf ein solches Gewicht zu legen, wie man legen muß auf das Zeugniß eines Mannes, der die Dinge aus eigener Wissenschaft kennt, das ist eine Verwechselung, die ich garnicht begreife." 1 0 Allerdings vermied er es, Max Weber als Autor explizit zu nennen. Am 15.Februar 1899, d.h. vier Tage nach Miquels Rede, erschien im Organ des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, der Deutschen Indu6 Im einzelnen zitierte Hirsch Passagen aus den Seiten 628-631, 633 und 635 (MWG I/ 3, S. 735-739, 740f. und 742f.). Die Weber von Hirsch zugeschriebene Passage: „Ich muß aus voller Überzeugung sagen, daß durch unvernünftige Behandlung viele Leute aus der Landwirtschaft vertrieben werden" (Sten. Ber. pr. AH, 19. Leg. Per., I.Sess. 1899, Band 1, S. 484), stammt aus einem von Weber zitierten Generalbericht. Weber, Landarbeiter, S. 633 (MWG I/3, S.741). 7 Sten. Ber. pr. AH, 19. Leg. Per., I.Sess. 1899, Band 1, S.516. 8 Ebd., S.516f. 9 Ebd., S.519f. 10 Ebd., S. 519.
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Herr v. Miguel und die
Landarbeiter-Enquete
strie-Zeitung, ein Artikel über die Debatten im preußischen Abgeordnetenhaus vom 9. bis zum 11. Februar. 11 In diesem Artikel wurde Miquels Beitrag ausführlich zitiert und daran die Schlußfolgerung geknüpft, daß es sich hier um „eine klare Absage der Regierung an jene .wissenschaftlichen' Bestrebungen" handle, „die angeblich nur unparteiisch gesammeltes Material liefern wollen, in Wirklichkeit aber in der Presse und namentlich auf den Generalversammlungen des genannten Vereins zu tendenziöser Zurechtmachung der Thatsachen und Zahlen führen." 1 2 Die Stellungnahme Miquels wurde an einem Punkte verfälscht wiedergegeben; statt: „Die Gesammtheit der Berichte macht gewiß einen richtigen Eindruck", 1 3 hieß es hier: „Die Gesammtheit der Berichte macht gar nicht einen richtigen Eindruck". Max Weber hatte die Auseinandersetzungen um die Erhebung des Vereins für Socialpolitik im Abgeordnetenhaus und in der Presse mit wachsendem Ärger verfolgt. Der Angriff Miquels auf die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der von ihm bearbeiteten Enquete irritierte ihn umsomehr, als dieser ihn Anfang 1893, also kurz nach Erscheinen der Untersuchung über die Lage der ostelbischen Landarbeiter, im privaten Kreis eingeladen hatte, um ihm seine Anerkennung für die Enquete auszusprechen. 1 4 Weber plante zunächst, Miquels Angriffe auf der nächsten Ausschußsitzung des Vereins für Socialpolitik zur Sprache zu bringen. Es sei ihm zwar gleich, was „ein Schubiack" wie Miquel über ihn und den Verein sage: „aber die Form-, ein Mensch, dessen Zuverlässigkeit unbekannt ist' - kann, glaube ich, doch nicht wohl ignoriert werden, so unangenehm es mir wäre, irgend einen Eklat herbeizuführen. - " 1 5 Da allerdings in nächster Zeit keine Ausschußsitzung bevorstand, 1 6 entschloß sich Weber dann doch, den Angriffen Miquels und ihrer propagandistischen Ausschlachtung in der Deutschen Industrie-Zeitung mit der unten abgedruckten Zuschrift an die Wochenschrift Soziale Praxis entgegenzutreten. Zunächst beanstande er die unkorrekte Wiedergabe der Rede Miquels durch die Industrie-Zeitung. Miquel habe nicht gesagt, daß die „Gesammt-
11 Deutsche Industrie-Zeitung. Organ des Zentralverbandes Deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung nationaler Arbeit, Nr. 7 vom 15. Febr. 1899, S. 85f. 12 Ebd., S. 86. 13 Sten. Ber. pr. AH, 19. Leg. Per., I. Sess. 1899, Band 1, S. 520. 14 Brief an Clara Weber vom 7. Jan. 1893, ZStA Merseburg, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 23, und Brief an Gustav Schmoller vom 2. März 1899, Hess. HStA Wiesbaden, Nl. Gustav Schmoller, Abt. 1088/10d: „(er hat mich s.Z. in intimstem Kreis eingeladen und zu der Enquete beglückwünscht)". 15 Brief an Gustav Schmoller, ebd. 16 Vor September 1899 fand keine Ausschußsitzung mehr statt. Boese, Franz, Geschichte des Vereins für Sozialpolitik 1872-1932 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 188). - Berlin: Duncker & Humblot 1939, S. 87f.
Editorischer Bericht
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heit der Berichte [...] gar nicht einen richtigen Eindruck" mache, sondern das Gegenteil. Im übrigen hielt er Miquel vor, die Vorgehensweise des Vereins für Socialpolitik bei der Erhebung über die Lage der Landarbeiter wider besseres Wissen verurteilt zu haben. Ihm, Weber, habe er zudem mangelnde Zuverlässigkeit vorgeworfen. Für Miquel war dieser Artikel Grund genug, in der folgenden Nummer der Sozialen Praxis eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. 1 7 Er habe weder von Max Weber gesprochen noch auch nur an ihn gedacht; er habe die Erhebungen des Vereins für Socialpolitik „nicht für unrichtig, sondern im Ganzen für richtig erklärt"; er habe sich nur gegen den in der Debatte gemachten Versuch wenden wollen, der Darstellung eines lokalen Berichterstatters (nicht der des Bandbearbeiters) „eine autoritative, vom Verein vertretene Bedeutung beizulegen und ihre vielleicht lokale Richtigkeit zu generalisiren." 1 8 Weber habe sich nicht auf die amtlichen Protokolle, sondern auf „ungenaue Zeitungsberichte" gestützt und in seinen, d. h. Miquels Worten, fälschlicherweise eine „klare Absage der Regierung an die wissenschaftlichen Bestrebungen des Vereins" erblickt. 19 Im Anschluß an diese Stellungnahme wurde Miquels Rede vom 11. Februar nach den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses wiedergegeben. Miquels Darstellung in der Sozialen Praxis veranlaßte Weber, eine weitere Stellungnahme ins Auge zu fassen. Er sandte einen Entwurf an Ernst Francke, den Herausgeber der Sozialen Praxis, mit folgendem Wortlaut: „Zu der Erwiderung des Herrn Ministers Dr. v. Miquel in der vorigen Nummer möchte ich nur noch folgendes beifügen: Seine Äußerungen, die auch mir im amtlfichen] Stenogramm vorlagen, sind innerhalb wie außerhalb des Hauses, soviel mir bekannt geworden ist, auf mich, da H [er] r Dr. Hirsch allein mich mit Namen citirt hatte, bezogen worden u[nd] konnten nach ihrem Wortlaut auch nicht gut anders verstanden werden. Nachdem H[er]r v. Miquel indessen erklärt hat, nicht an mich gedacht zu haben, habe ich kein Recht, meine daran geknüpften persönlichen Bemerkungen auch jetzt noch aufrecht zu erhalten die von dem Herrn Finanzminister mit so erfreulicher Schärfe zurückgewiesene Behauptung, daß seine Äußerungen eine .Absage' an den Verein f[ür] Sozialpolitik bezweckten, stammte, wie meine Erklärung deutlich ergab, nicht von mir, sondern, ebenso wie die Entstellung einer der Bemerkungen des Ministers in ihr gerades 20 Gegentheil, von der .Deutschen lndustriez[ei]t[un]g'."
17 Soziale Praxis. Centralblatt für Sozialpolitik, Nr. 25 vom 23. März 1899, Sp.668f. 18 Ebd., Sp. 668. 19 Ebd. 20 Brief an Ernst Francke, undat. [23. oder 24. März 1899], Abschrift von Ernst Francke, BA Koblenz, Nl. Ernst Francke, Nr. 5.
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Herr v. Miquel und die
Landarbeiter-Enquete
Inzwischen war ein weiterer Artikel in der Deutschen Industrie-Zeitung zur Auseinandersetzung über die Rede Miquels erschienen.21 Die an die Adresse der Deutschen Industrie-Zeitung gerichteten Vorwürfe Max Webers wurden scharf zurückgewiesen; die Ausführungen seien nicht gegen ihn gerichtet gewesen, vielmehr habe man damit zum Ausdruck bringen wollen, daß sich in industriellen Kreisen eine gewisse Mißstimmung gegen den Verein für Socialpolitik ausgebreitet habe, denn dieser sei „zum Träger einer einseitigen Richtung" geworden. 22 Teils hätten die wissenschaftlichen Arbeiten selbst die Frage dieser Richtung angenommen, teils würden sie in diesem Sinne ausgedeutet. An die Adresse Miquels gewandt, der Max Weber ja vorgeworfen hatte, sich auf „ungenaue Zeitungsberichte" gestützt zu haben, schrieb die Industrie-Zeitung, sie habe Miquels Rede aus dem Abdruck im Deutschen Reichsanzeiger übernommen. „Wir können uns nicht entschließen", fuhr sie fort, „die daselbst stets in gesperrtem Satz veröffentlichten Reden der höchsten Staatsbeamten als .ungenaue Zeitungsberichte' aufzufassen." 23 Insbesondere diese Schlußbemerkung veranlaßte Max Weber, von einer erneuten Stellungnahme gegen Miquel abzusehen. Am 25. März 1899 schrieb er an Ernst Francke: „Ich bitte Sie, nachdem nunmehr die,Industrie-Zeitung'ihre Sache gegen Miquel führt, meine Replik unabgedruckt zu lassen, da ich dem par nobile fratrum das Waschen ihrer Wäsche nicht stören möchte, es mir auch doch widerstrebt, auf die skandalös unehrliche Erklärung M.'s mit einer mehr oder minder feindlichen Schlußbemerkung zu reagieren." 24
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift „Herr v. Miquel und die Landarbeiter-Enquete des Vereins für Sozialpolitik" in: Soziale Praxis. Centraiblatt für Sozialpolitik, hg. v. Ernst Francke, Berlin, Nr. 24 vom 16. März 1899, Sp. 640-642, erschienen ist (A). Der Artikel erschien in der Rubrik „Allgemeine Sozial- und Wirthschaftspolitik". Ihm war die redaktionelle Anmerkung vorangestellt: „Wir erhalten folgende Zuschrift:". Webers eigene Anmerkung bindet in A mit Sternchen an. Dies wurde hier durch die Indizierung mit in offene Klammern gesetzte Ziffern ersetzt. Der Text ist gezeichnet „Heidelberg. Max Weber."
21 Deutsche Industrie-Zeitung, Nr. 12 vom 22. März 1899, S. 163f. 22 Ebd., S. 163. 23 Ebd., S. 164. 24 Brief an Ernst Francke vom 25. März 1899, ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Gustav Schmoller, Nr. 191 a.
Herr v. Miquel und die Landarbeiter-Enquete des Vereins für Sozialpolitik3
In der „Deutschen Industriezeitung" (Nr. 7 vom 15. Februar d.J.) findet sich in einer Besprechung der Landtagsverhandlungen vom 5 9. —11. Februar d.J. über den Antrag Gamp, betreffend die ländlichen Arbeiterverhältnisse, Folgendes: b
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Besonders hervorheben möchten wir eine Äußerung des Finanzministers über den Verein für Sozialpolitik, auf dessen Erhebungen sich | die A 641 freisinnigen Abgeordneten Hirsch und Barth bezogen hatten. Herr von Miquel sagte nämlich wörtlich: „Ich habe mich aber nicht deswegen zum Worte gemeldet, sondern um Zeugniß abzulegen über den Verein für Sozialpolitik, dessen Mitglied ich selbst noch bin, obwohl nicht mehr ein thätiges, und daher genau weiß, was die Bücher, die der Verein herausgiebt, bedeuten. Man hat nun gesagt, diese Enqueten fänden statt unter der Autorität der Regierung. Davon ist mir nichts bekannt. Man hat dann auf einzelne Berichte von einzelnen Personen, die dem Vereinsvorstand und selbst den Dezernenten, die für bestimmte Gegenden das Dezernat übernommen haben, oft nicht mal persönlich bekannt sind, ein autoritatives Gewicht gelegt, als wenn den großen Wahrheiten dieser einzelnen Berichte überhaupt nicht widersprochen werden könnte. Herr Dr. Barth hat meiner Meinung nach ganz mit Unrecht diejenigen Redner getadelt, welche berichten aus ihrer eigenen Lebenskenntniß der Verhältnisse in bestimmten Gegenden. Meine Herren, ich bin der Meinung, die sichersten Berichterstatter sind die, die die Sachen selbst gesehen, gehört und erlebt haben. Aber ein Buch lesen von einem einzelnen Menschen,der dem Leser gar nicht bekannt ist, dessen Wissen und ZuverIcissigkeit, dessen Stellung zu allen sozialen Fragen ihm vollkommen schleierhaftsind, und darauf ein solches Gewicht zu legen, wie man legen muß auf das Zeugniß eines Mannes, der die Dinge aus eigener Wissenschaft kennt, das ist eine Verwechselung, die ich gar nicht begreife. Wie wird das in dem
^ Herr Hirsch hatte nur mich mit Namen citirt. |
a In A folgt der redaktionelle Zusatz: Wir erhalten folgende Zuschrift: Petitdruck in A; von Weber zitierter fremder Text.
A 641
b-b
(S.684):
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Herr v. Miquel und die Landarbeiter-Enquête
Verein gemacht? Es wird beschlossen, eine Enquête über die Lage der Landarbeiter in Deutschland. Ich halte es für im höchsten Grade wünschenswerth, daß diese Lage gründlich aufgeklärt wird. Jetzt vertheilt der Verein Dezernate für bestimmte Gegenden, und da übernimmt ein Dezernent einen bestimmten Bezirk und wendet sich nun an eine ganze Menge Personen, 1 die ihm dem Namen nach bekannt sind, von welchen er annimmt, sie verstehen etwas, sie sind auch willig dazu, zu berichten. Er kennt diese Personen vielfach persönlich überhaupt nicht, und die Briefe, die nun diese Leute schreiben, werden in das Buch aufgenommen. Die Gesammtheit der Berichte macht gar nicht einen richtigen Eindruck, aber schwören wie auf ein Evangelium auf den Bericht eines einzelnen Mannes fällt dem Verein und dem Vereinsvorstand auch seinerseits niemals ein. Ich glaube daher, daß die Bedeutung der einzelnen Berichte gänzlich verkannt wird. Wenn die Herren keine besseren Beweise beibringen, kann ich nicht viel darauf geben." Das ist eine klare Absage der Regierung an jene „wissenschaftlichen" Bestrebungen, die angeblich nur unparteiisch gesammeltes Material liefern wollen, in Wirklichkeit aber in der Presse und namentlich auf den Generalversammlungen des genannten Vereins zu tendenziöser Zurechtmachung derThatsachen und Zahlen führen. Mit denselben Zahlen kann man je nach der Gruppirung die verschiedensten Beweise erbringen; die Zahlen des „Vereins für Sozialpolitik" sind bis jetzt hauptsächlich zu dem Beweis gemißbraucht worden, daß die Arbeiter Deutschlands eigentlich eine rechtlose und unterdrückte Klasse seien. Diese Thatsache spricht ja natürlich nicht gegen diese Statistiken selbst, sondern nur gegen ihre Überschätzung und unbedingte Annahme als untrüglich. Sollte diese Ansicht durch die Worte des selbst als früher thätiges Mitglied dem Verein angehörenden Finanzministers einen Stoß erlitten haben, so wäre das ein erfreulicher Erfolg."
Das Stenogramm ergiebt, daß an der zweiten der (von mir) gesperrten Stellen Herr v. Miquel das Gegentheil des im Bericht der „Industriezeitung" Wiedergegebenen sagte. 2 Sonst ist die Wiedergabe korrekt. In Betreff des Werthes der citirten Enquete über die Landarbeiter darf ich die Rechte des Abgeordnetenhauses, deren
1 Im Bericht der Deutschen Industrie-Zeitung heißt es: „eine ganze Menge von Person e n " . Deutsche Industrie-Zeitung. Organ des Zentralverbandes Deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung nationaler Arbeit, Nr. 7 v o m 15. Febr. 1899, S. 86. 2 Die entsprechende Passage hatte gelautet: „Die Gesammtheit der Berichte macht gewiß einen richtigen Eindruck". Sten. Ber. pr. AH, 19.Leg. Per., I.Sess. 1899, B a n d l , S. 520.
Herr v. Miguel und die
Landarbeiter-Enquète
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„lebhafter Beifall" die abgedruckten Worte begleitete, und die „Industriezeitung" wohl auf den bald nach Erscheinen der Enquete erfolgten Leitartikel der „Kreuzzeitung"3 und auf die Äußerungen des in diesem Punkte gewiß unverdächtigen früheren Abgeordneten v. Hammerstein im Reichstage 4 verweisen. Diese hier nochmals abzudrucken, wäre zu weitläufig. Was Herrn v. Miquel anlangt, so genügt es, auf seine nach Form und Inhalt gleich befremdlichen Bemerkungen Folgendes zu sagen: 1. Es ist ihm hinlänglich bekannt, daß die Erhebungen des Vereins anders, als er sie schildert, vorgenommen wurden, daß insbesondere die Berichterstatter ausschließlich von den Interessenvertretungen der Landwirthe als die für die Berichterstattung geeignetsten Personen ausgewählt und dem Verein bezeichnet worden waren. 5 Dieselben waren ausschließlich solche Personen, welche der Minister jetzt als die allein zur Beurtheilung der Landarbeiterverhältnisse berufenen bezeichnet hat. 6 2. Herr v. Miquel gestattet sich, meine „Zuverlässigkeit" anzutasten, indem er sie als eine (dem Abgeordneten Hirsch!) „schleierhafte" bezeichnete. - Es ist für Herrn v. Miquel aus guten Gründen noch gewagter als für Andere, den Charakter irgend Jemandes in Frage zu ziehen, 7 auch wenn ihm derselbe, wie er dies bezüglich meiner
3 Gemeint ist der Artikel „Klagen des östlichen Großgrundbesitzes", in dem die Kreuzzeitung Max Webers Band über die Lage der ostelbischen Landarbeiter positiv erwähnt und Weber zwar ausführlich, allerdings verzerrend und so für ihre politische Position vereinnahmend, zitiert hatte. Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung), Nr. 56 vom 2. Febr. 1893, Ab. Bl. 4 Der ehemalige konservative Abgeordnete und Chefredakteur der Kreuzzeitung, Wilhelm Freiherr von Hammerstein, hatte am 14. Februar 1893 den freisinnigen Abgeordneten Theodor Barth im Reichstag auf die Enquete des Vereins für Socialpolitik verwiesen, in der festgestellt sei, daß gerade da, „wo die alten patriarchalischen Verhältnisse auf dem Lande" noch herrschten, der Nahrungsstand der Arbeiter hoch sei und durchaus den Vergleich mit dem der höher entlohnten Industriearbeiter aushalte. Sten. Ber. Band 128, S. 1037. 5 Der Leiter der Enquete, Hugo Thiel, hatte sich 1891 in einem Rundschreiben an die Generalsekretäre der landwirtschaftlichen Zentralvereine gewandt mit der Bitte, sowohl für die Beantwortung des speziellen als auch des allgemeinen Fragebogens geeignete Berichterstatter unter den ländlichen Arbeitgebern auszuwählen. Riesebrodt, S. 21. 6 Miquel hatte gesagt: „Meine Herren, ich bin der Meinung, die sichersten Berichterstatter sind die, die die Sachen selbst gesehen, gehört und erlebt haben." Sten. Ber. pr. AH, 19. Leg. Per., I. Sess. 1899, Band 1, S. 519. 7 Vermutlich handelt es sich um eine Anspielung auf Miquels schillernde politische Vergangenheit: Miquel war zur Zeit der 48er Revolution Republikaner und während der
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Herr v. Miquel und die
Landarbeiter-Enquete
offenbar andeuten will, gänzlich unbekannt ist. Diese Unbekanntschaft mit einem so jungen Dozenten, wie ich es bin, wird ja Niemand A 642 Wunder nehmen, nur ist sie ziemlich neuen | Datums, da er seiner Zeit mir die - wie ich heute gestehe, höchst fragwürdige - Ehre einer persönlichen Einladung im „engsten Kreise" angedeihen ließ zu dem ausschließlichen Zwecke, mir seine höchste Befriedigung über meine Enquetebearbeitung auszusprechen. 8 Was diese Enquetebearbeitung selbst anlangt, so brauche ich im Übrigen kaum hinzuzufügen, daß ich sie nicht etwa für eine besondere wissenschaftliche Leistung ansehe, sondern für sie lediglich den Charakter als einer unparteiischen Zusammenstellung und Verarbeitung der Angaben der Berichte in Anspruch nehme. Bei einem so ungeheuren Material wäre das Vorkommen zahlreicher Einzelirrthümer an sich nichts Wunderbares. Den größeren Theil der Arbeit habe ich selbst noch nach dem Druck, solange das Material mir zur Verfügung stand, daraufhin nochmals prüfen können. Nach meinen Notizen haben sich aber dabei, abgesehen von einigen sofort als solche in die Augen fallenden Druckfehlern in einigen Tabellen, nur so gänzlich gleichgültige Kleinigkeiten gefunden, daß es nicht den geringsten sachlichen Zweck hätte, sie, wie ich bei Vornahme der Prüfung beabsichtigte, bei etwaigen künftigen Arbeiten auf diesem Gebiete anzuführen. Die von Herrn Hirsch citirten Berichtstellen hatte ich zum Theil meines Erinnerns im Original in mein Manuskript eingefügt, so daß hier selbst Abschreibefehler ausgeschlossen sind.
Reaktionszeit Anhänger von Karl Marx; während der Bismarckzeit stieg er zu einem der profiliertesten Nationalliberalen auf und bereitete 1884 mit der Heidelberger Erklärung die Anlehnung der Nationalliberalen an die Konservativen vor; 1890 wurde er preußischer Finanzminister; als solcher führte er die preußischen Steuerreformen durch, die, was die Kommunalsteuerreform von 1893 anbelangt, zu einer erheblichen Entlastung des Grundbesitzes führten. 8 Siehe den Editorischen Bericht, S. 680.
Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands
Editorischer Bericht
Zur Entstehung 1892/93 führte der Evangelisch-soziale Kongreß eine Erhebung über die Lage der Landarbeiter im Deutschen Reich durch, wobei er sich im Gegensatz zu der Enquete des Vereins für Socialpolitik aus dem Jahre 1891/92 nicht an die ländlichen Arbeitgeber, sondern an die evangelischen Geistlichen wandte. Die Initiative zu dieser Erhebung war von Max Weber und Paul Göhre, dem damaligen Generalsekretär des Kongresses, ausgegangen. 1 Göhre hoffte, daß die Geistlichen durch die Enquete stärker mit ihrer sozialen Umgebung vertraut würden, während Weber eine wichtige Ergänzung der Ergebnisse der Enquete des Vereins für Socialpolitik erwartete. Im Herbst 1892 entwarfen Göhre und Weber auf Veranlassung des Aktionskomitees des Evangelisch-sozialen Kongresses einen Fragebogen, der von den Mitgliedern des Aktionskomitees, von „einer größeren Anzahl bekannter und urteilsfähiger Landgeistlichen, mehreren nationalökonomischen Fachleuten" sowie von einer vom Aktionskomitee gewählten, besonderen Kommission begutachtet wurde. 2 An dieser Begutachtung, die eine Reihe von Ergänzungen und Veränderungen nach sich zog, waren der Berliner Nationalökonom Adolph Wagner sowie der Vorsitzende des Kongresses, Landesökonomierat Moritz August Nobbe, maßgeblich beteiligt. 3 Welchen Anteil Max Weber im einzelnen an der Abfassung des Fragebogens gehabt hat, ist nicht bekannt. Der Fragebogen wurde im Januar 1893 an alle evan-
1 Zur Vorgeschichte und zum weiteren Verlauf der Erhebung sowie zur Rolle Max Webers siehe in diesem Band auch die folgenden Artikel Webers einschließlich der Editorischen Berichte: „.Privatenquêten'über die Lage der Landarbeiter" (S. 7 1 - 1 0 5 ) , „Die Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Verhältnisse der Landarbeiter Deutschlands" (S. 2 0 8 - 2 1 9 ) , „Monographien von Landgeistlichen über die Lage der Landarbeiter" (S. 2 7 2 - 2 8 1 ) und „Die deutschen Landarbeiter. [Korreferat und Diskussionsbeitrag auf dem fünften Evangelisch-sozialen Kongreß am 16. Mai 1894] " (S. 3 0 8 - 3 4 5 ) . 2 „Die Enquête über die Lage der ländlichen Arbeiter", in: Mitteilungen des Evangelischsozialen Kongresses, Nr. 1 von Januar 1893, S. 6f. 3 Ebd., sowie: Weber, Max, Die Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Verhältnisse der Landarbeiter Deutschlands, oben, S.210f.
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Die Landarbeiter
Norddeutschlands
gelischen Pfarrämter im Deutschen Reich versandt. 4 Von den ca. 15000 verschickten Fragebögen wurden bis zum I . J u n i 1893 rund 1000 beantwortet. 5 Weber und Göhre begannen im Sommer 1893 mit der Auswertung des einlaufenden Materials. 6 Paul Göhre bearbeitete den Westen und Süden, während Weber das gesamte Gebiet östlich der Elbe sowie, westlich der Elbe, die Provinz Sachsen und Anhalt übernahm. Auf dem fünften Evangelisch-sozialen Kongreß am 16. Mai 1894 trugen sie erste Ergebnisse vor. 7 Eine weitere systematische Bearbeitung und Auswertung des Materials kam indes, was Weber betrifft, angesichts seiner Berufungen nach Freiburg und Heidelberg sowie dem damit verbundenen Fachwechsel nicht zustande. Zwar ließ Weber nach seiner Übersiedlung nach Freiburg im Herbst 1894 das Material durch Hilfskräfte weiter sichten und bearbeiten, doch rechnete er im Grunde nicht mehr mit neuen, wesentlichen Ergebnissen, sondern nur noch mit einer Bestätigung der bereits durch die Enquete des Vereins für Socialpolitik gewonnenen Einsichten. 8 Er selbst verfolgte daher eine weitere Bearbeitung nicht mehr. Aus den eingegangenen Antworten entnahm er zum Teil Informationen für spätere Arbeiten. 9 Die Fragebögen mit den Berichten der Geistlichen leitete er in Heidelberg an eine Reihe von Doktoranden zur systematischen Auswertung weiter. Ursprünglich plante er, die Ergebnisse im Rahmen der von Ihm mitherausgegebenen Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen zu veröffentlichen, entschloß sich dann aber zur Begründung einer eigenständigen Reihe. 10 1899 erschienen die ersten beiden Hefte der Reihe „Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands", 1 1 1902 das von 4 Beide Angaben ebd. 5 Jahresbericht des Generalsekretärs Paul Göhre, in: Bericht über die Verhandlungen des Vierten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Berlin am 1. und 2. Juni 1893. - Berlin: Rehtwisch & Langewort 1893, S. 7. 6 Göhre, Paul, Die deutschen Landarbeiter, in: Bericht über die Verhandlungen des Fünften Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Frankfurt am Main am 16. und 17. Mai 1894. - Berlin: Rehtwisch & Langewort 1894, S. 43. 7 Ebd., S. 4 3 - 6 1 und S.61-82. Der Beitrag Webers ist in diesem Band abgedruckt, S. 313-345. 8 Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 213. 9 So für seine Freiburger Antrittsrede, oben, S. 543-574, worauf Marianne Weber verweist. Weber, Marianne, Lebensbild1, S.214. Zu seinen Plänen einer agrarstatistischen Arbeit, siehe oben, S. 24f. 10 Briefe an Paul Siebeck vom 27. März, 28. Mai und 12. Sept. [1898], VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Vgl. auch oben, S. 674-676. 11 Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses, hg. von Max Weber. Erstes Heft: Goldschmidt, Salli, Die Landarbeiter in der Provinz Sachsen, sowie den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt. - Tübingen: H.Laupp 1899; Zweites Heft: Grunenberg, Andreas, Die Landarbeiter in den Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover östlich der Weser, sowie in dem Gebiete des Fürstentums Lübeck und der freien Städte Lübeck, Hamburg und Bremen. -Tübingen: H. Laupp 1899.
Editorischer
Bericht
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Alfred Klee bearbeitete dritte Heft. 12 Ein viertes Heft sollte das Gebiet nordöstlich der Elbe bis zur russischen Grenze behandeln. 13 In einem Schlußheft 14 sollten zudem ausgewählte Berichte der Landgeistlichen aus den verschiedenen Regionen abgedruckt werden, und Max Weber selbst wollte ein „Resümee" der Enquete ziehen. 15 Heft vier und das Schlußheft sind jedoch nicht mehr erschienen. Vermutlich aufgrund seiner Erkrankung konnte Weber weder seine Herausgebertätigkeit fortführen, noch den Plan einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Erhebung verwirklichen. Das den Nordosten Deutschlands betreffende Material wurde stattdessen nur im Rahmen zweier von ihm mehr oder weniger intensiv betreuter Dissertationen ausgewertet und veröffentlicht. 16 Weiteres Material stellte Weber schließlich Eugen Katz, einem Schüler des Münchener Nationalökonomen Lujo Brentano und Mitglied des National-Sozialen Vereins in München, zur Verfügung. 17 Die Berichte der Landgeistlichen, die Weber den Bearbeitern zur Auswertung überlassen hatte, wurden anschließend wieder an ihn bzw. sein Heidelberger Seminar zurückgeschickt. 18 Über deren weiteren Verbleib ist nichts bekannt. Für das erste Heft der „Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands" verfaßte Max Weber einen Werbetext und eine Vorbemerkung, die im folgenden unter 1. und 2. abgedruckt sind. Das Manuskript des Werbetextes, das in der Verlagskorrespondenz überliefert ist, sandte
12 Drittes Heft: Klee, Alfred, Die Landarbeiter in Nieder- und Mittelschlesien und der Südhälfte der Mark Brandenburg. - Tübingen: H. Laupp 1902. Von den drei Heften (vgl. auch Anm. 11) erschienen jeweils gleichzeitig Teilabdrucke als Dissertationsexemplare. 13 Siehe Webers Ankündigung, unten, S. 707. 14 Siehe Webers Ankündigung, unten, S. 708. 15 Ebd.; widersprüchlich dazu die Ankündigung Webers in seinem Brief an die Laupp' sehe Buchhandlung vom 12. Juni [1899], die Reihe werde insgesamt nur vier Hefte umfassen. 16 Gerhardt, Felix, Die Landarbeiter in der Provinz Ostpreußen. - Lucka: Druck von Reinhard Berger 1902; Breinlinger, Karl Borries, Die Landarbeiterin Pommern und Mecklenburg. Dargestellt nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses. Heidelberg: E. Geisendörfer 1903. Ein Gutachten Webers über die Dissertation Breinlingers vom 23. Juni 1903 befindet sich im UA Heidelberg, H-IV-102/135, Bl. 715. Gerhardt bemerkt im Vorwort seiner Dissertation, daß Weber aufgrund seiner Erkrankung die Arbeit nur unzureichend betreuen konnte. Gerhardt, Landarbeiter, S. IV. 17 Katz, Eugen, Landarbeiterund Landwirtschaft in Oberhessen (Münchener Volkswirtschaftliche Studien, hg. von Lujo Brentano und Walther Lötz, 64). - Stuttgart und Berlin: J.G.Cotta 1904, S.VII. Katz führte 1901/02 eine die Enquete des Evangelisch-sozialen Kongresses ergänzende Erhebung über die Lage der Landarbeiter in Oberhessen durch, und zwar mit Hilfe eines Fragebogens, den er in engster Anlehnung an den Fragebogen Webers und Göhres verfaßt hatte. Ebd., S. VII—XIV. 18 So zumindest im Fall von Salli Goldschmidt. Brief von Salli Goldschmidt vom 22. Mai 1899 an Max Weber, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446.
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Die Landarbeiter
Norddeutschlands
Weber am oder unmittelbar vor dem 13. Februar 1899 an den Verlag.19 Es wurde auf der Innenseite des Umschlags des ersten Landarbeiterheftes veröffentlicht und diente auch in den späteren Heften als Umschlagtext bzw. war als Prospekt beigefügt.20 In der dem ersten Landarbeiterheft vorangestellten Vorbemerkung teilte Weber vor allem den von Paul Göhre und ihm 1892 verfaßten Fragebogen mit. Ein Original dieses Fragebogens aus dem Jahre 1892 ließ sich nicht mehr auffinden. Aufbau und Anordnung des Fragebogens diskutierte Weber 1893 in seinem Artikel „Die Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Verhältnisse der Landarbeiter Deutschlands".21 An dem ersten Heft nahm Weber vor dem Druck noch einige Korrekturen vor.22 Am zweiten Heft der Reihe hat sich Max Weber nicht mehr aktiv als Herausgeber beteiligt; entgegen seiner ursprünglichen Absicht23 fügte er dem Vorwort des Verfassers Andreas Grunenberg nur eine Fußnote hinzu, die hier unter 3. mitgeteilt wird. Sie bezog sich auch auf das erste Heft und begründete die Nichtberücksichtigung der Berufsstatistik von 1895. Beide Landarbeiterhefte wurden im Börsenblatt des deutschen Buchhandels am 1. Juni 1899 angezeigt.24
Zur Überlieferung
und Edition
Es handelt sich um die folgenden Texte: 1. [Werbetext], Von dem Werbetext ist das Manuskript (A) überliefert. Es befindet sich im VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Wie aus den beilie-
19 Webers Briefkarte an Paul Siebeck, die undatiert ist, trägt den Eingangsvermerk: „13.11. 99". Siebeck antwortete Weber umgehend unter dem gleichen Datum. Beide Schreiben: VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. Die H.Laupp'sche Buchhandlung, in der die Landarbeiterhefte erschienen, befand sich seit einer Generation im Besitz der Familie Siebeck. 20 Siehe „Zur Überlieferung und Edition". 21 Oben, S. 209-219. Ansätze zu einem Vergleich der Fragebögen des Evangelischsozialen Kongresses und des Vereins für Socialpolitik aus dem Jahre 1891 finden sich bei Oberschall, Anthony, Empirical Social Research in Germany 1848-1914. - Paris: Mouton & Co. 1965, S. 30-32. 22 Vgl. den Brief an Paul Siebeck vom 1. Dez. [1898], VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 23 In einem Brief an Paul Siebeck vom 12. Sept. [1898], VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446, hatte Weber ursprünglich auch die Abfassung von Vorworten für die nachfolgenden Hefte angekündigt. 24 Vgl. „Zur Überlieferung und Edition", Anm. 1.
Editorischer Bericht
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genden Briefkarten Max Webers und Paul Siebecks hervorgeht, stammt es entweder vom 13. Februar 1899 oder von einem der unmittelbar vorausgehenden Tage. Es wurde auf der Innenseite des broschierten Umschlags des ersten Landarbeiterheftes: Die Landarbeiterin den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses, hg. von Max Weber. 1. Heft: Goldschmidt, Salli, Die Landarbeiter in der Provinz Sachsen, sowie den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt. - Tübingen: H.Laupp 1899, veröffentlicht (B). Unveränderte Nachdrucke finden sich u. a. in den Broschüren der Volkswirtschaftlichen Abhandlungen der Badischen Hochschulen. 2. Band, 3. Heft; 3. Band, 1., 2. und 3. Heft; jeweils: Freiburg i. B.: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1899. Im Exemplar der BSB München ist außerdem im 2. Band, 3. Heft, ein Verlagsprospekt mit Bestellzetteln eingebunden. Auf der ersten Seite des Prospektes unten ¡steingedruckt: „1899.12". Diese Nachdrucke bleiben im folgenden unberücksichtigt. Der veröffentlichte TextB weicht in Orthographie, Zeichensetzung und vor allem in zwei auf Lesefehler zurückgehenden Varianten vom Manuskript ab. Aus Bleistiftnotizen Paul Siebecks auf dem Manuskript geht eindeutig hervor, daß es sich dabei um Lesefehler handelt. Dem Abdruck wird daher nicht der veröffentlichte Text, sondern Webers Manuskript A zugrundegelegt. Die Abweichungen des gedruckten Textes B werden als Varianten annotiert. B ist folgende Überschrift vorangestellt: „In meinem Verlage beginnt zu erscheinen: Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses herausgegeben von Dr. Max Weber, Professor der Politischen Ökonomie an der Universität Heidelberg." 2. Vorbemerkung des Herausgebers. Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift „Vorbemerkung des Herausgebers" in: Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses, hg. von Max Weber. 1. Heft: Goldschmidt, Salli, Die Landarbeiter in der Provinz Sachsen, sowie den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt. - Tübingen: H. Laupp 1899, S. 1 - 1 1 , erschienen ist (A). Er besteht im wesentlichen aus dem Fragebogen und trägt am Ende die Ortsangabe Heidelberg und den Namen Max Webers. Der Herausgeber des vorliegenden Bandes hat übergeordnete Gliederungsbuchstaben zwecks besserer Übersichtlichkeit im Text hervorgehoben. 3. [Anmerkung des Herausgebers], Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der in: Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzel-
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Die Landarbeiter
Norddeutschlands
darstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-Sozialen Kongresses, hg. von Max Weber. 2. Heft: Grunenberg, Andreas, Die Landarbeiter in den Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover östlich der Weser, sowie in dem Gebiete des Fürstentums Lübeck und der freien Städte Lübeck, Hamburg und B r e m e n . - T ü b i n g e n : H. Laupp 1899, S. VI, Fußnote, erschienen ist (A). Die Anmerkung ist unterschrieben mit: Der Herausgeber. Heft eins und zwei erschienen am I . J u n i 1899, 1 somit auch die drei im folgenden abgedruckten Texte.
1 Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 22 vom 1. Juni 1899, S. 546.
Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands
1.
[Werbetext] 5 Diese in zwanglosen Heften erfolgende Publikation 3 kommt in einem Augenblick sehr zeitgemäß, in welchem die Gründe der „Leutenoth" b des platten Landes die öffentliche Aufmerksamkeit beschäftigen. Über die Lage der Landarbeiter ein objektives Bild zu gewinnen^] ist fast unmöglich. Die Leute selbst nach ihren Verhältnissen 10 zu fragen[,j geht kaum an, sie stehen dazu im Allgemeinen auf einem zu tiefen Niveau. Die bisherigen Enqueten - c Ende der vierziger, Anfang der siebziger, Anfang der neunziger Jahre - d 1 fußen einseitig auf Angaben der Arbeitgeber e . Der 'Evangelisch-soziale Congreß 9 'hat den glücklichen Gedanken gehabt und durch seinen frühe15 ren Generalsekretär Paul Göhreh ausführen lassen^] die Landgeistlichen' als unparteiischek Gewährsmänner heranzuziehen, und es ist gelungen, durch diese indirekt auch die Arbeiter, welche 'ihrer Seelsorge unterstehen', zu Worte kommen zu lassen. Darin liegt das Einzigartige m des Materials, welches hier verarbeitet ist. n Die ersten 20 Hefte, welche Sachsen, Ost-Hannover, Schleswig-Holstein umfassen^] werden für den im Mai in Kiel tagenden Congreß 2 und dessen Teilnehmer von besonderem Interesse sein."
a B: Publication b B: „Leutenot" c B: Enqueten( d B: Jahre) e In B h B: Generalsenicht hervorgehoben. f In B hervorgehoben. g B: Kongreß kretär, Paul Göhre, i In B nicht hervorgehoben. k In B nicht hervorgehoben. I B: ihren Seelsorgern Aussagen machten m B: Eigenartige n Fehlt in B. Es folgen statt dessen die bibliographischen und Preisangaben der ersten beiden Hefte.
1 Dies bezieht sich auf die Erhebungen des preußischen Landesökonomiekollegiums von 1848/49, des Kongresses deutscher Landwirte von 1872/73 und des Vereins für Socialpolitik von 1891/92. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht in: Lengerke, Arbeiterfrage; Goltz, Lage, und in den Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bände 5 3 - 5 5 . 2 Der Evangelisch-soziale Kongreß tagte am 25. und 26. Mai 1899 in Kiel.
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2.
Vorbemerkung des Herausgebers Das Material der nachstehend beginnenden Publikation entstammt einer Erhebung, welche das „Aktionskomite" des Evangelisch-sozialen Kongresses im Herbst 1892 zu veranstalten beschloß und zu Neujahr 1893 ins Werk setzte durch Versendung des nachstehenden, vom damaligen Generalsekretär, jetzigen Pastor a.D. Paul Göhre unter Mitwirkung des Herausgebers entworfenen, vom Aktionskomite geprüften und gebilligten
Fragebogens: I. Zur allgemeinen Orientierung. 1. Ursprungsort des Berichts (Regierungsbezirk, Kreis, Parochie)? 2. Aus wieviel und welchen Dörfern und selbständigen Gutsbezirken besteht diese Parochie? Aufweiche von ihnen erstrecken sich die mitgeteilten Beobachtungen? 3. Wieviel giebt es innerhalb der Parochie: a.im großen bewirtschaftete Güter? b. mittlere Bauerngüter, welche regelmäßig fremder Arbeitskräfte bedürfen? c. kleine, regelmäßig von der Familie allein bewirtschaftete? 4. Welche Arten von Arbeitskräften verwenden regelmäßig a. die großen Güter? b. die bäuerlichen Wirtschaften? Nämlich: a. lediges, vom Arbeitgeber beköstigtes Gesinde? b. verheiratetes, vom Arbeitgeber beköstigtes Gesinde? c. Arbeiter, die durch Kontrakt oder Angeld zu regelmäßiger Arbeit auf Gütern oder bei Bauern verpflichtet sind und aa. in vom Arbeitgeber gestellten Wohnungen auf dem Gute oder in den Dörfern, bb. in eigenen Wohnungen wohnen (Dienstleute, Instleute, Deputanten, Gutstagelöhner)? d. Arbeiter, die Land in Pacht nehmen und dafür zeitweise im Jahre Arbeit leisten (Heuerlinge, Kötter, Arröder)? e. Arbeiter, welche auf eignem Besitze wohnen (Eigentümer, Stellenbesitzer, Büdner, Häusler), oder in Dörfern sich einmieten (Einlieger, Hochmieter, Bauerspeicher) und gegen Tagelohn regelmäßig oder nur zeitweise auf Arbeit gehen?/, welche sonstigen Arbeiter?
Vorbemerkung
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5. Falls es dem Herrn Referenten möglich ist, wird um Mitteilung des Zahlenverhältnisses gebeten, in dem diese verschiedenen Kategorien der Arbeiter am Orte unter einander stehen, auch der Zahl der Arbeiter, die von den einzelnen Wirtschaften bestimmter Größe (die anzugeben wäre) gewöhnlich gehalten werden, sowie, ob in diesen Verhältnissen sich in den letzten zwei Jahrzehnten etwas geändert hat zu Gunsten oder Ungunsten einer bestimmten Kategorie. 6. Werden neben den Kategorien ad 4 oder den sonstigen einheimischen Arbeitern | von entfernter liegenden Ortschaften oder aus A 2 anderen Gegenden oder dem Auslande Arbeiter zur Ernte oder für den Sommer (Sachsengänger, Wanderarbeiter) herangezogen? Woher? Welchen Geschlechts? Welchen Alters? In welcher ungefähren Zahl? 7. Ist ein Pfarracker - Schulacker, Stiftungsacker - vorhanden? Wie groß ist er? Wie wird er benutzt? Wenn verpachtet - wie hoch ist der Pachtzins jetzt und früher? An wieviel Parteien wird er verpachtet? An Bauern, Kleinstellenbesitzer oder Tagelöhnerfamilien? Und zwar in letzterem Falle, welcher Kategorie? 8. Falls dem Herrn Referenten bekannt ist, bitte mitzuteilen: a. übliche Fruchtfolge bei den Bauern; werden Handelsgewächse gebaut (Zuckerrüben, Tabak, Hopfen, Raps u. s. w.)? b. übliche Art der Regulierung bei Erbschaften; Häufigkeit von Teilungen im Erbfall oder auf Spekulation; C.Häufigkeit des Besitzwechsels; d.Häufigkeit der Pachtverhältnisse; e. ob jederzeit Gelegenheit zu a Parzellenkauf oder -Pacht vorhanden ist? f. Höhe der pro ha üblichen Pacht, sowie die Dauer der üblichen Pachtzeit bei Parzellenpacht? 9. Konfession und Nationalität der Bevölkerung im allgemeinen und der Arbeiter im besonderen (es wird gebeten, bei der nachfolgenden Darstellung etwaige daraus sich ergebende Unterschiede mit zu berücksichtigen und ausdrücklich mit anzugeben[)]?
a A: zum
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Die Landarbeiter
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II. Allgemeine Lage der Arbeiter.
A. In materieller Beziehung: 1. Falls es vorkommt, daß Leute mit eignem Grundbesitz oder selbständige Kleinpächter zeitweise oder regelmäßig Lohnarbeit suchen, bis zu welcher Größe des Besitzes findet dies statt? 2. Wohnungsverhältnisse der Arbeiter: Und zwar wird gebeten, diese getrennt zu erörtern a. auf größeren Gütern; - b. in Dörfern: Wieviel Räumlichkeiten haben die Familien der verschiedenen Arbeiterkategorien - auf den Gütern, in den Dörfern - zur Verfügung? Wie sind diese beschaffen (Größe, Luft- und Lichtverhältnisse, Baufälligkeit u.s.w.)? Mit was für Hausgerät sind sie gewöhnlich ausgestattet? Wie sind speziell die Schlafräume (ihr gesundheitlicher Wert, Trennung der Geschlechter, der Eltern und Kinder, Zahl der Betten im Verhältnis zur Zahl der Familienglieder u.s.w.)? Bei welcher Kategorie von Arbeitern sind die Wohnungsverhältnisse am günstigsten? Bestehen besondere Arbeiterhäuser und welcher Art (Zahl der Familien in einem Hause, etwaige Mißstände in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung)? Wie sind die Schlafräume für das Gesinde beschaffen? Wie werden auswärtige Arbeiter (Sachsengänger u.s.w.) untergebracht (gesundheitliche und sittliche Mißstände dabei)? Legen die Arbeiter Wert auf die Qualität der Wohnungen überhaupt und in welcher Beziehung? Welche Wünsche und Beschwerden sind dem Herrn Referenten bezüglich der Wohnungsverhältnisse seitens der Arbeiter zu Ohren gekommen? Welchen Mietzins müssen die in den Dörfern eingemieteten Arbeiter (Einlieger), falls solche vorhanden, für ihre Wohnungen zahlen, oder eventuell, wie viel Arbeitstage müssen sie ihrem Vermieter dafür oder auch für das ihnen zur Nutzung überlassene Land leisten? Wie stellen sich die betreffenden Leute zu der letzteren Art des Entgelts? 3. Wie beschaffen sich die einzelnen Arbeiterkategorien ihren Bedarf an Brennwerk (Freiholz, Deputatholz, Holzdiebstahl)? 4. Wo kaufen die Arbeiter ihre Bedarfsgegenstände ein (Entfernung des nächsten Marktortes)? In welchem Umfange besteht Kleinund Hausierhandel am Orte (Zahl der Kramläden u.s.w.)? Mit A 3 welchen Waren und mit welcher Wirkung auf Lebens |haltung, Hauseinrichtung, Luxusbedürfnisse? Welche Kategorien der Arbeiter sind bei Kaufleuten, Hausierern, Wirten verschuldet und mit wel-
Vorbemerkung
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chen Summen etwa (Beispiele)? Werden sie in diesem Falle von diesen und wie ausgebeutet? 5. Landesübliche Ernährungsweise durchschnittlich situierter Arbeiterfamilien: a. Kosten der Nahrung: Zu welchem Preise sind a. Kartoffeln (1 Scheffel, 1 Zentner etc.); b. ein Pfund, Kilo, oder eine sonstige dem Gewicht nach anzugebende Einheit Roggenbrot; c. Milch; d. ein Pfund Fleisch (Rind-, Schweinefleisch, Speck) an Ort und Stelle im Laufe des letzten Jahres oder einer sonstigen näher anzugebenden Zeitspanne käuflich gewesen? b. übliche Kost: Welche Kategorien von Arbeitern werden vom Arbeitgeber beköstigt? Ganz oder teilweise? Ist es den Arbeitern lieber, sich selbst beköstigen zu können, oder von den Arbeitgebern beköstigt zu werden? In letzterem Falle, wie steht es mit der Beköstigung ihrer Angehörigen? Und welche Wirkung hat es auf das Familienleben, wenn sie allein, oder auch die Frauen bei dem Arbeitgeber mit beköstigt werden? Unterscheiden sich die verschiedenen Arbeiterkategorien in ihrer Ernährungsweise und wie? Wie ist insbesondere die Kost zusammengesetzt a. bei denjenigen Arbeitern, die sich selbst beköstigen? b. bei dem Gesinde? c. bei den vom Arbeitgeber beköstigten Arbeitern? Namentlich, wie steht es bei diesen einzelnen Kategorien mit folgenden Verhältnissen: Wie oft giebt es in der Woche Fleischkost? In welchem Umfange findet wöchentlich Brotkonsum statt, zu- oder abnehmend? In welchem Umfange werden Brotsurrogate, Kartoffelmehl u.s.w. gebraucht? Wie groß etwa ist der Umfang des wöchentlichen Konsums an Zerealien (Erbsen, Graupen, Reis, Linsen)? Ist er zu- oder abnehmend? Wie groß ist der Konsum von Butter und Käse? Ist Kaffee ein allgemeines Bedürfnis? Welche Unterschiede sind in der Ernährung der Arbeiter gegenüber anderen Ständen vorhanden (Bauern und etwa vorhandenen Industriearbeitern)? c.Konsum alkoholischer Getränke: Welche Arbeiterkategorien huldigen ihm und in welchem ungefähren Umfange (Angabe des wöchentlichen oder täglichen Konsums von einzelnen typischen Beispielen) . Ist derselbe bei den einzelnen Kategorien zu- oder abnehmend? Aus welchen Gründen? Welche sichtbaren Wirkungen hat die Verteuerung des Branntweins erzielt? Wie steht es mit dem Ersatz des Branntweins durch Bier oder sonstige Getränke? In welchem Umfange kommt Alkoholgenuß bei Frauen und Kindern vor? 6. Arbeitsgelegenheit: Ist solche, soviel dem Referenten bekannt, regelmäßig vorhanden? Insbesondere auch im Winter, an Ort und
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Stelle? Oder für welche Arbeiterkategorien nicht? Wenn nicht, wie beschäftigen sich die Arbeiter und deren Angehörige während der arbeitslosen Zeit? Finden sie in solchen Fällen außerhalb der Landwirtschaft Beschäftigung? Wo? Mit ausreichendem Verdienst oder inwiefern nicht und weshalb nicht? Falls am Orte nicht genügend Arbeitskräfte vorhanden sind, welche Folgen haben sich daraus für die Gesinnung, Leistungsfähigkeit und sittliche Qualität der vorhandenen Arbeiter zu erkennen gegeben? Kommt es häufig vor, daß die einzelnen Arbeiter - auch abgesehen von der Nötigung durch Arbeitslosigkeit - abwechselnd zeitweise in der Landwirtschaft, zeitweise in der Industrie (Fabrik- oder Hausindustrie) oder in anderen Berufen und in welchen thätig sind? Von welchen Kategorien am meisten? Zu- oder abnehmend? Lassen sich Folgen für den Erwerb, die Arbeitstüchtigkeit und die sittliche Qualität der Leute aus dieser Doppelarbeit erkennen? 7. Arbeitszeit: Wenn es bekannt sein sollte, wann pflegt die Arbeit zu beginnen und zu enden: im Sommer? im Winter? Welche Pausen sind innerhalb der Arbeitszeit üblich? Ist die Arbeitszeit der A4 Frauen kürzer? Und um wieviel? Welche Klagen | oder Wünsche über die Arbeitszeit sind dem Herrn Referenten seitens der Arbeiter zu Ohren gekommen? In welchem Umfange kommt ein Arbeiten über die gewöhnliche Zeit hinaus vor? Wie verhalten sich die Arbeiter dazu? Kommt Überanstrengung vor? Wie steht es bei den verschiedenen Kategorien von Arbeitern mit der Sonntagsheiligung? In welchem Umfange und was wird auch am Sonntag für den Arbeitgeber gearbeitet? In welchem Umfange und was wird für die eigene Wirtschaft gearbeitet? Wie stellen sich die Arbeiter zu jeder von beiden Eventualitäten? Wenn Sonntagsruhe im allgemeinen besteht, wie wird der Sonntag und die sonstige Freizeit von den Arbeitern verwendet? 8. Welchen Einfluß hat die Einführung von Maschinenarbeit auf die Arbeitszeit, Lohnhöhe und die Art des Arbeitens gehabt? Aus welchen Thatsachen ist dieser Einfluß ersichtlich? Welche Thatsachen lassen erkennen, ob die Maschinenarbeit die wirtschaftliche Lage der Arbeiter im allgemeinen verbessert oder verschlechtert? Hat insbesondere und eventuell in welchem Umfange die Einführung der Dreschmaschine die Möglichkeit zum Lohnerwerb während des Winters verringert? 9. Wie steht es bei den verschiedenen Kategorien der Arbeiter mit
Vorbemerkung
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der Versorgung in Krankheitsfällen seitens der Arbeitgeber? Wie ist das Urteil der Arbeiter darüber? 10. Wie steht es mit der Armenfürsorge der Gemeinden, bezw. der Güter? In welcher Form wird die Unterstützung (Unterkunft, Kost u.s.w.) gewährt? Was halten die Arbeiter von der bestehenden Armenfürsorge? Inwieweit erachtet der Herr Referent die bestehenden Zustände für nicht befriedigend? B. Familienleben. 1. Bei welchen Kategorien von Arbeitern ist das Zusammenwirken der einzelnen Familienglieder zum gemeinsamen Unterhalte wirtschaftlich am erfolgreichsten organisiert? Wie ist es dann organisiert? Läßt sich namentlich erkennen, ob die Lohnarbeit der Frau oder die Beschäftigung in der eigenen Wirtschaft materiell auf die Gestaltung des Budgets günstiger wirkt? Aus welchen Ursachen? 2. Wie hoch ist durchschnittlich das Alter der Männer und Mädchen bei der Heirat? Bestehen hierbei Unterschiede der Landarbeiter gegenüber a.den Bauern, b. Industriearbeitern? Ist kirchliche Einsegnung die Regel? Kommen wilde Ehen vor? Aus wirtschaftlichen Gründen? In welchem Umfange? Mit welcher sittlichen Wirkung auf die Beteiligten? Wie urteilen die Arbeiter darüber? Wird das eheliche Zusammenleben oft antizipiert? Aus welcher Veranlassung? Was ist die Meinung der Arbeiterschaft darüber? Wird ein solcher geschlechtlicher Umgang junger Leute von den Eltern absichtlich geduldet oder gar begünstigt? Findet häufig geschlechtlicher Verkehr ohne nachfolgende Ehe statt? Kommt es vor, daß junge Eheleute aus Arbeiterkreisen auch noch nach der kirchlichen Trauung aus wirtschaftlichen Gründen (welchen?) von einander getrennt leben? Wo? Wie lange? Wie urteilen die Beteiligten darüber? Wird von Eheleuten die eheliche Treue gewahrt? 3. Stellung der Frau im Hause. Lassen sich hierin irgendwelche Unterschiede gegenüber den anderen ländlichen Gesellschaftsschichten (Bauern, Industriearbeitern u.s.w.) oder unter den einzelnen Arbeiterkategorien erkennen? Und welche? Erwirbt die Frau mit? In welchen Arbeiterkategorien? Wodurch? Wieviel etwa (im Verhältnis zum Lohnerwerb des Mannes)? Bei welchen Arbeiterkategorien ist sie vorwiegend in der eigenen Wirtschaft beschäftigt? Welchen Einfluß hat einerseits die Lohnarbeit, andererseits die Hausarbeit der Frau auf die Gestaltung des Familienlebens? Insbe-
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sondere hebt eine von beiden ihre Stellung dem Manne gegenüber? | A 5 Aus welchen Ursachen? Sind die Frauen einer von beiden besonders geneigt oder abgeneigt? Warum? Führt die Lohnarbeit der Frau zu anderweitigen Mißständen (Gefährdung der Gesundheit, Sittlichkeit, Vernachlässigung der Kindererziehung)? Findet eine Verschonung der Wöchnerinnen mit Arbeit statt und in welcher Art? Schonen die Wöchnerinnen sich selbst? Wie stellen sich die Ehemänner dazu? 4. Kinder: wie groß pflegt durchschnittlich die Anzahl der Kinder in den verschiedenen Arbeiterkategorien zu sein? Wie groß ist etwa die Kindersterblichkeit? Macht sich ein Bestreben bemerkbar, die Kinderzahl einzuschränken: bei den Bauern? bei den etwaigen grundbesitzenden Arbeitern? bei den anderen Arbeiterkategorien? Werden die Kinder der Arbeiter der verschiedenen Kategorien regelmäßiger oder unregelmäßiger getauft und konfirmiert als bei den anderen ländlichen Gesellschaftsschichten? Ist das religiöse Interesse der Konfirmanden bei den Arbeiterkindern stärker oder weniger stark als bei den Kindern der anderen Schichten? Welche Mißstände treten bei der Erziehung der Kinder in den Arbeiterfamilien hervor? Die Kinder welcher Arbeiterkategorien werden am meisten zur Lohnarbeit verwendet? Oder von den Eltern zur Beihilfe in der eigenen Wirtschaft? In welchem Umfange, welchem Alter, zu welchen Arbeiten, mit welcher durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit? Machen sich Folgen bemerkbar für den Schulbesuch, für die Gesundheit, die sittliche und geistige Entwickelung der Kinder und welche? Wie stellen sich die Arbeiter der verschiedenen Kategorien selbst zur Arbeit ihrer Kinder? Bestehen Kleinkinderschulen? In welcher Organisation? Zu welchen Zwecken gegründet? Von den Kindern welcher Kategorien, wie stark und weshalb besucht? Wie urteilen die Arbeiter über sie? 5. Beschäftigung der Halberwachsenen zwischen Schulentlassung und Militärdienstzeit: Welcher Bruchteil der konfirmierten Arbeiterjugend geht jährlich zu andern Berufen über? Zu- oder abnehmend? Von welchen Arbeiterkategorien am meisten und am wenigsten? Zu welchen Berufen am liebsten? Aus welchen Gründen? Liefern sie ihren Lohnverdienst an die Eltern ab oder welchen Bruchteil davon? Wie ist das gegenseitige Verhältnis in solchen Fällen? Bleiben die Halberwachsenen im Hause der Eltern wohnen? Werden sie von den letzteren und inwiefern ausgebeutet?
Vorbemerkung
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6. Alte und invalide Familienangehörige: In welchem Umfange und welcher Weise wird für dieselben gesorgt? Und zwar seitens der Angehörigen? Seitens der Arbeitgeber? Ist ihr Verhältnis zu ersteren den Geboten christlicher Liebe entsprechend? Hat das Altersund Invaliditätsgesetz hier Wirkungen gehabt und welche? Wie beurteilen die Leute dies und die übrigen sozialpolitischen Gesetze? Werden von einzelnen Arbeitgebern oder ganzen Gemeinden Versuche gemacht, erwerbsunfähige oder mit Erwerbsunfähigkeit bedrohte Personen vom Orte fernzuhalten oder zum Fortziehen zu veranlassen? Welcher Art sind diese Versuche, und wie wirken sie auf die Stimmung der Arbeiter?
III. Einkommensverhältnisse im Speziellen. la. Freie, in barem Gelde abgelohnte Tagelöhner: (Bitte anzugeben, ob solche Leute zugleich eigne Wirtschaften besitzen.) Wie hoch belief sich in letzter Zeit (in welcher?) der bare Tagelohn solcher a. männlicher, b. weiblicher Tagelöhner, welche a. nur in barem Gelde oder b. in barem Gelde neben - voller oder teilweiser Beköstigung abgelohnt wurden, während der verschiedenen Jahreszeiten, und zwar a. wenn sie dauernd, und b. wenn sie nur zeitweise (in der Ernte, im Sommer) beschäftigt wurden - soweit dies dem Herrn Referenten bekannt? Findet vorwiegend | Akkordlöhnung A6 oder Tagelöhnung statt? Wie hoch stellt sich der durchschnittliche tägliche Akkordverdienst absolut oder im Verhältnis zum Tagelohnverdienst? Was ziehen die Arbeiter vor? Aus welchen (vermeintlichen oder wirklichen) Gründen? Was wird neben dem Bar lohn gewährt (Kartoffelland, Wohnungszuschüsse, Erntegetreide, sog. Nachreche u.s.w.)? Sind zusammenhängende Angaben über das Jahreseinkommen solcher Tagelöhnerfamilien durch Befragung derselben zu erhalten, so sind solche Angaben äußerst erwünscht. An welchen Wochentagen wird in den verschiedenen Betrieben der Lohn ausgezahlt? b. Vorwiegend oder teilweise in Naturalien abgelohnte, in dauerndem Kontraktverhältnis stehende Arbeiter, einschließlich des verheirateten Gesindes: Sind detaillierte Budgets auch solcher Arbeiter durch Befragung zu erlangen, so ist deren
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Angabe sehr erwünscht 1 '. Eventuell wird wenigstens folgendes ermittelt werden können: a. Welchen Teil ihres Nahrungsbedarfs dekken die Arbeiter aus den Naturalien ihrer Löhnung nach ihrer Angabe? b. Was müssen sie an Nahrungsmitteln und sonstigen Bedürfnissen regelmäßig zukaufen? Fleisch? Brot? Milch? Kartoffeln? Backen sie selbst? Schlachten sie ein? In zu- oder abnehmendem Maße? c. In welchem Umfange wird von ihnen - und den andern Arbeiterkategorien - die Kleidung selbst hergestellt? Was wird davon zugekauft? Kommt es vor, daß von ihnen aa. Getreide, bb. selbstgezüchtete oder im jugendlichen Alter angekaufte Schweine oder Kälber, cc. Eier, Geflügel, Milch, Butter u.s.w. verkauft werden? Wieviel etwa? Legen die Arbeiter Wert darauf zu verkaufen? Aus welchen Gründen? d. Hofgängerverhältnisse: Wenn die Arbeiter (zumal im Osten) dem Arbeitgeber noch einen Dienstboten (Hofgänger, Scharwerker) zu stellen haben: aa. woher rekrutieren sich diese Hofgänger? Wie alt pflegen sie zu sein? Welchen Geschlechts? bb. Wie hoch ist der ihnen von ihrem Dienstherrn (Gutstagelöhner) gezahlte bare Lohn? cc. Wie werden sie untergebracht und behandelt? dd. Welche Mißstände treten in dem ganzen Verhältnis hervor? ee. Wie stellen sich die beteiligten Arbeiter zu ihm? c. Ledige Knechte (Pferde-, Ochsenknechte) und Mägde bei freier Station: Wie hoch ist der übliche Jahreslohn auf den verschiedenen Arten von Gütern? 2a. Wenn die Arbeiter Land - eigenes, gepachtetes, zugewiesenes - bewirtschaften, ist dem Herrn Referenten bekannt, a. was sie mit Vorliebe bauen? b. wieviel sie etwa (in Scheffeln, Zentnern u.s.w.) pro ha oder Morgen ernten? Beziehentlich für wieviel und für was für A 7 Vieh sie Futter gewinnen? c. pflegt dieses | Land für die Arbeiter
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In diesem Falle würden vor allem die Einnahmen anzugeben sein, und zwar speziell was der Arbeiter erhält an: Wohnung (Zahl der Räume, Größe, wieviel Familien in einem Hause zusammen) - umsonst? gegen welches Entgelt in Geld oder Arbeit? - Gartenland, Acker (Größe, Qualität, Ansicht der Leute darüber) - für welche Feldfrüchte? wieviel ernten sie etwa davon? geben sie Entgelt dafür? - Futter und Weide oder nur Weide für welches Vieh? im eigenen Stall? im herrschaftlichen Stall? - Deputate an Feldfrüchten der einzelnen Art (ist der etwaige Hofgänger dabei einbegriffen)? - Wo noch Dreschanteil vorkommt: Anteilsquote, Ertrag in den letzten Jahren, Dreschzeit? - Etwaige sonstige (Fleisch-, Holz-, Milch-) Deputate? - Brennwerk? - Fuhren (welcher Art)? - Endlich die Lohnsätze: festen Jahreslohn? oder Tagelohn? in ersterem Fall: ist der Lohn für den etwaigen Hofgänger mit eingeschlossen? bei Tagelohn: an wieviel Arbeitstagen wird gearbeitet? ist der Herr verpflichtet Arbeit zu geben? werden Abzüge gemacht? wie hoch beläuft sich der Gesamtertrag? Was zahlt der Mann dem Hofgänger an Lohn? |
Vorbemerkung
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leicht erreichbar oder abgelegen zu sein, und wie sind die Leute mit seiner Bodenqualität zufrieden? b. Welche von den verschiedenen Kategorien der Arbeiter halten eigenes Vieh? Welcher Art? Wieviel etwa? Im eigenen Stalle? Oder wo sonst? c. Gilt den Arbeitern wie deren Frauen a. die Bewirtschaftung eigenen, gepachteten oder zur Nutzung überlassenen Landes, b. die Haltung eigenen Viehes für wünschenswert? Aus welchen Gründen? Eventuell, weshalb angeblich nicht? Unterscheiden sich die selbstwirtschaftenden Arbeiter von den andern nach irgend einer - sittlichen, geistigen, physischen Richtung? Inwiefern? Gilt der Erwerb oder Pacht von Grundeigentum bei fortdauernder Tagelohnarbeit für erwünscht? Warum oder eventuell warum nicht? d. Kommt a. durch Zukauf, b. durch Pachtung, c. oder sonstwie ein Aufsteigen von Arbeitern in den Stand der selbständigen Kleinbauern vor? Aus welchen Kategorien? Wie oft etwa? Mit welchem Ergebnis für die Beteiligten? Gilt es für erstrebenswert? Eventuell warum nicht? e. Findet ein Übergang aus einer Kategorie von Arbeitern in die andere häufig statt? Z.B. von den Instleuten zu den Einliegern u.s.w. und umgekehrt? In welchem Sinne? Weshalb? Etwa aus Abneigung gegen Naturallohn? Und worauf gründet sich diese eventuell? f. Welche der verschiedenen Kategorien ist nach Auffassung a. der Arbeiter selbst, b. des Herrn Referenten im ganzen materiell am besten und welche am schlechtesten gestellt? Wieso?
IV. Ethische und soziale Verhältnisse. la. Woher rekrutieren sich die verschiedenen Kategorien der Landarbeiter? Was waren ihre Eltern? b. In welchem Umfange findet a. Auswanderung ins Ausland, b. Abzug in die Fabrikgegenden und die Städte c. oder beides statt? Zu- oder abnehmend? Familienweise oder einzeln? Relativ gut oder schlecht Situierte? Wirtschaftlich Tüchtige oder Untüchtige? Sittlich Hochstehende oder nicht? Kirchliche oder Unkirchliche? Von welchen Kategorien am meisten? Welche Gründe pflegen die Arbeiter für beides anzugeben? c. Findet zeitweilige Abwanderung (Sachsengängerei u.s.w.) nach auswärts statt? Von welchen Arbeiterkategorien? Von welchen Geschlechtsund Altersklassen? Tüchtige oder Untüchtige? Mit welchen geisti-
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gen und sittlichen Folgen bei der Rückkehr für die Beteiligten? Für den ganzen Ort? Namentlich bei Mädchen (6. Gebot, Abtreibung)? d. Findet häufig Wechsel des Arbeitgebers am Orte statt? Vom Bauernhof zum Gut oder umgekehrt? Aus welchen vermeintlichen oder wirklichen Gründen seitens des Arbeiters? e. Ist ein Einfluß a. der Wanderarbeiter, b. von Arbeitern anderer Erwerbsarten auf die verschiedenen Kategorien der ländlichen Arbeiter zu spüren und welcher? f. Wie verhalten sich die Leute zu technischen landwirtschaftlichen Nebengewerben (Zuckerfabriken, Branntweinbrennereien u. s. w.)? Wie verhalten sie sich zu der Einführung von Maschinen? Welche Gedanken machen sie sich darüber? Welche Einwirkung hat objektiv die Einführung von Maschinen auf die materielle und seelische Lage, die Gesinnung der Arbeiter? Welche Maschinen werden angewendet? 2a. Wird seitens der Arbeiter gespart? Seitens welcher Kategorien am meisten? Zu welchen Zwecken? b. Besteht das Bedürfnis nach Lektüre? Bei welchen Arbeiterkategorien am meisten? Nach Lektüre welcher Art? Welche Zeitungen werden vorwiegend gehalten? Wie und von wem wird für dies Bedürfnis gesorgt? c. Wie stellen sich die verschiedenen Arbeiterkategorien zur Schulbildung? Insbesondere auf welche Kenntnisse legen sie besonderen Wert? d. Besteht bei den verschiedenen Arbeiterkategorien in verschieden ho8 hem Maße aufrichtige kirchliche Gesinnung? Bei | welchen am meisten? Warum wohl; auch mit aus wirtschaftlichen Ursachen? Wie ist es damit im Vergleich zu den anderen Ständen (Bauern und eventuell vorhandenen gewerblichen Arbeitern) bestellt? e. Wenn konfessionelle Mischung besteht, wie verhalten sich die Angehörigen der verschiedenen Konfessionen zu einander nach Leistungsfähigkeit, Seßhaftigkeit, Familiensinn? Wie vertragen sie sich unter einander? f. Sind kirchliche Elemente die wirtschaftlich Tüchtigsten oder das Gegenteil? g. Macht die seelsorgerliche Behandlung der verschiedenen Kategorien der Arbeiter Schwierigkeiten? Bei welchen am meisten? Mit aus wirtschaftlichen Ursachen, und eventuell welchen? Wie steht es damit im Vergleich mit den übrigen Landbewohnern? h. Hat das kirchliche Gebührenwesen Einfluß auf das Verhältnis der Arbeiter zur Kirche? Welchen? In welcher Weise werden die Arbeiter zu den kirchlichen Lasten herangezogen? Wer trägt sie hauptsächlich? Und wie? 3a. Bestehen „patriarchalische" Beziehungen zwischen den Ar-
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beitgebern und Arbeitern, d.h. väterliche Fürsorge auf der einen, treue Anhänglichkeit auf der andern Seite? In welchen Einrichtungen und Thatsachen kommt dies zum Ausdruck? Wie äußern sich die Arbeiter über ihre Arbeitgeber? Wie über Gutsbeamte und Vorarbeiter? Wird von den Arbeitgebern und Beamten der richtige Ton in der Behandlung angeschlagen? Berücksichtigen sie das berechtigte Selbstbewußtsein der Arbeiter oder inwiefern nicht? Wie steht es mit der Bestrafung der Leute in Fällen schlechter Leistungen (Züchtigung, Geldstrafen, Lohnabzüge)? Kommen unsittliche Beziehungen der Besitzer, Beamten u.s.w. zu dem weiblichen Gesinde, den Arbeiterinnen und Tagelöhnerfrauen vor? b. Beziehungen zwischen den Arbeitern der einzelnen Kategorien: schließen sie sich gegenseitig mehr ab oder zusammen? Aus welchen augenscheinlichen oder angeblichen Gründen? Wie ist ihr Verhältnis zu den etwa ansässigen gewerblichen Arbeitern? Zu den Wanderarbeitern? 4. Finden sich Ansätze zu Landarbeiterverbänden? Welcher Art? In welchem Umfange findet Kontraktbruch statt? Finden sich Arbeitgeberverbände, und wie wirken diese auf die Stimmung der Arbeiter der verschiedenen Kategorien? 5. Wie steht es mit der sozialdemokratischen Agitation? Worauf richtet sie sich (z.B. Gesindeordnung)? Bei welcher Kategorie von Arbeitern ist dieselbe am wirkungsvollsten? Was für Leute leiten sie und wie? 6. Wie urteilt der Herr Referent über die sittliche Tüchtigkeit der Arbeiter im Verhältnis zu früher? Mit einem Begleitschreiben, 1 welches die Berichterstatter ersuchte, ihre Angaben grundsätzlich nur durch Befragung der Landarbeiter selbst zu beschaffen und jede etwa notwendig werdende Abweichung hiervon deutlich erkennbar zu machen, ging dieser Fragebogen an die sämtlichen zu ermittelnden ca. 15000 evangelischen Geistlichen Deutschlands, - auch an die städtischen, da die Ausscheidung der rein ländlichen Gemeinden aus der Gesamtheit nicht durchführ-
1 Das Begleitschreiben ist veröffentlicht in: Mitteilungen des Evangelisch-sozialen Kongresses, Nr. 1 von Januar 1893, S. 6f. Es ist datiert mit „Neujahr 1893" und unterzeichnet von den Vorsitzenden des Evangelisch-sozialen Kongresses Moritz August Nobbe und Adolf Stoecker sowie vom Generalsekretär Paul Göhre.
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bar war. Als Ablieferungstermin war zuerst der 15. März, dann der 1. Mai 1893 festgesetzt. Die bis zum 1. Juni, an welchem Tage der Generalsekretär über die Ergebnisse der Enquete dem in Berlin tagenden Vierten evangelisch-sozialen Kongreß berichtete, eingegangenen rund 1000 Antworten verteilten sich folgendermaßen auf die einzelnen Gebiete: 2 I 32 Thüringische Staaten Provinz Ostpreußen " Westpreußen 14 Provinz Westfalen und Lippe 17 Provinz Hessen-Nassau und " Posen " Schlesien Waldeck 58 Großherzogtum Hessen " Pommern 50 " Brandenburg 95 Rheinprovinz 24 Elsaß-Lothringen Großherzogtum Mecklenburg Provinz Sachsen und Anhalt 141 Baden Königreich Sachsen 54 Württemberg Provinz Schleswig-Holstein 24 Bayern Provinz Hannover, Oldenburg und Braunschweig
48 21 46 70 22 2 43 92 52 72
Einzelne trafen noch nachträglich ein. Über die definitive Anzahl der auf die einzelnen Gebiete entfallenden und der nachstehenden Bearbeitung - nach Ausscheidung der nicht ganz wenigen für die Verarbeitung ungeeigneten - zu Grunde gelegten Arbeiten geben die einzelnen Abschnitte der Bearbeitung je an ihrer Spitze Aufschluß. Die Art der Verarbeitung und Publikation wurde vom Aktionskomite dem - seither aus dem Komite ausgeschiedenen - Generalsekretär und dem Herausgeber anheimgestellt. Daß eine Publikation nicht früher als jetzt, 6 Jahre nach Beginn der Enquete-Arbeiten, erfolgte, hat, soweit der unterzeichnete Herausgeber dabei in Betracht kommt, seinen Grund zunächst in rein persönlichen Verhältnissen: Übernahme und sodann zweimaliger Wechsel des Lehramts, in einem Falle verbunden mit Übergang zu einem andern Lehrfach, eine zuerst leichtere, dann nachhaltigere Erkrankung machten die Fortführung der anfänglich von mir selbst begonnenen Verarbeitung immer wieder unmöglich. Daneben kam auch in Betracht, daß die nicht ganz unbedeutenden Kosten einer solchen Publikation nicht wohl von mir allein getragen werden konnten. Eine etwaige Gewäh2 Die folgende Tabelle hat Weber dem Jahresbericht des Generalsekretärs Paul Göhre entnommen. Sie ist veröffentlicht in: Bericht über die Verhandlungen des Vierten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Berlin am 1. und 2. Juni 1893. - Berlin: Rehtwisch & Langewort 1893, S. 7.
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rung eines Zuschusses seitens des Kongresses aber hätte dessen Leitung eine Verantwortlichkeit für den Inhalt dieser Publikation zugeschoben, welche sie schwerlich zu übernehmen und ich keinesfalls ihr abzutreten geneigt gewesen wäre. Es standen aber nicht ohne weiteres ein zur Übernahme eines Teils des Risikos bereiter Verlag und geeignete Bearbeiter zur Verfügung, zumal auch den letzteren pekuniäre Opfer zugemutet werden mußten. Dem angesichts dieser Schwierigkeiten an sich naheliegenden Gedanken, den übernommenen Auftrag zurückzugeben, habe ich nicht nachgegeben, da alsdann die Chancen einer Verarbeitung des Materials überhaupt sehr ungünstig gestanden haben würden. Nachdem nunmehr eine Anzahl geeigneter Bearbeitungen einzelner Gebiete vorliegen, welche durch Herren meines Seminars - unter meiner Leitung und Kontrolle und in Bezug auf einige Äußerlichkeiten der Stoffverteilung nach einer einheitlichen Veranlagung, im übrigen aber in voller wissenschaftlicher Selbständigkeit - durchgeführt sind, kann mit der Publikation begonnen werden. Es werden zunächst diejenigen norddeutschen Gebiete, über welche besonders zahlreiches und brauchbares Material in den Berichten vorliegt, zur Behandlung gelangen: In den beiden ersten Heften das Ebenen-Gebiet zwischen Weser und Elbe und Schleswig-Holstein, im dritten Mittel- und Niederschlesien und die Südhälfte der Mark, 3 im vierten - im Lauf des folgenden Jahres erscheinend - der Nordosten von der Elbe bis zur russischen Grenze. 4 Oberschlesien und Posen müssen ebenso wie Rheinland und Westfalen von der Bearbeitung ausgeschlossen bleiben, da aus den großen rein katholischen Gebieten natürlich jede Berichterstattung fehlte und auch in Gebieten mit | stark konfessioneller Mi- A schung, wie die Konfessionsstatistik ergiebt, gerade das Land und auf dem Lande wiederum die sozial tieferstehenden Schichten speziell also die Landarbeiter - Träger des Katholizismus zu sein pflegen, die Berichterstattung aus diesem Grunde ziemlich spärlich und oft mangelhaft ist und meist nur einzelne rein oder fast rein protestantische Inseln umfaßt. Der von mir mit katholischen Schü-
3 Siehe die in Anmerkung 11 und 12 des Editorischen Berichts aufgeführten Titel, oben, S. 688f. 4 Ein viertes Heft in der von Weber herausgegebenen Reihe ist nicht mehr erschienen. Das Material wurde dagegen in den Dissertationen zweier seiner Schüler verarbeitet. Siehe Anm. 16 des Editorischen Berichts, oben, S. 689.
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lern erörterte Gedanke, den Versuch eines Angehens des katholischen Klerus (z. B. Westfalens) um Beantwortung eines dem vorstehenden ähnlichen Fragebogens zu machen, 5 wäre für mich als Protestanten nach Lage der Verhältnisse wohl leider aussichtslos gewesen, er hätte überdies vermutlich das Mißtrauen der Ordinariate erregt und den etwa zur Beantwortung bereiten Geistlichen Unbequemlichkeiten verursachen können. - In einem Schlußheft 6 zu den Bearbeitungen Norddeutschlands sollen 1) einige Berichte, welche in besonders gelungener Weise entweder besonders typische oder besonders eigenartige Verhältnisse schildern - selbstverständlich unter Wahrung der in dem Aufforderungsschreiben zugesagten Anonymität - ihrem Wortlaut nach ganz oder teilweise wiedergegeben werden und werde ich 2) ein kurzes Resumé der Resultate zu geben suchen. Ad 1 wird auch die Diaspora berücksichtigt werden können. Ad 2 werde ich Gelegenheit haben, mich auch darüber zu äußern, in welchen Beziehungen ich der angestellten Erhebung einen selbständigen wissenschaftlichen Wert beimesse. Hier sei nur daran erinnert, daß ihr Zweck ein doppelter war: 1) eine Kontrolle des gleichartigen, durch Befragung der ländlichen Unternehmer erhobenen Materials der Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik (cf. die Schriften desselben Band 53—55) durch ein wenigstens indirektes Angehen auch der Handarbeiter zu versuchen; ob und mit welchem Ergebnis dies gelungen ist, wird an dem gedachten Ort zu besprechen sein 2. aber und namentlich: den evangelischen Landgeistlichen eine erneute Anregung und zugleich, an der Hand eines methodisch gegliederten Frageschemas, die erleichterte Möglichkeit zu geben, in ihrem eigenen und ihrer Gemeinde Interesse sich einen Einblick in die ökonomisch-sozialen Existenzbedingungen ihrer Gemeindeangehörigen zu verschaffen. Denn man ging von der Ansicht aus, daß es
5 Einer der Schüler Webers und Enquetebearbeiter, Andreas Grunenberg, wandte sich an den Bischof von Münster mit dem Vorschlag, eine der Enquete des Evangelischsozialen Kongresses vergleichbare Erhebung unter den katholischen Geistlichen Westfalens durchzuführen. Briefe Andreas Grunenbergs an Max Weber vom 18. Juli und vom 26. Juli 1899, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Diese Erhebung kam nicht zustande. Stattdessen führte die Landwirtschaftskammer der Provinz Westfalen 1904 eine Enquete durch, bei der die Fragebögen des Vereins für Socialpolitik verwendet wurden. Vgl. Schlotter, Peter, Die ländliche Arbeiterfrage in der Provinz Westfalen. - Leipzig: Hirschfeld 1907. 6 Dieses Heft ist nicht erschienen.
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zwar sicherlich nicht Sache des geistlichen Amts als solchen sein könne, Wirtschaftspolitik zu treiben und im Interessenstreit Partei zu ergreifen, daß aber der Geistliche die psychologischen Konsequenzen der modernen Wirtschaftsentwicklung und Klassenbildung, ihren notwendigen und möglichen Einfluß auf die traditionellen Grundlagen des Familienlebens und auf die Art der Beziehungen des Menschen zu seiner Arbeit kennen und in ihrem Zusammenhang durchschauen müsse, wenn er die spezifisch modernen Lebenskämpfe und Versuchungen, in welche seine Gemeindeglieder hineingestellt sind, mit brüderlicher Gerechtigkeit verstehen und beeinflussen wolle. Die Veranstaltung der Enquete fiel noch in eine Zeit, wo diese Ansicht auch von den größten deutschen Kirchenregimentern teils ausdrücklich teils stillschweigend gebilligt wurde. Hiemit steht es heute bekanntlich anders. Nach unsern deutschen Verhältnissen wird der vielbesprochene „Wechsel der Majoritäten" parlamentarischer Staaten vertreten durch den Wechsel der in den leitenden Schichten jeweils geltenden politischen und sozialpolitischen Moden, welche, unberechenbar in ihrer Entstehung, in ihrer phasenreichen Unbeständigkeit alle Schäden des Parlamentarismus in etwas anderer Form und ohne dessen immerhin auch vorhandene Vorzüge mit sich bringen. Sie fügen zu jenen Schäden überdies jene Unaufrichtigkeit hinzu, zu welcher ein halb patriarchalisches, halb bureaukratisches Regime genötigt ist, welches im Interesse des von ihm beanspruchten Prestiges gegenüber den Unterthanen einen A 11 erfolgten Systemwechsel als solchen nicht eingestehen kann. Es hat sich hinlänglich gezeigt, daß auch der sozialpolitische Anlauf des Jahres 18907 trotz aller subjektiven Aufrichtigkeit der Absichten vorerst doch nur eine solche unstete Mode war, zum Teil überdies entstanden aus einer politisch überaus naiven und ethisch nicht sehr hoch zu stellenden Spekulation auf den Dank der zu beglückenden Massen. Den Epigonen des Fürsten Bismarck war weniger als ihm selbst bekannt, daß das Wort: „sie haben ihren Dank dahin" 8 auch an einer solchen sozialpolitischen Werkheiligkeit sich in vollstem Maße vollzieht. Daher war, als der erwartete „Dank" ausblieb, Enttäuschung und planloser Ingrimm die naturgemäße Folge. Die politisch 7 Durch die kaiserlichen Februarerlasse 1890 wurde eine neue Phase der Sozialpolitik eingeleitet, die allerdings nur bis 1894/95 andauerte. 8 Matthäus 6,2: „Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn dahin."
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leitenden Stellen wurden jetzt, je mehr sie in ihrer traurigen Angst vor dem roten Gespenst das Bedürfnis hatten, sich selbst als starke Regierung zu fühlen, desto mehr dazu reif, das Werkzeug jener geschickten Geschäftsleute zu werden, welche nunmehr der Anschauung zum Siege verhalfen, daß es auch in der Sozialpolitik nur eine ultima ratio gebe: Pulver und Blei. Die Aufgabe, welche sich aus dieser bis weit in die Kreise des Liberalismus unausgesprochen gemachten Voraussetzung ergab, war eine an sich sehr einfache: jede Beschleunigung der als unvermeidlich angesehenen gewaltsamen Lösung steigert die Sicherheit des Erfolges. Es ist nach manchen Vorgängen der letzten Jahre kaum zu bezweifeln, daß unsere innere Politik - halb unbewußt - mit dem Gedanken an diese Aufgabe wenigstens gelegentlich zu spielen begonnen hatte. 9 Die Rückwirkung jener Grundstimmung auf die Sozialpolitik war fühlbar genug. Sie traf mit voller Wucht diejenigen Geistlichen, welche denVersuch gewagt hatten, sich zwischen die im sozialen Interessenkampf stehenden Parteien zu stellen. 10 Vom Standpunkt einer Politik, welche früher oder später doch zum gewaltsamen Kampf schreiten zu müssen glaubt, waren sie unsichere Dienstpflichtige und ein Hindernis vor der Front. Die unschöne Beflissenheit, mit welcher die maßgebenden kirchlichen Instanzen Preußens diese Schwenkung - naturgemäß ohne sie als solche einzugestehen - mitmachten, 11 lieferte einen Beitrag zur Erkenntnis des Zusammenhangs zwischen der Unkirchlichkeit und Glaubensfeindschaft der evangelischen Massen
9 1894/95 kam es unter dem Einfluß des saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg und auf Betreiben des preußischen Ministerpräsidenten Graf Botho Eulenburg zu einer konservativen Wende. Dabei wurden vom Kaiser, um neue Gesetze gegen die Sozialdemokratie durchsetzen zu können, zeitweilig Staatsstreichpläne, d. h. die Entmachtung des Reichstags oder die Abschaffung des demokratischen Wahlrechts, erwogen. 10 Gemeint sind vor allem Paul Göhre, Hermann Kötzschke, Julius Werner und Johannes Wittenberg, die 1895/96 wegen ihrer sozialpolitischen Tätigkeit als Geistliche in Konflikt mit den evangelischen Kirchenbehörden gerieten. Siehe dazu: Pollmann, Klaus Erich, Landesherrliches Kirchenregiment und soziale Frage. - Berlin: de Gruyter 1973, S. 237-244. 11 Mit dem Zirkularerlaß des Evangelischen Oberkirchenrats vom 16. Dezember 1895 wurde der 1890 gewährte sozialreformerische Freiraum für Geistliche wieder empfindlich eingeschränkt. Huber, Ernst Rudolf und Huber, Wolfgang, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts, Band 3: Staat und Kirche von der Beilegung des Kulturkampfs bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. - Berlin: Duncker & Humblot 1983, S. 694-698 und 725-730.
Anmerkung
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und der landeskirchlichen Organisation des evangelischen Christentums in Deutschland. So kommt es, daß die folgenden Arbeiten, vorbereitet in einer Zeit sozialpolitischer Hochflut in den Kreisen der evangelischen Geistlichkeit - einer Hochflut, die naturgemäß auch manchen vergänglichen und thörichten Schaum aufwarf - erst erscheinen in einem Zeitpunkt tiefster Ebbe auf dem gleichen Gebiet in den gleichen Kreisen. Sie werden einerseits einen Beitrag zur Prüfung der Meinung liefern können, daß die evangelischen Geistlichen der Befähigung zu besonnener und klarer Erfassung der Vorgänge des Wirtschaftslebens ermangeln. Und sie werden für die Herren Geistlichen selbst, soweit sie mitgearbeitet haben, ein Erinnerungszeichen sein können an eine dahingegangene Zeitspanne, welche ein regeres und trotz mancher Unreifheiten erfreulicheres Leben innerhalb der evangelischen Kirche Deutschlands sich anbahnen sah, als die Gegenwart fortzuentwickeln vermocht hat. |
3.
[Anmerkung des Herausgebers] 1) Die Nichtbenutzung des berufsstatistischen Zahlenmaterials von 1895, soweit es vorliegt,1 hat ihren Grund, wie ich auch für H e f t l hier nachtragen möchte, darin, daß die Zahlen zunächst der kritischen Würdigung bedürfen und s.Z. im Zusammenhang für sich behandelt werden sollen.
1 Weber bezieht sich auf die Berufszählung im Deutschen Reich vom 14. Juni 1895, deren Ergebnisse in Band 1 0 2 - 1 1 1 der Statistik des Deutschen Reiches, Neue Folge, veröffentlicht wurden. Die B ä n d e 1 0 2 - 1 1 0 erschienen 1897, Band111 „Die berufliche und soziale Gliederung des deutschen Volkes" 1899.
II. Berichte über Reden und Diskussionsbeiträge
[Zur Polenfrage] [Diskussionsbeitrag auf dem ersten Alldeutschen Verbandstag am 9. September 1894 in Berlin]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Am 9. September 1894 fand in Berlin der erste Verbandstag des 1891 gegründeten Alldeutschen (ursprünglich: Allgemeinen Deutschen) Verbandes statt. Dieser Verband hatte sich die Stärkung des deutschen „Volkstums" in der Welt sowie eine kraftvolle deutsche Weltpolitik zum Ziel gesetzt. 1 Weber trat dem Alldeutschen Verband vermutlich in erster Linie deshalb bei, 2 weil er sich von diesem eine Unterstützung der von ihm geforderten Intensivierung der inneren Kolonisation, verbunden mit einer Bekämpfung des polnischen Wanderarbeitertums in den preußischen Ostprovinzen, versprach. 3 Max Weber nahm am ersten Verbandstag teil und beteiligte sich an der Diskussion über die Polenfrage. Die Alldeutschen Blätter berichteten über die Debatte: „Die drei erstgenannten Herren [gemeint sind Max Weber, der Publizist Fritz Bley und Karl Kaerger] behandelten besonders die wirtschaftliche Seite der Polenfrage, und war es von hervorragender Bedeutung, wie Herr Prof. Weber ausführte, es sei der statistische Nachweis darüber erbracht, daß hier das nationale und wirtschaftliche Interesse vollkommen zusammenfielen. Der Redner konnte dies auf Grund besonderer Studien mit einem ausführlichen Zahlenmaterial belegen, dessen logischen Folgerungen in sozialer Beziehung sich auch die radikalsten Politiker nicht mehr verschließen könnten." 4 Wenig später berichteten die Alldeutschen Blätter erneut über den Verbandstag: „Es soll
1 Zur Geschichte des Alldeutschen Verbandes siehe: Krück, Alfred, Geschichte des Alldeutschen Verbandes 1890-1939.-Wiesbaden: Steiner 1954; Chickering, Roger, We Men Who Feel Most German. ACultural Study ofthe Pan-German League, 1886-1914. Boston: George Allen & Unwin 1984, sowie die dort aufgeführte, weiterführende Literatur. 2 Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt und läßt sich auch aus den im ZStA Potsdam befindlichen Akten des Alldeutschen Verbandes nicht ermitteln. 3 Mommsen, Max Weber2, S. 58. 4 Alldeutsche Blätter. Mitteilungen des All-Deutschen Verbandes, Nr. 38 vom 16. Sept. 1894, S. 153.
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in dieser Beziehung hier nur kurz auf die Ausführungen des Professor Dr. Weber - wohl unzweifelhaft jetzt einer der besten Kenner der östlichen agrarischen Verhältnisse - auf dem Alldeutschen Verbandstage vom 9. September hingewiesen werden, wonach in dieser Frage das wirtschaftliche Bedürfnis mit dem deutsch-nationalen so vollkommen zusammenfalle, daß selbst der internationalste Sozialdemokrat von seinem wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht umhin könne, einmal national zu sein." 5 In diesen äußerst knappen Berichten werden die Aussagen Webers entstellt. Denn seine These war ja gerade, daß die nationalen und wirtschaftlichen, d.h. unternehmerischen Interessen, im Osten auseinanderliefen. In der ersten Flugschrift des Alldeutschen Verbandes „Die deutsche Ostmark" 6 wurde Webers Diskussionsbeitrag hingegen ausführlicher und präzise wiedergegeben. Dieser Bericht wird nachstehend mitgeteilt, während die bruchstückhaften Mitteilungen in den Alldeutschen Blättern vernachlässigt werden. Hier berichtete ein unbekannter Verfasser im Rahmen eines Artikels über „Die wirtschaftlichen Ursachen der Polonisierung der Ostmarken" über Webers Äußerungen auf dem ersten Verbandstag. In diesem Zusammenhang verwies er auf die vom Verein für Socialpolitik 1891/92 durchgeführte Erhebung über die Lage der Landarbeiter und hob insbesondere Webers Beitrag hervor. 7 Ausführlich zitierte er dann aus Webers Vortrag auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik von 1893. 8 Von der Flugschrift, in deren Rahmen der im folgenden abgedruckte Bericht über den Diskussionsbeitrag Webers auf dem ersten Alldeutschen Verbandstag erschien, wurden 10000 Exemplare aufgelegt. 9
Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck folgt dem Bericht in: Die deutsche Ostmark. Aktenstücke und Beiträge zur Polenfrage, hg. vom All-Deutschen Verbände (Flugschrift des All-Deutschen Verbandes 1). - Berlin: Priber 1894, S. 2 7 - 2 9 (A). Der Verfasser des Berichts konnte nicht ermittelt werden.
5 Ebd., Nr. 42 vom 14. Okt. 1894, S. 173. 6 Die deutsche Ostmark. Aktenstücke und Beiträge zur Polenfrage, hg. vom All-Deutschen Verbände (Flugschrift des All-Deutschen Verbandes 1). - Berlin: Priber 1894 7 Ebd., S. 19f. 8 Ebd., S. 2 0 - 2 4 . Der Vortrag Webers ist oben abgedruckt, S. 165-198. 9 Beschluß des Geschäftsführenden Ausschusses vom 21. Oktober 1894 in Berlin, ZStA Potsdam, Alldeutscher Verband, Nr. 8, Bl. 1 f.
[Zur Polenfrage]
[Bericht in der Flugschrift des Alldeutschen Verbandes] Herr Professor Dr. Max Weber (z. Z. Freiburg i. B.) hat später ähnliche Ausführungen im Septemberhefte 1894 der Preußischen Jahrbücher (Entwickelungstendenzen in der | Lage der ostelbischen Landarbeiter) 1 und an anderen Orten gemacht, und A 2 8 endlich bei den Verhandlungen des Alldeutschen Verbandstages in Berlin am 9. Sept. 1894 bei der Beratung der Polenfrage seine Ansichten über die Polonisierung der deutschen Ostmarken durch neues Beweismaterial belegt.
Er führte bei dieser Gelegenheit aus, daß sich auf Grund des im „Gemeindelexikon" 2 und im „Handbuch des Grundbesitzes" 3 enthaltenen Zahlenmaterials folgendes nachweisen läßt: 1. Es hat sich in Westpreußen die Landbevölkerung am stärksten in den Kreisen mit gutem Boden vermindert, in den Kreisen mit schlechtem Boden dagegen vermehrt. 2. Deutschtum und Polentum verhalten sich in den Landgemeinden und Gutsbezirken je entgegengesetzt zu einander: in den unfruchtbaren Kreisen des westlichen Höhenrückens in den Landgemeinden starkes Überwiegen der Polen (Katholiken), in den Gutsbezirken annäherndes Gleichgewicht, oft Überwiegen der Deutschen (Evangelischen); in den fruchtbaren Niederungskreisen in den Gutsbezirken starkes Überwiegen der Polen (Katholiken), in den Dörfern ein für die Deutschen weit günstigeres Mischungsverhältnis. Grund der Erscheinung: in den unfruchtbaren Höhenkreisen ist das große Gut bis in die neueste Zeit Träger der Kultur gewesen, die Tagelöhner der Güter standen höher als die Kleinbauern, deshalb waren die ersteren in stärkerem Maße deutsch als die letzteren. In den Niederungskreisen stehen die Instleute als Proletarier unter den dort eine höhere Lebenshaltung bewahrenden Bauern, deshalb waren die Bauern dort in höherem Maße deutsch als die Tagelöhner: Deutschtum und Kultur sind identisch. 3. Die einzigen Regionen Westpreußens, in denen eine - schwache - relative Vermehrung der Evangelischen (Deutschen) zu be1 Weber, Max, Entwickelungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, in: Preußische Jahrbücher, Band 77,1894, S. 437-473; siehe oben, S. 368-462. 2 Siehe oben, S. 605, Anm.2. 3 Siehe oben, S. 604, Anm.1.
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Zur
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merken ist, sind die bäuerlichen Bezirke des Weichseldeltas (Kreis Marienburg). Fast überall sonst ist schon für 1885 eine relative Abnahme des Deutschtums (der Evangelischen) gegen 1871 zu konstatieren. 4 Dieselbe ist, wenn man Gemeinden und Gutsbezirke scheidet, in den Niederungskreisen in den Guisbezirken, besonders denen mit Zuckerrübenbau, stärker, während sie auf der weniger fruchtbaren Höhe in den Landgemeinden besonders stark ist. Der Grund liegt in der traurigen Lage der Landwirtschaft im Osten, welche nur der kulturniedrigsten Schicht der Landbevölkerung die 29 Fristung der Existenz | gestattet. Diese Schicht stellen die polnischen Tagelöhner, auf der Höhe die polnischen Bauern dar. Die großen Güter der Ebene ziehen statt der in ihren Lohnansprüchen, ihrer Lebenshaltung und ihrem Selbständigkeitsgefühl hochstehenden deutschen „Instleute", polnische Wanderarbeiter aus Rußland heran - was unter dem Fürsten Bismarck seit 1886 verboten war, 5 seitdem aber seit 1890 wieder erlaubt wurde. 6 Und auf der Höhe entstehen durch Ausschlachtung deutscher Bauernhöfe, Abparzellierung von Außenschlägen der Güter - jetzt noch durch die Rentengutsgesetzgebung begünstigt 7 - polnische Parzellenbauern, welche mit selbstgebauten Kartoffeln und Schnaps vorlieb nehmen und deshalb von den Getreidepreiskonjunkturen freilich so wenig berührt werden wie ein weltabgeschnittener Urwaldkolonist. Zu fordern ist: a. Sperrung der Grenze gegen die russisch-polnischen Wanderarbeiter, denn kein großes Gut, welches nur mit polnischen Arbeitern
4 Vgl. dazu Webers Ausführungen in der Freiburger Antrittsrede „Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik", oben, S. 550f. 5 Weber bezieht sich hier auf die beiden Ausweisungsverfügungen des preußischen Innenministers vom 26. März und vom 26. Juli 1885. Siehe dazu: Mai, Joachim, Die preußisch-deutsche Polenpolitik 1885/87. - Berlin: Rütten & Loening 1962, S. 42 und 57f. 6 Mit den Erlassen vom 26. November 1890 und vom 18. Dezember 1890 wurde die Zulassungssperre für polnische Saisonarbeiter für die vier preußischen Grenzprovinzen wieder aufgehoben. Nichtweiss, Johannes, Die ausländischen Saisonarbeiter in der Landwirtschaft der östlichen und mittleren Gebiete des Deutschen Reiches. - Berlin: Rütten & Loening 1959, S.43. 7 Die mit der Durchführung der Rentengutsgesetzgebung von 1890/91 in Preußen betrauten Generalkommissionen konnten im Gegensatz zur Ansiedlungskommission in Westpreußen und Posen die Rentengutsbildung auch bei Angehörigen anderer Nationalitäten fördern. Waldhecker, Paul, Ansiedelungskommission und Generalkommission. Ein Beitrag zur inneren Kolonisation des Ostens, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 21. Jg., 1897, S. 206f.
Zur
Polenfrage
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existieren kann, ist vom Standpunkt der Nation aus existenzberechtigt. b. Aufkauf der auf schlechtem Boden nicht mehr haltbaren Güter durch den Staat, Verwandlung derselben in Domänen^ und andrer5 seits Kolonisation geeigneter Domänen unter Wahrung der nationalen und der hiermit identischen Kulturinteressen.
Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft [Vortrag am 12. März 1895 in Frankfurt am Main]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Am 12. März 1895 hielt Max Weber im Evangelisch-sozialen Vortragsverein in Frankfurt am Main einen öffentlichen Vortrag über „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft". An den Vortrag schloß sich eine Diskussion an, an der sich auch der Theologe Martin Rade beteiligte. Rade, Herausgeber der „Christlichen Welt", 1 in der Max Weber eine Reihe von Artikeln publiziert hatte, gehörte der kulturprotestantischen Richtung an und war Ausschußmitglied des Evangelisch-sozialen Kongresses. Er war eng mit Max Weber befreundet. Daher liegt es nahe, anzunehmen, daß die Einladung zu dem Vortrag auf ihn zurückgeht; möglich ist allerdings auch, daß Max Weber von Friedrich Naumann eingeladen wurde, wie Marianne Weber berichtet. 2 Naumann war zu diesem Zeltpunkt als Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Frankfurt tätig und hatte hier 1891 den evangelischen Arbeiterverein begründet, dem der Evangelisch-soziale Vortragsverein nahestand. Marianne Weber nennt als Titel des Vortrags „Die nationalen Grundlagen der Wirtschaftslehre" , 3 In der Frankfurter Tagespresse und den uns überlieferten Berichten über den Vortrag Webers wird jedoch der Titel „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft" mitgeteilt. 4 Dieser Titel ist wohl der zutreffende, da Weber über die Volkswirtschaft und nicht über theoretische Fragen, also die Volkswirtschaftslehre, sprach. Zudem kommt die im Titel gewählte Formulierung bei Weber auch an anderem Orte vor. 5 Über Webers Vortrag liegen uns Berichte der Frankfurter Zeitung, des Frankfurter Journals und des Frankfurter Volksboten vor. Die Frankfurter
1 Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, hg. von Martin Rade, 1886/87-1931. 2 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 214. 3 Ebd. 4 Der Vortrag wurde unter diesem Titel angekündigt in der FZ, Nr. 52 vom 21. Febr. 1895, Ab. Bl„ S. 2, der FZ, Nr. 69 vom 10. März 1895, 3. Mo. Bl„ S. 1, und der FZ, Nr. 71 vom 12. März 1895, 3. Mo. Bl„ S.2. 5 Siehe den Artikel „Argentinische Kolonistenwirthschaften", oben, S. 303.
Editorischer
Bericht
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Zeitung schloß ihren Bericht mit einem kurzen Hinweis auf die sich anschließende Debatte:6 „ Die Debatte wurde hauptsächlich durch die Angriffe eines sozialdemokratischen Redners in Fluß gebracht, führte aber zu keinem neuen Gesichtspunkte, sondern nur zu schärferen Pointierungen." Auch das Frankfurter Journal schloß seinen Bericht mit einem Hinweis auf die Diskussion:7 „In der Debatte kämpfte ein sozialdemokratischer Herr Zwercher [gemeint ist Karl Zwerger] gegen Verschiedenes, was der Referent gar nicht gesagt hatte. Außerdem wurden noch mancherlei Streiflichter auf das nationale Verhalten englischer und französischer Arbeiter im Gegensatz zur deutschen internationalen Sozialdemokratie geworfen." Der Frankfurter Volksbote berichtete dagegen ausführlich auch über die Debatte und Webers Reaktion. Der Bericht endete mit den Worten:8 „Beinahe zu früh schloß der interessante, für die evangelisch-soziale Sache in Frankfurt fruchtbringende Abend. Die erfrischende, gehaltvolle und freimütige Vortragsweise des Referenten hat wohl in allen Zuhörern den Wunsch nach einer gelegentlichen Wiederholung eines solchen Abends erweckt."
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Über den Vortrag gibt es die folgenden Berichte: 1. „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft", Frankfurter Zeitung, Nr. 72 vom 13. März 1895, Ab. Bl„ S. 2; 2. „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft", Frankfurter Journal, Nr. 122 vom 13. März 1895, Ab. Bl„ S. 2; 3. „Evangelisch-sozialer Vortragsverein", Frankfurter Volksbote. Beiblatt zur „Hilfe". Organ für christliche Vereine in Frankfurt am Main und Umgebung, Nr. 12 vom 24. März 1895, S. 2. Webers Ausführungen - A(1) bis A(3) - werden nach diesen Berichten wiedergegeben.
6 FZ, Nr. 72 vom 13. März 1895, Ab.BI., S.2. 7 Frankfurter Journal, Nr. 122 vom 13. März 1895, Ab.BI., S. 2. 8 Frankfurter Volksbote, Nr. 12 vom 24. März 1895, S. 2.
Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft
[Bericht der Frankfurter Zeitung] Im Evangelisch-sozialen Vortragsverein sprach gestern Abend vor zahlreicher Zuhörerschaft der Nationalökonom Prof. Dr. Max Weber-Freiburg.
Den Bestrebungen der internationalen Sozialdemokratie, der in der Leugnung nationaler Schranken für das Wirthschaftsleben die Freihandelsschule vorausgegangen sei, hielt er die durch Jahrtausende herausgebildeten Rasseneigenschaften und Kulturstufengrade entgegen, vermöge deren sowohl eine niedere Rasse durch den Zusammenstoß mit höheren Kulturvölkern, als auch ein höheres Kulturvolk durch die Berührung mit einem Volke niederer Kultur gefährdet und vernichtet werden könne. In der Provinz Westpreußen z.B. verdrängt der an eine niedere Lebenshaltung gewöhnte polnische Arbeiter die deutsche, höhere Anforderungen stellende Bevölkerung. Natürlich müsse doch zuletzt auch die Arbeiterschaft höherer Kulturvölker durch den Zuzug von Arbeitern niederer Lebenshaltung geschädigt werden. Dies lehre doch, welche Bedeutung der Nation für die Arbeiter zukomme. Ohne die englische Weltmachtstellung und industrielle Überlegenheit wäre die englische Arbeiterschaft nicht zu ihren Erfolgen gelangt. Daß die Grundlagen der Volkswirthschaft nationale seien, gehe aus der Thatsache hervor, daß ohne Industriezölle gegen die fortgeschritteneren Staaten keine Industrieentfaltung 3 in weniger vorgeschrittenen möglich sei. Wenn ein so fruchtbares Land wie Argentinien durch sein enorm billigeres Getreide den deutschen Landwirth schädige, so führe ein Überhören der Klagen der Landwirthe zur Abhängigkeit vom Auslande. Da aber Machtfragen zwischen Sein und Nichtsein der Nationen entscheiden, so sei das Verbrüderungsideal der internationalen Sozialdemokratie eben ein Traum, der die Rassen- und Kulturverschiedenheiten gänzlich vergessen habe. Der Referent ist allerdings dafür, daß auch die Arbeiter aus ihrer politischen Ohnmacht durch Gewäh-
a A (1): Industrieenthaltung
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rung der Koalitionsfreiheit herauskämen.1 Die Umsturzvorlage sei ein trauriges Symptom dafür, daß man sich von diesem Wege entfernt habe. 2 Die Umstürzler wären zuletzt nicht die Sozialdemokraten, sondern gewisse Nationalliberale gewesen, deren Vaterschaft an 5 der Umsturzvorlage ein Verbleiben in der nationalliberalen Partei schwierig mache. 3 Sympathisch steht der Referent den evangelischsozialen Vereinen gegenüber, weil da die Arbeiter mehr Freiheit hätten als in dem sozialdemokratischen Verband, der das religiöse Verhalten seiner Mitglieder z.B. in Berlin so scharf kontrollire, daß 10 Missionäre bei Nacht und Nebel in die Familien kommen müßten, wenn ein Sozialdemokrat noch religiöse Bedürfnisse habe. -
1 Nach der Reichsgewerbeordnung gab es für landwirtschaftliche Arbeiter keine und für gewerbliche Arbeiter in verschiedener Hinsicht nur eingeschränkte Koalitionsfreiheit. Auch waren die Gewerkschaften nicht befugt, Dachverbände zu bilden. Vgl. Trautmann, Günter, Gewerkschaften ohne Streikrecht, in: U. Engelhardt u.a. (Hg.), Soziale Bewegung und politische Verfassung. - Stuttgart: Klett 1976, S. 472-537. 2 Die sogenannte Umsturzvorlage wurde im Dezember 1894 im Reichstag eingebracht. Sie sah bei zahlreichen Tatbeständen eine Verschärfung geltender Strafrechtsbestimmungen sowie eine Einschränkung der Pressefreiheit vor. Ziel war es, den Einfluß der Sozialdemokratie zurückzudrängen. Zu Max Webers Haltung zur Umsturzvorlage siehe die von ihm unterzeichnete „Erklärung gegen die Umsturzvorlage" sowie den dazugehörigen Editorischen Bericht, unten, S. 872-884. 3 Webers Bemerkung über die „Vaterschaft" der Nationalliberalen an der Umsturzvorlage bezieht sich darauf, daß nach der Welle anarchistischen Terrors von 1894 Teile der nationalliberalen Presse sowie der nationalliberale Delegiertentag vom 30. September 1894 in Frankfurt am Main ein schärferes staatliches Vorgehen gegen die Sozialdemokratie gefordert hatten. Vgl. Köhne, Renate, Nationalliberale und Koalitionsrecht. - Frankfurt am Main: Peter Lang 1977, S. 238-242.
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Grundlagen
[Bericht des Frankfurter Journals]
Der seit kurzem in die Öffentlichkeit getretene evangelisch-soziale Vortragsverein gedenkt ein reges Leben zu entfalten. Gestern sprach im ziemlich gefüllten Concordiasaal über obiges Thema der Professor der Nationalökonomie Dr. Max Weber.
Die Nationen sind durch a in Jahrtausenden 3 angezüchtete Eigenschaften und durch Verschiedenheiten der Kulturniveaus darauf angewiesen, wirtschaftliche Einheiten zu bilden und unter Umständen sich durch Industrie- oder Landwirtschaftszölle gegen das Ausland abzuschließen. Die Freihandelsschule und die Sozialdemokratie leugneten zu Unrecht das Bestehen nationaler Schranken. Aber ohne Industriezölle gegen England wäre in Deutschland keine so mächtige Industrie erblüht, und ohne Schutz gegen Überschwemmung mit ausländischem Getreide, welches aus fabelhaft fruchtbaren Ländern käme, würde die deutsche Landwirtschaft zu Grunde gehen und unser Vaterland vom Ausland abhängig werden. Nicht nur brächten höhere Kulturvölker niederen Rassen durch wirtschaftliche Überlegenheit Verderben, sondern auch das Umgekehrte sei der Fall. Arbeiter fremder Nationalität mit niederer Lebenshaltung können den Arbeitern höherstehender Kulturen verderblich werden. Und da vergesse der Traum der internationalen Sozialdemokratie die Rassen- und Kulturunterschiede zu eigenem Schaden. In Westpreußen verdrängt das sich stark vermehrende polnische Proletariat, welches viel geringere Ansprüche an das Leben stelle als die deutsche Bevölkerung, die deutschen Arbeiter. Ob sich denn die internationale Sozialdemokratie mit Negern und Chinesen konsequenterweise ebenfalls verbrüdern würde? Die englischen Arbeiter verdankten ihre politischen Erfolge der Machtstellung Englands. So lange die Macht zwischen Nationen entscheidet, beruht auch die Volkswirtschaft auf nationaler Grundlage. Freilich müßten die Arbeiter Teil an der politischen Macht haben und durch Ausstattung mit der Koalitionsfreiheit in die Lage gesetzt werden, ihre Angelegenheiten selber zu ordnen. 1 Man zeige mit der, leider nationalliberalerseits erzeugten Umsturzvorlage, 2 daß man in sozial-reformeria A(2): Jahrtausende 1 Siehe S. 723, Anm. 1. 2 Siehe S. 723, Anm. 2 und 3.
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schem Rückschritt begriffen sei. - Referent spricht deshalb gerne zu evangelisch-sozialen Arbeitern, weil sie nicht unter sozialdemokratischer Parteiknechtschaft ständen. Wolle ein Sozialdemokrat in Berlin religiösen Sinn in seiner Familie pflegen, so müßten die Stadtmis5 sionare bei Nacht und Nebel zu ihm kommen, so scharf sei die Kontrolle, trotz des Satzes, daß Religion Privatsache sei.3
3 Sowohl 1875 als auch 1891 hatte die Sozialdemokratie in ihren Programmen die „Religion zur Privatsache" erklärt. Siehe oben, S. 619, Anm. 1.
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[Bericht des Frankfurter Volksboten]
Der, Dienstag, den 12. März in der Konkordia unter Vorsitz des Herrn Werkführers Bärrn, stattgefundene Vortrag des Herrn Professors Max Weber über „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft" war leider nicht so besucht, wie Thema und Ruf des Vortragenden erwarten ließen. Desto aufmerksamer folgten die Anwesenden den fesselnden und klaren Ausführungen des Redners, der zunächst die Ursachen der Verwischung der Nationalitäten berührte. a
Der Freihandel und die internationale Arbeiterbewegung, die aber beide sich nirgends völlig verwirklicht haben.® Die ersten Schranken wurden von der Industrie verlangt, als Schutzzoll gegenüber industriell entwickelteren Ländern, z.B. gegen England. Eine weitere Schranke, der landwirtschaftliche Schutzzoll, wurde gegen die durch die verbesserten überseeischen Verkehrsmittel begünstigte Getreidekonkurrenz des Auslandes errichtet, hier gegenüber dem geringeren Kulturgrad eines Landes; beispielsweise gegen Argentinien, das durch guten Boden und billigere Arbeitskräfte (Indianer), wie der Vorsitzende in einem drastischen Beispiel nachwies, erstaunlich billig produzieren kann. Eine dritte, natürliche Schranke ergibt sich betreffs der Rassenunterschiede. Einerseits gehen Indianer und Neger gegenüber den höher kultivirten Weißen zurück; andererseits, beispielsweise im Osten Deutschlands, ist das Umgekehrte der Fall, die niedere Kultur verdrängt die höhere. In Westpreußen halten die an höhere Lebenshaltung gewöhnten deutschen Tagelöhner auf den großen Gütern die Konkurrenz der einwandernden Polen nicht aus und wandern nach dem Westen; die Polen selbst vermehren sich außerdem sehr stark. Nur die deutschen Bauern nehmen in einigen Gegenden dort ebenfalls zu. Dieser Prozeß bedeutet für die Provinz einen starken kulturellen Rückgang und zeigt, wie die geringere Lebenshaltung ebenfalls ein Vorteil sein kann. Dieser Kampf der Nationalitäten im Frieden kann durch keine internationalen Schiedsgerichte entschieden werden; auch in wirtschaftlicher Beziehung siegt zuletzt die Macht. Die dabei am meisten interessierten deutschen Arbeiter sind sich dieser Gefahr noch nicht bewußt. In Australien wird von den in einigen Staaten zur Herrschaft gelangten Arbeitern
a S a t z defekt in A(3).
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Grundlagen
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die Einwanderung der Chinesen verboten, 1 die Polen sind aber durch die Möglichkeit der Vermischung und Herunterdrückung der deutschen Kultur noch gefährlicher. Diese Verkennung der nationalen Bedeutung, der Macht des eignen Staates von Seiten der deutschen Arbeiter ist noch gefährlicher als ihre sozialen Theorien. Der Grund zu dieser Zerklüftung innerhalb unseres Volkes liegt in der ökonomischen und politischen Ohnmacht der heimischen Arbeiterschaft, der zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten die Verbandsfreiheit fehlt, 2 die beispielsweise in England schon längst besteht. Ob es in absehbarer Zeit anders wird, ist gegenwärtig kaum zu hoffen, wo die Umsturzvorlage eingebracht ist, 3 die nicht durch einzelne Strafbestimmungen, sondern als Mißtrauensvotum gegen die Nation, gegen das Volk als eine Gesellschaft von Verschwörern bedenklich ist. Die wahren Verschwörer gegen die Nation tagten in Frankfurt a.M. vor Jahresfrist, als sie das Kukuksei dieser Vorlage ausbrüteten. 4 Die nationalliberale Partei hat ihre großen Verdienste, aber es ist weit gekommen, wenn Stöcker ihr gegenüber die Freiheit der Wissenschaft verteidigen muß. 5 Die Nationalliberalen fürchten sich einerseits vor dem Volk, andrerseits vor der Sozialpolitik von oben, daher ist ein großer Teil ihrer jüngeren Elemente, darunter auch Redner, zum Abfall bereit, sobald eine gesunde, nationale Parteibildung im Werden ist. In den evangelischen Arbeitervereinen sieht Redner einen Teil der Bewegung in der deutschen 1 In Victoria und Neusüdwales wurde die Einwanderung chinesischer Arbeiter 1855 und 1861 erstmalig gesetzlich beschränkt. 1888 folgten in beiden Staaten schärfere Bestimmungen, die den chinesischen Einwanderungsstrom nahezu zum Versiegen brachten. Weitere „Chinese Immigration Acts" waren zuvor in Neuseeland (1881 und 1888), Queensland (1877,1878,1884), Südaustralien (1881), Tasmania (1887) und Westaustralien (1886) erlassen worden. Bauer, Stephan, Arbeiterfrage und Lohnpolitik in Australasien, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 2,1891, S. 650f. 2 Den Gewerkschaften fehlte das Recht, sich zu übergeordneten Verbänden zusammenzuschließen, da ein entsprechendes Vereinsgesetz noch ausstand. Vgl. auch S. 723, Anm. 1. 3 Siehe S. 723, Anm. 2. 4 Gemeint ist der nationalliberale Delegiertentag in Frankfurt am Main vom 30. September 1894. Vgl. S. 723, Anm. 3. 5 Gemeint ist die Rede Adolf Stoeckers im preußischen Abgeordnetenhaus am 2. März 1895. Stoecker verteidigte hier die Berliner Nationalökonomen Gustav Schmoller und Adolph Wagner gegen die Angriffe des nationalliberalen Abgeordneten Ernst von Eynern. Von Eynern hatte anläßlich der Einrichtung eines Lehrstuhls für Nationalökonomie an der Technischen Hochschule in Charlottenburg gefordert, dieser dürfe keinesfalls mit einem Vertreter der „Kathedersozialisten" besetzt werden. Sten. Ber. pr. AH., 18. Leg. Per., ll.Sess. 1895, Band 2, S. 1068-1072.
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Arbeiterschaft, die für die Bedeutung der Machtfragen in der Welt, für die eigene Nation Verständnis hat. Darin liegt eine ihrer Aufgaben. Gerade indem sie jede kirchliche Richtung zulassen und keine Kontrole über Kirchenbesuch üben, wie die sozialdemokratischen Fachvereine in Berlin, so daß die Genossen bei Gefahr ihrer Existenz nächtlicher Weile den Stadtmissionar einlassen, sind sie ein Hort der Freiheit im eignen Gewissen und im Vaterlande. Ihre Mission ist erfüllt, sobald in breiten Volkskreisen diese Überzeugung sich Bahn gebrochen hat. Im Bericht des Frankfurter Volksboten heißt es welter: „Anhaltender, lebhafter Beifall dankte dem Redner." An der sich anschließenden Debatte beteiligte sich auch Martin Rade. Kritik an Webers Vortrag wurde von sozialdemokratischer Seite geübt. Daraufhin ergriff Max Weber nochmals das Wort:
Herr Professor Weber selbst widerlegte mit überlegenem Humor die Angriffe des sozialdemokratischen Redners auf die Universitätslehren sowie verschiedenen falschen Behauptungen, u.a. die, daß England nur durch Freihandel groß geworden, mit dem Hinweis auf die frühere gewaltthätige englische Handelspolitik, die erst, als sie keine Konkurrenz mehr zu fürchten hatte, zum Freihandel überging. Die deutsche Industrie, auch die deutsche Arbeiterschaft^] wäre ohne Schranken gegen England gar nichts b geworden. Die Solidarität der Arbeiter zeigte sich drastisch beim internationalen Bergarbeitertag in Berlin, wo die deutschen sozialdemokratischen Theorien von den praktischeren Engländern verlacht wurden. 6 Für die Militärvorlage stimmte der Referent aus Gründen einer vernünftigen, nationalen Politik, für die jetzt beliebte Deckung der Kosten aber nicht. 7 Es folgte noch eine kurze, abschließende Diskussion, b A(3): nicht 6 Der fünfte internationale Bergarbeiterkongreß fand vom 14. bis 17. Mai 1894 in Berlin statt. Hier kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den deutschen, französischen und belgischen Abgeordneten einerseits und den englischen andererseits. Schulthess 1894, S.120. 7 Anfang März 1895 wurde der Marineetat für das Jahr 1895/96 im Reichstag angenommen. Auch die im neuen Etat vorgesehenen Mehrausgaben wurden, wenn auch in geringerem Maße als in den vorangehenden Jahren, mit Hilfe von Anleihen finanziert. Hallmann, Hans, Der Weg zum deutschen Schlachtflottenbau.-Stuttgart: W. Kohlhammer 1933, S. 1 4 2 - 1 4 7 .
[Über Burschenschaften und Corps] [Rede am 20. Juli 1895 in Freiburg]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Weber gehörte seit seinen Heidelberger Studienjahren 1 8 8 2 - 8 4 der Burschenschaft Allemannia (Heidelberg) an. Am 20. Juli 1895 veranstaltete die Alemannia (Freiburg) eine Feier zum 80jährigen Bestehen der deutschen Burschenschaften, an der auch er teilnahm. Nach verschiedenen Rednern ergriff er das Wort und berichtete, was ihn zu Beginn seines Studiums bewogen habe, einer Burschenschaft und nicht einem studentischen Corps beizutreten. Über seine Rede sind wir durch zwei Zeitungen informiert. Neben einem Bericht der Breisgauer Zeitung 1 ist uns eine Notiz in den Burschenschaftlichen Blättern überliefert. 2 Diese lautet: „Herr Professor Dr. Weber (Allemannia-Heidelberg) betonte die Freiheit im Wahlspruch der Burschenschaft und ermahnte die Burschenschafter, auch in studentischen Kreisen durch Verachtung aller niedrigen Streberei dieser Aufforderung ihres Wahlspruches treu zu bleiben." Die Breisgauer Zeitung berichtete hingegen ausführlich über Webers Stellungnahme. Ihr zufolge hatte Weber behauptet, daß es einer Burschenschaft niemals passiert wäre, einen Bismarck zunächst auszuschließen und, als er ein berühmter Mann geworden sei, „demütig" wieder einzuladen. Diese Äußerung löste eine lebhafte Kontroverse aus. Von einem Mitglied des Corps Hannovera, dem Bismarck 1832 in Göttingen beigetreten war, wurde Widerspruch erhoben. In seiner Antwort hierauf zog Weber die Authentizität der Berichterstattung der Breisgauer Zeitung in Zweifel, distanzierte sich aber auch indirekt von seiner Behauptung. Im folgenden wird der Bericht der Breisgauer Zeitung wiedergegeben. Der Verlauf der sich daran anschließenden Kontroverse wird im Zusammenhang mit Webers Replik in Teil I dieses Bandes geschildert. 3
1 Breisgauer Zeitung, Nr. 169 vom 23. Juli 1895, S. 2. 2 Burschenschaftliche Blätter, Nr. 10/11 vom 15. Aug. 1895, S. 302. 3 Siehe oben, S. 575-578: Die Couleurschicksale des Fürsten Bismarck.
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Über Burschenschaften und Corps
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Bericht, der unter der Überschrift „Festcommers zur Feier des 80jährigen Bestehens der deutschen Burschenschaft" in der Breisgauer Zeitung, Nr. 169 vom 23. Juli 1895, S. 2, erschienen ist (A).
[Über Burschenschaften und Corps] [Bericht der Breisgauer Zeitung] Hiernach meldete sich Herr Prof. Dr. Weber (Allemanniae-Heidelberg) zum Worte.
Er behandelte die Frage der Existenzberechtigung der heutigen Burschenschaft nach der Seite der Freiheit hin, die sie im Wahlspruch führt. 1 Man sage oft, die Burschenschaft sei zwecklos, nachdem ihre Ideale erfüllt seien. Die Burschenschaft ist allerdings nicht der einzige akademische Verband, der vaterländische Gesinnung pflegt, aber daneben hat sie auch Freiheit im Wahlspruch. Freiheit im politischen Sinne haben wir Deutsche mit der Gründung des Reiches schon erreicht. Die Freiheit kann aber noch in anderem Sinne verstanden werden. Als der Redner vor 13 Jahren Student wurde, machte er die Bemerkung, daß man ihn für gewisse Corporationen damit zu „keilen" versuchte, daß man ihm die Zahl der Geheimen Räthe und Excellenzen nannte, die jenen Verbindungen angehörten und die den Jungen zu Stellungen verhelfen könnten. Das sei der Hauptgrund gewesen, weshalb er dort nicht eintrat, sondern Burschenschafter wurde. Einer Burschenschaft wäre es auch niemals vorgekommen, daß sie einen Bismarck zuerst aus ihren Reihen gestoßen, und als er ein berühmter, einflußreicher Mann geworden, ihn demüthig eingeladen hätte, wieder einzutreten. 2 Der Redner hofft, daß die Burschenschaft ein Hort der Freiheit bleiben und dem giftigen Reptil, dem Streberthum, einen unüberwindlichen Wall entgegensetzen wird. Die individuelle Freiheit des Einzelnen soll sich entwickeln können, und an der akademischen Freiheit soll die Burschenschaft bewußt festhalten. Die akademische Freiheit lebe hoch!
1 Der Wahlspruch lautet: „Ehre, Freiheit, Vaterland". Vgl. Wentzcke, Paul, Geschichte der Deutschen Burschenschaft, 1. Band.-Heidelberg: Carl Winters 1919, S. 253. 2 Weber stützt sich hier auf Berichte, denen zufolge Bismarck nach der Annexion Hannovers 1866 aus der Hannovera ausgeschlossen und erst etwa 1870 wieder aufgenommen worden sei. Gemäß der „Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809-1959", hg. von Franz Stadtmüller. - Göttingen 1963, S. 112f., gehen diese Berichte auf Mitteilungen eines Presseorgans der Weifen - der Deutschen Volkszeitung, Hannover - zurück; der Sachverhalt selbst lasse sich aus den Protokollen der Hannovera aber nicht belegen.
Die Bedeutung des Luxus [Vortrag am 29. Oktober 1895 in Gießen]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Am 28. und 29. Oktober 1895 fand in Gießen das Jahresfest des Oberhessischen Vereins für innere Mission statt.1 An der Organisation und Durchführung dieses Festes war Friedrich Naumann maßgeblich beteiligt. Er hielt zwei Referate, und zwar über die „Pflege des Gebetslebens in der Gemeinde und in den christlichen Vereinen" und über das Thema „Eisenbahn und Kirche" , 2 Vermutlich war es Naumann, der sich an Max Weber mit der Bitte wandte, auch einen Beitrag zu leisten. Weberund Naumann arbeiteten ja zu diesem Zeitpunkt politisch eng zusammen. 3 Weber sagte zu und hielt am 29. Oktober 1895, vormittags, das Hauptreferat über „Die Bedeutung des Luxus". 4 Vermutlich hatte er dieses Thema gewählt, um das weitgehend geistliche Publikum ansprechen zu können, ohne von seinen volkswirtschaftlichen Themen abweichen zu müssen. Der Titel des Vortrags geht mit großer Sicherheit auf Max Weber selbst zurück; er wird nicht nur in den beiden uns überlieferten Zeitungsberichten, sondern auch im Jahresbericht des Oberhessischen Vereins für innere Mission genannt. 5 Die Zeitungsberichte entstammen beide dem Frankfurter Volksboten, 6 dem Beiblatt der von Friedrich Naumann herausgegebenen „Hilfe". Der zweite Bericht ist nicht nur weitaus ausführlicher als der erste, sondern auch präziser in der Wahl der Begriffe und sehr dicht in der Präsentation des empirischen Materials. Möglicherweise wurde er von Weber selbst verfaßt, was sich jedoch nicht nachweisen läßt. Als sicher zu gelten hat demgegenüber, daß der Artikel auf der Grundlage des Vortragsmanuskripts oder einer an die Hörer verteilten Übersicht erstellt worden ist, was sich aus der Detailliertheit der Zahlenangaben schließen läßt. 1 Frankfurter Volksbote, Nr. 46 vom 17. Nov. 1895, S. 2. 2 Ebd., S.2f. 3 Vgl. den Editorischen Bericht zu dem von Weber mitunterzeichneten „Vertraulichen Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung", S. 885-888. 4 Frankfurter Volksbote, Nr. 46 vom 17. Nov. 1895, S. 3. 5 Jahresbericht des Oberhessischen Vereins für innere Mission über das Vereinsjahr 1895. - Gießen: Wilhelm Keller 1895, S. 1. 6 Nr. 46 vom 17. Nov. 1895, S. 3, und Nr. 47 vom 24. Nov. 1895, S. 1 f.
Editorischer Bericht
Zur Überlieferung
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und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Über den Vortrag gibt es zwei Berichte des Frankfurter Volksboten: 1. „Gießen", Frankfurter Volksbote. Beiblatt zur „Hilfe". Organ für christliche Vereine für Frankfurt am Main und Umgebung, Nr. 46 vom 17. November 1895, S. 3; 2. „Die Bedeutung des Luxus. Referat über den gleichnamigen Vortrag Professor Dr. Max Weber's auf dem Jahresfest des Oberhess[ischen] Vereins für innere Mission in Gießen", Frankfurter Volksbote, Nr. 47 vom 24. November 1895, S. 1 f. Webers Ausführungen - A(1) und A(2) - werden nach diesen Berichten wiedergegeben.
Die Bedeutung des Luxus [Erster Bericht des Frankfurter Volksboten]
Der Luxus in dem Sinne, wie ihn die Volkswirtschaft versteht, als höhere Lebenshaltung, ist eine im wesentlichen erfreuliche Erscheinung, zumal, wenn sie den geringeren Volksschichten zugute kommt. Zu bekämpfen sind vielmehr die namentlich in Übergangszeiten, wie die unsrige, hervortretenden bedenklichen Nebenerscheinungen, die Auswüchse aller Art, vor allem die Herzlosigkeit des Luxus. In solchen Zeiten fällt der Kirche und ihrer inneren Mission eine ernste Aufgabe zu, durch verdoppelten Eifer in Predigt, Unterricht und Seelsorge den rechten Grund zu legen, aus dem aller sittliche Halt erwächst, und Volkssitte und Sittlichkeit in besonders treue Pflege zu nehmen, mit Wort und That, durch Vorbilder edler Geselligkeit in Vereinen und Veranstaltungen, durch Darbietungen guter Bilder und Schriften etc., auch den Bedürfnissen der verschiedenen Volksschichten in Bezug auf die Art der gottesdienstlichen Versorgung (Zeit, Ort und Kürze der Gottesdienste) mit mehr Verständnis und Beweglichkeit entgegen zu kommen, als sie der Landeskirche gemeiniglich eignen. Dann wird sich die höhere Lebenshaltung als keineswegs unempfänglich für christlichen Geist und christliche Frömmigkeit erweisen.
Die Bedeutung
des
Luxus
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[Zweiter Bericht des Frankfurter Volksboten]
Was bezeichnet man zunächst mit dem Wort „Luxus" vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus? Volkswirtschaftlich unerheblich ist dafür das, was in der populären Betrachtung gerade im Vordergrund zu stehen pflegt: Das Maßlose im Aufwand. Das ist moralisch verwerflich, sozialpolitisch unerfreulich; wissenschaftlich macht es nichts aus. Die Wissenschaft beschäftigt sich nicht mit dem Maßlosen, sondern mit der regelmäßigen Erscheinung. „Luxus" ist auch nicht zu verwechseln mit „Verschwendung". Letzteres ist ein privatwirtschaftlicher Begriff, der seine Stätte findet bei der Erwägung des Verhältnisses der Einnahmen und Ausgaben des Einzelnen. Für den Begriff des „Luxus" ist es dagegen wesentlich, daß sich innerhalb einer menschlichen Gemeinschaft, eines Gesammtverbrauchs, gewisse eigentümliche Verbrauchsformen finden, die gewissen Schichten eigentümlich sind. Und dabei handelt es sich - und das ist das erste Merkmal, das festzustellen wäre - um den Verbrauch von Gütern, die wir für entbehrlich ansehen. Damit ist freilich ein Merkmal gegeben, das relativ, geschichtlich verschieden ist. Jede Zeit, jede Klasse empfindet als Luxus diejenigen Ausgaben einer anderen Zeit, einer anderen Klasse, die sie für entbehrlich achtet. Ist aber die Entbehrlichkeit ausreichend, um eine Ausgabe zum Luxus zu stempeln? Gewisse einfache Formen der Genußmittel (Kaffee, Tabak etc.) werden wir Bedenken tragen, zum Luxusverbrauch zu werfen. Wenigstens herrscht darüber ein steter Zweifel. Bei anderen Formen sind wir dagegen nicht im Zweifel, z. B. bei dem Spitzentaschentuch, das im Osten zu jeder Konfirmation gehört und von dem Ärmsten erbettelt wird. Worauf beruht es, daß wir das als Luxus empfinden? Weil diese Aufwendung gemacht wird, gerade, weil es sich um ein entbehrliches Gut handelt, die stattfindet, weil sie über das Maß des Unentbehrlichen 3 hinausgeht. Aus einer vergleichenden Zusammenstellung von Haushaltungsbudgets 1 kann man nachweisen, daß dem Luxus der Begriff des a A(2): Entbehrlichen 1 Vermutlich bezieht sich Weber hier auf eine an die Hörer verteilte Zusammenstellung, die uns nicht überliefert ist. Die aufgeführten Daten sind nicht nachweisbar.
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Standesgemäßen ganz wesentlich ist. Deutlich zeigt sich das an der Vergleichung des Budgets zweier Subalternbeamten (Nr. 4 und 5) mit einem Gehalt von 3400 und 3700 Mk. mit denen eines Arbeiters, der Armenunterstützung empfängt (Nr. 1) (Einkommen 1050Mk.), eines Hausindustriellen 2 (Nr. 2) (Einkommen 1340 Mk.) und eines Fabrikarbeiters (Nr. 3) (Einkommen 1365 Mk.). Während Nr. 1 für die unbedingt unentbehrlichen Bedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Kleidung, Erwärmung, Beleuchtung, Reinlichkeit) %1VI Prozent seiner Einnahmen aufwendet, für Nahrung allein 51 Prozent, Nr. 2 74 Prozent, Nr. 3 83 Prozent, so sind es bei Nr. 4 und 5 (der Subalternbeamten) nur 65 Prozent. Woher erklärt sich der Rückgang schon bei Nr. 2, und noch mehr bei Nr. 4 und 5? Bei Nr. 2, dem Hausindustriellen, einem fest eingesessenen Manne, sind die Ausgaben für die Erziehung der Kinder größer, als bei Nr. 1 und 3, weil er seine Kinder auf derselben Stufe der sozialen Existenz haben will, die er selbst hat, während das bei Nr. 1 und 3 angesichts der Ungewißheit der Zukunft zurücktritt. Dafür spart der Hausindustrielle besonders an Kleidung, während das steigende Selbstgefühl des Fabrikarbeiters zu einem höheren Aufwand gerade hierfür führt. Bei den Subalternbeamten gar treten die Sorgen für die standesgemäße Erziehung der Kinder ganz in den Vordergrund. Dafür hungern und darben die Eltern. Sie stehen in Aufwendung für Nahrung schlechter, als selbst der Arbeiter. Während ihr Einkommen nur zweiundeinhalbmal so hoch ist, als das des Hausindustriellen, so belaufen sich die Aufwendungen für Kleidung sechs- bis siebenmal so hoch. Diese unverhältnismäßige Steigerung der Ausgaben für Kleidung geht bis etwa zu den Einkommen von 5000 Mk. Von da an erhöht sich diese Ausgabe höchstens im Verhältnis zum Einkommen. Dafür tritt dann das Wohnungsbedürfnis in den Vordergrund, und die Ausgaben dafür, sowie für Repräsentation steigen ganz unverhältnismäßig, bis zu den Einkommen von etwa 10000 Mk. Darüber hinaus hört das Gesetz auf, und es beginnt der rein individuelle Luxus, Ausgaben, die nicht mehr durch den Standesbegriff diktiert werden. Der Begriff des Standesgemäßen hat auch geschichtlich eine besondere Rolle gespielt. Nicht die Bequemlichkeit steht in der Geschichte des Luxus im Vordergrund - Reifröcke und dergl. sind
2 Gemeint ist ein im Auftrag eines Unternehmers (Verlegers) tätiger Heimarbeiter.
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geradezu unbequem sondern die Erkennbarmachung des Standes nach außen. Bei einem Blick auf die Entwicklungsgeschichte des Luxus ergiebt sich, daß die ursprünglichen Formen des Luxus weit abweichen von der, die wir jetzt sehen. Er hatte zwei Eigenschaften, die jetzt verloren gegangen sind. Er war erstens Quantitätsluxus (Massenluxus). Qualitativ lebt der König zu Karl's des Großen Zeit nicht besser, als der Bauer. Was seine Gastmähler auszeichnet, sind die ungeheuren Mengen, die Zahl der Ochsen, die geschlachtet wurden, u. s. w. Zum zweiten ist er akuter Luxus: er tritt nicht dauernd im Alltagsleben auf, sondern bei besonderen Gelegenheiten: Hochzeiten, Beerdigungen und dergl. Reste von beiden Formen finden sich bei uns noch hie und da. Mit welchen Mitteln arbeitete der Luxus der Vergangenheit? Ganz überwiegend mit einem Mittel, einer ungeheuren Verschwendung von Menschenmaterial. Sie beruht auf der Gesellschaftsverfassung, der Billigkeit des Menschenmaterials durch Eroberungskriege. Mit der Einstellung der Eroberungskriege war dieser Form des Luxus der Garaus gemacht und damit auch der Kultur des Altertums. Noch lange stehen die Menschenbesitzer an der Spitze der Kultur. Sie sind aber nicht mehr Träger eines nennenswerten Luxus. Die weitere Entwickelung, die zur modernen Form des Luxus führt, hängt zusammen mit der Entwickelung der Städte und der Arbeitsteilung. Damit droht er, den Charakter des Standesgemäßen zu verlieren, Vorrecht der höchsten Klassen zu sein. Daher die Erscheinung, daß nun von oben her gegen den Luxus vorgegangen wird. Einmal nach oben; keiner soll über den Stand der Genossen hinausgehen, keiner besser als der andere produzieren oder konsumieren. Vor allem aber werden Luxusverordnungen nach unten erlassen, weil in deren Luxus sich die drohende Verschiebung der Stände offenbart. Über diese luxusfeindlichen Bestrebungen ist die Geschichte hinweggegangen mit dem definitiven Siege des Fabriksystems, mit dem Augenblick, wo diesem allein die Zukunft gehörte. Dadurch ist zweierlei herbeigeführt worden. Erstens die Demokratisierung des Luxus. Die Fabrik war ursprünglich keineswegs eine Konkurrentin des Handwerks. Sie stellte ursprünglich nicht notwendige Lebensbedürfnisse her, sondern produzierte Luxusartikel billiger in Massen. Das setzt sich jetzt noch in den billigen Imitationsartikeln (nachgemachte, unechte Artikel) fort.
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Zweitens aber durchbricht die neue Zeit auch nach oben hin die Schranken. Die ungeheuren Abstände der Vermögen stellen zugleich die oberen großbürgerlichen Klassen vor das Problem einer Umgestaltung des Luxus derart, daß diese Vermögen Verwendung finden. Dadurch empfängt der großbürgerliche Luxus der modernen Zeit seinen Charakter. Er ist nicht mehr akuter, gelegentlicher, sondern chronischer, dauernder Luxus; er beginnt das ganze Leben zu durchdringen. Der Luxus verliert damit weiter den vorherrschenden Charakter des Quantitätsluxus; er wird Qualitätsluxus. Damit ist die schrankenlose Entwicklungsfähigkeit des Luxus begonnen. Nicht minder geht dem Luxus das spezifisch ständische verloren. Der alte Luxus war unbequem. Er wurde getragen um des Standes willen. Der großbürgerliche Luxus wird Komfort. Das englische Wort ist uns dafür geläufig, weil diese Entwickelung in England am weitesten fortgeschritten ist. In England vollzieht sich aber dieser Luxus in der Tiefe des Hauses und des Familienlebens, weniger in der äußeren Pracht der Gebäude, wie bei uns. So tritt überhaupt das Zurschautragen als Merkmal des Luxus zurück. Nur im Tafelluxus hat sich ein Rest des alten Quantitätsluxus erhalten. Das sind Überbleibsel alter Barbarei. In England gilt es z.B. nicht mehr für fein, in Diamanten zu erscheinen. Daran pflegt man die Irländerin zu erkennen. Nun noch ein Wort der Beurteilung, nicht der moralischen, d.h., wie wirkt der moderne Luxus auf den einzelnen - das kann unter gleichen ökonomischen Bedingungen sehr verschieden sein; es kann einer über oder auch unter seinem Luxus stehen - sondern der volkswirtschaftlichen. Es besteht eine dumpfe und unklare Vorstellung von einer spezifischen Schädlichkeit des Luxus auf Grund einer falschen geschichtlichen Auffassung, daß er die Nationen verweichlicht, den Untergang des Altertums herbeigeführt habe. 3 Das trifft nicht zu. Ganz andere Gründe haben das bewirkt. In der römischen Kaiserzeit waren die Völker viel weniger luxuriös, als unsere Väter vor dreißig Jahren. Man kann auch nicht sagen, daß in England die Schichten, die Träger des größten Luxus sind, physisch degeneriert (körperlich entartet) seien. 3 Daß der Luxus zu Dekadenz und dem Untergang Roms geführt habe, ist einer der ältesten Topoi zu diesem Thema. Webers Formulierung läßt nicht vermuten, daß er hier an einen bestimmten Autor gedacht hätte.
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Der Luxus ist, nationalökonomisch betrachtet, ein Symptom (Zeichen) bestimmter, gesellschaftlicher Erscheinungen. Darum ist es fraglich, ob man diese Erscheinungen kuriert, indem man das Symptom angreift. Die Demokratisierung des Luxus ist unaufhaltsam. Nur ein Stillstand der volkswirtschaftlichen Entwickelung könnte sie aufhalten. Ist sie nun optimistisch oder pessimistisch zu beurteilen? Das kann nur für die einzelne Zeit entschieden werden. Für die gegenwärtige ist die fortgesetzte Zunahme der Lebensansprüche in den unteren Klassen ein Beweis, daß sie noch nicht am Aufsteigen verzweifelt haben. Die Voraussetzung für einen weiteren Fortschritt in dieser Richtung ist, daß im Vordergrund des modernen Güteraustauschs die Massenartikel stehen. Darin ist vorerst keine Änderung zu erwarten. Der alte Satz, daß die Kaufkraft der Massen das entscheidende ist, trifft, so trivial er schon sein mag, auch für die Gegenwart zu.
Vom politischen Standpunkte ist zu sagen, daß nach den bisherigen Erfahrungen erst auf einer gewissen Stufe der Lebenshaltung die politische Urteilsfähigkeit beginnt, die sich in bewußter Zugehörigkeit zu einer Partei kundgiebt. Auf einer gewissen Stufe beginnt die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie. Die letzten englischen Wahlen haben einen Zusammenbruch des englischen Sozialismus gebracht. 4 Er ist aber nur scheinbar, weil er nur darauf beruht, daß die augenblicklich noch immer anhaltende, schwere Krisis die Organisationen der sich aus dem niedersten Proletariat herausarbeitenden Arbeiter zur Auflösung gebracht und sie von dem höheren Stand der Lebenshaltung heruntergeworfen hat. 5 Von der jüngeren nationalökonomischen Schule ist den Geistlichen manchmal empfohlen worden, den Arbeitern Bedürfnisse anzuerziehen. 6 Es kann sich selbstverständlich dabei nicht um Getränke und dergl. handeln, sondern darum, daß die steigende Lebenshal-
4 Bei den Unterhauswahlen 1892 konnten sich drei als „Independents" gewählte Vertreter der Arbeiterschaft durchsetzen. 1893 wurde, durch diesen Erfolg ermutigt, die „Independent Labour Party" gegründet, die jedoch bei den folgenden Wahlen im Juli 1895 im Unterhaus keinen Sitz erringen konnte. Cole, George Douglas Howard, British Working Class Politics, 1 8 3 2 - 1 9 1 4 . - L o n d o n : Routledge & Kegan 1965, S. 136 und 147. 5 Anspielung auf die wirtschaftliche Krise zwischen 1893 und 1896, in deren Verlauf es zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit kam. 6 Wer der Urheber der erwähnten Empfehlung ist, konnte nicht ermittelt werden.
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tung, die Qualität der Bedürfnisse in die Hut genommen werden soll. Es ist nicht wahr, daß vermehrtes Einkommen, freie Zeit und dergl. nur den Ausgaben für Getränke zugute kommen. Die Haushaltungsbudgets zeigen, daß, wenn in der niedrigsten Schicht der Einkommen eine plötzliche Zunahme des Einkommens stattfindet, die Zunahme des Getränkekonsums der des Einkommens gleichkommt. Bei den oben erwähnten Budgets tritt das nur bei dem Manne ein, der Armenunterstützung empfing. Schon bei dem Arbeiter, der eben darüber erhaben ist, findet man einen Rückgang des Getränkekonsums. Die Erziehung zu qualitativ erfreulicher Verwendung des Einkommens ist um so wahrscheinlicher in den Schichten mit höherer Lebenshaltung. Es ist nicht zu bezweifeln, daß die Bedenken gegen erhöhte Lebenshaltung zum Teil beruhen auf den in Deutschland gemachten Erfahrungen, daß sie nicht günstig sei für das kirchliche Verhalten. Hier gilt es aber Vorsicht im Urteil. Es ist nicht unmöglich, daß unsere kirchlichen Zustände selbst daran schuld sind. Es trifft außerhalb Deutschlands nicht zu, und überall da nicht, wo Sekten verbreitet sind. Die Schwierigkeiten werden vermehrt durch den Umstand, daß die aus dem Proletariat aufsteigenden Massen weniger zugänglich sind gegenüber den Formen der Landeskirche. Nicht ökonomische Gesetze führen dazu, sondern andere Ursachen. Wie steht es mit der Zukunft dieser Demokratisierung des Luxus? Darauf ist keine sichere Antwort zu geben. Das hängt mit der Zukunft der Arbeiterklasse überhaupt zusammen. Es ist nicht sicher, ob nicht der aristokratischen Entwicklung unter den Arbeitern, wie sie in England stattfindet, unter uns die Grenzen sehr eng gezogen sind. Es handelt sich in Deutschland um die unerfreuliche Thatsache, daß eine Scheidung dieser Arbeiteraristokratie, der gelernten Arbeiter von den ungelernten, absolut nicht als dauernde Erscheinung feststeht. 7 Bei Krisen sinkt, namentlich auf dem Lande, diese Aristokratie zu den ungelernten Arbeitern zurück. Vielleicht kann die höhere Lebenshaltung, die einer angenommen hat, ihn gerade davor behüten. Und wie steht es mit dem Luxus der oberen Schichten der Gesellschaft? Es ist ein alter Streit für und gegen den Luxus. Ist es erwünschter, daß das Geld unter die Leute gebracht wird, oder nicht? 7 Zum Phänomen und zum Begriff „Arbeiteraristokratie" siehe oben, S. 393, Anm. 22.
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Zwei Vorurteile sind zu beseitigen. Einmal hat man den Satz aufgestellt: Der Luxus der Reichen ernährt die Armen. 8 Das trifft, wenn man sich auf den engen Standpunkt der augenblicklichen Teilung der Arbeit stellt, in dem Sinne zu, daß eine akute Einschränkung der Konsumtion der besitzenden Klasse die Brotlosigkeit gewisser Volksklassen herbeiführen würde. Ebenso selbstverständlich ist es aber vom Standpunkte einer umfassenderen Betrachtung, daß das Verschwinden des Verbrauchs von Gütern, die lediglich den Bedürfnissen gewisser Schichten dienen, die Verwendung der frei gewordenen Kräfte im Interesse der Massen Versorgung herbeiführt. Ferner ist kein Zweifel, daß ein Luxusverbrauch der höchsten Klassen von erheblicher Breite die Kapitalbildung ungünstig beeinflussen kann. Das kann nur denen erwünscht erscheinen, die in der wachsenden Kapitalbildung eine Bedrohung des Volkswohls sehen. Das ist falsch. Denn Kapitalbildung liegt im Interesse der Macht des Volkes. Es ist kein öconomischer Grund erfindlich, der es forderte, daß der Luxus in irgend einer Gesellschaftsklasse gepflegt werden müsse. Aber es muß daran festgehalten werden, daß der Luxus ein Symptom ist, das günstig oder ungünstig zu beurteilen ist je nach den damit verknüpften Nebenerscheinungen. Wenn er z.B. eine rückständige Form aufweist, wie das Luxusfressen, das sich nur in wenig verfeinerter Form fortsetzt, wenn er Veranlassung bietet, rückständige Formen der Arbeitsverfassung zu erhalten, wie z.B. bei den irländischen Spitzen, die ihren Wert nur der langen Dauer der darauf verwendeten Handarbeit verdanken. Als Massenerscheinung ist der Luxus der herrschenden Klassen lediglich Symptom ihrer Herrschaft und der Vermögensunterschiede, und er ist nicht zu beurteilen, ohne darüber ein Urteil abzugeben. Und dies Urteil hängt davon ab, was diese Vermögen politisch leisten, was sie der Volkswirtschaft leisten. Das ist zu verschiedenen Zeiten verschieden zu beurteilen. Man betrachtet heute vielfach die volkswirtschaftlichen Fragen vom finanziellen Standpunkt. So wird auch die Frage einer Luxussteuer aufgeworfen. 9 Die Voraussetzung ist dabei, daß damit sozial8 Dieser Satz wird dem französischen Historiker und Politiker Adolphe Thiers zugeschrieben. Vgl. Sommerlad, Theo, Luxus, in: HdStW 5 2 ,1900, S. 654. 9 Luxussteuern wurden in Preußen seit Ende des 17. Jahrhunderts erhoben. Seitdem waren Anwendungsbereich und volkswirtschaftlicher Nutzen der Luxussteuem umstritten. Mamroth, Karl, Luxussteuern, in: HdStW5 2 ,1900, S.660-668.
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politische Erfolge zu erzielen seien. Das ist derselbe Irrtum, wie man ihn bezüglich der Börsensteuer 10 hegt. Finanzwirtschaftlich sind beide vielleicht sehr angemessen. Ein Irrtum aber ist es, wenn man meint, mit einer solchen Steuer den Luxus zu beseitigen. Das wird so wenig der Fall sein, als das Sinken der Kapitalzinsen das Kapital 5 schädigt. Höchstens werden die Schichten verdünnt, die sich Luxus leisten können. Ökonomisch gehört somit der Luxus zu den irrelevanten, unerheblichen Erscheinungen der Volkswirtschaft.
1 0 Die Besteuerung der an der Börse abgeschlossenen Geschäfte begann in Deutschland mit dem Gesetz vom 1. Juli 1881, das 1885 und 1894 jeweils novelliert und verschärft wurde. Friedberg, R., Börsensteuer, in: H d S t W 2 2 , 1 8 9 9 , S. 1 0 1 7 - 1 0 2 3 .
Agrarpolitik [Vortragsreihe am 15., 22. und29. Februar, 7. und 14. März 1896 in Frankfurt am Main]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Im Februar und März 1896 hielt Max Weber im Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main eine Vortragsreihe über Agrarpolitik. Das Hochstift, 1859 von dem Geologen und ehemaligen Demokraten der Revolution von 1848 Otto Volger begründet, hatte sich neben der Pflege des Goetheschen Erbes - das Institut wurde in Goethes Geburtshaus errichtet - die Förderung der Volksbildung zum Ziel gesetzt. 1 Dementsprechend wurden in regelmäßigen Abständen öffentliche Lehrgänge über fachwissenschaftliche Themen abgehalten. Die von Weber durchgeführte Vortragsreihe über Agrarpolitik fand im Rahmen der Lehrgänge im Winterhalbjahr 1895/96 statt. 2 Sie war der Sektion „Volkswirtschaftslehre" zugeordnet. Daneben wurden Lehrgänge aus den Bereichen Geschichte, Philosophie, Literatur- bzw. Kunstgeschichte und Staatswissenschaften durchgeführt. Die Vorträge Webers wurden für den 15., 22. und 29. Februar sowie für den 7. und 14. März 1896 angesetzt. 3 Diese Termine stimmen mit den Ankündigungen im jeweiligen „Tagesanzeiger" der Frankfurter Zeitung überein. 4 Die Vorträge fanden jeweils Samstag abends von 19 bis 20 Uhr statt.5 An den letzten Vortrag schloß sich eine Diskussion an, über die nur die Frankfurter Zeitung berich-
1 Zur Geschichte des Hochstifts siehe: Adler, Fritz, Freies Deutsches Hochstift. Seine Geschichte, I.Teil: 1859-1885. - Frankfurt a.M.: Johannes Weisbecker 1959, bes. S.26f., sowie Rumpf, Hermann, Aus der Geschichte des freien Deutschen Hochstifts. Frankfurt a.M.: Osterrieth o. J. 2 Freies Deutsches Hochstift zu Frankfurt a. M. Lehrgänge im Winter-Halbjahr 1895-96. - Frankfurt a.M.: Gebrüder Knauer o. J. [1895], S. 5 - 1 2 . Diese als Broschüre erschienenen „Lehrgänge" finden sich gesammelt in der Bibliothek des Freien Deutschen Hochstifts, Frankfurt a.M. 3 Ebd., S.5. 4 FZ, Nr. 46 vom 15. Febr. 1896, 3. Mo. Bl„ S. 1; FZ, Nr. 53 vom 22. Febr. 1896, 2. Mo. Bl., S. 2; FZ, Nr. 60 vom 29. Febr. 1896, 2. Mo. Bl., S.2; FZ, Nr. 67 vom 7. März 1896, 2. Mo. Bl., S. 2; FZ, Nr. 74 vom 14. März 1896, 3. Mo. Bl., S. 1. 5 Freies Deutsches Hochstift Frankfurt a. M. Lehrgänge, S. 5.
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Agrarpolitik
tete. 6 Diese Diskussion dauerte bis ein Uhr morgens, wie Max Weber seiner Frau schrieb; der Besuch des Vortrags sei, wie er hinzufügte, „verblüffend gut" gewesen. 7 Manuskripte der Vortragsreihe sind nicht überliefert. Erhalten sind ein von Weber verfaßtes und im Rahmen des Lehrplans des Hochstifts gedrucktes stichwortartiges Exposé 8 sowie ausführliche Zeitungsberichte. Es berichteten das Frankfurter Journal und der Frankfurter Volksbote über alle fünf, die Frankfurter Zeitung über den ersten und letzten Vortrag. Friedrich Naumann zog am 8. März 1896 in der „Hilfe" eine Zwischenbilanz über die ersten drei Abende. 9 Das Frankfurter Journal vermerkte am Schluß des Berichts über den ersten Vortrag: 10 „In Vorträgen, die politische Gegenstände behandeln, sind Meinungsunterschiede leicht gegeben; wir gedenken jedoch, die agrarpolitischen Vorträge, ohne zu kritisieren, dem Leser sine ira et studio zu referieren. Prof. Max Weber erntete reichen Beifall." Die Frankfurter Zeitung schloß ihren Bericht des ersten Vortrags mit der Bemerkung: 11 „Die bekannte geistreiche Konsequenz und Pointirungskraft des Herrn Vortragenden, welche sonst bei historischen Problemen leicht gefährlich werden kann, war bei der Kürze der Zeit diesmal sehr angebracht, und man darf mit Genuß den weiteren Vorlesungen entgegensehen, die sich nun mit den modernen Agrarproblemen befassen werden." Das Frankfurter Journal fügte am Schluß seines Berichtes über den zweiten Vortrag hinzu: 12 „Die Hörerschaft dankte beifallsfreudig." Am Ende des Berichts über den dritten Vortrag heißt es im Frankfurter Journal: 13 „Das Publikum dankte beifallsfreudig." Der abschließende Bericht des Frankfurter Journals (über den fünften Vortrag Webers) endete mit den Worten: 14 „Der Vortragende hat in den fünf Vorlesungen über den so wichtigen Gegenstand eine Fülle anregender Gedanken gebracht. Wenn die Anzahl der Zuhörer durch die Beschaffenheit
6 FZ, Nr. 75 vom 15. März 1896, 3. Mo. Bl., S. 2. 7 Brief an Marianne Weber vom 16. März 1896, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. Weber berichtete ferner, er habe in Frankfurt den Theologen Martin Rade und die Frau Friedrich Naumanns „kurz gesehen" - ob anläßlich des Vortrags, geht aus dem Brief jedoch nicht hervor. 8 Oben, S. 599-601. 9 Die Aufstellung der Berichte mit den entsprechenden bibliographischen Nachweisen im zweiten Teil des Editorischen Berichts. Da Naumanns Artikel am 8. März 1896 erschien, kann er die beiden von Weber am 7. März im Hochstift und im Christlich-sozialen Verein gehaltenen Vorträge nicht berücksichtigt haben. 10 Frankfurter Journal, Nr. 80 vom 17. Febr. 1896, Ab. Bl., S.2. 11 FZ, Nr. 48 vom 17. Febr. 1896, Mo. Bl., S.2. 12 Frankfurter Journal, Nr. 92 vom 24. Febr. 1896, Ab. Bl., S. 1. 13 Frankfurter Journal, Nr. 105 vom 3. März 1896, Mo. Bl., S. 1. 14 Frankfurter Journal, Nr. 128 vom 16. März 1896, Ab. Bl., S. 1.
Editorischer
Bericht
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des Stoffes naturgemäß eine beschränktere war, so kann der Vortragende doch mit dem entgegengebrachten Interesse zufrieden sein. - Mit dem heutigen Vortrag schloß der letzte Lehrgang dieses Winters. Eine arbeitsreiche Zeit liegt hinter uns, und hat das Hochstift in diesem Semester wieder wirklich nur Bedeutendes geboten." Die Frankfurter Zeitung fügte ihrem Bericht über den letzten Vortrag Webers folgende Bemerkung an: 15 „Die stets nur von den größten Gesichtspunkten geleiteten Ausführungen des Herrn Professor Weber fanden bei seiner Zuhörerschaft die warme Anerkennung, welche er bei seiner glänzenden Darstellungskunst und der Originalität und Klarheit seines Denkens in vollem Maße verdient hat." Friedrich Naumann stellte seinem Bericht folgende Einleitung voran: 16 „In dem freien deutschen Hochstift in Frankfurt a. M. hält in diesen Wochen Professor Dr. Max Weber Vorträge über die Agrarfrage. Hoffentlich dauert es nicht zu lange, bis die Agraruntersuchungen Webers einmal in einheitlicher Verarbeitung vorliegen. Was bis jetzt durch Einzelarbeiten und Vorträge an die Öffentlichkeit gedrungen ist, beansprucht das höchste Interesse. Immer geht Weber aus vom Standpunkt der deutschen Volkserhaltung. Deutsche Macht, deutsche Volksgesundheit sind seine Hauptgesichtspunkte. Man hat das Gefühl, nicht einem einseitigen Parteimanne gegenüberzustehen, sondern einem nationalen Denker, der sich nicht scheut, um seines Volkes willen die Wahrheit auch da zu sagen, wo sie bitter ist. Unsere Leser erinnern sich, daß wir seine Vorlesung über Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik in Nr. 28 des vorigen Jahrgangs besprochen haben. Heute greifen wir etliche Stellen aus seinen neuesten Vorträgen heraus, so wie sie sich unserem Gedächtnis eingeprägt haben:" Der Bericht endete mit den Worten: 17 „Unsere Leser wissen, wie sehr diese Gedanken mit dem zusammentreffen, was die .Hilfe' bei Gelegenheit der Besprechung des sozialdemokratischen Landprogrammes ausgeführt hat. Deutschlands Zukunft hängt mit seiner Bodenverteilung zusammen." Einen Auszug aus seiner Vortragsreihe im Hochstift gab Weber am 7. März 1896 im Christlich-sozialen Verein in Frankfurt a. M. Weber referierte hier unmittelbar im Anschluß an seinen Vortrag im Hochstift vom 7. März 1896. Die Berichte über diesen Vortrag sind S. 7 9 4 - 7 9 8 abgedruckt.
15 FZ, Nr. 75 vom 15. März 1896, 3. Mo. Bl., S. 2. 16 Die Hilfe, Nr. 10 vom 8. März 1896, S.1. 17 Ebd., S. 2.
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Agrarpolitik Zur Überlieferung
und
Edition
Manuskripte sind nicht überliefert. Über die Vortragsabende sind uns die folgenden Presseberichte überliefert: Erster Vortragsabend: „Agrargeschichte" (15. Februar 1896): 1. „.Agrarpolitik." Vorlesungen im Hochstift von Professor Max Weber (Freiburg). Ì.Frankfurt a.M., 15.Februar", Frankfurter Journal, Nr.80 vom 17. Februar 1896, Ab. Bl., S. 1 f.; 2. „Freies deutsches Hochstift Frankfurt a. M.", Frankfurter Volksbote. Beiblatt zur „Hilfe". Organ für christliche Vereine für Frankfurt am Main und Umgebung, Nr. 8 vom 23. Februar 1896, S. 2f. ; 3. „Lehrgänge im Hochstift", Frankfurter Zeitung, Nr.48 vom 17. Februar 1896, Mo. Bl., S.2. Zweiter Vortragsabend: „Agrarverfassung" (22. Februar 1896): 1. „Agrarpolitik. Vorlesungen im Hochstift. II. Frankfurt a. M., 22. Febr.", Frankfurter Journal, Nr. 92 vom 24. Februar 1896, Ab. Bl., S. 1 ; 2. „Freies deutsches Hochstift Frankfurt a . M . " , Frankfurter Volksbote, N r . 9 v o m I . M ä r z 1896, S. 1 f.; Dritter Vortragsabend: „Agrarkredit" (29. Februar 1896): 1. „.Agrarpolitik'. Vorlesungen im Hochstift. III. Frankfurt a.M., 29. Febr." Frankfurter Journal, Nr. 105 vom 3. März 1896, Mo. Bl., S. 1 ; 2. „Freies deutsches Hochstift Frankfurt a . M . " , Frankfurter Volksbote, Nr. 10 vom 8. März 1896, S.2. Vierter Vortragsabend: „Die Landarbeiter" (7. März 1896) 1. „.Agrarpolitik'. Vorlesungen im Hochstift. IV. Frankfurt a. M., 6. [Korrekt: 7.] März", Frankfurter Journal, Nr. 116 vom 9. März 1896, Ab. Bl., S. 1 ; 2. „Freies deutsches Hochstift Frankfurt a . M . " , Frankfurter Volksbote, Nr. 11 vom 15. März 1896, S. 2. Fünfter Vortragsabend: „Agrarschutz und positive Agrarpolitik" (14. März 1896): 1. „.Agrarpolitik'. Vorlesungen im Hochstift. V. Frankfurt a.M., 14. März", Frankfurter Journal, Nr. 128 vom 16. März 1896, Ab. Bl., S. 1 ; 2. „Freies deutsches Hochstift", Frankfurter Volksbote, Nr. 13 vom 29. März 1896, S . 2 f . ; 3. „Vorlesungen über Agrarpolitik", Frankfurter Zeitung, Nr.75 vom 15. März 1896, 3. Mo. Bl., S. 2. Bericht Friedrich Naumanns über die ersten drei Vortragsabende: „Wochenschau", Die Hilfe. Gotteshilfe, Selbsthilfe, Staatshilfe, Bruderhilfe, hg. von Friedrich Naumann, Leipzig, Nr. 10 vom 8. März 1896, S. 1 f.
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Bericht
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Webers Ausführungen werden nach diesen Berichten - A(1) (Frankfurter Journal), A(2) (Frankfurter Volksbote), A(3) (Frankfurter Zeitung), A(4) (Die Hilfe) - wiedergegeben. Auf offenkundige Widersprüche in der Berichterstattung (z. B. unten, S. 777 und S. 779) wird nicht eigens verwiesen. Neben diesen Zeitungsberichten befindet sich in dem gedruckten Lehrplan des Hochstifts ein Exposé der Vorlesungen Webers, in dem die Vorträge jeweils stichwortartig zusammengefaßt sind. Obwohl der Text nicht von Weber gezeichnet ist, ist er zweifelsfrei von ihm verfaßt und daher in Teil I dieses Bandes, S. 599-601, abgedruckt.
Agrarpolitik
[Erster Vortragsabend:] Agrargeschichte [Bericht des Frankfurter Journals]
Der heutige Vortrag, der vor recht schlecht besetzten Bänken stattfand, betitelte sich Agrargeschichte.
Prof. Weber sagt, er übertreibe in dem Folgenden einzelnes absichtlich, damit es besser in die Augen springe; er hoffe es aber so zu thun, daß kein Zerrbild entstände. Er lege auf die Form seines Vortrages keinen Wert; die Ausführlichkeit des Inhaltes sei ihm wichtiger. Wir sind zwar hierin nicht völlig einverstanden und sehen nicht recht ein, ob sich das eine nicht mit dem anderen verbinden ließe, haben jedoch an der Vortragsweise nichts auszusetzen gehabt. - Bei den alten Germanen lag die ganze Arbeit auf der Schulter der Frauen. Der Mann, zu Hause überflüssig, war Krieger und übte sich ständig in den Waffen. Die männlichen Germanen befanden sich in einem beständigen Mobilmachungszustande und hierdurch, durchaus nicht durch die Anzahl, zeigte sich der durch keine Arbeit abgenutzte Germane dem Römer überlegen. Die erste Form der Siedelung war nicht das einsame Gehöft, wie früher angenommen wurde, sondern das Dorf. In denselben herrschte eine ökonomische Gleichheit, die sich mit dem Zunftwesen des Mittelalters vergleichen läßt. Angenommen, es waren 12 Bauern im Dorfe, so gab es 12 gleich große Bauernhöfe. Hierauf folgte Gartenland, das in 12 gleiche, eingeheckte Stücke geteilt war. Darauf folgte Ackerland; dieses war auch in 12 Teile geteilt und durch eine eigentümliche Streifenstruktur so, daß Vorteile und Nachteile der Landwirtschaft (Sonne, Hagelschlag etc.) alle gleich betraf. Nach dem Ackerland kam die Weide. Hier herrschte vollkommene Freiheit; jeder Dorfgenosse hatte hier Recht auf Arbeit; hier durfte er Holz fällen und Land urbar machen, soweit die Mark reichte. Die zunehmende Bevölkerung mußte die Lage verändern. Wie später beim Zunftwesen trat das Stadium ein, wo man eine Zahl festsetzen mußte, über welche hinaus niemand aufgenommen werden konnte. Die Überzähligen heißen nicht mehr Bauern, sondern Gärtner und Häusler. Hierzu kam die Feudalisirung der Grundherrschaft, die einesteils durch das Beispiel
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entstand, das in Gallien etc. schon lange herrschte, 1 anderenteils durch die technische Überlegenheit der „Sklavenhalter". Durch die Volksdichtigkeit wird der Mann zur Mitarbeit gezwungen; er hört auf[,j ständig im Kriege zu sein; er wird schollenfest. An adie Stelle des Volksheers 3 tritt das Feudalheer. Die verringerte Menge muß in bessere Ausrüstung treten; der Reiter, der Ritter ist Kriegsmann. Sein Hof wird in seiner Abwesenheit von den Bauern bestellt. Der Ritter beeinflußt den König, daß die Ämter nur an seine Kreise kommen; alles übrige wird politisch mundtot. Der Normalbauer ward abhängig; qualitativ war zwischen ihm und dem Bauer kein Unterschied, nur quantitativ. Der Ritter brauchte mehr Kleider, als der Bauer, aber keine besseren; ebenso alle anderen Bedürfnisse. Mit dem Aufblühen der Städte trat die bürgerliche Klasse in Konkurrenz mit dem Grundherrn; um es dem Qualitätsluxus der Bürger gleich zu thun, bedurfte man Geld. Zwei Wege gab es. In Süd- und Westdeutschland, wo kaufkräftige Märkte in der Nähe waren, setzte man den Bauer als Pächter ein und ließ sich Renten zahlen. Im Osten, wo keine Städte waren, wurde der Feudale selbst Landwirt, denn den Export konnte nur er, nicht der Bauer, bewerkstelligen. Im 15. Jahrhundert trat ein Söldnerheer an bdie Stelle des feudalen. 0 Die Junker, die Landwirte wurden, suchten die Bauern fortzudrängen aus ihrem Besitze. Der merkantilistische Staat Friedrichs II. und Maria Theresias ging von dem Standpunkte aus, möglichst viel Geld und Soldaten zu erhalten; er trieb die Industrie künstlich in die Höhe und hemmte den Fortschritt auf dem platten Lande. Durch die französische Revolution und die Aufklärung erfolgte die Bauernbefreiung, weil man die erbärmlichen Leistungen der Frohnarbeit erkannt hatte. 1807 ward der Bauer „persönlich" frei (in Preußen). 2 Er
a A(1): das Volksheer
b A(1): das feudale.
1 „Grundherrschaften" waren in den römischen Provinzen wie Gallien bereits in der Kaiserzeit entstanden. Weber setzt sich mit dieser Frage ausführlich im Schlußkapitel seiner Habilitationsschrift auseinander. Weber, Max, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. - Stuttgart: Enke 1891, S. 2 2 0 - 2 7 8 (MWG I/2, S. 297-352). 2 Mit dem Edikt vom 9. Oktober 1807 wurde in Preußen die Erbuntertänigkeit auf den privaten Gütern abgeschafft. Die Bauern waren fortan nicht mehr an die Scholle gebunden und nicht mehr zum Gesindedienstverpflichtet. G S 1806-10, S. 1 7 0 - 1 7 3 .
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Agrarpolitik
bekam aber nicht das ganze Land, sondern mußte Vi an den Großgrundbesitz abtreten. 3 Nach 1813 setzte der Adel es durch, daß die Reformen eingestellt wurden. 4 1816 wurde der spannfähige Bauer freigegeben, der kleine dem Großgrundbesitz geopfert. 5 1850 war's zu spät, 6 die kleinen Bauern waren bis auf einen kleinen Teil aufge- 5 sogen, das übrige waren Taglöhner. Um es nochmals zu wiederholen, wir sprechen von Ostdeutschland; in Österreich lagen die Verhältnisse etwas günstiger. -
3 Das Regulierungsedikt vom 14. September 1811 ermöglichte die Modifikation gutszugehörigen Bauernlandes sowie die Ablösung der noch bestehenden privatrechtlichen Abgaben- und Dienstpflichten durch Landabtretungen und Rentenzahlungen der Bauern an den Gutsherrn. Erbliche Bauern mußten ein Drittel, nichterbliche Bauern die Hälfte ihres Landes abgeben. GS 1811, S. 281 - 2 9 9 . 4 Im Frühjahr 1812 hatte die preußische Regierung einen Gesetzentwurf zur Weiterführung der Agrarreformen ausgearbeitet, der erhebliche Vorteile für die Bauern enthielt. Danach sollte die Eigentumsverleihung sofort eintreten, die Auseinandersetzung wegen der noch vorhandenen, zudem von staatlicher Seite reduzierten Verpflichtungen aber erst später erfolgen. Der Justizminister erklärte sich gegen diesen Entwurf. Er machte sich dabei die Argumentation der Gutsherren zu eigen, die am Regulierungsedikt von 1811 festhalten wollten. Knapp, Bauern-Befreiung, Band 1, S. 1 7 3 - 1 7 8 , S. 287ff. 5 Die Deklaration vom 29. Mai 1816 begrenzte die Regulierungsfähigkeit auf spannfähige, also größere Bauernstellen. GS 1816, S. 1 5 4 - 1 8 0 . 6 Mit dem „Gesetz, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse" vom 2. März 1850 wurden die Reste der noch bestehenden Abgaben- und Dienstpflichten beseitigt. GS 1850, S. 7 7 - 1 1 1 .
1. Agrargeschichte
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[Bericht des Frankfurter Volksboten]
Samstag, den 15. Febr. begann Prof. Max Weber aus Freiburg i. B. seine 5 in Aussicht gestellten Vorträge über Agrarpolitik. Der erste behandelte in knapper, geistreicher Darstellung die Agrargeschichte.
Zur Zeit der Völkerwanderung war der deutsche Boden dünn besiedelt, die Frau verrichtete die meiste Landarbeit, während der Mann sich mehr dem Kriegsdienst widmen konnte und deshalb den übrigen Völkern im Kriege überlegen war. Die Form der alten germanischen Ansiedlungen ist nicht der westfälische Einzelhof, sondern das Dorf inmitten der Flur. Unter Zurückstellung der Zweckmäßigkeit war die ökonomische Gleichstellung, ähnlich wie bei den späteren Zünften, als Hauptgrundsatz dieser Flurgenossenschaften durchgeführt. An die Wohnstätten schlössen sich in einem ersten Ringe um das Dorf die gleichmäßig großen Gärten, an diese in einem zweiten Ringe das Ackerland, jedes der einzelnen Teile oder „Gewanne" in gleich große Stücke nach dem Verhältnis der Höfe eingeteilt. Hier herrschte der Flurzwang, sämtliche Feldarbeiten wurden auf Geheiß des Schulzen gleichzeitig ausgeführt, günstige und ungünstige Witterung, Hagelschlag etc. von allen gleich empfunden. Rings um das Ackerland schloß sich als äußerste Zone die Allmende oder freie Mark an a , für jedermann zur Weide, zum Holzholen, zum Urbarmachen gleich frei. Die wachsende Bevölkerung im Mittelalter verursachte zuerst die Ungleichheit des Besitzes. Das freie Land für neue Ansiedlungen wurde immer weniger, die Zahl der Markgenossen, der freien Besitzer, wurde eingeschränkt. So entstand unterhalb dieser freien Besitzer eine andere soziale Schicht, deren Glieder sich in den Dörfern als Gärtner, Handwerker, Häusler niederließen und nicht mehr als „Nachbar" bezeichnet wurden. Eine weitere Ursache der Ungleichheit wurde die Feudalisierung des Besitzes, der Grundherr erhebt sich über den Bauern. In den von den Germanen eroberten Ländern des deutschen Ostens wurden schon große Grundherrschaften vorgefunden. Die Ursachen des Emporkommens des Großgrundbesitzes lagen in der technischen Überlegenheit des Grundherrn, er verfügte über mehr Kräfte zur Rodung
a Fehlt in A(2); an sinngemäß ergänzt.
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Agrarpolitik
(Urbarmachung von Land) und war der einzige Träger der Arbeitsteilung. Auch konnte er seine Lebenshaltung über die der Bauern steigern und war daher in früheren Zeiten der Träger der Kultur. Hand in Hand mit der zunehmenden Schwierigkeit der Bodenbearbeitung ging die Arbeit von der Frau auf den Mann über, der freie deutsche Bauer wurde seßhafter und verlor seine mobile Wehrfähigkeit. An Stelle des alten Heerbannes, des Volksheeres, tritt nun das Feudalheer des Ritters mit seinen Leibeigenen, das sich immer mehr in zünftige Verbände abschließt und den Monarchen von der Lehenstreue des Adels abhängig macht. Der mit dem Ausscheiden aus dem Heerbann auch politisch tote Bauer gerät immer mehr in ökonomische Abhängigkeit vom Grundherrn. Diese Feudalisierung vollzog sich aber in Deutschland, ähnlich dem heutigen Kapitalisierungsprozeß, nur halb. Die Lage des Bauern war noch nicht so schlimm, der Grundherr mußte sich immerhin auf die Bauern verlassen, konnte auch für seinen eigenen Bedarf an Naturalien und Diensten nicht zuviel herauspressen. Mit der Entwicklung der Städte und des Bürgertums, mit Verkehr und Geldwirtschaft verändert sich die Stellung des Bauern. Der Handelsherr, der zuerst einen Qualitätsluxus statt des früheren Quantitätsluxus treibt, wird dem Feudalherrn politisch gefährlich, und der in seiner Stellung bedrohte Grundherr bedarf nun ebenfalls Geld zu Luxus, das durch die Arbeit des Bauern allein nicht zu beschaffen ist. Zwei Wege stehen ihm offen. Entweder seinen Betrieb völlig aufzulösen, die Bauern in Pächter zu verwandeln und an Stelle der Frohnden und Naturallieferungen Geldabgaben zu setzen, oder den Bauern das Land abzukaufen bezw. wegzunehmen, selbst Landwirt zu werden und die Bauern als Arbeitskräfte in seinem Betrieb zu verwenden. Der erstere Weg findet sich heute noch im Westen und Süden Deutschlands, der letztere im Osten. Maßgebend für die beiden Arten der Bewirtschaftung ist nicht die Betriebstechnik, sondern die Nähe des Absatzmarktes, d. h. der Umstand, ob das Gut in der Nähe kaufkräftiger Städte liegt. In diesem Fall ist die Pachtwirtschaft die beste, sie fand sich daher im Westen und Süden Deutschlands, wo frühzeitig viele Städte in der Nähe waren. Bei Ausfuhr nach fremden Märkten empfahl sich die Selbstbewirtschaftung. In dem durch das Feudalheer eroberten Osten waren viele Grundherren und wenig Städte, es herrschte agrarische Überproduktion. Schon im Mittelalter bestand hier Ausfuhr. Heute noch bildet die Elbe die ökonomische Grenze von West- und Osteuropa.
1.
Agrargeschichte
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Ende des 15. Jahrhunderts macht das Feudalheer im Osten dem Söldnerheer Platz, der frühere Berufsritter wird Landwirt, und sucht mit der Ausdehnung seines Besitzes seine Bauern leibeigen zu machen. Im 17. Jahrhundert beginnt das „Bauernlegen" im Großen, teils durch Güte, teils durch Zwang. In den merkantilistischen Staaten Friedrichs des Großen und der Kaiserin Maria Theresia wird das Bauernlegen aber verboten,1 nicht aus humanen Gründen, sondern weil Geld und Soldaten gebraucht wurden. In der künstlich gezüchteten Großindustrie ist der Fabrikant unter Friedrich II. oft nicht minder gewaltsam im Lande zurückgehalten worden, wie der Soldat. Nur auf dem platten Lande wird die Großindustrie beschränkt, da der König die Bauern zu Rekruten braucht. Ende des 18. Jahrhunderts fällt die letzte Entscheidung über das Schicksal des deutschen Bauern im Osten. Die mit der Aufklärungszeit beginnende Bauernbefreiung geschieht sowohl aus politischen als technischen Gründen. Die Produktion wird durch Wegfall der Frohnarbeit gesteigert. In Österreich gelang die Befreiung nicht sogleich,2 was vielleicht ein Glück für die Bauern war, da sie im Jahre 1848 mit der völligen Freiheit ihr ganzes Land von der Grundherrschaft zurückerhielten. 3 In Preußen wurden zuerst die Bauern der königlichen Domänen mit all ihrem Lande frei, 4 die der Rittergüter zunächst nur persönlich. 5 Erst durch die sogenannte Regulierung bekamen die Bauern ihr Land, mußten aber ein Drittel davon abgeben. 6 Der preußische Adel verzichtete zwar auf die spannfähigen Bauern, nicht aber auf die ihm unentbehrlichen kleinen Besitzer, die Handdienste zu thun hatten. 1816 wurden die kleinen Bauern geopfert, ihre Grundstücke ihnen
1 Friedrich der Große führte 1749 in der Provinz Schlesien den sog. Bauernschutz ein; in Österreich wurde der Bauernschutz unter Maria Theresia 1769 eingeführt. Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, S. 415. 2 Der Nachfolger Josephs II. wurde von der Adelsopposition gezwungen, die mit der „Urbarialregulierung" vom 10. Februar 1789 begonnene Bauernbefreiung wieder zurückzunehmen. Grünberg, Bauernbefreiung, Band 1, S. 322ff. und 350. 3 Gemeint sind die Patente vom 7. September 1848 und vom 4. März 1849. Ebd., S. 390 ff. 4 Zwischen 1799 und 1805 wurden die spannfähigen Bauern der Staatsdomänen der alten preußischen Provinzen persönlich frei und erhielten ihr Land zum freien Eigentum. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, B a n d l : Reform und Restauration 1789 bis 1830. - Stuttgart: W. Kohlhammer 1975 2 , S. 185. 5 Wie S. 749, Anm. 2. 6 WieS. 750, Anm. 3.
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Agrarpolitik
genommen. 7 Als endlich nach der Gährung des Jahres 1848 unter der Landbevölkerung ein Gesetz für Regulierungsfähigkeit im Jahre 1850 erschien, 8 kam dies für die Meisten zu spät. Der große Bauer wurde frei, der kleine versank in das Proletariat, aus dem die Landarbeiter des Ostens hervorgingen, die Reservearmee für die industriel- 5 len Bezirke. Auf dieser Entwicklung beruht die Scheidung des deutschen Ostens vom Westen und Süden.
7 Wie S. 750, Anm. 5. 8 WieS. 750, Anm. 6.
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[Bericht der Frankfurter Zeitung]
In seiner ersten Vorlesung über Agrarpolitik gab Herr Professor Weber gestern einen Überblick über die deutsche Agrargeschichte.
Er schilderte, wie die ursprünglich extrem egalitäre und demokratische Form der Besiedelung und die dadurch entstehende Knappheit des Bodens schließlich zu einer Kontingentirung der Zahl der Hufenbesitzer führen mußte. Hierdurch wurde eine besitzlose Bevölkerungsklasse erzeugt. Etwas zu wenig trat in dem sonst glänzend disponirten Vortrag sodann hervor, daß dieser Bevölkerungsüberschuß vor allem zur Kolonisirung des Ostens führte. Aristokratische Elemente kamen in unserer Agrarverfassung erst zur Geltung, als der stets mobile Krieger der älteren Zeit infolge intensiverer Wirthschaft mehr an die Scholle geheftet wurde und die von den großen Lehnherrn equipirten Reiterheere entstanden. Damit erlangten die Magnaten natürlich auch allen politischen Einfluß. Im Westen, wo die großen Grundherrschaften dünner und die Absatzmärkte nahe waren, erhielt sich der Bauernstand sodann besser als in dem für den Export wirthschaftenden und von Anfang an mehr junkerlich besiedelten Osten. So kam es, daß die Elbe heute die ökonomische Grenze zwischen West- und Osteuropa bildet. Zum Schluß schilderte der Vortragende in großen Zügen den Niedergang des Bauernstandes im 17. Jahrhundert, die Ursachen seiner theilweisen Erhaltung durch den aufgeklärten Despotismus und schließlich die sogenannte Bauernbefreiung, welche freilich nur die großen spannfähigen Bauern wirthschaftlich selbstständig machte, während die kleinen den Junkern, welche in Ermangelung eines freien Arbeiterstandes sonst keine Arbeiter gefunden hätten, überlassen werden mußten. Aus ihnen ist dann das ländliche Proletariat und die industrielle Reservearmee der Gegenwart entstanden.
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Agrarpolitik
[Zweiter Vortragsabend:] Agrarverfassung [Bericht des Frankfurter Journals] Der heutige Vortrag nennt sich „Agrarverfassung". Ehe der Vortragende von der deutschen Agrarverfassung spricht, wirft er einen Blick auf diejenige Frankreichs und Englands.
Der französische Adel vor der großen Revolution hatte seinen Landbesitz verpachtet und lebte von seinen Renten als Hofadel in der Nähe des Königs. Als die Revolution diesen Rentenadel weggefegt hatte, hinterließ er in der Landwirtschaft keine Lücke. Das ist der Hauptunterschied zwischen ihm und dem deutschen Junker, der selbst in die agrarischen Verhältnisse verflochten ist. Es gibt jetzt in Frankreich fünf Millionen Grundbesitzer, 1 da der code civil3 eine Realteilung der Erbschaft begünstigt. 2 Trotzdem herrscht nicht der Zwergbetrieb vor, sondern der Typus ist der wohlhabende, mittlere Bauer; die Gründe hierfür sind erstens das französische Zweikindersystem,13 zweitens die Mobilisirung des Grundbesitzes, welche immer die pachtweise oder hypothekarische Vergrößerung wieder ermöglicht. In England nahm die Agrarverfassung durch die Ritter Wilhelms des Eroberers eine feudale Entwickelung. Im 16. Jahrhundert wurden die Grundherren, um mit der Weltkonjunktur 0 konkurriren zu können, selbst Landwirte; aber im Anfange unseres Jahrhunderts zogen sie sich wieder als von ihren Renten lebende Landlords zurück. Die Folge davon war, daß sie sich nach kapitalkräftigen Pächtern umsahen und die Bauern von der Scholle verdrängten. In England gibt es also drei Kategorien: l.der rentenverzehrende Landlord, der sich nur mit Politik und Sport beschäftigt; 2. der a A(1): civile
b A(1): Zweikindersystem:
c A(1): Weltmanufaktur
1 In Frankreich wurden anläßlich der Erhebung von 1882 mehr als vier Millionen selbständige Landwirte gezählt. Conrad, Johannes, Agrarstatistik, in: HdStW 1 1 , 1 8 9 0 , S. 67. 2 Am 4. August 1789 wurden in Frankreich alle Feudalrechte und persönlichen Lasten der Bauern abgeschafft; im Oktober 1792 wurde die Errichtung von Familienfideikommissen verboten und am 6. Januar 1794 wurde ein neues Erbrecht eingeführt, das die Zwangsteilung unter allen berechtigten Erben vorsah. Der Code Civil Napoleons I. bekräftigte diesen, durch das revolutionäre Erbrecht vorgeschriebenen „partage forcé". Miaskowski, August von, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsvertheilung im Deutschen Reiche (Schriften des Vereins für Socialpolitik 20). - Leipzig: Duncker & Humblot 1882, S. 2 2 5 - 2 2 7 .
2.
Agrarverfassung
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bürgerliche Pächter; 3. der Arbeiter, als Rest des Bauerntums. Der Großgrundbesitz ist nicht mobil, wie in Frankreich, sondern durch das primogene Anerbenrecht 3 und durch Fideikommisse festgelegt. - Wir kommen nach Deutschland. Die Zahl der Grundbesitzer ist ungefähr der französischen gleich.4 Zweidrittel wird durch den Eigentümer selbst bewirtschaftet. 5 - Die Agrarverfassungen Deutschlands müssen regional betrachtet werden. Im Rheinthal, wo absatzfähige Lokalmärkte sind, herrscht der Klein- und Zwergbetrieb vor. Es besteht dort das französische Erbrecht. Wo Getreidebau herrscht, und wo mehr produzirt wird, als der Lokalmarkt verzehrt, geht die Tendenz auf geschlossene Vererbung des Besitzes, da der kleine Betrieb nicht exportiren kann. Hier herrscht der Großbauer, der mit Proletariat arbeitet. Eine große soziale Differenz besteht zwischen ihm und dem Arbeiter. Diese fehlt in den Gebieten der Gartenkultur, da hier auch mit ganz kleinem Kapital nach und nach etwas Land erworben werden kann. Der Besitz des Großbauers geht entweder durch gesetzliche Benachteiligung der anderen auf einen über oder es werden die anderen durch private Verträge aufs Altenteil gesetzt. Im Osten haben wir die feudale Gliederung; das Rittergut, der preußische Junker ist wie schon gesagt nicht Rentner, sondern Arbeitgeber. Der Boden liegt nicht fest in der Hand des Besitzers, sondern ist Spekulationsobjekt. Nur die allergrößten Güter sind Fideikommisse. Es ist in Preußen zur Gründung derselben eine sehr beträchtliche Minimalgröße festgesetzt. 6 Diese werden wie in England durch Pächter betrieben. - Die Landleute sind nicht mehr die bestgenährtesten. Das Wertvollste kommt auf den Markt und das am wenigsten Transportfähige dient zum eigenen Verbrauch; das Korn kommt in den Handel und die Kartoffeln werden selbst verzehrt. Im Osten ist der genügsamste Landwirt der Gewinnende; im 3 Gemeint ist die ungeteilte Weitervererbung an den jeweils Erstgeborenen. 4 Die mit der französischen Zählung von 1882 vergleichbare Berufszählung vom 5. Juni 1882 für das Deutsche Reich weist 2288033 Selbständige, die allein von der Landwirtschaft lebten, nach, sowie 3193655 Personen, die ihren selbständigen Landwirtschaftsbetrieb mit einem Nebenerwerb verbanden. Conrad, Agrarstatistik, S. 67. 5 Diese Relation ergibt sich aus der Zahl der Verpachtungen : Nach der Berufszählung von 1882 waren von der Gesamtzahl der im Deutschen Reich existierenden Betriebe 15,7% reine Pachtungen und 20,7% Mischpachtungen. Paasche, Hermann, Pacht, in: HdStW5 1 , 1893, S. 91. 6 In Preußen war ein jährlicher Mindestreinertrag von 7500 Mark Voraussetzung für die Errichtung eines Gutes als Fideikommiß. Gierke, Otto, Fideikommisse, in: HdStW 3 1 , 1892, S. 417.
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Agrarpolitik
Westen der beste und Geschäftskundigste. Für die Dislokation der Bevölkerung gelten folgende Sätze: Je größer der Betrieb, desto weniger Leute bedarf es im Verhältniß. Je größer der Betrieb, desto größer die Volksdichtigkeit, da sie auf dem Hofe etc. zusammen wohnen. Je proletarischer die Bevölkerung, desto größer die Anzahl 5 der Kinder. Zum Schlüsse kommt Professor Weber auf das Heimatsgefühl, in seinen Beziehungen zur Boden-Besitzverteilung, zu sprechen. Er gelangt zu dem Satze: Je kleiner der Betrieb, desto seßhafter die Bewohner. Im Westen, in dem die Erwerbung des Bodens leicht ist, ist die Auswanderung gering; im Osten, wo der Grundbe- 10 sitz festgelegt ist, dagegen groß.
2.
Agrarverfassung
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[Bericht des Frankfurter Volksboten]
Unter steigendem Besuch und Interesse folgte vergangenen Samstag die zweite agrarpolitische Vorlesung von Professor Max Weber über Agrarverfassung.
Redner schilderte zunächst die in ihrer Art einheitlichen Agrarverfassungen Frankreichs und Englands. Frankreich, das Land der Bodenzersplitterung mit 5Vi Millionen ländlichen Betrieben und 5 Millionen Landbesitzern, wo die Hälfte der landwirtschaftlichen Bevölkerung selbständig,1 der Adel zum Renten- und Hofadel geworden ist. Trotz der Zersplitterung hat der mittlere, wohlhabende Bauer zum Betrieb mehr als die Hälfte des Bodens inne. In dem einstmals von einem Feudalheer eroberten England begann schon im 16. Jahrhundert das Bauernlegen und endete im vorigen. 2 Hier findet sich neben dem von seiner Pachtrente lebenden Landlord noch der Pächter, meist ein bürgerlicher Kapitalist, und ein Taglöhnerproletariat. % der riesigen Grundbesitze (in England ist Vi des Bodens in den Händen von 21 Tausend, 3 die Hälfte Irlands in den Händen von 800, 4 Ys von Schottland in denen von 600 Besitzern 5 ) sind unbewegliche Fideikommisse. 6 Die Zahl der Betriebe ist groß, es sind aber meist winzige Pachtbetriebe. In Deutschland ist das Verhältnis von Besitz und Betrieb im ganzen ähnlich wie in Frankreich. % des Bodens werden durch die Eigentümer bebaut, 7 der mittlere Bauer 1 Wie S. 756, Anm. 1. Conrad gibt in seinem Artikel an, daß 58,5% der von der Landwirtschaft lebenden und in der Landwirtschaft tätigen Personen Selbständige waren. Conrad, Agrarstatistik, S. 67. 2 Gemeint sind die Einhegungen (enclosures), die in England bereits im Mittelalter einsetzten und durch die ganze Landstriche entvölkert und ganze Dörfer ihrer Existenzbasis beraubt wurden. 3 Gemäß des Katasters von 1873, das alle Grundeigentümer, die Größe und den jährlichen Reinertrag ihres Grundbesitzes verzeichnete, waren 35,3% der landwirtschaftlich genutzten Fläche in England und Wales in der Hand von 37116 Eigentümern von 100 bis 1000 Acres. 5408 Eigentümer mit einem Besitz von über 1000 Acres besaßen 64,7% der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Eine diese amtliche Erhebung ergänzende wissenschaftliche Untersuchung von Reitzenstein kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Reitzenstein, Friedrich Frhr. von, und Nasse, Erwin, Agrarische Zustände in Frankreich und England (Schriften des Vereins für Socialpolitik 27). - Leipzig: Duncker & Humblot 1884, S. 130-132. Zu der zitierten amtlichen Erhebung siehe ebd. 4 Auf welche Angaben sich Weber hier stützt, konnte nicht ermittelt werden. 5 Auf welche Angaben sich Weber hier stützt, konnte nicht ermittelt werden. 6 Auch Reitzenstein/Nasse, Agrarische Zustände, S. 194, schätzen, daß zwei Drittel des englischen Grund und Bodens fideikommissarisch gebunden waren. 7 WieS. 757, Anm. 5.
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Agrarpolitik
bildet die breite Masse, im ländlichen Klein- und Großbetrieb wird das Pachtsystem begünstigt. In Deutschland bestehen aber nach den einzelnen Gegenden 3 Typen der deutschen Agrarverfassung. In der Rheingegend mit alter städtischer Kultur ist durch die Nähe aufnahmefähiger Märkte der Zwergbetrieb mit Garten-, Wein- und Tabaksbau begünstigt. Die Erbteilung bietet Gelegenheit zum Landkauf, die Kleinheit des Betriebs ist ein ökonomischer Vorzug, indem er die Intensität der Ausnutzung steigert. In Süd- und Mitteldeutschland überwiegt der größere Flächen erfordernde Getreidebau, hier herrscht aus technischen Gründen das Bestreben zu geschlossenen Gütern. Je unfruchtbarer und abseits des Verkehrs die Gegend gelegen ist, wie im Schwarzwald, in manchen Gegenden Mitteldeutschlands und Oberbaierns, desto notwendiger wird der größere Einzelbesitz. Durch das in verschiedenen mitteldeutschen Staaten geltende Anerbenrecht 8 wird die Gelegenheit zu Landkauf weniger, der Gegensatz zwischen Hofbauer undTaglöhner größer. Östlich der Elbe überwiegt die Feudalgliederung, die Zahl der ritterlichen Gutsbezirke und der Gemeinden ist sich gleich. Im Gegensatz zum englischen Rentenaristokraten ist der preußische Junker Selbstbewirtschafter, Arbeitgeber, da die meisten Güter durch Verpachtung zu wenig Rente bringen würden; davon rührt, ähnlich wie beim Fabrikarbeiter, mit der Haß des Landarbeiters gegen seine Arbeitgeber her. Die zu Spekulationsgegenständen gewordenen großen Güter kommen immer mehr aus den Händen des Adels, nur die allergrößten sind, ähnlich wie die englischen, durch Fideikommisse festgelegt. Die Wirkung der Agrarverfassung in Deutschland zeigt zunächst in Bezug auf die Bevölkerungsverteilung bei steigendem Großbetrieb eine dünnere Bevölkerungsschicht und umgekehrt, da der Großbetrieb mit gleicher Arbeitsleistung bei gleicher Bodenfläche weniger Arbeitskräfte braucht, als der Kleinbetrieb. In Bezug auf die Lebenshaltung ist der Landbewohner nicht mehr der am besten genährte, wie zur Zeit der Naturalwirtschaft, besonders da, wo der Kleinbesit-
8 Das Anerbenrecht galt in den Großherzogtümern Baden, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, dem Fürstentum Schaumburg-Llppe, dem Herzogtum Braunschweig, dem Landgebiet der Stadt Bremen sowie in den preußischen Provinzen Hannover, Westfalen, Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein einschließlich dem Kreis Herzogtum Lauenburg. Miaskowski, August von, Anerbenrecht, in: HdStW 1 1 ,1890, S.272.
2.
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zer gerade seine wertvollsten Erzeugnisse auf den Markt bringen muß; meist dient das minder Wertvolle dem eigenen Konsum, besonders die Kartoffeln. Bei Produktion für den Markt kommt der tüchtigste Besitzer am meisten vorwärts, wie am Rhein; bei Produk5 tion für den eigenen Bedarf der genügsamste, im Osten der Pole. Die Wirkung auf die Wohnungsverhältnisse ist die, daß, je größer der Betrieb, desto zusammengedrängter die Leute wohnen. In Ostpreußen kommen in den Dörfern auf ein Haus 10, in den Städten 12, auf den Rittergütern 15 Köpfe, während am Rhein auf dem Land meist 10 ein Haushalt in einem Gebäude ist. 9 Die Wirkung der Agrarverfassung auf die Volksvermehrung, sowie der Zusammenhang des Elends mit letzterer ist ein noch ungelöstes Problem. Proletarische Lebenshaltung vermehrt die Kinderzahl auf dem Land wie in der Stadt, beim westfälischen Hofbauern steht dagegen die Kinderzahl 15 mit der Ernährung in genauem Verhältnis. Abnehmende Bodengüte zeigt wachsende Kinderzahl beim rheinischen Parzellenbesitzer, wie beim ostelbischen Taglöhner. Tief einschneidend in alle Verhältnisse ist die Wirkung auf die Seßhaftigkeit. Allerdings löst der zunehmende Verkehr^] in Verbindung mit der wachsenden Großindustrie, 20 immer mehr Menschen vom Boden, aber die Art der Verteilung des Landes kommt noch hinzu. Je kleiner der Einzelbesitz, desto seßhafter ist die Bevölkerung und umgekehrt. In den rheinischen Landorten bleiben teil weis 9/io am Ort Geborene in der Heimat, 10 in Ostpreußen 29—36% ;11 die Heimatslosigkeit auf den Gütern des Ostens
9 Auf Grund der Materialien der Gebäudesteuerrevision von 1878 kamen in Ostpreußen auf ein Wohngebäude im statistischen Durchschnitt 10,8 Einwohner, im Rheinland dagegen nur 7,2. Preußische Statistik. Heft 103. - Berlin: Verlag des Königlich Statistischen Bureaus 1889, S. LIX. Genauere Angaben zu den ostpreußischen Städten, Dörfern und Gütern macht das preußische Gemeindelexikon. Es ergeben sich hiernach, zum Teil abweichend von Webers Angaben, für die Städte 16,9, für die Güter 15,2 und für die Dörfer 8,1 Einwohner pro Wohnhaus (unbewohnte Wohnhäuser eingeschlossen). Die Zahlen basieren auf der Volkszählung von 1885. Gemeindelexikon, Bandl, S. 400f. Zu den rheinischen Landgemeinden vgl. auch unten, S. 788, Anm. 1. 10 In den Landgemeinden der rheinischen Regierungsbezirke betrug der prozentuale Anteil der Kreisgebürtigen an der ortsanwesenden Bevölkerung im Jahre 1885 88,7 (Koblenz), 75,2 (Düsseldorf), 85,0 (Köln), 86,6 (Trier) und 88,8 (Aachen). Gemeindelexikon, Band 12, S.250. Vgl. auch die Zahlenangaben und Ausführungen Max Webers in seinem Gutachten über die Einführung eines Heimstättenrechts, oben, S. 661. 11 Diese Angaben beziehen sich nicht auf die Kreisgebürtigkeit, sondern auf die Gebürtigkeit in der Heimatgemeinde. Vgl. die Ausführungen und die Zahlenangaben Webers ebenfalls oben, S.666.
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ist größer als in den rheinischen Industriebezirken, denn der festgelegte Boden schafft nur Seßhaftigkeit für Besitzer, nicht beim Taglöhner des „patriarchalischen Systems". Die Auswanderung aus den Land- nach den Industriebezirken zeigt in Deutschland große Unterschiede. In Baden wird teilweise die Auswanderung wegen zu großer Bevölkerungsdichtigkeit empfohlen, in Ostpreußen verschwinden dagegen in jedem Jahr mindestens 75% des Geburtsüberschusses, 12 um Asyle und Landstraßen als industrielle Reservearmee zu bevölkern. In Mecklenburg, wo die Zahl der durch Bauern bewirtschafteten Domänen und der freiherrlichen Rittergüter gleich ist, besteht die Auswanderung zu 9/io aus Arbeitern der Rittergüter®. Aristokratische Gliederung des Landes entvölkert, demokratische bringt die Gefahr der Übervölkerung. Auffallend ist auch die geringe Zahl der Handwerker im Osten, b während sie im Westen noch große Macht besitzen. Der preußische Junker, der die Kultur des Ostens trägt, will für das Handwerk eintreten, bezieht aber seine Ware meist aus Berliner Bazaren und begünstigt auch hiermit das unnatürliche Anwachsen der Großstädte. Alle die geschilderten Zustände bringen es mit sich, daß jede Krise der Industrie bei uns mit viel größeren Schwierigkeiten zu rechnen hat als in England. Der Raummangel gestattet leider nicht, noch manche statistische Einzelheiten einzuflechten, die alle in gleich überzeugendem Maße die Gefahren des Großgrundbesitzes für unsere gesamten deutschen Verhältnisse in Stadt und Land beweisen würden.
a A(2): Rittergütern
b A(2): Osten;
12 Diese Angabe bezieht sich auf die Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Posen, Pommern, Schlesien und die Großherzogtümer Mecklenburg. Vgl. oben, S. 268, Anm. 55.
[Dritter Vortragsabend:] Agrarkredit [Bericht des Frankfurter Journals]
Unser Bild der agrarischen Gliederung wäre unvollständig ohne dasjenige des Hypothekengläubigers. Man unterscheidet zweierlei Kredite, die der Landwirt in Anspruch nimmt. Erstens den Betriebsoder Wirtschaftskredit (für die Beschaffung der Werkzeuge; die Bestreitung des Lohnes etc.); zweitens den Besitzkredit. Letzterer wird beim Kaufe des Gutes durch Errichtung einer Kaufhypothek oder zur Abfindung der Miterben, durch eine Erbhypothek in Anspruch genommen. Ist das Gut nicht gekauft, so tritt an den Hypothekenzins der Pachtzins. Die Pacht hat gewisse Vorzüge; eigentlich jedoch nur für denjenigen, der für den Markt produzirt; der naturalwirtschaftende kleine Bauer ist niemals Pächter. Wegen der langen Umschlagsfristen ist für den landwirtschaftlichen Betriebskredit die Form des Wechsels nicht geeignet. Der Kredit durch „Mobiliarpfandschuld"[,j d. i. Kredit auf in Lagerhäusern deponirte Produkte, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Es bleibt der Immobiliarpfandkredit, die Hypothek. Die juristisch feine Ausbildung der Hypothek stammt aus dem preußischen Osten; ebenso die Einrichtung des „Grundbuches", das erst jetzt auf das ganze Reich ausgedehnt wird.1 Es gilt nur diejenige Schuld, welche in das Grundbuch eingetragen ist; in Frankreich ist dies nicht der Fall und in England ist die Feststellung, welche Schuld auf einem gewissen Grundstück liegt, mit hohen Notariatskosten verknüpft. - Man hat bei uns die Hypothek derartig rechtlich gesichert, daß sie eine Kapitalsanlage für Private bildet. Die Versuche, die „Grundschuld" an der Börse umsatzfähig zu machen, scheiterten an dem intellektuellen Charakter der Hypothek. Nach dem siebenjährigen Krieg wurde
1 In Teilen Südwestdeutschlands und Süddeutschlands galt entweder das Trans- und Inskriptionssystem nach französischem Vorbild oder das Hypothekenbuchsystem. Im Gegensatz zu diesen Systemen wurde nach dem in Preußen seit 1872 gültigen Grundbuchsystem d e gesamte dingliche Rechtszustand eines Grundstücks in das Grundbuch eingetragen, w a s für die Gläubiger eine höhere rechtliche Sicherheit bedeutete. Die generelle Einführung des Grundbuchsystems wurde erst im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896 für da.-i Deutsche Reich von 1900 an vorgesehen. GS 1872, S. 4 4 6 - 4 7 2 ; Schollmeyer, Hypotheken- und Grundbuchwesen, in: H d S t W 4 2 , 1 9 0 0 , S. 1268f.
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Agrarpolitik
eine Genossenschaft „Die Schlesische Landschaft" gegründet. 2 Dieselbe war eine Gesamthaftung des Schlesischen Adels für die Schulden des einzelnen in gewissen Grenzen; dieser Gedanke erfuhr später weitere Ausdehnung durch die Gründung privater Hypothekenbanken. Die hypothekarische Verschuldung ist in England fast gar nicht vorhanden, da der Boden meistens fideikommissarisch festgelegt ist. In Frankreich und im westlichen Deutschland ist sie weit geringer, als im östlichen; denn in ersteren Ländern herrscht freie Realteilung, im Osten Anerbenrecht. Die Lebensdauer der Hypothek ist in Frankreich und dem Westen viel kürzer, als im Osten, wo sie3 dauernde „Tributlast" ist. Früher wurden die Hypotheken bei Subhastationen fällig: seit dem Gesetze von 1883 bleiben die vorhergehenden Hypotheken unberührt. 3 Die Hypotheken machen die Güter noch mehr unteilbar. Der Verkaufswert eines Gutes steht oft über dem Ertragswert, da der Boden nicht nur Produktionsmittel ist, sondern auch ein gesichertes Arbeitsfeld bietet. Bei großen Gütern wird noch der Rest des Feudalismus bewertet, da der Erwerber als Rittergutsbesitzer Mitglied einer feudalen Gesellschaftskaste wird. Professor Weber kommt nun auf den Kampf gegen die Verschuldung zu sprechen. Das charakteristischste Reformprojekt ist der Inkorporationsplan des Nationalökonomen Schäffle, der einen modernen Bauernschutz gegen die bürgerliche Klasse bilden soll.4 Die Korpoa A(1): die
2 1769/70 wurde die „Schlesische Landschaft" als erstes einer ganzen Reihe von landwirtschaftlichen Bodenkreditinstituten gegründet. Diese Institute waren als Zwangskorporationen der Rittergutsbesitzer organisiert und verpflichtet, ihren Mitgliedern unter Beachtung des Prinzips der solidarischen Haftung, d.h. der Haftung aller für einen, Kredite zu geben. Preußen wollte durch die Gründung der „Schlesischen Landschaft" die durch den Siebenjährigen Krieg um Schlesien ( 1 7 5 6 - 1 7 6 3 ) geschwächte Landwirtschaft stärken. 3 Gemeint ist das „Gesetz, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen" vom 13. Juli 1883. Wie aus dem Bericht des Frankfurter Volksboten über den Vortrag Webers (unten, S. 767) deutlicher hervorgeht, spielt Weber hier auf die §§ 29 und 30 dieses Gesetzes an. Diesen Paragraphen zufolge gingen die im Grundbuch eingetragenen Realforderungen den Forderungen des Gläubigers voraus, der die Zwangsversteigerung einleitete, dessen Forderungen aber im Grundbuch nicht eingetragen waren. G S 1883, S. 139f. 4 Albert Schäffle entwickelte in seiner Schrift: Die Inkorporation des Hypothekarkredits. Tübingen: H.Laupp 1883, den Gedanken einer genossenschaftlichen Organisation der Bauernschaft zur Bereitstellung von Krediten. Damit sollte die Bauernschaft von bürgerlichen Kreditgebern unabhängig werden.
3.
Agrarkredit
765
ration soll den Kredit monopolisiren; die Privathypothek fällt weg. Besitzkredit gibt die Korporation gar keinen', nur zu Meliorationen oder Notständen. Die Ausführbarkeit des Projektes wollen wir undiskutirt lassen. Es wäre dies eine Bauernzwn/i, zu der nur der 5 Geldbesitzende Zutritt hätte. Der Vortragende spricht hierauf über zwei Projekte, welche von demjenigen Schäffles abstammen, dem sogen. Österreichischen Entwurf 5 und dasjenige der Preußischen Agrarkonferenz. 6 Von letzterem wollen wir nur noch erwähnen, daß es auf die Ausdehnung des Anerbenrechtes hinausgeht;7 wir haben 10 jedoch im vorhergehenden Vortrage dessen Einfluß auf die Verminderung der Bevölkerung gesehen; im nächsten Vortrage werde festgestellt, wo dieses wünschenswert ist.
5 1890 legte die österreichische Regierung unter Eduard Graf Taaffe einen Gesetzentwurf zur Bildung von Zwangsgenossenschaften der Landwirte vor. Diese Korporationen sollten verpflichtet werden, bei Zwangsversteigerungen zugunsten der Schuldner zu intervenieren. Sering, Max, Die Entwürfe für eine neue Agrargesetzgebung in Österreich, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 18. Jg., 1894, S. 388-390; Ogris, Werner, Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien 1848-1918, in: Die Habsburger Monarchie 1848-1918, hg. von Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch, Band 2: Verwaltung und Rechtswesen. - Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften 1975, S. 628f. 6 Auf der preußischen Agrarkonferenz, die vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1894 unter der Leitung des preußischen Landwirtschaftsministers stattfand, entwickelte der Agrarwissenschaftler Max Sering einen Plan, demzufolge sich die Grundbesitzer zusammenschließen sollten, um bei Subhastationen den jeweiligen Schuldner zu unterstützen. Dieser Plan stieß bei den Grundbesitzern auf Widerspruch. Vgl. dazu Max Webers Artikel „Die Verhandlungen der Preußischen Agrarkonferenz", oben, S. 494f. 7 Ergänzt wurde Max Serings Plan der Bildung von Korporationen der Grundbesitzer durch das Projekt, das Anerbenrecht, demzufolge der Grundbesitz ungeteilt weitervererbt wurde, wieder einzuführen. Vgl. Max Webers Artikel „Das Anerbenrecht auf der preußischen Agrarkonferenz", oben, S. 502-511.
766
Agrarpolitik [Bericht des Frankfurter Volksboten]
Die dritte der agrarpolitischen Vorlesungen von Professor Max Weber behandelte den Agrarkredit. Auch hier wußte der Vortragende den spröden Stoff lebendig und interessant zu gestalten.
Von der Person des in die Agrarverfassung noch hineingehörenden, oft tief in die Verhältnisse einschneidenden Hypothekengläubigers führte das Thema über auf die verschiedenen Arten des Kredits, insbesondere Betriebs- und Besitzkredit. Ersterer wird nötig zum Zwecke der Bewirtschaftung, für Meliorationen (Verbesserungen), Daueranlagen (Meliorationskredit). Der Besitzkredit ergiebt sich aus der verschiedenen Beschaffung von Grund und Boden (Pacht, Kauf, Erben u. s. w.) als Pacht- und Hypothekenzins. Für den Eigentümer ist der meist höher stehende Pachtzins am günstigsten; auch werden durch ihn wirtschaftliche Krisen besser ertragen, indem der Rückgang der Preise u.s.w. sich auf Pächter und Verpächter verteilt. Letzterer ist ferner im Gegensatz zu dem nur für sein Kapital besorgten Hypothekengläubiger am Gedeihen seines Gutes mitinteressiert. Bäuerliche Naturalwirtschaft macht jedoch den, einen fortgesetzten Geldumsatz brauchenden Pachtzins nicht empfehlenswert. Die Pachtwirtschaft rentiert sich erst bei Großbetrieb und führt durch Ersparung von Arbeitskräften zur Verdünnung der Bevölkerung. Der Besitzkredit ist in Deutschland noch sehr verbesserungsfähig. Die langen Umschlagsfristen in der Landwirtschaft machen den rein persönlichen Kredit nicht leicht und die kaufmännische Form des Wechsels also ungeeignet. Dagegen kann die Form der Mobilienpfandschuld, da bewegliche Güter auf kurze Zeit hiefür sehr geeignet sind, durch Errichtung von Lagerhäusern und Ausgabe von Lagerscheinen auf Feldfrüchte trotz des Mißtrauens der Landwirtschaft gegen die Börse noch weiter ausgebildet werden. Der Immobilien-Realkredit, die Verpfändung des Bodens in rechtlicher Form, ist am höchsten im Osten Preußens entwickelt, besonders durch das seit den 70er Jahren eingeführte Grundbuch, eine Liste der Grundstücke mit allen darauf ruhenden Rechtsverhältnissen. 1 Im Gegensatz zu den rechtlich unsicheren Landverhältnissen Englands und den ebenfalls nicht gleiche Sicherheit bietenden Frankreichs, hier geht näm-
1 Wie S. 763, Anm. 1.
3.
Agrarkredit
767
lieh eine Anzahl Pfandrechte dem Hypothekengläubiger vor, ermöglicht die preußische Hypothekenform den Boden als sichere Kapitalanlage auszunutzen. Der genossenschaftliche Zusammenschluß im Osten steigert noch die Umsatzfähigkeit der Hypotheken. In der zuerst durch „Die Schlesische Landschaft" nach dem 7jährigen Kriege gegründeten Genossenschaft 2 haftete der gesamte schlesische Adel für die Schulden Einzelner innerhalb bestimmter Grenzen durch Ausgabe von Pfandbriefen. Später wurde dies auf die übrigen Provinzen durch Privathypothekenbanken ausgedehnt, in denen aber nun ein Bankunternehmer in den Vordergrund tritt. Die technische Überlegenheit der Rechtsformen gerade in den ökonomisch rückständigsten Gegenden des deutschen Ostens hängt mit der Agrarverfassung, mit der schnelleren Umsatzmöglichkeit der Grundstücke zusammen. In England ist die Grundrente meist Pachtrente: die Fideikommisse sind nicht belastbar; 3 in Frankreich ist ebenfalls geringere Verschuldung vorhanden, in Deutschland selbst ist sie verschieden. Die meisten Hypotheken entstehen durch Besitzkredite, Kauf oder Erbschulden. In Frankreich fällt mit der realen Teilung die Erbschuld weg, die Hypothek ist hier wie im westlichen Deutschland meist auch schneller zurückbezahlt. Beim wechselnden Kleinbesitz werden die Schulden vielfach auf Termin genommen, im Osten ist die Hypothek dagegen in ihrer Rechtsform eine dauernde durch die Gesetzgebung noch gesteigerte Tributlast. Seit 1883 ist eine Reinigung des Grundbuchs von Hypotheken, wenigstens bei Versteigerungen, nicht mehr möglich, da die Hypotheken jetzt dem die Versteigerung veranlassenden Gläubiger vorgehen. 4 Die Person des Gläubigers ist im Westen nicht so scharf getrennt vom Lande, meist ein Sparkassengläubiger; im Osten dagegen ist es in der Person des bürgerlichen Gläubigers ein Zins des platten Landes an die Stadt. Hier wird die Hypothek noch gesteigert durch die Geschlossenheit der Güter, die nur durch kapitalkräftige Güterschlächter geteilt werden können. Wie einst zu Gunsten des Feudalherrn ist die Agrarver2 Wie S. 764, Anm. 2. 3 Gemeint sind die den deutschen Fideikommissen vergleichbaren entails, d.h. Stiftungen, zumeist von Grundbesitz, die von Generation zu Generation erneuert wurden. Vgl. oben, S. 509, Anm. 19. 4 Gemeint sind die § § 2 9 und 30 des Gesetzes vom 13.Juli 1883 „betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen." G S 1883, S.139f. Vgl. auch Anm. 3, S.764.
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Agrarpolitik
fassung jetzt zu Gunsten des städtischen Tributherrn festgelegt. Mit der Agrarverfassung, der Entstehung der Bodenpreise, hängt auch die Höhe der Verschuldung zusammen. Der freie Verkehr steigert den Verkehrswert über den Ertragswert. Der Boden ist nicht allein Produktionsmittel, sondern sein Besitz ist eine sichere Arbeitsstätte. Dieser Umstand treibt besonders auch die kleinen Grundstücke in die Höhe. Die großen Güter sind aber außerdem noch die Träger einer sozialen Stellung. Der Rittergutsbesitzer bezahlt für die Aufrechterhaltung des Feudalismus dem fortschrittlichen Bürger noch einen Tribut in dem Hypothekenzins. - Der Kampf gegen die Verschuldung ist der Kampf des Landes gegen die Stadt, dessen Schwerpunkt im Osten liegt. Unter den verschiedenen Plänen in dieser Richtung ist besonders das Reformprojekt von Schaffte bemerkenswert, 5 der durch Inkorporation (Einverleibung) des Hypothekenkredits eine Art modernen Bauernschutz gegen das bürgerliche Kapital schaffen will, wobei aber die Rittergüter ausgeschlossen sind. Gleich der alten Zunft soll in diesen mit dem Kreditmonopol ausgestatteten Körperschaften das Ausleihen von Kapital außerhalb der Körperschaft, also das private Hypothekenrecht beseitigt werden, der Einkauf in die Zunft geschieht nur durch Barzahlung für den Boden. In der Praxis wird aber hier nur für den künftig, nicht für den schon jetzt verschuldeten Landwirt gesorgt. Auf diesen Grundgedanken fußte ein vor 2Jahren in Österreich ausgearbeiteter, jetzt wieder aufgegebener Entwurf. 6 Der Plan der preußischen Agrarkonferenz, die Gründung von Körperschaften aus Grundbesitzern, die die Liquidation ihrer verschuldeten Genossen selbst in die Hand nehmen, wurde von den Grundbesitzern selbst abgelehnt. 7 Ein weiterer Plan 8 auf Beseitigung des Erbgangs und des Kaufs führt durch Einführung des Anerbenrechts zur Steigerung der Verschuldung, und gewährt in dem Beseitigen der Kaufschuld durch Feststellung einer Schuldgrenze für jedes Grundstück einem Teil der Besitzer ein erträgliches Auskommen, zwingt aber zum Barkauf und führt zu dem tief eingreifenden sozialen Problem: „ Wer bekommt Zutritt zum vaterländischen Boden?" Die Schwäche dieses Planes, der an der
5 6 7 8
Wie S. 764, Anm. 4. WieS. 765, Anm. 5. WieS. 765, Anm. 6. WieS. 765, Anm. 7.
3.
Agrarkredit
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Unmöglichkeit der Bildung großer Körperschaften scheitern wird, ist, daß keine Scheidung nach Besitzgrößen vorhanden ist; das Anerbenrecht ist eine spezifisch bäuerliche Einrichtung. Das Intestatanerbenrecht, durch das der Anerbe, sofern nichts anderes bestimmt ist, 5 zur Abfindung der übrigen Erben billigen Staatskredit bei freiwilliger Unterwerfung unter eine Verschuldungsgrenze erhält, schafft einen Bauernstand zweiten Ranges von gemindertem Kredit, und sucht gerade die schwächsten Existenzen zu halten. - Das Anerbenrecht hängt mit der aristokratischen Gliederung der ländlichen Ge10 sellschaft, mit der fortwährenden Entvölkerung des Bodens, zusammen. Vielleicht ist es in einzelnen Gegenden notwendig; die Hauptsache ist aber hier, der Bevölkerung im deutschen Osten das Heimatsgefühl zu erhalten.
770
Agrarpolitik
[Vierter Vortragsabend:] Die Landarbeiter [Bericht des Frankfurter Journals]
Der Bedarf an Arbeitskräften ist in der Landwirtschaft nicht das ganze Jahr gleichmäßig. Diesen Saisoncharakter suchten die Sklavenbetriebe des Altertums auszugleichen; das war aber nur so lange möglich, als die menschliche Arbeitskraft so sehr billig war. In Ländern mit jungfräulichem Boden steigert man den Saisoncharakter der Landwirtschaft. In Argentinien wickelt sich das ganze Agrargeschäft in dreizehn Wochen ab. Man zieht eine große Menge Indianer zur Arbeit heran, die man nach Ablauf der kurzen Frist wieder in die heimatlichen Wälder schickt. Im Mittelalter beschäftigten sich die Männer der freien Dörfer während der stillen Zeit gleich den Frauen mit Spinnen und Herstellung anderer Bedarfsmittel; auf den Frohnhofen wurde alles zur Saison zur Arbeit herangezogen. - Prof. Weber erinnert noch einmal an die Bodenbesitzverhältnisse in England und Frankreich und geht dann ausführlich auf die deutschen Zustände über. Im Westen und Süden sind die Verhältnisse wie in Frankreich. Es herrscht kein schroffer Gegensatz zwischen Landbesitz und keinem. Die Mitwirkung an der Ernte etc. wird als nachbarliche Aushülfe betrachtet. Im Nordwesten herrscht das Großbauerntum, das durch sein Anerbenrecht die nichterbenden Familienmitglieder abstößt. Diese bleiben nicht wie früher als Bedienstete auf dem Gute des Bruders. Sie sind die westfälischen Heuerlinge, die gegen Belehnung mit Land allerdings sich auf freien Vertrag stützende Frohndienste thun. Wir kommen zum Osten. Ein Gutsherr in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts hatte drei Kategorien von Arbeitskräften. I. Das Gesinde. II. Die Dienstleute oderTaglöhner, das sind die Reste der eingezogenen kleinen Bauern. III. Die Einwohner der Dörfer, die zur Ernte herangezogen werden. I und III bietet nichts Bemerkenswertes. Die Situation der Taglöhner1 wollen wir jedoch näher ins Auge fassen. Sie bekamen vom Gutsherrn Wohnung; über die Güte derselben schweigt in den meisten Fällen des Sängers Höflichkeit. Sie bekommen Holz und Torf und Land[,j teils als
1 Gemeint sind die Dienst- oder Instleute.
4. Die
Landarbeiter
III
Garten zum Gemüsebau, teils als3 Feld, das für ihre Rechnung bestellt wird. Sie haben Anteil am Weideland, worauf sie ihre eine bis zwei Kühe führen. Man sieht, die Leute sind nicht völlig Proletarier; sie müssen etwas Vermögen haben. Nun kommen ihre Pflichten. Die ganze Familie ist zur Arbeit verpflichtet; sie müssen eine bis zwei Arbeitskräfte stellen. Soll die Frau zu Hause bleiben, wie es zum Betriebe der kleinen Wirtschaft nicht anders geht, so muß der Dienstmann einen Dienstboten nehmen und dem Herrn zur Verfügung stellen. Geld erhält er gar keines, höchstens ein unbedeutendes Taschengeld; er bekommt alles in Naturallieferung. Er hat einen bestimmten Anteil an der Ernte und am Gedroschenen. Er hat aber auch das Monopol des Dreschens. Der Herr darf nicht von anderen Leuten dreschen lassen und ihn so um seinen Anteil bringen. So ist er mit seinem Herrn gewinnbeteiligt; natürlich beim Verluste ebenso. Er verkauft, was er etwa an Naturalien übrig hat und den Nachwuchs seines Viehes. Er untersteht der Gesindeordnung und der Strafbarkeit 2 und besitzt kein Koalitionsrecht. 3 Seine Stellung ist ein Residuum13 des Feudalismus. Materiell kann sie brillant sein oder schlecht; es hängt ganz von den landwirtschaftlichen Fähigkeiten des Herrn ab. Auch regional ist es verschieden. Die Anteile an den Erträgnissen sind nicht überall gleich. In der neuesten Zeit haben die Verhältnisse sich geändert. Grund und Boden wurden kostbarer. Das Weideland wurde Feld. Der Dienstmann durch Geld entschädigt. Die Dreschmaschinen kamen auf; man entschädigte durch Geld für den Anteil. Die Winterarbeit wurde z.B. durch Zuckerrübenbau geringer. Das schuf die Wanderarbeiter. Vom Osten gingen sie nach Sachsen, das landwirtschaftlich bevorzugteste Land Deutschlands, 4 und der Osten schickte wiederum seine Agenten zur Beschaffung von Arbeitskräften über die Grenze nach Polen. Der Dienstmann
a Fehlt in A(1); als s i n n g e m ä ß ergänzt.
b A(1): R e s i d i u m
2 Wie das G e s i n d e , s o k o n n t e n a u c h die Instleute in W e s t - u n d O s t p r e u ß e n bei Verlassen ihrer W o h n - und Arbeitsstelle mit Hilfe der Polizei z w a n g s r ü c k g e f ü h r t w e r d e n . Die d i e s b e z ü g l i c h e n B e s t i m m u n g e n der p r e u ß i s c h e n G e s i n d e o r d n u n g v o n 1 8 1 0 w a r e n 1 8 3 7 auf die Instleute in W e s t - u n d O s t p r e u ß e n übertragen w o r d e n . Vgl. o b e n , S. 186, A n m . 4 3 . 3 Z u m Koalitionsverbot für Landarbeiter in Preußen s i e h e o b e n , S. 188, A n m . 49. 4 G e m e i n t ist die p r e u ß i s c h e Provinz S a c h s e n .
772
Agrarpolitik
wird zum Geldarbeiter. Die Klasse proletarisirt immer mehr. Er geht auch in der Ernährung zurück. Solange der Gutsherr die Naturalien lieferte, war es festgestellt, was auf den Tisch des Tagelöhners kam. Jetzt herrscht das billigste, die Kartoffel. Dieselbe ist als Nahrungsmittel, wenn nicht ein gewisses Quantum Fett dazu kommt, ungenü- 5 gend; sie führt zum Branntweingenuß. Der Vortragende führt zum Schlüsse aus, daß die Zustände den Landarbeiter zur Sozialdemokratie führten, wenn auch der individualistische Landmann dem Kollektivismus 0 dieser Partei kein überzeugter Anhänger würde. Der Massenstreik der Auswanderung werde nicht aufhören, ehe, 10 nach Brechung des Feudalismus, das Aufsteigen dem östlichen Landmanne ermöglicht ist.
c A(1): Kollektionismus
4. Die Landarbeiter
773
[Bericht des Frankfurter Volksboten]
Der vierte Abend der agrarpolitischen Vorlesungen von Prof. Dr. Max Weber behandelte die Landarbeiter.
Der Bedarf an ländlicher Arbeit ist zu den verschiedenen Jahreszeiten sehr verschieden. Die beiden äußersten Gegensätze sind: einerseits künstliche Beseitigung des Saisoncharakters durch Verteilung der Arbeit über das ganze Jahr, wie schon im römischen Sklavenbetrieb des Altertums, andrerseits künstliche Steigerung des Saisoncharakters durch Zusammendrängen der Arbeit auf möglichst kurze Zeiträume, wie in Argentinien mit höchstens 13 Wochen im Jahr beschäftigten Indianern. Der Landarbeiter des Mittelalters, die Hilfskraft des Bauern, war der auf der freien Mark sitzende Häusler, dem Gutsherrn leistete der Kleinbauer Hand-, der Großbauer Spanndienste; in der Ernte wurden auch die Gutshandwerker herangezogen. Der freie Bauer war in eine feste hierarchisch-soziale Organisation eingefügt, der diese Organisation entbehrende unfreie Bauer dagegen war ökonomisch in schlechterer Lage als der Gutstaglöhner. Die Sprengung der mittelalterlichen Agrarverfassung führte in Frankreich mit der rechtlichen Befreiung der Bauern zur Beseitigung der Gutsherrn und zur Mobilisierung des Bodens; 1 eine isolierte Landarbeiterklasse hat sich hier nicht gebildet. In England bezogen die Pächter ihren Bedarf an Arbeitskräften aus dem durch das massenhafte Bauernlegen besitzlosen Proletariat, aber meist nur während der Saison; daher die mit der englischen Agrarverfassung verbundene chronische Massenarbeitslosigkeit. Die abseits der Gutsbezirke angesiedelten Wanderarbeiter werden, teils durch Agenten, teils durch die Armenpflege des Kirchspiels, an die Pächter vermietet, in letzterem Fall wird bei ungenügendem Lohn zur Lebenshaltung noch hinzubezahlt. Neuerdings erschöpft sich dies Reservoir ländlicher Arbeitskräfte allmählich. In Deutschland besteht im Süden und Westen wie in Frankreich keine soziale Scheidung, der Kleinbesitzer hilft zur Erntezeit meist nachbarlich aus. Im Nordwesten hat sich mit dem Anerbenrecht eine aristokratische Familiengliederung entwickelt, die jüngeren Geschwister, die früher als Hilfskräfte auf den elterlichen Gütern blieben, bilden immer noch den größten Teil der Landarbeiter in Westfalen, „Heuerlinge" genannt, 1 Wie S. 756, Anm. 2.
774
Agrarpolitik
die Land gegen Pachtzins erhalten. In Mittel- und Ostdeutschland liegt der Schwerpunkt des Problems der Landarbeiterfrage. Seit der durch eine liberal-demokratische Gesetzgebung herbeigeführten Bauernbefreiung ist die Produktion gesteigert, aber auch der soziale Gegensatz verschärft worden. Die für die aufgeteilten Allmenden 3 mit Geld abgefundenen Kleinbesitzer werden zu besitzlosen Proletariern gegenüber dem ökonomisch gestärkten Großbauer. 2 Auf den Gütern bilden sich durch Wegfall des Spanndienstes 3 Arten von Landarbeitern: 3 das weniger beachtenswerte Gesinde für das Vieh, die als Gutstaglöhner ansässigen Instleute, und endlich die durch freien Vertrag von den benachbarten Dörfern geholten Aushilfsarbeitskräfte. Die Instleute sind die ehemaligen freien Kleinbauern. Sie erhalten zunächst freie Wohnung, deren Beschaffenheit je weiter nach dem Osten desto bedenklicher ist, freies Holz und Land; letzteres teils als Gartenland, teils als 2—4 Morgen großes, auf Rechnung des Gutsherrn für den Instmann bestelltes Feld, außerdem noch Weide für 1—2 Kühe. Dafür steht die ganze Familie (in neuerer Zeit 2—3 Arbeitskräfte derselben) ständig zur Verfügung des Gutsherrn; im Notfall muß vom Instmann noch ein „Scharwerker" gemietet werden. Der Lohn ist ursprünglich Naturallohn, Vs—Vlo der vom Instmann eingebrachten Ernte, Dreschanteil, Futter für das Vieh, Flachs zum Spinnen und Weben. Der Instmann ist gewissermaßen beteiligter Genosse einer geschlossenen Interessengruppe, die aber der Gesindeordnung und dem Verbot der Koalition 4 untersteht. Die Lage der einzelnen Familien ist je nach Bodenqualität und ökonomischer Tüchtigkeit des Gutsherrn verschieden. Um die Mitte des Jahrhunderts vollzieht sich mit der zunehmenden Bevölkerung eine Veränderung in der Lage des Instmannes. Zunächst wird ihm Weide und Getreideland genommen, dann erhält er statt der Kuh nur eine
a A(2): Alimente
2 Im Zuge der Gemeinheitsteilungen, die in Preußen mit dem Gesetz vom 7. Juni 1821 eingeleitet wurden, erhielten die Kleinbesitzer Abfindungen in Geld, während die Bauern durch Um- und Zusammenlegungen ihren Landbesitz weiterhin vergrößern konnten. 3 Die Regulierungsgesetzgebung von 1811,1816 und 1821 sah neben der Modifikation des bäuerlichen Eigentums die Ablösung der noch bestehenden privatrechtlichen Abgaben- und Dienstpflichten vor, u.a. des sog. Spanndienstes. 4 Wie S. 186 und 188, Anm. 43 und 49.
4. Die
Landarbeiter
775
bestimmte Menge Milch geliefert, was schließlich, gleich der Getreidelieferung, durch Geld abgelöst wird. Neu eingeführte Maschinen verringern den Dreschanteil, so daß schließlich lieber Geld genommen wird. Der Getreidebau weicht vielfach dem Hackfruchtbau (Zuckerrüben), der die Saisonarbeit steigert; in der Provinz Sachsen treten die ersten Wanderarbeiter auf als „Sachsengänger", von denen heute 100—120 Tausend jährlich vom Osten herüber kommen. 5 Der entvölkerte Osten greift für seinen Arbeiterbedarf über die Grenze nach Polen, die Landarbeiter werden beweglich. An Zahl wie an Bedeutung tritt der Instmann zurück und verwandelt sich durch Geldlohn in einen freien, seine Bedürfnisse kaufenden Arbeiter. Die frühere Interessengemeinschaft mit dem Gutsherrn hat im selben Maße aufgehört, als der Instmann statt der früheren Naturallöhnung mit Geld abgelohnt wird. Er geht jetzt von der früher vom Gut gelieferten kräftigen Körnernahrung immer mehr zur Kartoffelnahrung über und verbessert diese Nahrung durch Branntweinkonsum. Der an niedrigere Lebenshaltung gewöhnte Slave verdrängt als billigere Arbeitskraft den Deutschen. Gegenüber dieser riesigen Proletarisierung des gesammten Untergrundes der sozialen Verhältnisse im Osten wollen die herrschenden Klassen an Gesindeordnung und Koalitionsverbot festhalten, aber der Streik äußert sich nur auf andere, viel verhängnisvollere Weise: durch überseeische Auswanderung oder durch Massenabzüge in die Industriegegenden. Vorschläge, die dem gegenüber zur Beschränkung der Freizügigkeit gemacht worden sind, haben nur bei amtlicher Festsetzung eines auskömmlichen Lohns und der Gebühren, wie in Mecklenburg nach 48,6 einige Berechtigung. Seßhaftmachung der Landarbeiter durch Ermöglichung des Ankaufs von Grund und Boden ist innerhalb der Gutsbezirke bei der jetzigen Agrarverfassung unmöglich, da der hierdurch schollenfest gemachte Landarbeiter dann von den nächsten Gütern erst recht abhängt. Nur bei vollständiger Umgestaltung der Agrar-
5 Für das Jahr 1893 wurden weit über 100 000 Wanderarbeiter aus den Gebieten östlich der Oder geschätzt. Kaerger, Karl, Sachsengängerei, in: HdStW5 1 ,1893, S.474. 6 Am 15. Mai 1848 wurde in Mecklenburg eine Verordnung erlassen, die die „Einsetzung von Schieds-Commissionen zur Feststellung streitiger Verhältnisse der Hoftagelöhner" vorsah. Die Kommissionen wurden von einem von der Regierung eingesetzten Kommissanus und zwei ortsansässigen Landwirten gebildet. Gesetzsammlung für die Mecklenburg-Schwerin'schen Lande. Zweite Folge, hg. von H.F.W. Raabe, Band5. - Wismar: Hinstorff'sche Hofbuchhandlung 1857, S. 380-382.
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Agrarpolitik
Verhältnisse des Ostens, durch Beseitigung der dem Aufsteigen der breiten Massen sich entgegenstellenden Schranken ist dies möglich. Bei weiterer Proletarisierung wird der Landarbeiter auch politischen Anschluß an das städtische Proletariat suchen, wie die letzten Wahlen in Mecklenburg beweisen. 7 Der Landarbeiter ist aber im Grunde kein überzeugter Sozialist; gegenüber der beim Industriearbeiter verständlichen Forderung der Überführung aller Produktionsmittel in Gemeinbesitz ist das Ideal des Landarbeiters gerade der Einzelbesitz. Der Fabrikarbeiter will selbstverständlich gerne, daß die Maschinen, Fabriken etc. zum Eigentum aller werden, der Landarbeiter mit seinem Landhunger will dagegen, daß die Scholle, die er bebaut, auch ihm allein gehöre. Die Lösung des Landarbeiterproblems liegt also in der Beseitigung des Feudalcharakters der Agrarverfassung des deutschen Ostens, damit, wie im Westen, ein Aufsteigen von unten nach oben ermöglicht wird. Dann wird auch der Proletarier des Ostens wieder seßhaft werden.
7 Gegenüber den Reichstagswahlen von 1890 erreichten die Sozialdemokraten in den Wahlen von 1893 ein Mehr von 360000 Stimmen. Erfolgreich waren sie vor allem in Mecklenburg, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Bayern und Pommern sowie in den mitteldeutschen Kleinstaaten. Lehmann, Hans Georg, Die Agrarfrage in der Theorie und Praxis der deutschen und internationalen Sozialdemokratie. - Tübingen: J . C . B . Mohr (Paul Siebeck) 1970, S. 58 und 279f.
[Fünfter Vortragsabend:] Agrarschutz und positive Agrarpolitik [Bericht des Frankfurter Journals]
In d e m h e u t i g e n Schlußvortrage b e h a n d e l t e Professor W e b e r die Z i e l e der d e u t s c h e n Agrarpolitik.
Das westliche Deutschland gehört landwirtschaftlich zu Westeuropa; der Osten zu Rußland. Die Elbe scheidet die beiden so verschiedenen Teile des Reiches. Der Osten ist nicht mehr exportfähig; außerdem fehlen ihm die den Exportabsatz ersetzenden Lokalmärkte und die Industrie. Das naturgemäße Absatzgebiet ist durch die russischen Zölle verschlossen. Der Bau der Zuckerrübe hat zur Zeit noch Zukunft; sie gedeiht aber nicht auf Sandboden, wie ihn der Osten so viel aufweist. Außerdem die Kartoffel und der daraus gewonnene Schnaps. Zur Einrichtung von Viehwirtschaft nach englischem Muster fehlt das Kapital; auch die klimatischen Verhältnisse sind nicht geeignet. - Die Fideikommißbildung nimmt zu, dagegen ist ein Verfall unter den nie in erheblicher Zahl vorhanden gewesenen großen Bauern zu konstatiren. Es bildet sich immer mehr Bauernproletariat. Von letzterem siegt stets die kulturniedrigste, bedürfnißloseste Schicht, die slavische. - Die Position der kleinen Rittergüter ist unhaltbar; nur die Klammern der Hypothekenschulden lassen sie nicht dem Siechtum erliegen. Die sinkende ökonomische Lage hat die Verminderung der Bevölkerung zur Folge; ferner die Denationalisirung; gerade bei den Gütern, die am besten prosperiren, nimmt die deutsche Arbeiterschaft ab zu Gunsten der polnischen. In den Bauerndörfern in den ungünstigsten Distrikten nimmt die Bevölkerung zu; gerade das Gegenteil von dem, was man annehmen zu müssen glaubt. Die Behauptung des Ostens für Deutschland ist die wichtigste Frage der Agrarpolitik. - Die Agrargesetzgebung der 60er Jahre war freihändlerisch. 1 Nicht das Bürgertum war es, durch dessen Einfluß die Gesetzgebung wirtschaftlich liberal war, wie Minister
1 Gemeint ist der Ausbau des Freihandelssystems in den 1860er Jahren durch Preußen bzw. den Norddeutschen Bund. Handelsverträge wurden geschlossen mit Frankreich, Belgien, Großbritannien, Italien, Österreich, Spanien und der Schweiz. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 4: Struktur und Krisen des Kaiserreichs. - Stuttgart: W. Kohlhammer 1982 2 , S. 980.
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Agrarpolitik
Miquel sagt, 2 sondern die Großgrundbesitzer waren Freihändler, um gegen den wachsenden Industriestaat zu kämpfen. Als die Interessen der Großgrundbesitzer Schutzzölle haben wollten, ward die Gesetzgebung schutzzöllnerisch. 3 Hierauf erörterte der Vortragende die Zolltarife und kam später auf den Antrag Kanitz 4 zu sprechen. 5 Dieser Plan sei von einem Stubengelehrten ausgeheckt und es sei gut, wenn er recht bald vergessen wäre. - Die Austilgung der feudalen Gliederung des Ostens wäre das einzige Mittel, die Zustände zu verbessern. Prof. Weber rät zum staatlichen Ankauf von Gütern zu Kolonisationszwecken und zur 3 Ansiedelung von Bauern auf dem 10 Domänenareal des Staates. -
a A(1): die
2 Möglicherweise bezieht sich Max Weber auf die Auseinandersetzungen zwischen dem Führer der Freisinnigen Volkspartei Eugen Richter und dem preußischen Finanzminister Johannes von Miquel am 21. Januar 1896 im preußischen Abgeordnetenhaus. Dem Vorwurf Richters, Miquel unterstütze in erster Linie die Interessen der Agrarier, hielt letzterer entgegen, daß das bürgerliche Prinzip des laisser faire überholt sei und der Staat nunmehr gezielt zugunsten der bisher benachteiligten ländlichen Grundbesitzer eingreifen müsse. Johannes von Miquels Reden, hg. von Walther Schulze und Friedrich Thimme, Band 4.-Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1914, S. 190f„ 196f. 3 Eine der Hauptursachen des Übergangs zum Schutzzollsystem 1879 war die zunehmende Konkurrenz durch vergleichsweise billige Getreideexporte aus Übersee. 4 Am 7. April 1894 brachte der deutschkonservative Abgeordnete Hans Wilhelm Alexander Graf Kanitz im Reichstag erstmalig einen Antrag auf Errichtung eines Reichsgetreidehandelsmonopols ein. Das Reich sollte den An- und Verkauf von billigem, ausländischem Getreide für das Inland zentral regeln und auf diese Weise die Preise gleichmäßig auf einer bestimmten Höhe halten.
5. Agrarschutz
und positive
Agrarpolitik
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[Bericht des Frankfurter Volksboten]
Der letzte Vortrag von Professor Dr. Max Weber: „Agrarschutz und positive Agrarpolitik" zeigte in überzeugender Weise, wie das Wohl des gesamten Vaterlandes für die Zukunft von einer richtig geführten Agrarpolitik abhängt.
Die Schwierigkeit der deutschen Agrarpolitik liegt vor allem in ihrem Grundproblem, in der Zusammenkoppelung ökonomisch und politisch zurückgebliebener Gebiete mit fortgeschrittenen. Der deutsche Osten ist auf den Export angewiesen, dessen Höhepunkt um die Mitte des Jahrhunderts nach Fallen der englischen Kornzölle erreicht war. 1 Seitdem ist der Export durch russische und überseeische Konkurrenz eingeschränkt, während der Lokalmarkt fehlt. In vielen Gebieten werden nun an Stelle des unrentabel gewordenen Getreides Handelsgewächse gebaut, die eine völlige Umwälzung des Konsums voraussetzen. Die Zuckerrübe hat, abgesehen von der Unsicherheit des Weltmarkts noch eine Zukunft, bei weniger Besteuerung des Zuckers auch für den Konsum im Innern; allerdings braucht sie hauptsächlich Sandboden. Die Kartoffel ist nur als Schnaps und Sprit transportfähig, als Hauptfrucht verschlechtert sie vollends den Konsum. Die anstatt des Feldfruchtbaues aufkommende Viehwirtschaft hat zwei Formen des Übergangs. Durch starke Steigerung der Kapitalintensität führt sie, wie in England, zur rationellen Viehwirtschaft, die aber neben Kapital auch gewisse klimatische, im Osten nicht immer vorhandene Bedingungen erfordert; in den übrigen Strichen führt sie zur extensiven Viehzucht, zur Milchwirtschaft, und mit Beseitigen der Arbeitskräfte zur Entvölkerung. Beim Großbetrieb zeigt sich dadurch folgendes: das überkommene Rittergut, das kein Latifundium ist, ist ökonomisch betrachtet zu klein, es trägt bei weniger Rentabilität keinen Feudalherrn mehr, nur noch einen Landwirt; dagegen ist es technisch für rationell intensiven Betrieb durch Inanspruchnahme starken Kapitalaufwandes zu groß. Aus dieser eigentümlichen Lage entspringt das Schicksal des in seinen breiten Schichten ökonomisch dem Untergang geweihten deutschen Junkertums. Etwas mehr Stabilität zeigt der Bauer des Ostens. Bei dem schwachen Lokalabsatz ist der Export nur bei rationellem Betrieb möglich und dadurch ist die Naturalwirtschaft 1 Die englischen Kornzölle wurden 1846 unter der Regierung Sir Robert Peels aufgehoben.
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begünstigt, der Verzehrer seiner eigenen Produkte. Aus diesen Umständen ergeben sich mannigfach verwickelte Erscheinungen im Osten. Zunächst starker Fortschritt der Fideikommißbildung, Hand in Hand mit dem Aufsaugen von bäuerlichem Grundbesitz, was erst in der letzten Zeit etwas zum Stehen gebracht ist. Während früher die Bauern zur Vergrößerung des Betriebes ausgekauft wurden, geschieht dies jetzt aus ökonomischen Gründen zur Bildung eines Rentenfonds. Bei den obersten aristokratischen Schichten zeigen sich auf ihrem festgelegten Boden bereits englische Erscheinungen, Pachtwirtschaft zur Beschaffung des Betriebskapitals. Weiter tritt an Stelle der im Laufe des Jahrhunderts zerfallenen großen Bauernhöfe ein Bauernproletariat, das weder fremdes Kapital noch fremde Arbeitskraft braucht; eine bedürfnislose, kulturniedrigste Schicht schiebt sich langsam von unten in den Bauernstand ein. Die kleinen Rittergüter, die breiten Schichten des östlichen Junkertums, früher bei guten Preisen ein beliebter Spekulationsgegenstand, sind dadurch heute stark mit Hypotheken belastet und bei heruntergehenden Preisen ökonomisch unhaltbar. Einerseits können sie kein neues Kapital aufnehmen, andrerseits aber doch nicht verschwinden, da sie durch die Hypotheken wie mit goldenen Klammern festgehalten werden. In diesen Zuständen liegt das chronische Siechtum der östlichen Agrarverfasssung, das Niederhalten der städtischen Entwicklung beim Fehlen des Lokalabsatzes; auch ist eine Anpassung der Agrarverfassung an die jetzigen Bedürfnisse des Landes bei sinkender Lage nicht mehr möglich. Die Folgen dieser Erscheinungen im Osten sind: starke Entvölkerungstendenz mit Fideikommiß und Junkerbetrieb, Entnationalisierung und Zunahme des Polentums, besonders in Posen und Westpreußen unter den Arbeiterschichten der rationellst bewirtschafteten Güter sowohl, wie in den Bauerndörfern unfruchtbarer Gebiete. - Was ist nun vom Standpunkte des deutschen Staates zu thun? Er soll den Osten für die deutsche Kultur behaupten und wieder erobern, damit diese Gebiete nicht an Nationen ausgeliefert werden, denen ihre heutige ökonomische Gliederung entspricht. Ein Blick auf die agrarpolitische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt, daß die Träger des wirtschaftlichen Liberalismus in Deutschland anfangs nicht die Bürger sondern die Junker waren, die als Exporteure von Getreide zuerst freihändlerische Handelsverträge machten gegen die in den 60er Jahren noch
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schutzzöllnerisch gesinnten Industriellen. 2 Im Jahre 1877 bestand nach dem Fallen der Eisenzölle in Deutschland beinahe vollständig Freihandel. 3 Bald aber verbündeten sich die Agrarier mit den Großindustriellen gegen das Bürgertum für Getreide- und andere Zölle. 4 Dies dauerte jedoch nicht lange. Das Getreide des Ostens ist für den deutschen Westen nicht das brauchbarste, auch kommt noch die Fracht hinzu; das Interesse des Junkers bestand jedoch ausschließlich im Getreidezoll, der nun allmählich auf 5Mk. hinaufging. Die Handelsverträge Caprivis mit dem Heruntersetzen des Zolls auf 3VS Mk. , 5 die jetzt für die Agrarier eine Versicherung gegen weiteres Heruntersetzen bedeuten, brachen vollends das Bündnis. Dadurch erklärt sich nun das Auftauchen des in den letzten Jahren viel erörterten Projektes eines Stubengelehrten, der Antrag Kanitz,6 der mit der Festsetzung eines Mindestpreises, unter dem nicht vom Ausland Getreide eingekauft werden darf, Deutschland zu einer Insel innerhalb der Preisbildung des Weltmarktes machen will. Verschiedene Politiker sind noch einseitiger vorgegangen. Die Beseitigung der Grundsteuer ist eine Vermögensverschiebung zu Gunsten der stärker verschuldeten Großgrundbesitzer. 7 Durch die Landgemeindeordnung8 wird die obrigkeitliche Stellung des Grundherrn viel zu weit ausgedehnt, unbrauchbare Arbeitskräfte kann er einfach an die Gemeinden abschieben, und deren Schul- und Armenpflege ausnützen; zugezogenen Arbeitern kann er vor dem Erwerb des Unterstüt2 WieS. 777, Anm.1. 3 Am I.Januar 1877 wurden die letzten noch bestehenden Zölle auf Eisen- und Eisenprodukte aufgehoben. 4 WieS. 778, Anm.3. 5 Unter der Kanzlerschaft Leo Graf von Caprivis schloß das Deutsche Reich Handelsverträge mit Österreich-Ungarn, Italien, Belgien, der Schweiz, Serbien, Rumänien und Rußland ab. Im Rahmen der damit verbundenen Senkung der Einfuhrzölle seitens der Vertragspartner setzte das Deutsche Reich seine Agrarzölle von fünf auf dreieinhalb Mark pro Doppelzentner Getreide herab. 6 WieS. 778, Anm.4. 7 Kern der 1893 von dem preußischen Finanzminister Johannes von Miquel durchgeführten Kommunalsteuerreform war die Aufhebung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer als Staatssteuern und ihre direkte Überweisung an die Gemeinden. Dies bedeutete für die selbständigen Gutsbezirke in den sieben östlichen Provinzen Preußens de facto den Erlaß der Grundsteuer. Herzfeld, Hans, Johannes von Miquel, Band 2. - Detmold: 1938, S. 269f. 8 Die Landgemeindeordnung für die sieben preußischen Ostprovinzen vom 3. Juli 1891 ließ neben den Landgemeinden die selbständigen Gutsbezirke weiterhin als Verwaltungseinheiten bestehen. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band 4, S.362.
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zungswohnsitzes einfach kündigen. Ähnlich steht es mit der Rentengesetzgebung, bei der der Staat die Rente übernimmt, 9 wodurch unbrauchbare Gebiete wie beim Güterschlächter abgestoßen werden können und in letzter Linie nur das Polentum begünstigt wird. 10 Dagegen ist die Rentengutsbildung bei den nur gut zu heißenden 5 Ansiedlungen in Posen und Westpreußen zweckmäßig. Ein weiteres ungerechtes agrarisches Verlangen ist die Erleichterung der Fideikommißbildung auch für geringere Junker durch Herabsetzen der Maximalgrenze und Fallen des schon jetzt nicht immer erhobenen Fideikommißstempels. 11 - Zwei Wege stehen für die Zukunft offen. 10 Zunächst einfaches Geschehenlassen der gegenwärtigen Entwicklung mit ihren Folgen der Entvölkerung und Entnationalisierung durch fideikommissarische Festlegung des Bodens, die durch weitere Erleichterungen allmählich 3 zu englischen Zuständen mit Pachtbetrieb führt. Für den Einzelnen wäre diese Entwicklung nicht ungünstig, 15 der Fideikommißbesitzer kann auch ohne Getreidezölle wirtschaften, es kostet weiter nichts als Menschen. Daneben kann infolge weiterer Rentengesetzgebung eine Demokratisierung der Gesella A(2): allmälich
9 Im Zuge der Rentengutsgesetzgebung vom 27. Juni 1890 und vom 7. Juli 1891 wurden Generalkommissionen mit der Bildung von Rentengütern in ganz Preußen betraut. Im Gegensatz zu der 1886 gegründeten Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen verfügten die Generalkommissionen über keinen Fonds zum Ankauf von Gütern, sie waren vielmehr auf die Beaufsichtigung von privaten Parzellierungsverfahren beschränkt. Die Rentengutsgesetze ermöglichten die Übertragung der von den angesiedelten Bauern an den Rentengutsgeber zu zahlenden Rente auf die staatliche Rentenbank, die ihrerseits den Rentengutsgeber in sofort einlösbaren Rentenbriefen entschädigte. Waldhecker, Paul, Ansiedelungskommission und Generalkommission. Ein Beitrag zur inneren Kolonisation des Ostens, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 21. Jg., 1897, S. 215. 10 Im Unterschied zur Ansiedlungsgesetzgebung von 1886 für Westpreußen und Posen folgte die Rentengutsgesetzgebung von 1890/91 rein ökonomischen Gesichtspunkten. Die privaten Rentengutsgeber nutzten die Gesetze in den meisten Fällen dazu, unrentable Außenschläge abzustoßen. Da die mit der Durchführung der Rentengutsgesetze betrauten Generalkommissionen keinen nationalpolitischen Auftrag hatten, war auch die Ansiedlung von Polen preußischer Staatsangehörigkeit möglich. 11 Weber hat, wie sich aus dem Sachzusammenhang ergibt, vom „Herabsetzen der Minimalgröße" gesprochen. Voraussetzung für die Bildung eines Fideikommißgutes war ein jährlicher Reinertrag von mindestens 7500 Mark; gemäß verschiedenen preußischen Provinzialgesetzen war jedoch bereits ein niedrigerer Ertrag ausreichend, wenn es sich um die Auflösung eines Lehnsverbandes und seine Umwandlung in ein Fideikommiß handelte. In diesem Fall wurde auch auf den ansonsten erhobenen hohen Fideikommißstempel verzichtet. Gierke, Fideikommisse, S.417.
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schaft mit französischer Erbteilung einhergehen, die zu weiterer Entnationalisierung führt. Gegen den Zerfall der Bauernhöfe würden Gütergeschlossenheit und Anerbenrecht, die sich bei Gefahr der Übervölkerung und Heruntersinken in Hausindustrie, wie in Sachsen, empfehlen, hier zu weiterer Entvölkerung führen. Eine solche Aristokratisierung des Ostens wäre das Billigste für den Staat. Der deutsche Osten muß aber selbst Interesse an Erhaltung und Erhöhung der Volksdichtigkeit haben, die nur durch Demokratisierung der Agrarverfassung eintritt. Hier aber, im freien Verkehr^] würde voraussichtlich das Slaventum noch mehr eindringen. Daher empfiehlt sich dieser Weg auf keine Weise. Immer mehr zeigt es sich: „ Ohne Zubuße der gesamten deutschen Volkswirtschaft ist eine richtige Agrarpolitik im deutschen Osten überhaupt nicht möglich ". Unter den verschiedensten Arten einer solchen Zubuße ist die überkommene Form der Getreidezoll. Eine Steigerung desselben bedeutet aber Konservierung des Feudalismus. Sein Maximum wäre der Antrag Kanitz, der jährlich eine halbe Milliarde aus den Taschen der Brotkonsumenten herausholt, 12 mit welcher Summe eine ganze Provinz Großgrundbesitzer ausgekauft werden kann. Trotzdem würde sich diese Form des Halbsozialismus rechtfertigen, wenn durch sie allein das Nationale im deutschen Osten behauptet werden könnte. Getreidezölle sind aber als Notbehelf nur zu dulden, wenn Deutschland seinen Getreidebedarf dauernd aus eigenen Mitteln decken müßte und könnte. Statt dessen empfiehlt sich daher mit Notwendigkeit eine Umbildung der Agrarverfassung des Ostens, das Austilgen der Feudalgliederung; freilich nur, so schnell sich der Osten veränderten Verhältnissen anpassen kann. Systematischer staatlicher Bodenankauf zu Kolonisationszwecken ist die einzige positive Maßregel im Interesse der Gesamtheit. Allerdings erfordert sie eine gewaltige Zubuße, kostet aber weniger als alles, was dem Antrag Kanitz ähnlich ist, und verinteressiert sich, die nun geschaffenen Steuerzahler können später zurückbezahlen. Die gewaltigen Domänen des preußischen Staates im Osten sind zu einem großen Bruchteil zu Ansiedelungszwecken verwendbar, daneben empfiehlt sich Aufkauf der Exi-
12 Der freisinnige Abgeordnete Theodor Barth legte während der erneuten Beratung des Antrags Kanitz im Reichstag eine Berechnung vor, derzufolge die Einführung eines staatlichen Getreidehandelsmonopols einer Belastung der Bevölkerung von 400 Millionen Mark jährlich gleichkäme. Sten. Ber. Band 140, S. 1802.
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Stenz unfähiger Besitzer. Die Schwäche der jetzigen Ansiedlungskommission liegt darin, daß sie die gekauften Flächen ohne vorherige rationelle Verbesserung parzellieren muß. Bei der neuen Art der Kolonisation müssen die Güter vor der Abgabe an einzelne Käufer verbessert (melioriert) werden. Ohne diese Umbildung ist keine Abhilfe gegen die agrarische Not im Osten vorhanden. Freilich wäre mit dieser Umbildung der Agrarverfassung noch kein Absatz für die Produkte geschaffen, aber die Schranke beseitigt, die durch Zusammenhalten der Feudalverfassung die städtische Entwicklung hemmt. Wie stellt sich nun das städtische Bürgertum, das in unerbittlichem Kampf mit dem Feudalismus lebt, zu dieser staatlichen Maßregel? Mit dem Zerfall der großen Güter rückt das politische Zentrum, der Einfluß im Staate nach der Stadt. Daher der Kampf der Agrarier gegen den ökonomisch vorteilhafteren, aber den Einfluß vermindernden Verkauf des Bodens. Noch ist bei uns das Bürgertum in seinen breiten Schichten von der Herrschaft ausgeschlossen durch den Feudalismus, der Minister und Fabrikanten beherrscht und zur Annahme von Adelstiteln zwingt, der die Arbeiterfrage durch Aufrechthaltung des „patriarchalischen Systems" verbittert und die Fabrikanten im Standesinteresse zur Stellung gegen die Verbandsfreiheit der Arbeiter zwingen will. Der herrschende Feudalismus sieht in der Größe des Staates nur seine eigene Größe. Das Schlußergebnis des Kampfes wird der Sieg des Bürgertums, der Zusammenbruch des Feudalismus und das Beseitigen der Getreidezölle sein, wenn das Bürgertum den Staat nicht als seinen Staat betrachtet. Die gegenwärtige bürgerliche Agrarpolitik hat nur Interesse an der Niederwerfung des Feudalismus, aber bedauerlich wäre es, wenn nicht das Positive hinzu kommen sollte, die Eroberung des deutschen Ostens für das Deutschtum. Die Ablehnung solcher Forderungen des Staates durch das Bürgertum ist gegenwärtig verständlich; entscheidend aber für die Stellung der abseits des Interessenkampfes liegenden Schichten ist es, ob beim ökonomischen Sieg des Bürgertums eintritt, was eintreten soll, daß auch in seinen Händen ebenso wie früher beim Feudalismus gewahrt bleibe: „Die Macht und Größe des Vaterlandes!"
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[Bericht der Frankfurter Zeitung]
In seiner gestrigen Schlußvorlesung über Agrarpolitik erörterte Herr Professor Weber die Mittel, welche gegenüber der agrarischen Krisis der Gegenwart bisher vorgeschlagen sind und diejenigen, welche nach seiner Ansicht allein angewendet werden sollten.
Was zuerst die Schutzzölle betrifft, welche freilich niemals etwas anderes als ein negatives Hilfsmittel sein könnten, so unterscheide sich der Protektionismus in der Landwirthschaft von dem in der Industrie sehr wesentlich darin, daß man in der letzteren gegen hochentwickelte Kulturstaaten aufzukommen bestrebt sei, während man in der Landwirthschaft sich gegen die Konkurrenz niederer Kulturen und jungfräulichen Bodens wehren müsse. Ein Übergang vom vorwiegenden Getreidebau zu anderen Kulturen, zu Handelsgewächsen, zu Rüben- und Kartoffelbau, zu intensiver Viehzucht nach englischem Muster oder zu extensiver Weidewirthschaft sei des ferneren vorgeschlagen und vielfach auch beschritten worden. Man verkenne dabei aber vollkommen die materiellen und klimatischen Hindernisse, welche diese Mittel nur in sehr beschränktem Maße anwendbar machten. Die Lage, wie sie heute ist, hätte es bewirkt, daß die durchschnittlichen ostelbischen Rittergüter zu klein wären, um jetzt noch einen sich den staatlichen Funktionen oder einen sich dem standesherrlichen Leben widmenden Besitzer tragen zu können, andererseits aber zu groß wären, um einen rationell-intensiven Betrieb zu ermöglichen. Nicht also etwa, wie in früherer Zeit, um seinen Betrieb technisch rentabler zu machen, sondern um einen entsprechend großen Rentenfonds zu besitzen, kaufe heute der Rittergutsbesitzer den Bauern aus. Die Fideikommisgründung greife seit einer Generation sehr stark um sich. Selbst bei „vorsichtigster" Heirathspolitik müsse nach mehrfacher Vererbung das Fideikommiswesen aber schließlich zu Pachtverhältnissen in englischer Weise führen. Ein todter Punkt in der Entwickelung wären die kleinen Rittergüter, welche ökonomisch unhaltbar, infolge unseres heutigen Hypothekenrechts eine Parzellirung unendlich erschwerten. Die Folge dieser Zustände ist einmal die Entvölkerung des Ostens und sodann die Polonisirung, welche auf den großen Gütern im Arbeiterstande sich vollzieht und in den schlechter gelegenen Bauerndörfern den deutschen^] für den weiteren Absatz wirthschaftenden Bauern durch die kartoffelessenden[,] natural-
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wirtschaftlichen Polen ersetze. Übrigens wollte es uns speziell bei dieser Frage erscheinen, als ob der Herr Vortragende seine Erfahrungen in den ehemals polnischen Provinzen zu sehr auf das ganze ostelbische Gebiet übertrüge. 1 Als das Ziel der deutschen Agrarpolitik formulirte Herr Professor Weber sodann sehr schön die Behauptung und Eroberung des deutschen Ostens für die westeuropäische Kultur. Indem er nun die bisher nach dieser Richtung gemachten Schritte bespricht, weist er sehr richtig darauf hin, daß grade im Gegensatz zu der bekannten Behauptung Miquel's 2 bis vor Kurzem unsere Handelspolitik immer im Interesse der großen Besitzer geleitet wurde. Deutschland war freihändlerisch solange die Agrarier es waren. Als Deutschland aus einem Getreide ausführenden Lande dann definitiv zur Getreideeinfuhr und zur zunehmend industriellen Entwicklung überging und die Agrarier Schutzzöllner wurden, da machte auch Bismarck die berühmte Schwenkung. 3 Das damals entstehende Bündniß zwischen Großgrundbesitzern und Industriellen führte zum Siege des Feudalismus und zur Sprengung des Bürgerthums. Eines der Verdienste der Caprivischen Handelsverträge 4 wäre die Lösung dieses reaktionären Bündnisses. Nun erst konnte sich auch Graf Kanitz mit seinem industriefeindlichen und nach Stubengelehrsamkeit duftenden Antrage herauswagen. 5 Auch die Aufhebung der Grundsteuer, die feudalen Überreste in der Landgemeindeordnung, die Rentengütergesetzgebung wie sie heute ist, und die Erleichterung der Fideikommisbildung wären Folgen einer junkerfreundlichen Politik. 6 Aber keine weitere Aristokratisirung, sondern eine Demokratisirung der Organisation der ostelbischen Grundbesitzverhältnisse wäre anzustreben. Im freien Verkehr sei dies Ziel jedoch nicht zu erreichen, und deshalb müsse der Staat seine Verwirklichung in die Hand nehmen. Er sollte einerseits den
1 Weber hatte seine militärischen Übungen im Sommer 1888 und im Frühjahr 1894 in Posen absolviert. Dabei hatte er auch Gelegenheit gehabt, die Güter der Ansiedlungskommission zu besuchen. Siehe oben, S. 12, Anm. 26. 2 WieS. 778, Anm. 2. 3 Wie S.778, Anm. 3. Noch 1871 hatte sich Bismarck demonstrativ zum Freihandel bekannt. Poschinger, Heinrich von, Fürst Bismarck und die Parlamentarier, Band 2. Breslau: Eduard Trewendt 1895, S.216. 4 WieS.781, Anm.5. 5 Wie S.778, Anm. 4. 6 WieS. 781 f., Anm.7 bis 11.
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verschuldeten Grundbesitz aufkaufen, melioriren und vorläufig einmal domanial verpachten, während er gleichzeitig, und dieser Vorschlag erscheint uns sehr erwägungswerth, das heutige Domanium einer Kolonisation im Rentengutswege unterwirft. 5
Nach vielen Richtungen hin ergänzend waren sodann noch die Ausführungen, welche Herr Professor Weber auf Einwürfe der Herren Spier, Hecht und Dr. Zum bei der Zusammenkunft der volkswirtschaftlichen Sektion des Hochstifts in der Alemannia machte. 7
Als die Ursache für das endlich beginnende Sinken der Güterprei10 se bezeichnete er die neuerdings eingetretene Abstinenz der tüchtigen Inspektoren beim Gutskauf, welche vor Abschließung der Handelsverträge^] im Vertrauen aufbessere Zeiten und bessere B e w i r t schaftung, die herunter gewirthschafteten Güter gern übernommen haben. Die innere Kolonisation läge im Interesse der westlichen 15 Arbeiterschaft, weil jeder einzelne, dem in Ostelbien eine Existenz verschafft würde, die Konkurrenz der industriellen Reservearmee vermindere. Für die Zukunft Deutschlands aber wäre schließlich entscheidend, ob nach dem naturnothwendigen Untergang des Übergewichts der feudalen Klassen, da nach seiner Überzeugung die 20 Arbeiter noch lange nicht reif wären, das Heft zu ergreifen, die bürgerlichen Klassen sich fähig erweisen werden, das dann eintretende Vacuum auszufüllen. Freilich fehlten ihm die großen Traditionen des englischen Bürgerthums, freilich hätte es bisher bei uns noch niemals an der Spitze gestanden und 25 Jahre Bismarckschen Cäsa25 rismus hätte es zu überstehen gehabt. Wer aber nicht an die Zukunft des Bürgerthums glaube, müsse entweder zum Feudalismus zurückkehren oder an der Zukunft Deutschlands verzweifeln.
7 Näheres über die Diskussionsteilnehmer Spier, Hecht und Zuns ist nicht bekannt. Nach Ausweis der Lehrgänge (oben, S. 743, Anm.2), S. 3, fanden die Vorträge im „Dr. Hochischen Konservatorium" statt. Anscheinend wurde dieser Vortrag oder die anschließende Diskussion in das Haus der Burschenschaft Alemannia verlegt.
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[Bericht Friedrich Naumanns über die ersten drei Vortragsabende] Es giebt in Deutschland drei Arten ländlicher Besitzverteilung, die gleiche Erbteilung aller Kinder, das Anerbenrecht eines Kindes im Vorzug vor den übrigen, die Verdrängung des Bauerntums durch erblichen, unteilbaren Großgrundbesitz. Im Westen herrscht die volle Erbteilung vor, in der Mitte das erbliche Bauerntum, im Osten der Großgrundbesitz. Diese Dreiteilung ist aus der deutschen Geschichte zu erklären und hängt teilweise mit der Bodenbeschaffenheit zusammen. Wie wirkt nun aber die Verschiedenheit der Bodenverteilung auf die Bevölkerung? In Hinsicht auf Ernährung liegt der Unterschied darin, daß in der Zwergwirtschaft (z.B. in Baden) im allgemeinen der am weitesten kommt, der am besten handeln und den Boden im a Gartenbau ausnutzen kann, und daß man weniger darauf angewiesen ist, mit gering bezahlten Lohnarbeitern zu schaffen, während im Bauernland es sehr wesentlich ist, wieviel an Natural- und Geldlohn an die Arbeitskräfte ausgegeben wird, da der Bauer meist keinen Einfluß auf den Marktpreis seiner Ware ausüben kann, während wiederum im Großgrundbesitz die Neigung vorherrschen wird, die Ernährung der Taglöhner mit Nahrungsstoffen zu besorgen, die nicht wertvoll genug sind für weiteren Transport, also mehr mit Kartoffeln und weniger mit Brot. Wo Geldwirtschaft ist, siegt die größere Intelligenz, und wo Naturalwirtschaft ist, die größere Bedürfnislosigkeit. In Hinsicht auf Bevölkerungsdichtigkeit ist es selbstverständlich, daß im Bereich des Großgrundbesitzes die wenigsten Menschen wohnen können, aber sehr merkwürdig ist, daß im dünnbevölkerten Osten dennoch die Menschen in weniger Wohnhäuser zusammengepreßt sind. Auf dünn bevölkerter Fläche stehen die vollsten Gebäude. Während im Rheinland auf ein Haus 1,07 bis 1,13 Haushaltungen kommen, 1 kommen im Kreis Filehne auf l H a u s 2,6 Haushaltun-
a A(4): in
1 In den Landgemeinden der Regierungsbezirke Koblenz, Düsseldorf, Köln, Trier und Aachen kamen jeweils (in der genannten Reihenfolge) auf ein Haus 1,13, 1,37, 1,07, 1,13 und 1,07 Haushalte. Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band 12, S. 248f.
Bericht Friedrich
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gen. 2 Je gespaltener der Boden ist, desto mehr Familien haben ihr eigenes Heim. In Hinsicht auf Kinderzahl ist im allgemeinen die Steigerung im Gebiet des Großgrundbesitzes am größten. Auf den Gütern sind mehr Kinder unter 14 Jahren als auf den Dörfern. Das würde gar kein Unglück sein, wenn die Kinderzahl dann auch in dem Land bleiben könnte, wo sie geboren wird. Das ist aber nicht der Fall. Der Großgrundbesitz vermehrt die Volkszahl, ohne Platz zu schaffen. Darum ist die Heimatlosigkeit im Osten viel größer als im Westen. Je mehr der Boden verteilt ist, desto mehr hält er die Bevölkerung fest. Die größte Seßhaftigkeit in Deutschland ist am Rhein, während in dem Regierungsbezirk Düsseldorf 71% bis 78% der Bevölkerung in dem Bezirk selbst geboren sind, 3 sind es in Westpreußen nur 45% bis 60% . 4 Selbst die westfälischen Industriebezirke haben keine so unruhige Bevölkerungsbewegung, wie die mit Großgrundbesitz gesegneten Provinzen des Ostens. Dieser Punkt ist sehr wichtig. Er zeigt, wo eigentlich die ruhigen, beharrenden Volkskräfte liegen. Im Westen wechselt der Boden seinen Herrn, das Volk aber bleibt in seiner Heimat, im Osten behält der Boden den Herrn, das Volk aber muß je länger desto mehr die Plätze wechseln. Die Auswanderung aus Deutschland ist infolge dieser Verhältnisse da am geringsten, wo große Bodenverteilung herrscht, und da am größten, wo Fideikommisse und sonstige große Güter sind. In Mecklenburg wird nicht aus den Dörfern ausgewandert, sondern aus den Gutsbezirken. Auswanderung von Deutschen und Einwanderung von Polen kennzeichnet die Güter im Osten. Das Gebiet des Großgrundbesitzes ist der eigentliche Nährboden für das Anwachsen der Riesenstädte. Die Statistik von Berlin zeigt, wie es den Geburtenüberschuß des Ostens aufsaugt, soweit er nicht auswandert. Gerade da, wo man die Einflüsse der Großstädte am
2 Im Kreis Filehne, Regierungsbezirk Bromberg, Posen, kamen in den Landgemeinden 1,73 und in den Gutsbezirken 1,92 Haushaltungen jeweils auf ein Haus. Errechnet nach: Gemeindelexikon, Band 5, S. 290f. 3 In den Landgemeinden im Regierungsbezirk Düsseldorf machte der prozentuale Anteil der Kreisgebürtigen an der ortsanwesenden Bevölkerung 75,2 aus. Gemeindelexikon, Band 12, S. 250. Vgl. auch Webers Ausführungen oben, S. 661. 4 Vgl. Max Webers Ausführungen über die Kreisgebürtigkeit in den Landgemeinden und Gutsbezirken in Westpreußen oben, S. 663f.
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Agrarpolitik
meisten beklagt, thut man das meiste für ihr unnatürliches Wachstum. Sehr merkwürdig ist das Verhältnis des Großgrundbesitzers zum Handwerker. Er unterstützt den Handwerker politisch, weil er ihn als Feind des Liberalismus gut gebrauchen kann, aber in Wirklich- 5 keit gedeiht das Handwerk nur da, wo kein Großgrundbesitz ist, denn der Taglöhner kann keinen kräftigen Handwerkerstand ernähren, und der Gutsherr läßt sich vom Handwerker nur gelegentlich etwas machen. Daher kommt das Darniederliegen aller Gewerbe in den kleinen Landstädten des Ostens. Für den Handwerker ist eine 10 dichtere Besetzung des Landes mit Bauern viel vorteilhafter. Auch die industrielle Arbeiterschaft hat schweren Schaden durch die Landverteilung des Ostens. Bei uns wird die Reserve-Armee der ungelernten Arbeiter nicht aussterben, sie wird alle Gewerkschaften und anderen Organisationen zu nichte machen oder wenigstens 15 schwer hindern, solange der Osten seine Kinder nicht in dem Lande behält, wo sie geboren werden. Das kann er aber nur, wenn er ein Land für Kleinbauern wird.
Die Zukunft der deutschen Bodenverteilung [Vortrag am 7. März 1896 in Frankfurt am Main]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Am 7. März 1896 hielt Max Weber im Christlich-sozialen Verein zu Frankfurt am Main einen Vortrag über „Die Zukunft der deutschen Bodenverteilung". Der Verein war aus einer Abspaltung des Friedrich Naumann und der Arbeitervereinsbewegung nahestehenden Evangelisch-sozialen Vortragsvereins hervorgegangen. Auch Friedrich Naumann nahm an der Veranstaltung teil.1 Thematisch lehnten sich Webers Ausführungen eng an seinen im Februar und März 1896 im Freien Deutschen Hochstift gehaltenen Vortragszyklus über „Agrarpolitik" an.2 Weber hatte unmittelbar vor dem Vortrag, der für 20.30 Uhr angekündigt worden war,3 im Hochstift den vierten Vortrag aus dieser Reihe gehalten.4 Ein Manuskript ist nicht überliefert. Doch können wir auf Berichte der Frankfurter Zeitung und des Frankfurter Volksboten sowie auf einen Brief Webers an den Münchener Nationalökonomen und Gegner des Anerbenrechts Lujo Brentano zurückgreifen. In diesem Brief erläuterte Weber den Bericht der Frankfurter Zeitung über seinen Vortrag und stellte ihn teilweise richtig, wobei er sich möglicherweise auch nachträglich selbst korrigiert hat.5 Zwei Punkte hob Weber auf Brentanos Anfrage hin als erläuterungsbedürftig hervor. Zum einen habe die Frankfurter Zeitung die von dem Freiburger Nationalökonomen Gerhart von Schulze-Gaevernitz propagierte Parole „Das Land der Masse" irrtümlich Weber selbst zugeschrieben.6 Er, Weber, 1 Vgl. FZ, Nr. 68 vom 8. März 1896, 3. Mo. Bl„ S. 2. 2 Webers Exposé zu dieser Vortragsreihe sowie die betreffenden Zeitungsberichte sind in diesem Band abgedruckt, oben, S. 599-601 und S. 748-790. 3 Frankfurter Volksbote. Beiblatt zur „Hilfe". Organ für christliche Vereine für Frankfurt am Main und Umgebung, Nr. 10 vom 8. März 1896, S. 1. 4 In diesem Band abgedruckt, oben, S. 770-776. 5 Brief an Lujo Brentano vom 11. März 1896, BA Koblenz, NI. Lujo Brentano, Nr. 67, Bl. 176,175. 6 Schulze-Gaevernitz prägte die Forderung „Das Land der Masse" offensichtlich erstmalig auf einer Ausschußsitzung des Evangelisch-sozialen Kongresses im Jahre 1895; er stieß damit bei den konservativen Kreisen um Adolf Stoecker auf schärfsten Widerspruch. Siehe dazu den Briefwechsel zwischen Stoecker und Friedrich Naumann, in: Heuß,
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Die Zukunft der deutschen
Bodenverteilung
habe dagegen beabsichtigt, diese Parole „als eine solche der westdeutschen Arbeiterklasse zu interpretieren." Zum zweiten habe er das Anerbenrecht nicht, wie die Frankfurter Zeitung berichtete, verworfen; er sei diesem gegenüber durchaus positiv eingestellt und befürworte seine Einführung unter gewissen Bedingungen, veranschlage aber die praktischen Schwierigkeiten seiner Durchsetzung sehr hoch: „Ich selbst stehe dem Anerbenrecfrt in sofern doch freundlicher gegenüber, als, so viel ich sehen kann, Ihrem Standpunkt entspricht, als ich für Verhältnisse, die eine (relativ) aristokratische (großbäuerliche) Gliederung der ländlichen Gesellschaft erfordern - mangelnder Lokalabsatz, ungünstiger Boden - die gesetzliche Begünstigung des ungeteilten Erbübergangs und der Begünstigung des Übernehmers nicht nur für zulässig, sondern positiv für erwünscht halte, soweit es sich um selbständige Bauernnahrungen handelt. Nur schlage ich andrerseits die praktische Schwierigkeit der Ausscheidung 1)der geeigneten Gegenden, 2) der betreffenden Besitzschichten sehr hoch an. Was den Osten anlangt, so ist für mich das Institut, von den Gebirgs- und einigen Hochplateau-Gegenden, insbesondre gewissen national gemischten Distrikten abgesehen, nur für die durch systematische Colonisation zu schaffenden Höfe acceptabel, hier aber auch sehr erwünscht. Die private Rentengutsbildung, welche lediglich den Großgrundbesitzer in die Stellung des Güterschlächters setzt und dazu noch in seiner sozialen Position beläßt, scheint mir in ihrer jetzigen Form höchst bedenklich, und ich kann auch Ihrer kurzen Bemerkung nur beipflichten." Die Frankfurter Zeitung stellte ihrem Bericht die folgende Bemerkung voraus: 7 „Prof. Dr. Max Weber- Freiburg i. Br., bekanntlich einer der namhaftesten wissenschaftlichen Wortführer der Evangelisch-Sozialen, gibt gegenwärtig hier einen Extrakt aus seinen umfassenden agrarpolitischen Studien durch einen Lehrgang von fünf Vorträgen im Freien deutschen Hochstift, und heute Abend bot er im Christlich-sozialen Verein die Quintessenz eines Vortragscyklus durch eine Rede ,über die zukünftige Bodenvertheilung in Deutschland'. Der Meriansaal war nur zu zwei Dritteln gefüllt. Hier draußen auf der Bornheimer Haide scheint man demnach nicht übermäßiges Vertrauen in die Thätigkeit des aus dem Evangelisch-sozialen Vortragsverein hervorgegangenen Christlich-sozialen Vereins zu setzen, der, wie der Vorsitzende, Graveur Haag, einleitend mittheilte, festhalte an Christenthum, Vaterlandsliebe und konstitutioneller Monarchie und auf religiösem, politischem, sozialem und kommunalem Gebiet wirken will."
Theodor, Friedrich Naumann. - Stuttgart, Berlin: Deutsche Verlags-Anstalt 1937, S. 677-680. Vgl. auch: Krüger, Dieter, Nationalökonomen im wilhelminischen Deutschland. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1983, S. 265. 7 FZ, Nr. 68 vom 8. März 1896, 3. Mo. Bl„ S. 2.
Editorischer Bericht
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Der Frankfurter Volksbote leitete seinen Bericht mit den Worten ein: 8 „Die für den letzten Samstag Abend in den Meriansaal einberufene öffentliche Versammlung, in welcher Prof. Max Weber- Freiburg über die Zukunft der deutschen Bodenverteilung sprach, war anfangs schwach besucht, doch wurde bis zum Schluß der große Meriansaal ziemlich in allen Teilen besetzt. Der Redner, welcher gerade vorher einen einstündigen Vortrag im Freien Deutschen Hochstift gehalten hatte, 9 gab in klarer, gemeinverständlicher Form einen höchst fesselnden und lehrreichen Auszug aus seiner Vortragsserie über .Agrarpolitik' im hiesigen Hochstift. Da über letztere unsere Leser durch ausführliche Inhaltsangaben unterrichtet sind, so brauchen wir hier nur einige wenige Punkte aus dem öffentlichen Vortrag hervorzuheben." Der Frankfurter Volksbote schloß mit der Bemerkung: 1 0 „Reicher anhaltender Beifall lohnte dem Redner die doppelte Anstrengung zweier Vorträge an einem Abend. Der christlich-soziale Verein aber hat allen Grund, zufrieden auf den von ihm veranstalteten Abend zurückzublicken."
Zur Überlieferung und Edition Manuskripte sind nicht überliefert. Über den Vortrag sind uns die folgenden Berichte überliefert: 1. „Christlich-soziale Agrarpolitik", Frankfurter Zeitung, Nr. 68 vom 8. März 1896, 3. Mo.BI., S.2; 2. „Christlich-sozialerVerein für Frankfurt a.M. und Umgebung", FrankfurterVolksbote. Beiblattzur „Hilfe". Organ fürchristliche Vereine in Frankfurt am Main und Umgebung, Nr. 11 vom 15. März 1896, S. 1 f. Webers Ausführungen - A(1) und A(2) - werden nach diesen Berichten wiedergegeben. Anders als in ihrem Bericht vom 8. März, in dem es heißt, Weber spreche „über die zukünftige Bodenvertheilung in Deutschland", kündigte die Frankfurter Zeitung am 7. März 1896 Webers Vortrag mit dem Titel „Die Zukunft der deutschen Bodenvertheilung" an.1 Denselben Titel gab auch der Frankfurter Volksbote in seinem Bericht an. Er wird daher hier übernommen.
8 Frankfurter Volksbote, Nr. 11 vom 15. März 1896, S. 1. 9 In diesem Band abgedruckt, oben, S. 770-776. 10 WieAnm.8, S.2. 1 FZ, Nr. 67 vom 7. März 1896, 2. Mo. Bl„ S. 2.
Die Zukunft der deutschen Bodenverteilung [Bericht der Frankfurter Zeitung]
Professor Weber sprach wie immer frisch und anziehend, grundgelehrt und grundgescheidt zugleich.
Er schilderte die demokratischen Agrarverhältnisse in Frankreich, die feudalen in Großbritannien, die des Landlords brandschatzende Hand in Jedermanns Tasche spüren lassen, und stellte a dem gegenüber 3 die gemischte Agrarverfassung Deutschlands, die im Süden und Westen mehr den Kleinbetrieb, im Norden und Osten den Großbetrieb aufweist, entsprechend der dichteren oder dünneren Besiedlung durch Städte und Industrien. Je größer aber der ländliche Unternehmer, desto zahlreicher das Arbeiterproletariat, desto schroffer die sozialen Gegensätze, desto künstlicher die Einrichtungen sozialaristokratischer Art, wie das Fideikommißwesen, die Geschlossenheit der Güter, das Anerbenrecht. Die weitere fideikommissarische Festlegung des Bodens führt zur Entvölkerung. Dagegen protestiren wir. Auch das Mittel gegen die Verschuldung der ländlichen Güter des Ostens, das in der staatlichen Feststellung der Schuldengrenze gefunden sein sollte,1 würde auf die für uns unannehmbare Probe hinauslaufen: Das Land dem baaren Gelde. Die Verallgemeinerung des Anerbenrechts, abgesehen von den Fällen, wo sie der ausbeuterischen hausindustriellen Nebenbeschäftigung entgegentritt, will die Demokratisirung des platten Landes verhindern, d.h. gleichzeitig die industrielle Reservearmee vermehren, und deshalb ist es zu verwerfen. Unsere Parole lautet: Das Land der Masse. b2 Auf Anregung des Pfarrers Naumann äußerte sich Prof. Weber dann noch über das Verhältniß des Großgrundbesitzes zum Handwerk und zu der Politik der Städter. Die Kaufkraft der östlichen Landara A(1): demgegenüber
b In A(1) folgt: (Beifall.)
1 Entsprechende Pläne für die gesetzliche Festlegung einer Verschuldungshöchstgrenze wurden auf der Preußischen Agrarkonferenz, die vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1894 unter der Leitung des Landwirtschaftsministers stattfand, vorgestellt und beraten. Vgl. oben, S. 483-499. 2 Zu Webers Haltung zum Anerbenrecht und zu der Forderung „Das Land der Masse" siehe den Editorischen Bericht, S. 791 f.
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der deutschen
Bodenverteilung
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beiter ist so gering, daß Handwerkererzeugnisse keinen genügenden Absatz finden können. Auf diese Weise erdrückt der Großgrundbesitz in scheinbar zärtlicher Umarmung den Handwerksbetrieb. Daß die konservativen Großgrundbesitzer gegen das Koalitionsrecht der Arbeiter sind, 3 erklärt sich aus dem Wunsche, ihre Angestellten in Gesinde-Abhängigkeit zu erhalten. Der Streik des Landarbeiters ist daher die Auswanderung. Daß der Großgrundbesitz der Industrie nicht cwohl willc, hängt mit dem Kampf um die politische Macht zusammen, den das Land gegen die Stadt führt, und aus dem sich auch z.B. der Unsinn des Antrags Kanitz4 erklärt. In der ferneren D e b a t t e war besonders die Abfertigung bemerkenswerth, die Prof. W e b e r e i n e m sozialdemokratischen R e d n e r angedeihen ließ. D i e s e r k a m zu der unvermeidlichen Behauptung, daß der g e s a m m t e Landbesitz der A l l g e m e i n h e i t überwiesen werden müsse und daß d e m internationalen Kapital die internationale Arbeit entgegenzutreten habe.
Professor Weber hält sich demgegenüber an die konkrete Frage, welche Agrarverfassung des deutschen Ostens im Interesse der westdeutschen Industrie-Arbeiterschaft ist. Die Antwort lautet, die Agrarverfassung, die den östlichen Landarbeiter im Osten hält, damit er seine Arbeit in ihm gehörigen Boden senken kann. Das kollektivistische Ideal der Fabrikarbeiter ist, wie auch der „Vorwärts" zugegeben hat, 5 und wie der Antagonismus innerhalb der Sozialdemokratie wegen des Agrarprogramms beweist, 6 nicht das individualistische Ideal des Landarbeiters. Was die Internationalität angeht, so möchten die deutschen Arbeiter sich an der kühlen Haltung der englischen und auch der französischen Arbeiter ein Beispiel
c A(1): wohlwill
3 Landarbeiter blieben in Preußen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs vom Koalitionsrecht ausgeschlossen. 4 Siehe Anm.4, S.778. 5 Der „Vorwärts" hatte am 22. März 1893 erklärt, daß der Landarbeiter „nicht den Drang nach sozialistischer Produktionsweise" habe, sondern „ein Stück Land zur individualistischen Produktion" vorziehe. Vorwärts, Nr. 69 vom 22. März 1893. 6 Zu heftigen Auseinandersetzungen über das Agrarprogramm war es zuletzt auf dem Breslauer Parteitag 1895 gekommen. Das von den sog. „Praktikern" vorgelegte Agrarprogramm, das staatliche Hilfen für die Bauern vorsah und insofern ein individuelles Eigentumsrecht an G l i n d anerkannte, wurde abgelehnt. Gilcher-Holtey, Ingrid, Das Mandat des Intellektuellen. Karl Kautsky und die Sozialdemokratie. - Berlin: Siedler 1986, S.110-114.
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Bodenverteilung
nehmen. Die Verbrüderung mit chinesischen und slavischen Arbeitern wäre den deutschen Arbeitern sehr schädlich. Über dem kapitalistischen Gegner sollte unsere deutsche Arbeiterwelt den gegnerischen ausländischen Arbeiter nicht vergessen.
[Bericht des Frankfurter Volksboten]
5
Es giebt zur Zeit drei Hauptversuche zur Lösung des Agrarproblems: Derjenige der preußischen Regierung und des preußischen Herrenhauses, welcher die Erleichterung der Fideikommisbildung bezweckt ;1 aber wir protestieren gegen dieses Projekt der Entvölkerung des Ostens auf Kosten der Seßhaftmachung einiger weniger Grafen- 10 und Herrenfamilien. Der zweite Versuch besteht in der Festsetzung einer Schuldengrenze, 2 nützt nur den z. Zt. noch nicht hoch verschuldeten Gütern etwas und schafft lediglich einen zünftlerischen Abschluß solcher Güter gegen andere, mehr verschuldete. Der dritte Versuch zielt auf eine gesetzliche Festhaltung und weitere Verbrei- 15 tung des Anerbenrechtes ab, 3 wird aber das Mißliche im Gefolge haben, daß der Anerbe zur Abfindung der übrigen Geschwister entweder Schulden machen oder die Geschwisteranteile ungerecht
1 Anläßlich der Debatten um ein neues Stempelsteuergesetz am 8. Juli 1895 ersuchte das preußische Herrenhaus die Regierung, „die Bildung bäuerlicher Fideikommisse zu ermäßigtem Stempelsatz zu ermöglichen." Sten. Ber. pr. HH, 1895, Band 1, S. 356. Der preußische Finanzminister Johannes von Miquel trat diesem Ersuchen aus finanzpolitischen Erwägungen entgegen, stellte aber im Namen des Staatsministeriums im Zusammenhang mit einer Agrarreform auch eine Reform des Fideikommißwesens in Aussicht, ohne nähere Angaben über deren Zielrichtung zu machen. Johannes von Miquels Reden, hg. von Walther Schulze und Friedrich Thimme, Band4. - Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1914, S. 180-185, bes. S. 181. Daraufhin wurde vom Landwirtschaftsministerium eine Denkschrift ausgearbeitet, die die Grundlage für eine Gesetzesvorlage bildete. Der Gesetzentwurf wurde allerdings erst 1903 fertiggestellt und veröffentlicht. Weber setzte sich mit ihm kritisch auseinander in dem Aufsatz: Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19, 1904, S. 503-574 (MWG I/8). 2 Siehe S. 794, Anm.1. 3 Dieser Vorschlag wurde ebenfalls auf der Preußischen Agrarkonferenz von 1894 behandelt. Darüber hinaus war ein Gesetzentwurf in Vorbereitung, der die Einführung des Anerbenrechts bei Renten- und Ansiedlungsgütern in Preußen vorsah. Vgl. auch Webers Artikel „Der preußische Gesetzentwurf über das Anerbenrecht bei Rentengütern", oben, S. 589-596.
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herabsetzen muß. Darum sind also alle drei Versuche, welche eine aristokratische Gliederung des platten Landes (abgeschlossene Güter) bezwecken, unpraktisch. Die richtige Lösung der Bodenverteilung des deutschen Ostens wird vielmehr auf demokratischer Gliederung des platten Landes beruhen müssen. „Das Land der freien Arbeit und nicht der Rente!" so muß die Parole für die Zukunft der deutschen Bodenverteilung lauten. - In der Diskussion giebt der Herr Referent auf Anregung Pf[arre]r Naumann's Auskunft über den Einfluß des Großgrundbesitzes auf das Handwerk (s. „Hilfe" 10, Wochenschau) 4 und über den Zusammenhang zwischen konservativer Arbeiterpolitik und Großgrundbesitzerinteressen. Prof. Weber erklärt die konservative Arbeiterpolitik, welche keine Koalitionsfreiheit gewähren will,5 aus dem Interesse, welches diese Partei der Großgrundbesitzer naturgemäß an ihren eigenen Arbeitern hat. Rechtsanwalt Dr. Max Meyer6 erhält auf seine beiden Fragen vom Herrn Referenten die Antwort, daß der Großgrundbesitz nur indirekt zur Polonisierung des Ostens beitrage, und daß die Gesetzgebung im Westen (Code Napoleon) 7 nicht hervorragend an der Bodenverteilung Anteil habe. Herr Diener hat den Herrn Referenten dahin mißverstanden, daß eine Seßhaftmachung des ländlichen Tagelöhners im Osten erstrebt und eine Steigerung der Bedürfnislosigkeit befürwortet werden solle, der Herr Referent hat aber nur von einer Seßhaftmachung des freien Kleinbauers durch staatlichen Ankauf und Verpachtung der großen Güter des Ostens gesprochen und gerade das Widersinnige der heutigen Verhältnisse, nach denen im Osten nicht der tüchtigste, sondern der bedürfnisloseste Landbewohner vorwärts kommt, beleuchtet. Die weitere Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Rednern bringt dann mehrere Grundprobleme der sozialen Frage zur Erörterung. So betont Prof. Weber 4 Der hier zitierte Artikel Friedrich Naumanns (Die Hilfe, Nr. 10 vom 8. März 1896, S. 1 f.) bezieht sich nicht auf Webers Vortrag „Die Zukunft der deutschen Bodenverteilung", sondern auf die ersten drei Vorträge über „Agrarpolitik" im Freien Deutschen Hochstift. Er ist abgedruckt oben, S. 7 8 8 - 7 9 0 . 5 Siehe S. 795, Anm.3. 6 Über den Diskussionsteilnehmer Max Meyer ist Näheres nicht bekannt. 7 Der Code Napoléon von 1804 bestätigte die in der Revolution eingeführte gesetzliche Erbteilung unter allen Erben zu je gleichen Teilen. Diese galt ungebrochen bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am I.Januar 1900 in den linksrheinischen Gebieten, dem ehemaligen Großherzogtum Berg und dem Großherzogtum Baden. Vgl. auch oben, S. 150, Anm.25.
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sehr nachdrücklich, daß es verständlich sei, wenn der Industriearbeiter für die Überführung der Produktionsmittel (Maschinen, Werkzeuge, Betriebskapitalien etc. etc.) in Allgemeinbesitz sich begeistern lasse, dagegen werde die Sozialdemokratie nach seiner Überzeugung den Landarbeiter niemals, auch wenn er noch so proletari- 5 siert sei, für diese Forderung begeistern können. Der Landarbeiter sehe sein Ideal vielmehr gerade im Gegenteil im Privatbesitz des Stückchen Landes, in welches er jahraus jahrein seine Schweißtropfen und seine Samenkörner hineinsenkt. -
Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen [Vortrag am 26. September 1896 in Berlin]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Am 19. Januar 1893 wurde in Berlin von einer Gruppe junger Juristen und Nationalökonomen aus dem Kreis um Gustav Schmoller und Adolph Wagner eine Gesellschaft gegründet, die sich mit Fragen der vergleichenden Rechts- und Staatswissenschaft befaßte und Vorträge über diesen Bereich veranstaltete. 1 Aus dieser Gesellschaft ging rund ein Jahr später die „Internationale Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre" hervor, der sich wenige Tage nach ihrer Gründungsversammlung am 8. Februar 1894 weitere Berliner Juristen und Nationalökonomen anschlössen. 2 Auch Max Weber trat der neugegründeten Vereinigung bei 3 und beteiligte sich an deren Vorträgen. Am 3. Juli 1894 referierte er über „Die Organisation der deutschen Börsen im Vergleich mit denjenigen des Auslandes" ; 4 am 26. September 1896 sprach er über Fragen der Agrarverfassung. Sein Vortrag wurde unter dem Titel „Die Gegensätze der deutschen, englischen und französischen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen" angekündigt. 5 Dieser Titel wurde auch im Jahresbericht der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre 6 sowie in dem ersten, uns von der Vossischen Zei-
1 Meyer, Felix, Rückblick auf das erste Jahr der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre, in: Jahrbuch der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre, 1. Jg., 1895, S. 314. Vgl. auch Berliner Tageblatt, Nr. 43 vom 24. Jan. 1894, Ab. Bl., S. 2. 2 Meyer, Rückblick, S. 315. 3 Ebd. Noch 1899 wird Weber als Mitglied der Vereinigung aufgeführt. Vgl. deren Jahrbuch (wie Anm. 1), 5. Jg., 1899, S. 1363. 4 Meyer, Rückblick, S. 317. Berichte über diesen Vortrag in: Berliner Tageblatt, Nr. 332 vom 4. Juli 1894, Ab. Bl., Beiblatt; Weser-Zeitung, Nr. 17098 vom 6. Juli 1894, Mo. Bl., S. 1; Wochenschrift für Aktienrecht und Bankwesen, Steuer- und Stempelfragen, Nr. 15 vom 21. Juli 1894, S. 265f. (MWG I/5). 5 Vossische Zeitung, Nr. 445 vom 22. Sept. 1896, Mo. Bl., 1. Beilage, S. 2. 6 Jahrbuch (wie Anm. 1), 3. Jg., 1897, S. 903.
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Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung
tung über den Vortrag überlieferten Bericht genannt. Hier heißt es in der Vorbemerkung: 7 „In der internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirthschaftslehre zu Berlin hielt am 26. September Professor Max Weber aus Freiburg einen Vortrag über: ,Die Gegensätze der deutschen, englischen und französischen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen.' Der Vortrag beleuchtet das Agrarproblem in so eingehender Weise, daß hier nur ein Bruchtheil der Ausführungen des Redners wiedergegeben werden kann." Dagegen gab das Berliner Tageblatt, das ebenfalls über den Vortrag berichtete, als Titel „Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen" an. Ihre Vorbemerkung lautete: 8 „In der ersten Sitzung der Internationalen Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirthschaftslehre zu Berlin nach den Ferien am 26. September im Westminsterhotel sprach der ordentliche Professor der Staatswissenschaften an der Universität Freiburg Dr. Max Weber über die .Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen'." Max Weber konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf Deutschland und arbeitete insbesondere den Gegensatz zwischen östlicher und westlicher Agrarverfassung scharf heraus; daher wird hier der Titel „Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen" für wahrscheinlicher gehalten und übernommen. Während die Vossische Zeitung über die sich an den Vortrag anschließende Debatte und Webers Diskussionsvortrag ausführlich berichtete, fügte das Berliner Tageblatt seinem Bericht über den Vortrag Webers folgende Bemerkung an: 9 „Nachdem der Vorsitzende dem Redner für den so geistvollen, im höchsten Grade belehrenden und fesselnden, allseits mit lautem Beifall aufgenommenen Vortrag gedankt und unter Hinweis auf die allgemeine Bedeutung des behandelten Gegenstandes noch besonders die fruchtbaren Ergebnisse der von dem Redner befolgten komparativen Methode, die hier wieder zu Tage getretene Wichtigkeit der seitens der Vereinigung erstrebten Verschmelzung von Jurisprudenz und Volkswirthschaftslehre, die Nothwendigkeit der vergleichenden Agrargeschichte für die Agrarpolitik betont hatte, fand Professor Dr. Weberbe'i der lebhaften Debatte Gelegenheit, in spannender Weise seinen Standpunkt gegenüber den eingehenden und sachlich hervorragenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichtsraths Hoffmann (Berlin), des Professors Dr. Sering (Berlin) und des Geheimraths Professor Dr. Adolf Wagner (Berlin) zu vertreten.
7 Vossische Zeitung, Nr. 458 vom 29. Sept. 1896, Ab. Bl„ 2. Beilage, S. 1 8 Berliner Tageblatt, Nr. 500 vom 1. Okt. 1896, 2. Beiblatt, S. 1. 9 Ebd.
Editorischer
Bericht
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Die V e r s a m m l u n g war e n t s p r e c h e n d der Wichtigkeit des G e g e n s t a n d e s und der wissenschaftlichen B e d e u t u n g d e s Vortragenden zahlreich besucht. N e b e n v e r s c h i e d e n e n ausländischen G e l e h r t e n b e m e r k t e n wir d e n Reichsbankpräsidenten Dr. Koch, Ministerialdirektor Dr. Kayser, Professor Dr. C o h n (Göttingen), Professor Dr. Kronecker (Bern) etc. B e s o n d e r s herv o r g e h o b e n zu w e r d e n verdient, daß v o n den auswärtigen Mitgliedern der V e r e i n i g u n g auch der G o u v e r n e u r v o n Deutsch-Ostafrika, Major v. Wissmann, a n w e s e n d war." Die Frankfurter Zeitung brachte am 2. Oktober 1896 einen a u s z u g s w e i sen Nachdruck d e s Berichts der V o s s i s c h e n Z e i t u n g , 1 0 w ä h r e n d die Karlsruher Z e i t u n g d e n Bericht des Berliner Tageblatts in A u s z ü g e n wiedergab. 1 1 Diesen wie auch den übrigen Berichten zufolge v e r w i e s Max W e b e r darauf, daß der preußische Finanzminister J o h a n n e s v o n Miquel einen G e s e t z e n t wurf zur Erleichterung der Fideikommißbildung vorbereiten lasse. Das preußische Finanzministerium ließ die Behauptung, in s e i n e m Bereich sei ein solcher Entwurf in Arbeit, durch die „ P o s t " , das offizielle Presseorgan der D e u t s c h e n Reichspartei, d e m e n t i e r e n . 1 2 Max W e b e r hatte bei s e i n e m Hinw e i s auf eine A n k ü n d i g u n g v o n Miquels am 8. Juli 1895 im preußischen H e r r e n h a u s angespielt. Der preußische Finanzminister hatte hier im N a m e n des Staatsministeriums „ i m Z u s a m m e n h a n g mit einer d u r c h g r e i f e n d e n A g r a r r e f o r m " auch eine Reform des F i d e i k o m m i ß w e s e n s in A u s s i c h t gestellt. 1 3 O b w o h l das Landwirtschaftsministerium daraufhin mit der Ausarbeit u n g einer Denkschrift betraut wurde, kam ein e n t s p r e c h e n d e r G e s e t z e n t wurf erst 1903 z u s t a n d e und w u r d e veröffentlicht. 1 4
10 FZ, Nr. 274 vom 2. Okt. 1896, 3. Mo. Bl„ S. 1. 11 Karlsruher Zeitung, Nr. 457 vom 1. Okt. 1896, Mo. Bl„ S. 1 f. 12 Badische Gesandschaftsberichte, GLA Karlsruhe, Nr. 49/2029. Die in den Gesandschaftsberichten zitierte Nummer der „Post" ließ sich nicht ermitteln. 13 Johannes von Miquels Reden, hg. von Walther Schulze und Friedrich Thimme, Band 4. - Halle: Buchhandlung des Waisenhauses 1914, S. 181. 14 Siehe dazu Webers kritische Auseinandersetzung: Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen, in: AfSS, Band 19, 1904, S. 5 0 3 - 5 7 4 (MWG I/8).
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Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Über den Vortrag gibt es folgende Berichte: 1. „Vereine und Versammlungen", Vossische Zeitung, Nr.458 vom 29. September 1896, Ab. Bl., 2. Beilage, S. 1; 2. „Die deutsche Agrarverfassung (Bericht für das Berliner Tageblatt)", Berliner Tageblatt, Nr. 500 vom 1. Oktober 1896, 2. Beiblatt, S. 1. Webers Ausführungen - A(1) und A(2) - werden nach diesen Berichten wiedergegeben. Die auszugsweisen Nachdrucke des Berichts der Vossischen Zeitung in der FZ, Nr. 274 vom 2. Oktober 1896,3. Mo. Bl., S. 1, sowie des Berichts des Berliner Tageblatts in der Karlsruher Zeitung, Nr. 457 vom 1. Oktober 1896, Mo. Bl., S. 1 f., werden vernachlässigt.
Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung in ihren Ursachen und Wirkungen [Bericht der Vossischen Zeitung]
Der Redner ging überall streng kausal zu Werke und suchte unsere heutige Agrarpolitik durch Zurückgehen auf ihre Ursachen, ihre historischen Grundlagen zu erklären. Diese Betrachtung der geschichtlichen Entwickelung führte ihn zu dem Ergebniß, daß trotz gleicher Grundverfassung allmählich aus dem Osten und Westen Deutschlands etwas Grundverschiedenes geworden ist. Die beiden Gebiete desselben Staates stehen sich ökonomisch in jedem Punkt so fremd gegenüber, die Verhältnisse sind im Westen so ganz anders als im Osten, daß man ganz verschiedene Staaten vor sich zu haben glaubt. Diese Thatsache muß man sich immer wieder vor Augen halten, wenn man die heute so oft aufgeworfene, in das Schlagwort zusammengefaßte Frage beantwortet: Sind, sollen und können wir ein Industrie- oder Agrarstaat sein? Zunächst, was denkt man sich bei diesen Schlagworten, welches ist das Merkmal, worin wir die Kriterien der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Gruppe finden? Es kommt nicht auf die Quote der Bevölkerung an, denn dann würde z. B. Koblenz oder Minden, die eine große Zahl Landbevölkerung aufweisen, zur agrarischen Gruppe zu rechnen sein, was doch keinem verständigen Menschen einfallen dürfte. Das Umgekehrte gilt von Stralsund. Hier haben wir es mit einem unzweifelhaft agrarischen Staatstheil zu thun, und doch ist die Bevölkerung zum erheblichen Theil als städtische zu bezeichnen. Das allein entscheidende Kriterium ist: Von welcher Seite kommt das Geld in das Land, was deckt seinen Nahrungsmittelbedarf? Von diesem Standpunkt aus ist der Westen unzweifelhaft im strikten Gegensatz zum Osten nicht agrarisch. So würde beispielsweise aus dem angegebenen Grunde in Stralsund die große Masse der städtischen Bevölkerung ohne die agrarischen Elemente zur völligen Bedeutungslosigkeit heruntersinken. Das Umgekehrte würde im Rheinland der Fall sein etc. Der Redner ging nunmehr dazu über, zu zeigen, wie in jeder Einzelheit des menschlichen Lebens die Verhältnisse andere sind und sein müssen, je nachdem das betreffende Gebiet der einen oder der andern Gruppe angehört. Und überall kam er im wesentlichen zu
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Die Gegensätze der deutschen
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dem gleichen Resultat, daß die Verhältnisse in den Industriebezirken des Westens erheblich günstiger liegen, als in den agrarischen des Ostens. Dort findet der Handwerker in Folge der größeren Kaufkraft des Publikums viel leichter als hier den Weg zum Kleinunternehmer, wie überhaupt die soziale Schichtung im Osten eine weit weniger gesunde ist, als im Westen. Was die Verschuldung anbelangt, so ist diese allerdings auch im Westen sehr stark, aber eine flüssige. Der leichte, häufige Umsatz von Grund und Boden bringt die Hypothek zum Sterben. Sie hat schon bei ihrer Entstehung den Todeskeim in sich. Ganz anders im Osten. Hier ist die Verschuldung eine chronische. Die Güter des Ostens sind das beste Anlagekapital für den Hypothekengläubiger, der hier meistens ein Kapitalist ist. Daher kommt denn auch die schwere Verkäuflichkeit und die schwere Theilbarkeit der Güter im Osten, welche durch die Hypotheken wie mit goldenen Klammern zusammengehalten werden. 1 Was weiter die Subhastationen betrifft, so lehrt uns die hierüber aufgenommene Statistik das Folgende: 2 Je kleiner der Betrieb, desto mehr kommen für sein Gedeihen die persönlichen Verhältnisse des Besitzers in Betracht, Tüchtigkeit und Arbeitsamkeit, Nüchternheit u.s.w. Bei den großen Gütern des Ostens dagegen spielt die Individualität des Latifundienbesitzers eine erheblich geringere Rolle. Vom Standpunkt der Subhastationsstatistik aus tritt bei den großen Gütern des Ostens die persönliche Tüchtigkeit des Besitzers weit zurück hinter den typischen, unabänderlichen Verhältnissen des Weltmarktes. Die Statistik zeigt uns ferner im Osten die Tendenz zum außerordentlich frühen Heirathen und eine eminent hohe Zahl unehelicher Geburten. Es ist geradezu erstaunlich, wenn man hiermit die Zahlen aus Osnabrück und Minden vergleicht, wie viel gün-
1 Mehr noch als in den deutschen Ländern französischen Rechts gewährte das preußische Hypothekenrecht dem Gläubiger große Sicherheit; insofern betrachtete der Gläubiger die Hypothek als dauerhafte Vermögensanlage, an deren baldiger Rückzahlung er kein Interesse hatte. Vgl. dazu auch die Ausführungen Max Webers in seinem Artikel „.Römisches' und .deutsches' Recht", oben, S. 528-531. 2 Weber bezieht sich hier auf eine unter Landräten und Amtsrichtern durchgeführte Erhebung über die Ursachen von Zwangsversteigerungen, deren Ergebnisse in der Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, Berlin, 29. Jg., 1889, S. 139-164, veröffentlicht wurden. Vgl. für die folgenden Angaben zur Subhastationsstatistik auch die Ausführungen Max Webers in seinem Gutachten: Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechts, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung? oben, S. 648-650.
Die Gegensätze der deutschen
Agrarverfassung
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stiger hier die Verhältnisse nach beiden Richtungen hin liegen. Die Folge davon ist im Osten Deutschlands starke Vermehrung der Bevölkerung, die sich zusammensetzt aus proletarischen, nach dem Westen abströmenden Elementen, und zwar tritt diese unerfreuliche Erscheinung um so stärker hervor, je größer die Güter sind, auf denen diese Bevölkerungszunahme statt hat. Es ist durchaus falsch, zu glauben, daß die dichteste Bevölkerung sich da ansammelt, wo die größten und besten Güter sind. Die Statistik widerlegt diese Annahme, die auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, sie lehrt uns, daß der schlechtere Boden weit dichter besiedelt ist als der bessere. Der Grund dieser nur bei oberflächlicher Betrachtung auffälligen Erscheinung ist darin zu suchen, daß der gute Boden Arbeitskräfte entbehrlich macht und somit einer Ansässigmachung ländlicher Arbeiter entgegenstrebt. Hier bewahrheitet sich das Gesetz von Marx, daß der Großbetrieb, die Maschine, menschliche Arbeitskräfte immer mehr überflüssig machen wird. 3 Ganz anders und weit günstiger dagegen als im Osten liegt im Westen die Frage der Bevölkerungsstabilität. Das Zentrum der seßhaften Bevölkerung ist die Rheinprovinz. Die Seßhaftigkeit nimmt ab, je mehr wir nach dem Osten fortschreiten, und sie sinkt gewaltig, bis unter 50 v.H. selbst beim Mitzählen kleiner Kinder, auf den großen Gütern des Ostens. 4 In Berlin ist die Bevölkerungsstabilität eine erheblich größere als hier. Trotz des eminenten Wachsthums von Berlin sind hier doppelt so viel Ortsangehörige vorhanden als auf den Gütern des Ostens. Und auch sonst sind die Städte in größeren Industriebezirken von einer erheblich stabileren Bevölkerung bewohnt, als die Städte in agrarischen Bezirken. Sieht man sich nun die im Osten verbleibende Bevölkerung an, so ist auch in dieser Beziehung das
3 Gemeint ist das „der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliche Populationsgesetz", das Karl Marx im 23. Kapitel des ersten Bandes des „Kapitals" entwickelt hat. Diesem Gesetz zufolge kommt es mit fortschreitender Kapitalakkumulation und Technisierung zu einer verringerten Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft und somit zu einer relativen Überbevölkerung. Marx, Karl, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie, Band 1. - Hamburg: Otto Meissner 18904, S. 593ff., das Zitat, S.596. Max Weber nimmt unter dem Stichwort „Populationsgesetz der capitalistischen Produktionsweise" in seinen Vorlesungen darauf Bezug. „Die deutsche Arbeiterfrage in Stadt und Land", Sommersemester 1895. Nachschrift von unbekannter Hand, S. 150, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG, Abtlg. III). 4 Weber bezieht sich hier auf die Gebürtigkeit in der Heimatgemeinde auf den östlichen Rittergütern. Vgl. seine Ausführungen oben, S. 666.
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Resultat ein keineswegs erfreuliches. Es findet hier eine fortwährend stärker hervortretende Auslese statt zu Gunsten der Bedürfnißlosesten, es tritt der also denkbar kulturfeindlichste Zustand ein. Der Redner ging nunmehr zur Betrachtung der gesetzgeberischen Versuche über, welche gemacht worden sind, um hier Abhilfe zu schaffen. Was ist zunächst der Grund des Niedergangs des Ostens? Der Osten hängt ab vom landwirthschaftlichen Exportbetrieb. Er hat jedoch sein Absatzgebiet durch die Aufrichtung der russischen Zollgrenzen verloren, 5 und ein lokales Absatzgebiet trat nicht an die Stelle des verloren gegangenen Absatzgebietes. Man versuchte nun zunächst durch die Schutzzollpolitik nach dem Verschwinden des Exportbetriebes im Osten diesen und den Westen an einander zu schmieden. 6 Der Versuch gelang jedoch nicht, diese streng geschiedenen W i r t schaftsgebiete mit einander zu einer Einheit zu verschmelzen. Zwar zwang der Westen den Osten, ihm seine Industrieprodukte abzunehmen, aber der Osten vermochte nicht den Westen zu zwingen, ihm seine landwirthschaftlichen Erzeugnisse in gleicher Weise abzukaufen. Das zweite Palliativ bestand in der Aufrichtung einer Verschuldungsgrenze, 7 der Einführung der Höferolle, des Anerbenrechtes u.s.w. 8 Die Folge aber war nichts weiter, als starke Bevölkerungswegschiebung. Und heute steht man im Begriffe, noch zu einem dritten, dem stärksten Mittel zur Entlastung des platten Landes zu greifen, und zwar dem gefährlichsten von allen, der Neueinführung von Fideikommissen im großen Maßstab. Es ist dies der neueste Plan des preußischen Finanzministers, der ja zugleich die Rolle des Land-
5 Rußland vollzog 1877 den Übergang zum Schutzzollsystem. 6 1879 ging das Deutsche Reich zum Schutzzollsystem über. 7 Die Einführung einer Verschuldungshöchstgrenze spielte auf der preußischen Agrarkonferenz, die unter der Leitung des preußischen Landwirtschaftsministers vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1894 tagte, und in der Diskussion um die Einführung eines besonderen Heimstättenrechts nach amerikanischem Vorbild eine große Rolle, konnte jedoch aufgrund des damit verbundenen massiven Eingriffs in die persönlichen Eigentumsrechte nicht durchgesetzt werden. 8 Auf der preußischen Agrarkonferenz von 1894 war ebenfalls die Wiederbelebung des Anerbenrechts erörtert worden. Der Eigentümer eines Hofes sollte durch Eintragung in eine beim zuständigen Amtsgericht geführte Höferolle seinen Hof dem Anerbenrecht freiwillig unterstellen können, um so die ungeteilte Weitergabe des Besitzes an einen Erben zu sichern. Als Vorbild galt das Höferechtgesetz vom 1 .Juni 1874 der preußischen Provinz Hannover. Das Anerbenrecht wurde 1896 in Preußen bei Renten- und Ansiedlungsgütern eingeführt.
Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung
807
wirthschaftsministers sich angeeignet hat. 9 Gelingt der Plan, so werden alle die geschilderten, bedrohlichen Erscheinungen in verstärktem Maße eintreten. Und nur um auf diese uns seitens der Agrarier drohende, schwerste nationale Gefahr bei Zeiten aufmerksam zu machen, hat Redner den Vortrag gehalten. Die Gefahr ist um so größer, als das preußische Abgeordnetenhaus heute in seiner Mehrheit von stark agrarisch-plutokratischen Tendenzen beherrscht ist. Die Erscheinung, die uns hier entgegentritt, ist keine neue. Wir kennen dies schädliche Überwiegen des fideikommissarisch festgelegten Großgrundbesitzes von England her, und schließlich schlugen auch seinerzeit schon die Fugger denselben Weg ein, als es mit dem Blühen der Industrie zu Ende war. 10 Und zu wessen Nutzen wird denn die Beseitigung der bisherigen Minimalgrenze sein,11 welche im Osten die Entwicklung der Güter zu Fideikommissen verhindert hat? Nicht zu Gunsten der bisherigen Besitzer, sondern der a dort in diesem Fall eindringenden Großkapitalisten. In der sich anschließenden, m e h r e r e S t u n d e n d a u e r n d e n Debatte griffen die Berliner Nationalökonomen Max Sering und A d o l p h Wagner Max W e b e r w e g e n seiner kritischen Haltung z u m Großgrundbesitz an. A u c h W e b e r s Ideal v o n Gütern überschaubarer Größe mit seßhafter B e v ö l k e r u n g habe seine b e d e n k l i c h e n Seiten. Max W e b e r legte s e i n e n Standpunkt daraufhin n o c h m a l s dar:
Er zeigt, daß der Großgrundbesitz im Osten nicht mehr zu halten sei, und man müsse ohne Sentimentalität die Konsequenzen aus dieser Thatsache ziehen. Aus den junkerlichen Elementen seien, wie auch Seringb zugiebt, vielfach Spekulanten geworden, zu deren Gun-
a A(1): den
b A(1): Sehring
9 Siehe oben, S. 801. 10 Bei dem sich abzeichnenden Niedergang der Handelsbeziehungen seines Hauses schloß Anton Fugger - nach dem Vorbild schon bestehender Verfügungen seiner Vorgäng e r - a m 20. November 1548 mit seinen Erben einen sogenannten „Fideikommißvertrag" ab, der die Unveräußerlichkeit des Grundbesitzes der Familie festlegte, um einer möglichen Zersplitterung des Vermögens entgegenzuwirken. Dieses später durch allgemeine Fideikommißnormen geschützte Hausgesetz blieb bis 1918 in Kraft. Simnacher, Georg, Die Fuggertestamente des 16. Jahrhunderts (Studien zur Fuggergeschichte, Band 16). Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1960, S.68ff. 11 Die Minimalgrenze für die Errichtung eines Fideikommisses lag bei 7500 Mark Reinertrag pro Jahr.
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Die Gegensätze der deutschen
Agrarverfassung
sten die Gesetzgebung in Bewegung zu setzen, gar kein Anlaß vorliegt. Diese Elemente haben mit dem guten, mittleren, auf naturalwirthschaftlicher Grundlage ruhenden Bauernstande nichts gemeinsam und sind für die übrige Bevölkerung keineswegs harmlos.
[Bericht des Berliner Tageblatts]
Nachdem der Vorsitzende, Landgerichtsrath Dr. F. Meyer (Berlin), des verstorbenen Mitgliedes, des Geheimen Oberregierungsraths und vortragenden Raths im Ministerium für Handel und Gewerbe, Dr. Gustav Königs, in einem warmen Nachruf gedacht hatte, führte Professor Dr. Weber unter Gegenüberstellung der Gegensätze zwischen dem äußersten Westen und dem äußersten Osten Deutschlands aus, daß die größere Bindung des Grundbesitzes, die Erhaltung und 3 Begünstigung einer sozial-aristokratischen Verfassung des platten Landes keineswegs stabile Bevölkerungsverhältnisse schaffe. Es beruhe insbesondere auf einer optischen Täuschung, wenn die populäre Auffassung das „patriarchalische" Gebiet des deutschen Ostens als ein solches bezeichne, wo eine physisch kräftige Bevölkerung auf ihrer natürlichen Scholle sitze, während das westliche Industrie- und Kleinbauerngebiet als ein Gebiet mit beweglicher Bevölkerung angesehen werde. Gänzlich zur Lösung des agrarischen Problems ungeeignet sei die, soweit bekannt, insbesondere vom preußischen Finanzminister gewünschte, höchstens im Stempelinteresse erstrebenswerthe Begünstigung der Fideikommißbildung; 1 denn statt eine zahlreiche und seßhafte Landbevölkerung zu schaffen, wie es die Lösung des agrarischen Problems wolle, bringe die Fideikommißbildung die Bevölkerung vielmehr in Fluß und schiebe sie ab. Nicht die schon jetzt überschuldeten Besitzer würden auf ihrer Scholle erhalten werden, sondern es würde das in Handel und Industrie erworbene Kapital, ähnlich wie vor 200 Jahren in England, diesen Gebieten entzogen und in Grund und Boden festgelegt werden. Bei a A(2): nach 1 Zum Sachverhalt siehe oben, S. 801
Die Gegensätze der deutschen Agrarverfassung
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der Erörterung der Kontroverse, ob Deutschland ein Industrie- oder Agrarstaat sein werde und solle, sei zu erwägen, daß dasselbe keineswegs ein einheitliches Wirthschaftsgebiet bilde. Infolge seiner geschichtlichen Entwickelung zerfalle es in zwei neben einander bestehende Wirthschaftsgebiete: den Westen mit Nahrungsmittelunterbilanz und den Osten mit Nahrungsmittelüberbilanz. Auch dürfe man die Begriffe Industrie- oder Agrarstaat nicht nach der Quote der Bevölkerung erklären, welche nach den berufsstatistischen oder sonstigen Ermittelungen in Industrie oder Landwirthschaft thätig sei; denn dann würden die Regierungsbezirke Minden, Koblenz, Trier ebenso wie der Regierungsbezirk Stralsund unter die agrarische Rubrik fallen. Ferner dürfe man sich bei diesem Punkt nicht auf den Gegensatz zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung stützen, welcher beispielsweise für einen der industriereichsten Regierungsbezirke, wie Arnsberg, und einen von agrarischen Interessen beherrschten, wie Liegnitz, annähernd gleich sei. Als entscheidend müsse nur gelten, wie die tauschwirthschaftliche Erwerbsgelegenheit ins Land gebracht, ob der Nahrungsbedarf eines Bezirkes durch Industrie oder Landwirthschaft gedeckt werde. Bei Erörterung der Verschuldungsfrage betonte der Redner die grundsätzliche Verschiedenheit zwischen der von vornherein zum Erlöschen bestimmten Hypothek des Westens und der einen dauernden Charakter tragenden Hypothek im Osten, dessen große Landkomplexe m „ihre geeignetste Grundlage" m mit goldenen, aber eisenfesten Klammern von ihr umfaßt würden. 2 Endlich ging der Vortragende auf eine Prüfung der Frage ein, wo das Centrum einer stabilen Landbevölkerung in Deutschland sei, und wies nach, daß Städte mit einer großen Exportindustrie eine bei weitem stabilere Bevölkerung aufwiesen als die vom landwirtschaftlichen Großbetriebe mit seinen schwankenden Konjunkturen abhängigen Städte. So habe Berlin trotz seiner gewaltigen Bevölkerungszunahme einen größeren Prozentsatz Ortsgebürtiger als Städte und Rittergüter des Ostens. Das Centrum stabiler Landbevölkerung sei die Rheinprovinz.
2 Siehe S. 804, Anm. 1
Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die Bevölkerungs-Bewegung [Rede am 9. Januar 1897 in Saarbrücken]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Vermutlich im Jahre 1 8 9 6 - e i n e genaue Datierung ist nicht möglich - erhielt Max Weber eine Einladung des Handwerkervereins St. Johann-Saarbrükken. Dieser Verein, der 1864 auf dem Höhepunkt der liberalen Arbeiter- und Handwerkervereinsbewegung gegründet worden war, 1 hatte sich im Laufe der Zeit zu einem nicht mehr nur an einer sozialen Gruppe orientierten, allgemeinen Volksbildungsverein entwickelt, 2 behielt aber den Namen „Handwerkerverein" bei. In den 1890er Jahren gewann er zunehmend Profil in der Auseinandersetzung mit dem einflußreichen saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg. Von Stumm, der im Saarland jegliche Opposition gegen sich mundtot zu machen suchte, ließ durch seine Presseorgane, das Saarbrücker Gewerbeblatt und, seit 1896, die Neue Saarbrücker Zeitung, den Handwerkerverein scharf angreifen. 3 Anlaß dazu bot ihm die sozialpolitisch aufgeschlossene Haltung des Vereins, der Friedrich Naumann und Adolph Wagner zu Vorträgen einlud. Friedrich Naumann referierte zweimal im Handwerkerverein: im Oktober 1894 über „Notstand, Almosen und Hilfsorganisationen" und im Oktober 1895 über „Aufbau und Auflösung des Familienlebens". 4 Im April 1895 sprach Adolph Wagner über „Sozialismus, Sozialdemokratie und positive Reform" , 5 Insbesondere die Einladung Wagners mußte von Stumm erbittern, da der Streit zwischen beiden, der sich an den Angriffen von
1 „Satzungen des Handwerker-Vereins für St.Johann und Saarbrücken", Stadtarchiv Saarbrücken, Best. Alt Sbr. 1769. 2 1894 hatte der Handwerkerverein den zusätzlichen Namen „Verein für Volksbildung" angenommen. Gabel, Karl Alfred, Kämpfe und Werden der Hüttenarbeiter-Organisationen an der Saar. - Saarbrücken: Saarbrücker Druckerei und Verlag o. J. [1921], S. 94. 3 Bellot, Josef, Hundert Jahre politisches Leben an der Saar unter preußischer Herrschaft (1815-1918). - Bonn: Ludwig Röhrscheid 1954, S. 194f. 4 Ebd., S. 194. 5 Ebd.
Editorischer
Bericht
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Stumms auf die sogenannten „Kathedersozialisten" entzündet hatte, noch in aller Munde war. Auch Max Weber hatte sich in diese Auseinandersetzung im Frühjahr 1895 zugunsten von Adolph Wagner eingeschaltet. 6 Es lag daher ganz auf der politischen Linie des Saarbrücker Handwerkervereins, Max Weber um einen Vortrag zu bitten. Der Verein wollte ein eindeutiges Zeichen seiner andauernden Opposition gegen den absoluten Machtanspruch von Stumms setzen. Zu welchem Zeitpunkt sich der Handwerkerverein an Max Weber wandte, ist nicht bekannt. Am 9. Dezember 1896 stand der Termin für den Vortrag jedoch fest. 7 In seinen Erinnerungen an Max Weber berichtet Paul Honigsheim, Weber habe über seinen Aufenthalt in Saarbrücken erzählt: „Ich fuhr hin, aß in einem Restaurant zu Mittag, fühlte mich dort aber sofort von andern anwesenden Gästen - offenbar Ingenieuren und höheren Büroangestellten - umlauert; sie glaubten, ich gehörte zu Stumms Spitzelsystem." 8 Der Vortrag, den Weberam 9. Januar 1897 unter dem Titel „Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die BevölkerungsBewegung" 9 hielt, beeindruckte den Zuhörerkreis offensichtlich sehr stark. Jedenfalls erhielt Weber wenig später 10 aus Saarbrücken das Angebot, bei den Reichstagswahlen 1898 zu kandidieren. Das Angebot kam von einer Gruppe Saarbrücker nationalliberaler Sezessionisten, die im Gegensatz zu den übrigen Nationalliberalen nicht mehr - so wie bislang üblich - bereit waren, einen von Stumm genehmen Kandidaten aufzustellen. 11 Der Handwerkerverein und diese Gruppe standen offensichtlich in engem Kontakt miteinander; 12 sie traten gemeinsam an Max Weber mit dem Vorschlag heran, er möge im Wahlkreis Saarbrücken für den Reichstag kandidieren. 13
6 Siehe die beiden Artikel Webers „Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm" und „Eingesandt" oben, S. 517-519 und S. 522f. Zum Hintergrund der Auseinandersetzung von Stumm/Wagner siehe die Editorischen Berichte zu diesen beiden Artikeln. 7 Brief Max Webers an Friedrich Naumann vom 9. Dez. 1896, ZStA Potsdam, NI. Friedrich Naumann, Nr. 106: „Anfang Januar spreche ich voraussichtlich in Saarbrücken im Handwerker-Verein." 8 Honigsheim, Paul, Max Weber in Heidelberg, in: Max Weber zum Gedächtnis. Materialien und Dokumente zur Bewertung von Werk und Persönlichkeit, hg. von René König und Johannes Winckelmann. - Köln: Westdeutscher Verlag 1963 [2. Auflage 1985], S. 164. 9 In der Presse war der Vortrag zuvor unter diesem Titel angekündigt worden; demgemäß geht der Titel mit Sicherheit auf Max Weber selbst zurück. Malstatt-Burbacher Zeitung, Nr. 7 vom 9. Jan. 1897, S.2, und Neue Saarbrücker Zeitung, Nr. 8 vom 9. Jan. 1897, S.3. 10 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 236. 11 Beilot, Hundert Jahre, S. 197. 12 Der Vorsitzende des Handwerkervereins, Theodor Meyer, wurde später von der nationalliberalen Minderheitsgruppe als Reichstagskandidat aufgestellt. Beilot, ebd., S. 197 f. ; Saarbrücker Zeitung, Nr. 130 vom 14. Mai 1897, S.2. 13 Beilot, ebd., S. 197.
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Die bürgerliche Entwickelung
Deutschlands
Weber, der im Begriff war, den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft in Heidelberg zu übernehmen, lehnte dies jedoch ab. 14 Auch wenn Max Weber nicht von Freiburg nach Heidelberg übergewechselt wäre, hätte er das Angebot vermutlich nicht angenommen, da ihm dieses nicht eben besonders aussichtsreich erschien. Im Februar 1898 schrieb er bezüglich etwaiger Pläne seines Vetters Otto Baumgarten, seinerseits eine Reichstagskandidatur anzustreben: „Alles Entscheidende und Große schlummert vorerst im Hintergrund und ist verhüllt durch einen Wust von Kleinigkeiten. Ich dächte jetzt auch nicht daran, mich politisch zu beteiligen." 1 5 Der Entschluß der Gruppe Saarbrücker Nationalliberaler, einen Gegenkandidaten zu dem von Stumm genehmen und gefügigen offiziellen Kandidaten der Nationalliberalen aufzustellen, ist insofern folgenreich gewesen, als von Stumm erst durch diese Gegenkandidatur dazu bewogen wurde, erneut im Nachbarwahlkreis Saarburg-Merzig-Saarlouis zu kandidieren; er hatte bereits erwogen, seinen Platz für einen Kandidaten des Bundes der Landwirte freizumachen. 16 Dem im folgenden nach dem Bericht der St. Johanner Zeitung abgedruckten Vortrag Webers im Saarbrücker Handwerkerverein folgt die redaktionelle Bemerkung: 17 „Der von tiefem wissenschaftlichen Geiste und warmer Vaterlandsliebe getragene Vortrag, den wir hier - so schreibt unser Korrespondent - nur in den Hauptgedanken wiedergeben können, wurde mit ungeteilter Aufmerksamkeit entgegengenommen und fand lebhaften Beifall." Dem Nachdruck in der Saarbrücker Zeitung folgt dieselbe Bemerkung ohne den Zusatz: „ - so schreibt unser Korrespondent - " , 18
14 Weber, Marianne, Lebensbild1, S.236f. Laut Paul Honigsheim begründete Weber seine Ablehnung mit den Worten: „Ich war eben gerade hierher nach Heidelberg berufen worden und konnte es den Leuten wirklich nicht antun, sofort schon wieder abwesend zu sein." Honigsheim, Max Weberin Heidelberg, S. 163. 15 Brief an Emmy Baumgarten vom 18. Febr. 1898, Bestand Eduard Baumgarten, Privatbesitz. 16 Hellwig, Fritz, Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg 1836-1901.-Heidelberg, Saarbrücken: Westmark-Verlag 1936, S.554. 17 St. Johanner Zeitung, Nr. 10 vom 13. Jan. 1897, S. 2. 18 Saarbrücker Zeitung, Nr. 12 vom 13. Jan. 1897, S. 2.
Editorischer
Bericht
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Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Bericht, der unter der Überschrift „Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die Bevölkerungs-Bewegung" mit dem Untertitel „Vortrag von Herrn Universitäts-Professor Dr. Max Weber aus Freiburg, gehalten im Handwerker-Verein St. Johann-Saarbrücken am 9. Januar 1897" in der St. Johanner Zeitung, Nr. 10 vom 13. Januar 1897, S.2, erschienen ist (A(1)). Die Saarbrücker Zeitung, Nr. 12 vom 13.Januar 1897, S.2, A(2), veröffentlichte diesen Bericht ebenfalls. Dabei modernisierte sie die Schreibweise (z. B. Heimat statt Heimath; exportiert statt exportirt; Verhältnis statt Verhältniß) und nahm einige Hervorhebungen vor. Ansonsten ist dieser Bericht identisch mit dem der St. Johanner Zeitung. Im folgenden wird der Bericht der St. Johanner Zeitung dem Druck zugrundgelegt. Textkritisch annotiert werden die Hervorhebungen und Varianten des Berichts der Saarbrücker Zeitung mit Ausnahme der durch die Modernisierung der Orthographie bedingten Abweichungen.
Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die Bevölkerungs-Bewegung [Bericht der St. Johanner Zeitung]
Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und die Bewegungen und Veränderungen in den Bevölkerungsverhältnissen hängen, wie natürlich, eng zusammen mit der wirthschaftlichen Entwickelung. Im Mittelalter zerfällt das ganze Land in einzelne von einander ziemlich unabhängige wirthschaftliche Gebiete. Die Städte, in denen das Gewerbe seinen Sitz hat, beziehen ihren Bedarf an Lebensmitteln aus dem umliegenden Lande. Der Landbewohner umgekehrt deckt seinen Bedarf an Erzeugnissen des Gewerbefleißes in der ihm benachbarten Stadt. So ergänzen sich diese beiden Gebiete. Das Handwerk hat einen festen Kundenkreis und der Landmann einen sichern Markt. Der Handel mit fernen Gegenden tritt vorläufig noch zurück. Die einzelne Stadt mit ihrer ländlichen Umgebung bildet gleichsam eine wirthschaftliche Zelle. Allmählich verschieben sich diese Verhältnisse. Der Städter besonders lernt immer mehr Bedarfsgegenstände kennen und schätzen, die seine Heimath nicht hervorbringt. Der Import solcher Waren bedingt natürlich den Export der eigenen Erzeugnisse. So entwickelt sich der Exporthandel und mit ihm der Kaufmannsstand. Die Zunahme der Bevölkerung begünstigt diese Entwickelung. Nun tritt der Handwerker, der bisher nur direkt für den Kunden gearbeitet hatte, in enge Beziehung zum Kaufmann. Er kann den Bedarf eines auswärtigen Marktes nicht übersehen und ist auf einen festen Kundenkreis angewiesen. Also exportirt der Handwerker nicht selbstständig, sondern er arbeitet im Auftrage des exportirenden Kaufmanns. Dadurch entsteht für viele Zweige des Handwerks ein Abhängigkeitsverhältniß, das sich stellenweise bis zu dem Grade ausbildete, den wir heutzutage in der Hausindustrie beobachten. Während nun 3 im Westen, wo die städtische Kultur älter ist, der Kaufmannsstand den Hauptnutzen aus dieser Entwicklung zieht, ist es im Osten mit seiner geringen Städtebildung der Stand der Feudal-
a A(1): um A(2): man
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Deutschlands
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herren. Auch sie wollen an der verfeinerten Lebenshaltung, die sie beim Kaufmann beobachten, theilnehmen. So lange der Feudalherr auf die Abgaben und Frohndienste seiner Bauern angewiesen ist, kann er zwar für die reichlichste0 Deckung seines Bedarfs sorgen, c aber er bleibt auf das angewiesen, was seine Umgebung hervorbringt 0 . Um den Luxusd zu genießen, der dem Kaufmann zu Gebote steht, muß er Geld e haben, und um sich dies zu verschaffen, beginnt er Getreide zu exportiren. Dadurch wird nun auch das bisherige Verhältniß zwischen Bauern und Feudalherrn stark beeinflußt. Der Grundherr sucht seinen Landbesitz auszudehnen, damit er mehr exportiren kann. Er verdrängt den Bauern von der Scholle. Das Zeitalter des „Bauernlegens" beginnt. An die Stelle des Bauern tritt allmählich der besitzlose Landarbeiter. Im Westen jedoch hält sich der kleine bäuerliche Besitzer, u.A. weil er seine Produkte in den zahlreichen Städten absetzen kann. Wir können die Entwickelung hier im Einzelnen nicht wiedergeben. Das durch die Verhältnisse des Landes und die geschichtliche Entwickelung hervorgerufene Ergebniß ist eine Zweitheilung Deutschlands in wirthschaftlicher Hinsicht. Wir haben ein industrielles Gebiet, das im Wesentlichen dem Westen angehört, und ein agrarisches im Osten. Unter diesen verschiedenen wirthschaftlichen Verhältnissen ist auch die Seßhaftigkeit und Dichtigkeit der Bevölkerung verschieden. Man wirft zuweilen der Großindustrie vor, daß sie durch Einführung von Maschinen Arbeiter überflüssig mache. Für die Industrie als Ganzes trifft das Gegentheil zu[,j wie der Augenschein lehrt. Sie gewährt gerade einer sehr dichten Bevölkerung den Lebensunterhalt. Der Satz, daß die Maschine den Arbeiter brotlos macht, gilt nur für den Großbetrieb in der 'Landwirtschaft. Der Großgrundbesitz entvölkert die G e g e n d A u c h ist entgegen der gewöhnlichen Annahme in den Industriestädten des Westens die Bevölkerung seßhafter als in den Städten des Ostens, wie die Volkszählungen, bei denen jeder Geburtsort angegeben wird, beweisen. Am allerwenigsten seßhaft ist der landwirthschaftliche Saisonarbeiter des Ostens. Auch die Auswanderung ist stärker aus den dünn bevölkerten Gegenden als aus den dichtbevölkerten.
b In A(2) hervorgehoben. e In A(2) hervorgehoben.
c In A(2) hervorgehoben. f In A(2) hervorgehoben.
d In A(2) hervorgehoben,
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Die bürgerliche Entwickelung
Deutschlands
Die Frage, ob die Zukunft Deutschlands mehr auf der Industrie als auf der Landwirthschaft beruht, muß zu Gunsten der Industrie beantwortet werden. Die deutsche Landwirthschaft ist nicht mehr im Stande, uns ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Der Getreideexport aus dem Osten hat schon deßhalb keine Bedeutung mehr, weil das deutsche Getreide mit dem ausländischen nicht mehr konkurriren kann. Daran ändern auch die Schutzzölle nichts, für die Redner übrigens eintritt. Unsere Existenz beruht hauptsächlich darauf, daß unsere Industrie ihre Absatzgebiete erhalten und neue erschlossen werden; und das ist zum großen Theil eine Machtfrage, für welche auch unsere Arbeiterbevölkerung immer mehr Verständniß gewinnen muß. Dieser Gedanke bricht sich erfreulicher Weise mehr und mehr Bahn. Doch findet man daneben leider oft noch eine thörichte Bekämpfung des Großkapitals, das doch nur allein im Stande ist, in erfolgreicher Weise den Wettbewerb auf dem Weltmarkt aufzunehmen und damit auch zahlreichen Arbeiterschaaren Brod zu schaffen. Die breite Schicht der Arbeitermassen muß in die bürgerliche Entwickelung Deutschlands eingefügt werden. Die deutschen Arbeiter müssen einsehen und würdigen lernen, daß die deutsche Industrie, die Grundlage ihrer eigenen Existenz, in ihrer Entwickelung gefährdet ist, wenn wir nicht nötigenfalls auch durch eine starke Kriegsmacht für unsere wirthschaftlichen Interessen überall mit dem nöthigen Nachdruck eintreten können. Das wahrhaft Gefährliche an der Sozialdemokratie sind nicht ihre revolutionären Theorien - es müßten arge Fehler gemacht werden, wenn sie nach dieser Richtung hin gefährlich werden sollte - , sondern der kleinliche Geist, der Allem, was Deutschlands Macht und Größe betrifft, sich entgegenstellt. Andererseits muß aber auch das Verhältniß zwischen Unternehmer und Arbeiter auf der Anerkennung der Rechtsgleichheit beruhen. Für das patriarchalische System des Mittelalters ist die Zeit längst vorbei. Wenn man zu dessen Gunsten anführt, daß die östlichen 9 Landarbeiter nicht streiken können, weil sie kein Koalitionsrecht haben, 1 so übersieht man, daß sie zwar nicht der Form, aber g A(1),A(2): örtlichen 1 Die restriktiven landesrechtlichen Bestimmungen, wie sie in Preußen seit 1854 bezüglich des Koalitionsverbots für Landarbeiter bestanden, wurden auch durch die Reichsgewerbeordnung von 1871 nicht aufgehoben.
Die bürgerliche
Entwickelung
Deutschlands
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der Sache nach, einen ununterbrochenen Massenstreik führen, nämlich durch Abwanderung in die Städte und durch Auswanderung. Dieser Vorgang ist die schärfste Kritik gegen das patriarchalische System. Einzelne besonders dazu veranlagte und begabte Persönlichkeiten können dieses System wohl noch aufrecht erhalten, aber solche Gaben vererben sich nicht. Man wirft uns oft vor, wir nähmen es in unserm Professorensozialismus2 den Unternehmern übel, daß sie zu sehr Geschäftsleute seien. Im Gegentheil, wir wünschen gerade, daß sie das Arbeitsverhältniß geschäftlich auffassen. Jeder Geschäftsmann ist berechtigt, für seine Waaren den Preis zu verlangen, der ihm gut dünkt und den er glaubt erhalten zu können. Die Waare des Arbeiters ist seine Arbeitsleistung. Auch er hat das Recht, seine Waare so theuer wie möglich abzusetzen. Bei einem Unternehmer sagt man, wenn seine Forderungen zu hoch scheinen, das ist „eigentlich unrecht", beim Arbeiter geräth man in Entrüstung und nennt es frivol, wenn er die Arbeit niederlegt, weil ihm die Bedingungen nicht passen. Da heißt es, wie jetzt beim Hamburger Streik: „Mit solchen Leuten Verhandeln wir nicht'7."3 Man fühlt sich hier als Herr, ein Standpunkt, den Redner in diesem Verhältniß entschieden verurtheilt. Dabei tritt er aber konsequenter Weise auch für die Berechtigung der Unternehmerverbände ein. Das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat 4 z.B. kann ja unter Umständen einmal die Macht
h In A(2) hervorgehoben.
2 Anspielung auf die von konservativer Seite, vor allem von dem saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg erhobenen Vorwürfe gegen die im Verein für Socialpolitik und Evangelisch-sozialen Kongreß aktiven Gelehrten („Universitätssozialismus"). 3 Der Arbeitgeberverband Hamburg-Altona lehnte während des Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1896/97 kategorisch jegliche Verhandlungen mit den Streikenden vor Wiederaufnahme der Arbeit ab. Zu Ausbruch, Verlauf und Ende des Streiks siehe: Grüttner, Michael, Mobilität und Konfliktverhalten. Der Hamburger Hafenarbeiterstreik 1896/97, in: Tenfelde, Klaus und Volkmann, Heinrich (Hg.), Streik. Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland während der Industrialisierung. - München: C.H. Beck 1981, S. 1 4 4 - 1 4 9 . 4 Die Ruhrzechen hatten sich 1893 zur Regulierung des Kohleabsatzes auf dem Binnenmarkt zum Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat zusammengeschlossen, das 1900 fast 90% der Kohleproduktion im Ruhrbecken kontrollierte und von dem die Energieversorgung der Industrie im gesamten Deutschen Reich weitgehend abhing. Blaich, Fritz, Kartell- und Monopolpolitik im kaiserlichen Deutschland. - Düsseldorf: Droste 1973, S. 98.
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Die bürgerliche Entwickelung
Deutschlands
in den Händen haben, ganze Industriezweige lahm zu legen. 5 Aber wegen der Möglichkeit des Mißbrauchs darf man nicht die Sache selbst verurtheilen.
5 Eine ähnliche Situation trat tatsächlich 1900-1902 ein. Trotz eines konjunkturellen Rückschlages hielt das Kohlensyndikat nämlich die Preise im Inland unverändert hoch, was erhebliche Nachteile für Teile der weiterverarbeitenden Industrie, des Handels und des Handwerks zur Folge hatte. Blaich, Fritz, Staat und Verbände in Deutschland zwischen 1871 und 1945.-Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1979, S. 41 f.
Das Polenthum in den deutschen Ostmarken [Vortrag am 13. März 1897 in Freiburg]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Bereits auf dem ersten Alldeutschen Verbandstag im September 1894 in Berlin hatte Max Weber zur Polenfrage in den ostelbischen Provinzen Preußens Stellung genommen und nachdrücklich die Sperrung der Grenzen für polnische Wanderarbeiter sowie eine verstärkte staatliche Kolonisationstätigkeit zwecks Ansiedlung deutscher Bauern gefordert. 1 Er trat der im Dezember 1896 gegründeten 2 Freiburger Ortsgruppe des Alldeutschen Verbands bei,3 in der Erwartung, daß er hier Unterstützung für seine Forderungen finden würde. Am 13. März 1897 sprach er hier über die Polenfrage in den östlichen Provinzen. Der Vorsitzende der Ortsgruppe, Gottfried Baist, war Professor der romanischen Philologie und gehörte dem weiteren Freundeskreis Webers an.4 Schriftführer der Ortsgruppe war der Professor für Anatomie Franz Keibel, 5 Schwager des mit Weber eng befreundeten Philosophen Heinrich Rickert. Der Vortrag wurde in der Freiburger Zeitung mit dem Titel „Über das Polenthum in den deutschen Ostmarken" angekündigt. 6 Weber unterstrich nochmals seine Forderungen nach Zurückdrängung der polnischen Wanderarbeiter und nach forcierter innerer Kolonisation. Späterhin ist Weber aus dem Alldeutschen Verband wieder ausgetreten, mit der Begründung, daß dieser sich der Polenfrage nicht in seinem Sinne angenommen habe. Bei dieser Gelegenheit erklärte er, er habe seine Forderungen in mehreren Vorträgen bis zum „Steckenpferdreiten" vorge-
1 Abgedruckt in diesem Band, S. 717-719. 2 Alldeutsche Blätter. Mitteilungen des Alldeutschen Verbandes, Nr. 8 vom 21. Febr. 1897, S. 44. 3 Der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, läßt sich auch nicht aus den im ZStA Potsdam aufbewahrten Akten des Alldeutschen Verbandes ermitteln. 4 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 216f. Baist hatte gerade eben (Februar 1897) den Vorsitz der Ortsgruppe übernommen. Alldeutsche Blätter, Nr. 8 vom 21. Febr. 1897, S. 44. 5 Alldeutsche Blätter, Nr. 8 vom 21. Febr. 1897, S. 44. 6 Freiburger Zeitung, Nr. 59 vom 13. März 1897, S. 2.
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Das Polenthum in den deutschen Ostmarken
tragen, ohne damit durchgedrungen zu sein, da er als „Feind der Junker" gelte. 7 Die Freiburger Zeitung stellte ihrem Bericht über Max Webers Ausführungen die folgende Bemerkung voran: 8 „Auf Veranlassung der rührigen Ortsgruppe des Alldeutschen Verbandes hielt der bekannte Nationalökonom Prof. Dr. Max Weber am Samstag Abend einen Vortrag über das Polenthum in den deutschen Ostmarken." Am Schluß des Berichts vermerkte die Zeitung „lebhaften Beifall"; im Anschluß an den Vortrag sprach der Vereinsvorsitzende Gottfried Baist Max Weber seinen Dank aus. Wir verfügen weiterhin über einen Bericht der Breisgauer Zeitung 9 über den Vortrag, in dem am Ende auf die abschließende Diskussion Bezug genommen wird, „in welcher Herr Prof. Keibel die interessante Mittheilung" gemacht habe, „daß aus dem alldeutschen Verband heraus sich eine Gesellschaft gebildet habe, die in den Ostmarken ein Waisenhaus gründete und tüchtige Kräfte für die Hebung des dortigen Handwerks heranziehen will."
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Über den Vortrag liegen uns folgende Presseberichte vor: 1. „Das Polenthum in den deutschen Ostmarken", Freiburger Zeitung, Nr.61 vom 16. März 1897, S.2; 2. Breisgauer Zeitung, Nr. 63 vom 16. März 1897, S. 2. Webers Ausführungen - A(1) und A(2) - werden nach diesen Berichten wiedergegeben.
7 Brief an Ernst Hasse vom 22. April 1899, Abschrift Marianne Weber (masch.), ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30/4. 8 Freiburger Zeitung, Nr. 61 vom 16. März 1897, S. 2. 9 Breisgauer Zeitung, Nr. 63 vom 16. März 1897, S. 2.
Das Polenthum in den deutschen Ostmarken [Bericht der Freiburger Zeitung]
Die Ostmarken, so führte der Redner in seiner bekannten, fesselnden und lichtvollen Art aus, seien überwiegend friedlich germanisirt worden. Verweisend auf allgemeine Unterschiede des Ostens und Westens, schilderte er den Osten als agrarisches, den Westen als industrielles Exportgebiet und erinnerte dabei an dieThatsache, daß im Westen die Stadt, im Osten das Land der typische Sitz des Millionärs sei und, schon nach dem Gefühl des Volkes, auch der Sitz höherer Kultur. Wer etwa Bomst, Meseritz oder Krotoschin sähe, werde erst dann wieder die Eindrücke eines Kulturlandes erhalten, wenn er auf das Land gehe. In Folge der Naturalwirthschaft habe eben nur die dünne Schicht der Bauern die Stadt in Nahrung gesetzt; eine Hemmung des Aufstiegs habe sich in Stadt und Land herausgebildet. Falsch sei die Annahme von der Seßhaftigkeit der dortigen Bevölkerung: kein seßhafterer Theil der Einwohnerschaft als der am Rhein, keine beweglichere als die der großen Güter des Ostens! Diese dünnst besiedelten Gegenden entvölkern sich am meisten - in Folge der agrarischen Bewirthschaftung. Sähe man sich nun die dortige polnische Bevölkerung an, so zeige sich, daß die Polen stärker vertreten seien in den unselbstständigen Schichten; wo die Löhne höher sind, nehmen die Polen ab. Der beste Boden sei in deutschen Händen. Im kleineren Betriebe überwiege der Pole. Erst ein bestimmtes Lohn-Niveau trägt eine deutsche Existenz. Angesichts des Unfugs, der von Dilettanten und Journalisten mit sogen. Ausleseprodukten getrieben werde, müsse man feststellen, daß niedrige Löhne niedrige Rassen heranziehen. Des Weiteren sprach der Redner über den Einfluß der ökonomischen Lage auf die Zahl der Ehen und den Kinderreichthum. Der Überschuß an Kindern ist auf polnischer Seite. Trotzdem sind die Polen früher stets zurückgedrängt worden; das Lebens- und Lohn-Niveau stieg eben und zog Deutsche an. Dann trat der Umschwung zu unserem Nachtheil ein. Zu Anfang der siebziger Jahre versiegte der englische Markt, der Osten hatte weniger Abnehmer für seine Produkte. Die östliche Agrarverfassung aber war dem neuen Stande der Dinge nicht mehr angepaßt. Preise und Löhne sanken. Nun war der an der Reihe, der den größten
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Das Polenthum in den deutschen
Ostmarken
Theil der Ernte selber brauchte: die unterste Schicht, die Polen. In die großen Güter drang die Ge/dlöhnung, und die Arbeiter hatten nun nicht mehr ein Interesse an theuern, sondern an billigen Preisen der Produkte. Dazu kam, daß sich der Pole der vorzugsweisen Kartoffelnahrung am meisten anpaßte; auch der Zuckerrübenbau begann seinen Siegeszug und bewirkte große soziale Umwälzung durch das Emporkommen der Saison-Arbeitskräfte. Der Lebenshaltung dieser russischen Wanderarbeiter sich anzuschließen, war dem Deutschen nicht möglich. An diesem Beispiel zeigte Herr Prof. Weber, daß das Streben der zurückgedrängten deutschen Arbeiter nach höheren Löhnen nicht einer Verhetzung entsprungen sein muß, sondern die Frucht sehr ernster Verhältnisse sein kann. Eine sentimentale, mitleidige Berücksichtigung der fremden Elemente sei nicht am Platze und wirke sozial destruktiv. Die preußische Regierung thue auch nicht recht daran, einen polnischen Bischof zu berufen, 1 der außer seiner fremden Nationalität gar nichts besonderes mit sich bringe. . . . a Was soll nun geschehen, da der Deutsche, unfähig, sich der Lebenshaltung der Polen anzuschließen, zurückweicht? Prinzipiell ist das Problem unlösbar, denn der Getreide-Export ist ruinirt und mit Zöllen ist dauernd nicht zu helfen; nur als Übergangsmittel - nach dem Grundsatze: Alle für Einen, Einer für Alle konnten sie in Betracht kommen. Eine Lösung der Aufgabe wäre möglich, könnte man in den bedrohten Gegenden eine Industrie heranzüchten; doch ihr schnürt die russische Zollpolitik das Hinterland ab; russische Industrieplätze ersten Ranges entwickeln sich dort. 2 Eine Förderung der bürgerlichen Entwickelung müsse verlangt werden. Die gegenwärtige Verfassung hindere sie aber. Der Stadt müsse durch staatlichen Boden-Ankauf und durch innere Kolonisation Licht und Luft geschaffen werden. Zur inneren Kolonisation
a Auslassungszeichen in A(1).
1 Gemeint ist Florian Oksza von Stablewski, der Mitglied der Polnischen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus war. Er wurde auf Vorschlag der preußischen Regierung, die unter Leo von Caprivi neue Zeichen in der Polenpolitik setzen wollte, 1891 vom Heiligen Stuhl zum Erzbischof von Gnesen und Posen ernannt. Er hatte das Amt bis 1906 inne. 2 Gemeint ist vor allem das russisch-polnische Industriegebiet in und um Lodz.
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gehöre freilich nicht 1 Million,3 sondern 1 Milliarde, und wer diese Summe so ungeheuerlich finde, solle sich doch erinnern, daß in Gestalt des Antrags Kanitz eine Forderung von jährlich etwa Vi Milliarde gestellt wurde4 zu Zwecken der Konservirung, während durch 5 Anwendung einer Milliarde eine Änderung des ungesunden Zustandes ermöglicht werde. - Der Redner beleuchtete schließlich die Gefahren, die sich im Verlaufe des bisherigen Kolonisationswerkes u. A. durch Aufhebung der staatlichen Kontrolle herausgebildet haben und durch die Möglichkeit, daß durch Verfügungen der Gutsbe10 sitzer auf der einen Stelle die Polen eindringen, während auf der anderen Land für Deutsche gekauft werde. 5 Die Verhältnisse seien so, daß selbst ein Mongole, käme er zur deutschen Herrschaft, unbeschadet aller sonstigen Anordnungen, im Osten deutsche Politik treiben müßte.
3 Die Ansiedlungskommission verfügte zum Aufkauf polnischer Güter und zur Ansiedlung deutscher Bauern in den preußischen Provinzen Westpreußen und Posen über einen Fonds von 100 Millionen Mark, der ihr 1886 von der preußischen Staatsregierung zur Verfügung gestellt worden war. 1898 wurden ihr erneut 100 Millionen Mark zur Fortsetzung ihrer Kolonisationstätigkeit bewilligt. Baier, Roland, Der deutsche Osten als soziale Frage.-Köln: Böhlau 1980, S.59f. 4 Der erstmalig am 7. April 1894 eingebrachte Antrag des Reichstagsabgeordneten Kanitz hatte die Errichtung eines Reichsmonopols für Getreidehandel zum Ziel, durch das die Getreidepreise künstlich hochgehalten werden sollten. Als der Antrag im März 1895 im Reichstag zum zweiten Mal eingebracht wurde, argumentierte der freisinnige Abgeordnete Theodor Barth, daß die Einführung des Getreidemonopols der Einführung einer Kopfsteuer gleichkäme, die die Bevölkerung mit 400 Millionen Mark jährlich belasten würde. Sten. Ber. Band 140, S. 1802. 5 Weber spielt hier offensichtlich auf das Nebeneinander von Ansiedlungskommission und Generalkommission in Westpreußen und Posen an. Im Gegensatz zur Ansiedlungskommission, die an einen nationalpolitischen Auftrag gebunden war, konnten die mit der Durchführung der Rentengutsgesetzgebung von 1890 und 1891 beauftragten Generalkommissionen Privatleute bei dem Verkauf und der Parzellierung von Gütern nur beraten, ohne auf die Vergabe von Bauernstellen unter nationalpolitischem Gesichtspunkt Einfluß zu nehmen; es konnten also auch Polen auf den parzellierten Gütern angesiedelt werden.
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Das Polenthum in den deutschen
Ostmarken
[Bericht der Breisgauer Zeitung]
Im Harmoniesaale sprach am Samstag Abend Herr Prof. Dr. M. Weber auf Veranlassung des alldeutschen Verbands über das Polenthum in den deutschen Ostmarken.
Der Redner eröffnete sein Thema damit, daß er auf den historischen Verlauf der Germanisirung Polens näher einging, also schilderte, wie in den Städten die bessere deutsche Handelstechnik, auf dem Lande die vorgeschrittenere Art des deutschen Ackerbaues allmählich die polnischen Elemente verdrängte. Heute bilden die Letzteren hauptsächlich die unselbständigen Bevölkerungsschichten, sind aber dort spärlich vertreten, wo Unternehmungen der modernen Industrie Platz greifen. So scharf, sagt der Redner, ist die Scheidung zwischen Polen und Deutschen, daß man in der arbeitenden Klasse von einer bestimmten Lohnhöhe aufwärts die Letzteren, abwärts aber die Ersteren antrifft. In interessanter Weise schildert H[er]r Prof. Weber die Bestimmung der Ostmarken im Gegensatz zum Westen Deutschlands. Jene sind agrarisches, dieser ist industrielles Exportgebiet. Im Osten herrscht darum der Großgrundbesitz vor, im entgegengesetzten Theile Deutschlands findet man ihn nur schwach vertreten. Und demgemäß verschieben sich auch die Gegensätze zwischen Stadt und Land. Der Redner kommt auf die wirthschaftliche Lage der Ostmarken zu sprechen. Bis in die 60er Jahre sei diese eine günstige gewesen. Aber die „goldenen Tage" hätten sich in's Gegentheil verwandelt, sobald die überseeische Konkurrenz das ostländische Hauptprodukt, nämlich das Getreide verdrängt habe. Die allmählich bevorzugte Anwendung einer Ablohnung in Geld, statt wie bislange durch Realien, habe zu allem noch eine Verschiebung der Ernährungsverhältnisse mit sich geführt. Die Kaufverhältnisse lägen so darnieder, daß in den Städten sich die deutschen Kaufleute nicht mehr zu behaupten vermöchten. Auf dem Lande bemerke man die frappirende Erscheinung, daß die deutsche Bevölkerung sich gerade vom besten Boden mehr und mehr zurückziehe. Der Pole mit seiner genügsameren Lebensführung wisse sich den Verhältnissen weit besser anzupassen. Eine glatte Lösung des schwierigen Problems hält der Redner geradezu für unmöglich. Der Osten sei auf den Getreideexport angewiesen, den man aber gegenwärtig gänzlich eingeschnürt sehe. Ein anderer Ausweg, „Großzüchtung" der Industrie, sei dadurch versperrt, weil direkt hinter der russischen Grenze das fremde Industriegebiet beginne, mit dem man
Das Polenthum in den deutschen
Ostmarken
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unmöglich in Konkurrenz zu treten vermöchte. Eine Nothstandspolitik sei noch das Einzige, womit man die Ostmarken über Wasser halte. Als besondere Heilmittel gegen den kranken Zustand empfiehlt der Redner: Förderung der bürgerlichen Entwicklung, staat5 liehen 3 Bodenaufkauf und eine Kolonisation in größerem Maaßstab, als bisher betrieben. Um letztere in heilbringender Weise durchzuführen, genügten selbst Millionen nicht. Vor allem aber befürwortet Herr Prof. Weber die Verfolgung einer deutschen Politik, nimmt also eine Stellung gegen die gleichmäßige Behandlung von Polen und 10 Deutschen ein.
a A(2): staatlicher
Agrarpolitik [Vortragsreihe vom 4. bis 8. Oktober 1897 in Karlsruhe]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Nach dem Vorbild des Evangelisch-sozialen Kongresses und des Vereins für Socialpolitik veranstalteten die Evangelisch-soziale Vereinigung für Baden und die Evangelisch-soziale Konferenz für Württemberg vom 4. bis 8. Oktober 1897 in Karlsruhe einen sozialwissenschaftlichen Kursus für die sozial interessierte Öffentlichkeit. Beide Vereinigungen waren auf Anregung von Mitgliedern des Evangelisch-sozialen Kongresses gegründet worden. 1 Die Konstituierung der Vereinigung für Baden war am 7. Juni 1894 erfolgt, 2 die der Konferenz für Württemberg im Winter 1894/95. 3 Max Weber, der sich bereits in Freiburg für die Organisation von Vorträgen im Rahmen der Evangelisch-sozialen Bewegung eingesetzt hatte, 4 war Mitglied des Ausschusses der Vereinigung für Baden; in dieser Funktion unterzeichnete er im September 1897 einen Aufruf zum Besuch des sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe. 5 Auch hatte er sich zuvor schon an der Planung des Kursus beteiligt, seine Mitarbeit zugesagt und u.a. versucht, seinen Nachfolger in Freiburg, den Nationalökonomen Carl Johannes Fuchs, für eine Vortragsreihe über „Mittelstandspolitik" bzw. „Groß- und Kleinbetrieb" oder „Handelspolitik" zu gewinnen. 6 Obwohl er ihm das Interesse, das den Kursen „namentlich in den besseren und Beamtenkrei-
1 Herz, Johannes (Hg.), Evangelisches Ringen um soziale Gemeinschaft. Fünfzig Jahre Evangelisch-Sozialer Kongreß, 1890-1940. - Leipzig: Hinrichs und Klotz 1940, S . 5 3 57. 2 „Eine evangelisch-soziale Vereinigung in Baden", in: Mitteilungen des Evangelischsozialen Kongresses, Nr. 3 von März 1895, S. 5. 3 Herz, Evangelisches Ringen, S. 56; Chronik der Christlichen Welt, Nr. 21 vom 30. Mai 1895, Sp. 191. 4 Siehe dazu den Bericht „In der Organisation der evangelisch-sozialen Bewegung", in: Freiburger Zeitung, Nr. 48 vom 27. Febr. 1896, 2. Bl. 5 In diesem Band abgedruckt, S.902f. Siehe auch den dazugehörigen Editorischen Bericht. Wann genau Weber Mitglied der Vereinigung wurde, ist nicht bekannt. 6 Brief an Carl Johannes Fuchs vom 19. Juni 1897, UB Tübingen, Nl. Carl Johannes Fuchs, Md 875:391.
Editorischer
Bericht
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s e n " e n t g e g e n g e b r a c h t w e r d e , als „ein sehr r e g e s " schilderte, 7 gelang es ihm nicht, Fuchs zu g e w i n n e n , so daß schließlich A n f a n g O k t o b e r n e b e n Max W e b e r die Nationalökonomen Heinrich Herkner, Gerhart v o n S c h u l z e Gaevernitz, H e r m a n n Losch, Walter Troeltsch sowie der Frankfurter Stadtrat Karl Flesch als Referenten auftraten. H e r k n e r referierte über „ U n t e r n e h m e r - und A r b e i t e r v e r b ä n d e " , S c h u l z e - G a e v e r n i t z über „ H a n d e l s p o l i t i k " , Losch über das „ B e v ö l k e r u n g s p r o b l e m " , Troeltsch über die „ H a n d w e r k e r frage" und Flesch über „ K o m m u n a l p o l i t i k " . 8 W e b e r referierte über „Agrarp o l i t i k " 9 : am 4. O k t o b e r zweistündig v o n fünf bis sieben Uhr abends, an allen weiteren Tagen jeweils v o n s e c h s bis sieben Uhr. A m 7. O k t o b e r schloß sich n o c h eine Diskussion von acht bis z e h n Uhr abends an. 1 0 W e b e r fuhr j e d e n Tag nachmittags u m drei Uhr v o n Heidelberg nach Karlsruhe, 1 1 w o er an den Nachmittagskursen teilnahm und dann seine Vorträge hielt. Im A n s c h l u ß daran kehrte e r - mit A u s n a h m e des D i s k u s s i o n s a b e n d s - j e w e i l s sofort nach Heidelberg z u r ü c k . 1 2 Die Kurse waren gut besucht. Etwa 2 8 0 T e i l n e h m e r f a n d e n sich ein; die stärkste g e s c h l o s s e n e G r u p p e bildeten Pastoren, gefolgt v o n Professoren, Lehrern und Studenten sowie d e n A n g e h ö r i g e n v e r s c h i e d e n e r freier Berufe. Die B e r u f s g r u p p e n Handel und G e w e r b e waren h i n g e g e n s c h w a c h vertreten. 1 3 W e b e r lehnte seine Vortragsreihe sehr stark an die v o n ihm im Februar und März 1896 im Freien D e u t s c h e n Hochstift gehaltenen Vorträge über „Agrarpolitik" an. 1 4 Manuskripte sind nicht überliefert. D a g e g e n k ö n n e n wir Berichte der Badischen Landeszeitung über alle Vorträge greifen. Die Badische Landeszeitung fügte ihrem Bericht Vortrag W e b e r s am Schluß die B e m e r k u n g bei: 1 5 „ A u c h
auf ausführliche Webers zurücküber den ersten diese Nachmit-
7 Brief an Carl Johannes Fuchs vom 24. Juni 1897, UB Tübingen, Nl. Carl Johannes Fuchs, Md 875:391. 8 Siehe dazu die Berichte der Badischen Landeszeitung, Nr. 232 vom 5. Okt. 1897, 2. Blatt; Nr. 233 vom 6. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 234 vom 7. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 235 vom 8. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 236 vom 9. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 237 vom 10. Okt. 1897, 3. Blatt. 9 Ursprünglich war als Titel „Agrarwesen" geplant. Brief an Carl Johannes Fuchs vom 19. Juni 1897. 10 Der „Stundenplan" ergibt sich aus den Berichten der Badischen Landeszeitung. Siehe auch unten, S. 901, 903. 11 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 247. 12 So berichtete Heinrich Herkner in einem Brief an Lujo Brentano vom 9. Oktober 1897, BA Koblenz, Nl. Lujo Brentano, Nr. 28. 13 Lehmann, Ernst, Der Karlsruher sozialwissenschaftliche Kursus, in: Mitteilungen des Evangelisch-sozialen Kongresses, Nr. 8 von November-Dezember 1897, S. 5. 14 Die Berichte über die Frankfurter Vorträge sind oben, S. 748-790, abgedruckt. 15 Badische Landeszeitung, Nr. 233 vom 6. Okt. 1897,1. Blatt, S.3.
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Agrarpolitik
tagsvorlesungen waren gut besucht. Namentlich hatte der Vortrag über .Agrarpolitik' zahlreiche Zuhörer herbeigelockt, unter denen sich auch, wie am Vormittag, eine ganze Reihe Vertreterinnen des schönen Geschlechtes befanden." Im Anschluß an ihren Bericht über Webers dritten Vortrag erwähnte die Badische Landeszeitung, daß die Nachmittagsvorlesungen erneut gut besucht gewesen seien und daß dem letzten Teil der Vorlesungen, also jenen Webers, auch der badische Finanzminister Adolf Buchenberger beigewohnt habe. 16 Buchenberger war auch bei dem vierten Vortrag Webers anwesend, wie die Badische Landeszeitung in ihrer darauffolgenden Nummer berichtete. 17 Außer der Badischen Landeszeitung berichteten auch der General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung und die Heidelberger Zeitung mit jeweils nahezu gleichlautenden Artikeln über den sozialwissenschaftlichen Kursus. 18 Dabei verwiesen sie auch auf Webers Vorträge, dessen „ebenso geistvolle als populäre Vortragsweise [...] allseitige Bewunderung" gefunden habe. 19 Zum Abdruck gelangen hier nur die Berichte der HeidelbergerZeitung und des General-Anzeigers der Stadt Mannheim über den letzten Vortrag, da nur diese auch auf die von Weber referierte Sache selbst eingehen. Beide Zeitungen beendigen ihren Bericht mit den Worten: „Major Kreßmann dankte diesen [den Veranstaltern des Kurses] und den Professoren, und Pfarrer Dr. Lehmann gedachte des Vaterlandes, dem wir dienen wollen." 2 0
16 Ebd., Nr. 235 vom 8. Okt. 1897, 1. Blatt, S.2. 17 Ebd., Nr. 236 vom 9. Okt. 1897, 1. Blatt, S. 3. 18 General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 272 vom 5. Okt. 1897, S. 2, Nr. 274 vom 7. Okt. 1897, S. 2, Nr. 276 vom 9. Okt. 1897, S. 2; Heidelberger Zeitung, Nr. 233 vom 6. Okt. 1897, S. 2, Nr. 234 vom 7. Okt. 1897, S. 2 f „ Nr. 236 vom 9. Okt. 1897, 2. Bl„ S. 1, Nr. 237 vom 11. Okt. 1897, S. 1 f. 19 General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 272 vom 5. Okt. 1897, S. 2; HeidelbergerZeitung, Nr.233 vom 6. Okt. 1897, S.2. 20 General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 276 vom 9. Okt. 1897, S. 2; Heidelberger Zeitung, Nr. 237 vom 11. Okt. 1897, S. 2.
Editorischer
Zur Überlieferung
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Bericht
und
Edition
Manuskripte sind nicht überliefert. Über die Vortragsabende sind uns die folgenden Presseberichte überliefert: Erster Vortragsabend (4. Oktober 1897): „Sozialwissenschaftlicher Kursus. Karlsruhe, 4.Okt.", Badische Landeszeitung, Nr. 233 vom 6. Oktober 1897, 1. Blatt, S. 2f. Zweiter Vortragsabend (5. Oktober 1897): „Sozialwissenschaftlicher Kursus. Karlsruhe, 5.Okt.", Badische Landeszeitung, Nr. 234 vom 7. Oktober 1897,1. Blatt, S. 3. Dritter Vortragsabend (6. Oktober 1897): „Sozialwissenschaftlicher Kursus. Karlsruhe, 6.Okt.", Badische Landeszeitung, Nr. 235 vom 8. Oktober 1897,1. Blatt, S. 2. Vierter Vortragsabend (7. Oktober 1897): „Sozialwissenschaftlicher Kursus. Karlsruhe, 7.Okt.", Badische Landeszeitung, Nr. 236 vom 9. Oktober 1897,1. Blatt, S. 2f. Fünfter Vortragsabend (8. Oktober 1897): 1. „Sozialwissenschaftlicher Kursus. Karlsruhe, 8.Okt.", Badische Landeszeitung, Nr. 237 vom 10. Oktober 1897, 3. Blatt, S. 1 f. 2. „Der sozialpolitische Kursus in Karlsruhe. Karlsruhe, 8. Okt.", GeneralAnzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 276 vom 9. Oktober 1897, S.2. 3. „Der sozialwissenschaftliche Kursus in Karlsruhe. Karlsruhe, S.Oktober" , Heidelberger Zeitung, Nr. 237 vom 11. Oktober 1897, S. 1 f. Webers Ausführungen werden nach diesen Berichten - A(1) (Badische Landeszeitung), A(2) (General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung), A(3) (Heidelberger Zeitung) - wiedergegeben. A(2) und A(3) sind weitgehend identisch. Aufgrund seiner besseren Textqualität wird A(3) abgedruckt, die Abweichungen von A(2) textkritisch annotiert. Die Abweichungen in der Orthographie (K/C: K ist in A(3) und C in A(2) die Regel) werden vernachlässigt.
Agrarpolitik [Berichte der Badischen Landeszeitung]
[Erster Vortragsabend] Alsdann sprach Professor M. Weber in zweistündigem außerordentlich klarem Vortrag über Agrarpolitik.
Redner beginnt mit einem Rückblick auf das Werden unserer agrarischen Verhältnisse, der europäischen wie im besonderen der deutschen: dem Übergang von ambulantem zu seßhaftem Ackerbau, der Entstehung der deutschen Dörfer, dem Sieg des Privateigentums über die bis dahin übliche Flurgemeinschaft in einer Zeit, wo das Bevölkerungsproblem immer dringlicher an die „Märker" herantrat; der Neubildung besitzloser Elemente; dem Übergang von dem demokratischen zum aristokratischen, zum Feudalwesen und dem Entstehen der ersten Berufskriegerschicht, die alsdann die politische Herrschaft über die Waffenlosen an sich reißt. Die Frohnhöfe dieser neuen Feudalherren sind das klassische Beispiel für das Agrarwesen des frühen Mittelalters. Die folgende Zeit bringt dann das erste Eindringen der Geldwirtschaft in das Agrarwesen, das bis dahin ausschließlich naturalwirtschaftlich war. Daneben tritt dann die mittelalterliche Stadt, die nichts anderes als „Markt" war; dann der sich entwickelnde Antagonismus zwischen Stadt und Grundherren; die Ausbildung der Geldwirtschaft in der Stadt und die Versuche der Grundherren, die Geldwirtschaft sich dienstbar zu machen. Diese Versuche geschehen entweder dadurch, daß der Grundherr die Frohndienste in zu zahlende Renten umwandelt (in Westdeutschland), oder dadurch, daß der Grundherr seinen Landbesitz nunmehr selbst bewirtschaftet und seine Bauern zu Arbeitskräften herabdrückt (im Osten). Auf diesem Unterschied beruhen alle Schwierigkeiten der modernen Agrarpolitik. Es beginnt sodann, im vorigen Jahrhundert, die Einflußnahme des modernen merkantilistischen Staates auf die Agrarverhältnisse, der Schutz des Bauern aus rein egoistischer Staatsraison (Steuern, Rekruten). 1 Dann kommt die 1 In Preußen, d.h. zunächst in Schlesien, wurde der Bauernschutz von Friedrich dem Großen 1749 eingeführt; Maria Theresia führte 1769 den Bauemschutz in Österreich ein. Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, S.415.
Agrarpolitik
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letzte Stufe der ländlichen Entwickelung: die Bauernbefreiung, Beseitigung der Frohnhofverfassung und des Grundherrn, die sich im Westen leichter als im Osten vollzieht. Der Vortragende geht dann näher auf diese schwierige Auseinandersetzung des östlichen Großgrundbesitzes mit der niederen Landbevölkerung ein und schildert das Vorgehen der liberalen Bureaukratie der 20er Jahre in Preußen gegen die bestehende bäurische Flurverfassung. 2 Dadurch wird der Bauer vollständig selbständiger Eigentümer seiner Parzelle. Soweit der geschichtliche Rückblick. Der Vortragende geht zur Besprechung der gegenwärtigen Agrarverfassung über in England, Frankreich und Deutschland. Die Ungleichheit der Agrarverfassung innerhalb Deutschlands erklärt sich aus dem jeweiligen Verhältnis zwischen Bevölkerung und Nahrungsmitteln. Der Vortragende führt als Beispiel u.a. den in der Schrift des Dr.Hecht „Drei Dörfer der badischen Hard a " geschilderten Kleinbauern der Umgebung Karlsruhes an 3 und weist dann auf den Umstand hin, daß die in der Nähe der großen Marktzentren vorhandene bäurische Geldwirtschaft sich mit der Entfernung von diesen Marktplätzen immer mehr in Naturalwirtschaft verwandelt, wie im Schwarzwald[,j und daß in demselben Maße die soziale Differenzierung zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden wächst. Redner spricht sodann von den noch schwieriger liegenden Verhältnissen im Osten. Der Junker, der Großgrundbesitzer^] sei verflochten in die Konjunkturen des Weltmarktes. Er stelle die höchste Stufe in der Stufenleiter der ländlichen Besitzer dar und vereinige mit der Größe des Umsatzes die durch die hypothekarische Belastung bedingte festgeschlossene Einheit und Unteilbarkeit seines Besitzes.
a A(1): Hardt 2 Gemeint sind die Gemeinheitsteilungen, Separationen und Verkoppelungen, die in Preußen mit dem Gesetz vom 7. Juni 1821 eingeleitet wurden. Vgl. auch oben, S.95, Anm. 11. 3 Es handelt sich um eine bei Max Webers Fachkollegen Gerhart von Schulze-Gaevernitz als Dissertation vorgelegte wirtschaftliche und soziale Studie. Sie war von Heinrich Herkner (Karlsruhe) angeregt worden. Vgl. Hecht, Dörfer, S. 1.
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Agrarpolitik
[Zweiter Vortragsabend]
Den Schluß machte wiederum die Vorlesung des Prof. M. Weber aus Freiburg über Agrarpolitik.
Der Vortragende beginnt mit der produktionstechnischen Frage, d.h. unter welchen Verhältnissen am meisten aus dem Boden herausgewirtschaftet werden könne. Der Vortragende geht auf die Einwirkung der Produktion auf die Bevölkerungsdichte ein; er weist nach, daß die Landbevölkerung sich da am engsten zusammenschließe, wo sie am dünnsten gesäet ist. In Preußen sei das Centrum der Seßhaftigkeit der Bevölkerung der Rhein. Je weiter man dann nach Osten geht, desto größer sei die Beweglichkeit in der Bevölkerung. Am Rhein seien gegen 90Proz., 4 in Ostpreußen nur gegen 50Proz. 5 im eigenen Kreise geboren (in Berlin 46Proz.) 6 . In den Kreisen des stärksten Fideikommisses sei die Landbevölkerung beinahe wie Flugsand. Es folgt sodann die Erörterung der Vermögensverteilung. Im Westen sitzen die Millionäre in den Städten, im Osten auf dem Lande. Im Westen sind die Vermögensunterschiede auf dem Lande am geringsten, im Osten am stärksten. Der Vortragende geht auf die Einwirkung der ländlichen Vermögensverteilung auf das Kleingewerbe ein. So fehle im Osten auf dem Lande die stetige Kaufkraft, um dem Handwerker die Existenzfähigkeit zu sichern. Im Westen sei das Gegenteil der Fall. Die Einwirkung der ländlichen Vermögensverteilung auf die Großindustrie zeige sich u.a. auch in den Zuständen der Konfektionsindustrie, insbesondere in Berlin, wo die elenden Zustände und der niedrige Stand der Löhne durch das Zuströ-
4 In den Landgemeinden der rheinischen Regierungsbezirke betrug der prozentuale Anteil der Kreisgebürtigen an der ortsanwesenden Bevölkerung 1885 zwischen 75,2 (Düsseldorf) und 88,8 (Aachen). Gemeindelexikon, Band 12, S. 250. Vgl. auch die Ausführungen Max Webers sowie die Zahlenangaben in seinem Gutachten über die Einführung eines Heimstättenrechtes, oben, S. 661 f. 5 Wie aus Webers Ausführungen, oben, S. 666, hervorgeht, bezieht er sich hier nicht auf die Kreisgebürtigkeit, sondern die Gebürtigkeit in der Heimatgemeinde auf den östlichen Rittergütern. Die Kreisgebürtigkeit lag weit über 5 0 % : In den Landgemeinden Ostpreußens waren 83,2% der ortsanwesenden Bevölkerung 1885 kreisgebürtig; in den Gutsbezirken betrug der prozentuale Anteil 71,1. Gemeindelexikon, Band 1, S. 402. 6 Nach den Angaben im Gemeindelexikon waren in Berlin 42,6% der Wohnbevölkerung und 42,4% der ortsanwesenden Bevölkerung am I . D e z e m b e r 1885 ortsgebürtig. Gemeindelexikon, Band 3, S. 2f. Vgl. auch Max Webers Ausführungen, oben, S. 665.
Agrarpolitik
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men des ländlichen Proletariats des Ostens hervorgerufen würden. Es folgt die Schilderung des ländlichen, in die Städte strömenden Proletariats. Für dies Proletariat sei Ostdeutschland ein ungeheures, unerschöpftes Reservoir, dort, auf dem kärglichsten Boden, sei die 5 Kinderzahl am größten. A n Stelle des abgeströmten Proletariats wandere nun der polnische und russische Arbeiter in das östliche Deutschland ein. Unter Miquel sei die Grenze für diesen Zuzug nunmehr völlig geöffnet worden. 7 Jeder, der es einer fremden Rasse, seien es Polen oder Italiener, ermöglicht, sich den niederen Löhnen 10 in Deutschland anzupassen dadurch, daß er dem berechtigten Streben der deutschen Arbeiter nach einem Lohn, wie er deutschen Verhältnissen entspricht, entgegenwirkt, ist ein Feind des Deutschtums; ihn werden wir, nicht als Professoren, sondern als Deutsche, sei er Professor oder sitze er in der Journalistenstube oder auf dem 15 Ministersessel - stets bekämpfen bis auf's Messer. b
[Dritter Vortragsabend]
Prof. Weber („Agrarpolitik") wendet sich zunächst gegen den „unverständigen Teil" der hiesigen Presse, der den Kursus mit abfälligen Glossen begleite. 8 Der Vortragende ging auf die Zwecke und auf die 20 Formen des Kredites ein, des Realkredites, des Rentenkredites und des Besitzkredites. Die Mehrzahl der ländlichen Schulden beruhe
b In A(1) folgt: Dieser Satz rief unter den zahlreich anwesenden Zuhörern stürmischen Beifall hervor.
7 Gemeint ist wohl die Öffnung der Grenzen für polnische Wanderarbeiter im Jahre 1890 unter der Kanzlerschaft Leo von Caprivis. Nach Caprivis Sturz im Oktober 1894 wurde diese Grundlinie seiner Politik beibehalten. Nichtweiss, Johannes, Die ausländischen Saisonarbeiter in der Landwirtschaft der östlichen und mittleren Gebiete des Deutschen Reiches.-Berlin: Rütten & Loening 1959, S.43f., S.48f. 8 Gemeint ist vermutlich die konservative Badische Landpost. Dies geht aus dem Artikel Ernst Lehmanns, Der Karlsruher sozialwissenschaftliche Kursus, in: Mitteilungen des Evangelisch-sozialen Kongresses, Nr. 8 von November-Dezember 1897, S.5, hervor. Die Badische Landpost des Jahrgangs 1897 ist verschollen.
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Agrarpolitik
auf dem Besitzkredit, in Kaufschulden, Erbschulden u.s.w. Bei der Besprechung der landwirtschaftlichen Realverschuldung wird das Grundbuch in seiner Einrichtung dargelegt, ferner das Wesen der Hypotheken, in seiner außerordentlich vollkommenen Ausbildung im Osten und in seiner juristisch unvollkommeneren im Westen. 9 Die hypothekarische Belastung werde, je weiter nach Osten, desto schwerer empfunden. Dies beruhe auf der Agrarverfassung. Die Bedeutung der Erbschulden sei im Westen und Süden am geringsten. Beim westphälischen Anerbenrecht beginne die Erbverschuldung schon typisch zu werden; die weichenden Erben seien gegen die bleibenden Anerben stark benachteiligt, und daher seien hier die Erbschulden noch nicht so bedeutend. Weiter nach Osten ist die Bevorzugung des Anerben geringer und daher die Erbverschuldung weit größer. Der noch westdeutsche Großbauer sei Aristokrat (Immermanns „Oberhof"). 10 Der Bauer des Ostens sei, unter dem Junker, nichts weniger als Aristokrat und teile daher viel eher gleichmäßig unter seinen Kindern. Die Kaufschulden sind dort, wo Geldwirtschaft und häufiger Besitzwechsel stattfinden, am größten. Der Kaufspreis richtet sich meistens nach dem Verkehrswert, nicht nach dem Ertragswert. Insbesondere werde beim preußischen Gutsbesitzer beim Verkauf die soziale Position des „Rittergutsbesitzers" mit bezahlt. Ein preußisches Rittergut sei ein klassisches Beispiel einer Grundlage für Kapitalanlage in hypothekarischer Form. Die Hypothek im Osten ist weit größer und von weit größerer Lebensdauer als im Westen. Im Osten gehört der Hypothekengläubiger in die Agrarverfassung hinein. Der Vortragende geht auf die Wirkungen der hypothekarischen Belastung ein, inbesondere die Zwangsvollstrekkungen. Diese sind zahlreich bei den kleinen und am häufigsten bei 9 In Preußen wurde das Grundbuch mit dem Gesetz vom 5. Mai 1872 eingeführt. Im Gegensatz zu dem in Frankreich und den deutschen Ländern französischen Rechts geltenden Trans- und Inskriptionssystem und dem u.a. in Bayern und Württemberg geltenden Hypothekenbuchsystem wurde nach dem Grundbuchsystem der gesamte dingliche Rechtszustand im Grundbuch festgehalten. Die Reform des Zwangsvollstrekkungsrechts vom 13. Juli 1883 gewährte dem Hypothekengläubiger in Preußen zusätzliche Sicherheit. GS 1872, S. 446-472; GS 1883, S. 138f.; Schollmeyer, Hypotheken- und Grundbuchwesen, in: HdStW4 2 ,1900, S. 1268f. 10 Anspielung auf eine Episode im Rahmen der Münchhausengeschichten Karl Leberecht Immermanns. Sie handelt von einem westfälischen Hofschulzen, dem Besitzer des „Oberhofs", d.h. des ältesten Bauernhofs innerhalb der Bauernschaft, der den anderen Bauern mit Rat und Hilfe beisteht. Vgl. Immermanns ausgewählte Werke in sechs Bänden, 4. Band. - Stuttgart: Cotta o. J., S. 127-224.
Agrarpolitik
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den größten Besitzungen, am geringsten bei den mittleren. Bei den großen Besitzungen verursachen viel mehr allgemeine als persönliche Gründe die Zwangsversteigerung; umgekehrt bei den kleinen Besitzungen. 11 Der Kampf gegen die ländliche Verschuldung ist die 5 Parole der Agrarier. Der Vater aller der Gedanken, die von den Agrarreformern verarbeitet werden, ist Schäffle mit seiner Schrift über die „Inkorporation des Hypothekarkredites". Der Vortragende geht auf die Grundideen dieser Schrift ein: es sollen vereinigt werden die Bauern Deutschlands zwangsweise zu gewaltigen Korporatio10 nen, die das Monopol der Kreditgewährung erhalten; der Besitzkredit ist abzuschaffen, ebenso die Zwangsversteigerungen. 12 Schäffle wollte damit das platte Land gegen die Stadt 13 mobilisieren; es soll keine Abhängigkeit eines Einzelnen mehr von fremdem Kapital geben.
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[Vierter Vortragsabend] Es folgte die Fortsetzung der Vorlesungen über Agrarpolitik durch Prof. Weber.
Der Vortragende setzt die Erörterung des Schäffle'schen Projektes fort. Ohne Beseitigung der vorhandenen Schulden konnte aber an die Ausführung nicht gedacht werden. Der Entwurf eines öster20 reichischen Anerbengesetzes wollte die Zwangskorporationen einführen; 14 er enthielt 0 für die Beseitigung der vorhandenen Schulden
c A(1): erhielt
11 Zur Frage der Häufigkeit von Zwangsversteigerungen und deren Ursachen in bezug auf die einzelnen Besitzgrößen siehe Max Webers Gutachten über die Frage: Empfiehlt sich die Einführung eines Heimstättenrechtes, insbesondere zum Schutz des kleinen Grundbesitzes gegen Zwangsvollstreckung? oben, insbesondere S. 6 4 8 - 6 5 0 . 12 Schäffle, Inkorporation, bes. S. 6 - 8 . 13 Das heißt, gegen die bürgerlichen Hypothekengläubiger. 1 4 Gemeint ist der 1890 von der österreichischen Regierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Einführung von Zwangsgenossenschaften der Landwirte, die bei Zwangsversteigerungen zugunsten der Schuldner intervenieren sollten. Sering, Max, Die Entwürfe für eine neue Agrargesetzgebung in Österreich, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, 18. Jg., 1894, S. 3 8 3 - 4 0 7 ; Ogris, Werner, Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien 1 8 4 8 - 1 9 1 8 , in: Habsburger Monarchie 1848-*1918, hg. von Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch, 2. Band: Verwaltung und Reehtswesen. - W i e n : Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1975, S. 628f.
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Bestimmungen, die praktisch ausgeführt etwas ganz anderes erzielt haben würden als sie sollten. 15 Ernster waren die preußischen Gesetzentwürfe zur Ausführung des Projekts. Auch hier mußte die Schuldenbeseitigung erstrebt werden. Zur Beratung des Projekts ward eine Agrarkonferenz berufen. 16 Aber die preußischen Großgrundbesitzer lehnten es ab, auf der beratenden Konferenz auf Verhandlungen mit Gläubigerkonsortien einzugehen. 17 In Bezug auf Anerbenrecht und Anerbenfolge machte die Konferenz den Vorschlag, das in Westdeutschland hergebrachte Anerbenrecht zu verallgemeinern. 18 Der Vortragende giebt im weiteren die Einzelheiten der Vorschläge jener Konferenz: so sollte für jedes Gut eine Verschuldungsgrenze ermittelt werden, bis zu welcher Hypotheken eingetragen werden dürften. 19 Die Schuldenabgrenzung würde aber die ökonomisch schwächlichsten Elemente geschützt haben. Der Vortragende weist weiter nach, daß diese Verschuldungsgrenze eine ganz bedeutende Entvölkerung des platten d Landes zur Folge gehabt haben würde. Eine Agrarpolitik auf solcher Grundlage aber könne nicht wohl ausführbar scheinen. Es folgt die Erörterung der Erleichterung der Fideikommißbildung. Zur Zeit scheine wieder ein derartiges Projekt in der Luft zu schweben. 20 Der Vortragende erläutert den Begriff des Fideikommisses, das zur Konservierung der alten Adelsgeschlechter an Stelle der alten Lehensverfassung getreten sei. d A(1): glatten 15 Die Landesgenossenschaften sollten bei Zwangsversteigerungen ggf. die betreffenden Bauerngüter erwerben und in Rentengüter umwandeln. Diese Rentengüter sollten der Kontrolle der Genossenschaft unterstellt werden und durften sich nicht erneut verschulden. Die Dispositionsfreiheit des Eigentümers war in weit größerem Maße eingeschränkt, als dies bei preußischen Rentengütern der Fall war. Agrarexperten befürchteten daher, diese bürokratische Bevormundung würde die wirtschaftliche Lage der Bauern eher schwächen als stärken. Sering, Entwürfe (wie Anm. 14), S. 407. 16 Gemeint ist die preußische Agrarkonferenz, die vom 28. Mai bis zum 2. Juni 1894 unter der Leitung des preußischen Landwirtschaftsministers tagte. Vgl. Max Webers Artikel über die Agrarkonferenz, oben, S. 4 8 3 - 4 9 9 . 17 Der Rittergutsbesitzer Bernhard von Puttkamer-Plauth lehnte den auf der Konferenz von dem Agrarwissenschaftler Max Sering entwickelten Plan eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses des Grundbesitzes, etwa in Gestalt von Landwirtschaftskammern, zur Organisation des ländlichen Kredits und zur Ersteigerung verschuldeten Grundbesitzes, ab. Agrarkonferenz, S. 12f., 117. 18 Siehe die Debatte ebd., S. 201 - 2 6 0 . 19 Siehe die Debatte über die Einführung einer Verschuldungshöchstgrenze ebd., S. 2 6 1 - 3 1 9 . 2 0 Siehe oben, S. 796, Anm. 1.
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Das Fideikommiß habe bisher nur eine Minimalgrenze. 21 Diese scheine gegenwärtig herabgesetzt werden zu sollen, desgleichen der Fideikommißstempel, während gleichzeitig auch eine Maximalgrenze geplant zu sein scheine, die früher von liberalen Blättern verlangt 5 worden sei. 22 Die preußischen Junkerbesitzungen seien vielfach zu klein, um eine Herrenexistenz zu begründen und eine entsprechende Lebenshaltung zu gewähren. Durch Herabminderung der Minimalgrenze des Fideikommisses suche man hier zu helfen, aber das werde vergeblich sein. Auch werde dann nicht der überschuldete Adel die 10 neugeschaffenen Fideikommisse in die Hände bekommen, sondern das städtische, das Börsenkapital. Der Vortragende bezeichnet als weitere Folge die Entvölkerung und Befriedigung 6 des Ostens. Nach einer einstündigen Pause begann um 8 Uhr c.t. die Diskussion über die Agrarpolitik.
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Der Referent, Professor Weber, besprach die durch den Fragekasten vermittelten Anfragen. Er wies darauf hin, daß z. B. in Mannheim nur ganz geringfügige Mengen badischen Getreides auf dem Markt erschienen und daß alle die in der Getreideversorgung von Mannheim abhängigen Städte auf Importgetreide angewiesen sei20 en. 23 Die moderne Zollpolitik, deren Schlagwort „Deutsches Getreide für das deutsche Volk" sei, 24 habe gerade das Gegenteil erreicht. Die Kornzölle, die ursprünglich eine wirtschaftliche Einheit aus Deutschland schmieden wollen, funktionieren seit Aufhebung des Identitätsnachweises nur dahin, daß sie den inländischen Kornpreis 25 um den Zollwert gegen den Weltmarktpreis erhöhen. 25 Der Zue Textverderbnis nicht aufklärbar; gemeint ist möglicherweise: Befriedung 21 Diese lag in Preußen bei einem jährlichen Reinertrag von 7500 Mark. 22 Welche liberalen Zeitungen eine Maximalgrenze für Fideikommisse gefordert haben, konnte nicht ermittelt werden. 23 Mannheim war der bedeutendste Weizenhandelsplatz im westlichen Deutschland. Während die östlichen Provinzen Preußens einen Getreideüberschuß produzierten, hingen die westlichen Provinzen sowie Südwestdeutschland von Getreideimporten ab. 24 Als Zitat nicht nachgewiesen. 25 Der bei Rohstoffen oder Halbfabrikaten, die zur Weiterverarbeitung in das Deutsche Reich eingeführt wurden, erhobene Schutzzoll wurde beim Export der Fertigware zurückerstattet, wenn die Identität der ein- und ausgeführten Produkte nachgewiesen werden konnte. Dieser Identitätsnachweis wurde 1894 bei Getreide abgeschafft. Somit wurde der Getreideexport in Höhe der bestehenden Getreidezölle de facto staatlich subventioniert. Als Folge davon ergab sich die Tendenz, die Ausfuhr aus den ausfuhrfähigen Provinzen solange fortzusetzen, bis der Inlandspreis um den Zollbetrag über den Weltmarktpreis gestiegen war. Lexis, Wilhelm, Identitätsnachweis, in: HdStW4 2 ,1900, S. 1315-1320.
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stand, daß Deutschland auf die Getreideeinfuhr angewiesen ist, sei in Westdeutschland schon seit dem Mittelalter bestanden. In Beantwortung einer weiteren Anfrage schildert der Referent in einigen Zügen die durch die Förderung des Deutschtums im Osten geschaffenen Rentengüter. 26 Es kommt auch der Unterschied der Betriebskosten in der Getreideproduktion zwischen Deutschland und Amerika zur Beantwortung, wo es weder für Arbeiterwohnungen noch für Scheunen Ausgaben gebe. Ferner die Erörterung der Fideikommisse im Süden und Westen. Im Osten liegen die Fideikommisse in den günstiger gelegenen Thälern; je höher hinauf, desto kleiner die Bauern; im Westen umgekehrt - die Fideikommisse auf den weniger günstigen Höhen. Zur Besprechung kommt dann noch einmal der Satz aus dem Vortrag des Referenten, daß auf dem Boden, wo die Naturalwirtschaft herrsche, eine dichter geschlossene Bevölkerung existieren könne, wie auf dem Boden der landwirtschaftlichen Geldwirtschaft. In der weiteren Diskussion ergriff Major Kreßmann das Wort, erörtert die vor sich gehenden Änderungen in den ländlichen Besitzverhältnissen des Ostens, wo an Stelle der alten besitzenden Familien der Kapitalist tritt, und fragt, ob nicht in den großen landwirtschaftlichen Betrieben die Intelligenz dieselben Erfolge erringen könne, wie in der deutschen Industrie; es sei vielleicht kein Unglück, daß jener Besitzwechsel in den ländlichen Betrieben erfolge; es könnten dann, wie bei der Industrie die reich bezahlten Direktoren, landwirtschaftliche Betriebsleiter die Führung der Güter, die sich im Besitze von Banken befinden müßten, übernehmen; sie würden im stände sein, durch Verbesserung der Technik die östliche Landwirtschaft wieder zur Blüte zu bringen.
Der Referent Prof. Weber betont, daß vielfach ein viel zu ungünstiges Urteil über die technischen Kenntnisse und die landwirtschaftliche Tüchtigkeit der östlichen Junker bestehe; andererseits lassen sich gegen die vorgetragenen Zukunftsgedanken mancherlei Bedenken geltend machen; auch durch Administration ließen sich die Güter nicht hochbringen; auf diesem Wege könne nur der Staat als Besitzer etwas erreichen. Hiernach sprach Dr. Knoderer über die süddeutschen landwirtschaftlichen Verhältnisse, die gleichfalls einen Preisrückgang aufzeigen, und schildert in Einzelzügen
26 Seit dem Ansiedlungsgesetz vom 26. April 1886 konnten in Posen und Westpreußen Rentengüter errichtet werden. 1890 und 1891 folgte die Rentengutsgesetzgebung für ganz Preußen. Die betreffenden Güter konnten zu festen Geldbeträgen, also Renten, die nicht den Schwankungen des Kapitalmarkts unterlagen, erworben werden.
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die badischen Verhältnisse; er weist zugleich auf die Erörterungen des Finanzministers Buchenberger über die landwirtschaftlichen Fragen hin und empfiehlt die Selbsthilfe.
Nach einem Dankeswort des Majors Kreßmann an den Referenten wendet sich dieser noch einmal zur Erörterung der Ungunst der Verhältnisse, mit denen die östliche Landwirtschaft zu kämpfen hat, nicht ganz ungünstig lägen die Bedingungen zum Übergang zur Viehwirtschaft, die aber eine Entvölkerung mit sich bringen würde; ein mäßiger Getreidebau würde, vom nationalen Standpunkt aus, viel wünschenswerter sein.
[Fünfter Vortragsabend]
Prof. Weber sprach in der Agrarpolitik über das Projekt des Anerbenrechtes, d.h. der geschlossenen Erbfolge statt Naturalteilung, unter Benachteiligung der weichenden Erben, wie sie je mehr nach Osten desto mehr die Regel ist, weil dort der Geldumschlag fehlt. Dies Recht habe eine Verdünnung und eine verstärkte Beweglichkeit der Landbevölkerung zur Folge, durch Abzug der benachteiligten weichenden Erben. Eine Parzellierung des Ostens nach Art der rheinischen und badischen Landwirtschaft würde ein kulturfeindliches Bauerntum erzeugen, das, abgeschlossen von allem Verkehr, nichts kauft, das der Hausindustrie (Textilindustrie u.s.w.) verfiele. Die Verteidiger des Anerbenrechts stützen sich auf diese Argumente : es lasse sich im Westerwald und andern dem Verkehr verschlossenen Gegenden einführen. Aber die Hunderttausende von Bauern der norddeutschen Tiefebene lassen sich nicht dem Anerbenrecht unterwerfen; das würde eine weite Entvölkerung der Ebene zur Folge haben. Das aber widerspricht vollkommen dem nationalen Interesse der Stärkung der Landbevölkerung. Das moderne Agrarproblem sei lediglich ein Teil des großen wirtschaftlichen Problems der deutschen Zukunft. Deutschland sei wirtschaftspolitisch keine Einheit, es bestehe aus zwei grundverschiedenen ökonomischen Gebieten. Der Vortragende erläutert den Begriff „Agrarstaat". Der Osten war früher agrarisches Exportgebiet, ist es aber nicht mehr. Die damals entstandene Agrarverfassung hat sich daher heute über-
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Agrarpolitik
lebt. Begünstigt ist im Osten die kleine bäuerliche Naturalwirtschaft, geschädigt die auf den Absatz angewiesenen Besitzer mit Ausnahme der größten Besitzer. Bei der Naturalwirtschaft der kleinen Bauern daher starke Bevölkerungszunahme, Kleinbauern von slavischer Provenienz. Die mittlere Schicht, das eigentliche Junkertum, habe am härtesten unter dem Notstand zu leiden. Es werde nicht möglich sein, das Junkertum noch auf lange hinaus in seiner bisherigen Stellung zu erhalten. Das Gefährliche dabei sei, daß es nicht freiwillig sich den modernen Erwerbsbedingungen anpassen werde. Mit Bleischwere lasten die Hypotheken aus alter Zeit auf dem Agrarsystem und hindern den Junker, sich den veränderten Existenzbedingungen zu fügen. Ein systematischer An- und Auskauf der Güter, wie bei der Ansiedelungskommission, 27 habe indessen ihre Achillesferse, während der Staat durch Ankauf und Verpachtung an Domänenpächter einen Teil des gegenwärtig gefährdeten Grundbesitzes würde erhalten können. Das Trübsinnige an dem Problem sei, daß der Osten nicht die Chance hat, ein Industriegebiet zu werden mit kaufkräftiger Bevölkerung. Die russische Zollgrenze, das große, russische Industriegebiet von Lodz schneide den preußischen Osten vom Hinterlande ab. Das östliche Agrarproblem sei nicht glatt zu lösen, es sei hoffnungslos. Es könne nur das Möglichste durch Unterstützung durch die übrigen Landesteile über Wasser gehalten werden. Der Vortragende wendet sich mit einigen Schlußworten über das Experiment des sozial-wissenschaftlichen Kursus an die Zuhörer, indem er im besonderen dem Komitee den Dank ausspricht/
f In A(1) folgt: Lauter Beifall.
27 Mit dem Ansledlungsgesetz vom 26. April 1886 wurde eine Ansiedlungskommission für Posen und Westpreußen eingerichtet, die, mit einem Fonds von 100 Millionen Mark ausgestattet, polnische Güter aufkaufte und auf den parzellierten Grundstücken deutsche Bauern ansiedelte.
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[Fünfter Vortragsabend] [Bericht der Heidelberger Zeitung]
Wiederum vor einer bedeutenden Zuhörerschaft sprach der Favoritredner des Kurses, Prof. Weber.
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Nachdem er die verschiedenen Hilfsvorschläge für die Landwirtschaft erörtert und dargelegt hatte, daß die unteren Landwirthschaftsschichten, die Kleinbauern, mit ihren kongruenten 3 Produktions- und Konsumverhältnissen,13 und die oberste, die Magnaten und Latifundienbesitzer, 0 von der Krisis in ihrer äußersten Konse10 quenz nicht berührt werden, sprach er die Überzeugung aus, daß die kleineren und mittleren Rittergüter eine weichende Kategorie bilden, der man kaum mehr d helfen kann. Um nicht mißverstanden zu werden, betonte er, daß er nicht aus Animosität spreche. Er habe vor dem typischen „Junker" e wegen dessen nobler Eigenschaften die 15 größte Hochachtung, und wenn er zu wählen habe zwischen dem in vornehmer Gesinnung großgewordenen Junkerthum undf dem feudalisirten Neuadel, so werde 9 er sich ohne Bedenken für ersteres entscheiden. Er schloß mit einem Dankeswort an die Unternehmer des Kurses.
a A(2) concurrenten b A(2): Consumverhältnissen c A(2): Latifundienbesitzer d A(2): noch e A(2): Junker f A(2): aus gA(2): würde
Der Gang der wirthschaftlichen Entwicklung [Vortragsreihe am 19. und 26. November, 3. und 10. Dezember 1897 in Mannheim]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Errichtung einer Handelshochschule regten in Mannheim der Kaufmännische Verein, die Handelskammer und der Börsenvorstand im Winter 1897/98 volkswirtschaftliche Vorlesungszyklen an.1 Als Zielgruppe waren vor allem kaufmännische Kreise ins Auge gefaßt. 2 Der Kaufmännische Verein gewann als Referenten Max Weber und den Freiburger Nationalökonomen Gerhart von SchulzeGaevernitz. Schulze-Gaevernitz plante für Januar 1898 einen fünfstündigen Cyklus über „Handelspolitik", während Weber eine vierstündige „Einleitung in die Volkswirtschaftslehre" geben wollte. 3 Aus welchem Grund Max Weber dann sein Thema änderte und statt dessen einen Überblick über die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart gab, ist nicht bekannt. Die beiden Vorlesungsreihen von Max Weber und Gerhart von Schulze-Gaevernitz fanden sehr großen Anklang. Insgesamt wurden 1500 Einlaßkarten verkauft. 4 Manuskripte über die Vortragsreihe Webers sind nicht überliefert. Dagegen liegen uns Berichte des General-Anzeigers der Stadt Mannheim und Umgebung vor. Der Bericht über den letzten, am 10. Dezember 1897 gehaltenen Vortrag Webers wurde von der Karlsruher Zeitung und der Badischen Landeszeitung auszugsweise nachgedruckt. 5
1 Sitzungsprotokoll der Handelskammer für den Kreis Mannheim, Stadtarchiv Mannheim, Depositum Industrie- und Handelskammer, Zugang 1/1966, Nr. 78, S.69f. und S.105f. Siehe auch: Jahresbericht der Handelskammer für den Kreis Mannheim für das Jahr 1897, I.Teil. - Mannheim: Verlag der Handelskammer für den Kreis Mannheim 1897, S. 152f. Die Mannheimer Handelshochschule wurde erst 1907 gegründet. Vgl. Hayashima, Akira, Max Weber und die deutschen Handelshochschulen, in: Kwansei Gakuin University Annual Studies, Band 35,1986, S. 143-176. 2 Sitzungsprotokoll, S. 69. 3 Ebd., S. 106. 4 Jahresbericht der Handelskammer Mannheim 1897, S. 152f. 5 Siehe die Aufstellung der Berichte, unten, S. 844f.
Editorischer
Bericht
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Webers Vortragsreihe wurde am 17. November 1897 im Mannheimer General-Anzeiger mit den Worten angekündigt: „Akademische Vorträge, I.Cyklus, Der Gang der wirtschaftlichen Entwicklung, Herr UniversitätsProfessor Max Weber, Heidelberg". 6 Der General-Anzeiger stellte seinem Bericht über den ersten Vortrag folgende Bemerkung voran: 7 „Ein glücklicher Gedanke ist die Veranstaltung eines Cyklus von akademischen Vorträgen gewesen. Wer daran noch Zweifel hegen konnte, der ist durch den überaus zahlreichen Besuch des gestern Abend stattgefundenen ersten Vortrages sicherlich dahin aufgeklärt worden, daß er sich in einem großen Irrthum befand. Nur Freude konnte es erregen, zu sehen, daß Hunderte von Wissensdurstigen, Jung und Alt, nach dem Stadtparksaal strömten, um die ihnen unter so überaus günstigen Bedingungen gebotene Gelegenheit, ihre Kenntnisse zu bereichern, zu benutzen. Herr Professor Max Weber von Heidelberg sprach in seinem gestrigen Vortrag über die Entstehung des Privateigentums und der agrarischen Grundlage der europäischen W i r t schaft. Die Ausführungen des berühmten Universitätsprofessors waren in ein populäres, leicht faßliches Gewand gekleidet, und dadurch für Jedermann gut verständlich, so daß sie die erste Bedingung einer fruchtbringenden Wirkung erfüllten." Der General-Anzeiger schloß seinen Artikel über den ersten Vortrag mit den Worten: 8 „Hiermit brach Herr Weber seinen Vortrag ab. Am nächsten Freitag wird er in Fortsetzung seiner gestrigen Ausführungen über,Feudalismus und Städtewirthschaftim Mittelalter' sprechen. Rauschender Beifall wurde dem tüchtigen Gelehrten zu Theil." Die Karlsruher Zeitung stellte ihrem Bericht über den vierten Vortrag folgende Bemerkung voran: 9 „Der erste Cyklus der akademischen Vorträge, welche in diesem Winter auf Veranlassung des Stadtraths, der Handelskammer, des Börsenvorstandes und des Kaufmännischen Vereins hier stattfinden, hat am Freitag Abend sein Ende erreicht. Redner war im ersten Cyklus Herr Universitätsprofessor Dr. Max Weber von Heidelberg, welcher in vier Vorträgen ein Bild der wirtschaftlichen Entwicklung bis auf den heutigen Tag entwarf und interessante Ausblicke gab auf die wahrscheinliche wirtschaftliche Gestaltung der Zukunft. Hierbei streifte Herr Dr. Weber indirekt die Flottenvorlage." Die Badische Landeszeitung verwies in der Vorbemerkung zu ihrem Bericht über Webers vierten Vortrag 10 ebenfalls auf die Flottenvorlage, die
6 General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 315 vom 17. Nov. 1897, S.6. 7 Ebd., Nr. 318 vom 20. Nov. 1897, S. 3. 8 Ebd. 9 Karlsruher Zeitung, Nr. 528 vom 15. Dez. 1897, S. 2. 10 Badische Landeszeitung, Nr. 294 vom 16. Dez. 1897, 2. Blatt, S. 1.
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Der Gang der wirthschaftlichen
Entwicklung
am 30. November 1897 im Reichstag eingebracht worden war 11 : „Universitätsprofessor Dr. Max Weber hat hier eine Reihe von Vorträgen gehalten, die er mit einem Vortrag über ,Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus' schloß. In diesem letzten Vortrag gab der Redner u.a. folgende, gerade jetzt zur Zelt der Beratung der Flottenvorlage interessante Ausführungen." Es folgen die unten abgedruckten Passagen. In Übereinstimmung mit den Zeitungsberichten gibt auch die Handelskammer Mannheim in ihrem Jahresbericht für 1897 als Titel der gesamten Vorlesungsreihe Webers „Gang der wirthschaftlichen Entwicklung" sowie folgende Unterteilung an: „ I . A b e n d : ,Die Entstehung des Privateigenthums und die agrarische Grundlage der europäischen Wirthschaft'. 2. Abend: .Feudalismus und Städtewlrthschaft im Mittelalter'. 3. Abend: ,Die Entwickelung der Volkswirtschaft und das Merkantilsystem'. 4. Abend: ,Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus'." 12
Zur Überlieferung und Edition Manuskripte sind nicht überliefert. Über die Vortragsabende sind uns die folgenden Presseberichte überliefert: Erster Vortragsabend: „Die Entstehung des Privateigentums und die agrarische Grundlage der europäischen Wirthschaft" (19. November 1897): „Erster akademischer Vortrag", General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 318 vom 20. November 1897, S. 3. Zweiter Vortragsabend: „Feudalismus und Städtewirthschaft Im Mittelalter" (26. November 1897): „Feudalismus und Städtewirthschaft im Mittelalter", General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 325 vom 27. November 1897, S.3. Dritter Vortragsabend: „Die Entwickelung der Volkswirtschaft und das Merkantilsystem" (3. Dezember 1897): „Die Entwickelung der Volkswirtschaft und das Merkantilsystem", General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 334 vom 6. Dezember 1897, S.3.
11 Zu Webers Haltung zur Flottenvorlage siehe seine Stellungnahme oben, S. 671 - 6 7 3 . 12 Jahresbericht der Handelskammer Mannheim 1897, S. 153.
Editorischer
Bericht
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Vierter Vortragsabend: „Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus" (10. Dezember 1897): 1. „Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus", GeneralAnzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 340 vom 12. Dezember 1897, S.2. 2. „Mannheim, 12. Dez.", Karlsruher Zeitung, Nr. 528 vom 15. Dezember 1897, S.2. 3. „Mannheim, 13. Dez.", Badische Landeszeitung, Nr.294 vom 16. Dezember 1897, 2.BI..S. 1. Webers Ausführungen - A(1) - werden nach den Berichten des GeneralAnzeigers der Stadt Mannheim und Umgebung wiedergegeben. Die auszugsweisen Nachdrucke in der Karlsruher Zeitung und der Badischen Landeszeitung werden vernachlässigt.
Der Gang der wirthschaftlichen Entwicklung [Berichte des General-Anzeigers der Stadt Mannheim und Umgebung]
[Erster Vortragsabend: ] Die Entstehung des Privateigenthums und die agrarische Grundlage der europäischen Wirthschaft Herr Weber schilderte, wie es früher überhaupt kein Eigenthum gab. Es jagte Jeder da, wo es ihm beliebte. Als später die Jagdgründe sich lichteten, entstanden die großen Nomadenfamilien, die mit ihren Heerden durch das Land zogen. Die Vermehrung der Bevölkerung setzte auch diesem wirthschaftlichen Zustand ein Ende, und die Menschen sahen sich gezwungen, zum Ackerbau überzugehen. Anfänglich gehörte das ganze Ackergelände der entsprechenden Dorfgemeinschaft, bis schließlich die Zunahme der Bevölkerung und die dadurch bedingte Nothwendigkeit, dem Ackerbau eine mehr intensivere Richtung zu geben, die Herausbildung des Eigenthums und die Entstehung des Erbrechts veranlaßten. Die Folge dieses Resultates des wirthschaftlichen Prozesses war, daß nach unten eine besitzlose Klasse entstand. Aber auch nach oben bildete sich eine besondere Klasse heraus, nämlich diejenige der Berufskrieger, der Reiter und späteren Ritter. Die Bauern, welche früher vom Pflugschaar zum Schwerte geeilt waren, konnten ihre Scholle wegen ihrer Berufspflichten nicht mehr so ohne Weiteres verlassen. Auch war es nothwendig, der Technik in der Kriegskunst eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Es entstanden somit Berufskrieger, welche die Verpflichtung hatten, sich dem König zur Verfügung zu stellen, sobald er ihrer bedurfte. Ihren Unterhalt hatten die Bauern zu bestreiten, welche die nöthigen Naturalien und sonstigen Lebensbedürfnisse nach dem Ritterhofe oder Frohnhofe liefern mußten. Geld gab es damals noch nicht. Die damaligen Reiter oder Ritter waren also keine Großgrundbesitzer, sondern sie besaßen höchstens nur ein kleines Areal, das von den Bauern bewirthschaftet wurde. Das feudale Ritterthum verdankt also seine Entstehung der Nothwendigkeit der Arbeitstheilung, eine wirthschaftliche Entwickelung, die sich namentlich in der Zeit der Karolinger vollzog.
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[Zweiter Vortragsabend:] Feudalismus und Städtewirthschaft im Mittelalter
Dieses Thema behandelte in dem gestern Abend im Stadtparksaale stattgefundenen ebenfalls sehr stark besuchten zweiten akademischen Vortrag Herr Professor Dr. Max Weber als Fortsetzung seines ersten Vortrags.
Die Nothwendigkeit der Arbeitstheilung, so führte der Gelehrte aus, war die Ursache der Entstehung und Entwicklung des Handels. Der Handel ist uralt, ist vorhistorisch. Während er aber heute vorzugsweise mit täglichen Gebrauchsartikeln betrieben wird, erfolgte er damals schon mit Rücksicht auf die ganz enormen Spesen nur mit Luxusgegenständen. Der Handel erfolgte nicht innerhalb einer Stammesgenossenschaft, sondern nur zwischen verschiedenen Nationen, und der Händler war ein wandernder Kaufmann. Mit dem Moment, wo der Kaufmann seßhaft wurde, entstanden die Städte, die befestigten Marktorte, bildeten sich Vereinigungen von Kaufleuten, die sogenannten Gilden. Sodann schilderte Redner die Entstehung des Handwerks. Da auf dem Lande bald Großbesitz und Kleinbesitz bestanden, von denen der Erstere einen Überschuß an Lebensmitteln produzirte, während der Letztere einen Unterschuß hatte, sah sich der Kleinbetrieb gezwungen, gewisse Verrichtungen für den Großbetrieb zu machen. Es entstanden die Handwerker, welche damals, wie es auch heutzutage auf dem Lande noch vielfach anzutreffen ist, Kundenarbeiter waren. Die Kunden lieferten den Rohstoff und bestellten das Produkt. Mit dem Momente, da die Handwerker selbst die Rohstoffe stellten und ihr fertiges Produkt verkauften, hatten sie ihre höchste Entwicklungsstufe erreicht, sie waren freie selbstständige Handwerker. Im Weiteren schilderte der Vortragende die Entstehung der Märkte und der Zünfte, die sich als nothwendig herausstellten, als die Zahl der Handwerker in den Städten eine zu große wurde. Die Zünfte erschwerten das Meisterwerden der Gesellen mehr und mehr, um sich den Mitbewerb vom Halse zu halten, und es entstanden die Vorläufer des heutigen Arbeiterstandes, der Gesellenstand. Während die Handwerker anfangs ihre Produkte nur auf lokalen Märkten zum Verkaufe brachten, sah man sich gezwungen, auch fremde Märkte aufzusuchen. Da diesen Export der einzelne Handwerker nicht unternehmen konnte, ent-
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standen die Unternehmer, welche die Waaren in fremden Gegenden absetzten. Diesen Unternehmern lag natürlich daran, möglichst einheitliche Waaren zu bekommen. Die erste Bedingung hierzu war die Lieferung eines gleichmäßigen Rohstoffes. Auch sonst machte der Unternehmer dem Handwerker Vorschriften über die anzufertigende Waare, dieser war also schon nicht mehr der frühere freie, selbstständige Gewerbetreibende. Das letzte Kapitel des gestrigen Vortrags bildete die Entstehung des Kapitalzinses, welche mit dem Momente einsetzt, wo der Seehandel beginnt. Das Risiko eines Seetransportes, z.B. von Genua nach Alexandrien, war zu Anfang ein sehr großes, sodaß ein Einzelner dasselbe nicht tragen konnte und mehrere Unternehmer einen solchen Transport veranlassen mußten. Gelang die Seefahrt, so standen große Gewinne in Aussicht, mißlang sie, so hatte man große Verluste. Gewinn und Verlust wurden gleichmäßig zwischen den Unternehmern vertheilt. Mit der Zeit gestaltete sich aber das Risiko der Seefahrten kleiner, so daß der einzelne Unternehmer es tragen kann. Hiermit ist die Zeit des Kapitales und des Kapitalzinses gekommen. Der Kapitalzins hatte sich schon längst eingeführt, als die katholische Kirche gegen denselben aus ethischen Gründen Front machte. Die Kämpfe zwischen den ethischen Gesichtspunkten der katholischen Kirche und den Erfordernissen der fortschreitenden wirthschaftlichen Entwicklung sollen im dritten, am kommenden Freitag stattfindenden Vortrag geschildert werden.
[Dritter Vortragsabend:] Die Entwickelung der Volkswirthschaft und das Merkantilsystem Dieses Thema lag dem dritten, am Freitag Abend im Stadtparksaale stattgefundenen akademischen Vortrage des Herrn Universitätsprofessors Max Weber in Heidelberg zu Grunde.
In Anknüpfung an die Ausführungen seines zweiten Vortrags schilderte Herr Weber, wie die Entwickelung der Technik und die fortschreitende Arbeitstheilung vom Handwerk zur Industrie führte. Nicht die Maschinen haben zur Industrie geführt, denn diese sind schon im Alterthum vorhanden gewesen, wurden aber nicht in An-
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wendung gebracht und nicht fortgebildet, da die Menschenkräfte billig waren. Die in den Städten sich entwickelnde Geldwirthschaft blieb nicht ohne Einfluß auf die agrarischen Verhältnisse. Die Besitzer der Frohnhöfe wandelten die bisherigen Naturalabgaben in Geldabgaben um, wurden somit zu Geldrentnern. Natürlich war dies nur da möglich, wo die Bauern selbst Geld vereinnahmten, nämlich in der Nähe der Städte, auf deren Märkten die Bauern ihre Produkte verkauften, also im Süden und Westen von Deutschland. Im Osten Deutschlands dagegen, wo die Städtebildung im Rückstände blieb, konnten die Besitzer der Frohnhöfe die Naturalabgaben nicht in Geldabgaben umwandeln und sahen sich deshalb gezwungen, selbst zur Landwirthschaft überzugehen, wodurch im Laufe der Zeit der Großgrundbesitz entstand. Auch im Militärwesen ging eine Veränderung vor sich, indem an die Stelle der Ritter das Söldnerheer trat. Die Fürsten beauftragten einen Unternehmer mit der Bildung eines solchen Heeres, der dasselbe dann kommandirte und dafür von seinem fürstlichen Auftraggeber eine bestimmte Summe bekam. Die Fürsten brauchten damals Zweierlei: erstens viel Geld und zweitens Menschen. Beides wurde ihnen durch die Industrie verschafft, sodaß sie dieselbe in ihrem eigenen Interesse nach Möglichkeit stützten. Durch die Industrie entstand eine große Kapitalansammlung, und die Fürsten waren dadurch in der Lage, sich Kredit zu schaffen. Zuerst wurde dieser Kredit von einzelnen Personen geleistet, bald aber wurden die Geldbedürfnisse der Fürsten und Staaten so groß, daß ein einzelner Mann ihnen nicht mehr genügen konnte und mehrere Kapitalisten zusammentraten: Es entstanden die Banken. Zu gleicher Zeit entwickelten sich die größeren Märkte zu Waarenbörsen, zu denen sich dann die Fondsbörsen gesellten. Es herrschte also damals eine Verbindung zwischen Fürstenmacht und Kapitalmacht, und diese Verbindung bezeichnete man mit dem Namen Merkantilismus. Die merkantilistischen Fürsten förderten die Industrie somit nicht aus menschenfreundlichen Rücksichten, sondern einzig und allein in Wahrnehmung der Interessen des Staates. Aus demselben Grunde waren die merkantilistischen Fürsten gegen den Großgrundbesitz, da ihnen dieser kein Geld und keine Menschen lieferte. Die merkantilistischen Fürsten richteten ihr Augenmerk auf den Export theurer Fabrikate. Getreide und Rohstoffe durften dagegen nicht ausgeführt werden, denn diese hätten nur wenig Geld ins Land gebracht. Um den Export theurer Fabrikate lohnend zu machen und
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ihn dadurch zu heben, wurden Monopole an einzelne Leute verliehen. Diese Maßregel war damals gerade so nothwendig wie heute die Verleihung des Patents auf Erfindungen. Da die Seetransporte mit großen Gefahren verknüpft waren, mußten sie mit militärischer Eskorte erfolgen. England hat deshalb seinen Reichthum nicht seiner Gewerbefreiheit, sondern nur seiner großen Flotte zu verdanken, welche dem englischen Handel die überseeischen Gebiete erschloß. Die Industrie war daher im Zeitalter des Merkantilismus auf die Fürsten angewiesen, geradeso wie die Letzteren auf die Ersteren. Sahen sich auf der einen Seite die Fürsten veranlaßt, in ihrem eigensten Interesse die Industrie zu stützen, so war auf der andern Seite die Industrie naturgemäß die sicherste Stütze des Absolutismus, da nur dieser ihrem Interesse dienen konnte. Bald aber änderten sich die Verhältnisse. Infolge des sich stetig mehrenden Exports verloren die bisherigen internationalen Märkte ihre Bedeutung, und es entstand der Weltmarkt, der jetzt die Herrschaft an sich nahm. Mit der Entstehung des Weltmarktes schwand auch das Interesse der Industrie an der Stützung des Absolutismus, und die Industrie suchte das bisherige Band zu lösen. Hiermit brach Redner seine hochinteressanten Ausführungen ab, um nächsten Freitag fortzufahren.
[Vierter Vortragsabend:] Die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus
Äußerst interessante Ausblicke auf die wirthschaftliche Gestaltung der Zukunft gab Herr Universitätsprofessor Dr. Max Weber in seinem gestern Abend stattgefundenen vierten und letzten akademischen Vortrag, dem das Thema „die geschichtliche Stellung des modernen Kapitalismus" zu Grunde lag.
Er gab zunächst ein Bild der Entwickelung von dem im vorhergegangenen Vortrag behandelten merkantilistischen Zeitalter bis zu der heutigen kapitalistischen Epoche des freien Wettbewerbs. Aber auch die gegenwärtigen Wirthschaftsverhältnisse seien vergänglich und müßten einer anderen Gestaltung Platz machen. Schon heute bemerken wir Vorboten dieser wirthschaftlichen Umwälzungen,
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Entwicklung
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welche die Alleinherrschaft der freien Konkurrenz vernichten werden. Die freie Konkurrenz ist nur ein Übergangszustand zu dem monopolistischen Zeitalter. An die Vorgänge auf dem Petroleummarkt braucht man da gar nicht zu erinnern, 1 sondern man kann ganz andere Erscheinungen ins Auge fassen. Sobald eine weitere Ausdehnung des Absatzgebiets unmöglich ist, wird an die Stelle der freien Konkurrenz die gegenseitige Verständigung treten in Form von Syndikaten, Ringen, Kartellen etc., also eine Art Zunft, eine Art Gilde, nur eine Schicht höher als die Zünfte im Mittelalter, welche ebenfalls die freie Konkurrenz beseitigten. Eine weitere Ursache der Entstehung des monopolistischen Zeitalters ist die Thatsache, daß das moderne Kapital immer immobiler wird, da man es in Fabrikschornsteine, Bergwerke u.s.w. steckt. Wir rücken mit beängstigender Schnelligkeit dem Zeitpunkt entgegen, an dem die Ausdehnung der Versorgung asiatfischer] halbgebildeter Völker ihr Ende gefunden hat. Dann entscheidet über den auswärtigen Markt weiter nichts als die Macht, als die nackte Gewalt. Nur Spießbürger können daran zweifeln. Die deutsche Arbeiterschaft hat heute noch die Wahl, die Arbeitsgelegenheit im Vaterlande oder auswärts zu suchen. Dies wird aber in nicht allzu langer Zeit definitiv zu Ende sein, ob die Arbeiter wollen oder nicht. Der Arbeiter wird dann ausschließlich auf denjenigen Ernährungsspielraum beschränkt sein, den ihm das Kapital und die Macht seines Vaterlandes zu schaffen weiß. Wann sich diese Entwickelung vollzieht, weiß man nicht, sicher ist aber, daß sie sich vollzieht, sicher ist die Entstehung eines erbitterten Kampfes um die Macht an Stelle eines scheinbaren friedlichen Fortschrittes. Und in diesem gewaltigen Kampfe wird der Stärkste Sieger sein. Wir fragen nun: Was hat das Zeitalter des Kapitalismus geleistet? Das Glück hat es nicht in die Welt gebracht, aber es hat den modernen Menschen des Occidents geschaffen. Die Geldwirthschaft an Stelle der Naturalwirthschaft hat die Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Individuums geschaffen. Aber dieses selbstverantwortliche Individuum ist ein Gegner der Autorität, und somit mußte die
1 Seit 1890 begann der von John D. Rockefeiler aufgebaute Standard-Oil-Trust, die deutschen Märkte für Leuchtöl zu monopolisieren. 1897 tat der Trust den letzten Schritt auf dem Wege zum Monopol, indem er den Großhandel durch Ausschließlichkeitsverträge an sich band. Blaich, Fritz, Kartell- und Monopolpolitik im kaiserlichen Deutschland. Düsseldorf: Droste 1973, S. 75f.
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Der Gang der wirthschaftlichen
Entwicklung
katholische Kirche die Gegnerin der Entwickelung der Geldwirthschaft sein, wie sie es dies ja auch thatsächlich war. Die Bedürfnisse der Menschen verbreiterten sich, dehnten sich qualitativ mehr aus, das Leben wurde mit mehr Annehmlichkeiten verknüpft, und die nothwendige Folge war, daß vor dem Diesseits das Jenseits immer mehr in das Zwielicht einer ferneren Dämmerung gerückt wurde. Aber die Gegnerschaft der Kirche wurde von der vereinigten Macht des Kapitals und der Fürsten überwunden. Die gegenwärtige Zeitepoche bildet in der Technik eine permanente Revolution, so daß sich die Arbeiter auf stetig schwankendem wirthschaftlichen Boden befinden. Die Reflexe dieser ökonomischen Erdbeben sind die Angriffe der Arbeiter gegen die Gesellschaftsordnung, die nicht durch Kanonen zum Schweigen gebracht werden können. Am Schlüsse seines Vortrags skizzirte Redner noch kurz seine persönliche Ansicht über die Gestaltung der Dinge und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Entwickelung des Bürgerthums eine derartige sein möge, daß sie uns sowohl vor der Herrschaft des norddeutschen Junkerthums als auch derjenigen des süddeutschen Spießbürgerthums bewahrt, obgleich er die erstere noch vorziehen würde. Die Zukunft des deutschen Vaterlandes ruhe auf der Entwickelung eines kräftigen, gesunden, deutschen Bürgerthums. Hiermit schloß der berühmte Gelehrte den Cyclus seiner Vorlesungen, die sicherlich allen Zuhörern ein reiches Maß neuen Wissens gebracht haben.
Bodenverteilung und Bevölkerungsbewegung [Vortrag am 7. Dezember 1897 in Straßburg]
Editorischer Bericht Zur
Entstehung
Einer der wichtigsten Themenkomplexe, mit denen sich Max Weber in den 1890er Jahren auseinandersetzte, war das Verhältnis von deutscher Agrarverfassung und nationaler Frage. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Arbeiten die Frage nach den nationalpolitischen Konsequenzen der im Osten vorherrschenden Agrarstruktur. Dieses Problem war auch Thema seines am 7. Dezember 1897 in Straßburg gehaltenen Vortrags. Weber war vermutlich von der evangelischen Gemeinde oder einem dem Evangelischsozialen Kongreß nahestehenden Vortragsverein in Straßburg eingeladen worden, denn er referierte im Evangelischen Vereinshaus. Die näheren Umstände der Einladung sind nicht bekannt. Wie aus den Schlußbemerkungen der uns überlieferten Zeitungsberichte hervorgeht, sprach Weber im Rahmen einer Vortragsreihe. Über Webers Vortrag liegen gleichlautende Berichte der Straßburger Post, der Straßburger Neuesten Nachrichten und des Straßburger Tageblatts vor. Die Straßburger Post stellte ihrem Bericht folgende Bemerkung voran: 1 „Am Dienstag Abend hielt im Evangelischen Vereinshause Professor Max Weber aus Heidelberg einen Vortrag über .Bodenverteilung und Bevölkerungsbewegung'." In den Straßburger Neuesten Nachrichten lauten Überschrift und Vorbemerkung: 2 „ Vorträge im Evangelischen Vereinshause. Am Dienstag Abend hielt Professor Max Weber aus Heidelberg seinen angekündigten Vortrag über .Bodenvertheilung und Bevölkerungsbewegung'." Im Straßburger Tageblatt heißt es: 3 „ Vorträge im Evangelischen Vereinshause. Dienstag Abend hielt Prof. Max Weber aus Heidelberg seinen angekündigten Vortrag über:,Bodenvertheilung und Bevölkerungsbewegung'."
1 Straßburger Post, Nr. 959 vom 9. Dez. 1897,1. Mittags-Ausgabe, S. 2. 2 Straßburger Neueste Nachrichten, Nr. 288 vom 9. Dez. 1897, 3. Blatt, S. 1. 3 Straßburger Tageblatt, Nr. 289 vom 10. Dez. 1897, S. 2.
854
Bodenverteilung und Bevölkerungsbewegung Zur Überlieferung
und
Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Über den Vortrag liegen uns folgende Presseberichte vor: 1. Straßburger Post, Nr. 959 vom 9. Dezember 1897, 1. Mittags-Ausgabe, S. 2; 2. „Vorträge im Evangelischen Vereinshause", Straßburger Neueste Nachrichten, Nr. 288 vom 9. Dezember 1897, 3. Blatt, S. 1; 3. Straßburger Tageblatt, Nr. 289 vom 10. Dezember 1897, S. 2. Da die Berichte wortidentisch sind und nur geringfügige Abweichungen in der Orthographie vorliegen, gelangt hier nur der Bericht der Straßburger Post, A(1), zum Abdruck. Die Abweichungen in den beiden anderen Artikeln betreffen die Schreibweise der Worte: „kulturgeschichtlichen" statt „culturgeschichtlichen", „Entwickelung" statt „Entwicklung", „Bodenvertheilung", statt „Bodenverteilung", „landwirtschaftlichen" statt „landwirtschaftlichen" und „Produkten" statt „Producten".
Bodenverteilung und Bevölkerungsbewegung [Bericht der Straßburger Post]
In lebendiger und anschaulicher Weise führte der Redner aus, wie im Zusammenhang mit der ganzen culturgeschichtlichen Entwicklung 5 es gekommen, daß zur Zeit in Westdeutschland der Klein- und Großbauernstand, im Osten der Großgrundbesitz vorherrschend ist. Diese verschiedene Bodenverteilung ist von größtem Einfluß auf die Bevölkerungsdichtigkeit und Seßhaftigkeit (je mehr Großgrundbesitz, desto dünner und weniger seßhaft die Bevölkerung), sowie auf 10 die Entwicklung des Handwerks und Gewerbes in den Kleinstädten und Landstädten. Eine größere Anzahl seßhafter Bauern auch im Osten zu schaffen, liegt im Interesse der nationalen Wohlfahrt. Doch muß Deutschland darauf verzichten, seinen Bedarf an landwirtschaftlichen Producten selbst zu erzeugen; es ist darauf angewiesen, 15 mehr und mehr Industriestaat zu werden.
Anhang I Mitunterzeichnete Eingaben und Aufrufe
Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Der sozialpolitische Aufbruch zu Beginn der 1890er Jahre blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Frauenbewegung. Es entstanden zahlreiche sozialreformerische Frauenvereine, die sich gegen die herkömmlichen karitativen Frauenvereine abgrenzten. Diese neuen Vereine vermittelten anfänglich noch Frauen und Mädchen zu ehrenamtlicher Tätigkeit an Wohlfahrtsorganisationen; später bemühten sie sich um die systematische Ausbildung von Frauen für Tätigkeiten in den verschiedenen Bereichen der Sozialfürsorge. Dabei verfolgten sie das Ziel, staatlich anerkannte Ausbildungswege für bestimmte, im Zuge des Ausbaus des staatlichen Versorgungssystems an Zahl und Bedeutung zunehmende soziale Berufe zu schaffen. 1 Diesen Zielen galt auch die Gründung der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" in Berlin 1893. Die Initiative zur Gründung dieser Gruppen ging von Minna Cauer, der Vorsitzenden des seit 1888 bestehenden Berliner Vereins „Frauenwohl", aus. 2 Minna Cauer lenkte das Interesse dieses Vereins, der sich ursprünglich als reine Frauenrechtsorganisation verstanden hatte, zunehmend auf das Feld konkreter sozialer Tätigkeit. 3 Die seit Ende 1892 4 in loser Form bestehenden „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" sollten nach Minna Cauers Vorstellung straffer und als eigenständige Organisation unabhängig vom Verein „Frau-
1 Greven-Aschoff, Barbara, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1 8 9 4 1933. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981, S. 78f. 2 Evans, Richard J „ The Feminist Movement in Germany 1 8 9 4 - 1 9 3 3 . - London: SAGE Publications 1976, S.38f. 3 Ebd., S.39. Vgl. auch: Minna Cauer. Leben und Werk. Dargestellt an Hand ihrer Tagebücher und nachgelassenen Schriften von Else Lüders. - Gotha/Stuttgart: Fr.A. Perthes 1925, S. 71. 4 In einem Artikel der Zeitschrift „Frauenwohl" heißt es: „Was vor einem Jahr [...] begonnen worden ist, junge Mädchen zur Thätigkeit für das allgemeine Wohl nicht allein anzuregen, sondern auch vorzubereiten, hat sich nun zu einer größeren Organisation entwickelt." Frauenwohl. Zeitschrift für Frauen-Interessen, Nr. 16 vom 15. Dez. 1893, S. 125.
860
Organisation von Mädchen- und Frauengruppen
enwohl" organisiert werden. Minna Cauer fand für ihre Pläne viel Zustimmung, insbesondere in Kreisen des Bildungsbürgertums und der Akademikerschaft. Den von ihr in der Zeitschrift „Frauenwohl" veröffentlichten Aufruf „Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" unterzeichnete neben zahlreichen anderen Persönlichkeiten, zu denen u.a. die Nationalökonomen Gustav Schmoller und Max Sering gehörten, auch Max Weber. Der Erklärung lag der Gedanke zugrunde, daß nur eine systematische praktische und theoretische Ausbildung sozialreformerisch interessierten Frauen die Möglichkeit geben könne, den sozialen Problemen unterbürgerlicher Schichten effektiv zu begegnen. 5 Auf welchem Wege und zu welchem Zeitpunkt Max Weber Kontakt zu dem Berliner Verein „Frauenwohl" und den von diesem begründeten Gruppen bekam, ist unbekannt. Möglich ist jedoch, daß Weber über Gustav Schmoller, den Vorsitzenden des Vereins für Socialpolitik, geworben wurde. Ebenfalls ist wahrscheinlich, daß Weber bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Erklärung (I.Dezember 1893) sein Einverständnis gegeben hatte, für die Vereinigung Vorträge zu halten, wie sie in der Erklärung angekündigt wurden. Bereits am 13. Januar 1894 erschien im Berliner Tageblatt eine entsprechende Anzeige, in der Weber als Referent genannt wurde. 6 Die Erklärung ist unterzeichnet von dem engeren Komitee des Vereins „Frauenwohl". Dann folgt, davon abgesetzt, eine Unterschriftenliste mit dreiundfünfzig Namen, darunter an letzter Stelle Max Weber. Dieser unterzeichnete mit: „ Prof. Dr. Weber".
Zur Überlieferung und Edition Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift „Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" in der Zeitschrift Frauenwohl. Zeitschrift für Frauen-Interessen, hg. vom Verein Frauenwohl, Berlin, Nr. 15 vom 1. Dezember 1893, S. 117f., erschienen ist (A).
5 Diese Beschränkung auf den rein sozialen Aspekt unter expliziter Ausklammerung der „Emanzipationsbestrebungen" in der Erklärung führte wenig später zur Abspaltung des „Berliner Frauenvereins" unter der Führung von Helene Lange. Evans, ebd., S.39; Frauenwohl, Nr. 4 vom 15. Febr. 1894, S. 32a und 32b. 6 Berliner Tageblatt, Nr. 23 vom 13. Jan. 1894, Ab. Bl., S.2. Zu den Vorträgen Webers über „Grundzüge der modernen sozialen Entwickelung" siehe unten, S. 91 Of. Manuskripte oder Berichte über diese Vorträge sind nicht überliefert.
Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit
Der wirtschaftliche und kulturelle Notstand in großen Bevölkerungsschichten des Vaterlandes, die zunehmende Verbitterung innerhalb 5 weiter Kreise des Volkes, rufen auch die Frauen gebieterisch zu sozialer Hülfsthätigkeit auf. Es darf nicht länger verkannt werden, daß gerade die Frauen und jungen Mädchen der oberen Stände eine schwere Mitschuld dafür trifft, jene Verbitterung durch Mangel an Interesse und Verständnis für die Anschauungen und Empfindungen 10 der unbemittelten Klassen, durch den Mangel jedes persönlichen Verkehrs mit diesen Volkskreisen gesteigert zu haben. Daß hier Wandel geschafft werden muß, haben die besten unter den deutschen Frauen vielfach erkannt. Jede Umsetzung dieser Erkenntnis in praktische Bestrebungen aber stößt unter den modernen, 15 namentlich den großstädtischen Verhältnissen auf ernste Schwierigkeiten und erfordert um so dringlicher ein organisirtes Vorgehen. Es handelt sich um keinerlei „Emanzipationsbestrebungen", es handelt sich lediglich darum, Frauen und junge Mädchen zu ernster Pflichterfüllung im Dienste der Gesamtheit heranzuziehen. 20 Eine Organisation auf breiter Grundlage wird von Frauen Berlins unter Mitwirkung der Leiter der betreffenden Wohlfahrtsinstitute u.s.w. geplant. Beabsichtigt ist eine theoretische Ausbildung durch Vorträge, sowie praktische Thätigkeit der Frauen und jungen Mädchen. Die praktische Arbeit | soll durchaus im Vordergrunde stehen. A 118 25 Sie wird in der Thätigkeit in Wohlfahrts-Einrichtungen für das jugendliche Alter (Krippen, Knaben- und Mädchenhorte a u. s. w.), a in Anstalten der Armenpflege, in Volksküchen, in Kranken-Anstalten, wie in anderweiter sozialer Hülfsthätigkeit (persönliche Fürsorge bei hülfsbedürftigen Familien u[nd] a[nderes] m[ehr]) bestehen. Einzel30 ne dieser Thätigkeiten werden naturgemäß Frauen in reiferem Alter vorzubehalten sein. Der Umfang der Mitarbeit soll sich durchaus nach dem Maße der verfügbaren Zeit richten: es soll der individuellen Neigung und Fähigkeit der weiteste Spielraum gelassen werden. a A: u . s . w . ) ;
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Organisation von Mädchen- und Frauengruppen
Bei dem theoretischen Teile der Ausbildung handelt es sich um keinen neuen gelehrten Ballast der Frauenbildung; die Vorträge sollen nicht Selbstzweck werden, vielmehr lediglich Mittel zu dem Zwecke sein, die Frauen und jungen Mädchen zu einer umsichtigen und planmäßigen praktischen Thätigkeit anzuregen. Es sollen aus 5 diesem Gesichtspunkte lebendige Anschauungen geboten werden, indem leichtverständliche Vorträge über wirtschaftliche und soziale Verhältnisse nach Möglichkeit verbunden werden mit Besuchen in Musterstätten von öffentlichen oder privaten Wohlfahrts-Einrichtungen. Ferner soll eine geeignete Belehrung über öffentliche Ge- 10 sundheitspflege und Verwandtes geboten werden. Eine Anzahl erfahrener Fachmänner hat sich für die Vorträge bereitwilligst zur Verfügung gestellt. Berlin, im November 1893.
[Eingabe an den Evangelischen Oberkirchenrat zum Entwurf einer neuen Agende]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
1893 wurde auf Veranlassung der Generalsynode der evangelischen Landeskirche in Preußen und im Einvernehmen mit dem Evangelischen Oberkirchenrat die Ausarbeitung einer neuen Gottesdienstordnung, nachdem ein erster Versuch gescheitert war, erneut in Angriff genommen. Die Mehrheit der Provinzialsynoden, denen der Entwurf zur Begutachtung vorgelegt wurde, äußerte sich positiv. Dies rief diejenigen Kräfte der evangelischen Kirche auf den Plan, die in der Aufwertung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, die implizit in dem Entwurf enthalten war, einen Angriff auf die individuellen Glaubensansichten und -äußerungen der Geistlichen und ihrer Gemeindemitglieder sahen. Diese wandten sich mit einer Petition an den Evangelischen Oberkirchenrat. 1 Diese Petition wurde vermutlich von dem Theologen Adolf Harnack verfaßt, 2 dessen kritische Stellungnahme zum Apostolikum bereits 1892 großes Aufsehen erregt hatte. 3 Max Weber wußte spätestens seit Dezember 1893 von dem gegen den Agendenentwurf geplanten Protest. In einem Brief an den Herausgeber der Christlichen Welt, Martin Rade, vom 23. Dezember 1893 mißbilligte eres, daß sich gerade derjenige, der „die Fanfare geblasen" habe, nämlich Hermann von Soden, der „hiesigen Aktion in Bezug auf den Agendenentwurf" nicht mehr anschließen wolle. 4
1 Chronik der Christlichen Welt, Nr. 9 vom 1. März 1894, Sp. 65f. Siehe auch Baumgarten, Otto, Der Entwurf der neuen preußischen Agende, in: Zeitschrift für praktische Theologie, 15. Jg., 1893, S. 344-359. 2 In einem Brief an Martin Rade vom 29. Oktober 1893 schrieb Harnack, er sei von den der kulturprotestantischen Richtung nahestehenden Theologen Julius von Kaftan, Hermann von Soden und Hermann Scholz veranlaßt worden, eine Denkschrift über den Agendenentwurf zu verfassen. UB Marburg, Ms. 684/53. 3 Zu Harnacks Rolle im Apostolikumsstreit siehe: Hermelink, Heinrich, Das Christentum in der Menschheitsgeschichte von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart, Band 3. - Stuttgart und Tübingen: Verlage Metzler und Wunderlich (Hermann Leins) 1955, S. 557-560, sowie Zahn-Harnack, Agnes von, Adolf von Harnack. - Berlin: de Gruyter 19512, S. 144-160. 4 Brief an Martin Rade vom 23. Dez. 1893, UB Marburg, Nl. Martin Rade, Ms. 839.
864
Eingabe an den Evangelischen Oberkirchenrat
In Berlin und in den preußischen Provinzen wurden zu Beginn des Jahres 1894 Unterschriften für die Petition eingeworben und an den Evangelischen Oberkirchenrat weitergeleitet. 5 Eine öffentliche Agitation erfolgte nicht, vielmehr wurden gezielt Gelehrte und akademisch Gebildete angesprochen, die der evangelischen Kirche oder den ihr nahestehenden Vereinigungen, wie dem Evangelisch-sozialen Kongreß, eng verbunden waren. 6 In Berlin wurde die Unterschriftensammlung von dem Prediger Hermann Scholz organisiert. 7 Auf welchem Wege die Eingabe und die Zustimmungserklärungen aus Berlin und den preußischen Provinzen an den Evangelischen Oberkirchenrat gelangten, ist nicht eindeutig zu klären. Vermutlich hat zunächst, d. h. in der ersten Märzwoche, eine offizielle Übergabe des Textes der Petition an den Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats, Barkhausen, stattgefunden. 8 Parallel dazu oder im Anschluß daran sind dann wohl die gleichlautenden Eingaben aus Berlin und den einzelnen Provinzen mit den Zustimmungserklärungen sowie einer gedruckten Zusammenstellung sämtlicher Unterschriften dem Evangelischen Oberkirchenrat übermittelt worden. 9 Die Berliner Eingabe wies achtzig Unterzeichner auf. An sechster Stelle, nach der Unterschrift Gustav Schmollers, findet sich auch die Unterschrift Max Webers mit dem eigenhändigen Zusatz in den Spalten „Stand" und „Wohnung" : „a.o. Professorder Rechte (NW 23 Siegmundshof 6) Berlin". In der gedruckten Liste, die alle Unterschriften aus Berlin und aus den preußischen Provinzen zusammenfaßte, wird Max Weber unter den mehr als 800 Unterzeichnern mit dem Zusatz „a.o. Prof. d. Rechte, Siegmundshof 6." aufgeführt. Der Text der Eingabe wurde Mitte März 1894 in der Chronik der Christlichen Welt einschließlich der Namen aller Unterzeichner veröffent-
5 In den Akten des Evangelischen Oberkirchenrats befindet sich eine umfangreiche Sammlung gleichlautender Eingaben mit jeweils dazugehörigen Unterschriftenlisten. Evangelisches Zentralarchiv, Berlin, EO Generalia VIII9 adhibendum e und EO Generalia VIII9 Bd. IX. Die Eingabe und Unterschriftenliste für Berlin befindet sich in der Akte EO Generalia VIII9 adhibendum e, unpaginiert. 6 Dies geht aus den Unterschriftenlisten sowie dem ersten Absatz der Eingabe selbst hervor. 7 Auf der Eingabe, die dem folgenden Abdruck zugrunde gelegt wird, ist handschriftlich vermerkt: „Anlagen zu der Petition des Predigers] Scholz an St. Marien zu Berlin vom 13. März 1894 (EO 2090) 1. Berlin und Vororte." Unter der Nummer2090 wurde der Eingang der Petition im Tagebuch des Evangelischen Oberkirchenrats von 1894 vermerkt. 8 Im Nachdruck der Eingabe in der Chronik der Christlichen Welt, Nr. 11 vom 15. März 1894, Sp. 81, heißt es: „Folgende Eingabe ist in der vorigen Woche dem Präsidenten des preußischen Evangelischen Oberkirchenrats, Dr. Barkhausen, überreicht worden". 9 Die Berliner Petition traf am 13. März 1894 beim EOK ein (vgl. Anm. 7). Die gedruckte Unterschriftenliste befindet sich ebenfalls in den Akten EO Generalia VIII9 adhibendum e.
Editorischer
Bericht
865
licht.10 In dieser Auflistung wird Max Weber ebenfalls genannt, mit dem Zusatz: „a.o. Prof. d. Rechte". 11 Nachdem sich die verschiedenen kirchenpolitischen Richtungen auf eine Kompromißformel geeinigt hatten, wurde die neue Agende am 14. November 1894 von einer außerordentlichen Generalsynode angenommen.12
Zur Überlieferung
und Edition
Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der sich in den Akten des Evangelischen Oberkirchenrats im Evangelischen Zentralarchiv, Berlin, unter der Signatur: EO Generalia VIII9 adhibendum e, unpaginiert, befindet (A). Auf der Eingabe ist handschriftlich vermerkt: „Anlagen zu der Petition des Predigers] Scholz an St. Marien zu Berlin vom 13. März 1894 (EO 2090) 1. Berlin und Vororte." Max Weber unterzeichnete als Sechster mit dem eigenhändigen Zusatz: „a.o. Professor der Rechte (NW 23 Siegmundshof 6) Berlin". Die Wiedergabe dieser Eingabe in der Chronik der Christlichen Welt, Leipzig, Nr. 11 vom 15. März 1894, Sp. 81 - 8 3 , wird nicht berücksichtigt, da es sich offensichtlich um einen bloßen Nachdruck handelt.
10 Chronik der Christlichen Welt, Nr. 11 vom 15. März 1894, Sp.81-83, und Nr. 12 vom 22. März 1894, Sp. 8 9 - 9 2 . 11 Ebd., Nr. 12 vom 22. März 1894, Sp. 89. 12 Verhandlungen der außerordentlichen Generalsynode der evangelischen Landeskirche Preußens, eröffnet am 27. Oktober 1894, geschlossen am 15. November 1894, hg. vom Vorstande der Generalsynode. - Berlin: Wiegandt & Grieben 1895, S. 530. Vgl. auch Hermelink, Christentum, Band3, S.560f.
[Eingabe an den Evangelischen Oberkirchenrat zum Entwurf einer neuen Agende]
Die Mehrheit der Provinzialsynoden1 hat sich zu dem Entwurf einer landeskirchlichen Agende in der Weise gutachtlich geäußert, daß wir, die Unterzeichneten, mit schweren Besorgnissen über den weiteren Verlauf dieser wichtigen Angelegenheit erfüllt sind. Es hat sich uns daher als Pflicht aufgedrängt, uns vor dem Zusammentreten der Generalsynode mit den nachfolgenden Bedenken und Wünschen vertrauensvoll an die oberste Behörde der Landeskirche zu wenden. Weil wir auch den Schein der Agitation in wichtigen kirchlichen Fragen scheuen, haben wir es nicht darauf angelegt, öffentlich Unterschriften für diese Eingabe zu sammeln. Wir sind aber gewiß, daß wir im Namen vieler treuer und lebendiger Glieder unserer evangelischen Kirche das Wort nehmen. Ist es auch eine unerfüllbare Forderung, daß jeder Einzelne für seine individuelle Erfassung des christlichen Glaubensinhalts in der kirchlichen Agende einen durchweg zutreffenden Ausdruck erhalte, so wollen wir doch nicht verhehlen, daß wir gehofft hatten, es würde bei der neuen Bearbeitung der Agende mehr als es geschehen darauf Bedacht genommen werden, neben den althergebrachten gottesdienstlichen Formen auch solche darzubieten, die dem evangelischen Bewußtsein der Gegenwart einen klaren Ausdruck verschaffen, und so den Fortschritt, den unsere Landeskirche durch die Union gewonnen hat, deutlich an den Tag treten zu lassen. Doch verzichten wir bei dem vorgeschrittenen Stand der Verhandlungen auf so weitgehende Wünsche. Vielmehr nehmen wir die Vorlage des Oberkirchenraths als die gegebene Grundlage an. In erster Linie steht uns der Wunsch, daß es in den freien Willen der Gemeinden gestellt werden möge, die neue Agende in Gebrauch zu nehmen oder bei ihren bisherigen Ordnungen zu bleiben, sowie daß überhaupt die Verpflichtung auf die Agende nicht in einem 1 Die mehrheitlich zustimmenden Stellungnahmen der Provinzialsynoden zum Agendenentwurf befinden sich in den Akten des Evangelischen Oberkirchenrats im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin unter der Signatur: EO Generalia VIII9 adhibendum b und d.
Eingabe an den Evangelischen
Oberkirchenrat
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äußerlich gesetzlichen Sinn gefaßt werde, entsprechend dem Wort, mit welchem Luther der von ihm dargebotenen neuen Gottesdienstordnung das Geleite gab: „Vor allen Dingen will ich gar freundlich gebeten haben, auch um Gotteswillen, alle diejenigen, so diese unsere Ordnung im Gottesdienst sehen oder nachfolgen wollen, daß sie ja kein nöthig Gesetz daraus machen noch Jemandes Gewissen damit verstricken oder fahen 2 , sondern, der christlichen Freiheit nach, ihres Gefallens brauchen, weil, wo, wenn und wie lange es die Sachen schicken und fordern". 3 Wir freuen uns voraussetzen zu dürfen, daß etwas anderes nicht beabsichtigt wird. Aber auch im Falle der Verwirklichung dieser Absicht bleibt es uns Gewissenssache, daß die neue Agende da, wo ihre Einführung durch Mehrheitsbeschluß erfolgt, kein lebendiges und aufrichtiges Gemeindeglied, sei es Geistliche oder Laien, in Gewissensnoth bringe und keiner gesetzlichen unevangelischen Art in unserer Kirche Raum schaffe. Beides aber scheint uns unvermeidlich, wenn es bei den im Entwurf dargebotenen Formularen sein Bewenden hat, noch mehr, wenn die Wünsche der Mehrheiten verschiedener Provinzialsynoden erfüllt werden sollten. Wir sehen ab von einzelnen Wendungen in den formulirten Ansprachen und Gebeten des Entwurfs. Wir fassen nur die Stellen ins Auge, an welchen es sich um das feierliche Bekenntniß des Glaubens der Betheiligten handelt. Daß hierfür das sogenannte apostolische Glaubensbekenntniß die unserer Kirche durch die Geschichte gegebene und gebotene Formulirung sei, ist auch unsere Überzeugung. Es muß aber dem Einzelnen, seinem freien Glauben und Gewissen vorbehalten bleiben, wie er sich innerlich zu dem Wortlaut dieses altehrwürdigen Glaubensbekenntnisses stellen kann und will. Und die agendarischen Formen des Bekenntnißaktes müssen so gestaltet sein, daß diese Freiheit nicht ausgeschlossen wird. Was dem Bekenntniß zum christlichen Glauben nach evangelischem Verständniß erst seinen Werth giebt, ist die Freiheit und unmittelbare Wahrhaftigkeit der persönlichen Zustimmung. Es darf
2 Das heißt: fangen. 3 Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdiensts. 1526. Vorrede, in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesammtausgabe, 19. Band.-Weimar: Böhlau 1897, S.72.
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Eingabe an den Evangelischen
Oberkirchenrat
auch nicht der Schein entstehen, als begnügte sich die evangelische Kirche mit der pietätvollen Unterwerfung unter eine gegebene Überlieferung. Sonst wird das Kleinod unserer Kirche, die eigene, freie Glaubensüberzeugung des Christen, dem Interesse einer doch nur scheinbaren und nicht wirklich durchzusetzenden Uniformirung der Geister geopfert. Ebenso darf der evangelischen Christenheit das Recht nicht verschränkt werden, das ihre Pflicht ist, jedes im Laufe der Geschichte aufgekommene Bekenntniß in seinen Einzelheiten aus dem wachsenden Verständniß des Wortes Gottes zu deuten und zu berichtigen. Muß daher zwar die Agende, die kein Ausdruck des individuellen Glaubens sein kann, auch für das Bekenntniß feste Formen und Ordnungen bieten, so darf sie doch nicht zugleich vorschreiben wollen, in welcher Weise der Einzelne sich dieselben anzueignen hat. Das muß Sache des einzelnen Gewissens bleiben. Wer darin eingreift, versündigt sich an dem innersten Heiligthum des persönlichen Glaubens, in welchem jeder seinem Herrn steht und fällt, und sucht andern das Gewissen zu machen. Die Agende aber würde, hierzu mißbraucht, aus einem Mittel für die Förderung des gemeinsamen und persönlichen Glaubens und des kirchlichen Lebens zu einem Joch für unzählige Gewissen werden. Von diesen Grundsätzen aus, mit welchen unseres Erachtens die evangelische Kirche steht und fällt, haben wir an mehreren Stellen der Agende, theils gegenüber dem Entwurf, theils gegenüber den Mehrheitsbeschlüssen der Synoden, schwere Bedenken. Doch können wir für ihre Erledigung uns hinwiederum bei allen Punkten auf Vorschläge einzelner oder mehrerer Synoden oder auf Voten beträchtlicher Minoritäten berufen. Im Hauptgottesdienst müßte es, entsprechend den Vorschlägen der Rheinischen und Schlesischen Provinzialsynode, bei der Bestimmung der alten Agende bleiben, daß in allen Gemeinden an Stelle des vom Geistlichen gesprochenen Apostolikums das Luther'sche oder ein anderes kirchlich genehmigtes Glaubenslied (z.B. Allein Gott in der Höh' sei Ehr'!) gesungen werden kann. Es ist nicht wahrscheinlich, daß viele Gemeinden von dieser Befugniß Gebrauch machen werden. Da aber das Lied der eigentlich angemessene Ausdruck des gemeinsamen Bekenntnisses ist und das gesprochene Bekenntniß nur der Kürze halber an dessen Stelle tritt, so ist das Verbot der bisher zulässigen, sachgemäßen Form nur als Ausfluß jener irrigen Tendenz zu verstehen und stellt das vom Geistlichen gespro-
Eingabe an den Evangelischen
Oberkirchenrat
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chene Bekenntniß in ein falsches Licht. Dadurch gewinnt die Frage, die praktisch nicht sehr in's Gewicht fällt, eine weittragende principielle Bedeutung. Noch wichtiger erscheint uns, daß bei der Ordination, nach dem Votum der Rheinischen, Westpreußischen, Sächsischen und Schlesischen Synode, die im Entwurf dargebotene Ordnung beibehalten und die Recitation des Apostolikums durch den Ordinanden nicht in die Handlung eingeschoben werde. Liturgisch ist ein solcher Bekenntnißakt, wie allgemein anerkannt wird, hier nicht am Platz. Sachlich ist er überflüssig, weil der Ordinand sich durch Übernahme des Gelübdes ohnehin zum Glauben der Kirche, wie er in ihren Bekenntnissen bezeugt ist, bekennt. Zudem ist er unangemessen, weil kein Grund vorliegt, eines dieser Bekenntnisse vor den andern hervorzuheben. Die preußische Landeskirche stünde denn auch, falls sie diesen Bekenntnißakt einschöbe, damit gegenüber sämmtlichen evangelischen Ordinationsordnungen alter und neuer Zeit einzig da. Wird trotzdem an dieser Forderung festgehalten, so ist das wieder nur als Äußerung jener falschen Tendenz zu verstehen, die auf katholisch-gesetzliche Bindung des Glaubens ausgeht, und darum doppelt zurückzuweisen. Die Folge einer solchen Maaßnahme könnte nur die sein, für viele unserer Ordinanden schwere Gewissenskämpfe heraufzubeschwören, sie in der gesunden Entwicklung ihres Glaubens zu hemmen oder gar zu innerer Unwahrhaftigkeit zu verführen. Was endlich Taufe und Confirmation betrifft, so beanstanden wir keineswegs den Gebrauch des Apostolikums im Zusammenhang dieser Handlungen. Wir haben aber das Bedenken, daß sämmtliche im Entwurf vorgelegte Formulare, wenn man den Wortlaut genau nimmt - und wie dürfte man dies bei so wichtiger Sache anders? kaum einem andern Verständniß Raum lassen, als daß die Pathen, die erwachsenen Täuflinge und die Confirmanden auf den Wortlaut des Apostolikums verpflichtet werden sollen, was doch aus den eben dargelegten Gründen unevangelisch ist. Werden sie aber belehrt, daß das nicht die Meinung sei, so steht zu befürchten, daß die Aufmerksamkeit von dem Mittelpunkt, dem Bekenntniß zu Jesus Christus, abgezogen und bei der nöthigen inneren Auseinandersetzung des eigenen Glaubens mit der dargebotenen Formulirung festgehalten wird. Dadurch muß aber die Klarheit, Kraft und Innerlichkeit des Bekenntnisses Schaden leiden. Die Handlungen selbst for-
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Eingabe an den Evangelischen
Oberkirchenrat
dem auch eine solche mißverständliche Stellung des Apostolikums in keiner Weise. Die Taufe soll nach dem Taufbefehl vollzogen werden. Das durch die Sache Gebotene und der Schrift Entsprechende ist darum, daß auch die Fragen bei der Taufe der Kinder wie der Erwachsenen dem Taufbefehl entsprechend gestellt werden. Es ist unser lebhafter Wunsch, daß eine solche Fragestellung in der Agende für zulässsig erklärt werde, wie derselbe auch auf mehreren Synoden laut geworden ist. Die Confirmation ist von ihrer Entstehung her in erster Linie ein seelsorgerlicher Akt und verträgt als solcher nicht die Bindung an streng vorgeschriebene Formen. Auch greift hier, wo es sich um die Jugend handelt, die pädagogische Rücksicht bestimmend ein und läßt es nicht als rathsam erscheinen, den Kindern ein formulirtes Bekenntniß abzuverlangen, dessen Tragweite sie nicht zu überblikken vermögen. Das gilt selbst für solche Fälle, in denen sie noch in voller Unbefangenheit den allgemeinen Glauben als den ihren bekennen können. Vollends wird es unweise, wo diese Unbefangenheit entschwunden und doch die Reife noch nicht vorhanden ist, die zwischen dem Glauben und seiner Formulirung zu unterscheiden vermag. Leicht wird dann die Handlung, in der sich die Confirmanden freudig zu ihrem evangelischen Glauben bekennen sollen, zu einer Gewissensbedrängniß oder einer Versuchung. Hier fordert die Sache wahrlich selbst dringender als an irgend einem andern Punkt möglichste Freiheit. In der Praxis hat solche Freiheit auch bisher geherrscht. Die Einschränkung derselben würde viele Geistliche mit dem in Conflict bringen, was sie als ihre seelsorgerliche Pflicht empfinden. Die erbauliche Kraft der Handlung, die zum guten Theil auf ihrem seelsorgerlichen Charakter beruht, würde darunter leiden. An keiner andern Stelle würde sich bei unserem evangelischen Volk, dem die Confirmation ans Herz gewachsen ist, die Einführung eines gesetzlichen Elements in das Heiligthum des persönlichen Glaubens empfindlicher rächen als an dieser. Wir bitten daher dringend um ein Formular für die Confirmation, das für die Gestaltung der Handlung möglichst viel Spielraum läßt und insbesondere eine Fragestellung enthält, durch welche die Kinder in einer ihrem Alter und ihrer Reife angemessenen Weise zum Bekenntniß ihres Glaubens aufgefordert werden. Alle diese unsere einzelnen Wünsche sind schließlich nichts anderes als der eine Wunsch, es möge in den Formularen neben der
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Gebundenheit an die Überlieferung, die in ihr wohl mit Recht ein natürliches Übergewicht hat, doch auch die evangelische Freiheit soweit zur Geltung kommen, daß alle Gemeinden die neue Agende mit gutem Gewissen und freudig in Gebrauch nehmen können. Wir 5 bitten den evangelischen Oberkirchenrath noch einmal so ehrerbietig wie dringend, er wolle in diesem Sinn seines hohen Amtes walten, damit die neue Agende zu einem Quell des Segens für die ganze Landeskirche und für Niemand ein Anstoß des Gewissens werde.
[Erklärung gegen die Umsturzvorlage]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Zu Beginn des Jahres 1890 war das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie", das sog. Sozialistengesetz, nicht mehr verlängert und damit außer Kraft gesetzt worden. Gleichzeitig war durch die am 4. Februar 1890 veröffentlichten sozialpolitischen Erlasse Wilhelms II. eine neue Ära fortschrittlicher Sozialpolitik in Aussicht gestellt worden. Doch nur wenige Jahre später schlug das Klima bei Hofe wieder um: Die Erfolge der Sozialdemokratie bei den Reichstagswahlen ließen in hochkonservativen Kreisen den Gedanken reifen, erneut zu repressiven Maßnahmen gegen die „sozialdemokratische Gefahr" zu greifen. Den äußeren Anlaß dazu bot eine Welle von anarchistischen Attentaten in Italien, Spanien und Frankreich, die am 24. Juni 1894 mit der Ermordung des französischen Staatspräsidenten Sadi Carnot einen spektakulären Höhepunkterreichte. Die Forderung nach einem neuen „Umsturzgesetz" gegen die Sozialdemokratie wurde am 26. Mai 1894 von dem preußischen Ministerpräsidenten Botho Eulenburg erhoben, offenbar vor allem in der Absicht, den Reichskanzler Leo von Caprivi, der für einen derartigen Konfliktkurs gegen den Reichstag nicht zu haben war, zum Rücktritt zu zwingen. Eulenburg war hingegen durchaus bereit, es wegen eines solchen Gesetzes zu einem offenen Konflikt mit dem Reichstag kommen zu lassen; der zu erwartende Widerstand der Reichstagsmehrheit sollte notfalls durch eine auf dem Wege des Staatsstreichs durchzusetzende Änderung des Reichstagswahlrechts gebrochen werden. 1 Es gelang Eulenburg, gegen den entschiedenen Widerstand des Reichskanzlers von Caprivi die Zustimmung Wilhelms II. zu diesem Plan zu erlangen. Am 6. September 1894 rief der Kaiser in einer Rede in Königsberg zum „Kampf für Religion, für Sitte und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes" auf.2 Seitdem trug die beabsichtigte Vorlage in der Öffentlichkeit den Namen „Umsturzvorlage". 1 Zur Vorgeschichte: Röhl, John C. G., Deutschland ohne Bismarck. Die Regierungskrise im Zweiten Kaiserreich 1890-1900. - Tübingen: Rainer Wunderlich Verlag Hermann Leins 1969, S. 107-109. 2 Zitiert nach: Born, Karl Erich, Staat und Sozialpolitik seit Bismarcks Sturz. Ein Beitrag zur Geschichte der innenpolitischen Entwicklung des Deutschen Reiches 1890-1914. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1957, S. 116.
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Bericht
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Der Reichskanzler von Caprivi vermochte sich dem Vorschlag eines erneuten gesetzlichen Vorgehens gegen die Sozialdemokratie nicht völlig zu verschließen. Aber um nicht von vornherein einen schweren Konflikt mit dem Reichstag zu riskieren, setzte er durch, daß dies nicht durch ein erneutes Ausnahmegesetz, sondern durch eine Verschärfung der einschlägigen Bestimmungen des ordentlichen Strafrechts erfolgen sollte. Angesichts des Regierungswechsels im Reich und Preußen im Oktober 1894 wurde eine entsprechende Vorlage, auf welcher der Kaiser hartnäckig bestand, jedoch erst unter Caprivis Nachfolger Fürst Chlodwig HohenloheSchillingsfürst am 5. Dezember 1894 im Reichstag eingebracht. 3 Diese als „Entwurf eines Gesetzes, betreffend Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse" bezeichnete Vorlage, die im preußischen Justizministerium ausgearbeitet worden war, stellte eine Reihe von Tatbeständen unter Strafandrohung bzw. verschärfte bereits bestehende Strafandrohungen in teilweise weitreichender Weise. In § 111 und § 111 a wurden die gegen die Anstiftung oder Anreizung zu strafbaren Handlungen gerichteten Bestimmungen des geltenden Strafrechts erheblich erweitert, unter anderem durch Ausdehnung der Strafandrohung auf denjenigen, der derartige Vergehen „anpreist" bzw. „als erlaubt darstellt". Damit sollte auch die Agitation zugunsten einer Änderung der bestehenden Verhältnisse der Strafverfolgung unterliegen. Die Neufassung des §126, Absatz 1, bedrohte denjenigen, der „durch Androhung eines Verbrechens den öffentlichen Frieden" störe, mit bis zu einem Jahr Gefängnis, während, gemäß Absatz 2, „auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staatsordnung" gerichtete Bestrebungen mit bis zu 5 Jahren Zuchthausstrafe geahndet werden sollten. Ferner wurde § 130 des Strafgesetzbuches durch einen neuen Absatz 2 ergänzt, der alle jene mit Geldoder Gefängnisstrafen bedrohte, die „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise die Religion, die Monarchie, die Ehe, die Familie oder das Eigenthum durch beschimpfende Äußerungen öffentlich" angriffen. In § 131 kam es noch massiver; dieser sah eine Geldstrafe oder Gefängnis für denjenigen vor, der „erdichtete oder entstellte Thatsachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen". Schließlich sah Artikel III der Vorlage eine Verschärfung des Gesetzes über die Presse vor, die eine Beschlagnahmung von Presseorganen auch ohne vorherige richterliche Anordnung ermöglichen sollte. 4 Diese Vorlage hätte
3 Sten. Ber. Band 141 (Anlageband), S. 224-232. 4 Alle Paragraphen referiert nach ebd., S. 224f.
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Erklärung gegen die
Umsturzvorlage
es, sofern sie gesetzliche Geltung erlangt hätte, ermöglicht, mit ihren weitgefaßten Bestimmungen keineswegs nur die sozialdemokratische Agitation, sondern jegliche der Regierung oder dem Kaiser mißliebigen Bestrebungen nach Willkür strafrechtlich zu verfolgen. Die Umsturzvorlage wurde vom 8. bis 12. Januar 1895 im Reichstag in erster Lesung beraten und vor allem von der Sozialdemokratie und den linksliberalen Parteien mit großer Entschiedenheit bekämpft. Der Widerstand der Reichstagsmehrheit gegen die Vorlage wurde noch weiter verschärft durch eine Rede des saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg am 9. Januar, der, wie allgemein bekannt war, Wilhelm II. nahestand. Stumm machte unmißverständlich klar, daß mit der „Umsturzvorlage" nicht nur die Sozialdemokratie, sondern auch diejenigen getroffen werden sollten, die als Hochschullehrer, als sogenannte „Kathedersozialisten", sozialpolitische Ideen verbreiteten, sowie ebenso alle jene Geistlichen, die für weitreichende Sozialreformen eintraten. 5 Auch der Zentrumsabgeordnete Gröber meinte, daß, sofern die Vorlage Gesetz würde, dieses auch auf die vom Staate bezahlten Professoren angewandt werden müsse. 6 Die in den anschließenden Beratungen der Reichstagskommission eingebrachten Änderungsvorschläge des Zentrums, die auf eine Ausweitung und Präzisierung jener Bestimmungen hinausliefen, die sich gegen die Verächtlichmachung religiöser Überzeugungen und kirchlicher Lehren richteten, verstärkten die Irritation der liberalen Parteien und der bürgerlichen Schichten. In der Öffentlichkeit kam es zu einem Proteststurm gegen die „Umsturzvorlage". An einer der zahlreichen Erklärungen 7 gegen sie beteiligte sich auch Max Weber. 8 Bei der von Max Weber mitunterzeichneten Erklärung handelte es sich um die Neufassung eines Aufrufs, der von Karl von Mangoldt, Sohn des 1868 verstorbenen Nationalökonomen Hans von Mangoldt, ausgegangen war. Mangoldt gehörte dem Verein für Socialpolitik an und war Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Gemeinwohl. Zudem war er Gründungsvorsitzender der Berliner sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigung, die Stumm in seiner Reichstagsrede besonders scharf angegriffen hatte. 9 Man5 Sten. Ber. Band 138, S. 21 Of. 6 Ebd., S.219f. 7 Einen Überblick über die öffentlichen Protesterklärungen und Petitionen an den Reichstag, an denen sich zahlreiche Gelehrte und Geistliche beteiligten, gibt vom Bruch, Rüdiger, Wissenschaft, Politik und öffentliche Meinung. Gelehrtenpolitik im Wilhelminischen Deutschland (1890-1914). - Husum: Matthiesen Verlag 1980, S. 142-145. 8 Zu Webers Haltung zur „Umsturzvorlage" vgl. auch seinen Vortrag „Die nationalen Grundlagen der Volkswirtschaft", oben, S. 722-728. 9 Mangoldt verfaßte später u.a. als Generalsekretär des Deutschen Vereins für Wohnungsreform zahlreiche Schriften über die Boden- und Wohnungsfrage. Zur sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigung siehe auch S. 512f. und 912f.
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goldt wandte sich Ende Januar/Anfang Februar 1895 an zahlreiche Nationalökonomen und Sozialpolitiker aus dem Umkreis des Vereins für Socialpolitik sowie an Friedrich Naumann nahestehende Geistliche aus der Christlich-sozialen Bewegung mit der Aufforderung, eine von ihm verfaßte Erklärung gegen die Umsturzvorlage zu unterstützen. Mangoldts Erklärung, 10 die sich insbesondere gegen die §§111 a, 126, 130, 131 und Artikel III der Regierungsvorlage richtete, trug den Charakter eines rein moralischen Appells an die „oberen Klassen", die „Opfer" zugunsten der „unteren Klassen" bringen müßten. Auf Grund dieses moralischen Charakters stieß sie bei einer Reihe von Nationalökonomen auf Widerspruch, die nicht den karitativen, sondern den sozialpolitischen Aspekt stärker betont sehen wollten. Unabhängig voneinander übten die Münchener Nationalökonomen Lujo Brentano und Walther Lötz sowie die Freiburger Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Max Weber Kritik in diesem Sinne, die zunächst zu einer Umformulierung des Entwurfs und schließlich zu einer gänzlichen Neufassung desselben führte. Brentano und Lötz trugen ihre Formulierungsvorschläge in ein ihnen von Mangoldt zugesandtes Exemplar handschriftlich ein und leiteten dieses Exemplar am 1. Februar 1895 Heinrich Herkner und Schulze-Gaevernitz mit der Bitte um Zustimmung zu der redigierten Fassung zu. 11 Während der Karlsruher Nationalökonom Heinrich Herkner kommentarlos unterschrieb, strich Schulze-Gaevernitz den einleitenden Satz („Auf Grund ihrer eingehenden Beschäftigung mit der sozialen Frage sehen sich die Unterzeichneten veranlaßt, folgende Erklärung anzugeben:") 1 2 und unterzeichnete, nach Rücksprache mit einer Reihe Freiburger Kollegen, mit dem Zusatz: „(nur in obiger Fassung) u[nd] die übrigen mitgeteilten Freiburger". 13 Vermutlich am 2. Februar 1895 wandte sich Schulze-Gaevernitz an Max Weber. Auch in der von Brentano, Lötz und Schulze-Gaevernitz überarbeiteten Fassung fand der Mangoldtsche Entwurf keineswegs Webers uneingeschränkte Zustimmung. Er unterschrieb die umgearbeitete Erklärung mit 10 Ein Druckexemplar, das offensichtlich zur Versendung an Nationalökonomen und Geistliche bestimmt war, befindet sich in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz unter der Signatur: Slg. Darmst. 2k 1895 (5), Karl von Mangoldt. (Hinfort wird bei Signaturen der Sammlung Darmstaedter der Name des Verfassers des jeweiligen Autographen nur dann hinzugesetzt, wenn er nicht aus dem Kontext hervorgeht.) 11 In einem Brief von Walther Lötz an Karl von Mangoldt vom 1. Febr. 1895 (SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7)) heißt es: „Ich schrieb mit Eilbrief bei Absendung dieser Zeilen unter Beifügung des anderen Druck-Exemplars an Schulze-Gaevernitz und Herkner, die Ihnen direkt mitteilen werden, ob sie die gleichen Änderungen wie wir fordern." 12 Diesen Änderungswunsch hatte er in einem Schreiben an Mangoldt am 31. Januar 1895 bereits angekündigt. SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7). 13 Der Zusatz ,,u[nd] die übrigen mitgeteilten Freiburger" bezieht sich vermutlich auf jene Freiburger, die sich später mit der Neufassung durch Schulze-Gaevernitz einverstanden erklärten. Siehe dazu in diesem Bericht weiter unten, S. 876.
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Erklärung gegen die Umsturzvorlage
dem Zusatz: „(nur in obiger Fassung, und auch in dieser höchst ungern!)". 1 4 Offensichtlich fühlte er sich jedoch auch weiterhin von dem moralisierenden Duktus irritiert, welcher der Erklärung trotz der redaktionellen Überarbeitung durch Lötz, Brentano und Schulze-Gaevernitz noch immer anhaftete. Wahrscheinlich war dies der Grund dafür, daß er zusammen mit Walther Lötz nachträglich doch noch auf eine gänzliche Neufassung der Erklärung drang. Schulze-Gaevernitz übernahm diese Aufgabe gemeinsam mit dem späteren Pazifisten Friedrich Wilhelm Foerster 15 und holte die Unterschriften der Freiburger Kollegen für die Neufassung ein. Noch am 2. Februar übersandte Schulze-Gaevernitz Mangoldt diese gänzlich neue, handschriftliche Fassung mit der Bemerkung: „Prof. M. Weber und Prof. Lötz bestanden auf Umredigirung der Erklärung, die ich - unter möglichster Schonung Ihres Textes - anliegend vornahm." 1 6 Unter der Neufassung waren die Namen derjenigen genannt, die sich mit dieser einverstanden erklärt hatten. Es waren dies außer Schulze-Gaevernitz, Max Weber und Walther Lötz, Aloys Riehl (Philosophieprofessor in Freiburg), Gustav Steinmann (Professor der Geologie und Paläontologie in Freiburg), Theobald Ziegler (Professor für Philosophie und Pädagogik in Straßburg), ferner Heinrich Herkner und Friedrich Wilhelm Foerster sowie Gustav Mez („Fabrikant") und August Schuster („Privatier"). 1 7 Die Neufassung von der Hand Schulze-Gaevernitz' lehnte sich in Aufbau und Tenor eng an den Entwurf Mangoldts an, jedoch waren nunmehr alle moralisierenden Passagen eliminiert. Sie war kürzer und präziser gehalten. Max Weber bezeichnete sie in einem Brief an seine Schwester Clara als „eine etwas strammere Erklärung" , 1 8 Wie weitgehend Max Weber die Neufassung beeinflußt hat, entzieht sich einer genaueren Bestimmung. 14 Das von Brentano, Lötz und Schulze-Gaevernitz redigierte Exemplar mit den Unterschriften von Herkner, Schulze-Gaevernitz und Max Weber befindet sich in der SBPK, Slg. Darmst. 2g 1900 (8) Max Weber. 15 Friedrich Wilhelm Foerster hatte 1893 in Freiburg promoviert. Er war zusammen mit seinem Vater Wilhelm Foerster, Georg von Gizycki und Ferdinand Tönnies Begründer der Gesellschaft für Ethische Kultur und leitete die Freiburger Abteilung. Schulze-Gaevernitz hielt dort im Februar und März 1895 eine Vortragsreihe. Foerster, Friedrich Wilhelm, Erlebte Weltgeschichte, 1869-1953.-Nürnberg: Glockund Lutz 1953, S.89-91; siehe auch: Ethische Kultur, Nr. 18 vom 4. Mai 1895, S. 143. 16 Gerhart von Schulze-Gaevernitz an Karl von Mangoldt vom 2. Febr. 1895, SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7). Die Neufassung ist Beilage dieses Briefes. Ein später als Beilage zu den Grenzboten vom 14. März 1895 abgedrucktes Exemplar dieses Aufrufs, das sich im Nachlaß Schulze-Gaevernitz (Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg, N 523/v17) befindet, trägt die eigenhändige Aufschrift von Schulze-Gaevernitz: „Dieser Aufruf wurde von [Friedrich Wilhelm] Foerster u[nd] mir aufgesetzt u[nd] die Unterschriften gesammelt." 17 Riehl und Steinmann gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Freiburger Ethischen Gesellschaft. Foerster, Friedrich Wilhelm, Erlebte Weltgeschichte, S. 91. 18 Brief an Clara Weber vom 11. Febr. 1895, ZStA Merseburg, Rep. 92, Nl. Max Weber, Nr. 30/3.
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Die Neufassung wurde von Mangoldt, der die weitere Unterschriftensammlung übernahm, geringfügig redigiert und in der Schreibweise modernisiert. Sie wurde, wie Schulze-Gaevernitz vorgeschlagen hatte, 19 mit einem kurzen Vorspann am 3. März 1895 mit den Namen von 163 Unterzeichnern in der „Hilfe" veröffentlicht; 20 ein Nachdruck erschien am 14. März 1895 mit 178 Namen in den Grenzboten. 21 Neben den Unterschriften von Max Weber, Walther Lötz, Lujo Brentano, Schulze-Gaevernitz und den übrigen genannten Freiburger und Straßburger Professoren trug die Erklärung u.a. auch jene von Otto Baumgarten, Theodor Mommsen und Ferdinand Tönnies. 22 Der Erklärung, die nur eine unter einer großen Zahl von Protesterklärungen gegen die „Umsturzvorlage" gewesen ist, war insofern Erfolg beschieden, als die „Umsturzvorlage" am 10. und 11. Mai 1895 vom Reichstag mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. 23
Zur Überlieferung und Edition Insgesamt sind vier Fassungen der Erklärung gegen die Umsturzvorlage überliefert: 1. Die von Mangoldt ursprünglich verfaßte Erklärung, die ihr Autor in gedruckter Form zur Unterschriftensammlung versandte. SBPK, Slg. Darmst. 2k 1895 (5) Karl von Mangoldt (A). 2. Die von Walther Lötz, Lujo Brentano und Gerhart von Schulze-Gaevernitz handschriftlich redigierte Fassung des Mangoldtschen Entwurfs, SBPK, Slg. Darmst. 2g 1900 (8) Max Weber (B). Diese Fassung trägt die Unterschriften Heinrich Herkners, Gerhart von Schulze-Gaevernitz' und Max Webers. Schulze-Gaevernitz fügte seiner Unterschrift die Bemerkung hinzu: „(nur in obiger Fassung) u[nd] die übrigen mitgeteilten Freiburger". Max Webergab seiner Unterschrift den Zusatz bei: „(nur in
19 Gerhart von Schulze-Gaevernitz an Karl von Mangoldt vom 5. Febr. 1895, SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7). 20 Die Hilfe, Nr. 9 vom 3. März 1895, S. 3f. 21 Die Grenzboten, Beilage zu Heft 11 vom 14. März 1895. 22 Unabhängig davon wurde auch die ursprüngliche, von Karl von Mangoldt verfaßte Erklärung veröffentlicht, und zwar in folgenden Zeitschriften und Zeitungen: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst, Beilage zu Heft6 vom 7. Febr. 1895. Nachdrucke erschienen im Berliner Tageblatt, Nr. 71 vom 8. Febr. 1895, Ab. Bl., S. 1; Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, Nr. 7 vom 14. Febr. 1895, Sp. 167f.; Ethische Kultur. Wochenschrift für sozial-ethische Reformen, Nr. 7 vom 16. Febr. 1895, S. 49f., und Die Hilfe, Nr. 9 vom 3. März 1895, S. 3. 23 Sten. Ber. Band 140, S.2216f„ 2242-2244.
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obiger Fassung, und auch in dieser höchst ungern!)". Vgl. das Faksimile, S. 880. 3. Die eigenhändige Neufassung von Gerhart von Schulze-Gaevernitz, SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7) Gerhart von Schulze-Gaevernitz (Beilage zu dem Brief Schulze-Gaevernitz' an Karl von Mangoldt vom 2. Februar 1895) (C). Dieser auf Drängen von Max Weber und Walther Lötz erstellten Neufassung der Erklärung fügte Schulze-Gaevernitz eigenhändig die Namen Max Weber, Heinrich Herkner, Walther Lötz u.a. (siehe oben, S. 876) als Unterzeichner hinzu. 4. Der Abdruck der auf Gerhart von Schulze-Gaevernitz zurückgehenden Neufassung, in: Die Hilfe. Gotteshilfe, Selbsthilfe, Staatshilfe, Bruderhilfe, Leipzig, Nr. 9 vom 3. März 1895, S. 3f. (D). Ein Nachdruck mit geringfügigen Veränderungen (z.B. „obern Klassen" statt „oberen Klassen"), der in: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Litteratur und Kunst, Leipzig, Beilage zu Heft 11 vom 14. März 1895, erschienen ist, kann hier vernachlässigt werden. Diese vier Fassungen kommen im folgenden in zwei Textgruppen zum Abdruck. Der ersten Textgruppe wird die Fassung B, die Webers bedingte Unterstützung erhielt, zugrundegelegt. Im textkritischen Apparat werden die Veränderungen gegenüber der von Weber abgelehnten Fassung A nachgewiesen; ferner wird annotiert, aufweiche Hand (Brentano, Lötz oder Schulze-Gaevernitz) diese jeweils zurückgehen. In der zweiten Textgruppe kommt der Text D zum Abdruck; die Abweichungen von C werden als Varianten annotiert mit Ausnahme der nur durch den Wechsel in der Orthographie von c/z und t/th konstituierten Unterschiede. Der Nachdruck von D in den Grenzboten bleibt unberücksichtigt, da nur geringfügige Abweichungen in der Schreibung vorliegen. Der Übersichtlichkeit halber wurde auf eine Annotation der Fassung B, die ja den Fassungen C und D zugrundeliegt, verzichtet. Die Fassungen A und B tragen keine Überschriften. Die Überschrift von FassungC lautet: „Erklärung", während die Fassung D zusammen mit weiteren Aufrufen unter der gemeinsamen Überschrift „Erklärungen gegen die Umsturzvorlage" veröffentlicht ist.
1.
[Erklärung gegen die Umsturzvorlage]
a
Die materielle und moralische Lage der unteren Klassen in Deutschland bedarf dringend einer durchgreifenden Verbesserung. Diese Verbesserung liegt gleichzeitig im Interesse einer friedlichen und gedeihlichen Entwickelung des Vaterlandes in der Zukunft. b Um eine entsprechende Haltung des Staates und der Gesellschaft herbeizuführen, ist politische Freiheit, ist vor allem Freiheit in der Kritik des Bestehenden notwendig. Die dem Reichstag gegenwärtig vorliegende sogenannte Umsturzvorlage beschränkt diese Freiheit auf das empfindlichste. Es kommen insbesondere in Betracht die § § l l l a , 126, 130, 131 und Artikel III des Regierungsentwurfes. 1 Diese Bestimmungen geben dem Staatsanwalt und Strafrichter Befugnisse in die Hand, mittelst deren nicht bloß die verwerflichen Ausschreitungen der politischen Agitation, sondern auch das, was an ihr durchaus notwendig und segensreich ist, in weitem Umfange getroffen werden kann. Die Befürchtung, daß dies wirklich geschehen würde, läßt sich angesichts der mit dem Sozialistengesetz2 und mannigfachen Gerichtsurteilen der letzten Jahre gemachten Erfahrungen nicht abweisen. Es kommt hinzu, daß jeder soziale Fortschritt unvermeidlich verbunden ist mit der Entwickelung eines gewissen Klassengegensatzes. Dieser Klassengegensatz bringt es leicht mit sich, daß die Justizorgane, die sich im wesentlichen aus den oberen Klassen rekrutieren, trotz des besten Willens von einer gewissen Voreingenommenheit gegen die Worta In A geht voraus: Auf Grund ihrer eingehenden Beschäftigung mit der sozialen Frage sehen sich die Unterzeichneten veranlaßt, folgende Erklärung abzugeben: Streichung G. v. Schulze-Gaevernitz. b In A folgt: Angesichts der großen Privilegien, deren sich die oberen Klassen bei uns erfreuen, ist sie anzustreben auf dem Wege ausgleichender Gerechtigkeit, die den oberen Klassen Opfer auferlegt zu Gunsten der unteren. Streichung W. Lötz. 1 Siehe oben, S. 873. 2 Gemeint ist das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" , das von 1878 bis 1890 in Kraft war.
S i c materielle ltitb moratifdjc Sage ber unteren Staffen in Scut[d)(anb üebovf bringenb einet burdigreifenben SBcrbcffcruitg. l i e f e SBcrbcffcruitg Itcflt glcidijcitig im Sntcrcffe einet friebtidjen nnb gcbciljlidjcn (gntwitfclung bcS Sktcrlmibe« i n bei gufunft. ^ n n i p i i i ^ ^ - ^ f ^ - f a i u i k i i i i w . > u u i . fiitrliii- D I M M A I I F F R » iinfT i i i i a w i iil iii iiiif tiiiii TIIIIIII-nnniifi iiliilllii i'(Tili ^mi lt^ül U Ii uliimi fflnffnn iPpfrit.anfiirUflt jit Sunfton . . . ^ d ltUal., jJ nnr In nen-«fa U m eine entfprcd|cnbe Vollung bei Staates nnb bet ©efetifdjaft tjcrbcijufnljren, ift potitifcfje(^ Steifheit, ift bot aücm Srcitjeit i n bet Shitif bes SJeftcfycnben notwenbig. S i c bem S e i d ) S t o g x — gegenwärtig borlicgcnbe fogeuanute Uuifhirjuorlnge befdjränlt biefe ftrciljcit mtf bo8 empfinbli^fte. & fomuten insbcfoitbcre in »ctradjt bie § § 1 1 1 » , 1 2 6 , 1 3 0 , 1 3 1 unb Hrtifcl I I I bcS SlcgicrungScntionrfcS. Sicfe Seftimimutgcn geben bem Staatsanwalt nnb Strafrid)tcr »efugniffe i n bic ®anb, uiittclft beten nid)t Dlofi bie l>etn>ctflid|cn HuSfffyrcitungen bet politifdjen Agitation, fonbem aud) baS, was an i()t burd)auS notwenbig unb fegensreidj ift, i n weitem Umfange getroffen werben faun. S i c ®efürd|tnng, bafj bie« loirflidj gcfd)efjcn würbe, lägt fid) aitgefidjts bet mit bem Sojialiftcngefcfc unb mauuigfad)cn @)crid)tsurtcilcn bet legten 3aljre gemalten Srfaljruiigcn nid)t abweifen. S S fomiiit rjiuju, baß jeber fojiale SJortfdiritt unbcrmciblidi ucr= buitbcn ift mit bet Sutniirfclung eines gewifjen StaffcugcgcnfatycS. Siefer Slaffengcgcufai bringt es leid)t mit fid), baß bic 3uftiiorgaue, bic fid) im wefcutlid)cu aus bcit oberen Staffen rctruticrcn, trofc bc$ beften S i l l e n s von einet gcioifjcu %.*orcingcnommcnl)cit gegen bic Sortfiiljrcr ber unteren Staffen bc()crrfd)t nnb baljer geneigt finb, belinbarc $aragra|>l)en 511 bereu Ungunfteu anspießen. S e r b e n aber nid|t bloß bie bcrwcrflidicn Slusjdjrcituugcit bet politifdicit Agitation, fonbem bic notweubige freie ilrittf unb Slusfvradic felbcr getroffen, fo ift eine bcbaucrlid)c $>cmiuung bcS fojialcu iyortfdirittcS bie liotlucubige JSoIgc. ? u bcit (r^Irn Snfynn, feit bem S a l i bes Sojialiftcus gcfcjcS, Ijat bic Qinfidit von ber 9!otwcubigfcit fojialcr Slcformcu in bot oberen Staffen bebeutenb angenommen, luäljrcnb fid) glcidifteitig in bcit unterm bic $al)l ber gemüßigten unb befouueneu Elemente ftovf bcrmcl)rt Ijat. S o ift einer $crftiiitbiguug unb fricblid)cm 3ort|d)ritt in crftculid)ct SScifc ber 31kg geebnet. IM ift j n bcfürditen, bnfi, wenn bie ermäliutcn $cftimuiuugcu bet Umftur}> 7"'" borlage ©cfcjj werben, bie oberen Staffen in iljrcm fllcforiiicifcr wieber crfalteu, bic unteren wichet ' rebolutionärer unb7))ofiti»ct M i l a i l v i t ntflDminl» werben. «^^Vv^yL-j/iA»•• © o w ü r b A n t g i tum ber Saljii tamiiimüt^idicrcii gortfdiriltcS abgcbrängmiiib »Sill»Ml>t i u t ^ j M d l f t bOUigcr fojiiupöiitifriicr SiagnationTT^MMrntt'i wnbtii ^ n - M i M ^ . , •* —.• S i e Uutcrjciqucfcu Regelt g(cid) ber gaitj üliciwicgcitben Siel)rja()l uitfcre« SioItcS bcit « « y ^ äBunfd), baß voütifdic ^cr(ired)eu uub ocnoerflitjic 9luSfd)rcituugeu ber politifdjen Agitation Hart) ' / Tfk. Diöfllidjfdt l|int.m,H'I)iltni werbru mi>d)teu. S i c berfeuueu nudi nid|t, baji bic anard)iftifd)e uub fojtialbemofratifdie Agitation oietfad) bic I)crgr(uari)tcn 3bcalc b n J i l c b W t e r u n g in ucrlc|jcubct, o S e i f e i n ben S t a u b jiclit, ben Olcgucr bcjdiiin|ift uitb Verbäd)tigt9bie ®al)r()eit cntltcllt uub bcr> W X t ^ y bi'c[)t.6 9lbct fic glauben, biifj alte biefe Uebelftäubc burd) Strafbefnmmuugcu, wie bic ber Umftur,^ ^r-VZ^** bortage, ci]ci' uermc[)rt als berminbett werben S i c 3jcr^wcif(uug, auf friebtidicm 3i»cgc einen / t*^ _ $ortfd)ritt 511 errieten, ift bet eigcntlidic 9tät)rbobeu für bic auard)iftif(bcn Xticoricn unb Zl).itL'ii . / ber @ewatt; bic 9fusfd)t'citungcn bet in ber po[üi|d)CH Agitation ftcljcubcu Z ä u n e t cutftauuucu / • j u m nidjt geringen t e i l e ber Erbitterung, bic erzeugt wirb burd) bcit l)artuädigcn SBiberftanb, bcit fic finbeit, unb bic Strafen unb Verfolgungen, weldie fic lief) juiic^cii, bei bem an uub für fid) Idblidpcn ^eftrebeu, baS (£-(cnb uub feine Urfad)cu ui bcfänipfcitS « ift j u bcfiird)tcu, baß bic Umftuisborlagc jene 3icrjlucifiuiig uub biefe (Erbitterung, jimädji't in beut ausgcbc^ntcn S r c i s bet aiiardiiftif^en unb fo)ia[bcmofratifd)cit ^ii[)vcv, bnun aber aud) i n ben breiten Waffen ber ^cbitlfcruiig uod) bebeutenb bcrmcljrcn wirb. (£3 mag iliv beften^ falls gelingen, bic 3-ormeu ber b f f c i t t l i d i c u Agitation etwas j u milbcrii, aber bic uid)t iiffcntlidjc wirb bafüt um fo erbitterter unb gel)ä{figct werben. @)riiub(id|c fojialc Slcformen finb bas ciujigc wirCfaute SRittel, um UcrIred)CIndien 9luefd)rcituugcu auf bic S a u e r borjubeugcn uub Sitte unb Orbnung aufvcdjt j u crlpaltcu: bet Segnet muß burd) fiUlidu 8lw|l/. loeldjc il)in beu Slrunb j u / ^ A y i y ^ ¿ i n e n ttnflagcn nimmt, übcrwuubeu werben, bauu wirb man aud) von iliiu uid)t uicl)t bcrgebcuS 7 y w t - ^ i W I « ^ ! « » Qiilliing bcilaugen. S i c oben ¿iticrtcu Scftimmuugeu ber Itmfturjborlagc aber, • * « * j A A y u b c m fic bic fojialc SHcform jii ijciuiucit uub Strafen unb SSerfolgungcu felbft auf biird)aus >\Jtigcrcd;tfertigtc Scfttcbuugcu jit bringen bro()cu, beftirberu gciobeju bie WuS|M)rcituiigcu, iocld)c fie bcfäinifen wollen. \ 1 • 9tu3 aOeit biefen ©tüiibcn glauben bic Untcrici(^nctcn ^ ^ L i m S t a m m » e t giittit u n t geengten ® a d ) c b r t f a j i a l c n g - o r t f ä r i t t i , < r i u i J t a w c n bet S S i c b c r a n n i l i t r u i i g b t t ftd| fdjroff gcgritübcrftclirubm fllafftn unfrred « o l f r ä , i m n a m e u t i n e t frirblitfieu n n b arbrit)lid|rit ^ u t n u f t mtfcrtö S a t e r l a i t b r ö , gegen bic jitierten »eftiunnungen ber Uiuftutibortagc (iinfptud) ctljcbcu j u nuiffeit.
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Erklärung
gegen die
Umsturzvorlage
881
führer der unteren Klassen beherrscht und daher geneigt sind, dehnbare Paragraphen zu deren Ungunsten auszulegen. Werden aber nicht bloß die verwerflichen Ausschreitungen der politischen Agitation, sondern die notwendige freie Kritik und Aussprache selber getroffen, so ist eine bedauerliche Hemmung des sozialen Fortschrittes die notwendige Folge. In den letzten Jahren, seit dem Fall des Sozialistengesetzes, hat die Einsicht von der Notwendigkeit sozialer Reformen in den oberen Klassen bedeutend zugenommen, während sich gleichzeitig in den unteren die Zahl der gemäßigten und besonnenen Elemente stark vermehrt hat. So ist einer Verständigung und friedlichem Fortschritt in erfreulicher Weise der Weg geebnet. Es ist zu befürchten, daß, wenn die erwähnten Bestimmungen der Umsturzvorlage Gesetz werden, die oberen Klassen in ihrem Reformeifer wieder erkalten, die unteren wieder revolutionärer und cweniger geneigt zu positiver Mitarbeit c werden. So würden wir von der Bahn langsamen sicheren Fortschrittes abgedrängt d werden. Damit aber einerseits 0 völliger sozialpolitischer Stagnation, Andererseits vielleicht® wilden revolutionären 'Ausbrüchen, ganz sicher aber dem Bedenklichsten, einer im Düstern schleichenden Geheimbündelei entgegengehen.' Die Unterzeichneten hegen gleich der ganz überwiegenden Mehrzahl unseres Volkes den Wunsch, daß politische Verbrechen und verwerfliche Ausschreitungen der politischen Agitation nach Möglichkeit hintangehalten werden möchten. Sie verkennen auch nicht, daß die anarchistische und sozialdemokratische Agitation vielfach die hergebrachten Ideale der Bevölkerung in verletzender Weise in den Staub zieht, den Gegner beschimpft und verdächtigt, zuweilen 9 h die Wahrheit entstellt und verdreht." Aber sie glauben, daß alle diese Übelstände durch Strafbestimmungen, wie die der Umsturzvorlage, eher vermehrt als vermindert werden. Die Verzweiflung, auf friedlichem Wege einen Fortschritt zu erzielen, ist der eigentliche Nährboden für die anarchistischen Theorien undThaten der Gewalt; die Ausschreitungen der in der politischen Agitation stehenden Männer entstammen zum nicht geringen Teile der Erbitterung, die c A: positiver Mitarbeit abgeneigter Änderung L. Brentano. d A: und vielleicht zu Änderung L. Brentano. e A: vielleicht auch zu Änderung L. Brentano. f A: Ausbrüchen geführt werden. Änderung L. Brentano. g Fehlt in A; Einfügung W. Lötz. h Streichungsvorschlag; Korrekturvorschlag W. Lötz lautet: zuweilen oder streichen.
882
Erklärung gegen die
Umsturzvorlage
erzeugt wird durch den hartnäckigen Widerstand, den sie finden, und die Strafen und Verfolgungen, welche sie sich zuziehen, bei dem an und für sich löblichen Bestreben, das Elend und seine Ursachen zu bekämpfen. Es ist zu befürchten, daß die Umsturzvorlage jene Verzweiflung und diese Erbitterung, zunächst in dem ausgedehnten Kreis der anarchistischen und sozialdemokratischen Führer, dann aber auch in den breiten Massen der Bevölkerung noch bedeutend vermehren wird. Es mag ihr bestenfalls gelingen, die Formen der öffentlichen Agitation etwas zu mildern, aber die nicht öffentliche wird dafür um so erbitterter und gehässiger werden. Gründliche soziale Reformen sind das einzige wirksame Mittel, um verbrecherischen Ausschreitungen auf die Dauer vorzubeugen und Sitte und Ordnung aufrecht zu erhalten: der Gegner muß durch Gerechtigkeit', welche ihm den Grund zu seinen Anklagen nimmt, überwunden werden, dann wird man auch von ihm nicht mehr vergebens 'die Innehaltung der Rechtsordnung' verlangen. Die oben zitierten Bestimmungen der Umsturzvorlage aber, indem sie die soziale Reform zu hemmen und Strafen und Verfolgungen selbst auf durchaus gerechtfertigte Bestrebungen zu bringen drohen, befördern geradezu die Ausschreitungen, welche sie bekämpfen wollen. Aus allen diesen Gründen glauben die Unterzeichneten im Namen der guten und gerechten Sache des sozialen Fortschritts, im Namen der Wiederannäherung der sich schroff gegenüberstehenden Klassen unseres Volkes, im Namen einer friedlichen und gedeihlichen Zukunft unseres Vaterlandes, gegen die zitierten Bestimmungen der Umsturzvorlage Einspruch erheben zu müssen. k Herkner v. Schulze-Gaevernitz. Max Weber (nur in1 obiger Fassung) {nur in obiger u[nd] die übrigen Fassung, und mitgeteilten Freiburger auch in dieser höchst ungern!)''
i A: sittliche G r ö ß e Änderung L. Brentano. j A: eine sittlichere H a l t u n g Änderung L.Brentano. k Fehlt in A; in B jeweils eigenhändig. I B:inin
2.
[Erklärung gegen die Umsturzvorlage]
a
Nachdem am 7. Februar in den „Grenzboten" eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Erklärung gegen die Umsturzvorlage erschienen ist,1 glauben auch die Unterzeichneten ihre Meinung nicht zurückhalten zu dürfen, damit ihr Schweigen nicht als Zustimmung zu der bezeichneten Gesetzesvorlage gedeutet wird. a Die Lage der arbeitenden Klassen in Deutschland bedarf einer durchgreifenden Verbesserung. Diese Verbesserung liegt in gleicher Weise im Interesse einer friedlichen sozialen Entwicklung wie des wirtschaftlichen Fortschritts des Vaterlandes. Um Staat und Gesellschaft den notwendigen Reformen geneigt zu machen, ist politische Freiheit, vor allem Freiheit der Kritik des Bestehenden erforderlich. Die dem Reichstage gegenwärtig vorliegende Umsturzvorlage beschränkt diese Freiheit auf das empfindlichste. Die Dehnbarkeit ihrer Paragraphen läßt die Möglichkeit offen, daß nicht nur die verwerfliche Ausschreitung der politischen Agitation, b sondern auch das, was an ihr nützlich und segensreich ist, getroffen werde. Daß dies0 thatsächlich geschähe, dist, wenn die Vorlage Gesetz werden sollte, 0 nach den mit dem Sozialistengesetz gemachten Erfahrungen® zu befürchten. 'Eine dehnende Auslegung würde unter Umständen selbst im Stande sein, Kirche und Wissenschaft in der Freiheit ihrer Pflichtausübung zu hemmen.' Seit dem Fall des Sozialistengesetzes ist die Einsicht von der Notwendigkeit sozialer Reformen in den oberen Klassen gewachsen,
a Fehlt in C; späterer Formulierungsvorschlag G. v. Schulze-Gaevernltz (oben, S . 8 7 7 , Anm.19): Nachdem am 7. Februar eine Erklärung gegen die Umsturzvorlage in den Grenzboten erschienen ist, glauben auch die Unterzeichneten mit folgender Erklärung nicht zurückhalten zu dürfen, damit ihr Schweigen nicht als Übereinstimmung mit dem bezeichneten Gesetzentwurf gedeutet werde. b D: Agitation c In C folgt: aber d C: falls die Vorlage Gesetz würde, ist e In C folgt: leider f Fehlt in C.
1 Gemeint ist die von Karl von Mangoldt in den „Grenzboten", Beilage zu Heft6, am 7. Febr. 1895 veröffentlichte Erklärung.
884
Erklärung gegen die Umsturzvorlage
während sich in den unteren die Zahl der gemäßigten und besonnenen Elemente vermehrt hat. Mehr denn früher scheint heute der Verständigung und dem friedlichen Fortschritt der Weg geebnet. Die Annahme der Umsturzvorlage würde die Klassengegensätze9 verschärfen und von hder arbeitenden Klasse'' als ein gegen sie gerichtetes Spezialgesetz empfunden werden. Gleich der überwiegenden Mehrzahl des deutschen Volkes hegen die' Unterzeichner den Wunsch, daß politische Verbrechen und verwerfliche Ausschreitungen der Agitation hintenangehalten werdend Aber sie fürchten, daß diese Gefahren durch Strafbestimmungen, wie die der Umsturzvorlage, eher vermehrt als vermindert werden1. Jene Ausschreitungen, die wir beklagen, entstammen zum nicht geringsten Teil"1 den Strafen und Verfolgungen, welchen unter dem Sozialistengesetz auch solche Arbeiter ausgesetzt waren, die lediglich den wirtschaftlichen Bestrebungen ihrer Klasse zu dienen glaubten. Die Verzweiflung aber, auf gesetzlichem Wege einen Fortschritt zu erzielen, ist der Nährboden für anarchistische Theorien und Thaten der Gewalt. Demgegenüber glauben die Unterzeichneten", daß Freiheit der Meinungsäußerung und der Koalition verbunden mit gründlichen sozialen Reformen °ein weit wirksameres0 Mittel ist, um verbrecherische Ausschreitungen zu verhindern, Sitte, Ordnung und Vaterlandsliebe in den Massenp zu erhalten und neu zu gründen. Aus diesen Erwägungenq erheben die Unterzeichneten' im Namen der friedlichen und gedeihlichen Entwicklung des Vaterlandess Einspruch gegen §§ l i l a , 126, 130, 131 und1 Art. III. der Umsturzvorlage.
g In C folgt: abermals h C: den arbeitenden Klassen i Fehlt in C. k In C folgt kein Absatz. I C: würden m C: Teile n C: Unterzeichner o C: das einzig wirksame p In C folgt: des Volkes q C: Gründen r In C folgt Absatz, s In C folgt Absatz. t C: u.
[Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Friedrich Naumanns Versuche, eine von dem Evangelisch-sozialen Kongreß unabhängige christlich-soziale Gruppierung zu schaffen, sei es als Verein, sei es als Partei, begannen mit der Gründung der Wochenschrift „Die Hilfe" Ende 1894. 1 Naumann bemühte sich, gleichsam um diese Zeitschrift herum einen Kreis gleichgesinnter, nicht dem konservativen Lager angehörender Christlich-Sozialer zu sammeln. Auch Max Weber gehörte zu dieser Gruppe. Obwohl er sich im Mai 1894 in der Besprechung der Schrift Naumanns „Was heißt Christlich-sozial?" 2 über dessen politische Pläne höchst reserviert geäußert hatte, bot er ihm seine Unterstützung, namentlich bei der Gründung der „Hilfe", an. 3 Anläßlich der Tagung des Evangelisch-sozialen Kongresses in Erfurt zu Pfingsten 1895 traf sich erstmals die Gruppe der sogenannten „ Freunde der Hilfe" . 4 Da Weber dort an dem Evangelisch-sozialen Kongreß teilnahm, 5 ist mit großer Sicherheit anzunehmen, daß er auch bei diesem informellen Treffen zugegen war, auf dem neben der „Lage der evangelisch-sozialen Bewegung" auch Organisationsvorschläge besprochen wurden. 6 In dieser Sitzung wurde er zusammen mit seinem Freiburger Kollegen Gerhart von Schulze-Gaevernitz sowie den beiden Pastoren Martin Wenck und Gottfried Traub in das „Comité
1 Die Hilfe. Gotteshilfe, Selbsthilfe, Staatshilfe, Bruderhilfe, hg. von Friedrich Naumann, Leipzig, seit 1897 Berlin: 1894-1919. 2 Oben abgedruckt, S. 350-361. 3 Weber bot eine Bürgschaft in Höhe von 3000 Mark an. Brief an Martin Rade vom 17. Aug. 1894, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 106, Bl.116f. Darüber hinaus erklärte er sich mit der Veröffentlichung seines Namens im Mitarbeiterverzeichnis der „Hilfe" einverstanden. Die Hilfe, 1. Probenummer, 2. Dez. 1894, S.4. 4 Die Hilfe, Nr. 20 vom 19. Mai 1895, S. 7. 5 Weber, Marianne, Lebensbild1, S. 232; Bericht über die Verhandlungen des Sechsten Evangelisch-sozialen Kongresses, abgehalten zu Erfurt am 5. und 6. Juni 1895. - Berlin: Karl Georg Wiegandt 1895, S. 147 (Verzeichnis der Teilnehmer). 6 Die Hilfe, Nr. 21 vom 26. Mai 1895, S. 8.
886
Anschreiben und Programmentwurf
der Freunde der Hilfe" gewählt. 7 Die bereitwillige Aufnahme der Weber so wichtig erscheinenden nationalpolitischen Ideen durch Naumann 8 bestimmte ihn zur weiteren Mitarbeit in dem Kreis der jüngeren ChristlichSozialen. Einem Appell Friedrich Naumanns zur Gründung bzw. Stärkung lokaler Vereinigungen folgend, 9 beteiligte er sich am 4. Dezember 1895 in Frankfurt am Main an dem Treffen der „Freunde der Hilfe" aus Hessen und Hessen-Nassau. 10 Hier äußerte er die Ansicht, „daß man sich erst im Vorstadium zu einer Gruppenbildung befinde, die allerdings, wenn die politischen Fragen herantreten, zu einer Partei entwickelt werden kann. Zunächst solle Pfarrer Naumann die Gelegenheit erhalten, sich nicht mehr so speziell wie bisher mit den Arbeitervereinen zu identifiziren, sondern sich mehr den Interessen der Gesammtheit zu widmen." 1 1 Weber war auch Mitglied des Komitees, das die Gründung einer eigenständigen national-sozialen Tageszeitung, der späteren „Die Zeit", 1 2 vorbereitete. 13 Dieses Komitee arbeitete unter der Federführung Friedrich Naumanns 14 Grundlinien für die geplante Tageszeitung aus. Weber unterzeichnete die ersten beiden, im Januar und Februar 1896 vorgelegten Entwürfe dieser Grundlinien. Diese Entwürfe bestehen aus einem Anschreiben an mögliche Förderer des Projektes, einer Anlage A („Zweck der Zeitung", „Leitideen") und einer Anlage B (einem Formular, in das der Adressat wahlweise eine Spendenoder Darlehenssumme eintragen oder den Erwerb eines Anteilsscheins der zu gründenden Zeitung beantragen konnte). Der erste Entwurf trägt am Kopf den Vermerk „Vertraulich" sowie die Datierung „Ende Januar
7 Rundbrief Friedrich Naumanns an Martin Wenck, Gerhart von Schulze-Gaevernitz, Gottfried Traub und Max Weber vom 14. Aug. 1895, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 232, Bl. 99f. 8 Vgl. in diesem Zusammenhang Naumanns zustimmenden Artikel über Webers Freiburger Antrittsrede, in: Die Hilfe, Nr. 28 vom 14. Juli 1895, S. 1 f. Die Antrittsrede ist in diesem Band abgedruckt, S. 543-574. 9 Rundbrief Friedrich Naumanns vom 14. Aug. 1895. Wie Anm. 7. 10 Vgl. den Bericht der FZ, Nr. 337 vom 5. Dez. 1895, 3. Mo. Bl., S. 1. Eine Anwesenheitsliste mit der Unterschrift Webers befindet sich im ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 162. 11 Bericht der FZ, ebd. 12 Die Zeit. Organ für nationalen Sozialismus auf christlicher Grundlage, Berlin: 1. Okt. 1896-30. Sept. 1897. 13 Bei Weber, Marianne, Lebensbild1, S.233, heißt es: „[...] und tritt in den die Zeitung vorbereitenden Ausschuß ein." 14 Auf der Sitzung des Ausschusses der „Freunde der Hilfe", an der Weber nicht teilnahm, kündigte Naumann am 11. Januar 1896 die Ausarbeitung eines Programmentwurfs an. Siehe das Protokoll der Sitzung, ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 37.
Editorischer
Bericht
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1896".'15 Der erste Teil, das Anschreiben, ist unterzeichnet: „Das vorbereitende Komitee:" Dann folgen die Namen der Mitglieder: „Pfarrer Battenberg, Frankfurt a. M. Pfarrer Foerster, Frankfurt a. M. Landgerichtsrat Küchler, Darmstadt. Pfarrer Naumann, Frankfurt a. M. Landgerichtsrat a.D. v. Oertzen, Freiburg i.Br. Professor v. Schulze-Gävernitz, Freiburg i. Br. Pfarrer Rade, Frankfurt a. M. Professor Trommershausen, Frankfurt a. M. Professor Max Weber, Freiburg i. Br. Professor Johannes Weiss, Marburg. Direktor Heinrich Weizsäcker, Frankfurt a. M. Professor Zimmer, Herborn." Auf dem Entwurf befinden sich Randnotizen, die, wie die Federzeichnung auf der letzten Seite, von Friedrich Naumann stammen. Sie wurden vermutlich anläßlich der Erörterung der Vorlage auf der Sitzung des „engeren Kreises der jüngeren Christlich-sozialen" am 10. und 11. Februar 1896 in Erfurt vorgenommen; Weber nahm an dieser Sitzung nicht teil. 16 Der überarbeitete zweite Entwurf 17 vom Februar 1896 berücksichtigt die Randnotizen und noch andere Änderungen. Das wiederum als „Vertraulich" gekennzeichnete Anschreiben ist unterzeichnet mit „Das vorbereitende Komitee" und den Namen seiner Mitglieder. In dieser Fassung fehlt nunmehr Heinrich Weizsäcker, während neu hinzugekommen sind „Fabrikdirektor Dietze, Frankfurt a.M." und „Oberst a.D. v.Sydow, Ciarens." Dieser Entwurf wurde an die in Frage kommenden Interessenten verschickt, die im zweiten Teil enthaltenen „Leitlinien" in Tageszeitungen veröffent-
15 Ein Exemplar befindet sich im ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 8 0 - 8 2 . 16 Im Protokoll der Sitzung heißt es: „Naumann berichtet über die Tageszeitung." Deutsche Staatsbibliothek, Berlin, Nl. Hans Delbrück, Kasten 123 (Briefe von Fr. Naumann). (Auch abgedruckt in: Kouri, E. J., Der deutsche Protestantismus und die soziale Frage 1870-1919. - Berlin: de Gruyter 1984, S. 215-219). Obwohl Weber an dieser Sitzung nicht teilnahm, wurde er in einen achtköpfigen Ausschuß gewählt, der die Aufgabe zugeteilt bekam, mit den älteren Vertretern der christlich-sozialen Richtung zu verhandeln „und mit ihr einen modus vivendi zu suchen." Ferner sollte der Ausschuß, in den u.a. auch Gottfried Traub, Wilhelm Kulemann, Friedrich Naumann, Gerhart von Schulze-Gaevernitz und Paul Göhre gewählt wurden, ein Vereinsprogramm entwerfen. Ob Weber die Wahl annahm, ist nicht bekannt. 17 Exemplare befinden sich im ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 3 4 - 3 6 , ebd., Nr. 248, Bl. 8 8 - 9 0 , sowie im BA Koblenz, Nl. Gottfried Traub, Nr. 41, unpaginiert. Das Exemplar im Nl. Traub trägt handschriftliche Notizen, die vermutlich von Traub stammen.
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Anschreiben und Programmentwurf
licht 18 und im Anschluß daran noch mehrmals modifiziert. Eine Mitverantwortung oder sogar Mitverfasserschaft Webers an diesen späteren Fassungen ist nicht nachweisbar und auch nicht anzunehmen. 1 9 Der spätere Programmentwurf zur Gründung des Nationalsozialen Vereins 2 0 beruhte auf den Programmentwürfen zur Gründung der neuen Tageszeitung. Der insgesamt sieben Punkte umfassende nationalsoziale Programmentwurf stimmte bis auf eine Wendung in Punkt vier bis einschließlich Punkt fünf wörtlich mit dem Teil „Leitideen" (Anlage A) des von Max Weber unterzeichneten zweiten Entwurfs der Grundlinien für die Tageszeitung von Februar 1896 überein. 21 Ob und inwieweit Max Weber an der Ausarbeitung der Entwürfe von Januar und Februar 1896 direkt beteiligt war, ließ sich nicht ermitteln. Möglicherweise geht die Forderung nach Beschränkung der Macht des Großgrundbesitzes und nach Förderung der inneren Kolonisation, also der Ansiedlung deutscher Bauern und Landarbeiter in den Ostprovinzen, auf seine Anregung zurück. Die Streichung dieser Punkte und die Vorlage eines neuen Programms durch Naumann auf der Gründungsversammlung des Nationalsozialen Vereins in Erfurt im November 1896 war es ja, die Weber schließlich bewog, sich von diesem Unternehmen zu distanzieren. 22
18 So in der Freiburger Zeitung, Nr. 51 vom 1. März 1896. 19 Ein Exemplar der vermutlich dritten Fassung befindet sich ebenfalls im BA Koblenz, Nl. Gottfried Traub, Nr. 41, unpaginiert. Das dazugehörige Anschreiben ist unterzeichnet: „I.A. Foerster, Pfarrer". 20 Abgedruckt in: Protokoll über die Vertreter-Versammlung aller National-Sozialen in Erfurt vom 23. bis 25. November 1896. - Berlin: Verlag der „Zeit" [1896], S. 6f. Vorveröffentlichungen in: Die Hilfe, Nr.40 vom 4.Okt. 1896, S.2, und Nr.44 vom I.Nov. 1896, S. 2, sowie Die Zeit, Nr. 1 vom 1. Okt. 1896. 21 Zu Webers Haltung zu der am 1. Oktober 1896 erstmalig erscheinenden Tageszeitung „Die Zeit" sowie zur Gründung des Nationalsozialen Vereins siehe den Editorischen Bericht zu seinem „Diskussionsbeitrag in der Debatte über das allgemeine Programm des Nationalsozialen Vereins", oben, S. 612-618. 22 Siehe dazu oben, S. 614f.
Editorischer Bericht
Zur Überlieferung
889
und Edition
Hier werden nur die beiden Fassungen berücksichtigt, die von Weber unterzeichnet und damit mitverantwortet wurden. Ein Druckexemplar der ersten Fassung von „Ende Januar 1896" (A) befindet sich im ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 80-82. Druckexemplare der zweiten Fassung von „Februar 1896" (B) befinden sich ebd., Bl. 34-36, und Nr. 248, Bl. 88-90, sowie im BA Koblenz, Nl. Gottfried Traub, Nr. 41, unpaginiert. Der Abdruck folgt B unter Angabe der Abweichungen von A. Die nur durch den Wechsel in der Orthographie von - c - zu - k - konstituierten Varianten werden vernachlässigt.
[Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung]
Februara 1896.
Vertraulich.
P.P. b
Ergebenst unterzeichnetes Komitee hat Ursache anzunehmen, daß diese vertrauliche Zuschrift bei Ihnen sympathisches Verständnis oder zum mindesten diskrete Aufnahme finden wird. Jedenfalls bitten wir um freundliches Gehör für die Mitteilung eines Planes, der in mehrfacher Richtung von allgemeinem Interesse sein dürfte. Es ist von uns, die wir zur Zeit eine Gruppe von etwa 800 erklärten Gesinnungsgenossen vertreten, 0 beschlossen worden, die Herausgabe einer wo möglich vom 1. Oktober d[ieses] J[ahres] an in Frankfurt a.M. erscheinenden neuen Tageszeitung0 vorzubereiten. Über den Geist des Blattes giebt der unter A beiliegende Programmentwurf Aufschluß. Es ist nicht zu erwarten, daß jeder Punkt und jede Wendung in d diesem Schriftstück d den Wünschen und Ansichten aller derer entspricht, die sich für unsern Plan unter irgend einem Gesichtspunkte erwärmen. Wir hoffen aber doch im großen und ganzen das getroffen zu haben, was unsre Freunde von uns erwarten. Es wäre ja leicht, durch größere Allgemeinheit einen größeren Kreis zustimmender Männer zu gewinnen. Aber wir glauben e dieses speciellere e Programm zunächst feinem engeren Freundeskreise' und später, beim Hervortreten des Blattes, 9 der Öffentlichkeit vorlegen
b A: Sie hatten die Freundlichkeit, das mit N o . 17 der Christlia A: Ende Januar chen] W[elt] 1895 Ihnen zugegangene Erklärungsformular zu unterzeichnen und dadurch Ihr Interesse an dem Zustandekommen der geplanten Tageszeitung zu bekunden. Nach mancherlei Vorverhandlungen sind die Unterzeichneten zu einem Komitee zusammengetreten, das die Verwirklichung des Planes mit allem Nachdruck betreiben will. In A folgt nach Absatz: Es ist unter Zustimmung der am 8. Januar in Frankfurt versammelten Zeichner von Beiträgen für das Unternehmen von uns c In A nicht hervorgehoben, d A: diesen Schriftstücken e A: ein spezielleres f A: Ihnen g B: Blattes
Anschreiben
und
Programmentwurf
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zu sollen. Unsre erste Bitte ist nun, daß auch hSie diesen Entwurfh prüfen 'und, wenn Sie im Grundzuge damit übereinstimmen, aber erhebliche Bedenken zu äußern oder wichtige Ergänzungen vorzuschlagen haben, mit Ihren Randbemerkungen uns baldigst' wieder zugehen lassen möchten. k Die Zusammensetzung des Komitees verbürgt, daß unsre Zeitung nicht die politische, socialpolitische oder kirchenpolitische Richtung eines einzelnen Mitunterzeichneten einseitig verfolgen wird. k Die Bildung einer tüchtigen Redaktion 'ist im Werke.' An der Gewinnung der besten geistigen Kräfte wird nicht gespart werden. Unser Blatt soll durch die Qualität seines Inhalts sich durchsetzen, nicht durch die Quantität des Stoffes. Noch bedürfen wir der Mittel. Auf eine m Anfrage in No. 17 der Chr[istlichen] W[elt]1 hin sind 25000 Mark gezeichnet worden als Geschenke, Darlehen und Anteilscheine. Das war für "jenen Versuch" ein sehr dankenswerter, viel verheißender Erfolg. Wir brauchen aber das Fünffache und sind der Zuversicht, daß es uns werden wird, da nun ein größeres Komitee hinter dem Plane steht und die Freunde sehen, daß wir Ernst machen. Ehe wir aber zu dem letzten Mittel eines Aufrufs vor der Öffentlichkeit greifen, °suchen wir auf diesem vertraulichen Wege einen größeren Kreis zustimmender Freunde zu gewinnen. Wir würden glücklich sein, auch Sie dazu zählen zu dürfen. Wenn das der Fall ist, so bitten wir Sie° zweitens um Angabe von Adressen, insbesondere angesehener oder vermögender Personen, an die wir uns weiter mit einiger Aussicht auf Erfolg vertrauensvoll wenden könnten. Es wird sich ebenso darum handeln, h A: Sie, geehrter Herr, diese Entwürfe i A: und wenn Sie erhebliche Bedenken zu äußern oder wichtige Ergänzungen vorzuschlagen haben, die Blätter mit Ihren Randbemerkungen uns baldigst -spätestens bis zum 15. Februark Fehlt in A. I A: wird keine Schwierigkeiten haben. Mit einem bewährten politischen Redakteur 2 stehen wir wegen der Übernahme der obersten Leitung in Verhandlung. m A: jene n A: jene Anfrage o A: versuchen wir diesen Weg des Appells an unsere schon gewonnenen Abonnenten und Kontribuenten, und bitten
1 Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches G e m e i n d e b l a t t für Gebildete aller Stände, Leipzig, Nr. 17 v o m 25. April 1895, Sp. 3 9 9 - 4 0 3 . 2 G e m e i n t ist e n t w e d e r Hellmut v o n Gerlach oder Heinrich O b e r w i n d e r . Beide hatten, bevor sie in die Redaktion der „ Z e i t " eintraten, die christlich-soziale, v o n Adolf Stoecker h e r a u s g e g e b e n e Tageszeitung „ D a s Volk" redigiert. W e n c k , Martin, Die G e s c h i c h t e der Nationalsozialen von 1895 bis 1903. - Berlin: Buchverlag der „ H i l f e " 1905, S . 4 8 f .
892
Anschreiben
und
Programmentwurf
Beiträge zum Zeitungsfonds zu gewinnen, wie Namen zur Unterzeichnung unsrer ersten Abonnements-Einladung, wie endlich Mitarbeiter. Drittens fragen wir an, ob Sie selbst geneigt wären, deinen Beitrag zu zeichnen und bitten dafür Beilage B zu benutzen.p Was die unter a q des Formulars gewünschten Geschenke anlangt, so bemerken wir, daß auch jede kleine Summe ihren idealen und realen r Wert hat. Die verehrten Adressaten, die unsere Entscheidung für Frankfurt a.M. als Erscheinungsort statt für Berlin bedauern, bitten wir zu erwägen, daß die politische Atmosphäre Berlins für unseren Plan z. Z. wenig freundlich ist, daß das Gleiche annähernd vom ganzen Osten gilt, daß dagegen in Frankfurt a.M. wie im Süden und Westen die Bedingungen allem Anschein nach außerordentlich günstig liegen. Kommen wir hier zum Ziele, so dürfen wir hoffen, daß auch in Berlin unser Werk glückliche Nachfolge55 finden wird. Das Blatt soll hier etwa Mittags 12 Uhr ausgegeben werden, wird also noch am Nachmittag und Abend im weiteren Umkreis den Abonnenten zugestellt werden, jedenfalls aber am anderen Morgen auch bei den fernen Posten zur Austragung gelangen. Als Preis sind 3 bis 5 Mark vierteljährlich in Vorschlag. Wir bitten für etwaigen Bescheid über pekuniäre Beihilfe Anlage B zu benutzen und Erwiderungen überhaupt an den mitunterzeichneten Pfarrer Foerster in Frankfurt a.M., Jahnstraße 43, zu richten. 1
p A: sofern Sie noch keinerlei Beitrag gezahlt oder gezeichnet haben, dies in einer der von Beilage B vorgesehenen Weisen noch zu thun, oder wenn Sie es schon gethan haben, Ihren Beitrag zu erhöhen. Seitens derer, die bereits gezeichnet haben und es dabei bewenden lassen, bedarf es keiner neuen Zeichnung. q A: A r A: materialen s A: Nachfolger t In A und B folgen die gedruckten Namen des vorbereitenden Komitees. Vgl. oben, S.887.
Anschreiben und Programmentwurf
893
A.
Vertraulich. I. Zweck der Zeitung.
1. Eine Sachliche und gewissenhafte 3 Berichterstattung über alle wichtigen Vorkommnisse des politischen, socialen und kirchlichen Lebens der Gegenwart. Sorgfältige Preßübersicht b . 2. Herausarbeitung der politischen, socialen, ethischen und religiösen Ideen, die jeder künftigen Reformarbeit zu Grunde liegen müssen. 3. Sammlung der national und social denkenden Kreise des Volkes, die durch das heutige Parteileben nicht befriedigt sind.
II. Leitideen. 1. Wir stehen auf nationalem Boden, indem wir die wirtschaftliche wie politische Machtentfaltung der deutschen Nation nach Außen für die Voraussetzung aller socialen Reform im Innern halten. Wir wünschen eine c feste und stetige 0 auswärtige Politik und werden militärische, dkolonialpolitische und ähnliche 0 Fragen vom nationalen Standpunkte aus beurteilen, ohne auf e eine freimütige® Kritik unsrer militärischen und kolonialen Einrichtungen* zu verzichten. 2. Wir stehen auf dem Boden der deutschen Reichsverfassung und wünschen ein kräftiges Zusammenwirken der Monarchie und der Volksvertretung. 9 Wir treten für die ungeschmälerte Erhaltung der staatsbürgerlichen Rechte aller Volksgenossen ein." 3. Wir halten fest an der historisch gewordenen, das Privateigentum in sich schließenden Wirtschaftsordnung, innerhalb deren wir die Emporentwicklung der Arbeiterklasse wie des ländlichen Kleinbesitzes für möglich halten und verfechten werden. Als unpraktisch verwerfen wir die Utopieen des radikalen Socialismus, ebenso aber auch alle reaktionären Bestrebungen, dieh nicht mehr lebensfähige
a A: unparteiische b A: Preßrevue c A: zielbewußte, sche u . s . w . e A: die f A: Institutionen g Fehlt in A. hende,
d A: colonialpolitih In A folgt: beste-
894
Anschreiben und Programmentwurf
Rechtsformen und 'Wirtschaftsverhältnisse aufrechtzuerhalten oder wiedereinzuführen' suchen. 4. Wir verlangen eine thatkräftige Socialreform in volkstümlichem und freiheitlichem Geiste. kWir sind für Aufrechterhaltung des allgemeinen Reichstags-Wahlrechts und gegen das preußische Dreiklassensystem. Wir fordern Verwirklichung der politischen und wirtschaftlichen Vereinsfreiheit. k Wir verlangen Selbständigkeit des Staates1 gegenüber jeder Gefährdung der Gesamtinteressen durch das Großkapital und die Großindustrie." 1 Für den deutschen Osten wünschen wir unter gleichzeitiger Verhinderung fremdländischer" Einwanderung innere Kolonisation und Einschränkung der Latifundien, in deren Ausdehnung wir eine nationale Gefahr erblicken, ebenso wie in dem politischen und socialen Übergewicht ihrer Besitzer. 5. Wir sind für Regelung der Frauenfrage im Sinne weiterer Zulassung des weiblichen Geschlechts zu geeigneten Berufen und größerer 0 Sicherung seiner persönlichen und ökonomischen Stellung auf dem Boden des bürgerlichen Rechts. 6. Wir wollen mitarbeiten an der Stärkung der idealen Mächte im Volksleben, in deren Mittelpunkt uns die evangelische Wahrheit steht. Zu diesem Zweck p erstreben wir p die Belebung der evangelischen Landeskirchen im Sinne der Reformation q , unter Abweisung aller hierarchischen und intoleranten Strömungen. Ebenso bekämpfen wir im Interesse des konfessionellen Friedens alle antinationalen r Bestrebungen innerhalb der katholischen Kirche. 7. Wir gedenken die gesamte Kunst und Wissenschaft, abgesehen von der reinen Fachgelehrsamkeit, aufmerksam zu beobachten und von dem Standpunkte einer hohen und weiten ideal-christlichen Bildung aus zu beurteilen.
i A: Eigentumsverhältnisse unbedingt aufrechtzuerhalten k Fehlt in A. I A: Staats m In A folgt: Wir stehen für das allgemeine Wahlrecht und gegen das preußische Dreiklassensystem. Wir fordern Verwirklichung der politischen und wirtschaftlichen Vereinsfreiheit. n A: internationaler o Fehlt in A. p A: liegt uns q In A folgt: am Herzen r A: Strömungen in denselben, sowie der antinationalen und kulturfeindlichen
Anschreiben
und
895
Programmentwurf
An Herrn Pfarrer Foerster
B.
Frankfurt a. M. Jahnstraße 43. Die Mitteilungen des vorbereitenden Komitees habe ich empfangen und erkläre mich daraufhin bereit, a) zur Gründung der Tageszeitung einen Beitrag von Mark a fonds perdu beizusteuern, welcher je nach Bedarf von mir eingezogen werden darf; b) sobald die Zeitung zu stände gekommen ist, sie durch ein nach Vereinbarung (jedoch nicht mit mehr als 3%) zu verzinsendes Darlehen von Mark zu unterstützen; c) durch Übernahme eines Anteilscheins von Mark (nicht unter 500) der Gesellschaft beizutreten, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftpflicht (oder als Actiengesellschaft) die Herausgabe der Zeitung in die Hand nehmen wird. Ort: (bitte genau)
s
s Fehlt in A.
Name:
(bitte deutlich)
- Das Nichtgewollte bitte durchzustreichen. - s
[Kundgebung gegen die Sprachenverordnungen in Österreich]
Editorischer Bericht
Zur Entstehung Die österreichische Regierung unter Ministerpräsident Graf Badeni erließ im April 1897 gleichlautende Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren. 1 Damit löste sie bei den Deutschen in Österreich einen Sturm der Empörung aus. Die Deutschösterreicher sahen in den Verfügungen, die das Tschechische im Justizwesen und in bestimmten Bereichen der Verwaltung als innere Amtssprache gleichberechtigt neben das Deutsche stellten und damit von den Beamten in Zukunft die Beherrschung beider Sprachen verlangten, eine eindeutige Bevorzugung der traditionell zweisprachigen Tschechen, und es kam in Österreich zu zahlreichen Protestkundgebungen. Bereits im Mai 1897 wandten sich die Professoren der deutschen Universität in Prag mit einer Petition an die beiden Häuser des österreichischen Reichsrates, 2 in der sie ihrer Sorge Ausdruck verliehen, daß der nationale Friede, der bisher „durch Abgrenzung der nationalen Rechts- und Wirkungssphären" gewahrt worden sei, nunmehr in Gefahr gerate. Die Verfügungen arbeiteten jenen in die Hände, die sich „die ,Revindication' des von den Deutschen durch mehrhundertjährige Arbeit in Böhmen erworbenen und zur Blüte gebrachten Gebietes, sowie die Zerstückelung Österreichs durch Aufrichtung eines selbständigen Königreiches Böhmen" zum Ziel gesetzt hätten. Mit einem einzigen Federzug werde die deutsche Beamtenschaft ihrer Brauchbarkeit beraubt und von einer weiteren Laufbahn in Böhmen abgeschnitten. Dies werde nicht nur zu einer Überrepräsentanz der Tschechen bei den einzelnen Behörden führen, sondern auch verhängnisvolle Folgen für die deutsche Universität in Prag haben, die ihren Studenten keine für den Staatsdienst in Böhmen ausreichende Qualifikation mehr
1 Abgedruckt in Sutter, Berthold, Die Badenischen Sprachenverordnungen von 1897, Band 1. - Graz, Köln: Böhlau Nachf. 1960, S. 274-278. 2 Diese Petition vom 12. Mai 1897 wurde u.a. veröffentlicht im Prager Tagblatt, Nr. 134 vom 14. Mai 1897, S.2f. Im Juni 1897 wurde sie im Deutschen Reich als Flugblatt verteilt. Ein Exemplar befindet sich im ZStA Potsdam, Alldeutscher Verband, Nr. 183, Bl. 8.
Editorischer Bericht
897
bieten könne, so daß vor allem die Zukunft der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät in Frage gestellt sei. Diese Petition wurde von allen 81 Professoren der deutschen Universität in Prag unterzeichnet. Ihr schlössen sich im Sommer 1897 über 800 ordentliche Professoren im Deutschen Reich in einer Sympathiekundgebung an. 3 Unter ihnen befand sich auch Max Weber. In der deutschen wie auch in der österreichischen Öffentlichkeit fand diese Sympathiekundgebung großes Aufsehen. 4 Wer ihr Urheber gewesen ist, ist unklar. Der Heidelberger Staatsrechtler Georg Jellinek und der Heidelberger Historiker Dietrich Schäfer wetteiferten um die Urheberschaft. 5 Sicher ist nur, daß sie von Heidelberger Kreisen angeregt worden ist. Mitte Juli 1897 wurde sie an den Rektor und den Senat der deutschen Universität in Prag gesandt. 6
Zur Überlieferung und Edition Der Text kursierte offensichtlich in mehreren von einander leicht abweichenden Fassungen und Nachdrucken. 1 Das Original oder die Originale, die an den Rektor und den Senat der deutschen Universität in Prag gesandt wurden, sind nicht mehr erhalten. Auch befinden sich weder im Österreichischen Staatsarchiv und im Allgemeinen Verwaltungsarchiv noch im Parla-
3 Eine Liste sämtlicher Unterzeichner bringen die Neue Freie Presse, Wien, Nr. 11817 vom 17. Juli 1897, Mo.BI., S.2, sowie die Münchner Neuesten Nachrichten, Nr. 326 vom 19. Juli 1897, und Nr. 332 vom 22. Juli 1897, Mo. Bl. 4 Vgl. Berliner Tageblatt, Nr. 369 vom 23. Juli 1897, Ab. Bl., und den dort zitierten Auszug aus der Wiener „Reichswehr". 5 Jellinek bezeichnete sich selbst als Urheber, wie aus Abschriften im Nachlaß seiner Frau Camilla Jellinek hervorgeht. BA Koblenz, Nl. Camilla Jellinek, 137, Nr. 2, S. 208. Auch das Berliner Tageblatt, Nr. 369 vom 23. Juli 1897, Ab. Bl., sah in ihm den Urheber. Nach Veröffentlichung dieser und diverser anderer Pressenotizen sah sich demgegenüber Dietrich Schäfer veranlaßt, öffentlich festzustellen, daß die Kundgebung zwar von Heidelberg angeregt worden sei, „daß aber an ihrem Ursprung keine einzelne Persönlichkeit vor andern betheiligt ist." Heidelberger Tageblatt, Nr. 173 vom 28. Juli 1897. In seinen Erinnerungen von 1925 bezeichnete sich Schäfer als den eigentlichen Initiator der Adresse. Schäfer, Dietrich, Selbstbiographie, in: Deutscher Aufstieg. Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart der rechtsstehenden Parteien, hg. von Hans von Arnim und Georg von Below. - Berlin/Leipzig/Wien/Bern: Franz Schneider [1925], S. 448. 6 Hauffen, Adolf, Zur Geschichte der deutschen Universität in Prag, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Jg. 38,1900, S. 115. 1 Siehe die Abdrucke in: Heidelberger Tageblatt, Nr. 165 vom 18. Juli 1897, 1. Bl., S.2, sowie in: Academische Revue. Zeitschrift für das Internationale Hochschulwesen, hg. von Paul von Salvisberg, München, III. Jg., 1897, S.564.
898
Kundgebung gegen die
Sprachenverordnungen
mentsarchiv in Wien Abschriften. Hier wird daher der im BA Koblenz, Nachlaß Camilla Jellinek, 137, Nr. 2, S.208, befindliche gedruckte Text zugrundegelegt (A). Für die Authentizität dieses Textes spricht die Tatsache, daß Georg Jellinek zumindest maßgeblichen Anteil an der Entstehung der „Kundgebung" hatte. Darüber hinaus stimmt diese Fassung, bis auf eine Abweichung,2 mit den Fassungen überein, die wiedergegeben werden in der Neuen Freien Presse, Wien, Nr. 11817 vom 17. Juli 1897, Mo.BI., S. 2, sowie in Hauffen, Adolf, Zur Geschichte der deutschen Universität in Prag, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Jg. 38,1900, S. 115.
2 Im zweiten Absatz, erste Zeile, heißt es in der Neuen Freien Presse und bei Hauffen nur: „Professoren der Universitäten" statt „Professoren der zwanzig Universitäten". Vermutlich wurde der Zusatz „zwanzig" gestrichen, da tatsächlich die ordentlichen Professoren von einundzwanzig Universitäten unterzeichnet hatten. Die in der Neuen Freien Presse und bei Hauffen wiedergegebene Fassung wird auch nachgedruckt in: Sutter, Berthold, die Badenischen Sprachenverordnungen von 1897, Band2. - Graz, Köln: Böhlau Nachf. 1965, S. 41.
[Kundgebung gegen die Sprachenverordnungen in Österreich]
In dem großen und schweren Kampfe, den heute die Deutschen Österreichs um ihre nationale Existenz und ihre berechtigte Stellung in der alten^,] von ihnen geschaffenen und in erster Linie durch ihre Kraft erhaltenen habsburgischen Monarchie zu kämpfen gezwungen sind, hat die Prager Universität, die älteste deutscher Zunge, mannhaft das Wort ergriffen, um auf gesetzlichem Wege die großen Gefahren zu betonen, die ihr, der uralten Stätte deutscher Wissenschaft, und dem ganzen deutschen Volkstum in Böhmen und Mähren drohen. Die unterzeichneten ordentlichen Professoren der zwanzig Universitäten des deutschen Reiches drücken den Kollegen der ehrwürdigen österreichischen Schwesteruniversität ihre wärmsten und lebhaftesten Sympathieen zu ihrem Vorgehen aus und geben der Überzeugung Ausdruck, daß Millionen national gesinnter Bürger des deutschen Reiches mit ihnen in diesen Gefühlen sich einig wissen.
Aufruf zum Besuch eines sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe vom 4. bis 8. Oktober [1897]
Editorischer Bericht
Zur
Entstehung
Vom 4. bis 8. Oktober 1897 fand in Karlsruhe ein sozialwissenschaftlicher Kursus statt, der von der Evangelisch-sozialen Vereinigung für Baden und der Evangelisch-sozialen Konferenz für Württemberg nach dem Vorbild vorausgegangener Kurse des Evangelisch-sozialen Kongresses in Berlin durchgeführt wurde. Beide Vereinigungen standen dem Evangelisch-sozialen Kongreß nahe und waren auf Initiative von Mitgliedern des Kongresses gegründet worden: 1 die Evangelisch-soziale Vereinigung für Baden am 7. Juni 1894 2 und die Evangelisch-soziale Konferenz für Württemberg im Winter 1894/95. 3 Max Weber war Mitglied der Evangelisch-sozialen Vereinigung für Baden; der Zeitpunkt seines Beitritts in die Vereinigung ist nicht bekannt. Er half bei der Organisation des Kursus in Karlsruhe, indem er unter seinen Fachkollegen nach Referenten Ausschau hielt und namentlich Carl Johannes Fuchs, seinen Freiburger Nachfolger, zu gewinnen suchte. 4 Im September 1897 traten die Evangelisch-soziale Konferenz für Württemberg und die Evangelisch-soziale Vereinigung für Baden mit einem gemeinsamen Aufruf zur Teilnahme an dem sozialwissenschaftlichen Kursus an die Öffentlichkeit. Max Weber war in seiner Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses der Vereinigung für Baden als Unterzeichner beteiligt. In dem Aufruf wurde als erstes eine sechsstündige Vortragsreihe von Max Weber über „Agrarpolitik" angekündigt; 5 weiterhin waren als Referenten 1 Herz, Johannes (Hg.), Evangelisches Ringen um soziale Gemeinschaft. Fünfzig Jahre Evangelisch-Sozialer Kongreß, 1890-1940. - Leipzig: Hinrichs und Klotz 1940, S . 5 3 57. 2 „Eine evangelisch-soziale Vereinigung in Baden", in: Mitteilungen des Evangelischsozialen Kongresses, Nr. 3 von März 1895, S. 5. 3 Herz, Evangelisches Ringen, S.56; Chronik der Christlichen Welt, Nr. 21 vom 30. Mai 1895, S. 191. 4 Briefe an Carl Johannes Fuchs vom 19. Juni 1897 und vom 24. Juni 1897, UB Tübingen, Nl. Carl Johannes Fuchs, Md 875:391. 5 Die Berichte über die Vorträge Webers sind oben abgedruckt, S. 830-841. Siehe auch den dazugehörigen Editorischen Bericht.
Editorischer Bericht
901
Heinrich Herkner (Unternehmer- und Arbeiterverbände), Hermann Losch (Bevölkerungsproblem), Walter Troeltsch (Handwerkerfrage) und Gerhart von Schulze-Gaevernitz (Handelspolitik) genannt. Ferner wurde eine Vortragsreihe über „Kommunalpolitik" angekündigt, ohne einen Referenten zu benennen. Der dem Aufruf beigegebene Stundenplan wurde später im wesentlichen eingehalten. 6 Am ersten Tag fand anstelle der ersten der geplanten Vorlesungen über „Kommunalpolitik" eine Begrüßungsansprache statt. Es folgten dann jeweils einstündige Vorträge von Herkner, Losch und Troeltsch. Die Nachmittagsveranstaltungen des gleichen Tages verschoben sich um jeweils eine Stunde, so daß Weber nicht von vier bis sechs Uhr, sondern von fünf bis sieben Uhr referierte. Der für Freitag, den 8. Oktober, vorgesehene Vortrag Herkners und die Schlußdiskussion mit Schulze-Gaevernitz über „Handelspolitik" kamen nicht zustande. Als Referent über „Kommunalpolitik", dessen Benennung in dem Aufruf offen geblieben war, sprach der Frankfurter Stadtrat Karl Flesch.
Zur Überlieferung und Edition Ein Manuskript ist nicht überliefert. Der Abdruck folgt dem Text, der unter der Überschrift „Aufruf zum Besuch eines sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe vom 4. bis 8.Oktober", in: Mitteilungen des Evangelischsozialen Kongresses, hg. vom Aktionskomitee des Evangelisch-sozialen Kongresses, Berlin, Nr. 7 von September 1897, S. 1, erschienen ist (A).
6 Dies ergibt sich aus den Berichten der Badischen Landeszeitung über den Kursus: Nr. 232 vom 5. Okt. 1897, 2. Blatt; Nr. 233 vom 6. Okt. 1897, 1. und 2. Blatt; Nr. 234 vom 7. Okt. 1897, 1. und 2. Blatt; Nr. 235 vom 8. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 236 vom 9. Okt. 1897,1. und 2. Blatt; Nr. 237 vom 10. Okt. 1897, 3. Blatt.
Aufruf zum Besuch eines sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe vom 4. bis 8. Oktober [1897]
Die evangelisch-soziale Konferenz für Württemberg und die evangelisch-soziale Vereinigung für Baden veranstalten vom 4. bis 8. Oktober dieses Jahres im großen Auditorium der technischen Hochschule in Karlsruhe einen sozialwissenschaftlichen Kursus. Wie die vorausgegangenen Berliner Kurse des Evangelisch-sozialen Kongresses, 1 wird auch dieser Kursus einen wissenschaftlich informatorischen Charakter tragen. Er wird dabei aber auch auf die bei der selbständigen Entwicklung des Südens vielfach eigenartigen Verhältnisse der süddeutschen Länder Rücksicht nehmen. Wir laden sozial interessirte Männer und Frauen jedes Standes und ohne Unterschied des Bekenntnisses zur Beteiligung an diesem Kursus freundlichst ein. Zur Deckung der Unkosten wird eine Teilnehmerkarte ausgegeben, die gegen Einsendung von 3 Mark durch Herrn Pfarrer DieterichHolzheim (Württemberg), Stadtpfarrer Dr. Le/zmann-Hornberg (Baden), Vikar Wolf, Straßburg i[m] E[lsaß] (Am Roseneck 19), Realgymnasiallehrer Pfarrer Waitz, Darmstadt, oder die Braunsche Hofbuchhandlung in Karlsruhe zu beziehen ist, an welch letzterer Stelle auch Auskunft über Wohnungen erteilt wird. Vorlesungen sollen gehalten werden über: 1. Agrarpolitik, mit besonderer Berücksichtigung der Agrarverfassung[,j Professor Dr. Max Weber-Heidelberg, 6 Stunden. 2. Unternehmer- und Arbeiterverbände, Professor Dr. HerknerKarlsruhe, 5 Stunden. 3. Bevölkerungsproblem, Privatdozent Dr. Losch, Finanzassessor am statistischen Landesamt, Stuttgart, 3 Stunden. 4. Handwerkerfrage, Privatdozent Dr. Troeltsch, Tübingen, 4Stunden.
1 Der Evangelisch-soziale Kongreß veranstaltete vom 10. bis zum 20. Oktober 1893 und vom 24. September bis 2. Oktober 1896 sozialpolitische Kurse in Berlin. Weber wirkte an beiden Kursen mit; sein Beitrag zum ersten Kursus „Landwirtschaft und Agrarpolitik" ist in diesem Band abgedruckt, S. 259-271. Sein Beitrag zum zweiten Kursus über „Börsenfragen" erscheint in MWG I/5.
903
Aufruf zum Besuch eines Kursus
5. Handelspolitik, mit besonderer Berücksichtigung der Handelsverträge, Professor Dr. von Schulze-Gaevernitz-Freibmg, 5 Stunden. 6. Kommunalpolitik, Referent noch nicht bestimmt, 5 Stunden. 5 Im Anschluß an die Vorlesungen finden Diskussionen statt. Im Einzelnen wird folgender Stundenplan festgesetzt: Montag 8-9
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Herkner
Herkner
Herkner
Herkner
Troeltsch
Troeltsch
Kommunalpolitik
9-10
Kommunalpolitik
Kommunalpolitik
10-11
Herkner
Losch
11-12
Troeltsch
Troeltsch
Diskussion Handwerkerfrage Troeltsch
12-1
3-4
Losch
1 Diskussion
4-5
1
Weber
J Bevölkerungsproblem (Losch)
5-6
J
Weber
v. SchulzeG[aevernitz]
v. SchulzeG[aevernitz]
v. SchulzeG[aevernitz]
l von J SchulzeG[aevernitz]
Weber
Weber
Weber
Weber
frei
Diskussion Agrarpolitik (Weber)
Diskussion Handelspolitik v. SchulzeG[aevernitz]
6-7
Kom[munal]politik
Kommunalpolitik
Ab[en]ds Vortrag u[nd] von 8 Uhr an
35
Diskussion Arbeiter- u[nd] Diskussion •Kommun[al]• Unternehpolitik merverbände (Herkner)
gesellpge] Vereinigung
frei
Für Beschaffung nicht zu teurer Logis in geeigneten Gasthäusern wird ein Lokalkomitee besorgt sein.
Anhang II Nachgewiesene, aber nicht überlieferte Vorträge und Diskussionsbeiträge
Die Gewerbe-Gesellschaft ohne Firma in jetzigem Recht [Probevorlesung am 19. Januar 1892]
Im R a h m e n s e i n e s Habilitationsverfahrens 1 8 9 1 / 9 2 1 hielt Max W e b e r a m 19. J a n u a r 1 8 9 2 vor der j u r i s t i s c h e n Fakultät in Berlin s e i n e P r o b e v o r l e s u n g mit a n s c h l i e ß e n d e m Habilitationskolloquium. T h e m a der war:
Probevorlesung
„ D i e G e w e r b e - G e s e l l s c h a f t o h n e Firma in j e t z i g e m R e c h t " . 2
Ein
M a n u s k r i p t o d e r Mitschriften s i n d nicht b e k a n n t g e w o r d e n . 3
1 Siehe dazu ausführlicher: Deininger, Jürgen, Einleitung, in: Weber, Max, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. 1891, hg. von Jürgen Deininger. -Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1986 (MWG I/2), S. 6 4 - 6 7 . Vgl. auch, auf der Basis der Akten im Archiv der Berliner Humboldt-Universität: Gängel, Andreas und Schaumburg, Michael: „Sollten noch weitere Vorschläge erforderlich sein ..." - Max Webers Habilitation an der Juristischen Fakultät der Berliner Universität, in: Staat und Recht, 38. Jg., 1989, S. 332-334. 2 Laut Mitteilung des Dekans der juristischen Fakultät an das Ministerium vom 1. Februar 1892, ZStA Merseburg, Rep. 76, Va, Sekt. 2, Titel IV, Nr. 49, Band II. 3 Recherchen im Archiv der Humboldt-Universität Berlin verliefen ergebnislos. Dies teilte Dr. Bernd Florath in einem Schreiben vom 15. Sept. 1989 dem Herausgeber mit.
[Die Agrarverfassung in Deutschland] [Vortrag in der „Staatswissenschaftlichen Vereinigung" zu Berlin im Frühjahr 1892]
Mitte Februar/Anfang März 1892 begann Max Weber mit der Auswertung der im Rahmen der Erhebung des Vereins für Socialpolitik über die Lage der Landarbeiter versandten Fragebögen. 1 Bald darauf, vermutlich Ende April oder Anfang Mai 1892, referierte er über erste Ergebnisse seiner Untersuchungen in der „Staatswissenschaftlichen Vereinigung" in Berlin. Diese Vereinigung war in den 1880er Jahren als Gesprächskreis von Nationalökonomen, Juristen und Historikern, vermutlich in Kooperation mit dem Berliner staatswissenschaftlichen Seminar, gegründet worden. Auch Webers agrarhistorischer Lehrer August Meitzen war Mitglied. 2 Gustav Schmoller berichtet in einem Brief an Carl Geibel, den Schriftführer des Vereins für Socialpolitik, vom 7. Mai 1892: „Privatdozent Dr. Weber, der den Osten bearbeitet, hielt neulich in der staatswissenschaftlichen Vereinigung einen ganz ausgezeichneten Vortrag über seine Studien." 3 Ebenso wird in einem Brief Schmollers vom 31. Mai 1892 an den Nationalökonomen Carl Johannes Fuchs, in dem es um die Auswahl eines Referenten über die Ergebnisse der Enquete für die geplante Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik geht, auf den Vortrag Bezug genommen: „Und über die Enquête schien es uns doch, daß wir die ausgezeichneten Mitarbeiter nicht ganz ausschließen sollten, zumal der den Osten bearbeitende Dr. Weber neulich schon uns einen ganz hervorragenden Vortrag hielt. Er soll nun nach Knapp kurz über die Enquête sprechen". 4 Manuskripte oder Berichte über den Vortrag Webers sind nicht überliefert. Die „Staatswissenschaftliche Vereinigung" ist weder mit der 1883 von Gustav Schmoller gegründeten renommierten „Staatswissenschaftlichen Gesellschaft", noch mit der sog. „kleinen staatswissenschaftlichen Gesellschaft" zu verwechseln. Derersteren gehörten ausschließlich hochrangige 1 Vgl. Riesebrodt, S. 24. 2 Fritz Redlich berichtet in seinen Erinnerungen über die „staatswissenschaftliche Vereinigung". Redlich, Fritz, Der Unternehmer. Wirtschafts- und Sozialgeschichtliche Studien. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1964, S. 17f. 3 ZStA Merseburg, Rep. 92, NI. Gustav Schmoller, Nr. 124d. 4 UB Tübingen, NI. Carl Johannes Fuchs, Md 875: 391. Referat und Diskussionsbeiträge Webers auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik am 20. und 21. März 1893 sind in diesem Band abgedruckt, S. 1 6 5 - 2 0 7 .
Die Agrarverfassung
in Deutschland
909
Gelehrte und Beamte an, die letztere war ein Zirkel von fortgeschrittenen Studenten und jungen Wissenschaftlern. 5
5 Siehe ausführlich unten, S. 914f. Weber wird in den Vortragslisten der angesehenen „Staatswissenschaftlichen Gesellschaft" nicht als Referent aufgeführt. Ein Exemplar der Vortragsliste befindet sich im BA Koblenz, Nl. Hans Delbrück, Nr. 24, Bl. 1 3 4 - 1 3 8 .
Grundzüge der modernen sozialen Entwickelung [Vortragsreihe am 20. und 27. Januar sowie am 3., 10., 17. und 24. Februar 1894 in Berlin]
Am 8. Dezember 1893 wurden die „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" als feste und eigenständige Organisation auf Anregung der Vorsitzenden des Berliner Vereins „Frauenwohl", Minna Cauer, gegründet. 1 Auf der Gründungsversammlung, an der auch Gustav Schmoller und Max Sering teilnahmen, wurde ganz im Sinne des eine Woche zuvor veröffentlichten Aufrufs zur Organisation der Mädchen- und Frauengruppen, den auch Max Weber unterzeichnet hatte, 2 dazu aufgefordert, von der bislang üblichen, „rein ästhetisierenden Bildung" der jungen Frauen abzugehen. Notwendig sei viel eher „eine theoretische, wahrhaft nationale und praktische Ausbildung" auf dem sozialen Gebiet. 3 In diesem Zusammenhang wurde auch auf „leicht verständliche Vorträge über wirthschaftliche und soziale Verhältnisse" hingewiesen, „zu denen sich eine Reihe hervorragender Fachmänner zur Verfügung gestellt" habe. 4 Diese Vorträge waren in dem schon erwähnten Aufruf vom 1. Dezember 1893 angekündigt worden. Wahrscheinlich hatte sich Max Weber bereits zu diesem Zeitpunkt zur Übernahme einer Vortragsreihe bereit erklärt, da er ja den Aufruf mitunterzeichnete. Am 13. Januar 1894 erschien im Berliner Tageblatt eine Einladung zu diesen von den „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit" veranstalteten Vorträgen. 5 An erster Stelle wurde ein Vortragszyklus von insgesamt sechs Stunden von Max Weber über „Grundzüge der modernen sozialen Entwickelung" angekündigt. Die Vorträge Webers sollten jeweils samstags von 11 bis 12 Uhr stattfinden und am 20. Januar 1894 beginnen. Am 15. Januar 1894 erschien in der Zeitschrift Frauenwohl eben-
1 Zur Vorgeschichte siehe den Editorischen Bericht zum Aufruf: „Zur Organisation von Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit", oben, S. 859f. 2 Oben abgedruckt, S. 861 f. 3 Zitiert aus dem Eröffnungsvortrag nach dem Bericht des Berliner Tageblatts, Nr. 627 vom 9. Dez. 1893, Ab. Bl., S.2. Vgl. auch den Bericht in der Zeitschrift Frauenwohl. Zeitschrift für Frauen-Interessen, Nr. 16 vom 15. Dez. 1893, S. 126f. 4 Berliner Tageblatt, ebd., S. 3. 5 Berliner Tageblatt, Nr. 23 vom 13. Jan. 1894, Ab. Bl., S.2.
Grundzüge der modernen sozialen Entwickelung
911
falls eine Ankündigung. 6 Laut „Stundenplan der Vorlesungen" sollte Max Weber am 20. und 27. Januar, sowie am 3., 10., 17. und 24. Februar 1894 im Victoria-Lyzeum, Potsdamerstraße, lesen. Neben der Vortragsreihe Webers wurden ferner Vorlesungen über „Wohlfahrts-Einrichtungen für die arbeitenden Klassen", „Organisation der öffentlichen und privaten Armenpflege", „Soziale Hilfsthätigkeit (besonders der Frauen) in England und Amerika", sowie „Grundzüge der Hygiene" und „Gesundheitspflege bei Kindern" angeboten. 7 Berichte, insbesondere Zeitungsberichte, über die Vortragsreihe konnten nicht ermittelt werden. Fest steht jedoch, daß die Kurse stattgefunden haben; dies geht aus einem Artikel der Christlichen Welt hervor, in dem rückschauend auf Max Webers Vortragsreihe Bezug genommen wurde: „Es las Professor Dr. Max Weber über die Grundzüge der modernen sozialen Entwicklung." 8
6 Frauenwohl, Nr. 2 vom 15. Jan. 1894, S. 16. 7 Ebd. 8 „Die evangelisch-sozialen Bestrebungen und die Frauen", in: Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, Nr. 19 vom 10. Mai 1894, Sp.459.
Die landwirthschaftliche Arbeiterfrage [Vortrag in der „Sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigung" in Berlin, 1894]
Im Zusammenhang mit dem im Oktober 1893 vom Evangelisch-sozialen Kongreß veranstalteten Evangelisch-sozialen Kursus zu Berlin 1 wurde an der Berliner Universität nach Göttinger Vorbild die „Sozialwissenschaftliche Studentenvereinigung" unter dem Vorsitz von Karl von Mangoldt gegründet. Sie verfolgte das Ziel, interessierten Hörern aller Fakultäten grundlegende sozialwissenschaftliche und nationalökonomische Kenntnisse zu vermitteln und sie mit sozialpolitischen Fragen vertraut zu machen. 2 Regelmäßig referierte ein Vereinsmitglied, darüber hinaus wurden während des Semesters Professoren oder andere namhafte Männer des öffentlichen Lebens zu Vorträgen eingeladen. In diesem Zusammenhang referierte auch Max Weber über „Die landwirthschaftliche Arbeiterfrage". 3 Der Zeitpunkt des Vortrags kann nur annähernd bestimmt werden. Weber hat ihn frühestens in der zweiten Hälfte Juni 1894 4 und spätestens am 15. August 1894 (Ende des Sommersemesters) vor seiner Übersiedlung nach Freiburg im September gehalten. Neben Max Weber hatten in der Vereinigung u. a. auch der Nationalökonom MaxSering über die „Arbeiterbewegung in England und Deutschland" und der Sozialphilosoph Georg Simmel über „Psychologie des Sozialis-
1 Siehe zu diesem Kursus den Editorischen Bericht zu Webers Beitrag „Landwirtschaft und Agrarpolitik", oben, S.254-258. 2 Vgl. vor allem Köhnke, Klaus Christian, Wissenschaft und Politik in den Sozialwissenschaftlichen Studentenvereinigungen der 1890er Jahre, in: Simmel und die frühen Soziologen, hg. von Otthein Rammstedt. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 308-341. Siehe auch den Artikel des ehemaligen Vorsitzenden der Vereinigung, Ernst Schultze: Die sozialwissenschaftliche Vereinigung, in: Die Zukunft, Band11, 8. Juni 1895, S.466f., sowie den Artikel „Ein Vorstoß gegen die akademische Freiheit", in: FZ, Nr.346 vom 14. Dez. 1894, 1.Mo. Bl. 3 Schultze, Vereinigung, S. 466. Der Titel wird ebenfalls im Bericht des Universitätsrichters an das Kultusministerium vom 13. Dezember 1894 genannt. ZStA Merseburg, Rep.76 Va, Sekt. 2, Tit. XII, Nr. 17, Bandl, Bl. 148. Auch die FZ, ebd., erwähnt Weber als Referenten, allerdings ohne das Thema anzugeben. 4 In einer Karte Webers vom 6. Mai 1894 an Ernst Schultze heißt es: „ich kann an den beiden vorgeschlagenen Montagen nicht. Auch habe ich für die Zeit bis Mitte Juni schon andere ältere Ersuchen ähnlichen Inhalts ausgeschlagen und es wäre nun nicht wohl möglich, daß ich auf den Ihrigen einginge. In der 2 ten Hälfte Juni bin ich gern bereit." UB Basel, Nl. Arthur Spiethoff.
Die landwirthschaftliche
Arbeiterfrage
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mus" referiert.5 Die „Sozialwissenschaftliche Studentenvereinigung" wurde Ende 1894/Anfang 1895 das Ziel scharfer Angriffe von Seiten antisemitischer Studenten des „Vereins Deutscher Studenten" sowie des Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm. 6 Ein Manuskript oder Presseberichte über Webers Vortrag sind nicht überliefert.
5 Schultze, Vereinigung, S. 466. 6 Siehe die Rede von Stumms anläßlich der ersten Lesung der Umsturzvorlage am 9. Januar 1895, Sten. Ber. Band 138, S.210, sowie den Editorischen Bericht zu Webers Artikel „Die Kampfesweise des Freiherrn v. Stumm", oben, S. 5 1 2 - 5 1 6 .
[Vortrag in der sog. „kleinen staatswissenschaftlichen Gesellschaft" am 23. März 1896 in Berlin]
Am 23. März 1896 hat Max Weber einen Vortrag in der sog. „kleinen staatswissenschaftlichen Gesellschaft" gehalten. In einem Brief vom 24. März 1896 an Marianne Weber heißt es: „Montag - gestern - war ich Mittag bei Oldenberg, Abends hatte ich Vortrag in der Staatswissenschaftlichen Gesellschaft." 1 In einem zweiten, ebenfalls an Marianne Weber gerichteten Brief vom 26. März 1896 berichtet Weber ausführlicher: „Montag bei Oldenberg - der hoffentlich bald nach Marburg kommt. Abends heftige Diskussion in der Staatsw[issenschaftlichen] Gesellschaft bis gegen 1 Uhr, besonders mit Sering, der Anfangs ganz wild, nachher gemütlicher war. Auch Jaffe war da - unverändert, - ebenso Münsterberg, - ebenfalls unverändert". 2 Das Thema, sowie ein Manuskript oder Mitschriften des Vortrags sind nicht überliefert. Bei der sog. „kleinen staatswissenschaftlichen Gesellschaft" handelte es sich um einen Kreis fortgeschrittener Studenten und junger Gelehrter, zumeist Juristen und Nationalökonomen, die sich alle zwei Wochen, jeweils an einem Montag, trafen. Bei Max Weber heißt es: „Ich sehe ganz regelmäßig Altersgenossen der verschiedensten Kategorien in unserer .staatswissenschaftlichen Gesellschaft', der Mehrzahl nach allerdings Juristen und Nationalökonomen." 3 Sie ist nicht zu verwechseln mit der „Staatswissenschaftlichen Vereinigung", die vermutlich dem Berliner staatswissenschaftlichen Seminar eng angeschlossen war und der Gustav Schmoller und August Meitzen angehörten. 4 Sie ist auch nicht zu verwechseln mit der 1883 von Gustav Schmoller begründeten „Staatswissenschaftlichen Gesellschaft", die ausschließlich renommierte Hochschullehrer und hohe Regie-
1 Brief an Marianne Weber, undat. [24. März 1896], Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 2 Brief an Marianne Weber vom 26. März 1896, Bestand Max Weber-Schäfer, Deponat BSB München, Ana 446. 3 Brief an Hermann Baumgarten vom 3. Jan. 1891, ZStA Merseburg, Rep.92, NI. Max Weber, Nr. 7. 4 Siehe oben, S. 908.
Vortrag am 23. März 1896
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rungs- und V e r w a l t u n g s b e a m t e vereinigte. Diese Gesellschaft traf sich statutengemäß jeweils am letzten Montag eines Monats. 5 H e r m a n n S c h u m a c h e r , der Mitglied der „kleinen staatswissenschaftlic h e n Gesellschaft" war, berichtet in seinen u n g e d r u c k t e n Erinnerungen über deren Tätigkeit. Dabei v e r w e c h s e l t er allerdings selbst teilweise die „kleine staatswissenschaftliche Gesellschaft" mit der „Staatswissenschaftlichen V e r e i n i g u n g " . Es handelt sich j e d o c h u m die erstere und d e n aus dieser h e r v o r g e g a n g e n e n D o n n e r s t a g s k r e i s : 6 „Ganz anderen Halt hatte die Staatswissenschaftliche Gesellschaft. Sie wurde die kleine genannt zum Unterschied von der von Schmoller gegründeten, der ältere Männer in Amt und Würden angehörten. Von ihr hatte ich von verschiedenen Seiten gehört und im Winter 1892/3 wurde ich in sie eingeführt. Ich war erstaunt über das hohe Niveau der hier gepflogenen Verhandlungen. [...] Alle überragte Max Weber. Er stand damals [...] auf dem ersten, menschlich vielleicht bedeutendsten Höhepunkt seiner Entwicklung. [...] Ebenso zeichnete er sich im Gespräch und in der Debatte aus. Eine verblüffende Beschlagenheit auf fast allen Gebieten des neuzeitlichen Lebens verband sich mit einer bewundernswerten Beherrschung des Wortes und meist auch gewinnender Liebenswürdigkeit. Mir war noch kein jüngerer Mann begegnet, der mir einen ähnlichen Eindruck gemacht hatte. Und Max Weber stand nicht allein. Er war unzweifelhaft der Bedeutendste; aber um ihn gruppierte sich eine Schar von Persönlichkeiten, von denen fast jeder etwas Bemerkenswertes aufzuweisen hatte. Ob es mir je gelingen werde, in diesen Kreis hineinzuwachsen? Ich war darüber sehr im Zweifel. Umso mehr erfreute es mich, daß ich aufgefordert wurde, auch an einer kleineren Tafelrunde teilzunehmen, die sich aus Mitgliedern der Staatswissenschaftlichen Vereinigung, die nur alle vierzehn Tage montags eine Sitzung abhielt, zusammensetzte und sich beim Glase Bier jeden Donnerstag versammelte. Zu seinen regelmäßigen Mitgliedern gehörten außer Max Weber und seinem Bruder Alfred, der damals bei Acta Borussica tätige, spätere Berliner Professor Hintze, der spätere Präsident des Preußischen Statistischen Landesamts Evert, der Sekretär des Zentralverbandes Deutscher Industrieller Wilhelm Hirsch, der Syndikus der Diskonto-Gesellschaft Sattler und der merkwürdige Kenner der Kolonialwirtschaft Kärger; außerdem brachte Max Weber manchmal noch Bekannte, die nicht zur Vereinigung gehörten mit, wie Erich Mareks. Ich habe diesem Kreis mehr Förderung als irgendeinem Seminar zu danken. Ihn empfand ich als eine Entschädigung für das ungemütliche Großstadtleben."
5 Siehe dazu: vom Bruch, Rüdiger, Die Staatswissenschaftliche Gesellschaft, in: Hundert Jahre Staatswissenschaftliche Gesellschaft zu Berlin, 1883-1983. - Berlin: Duncker & Humblot 1983, S . 9 - 6 9 . Weber wird als Referent in den Vortragslisten nicht aufgeführt. Außerdem fanden diesen Listen zufolge nur am 3. und 30. März 1896 Treffen statt, keines aber am 23. März 1896. Vgl. BA Koblenz, Nl. Hans Delbrück, Nr. 24, Bl. 134-138. 6 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg ABK, Nl. Hermann Schumacher, Fasz. 5a, S. 176-178. - Marianne Weber, Lebensbild1, S. 148, identifiziert die „kleine staatswissenschaftliche Gesellschaft" mit dem Donnerstagskreis; tatsächlich ging letzterer aus ersterer hervor.
[Diskussionsbeitrag zum Vortrag von Georg Jellinek am 16. Februar 1898 im Verein „Frauenbildung" in Heidelberg]
Am 15. Mai 1897 wurde die „Heidelberger Abteilung" des Vereins „Frauenbildungsreform" gegründet, in deren Vorstand Marianne Weber gewählt wurde. 1 Wenig später, im Spätsommer oder Herbst 1897, spaltete sich diese Abteilung aus dem Verein „Frauenbildungsreform" ab und gründete eine eigenständige Vereinigung mit dem Namen „Frauenbildung", der ca. sechzig Mitglieder angehörten. Der alte Vorstand wurde bestätigt und Marianne Weber zur Vorsitzenden gewählt. 2 Im Rahmen einer von dieser Vereinigung durchgeführten Vortragsreihe über Frauenfragen sprach am 9. Februar 1898 der Heidelberger Rechtswissenschaftler Georg Jellinek über die „Öffentlich-rechtliche Stellung der Frau in Deutschland". 3 Dieses Thema war nach der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1896 von großem Interesse. Jellinek bemühte sich, in seinem Vortrag deutlich zu machen, daß die Frau rechtlich nicht schlechter gestellt sei als der Mann. Eine Ausnahme bilde das Wahlrecht; dafür müsse aber auch bedacht werden, daß die Frau von der Wehrpflicht befreit sei. Jellinek schloß seinen Vortrag mit dem Hinweis darauf, „daß doch die meisten Frauen ihren Beruf in der Ehe finden". 4 Es verwundert kaum, daß dieser Vortrag auf regen Widerspruch stieß. Am 16. Februar wurde daher ein Diskussionsabend anberaumt. Nach den Presseberichten über diese Veranstaltung hat auch Max Weber teilgenommen. Die Heidelberger Zeitung berichtete, daß sich gewisse Mißverständnisse, die vom Vortragsabend zurückgeblieben seien, während der Diskussion aufklärten: „Es stellte sich in der Discussion, an der die Herren Prof. Jellinek, Prof. Weber, Dr. Mittermaier und mehrere Damen, so Frau Berg und Frl. Wallot theilnahmen, heraus, daß die Meinungen in diesen Punkten garnicht so verschieden waren" . 5 Im ähnlichen Sinn berichtete das Heidelberger Tageblatt. Am Schluß der Diskussion habe sich die ursprüngliche Ver-
1 Heidelberger Zeitung, Nr. 114 vom 17. Mai 1897, S. 2. 2 Heidelberger Zeitung, Nr. 238 vom 12. Okt. 1897, S.2. 3 Berichte über diesen Vortrag sind abgedruckt in der Heidelberger Zeitung, Nr. 34 vom 10. Febr. 1898, S.2, und dem Heidelberger Tageblatt, Nr. 35 vom 11. Febr. 1898, S.2f. 4 Heidelberger Zeitung, Nr. 34 vom 10. Febr. 1898, S.2. 5 Heidelberger Zeitung, Nr. 41 vom 18. Febr. 1898, S. 2.
Zum Vortrag von Georg
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Jellinek
S t i m m u n g in „ r e i n e s W o h l g e f a l l e n " aufgelöst. Dazu hätten nicht nur die A u s f ü h r u n g e n J e l l i n e k s b e i g e t r a g e n , s o n d e r n a u c h „ d i e d u r c h Frische, Witz und
Humor
fesselnden
Prof. Dr. Weber"
6
Ausführungen
des
ihm
sekundirenden
Herrn
Das g e n a u e G e g e n t e i l b e r i c h t e t Marianne W e b e r . Ihren
A u s f ü h r u n g e n z u f o l g e s e k u n d i e r t e Max W e b e r J e l l i n e k nur s c h e i n b a r , u m im A n s c h l u ß daran s e i n e n S t a n d p u n k t u m s o klarer d a r z u l e g e n : „Die ganze Stimmung wurde beherrscht durch eine etwa viertelstündige Rede von Max. Er ging sehr diplomatisch zu Werk, kleidete seine Auseinandersetzung so ein, als wolle er nur die Anschauungen des .Herrn Kollegen', die wir nicht richtig verstanden hätten, näher interpretieren. Dabei setzte er natürlich seinen Standpunktauseinander, umschrieb in kurzen Zügen die ganze Frauenfrage und sprach den Frauen aus der Seele, was sie vorläufig nur noch undeutlich zu stammeln verstehen, gab auch den altmodischen Frauen, die viel heftigere Gegner der ganzen Bewegung als die Männer seien, mit ihrer Intoleranz für den neuen Typus einige kräftige Ermahnungen. Er verglich sie mit Hühnern, die mit ihren Schnäbeln unbarmherzig auf ein fremdes Huhn, das sich in ihren Hof verirrt, einhacken - kurz es war herrlich, ich glaube, die Frauen hätten ihm am liebsten in Prozession gedankt." 7 A u s f ü h r l i c h e r e B e r i c h t e über d e n D i s k u s s i o n s b e i t r a g W e b e r s u n d das, w a s er im e i n z e l n e n g e s a g t hat, s i n d nicht überliefert.
6 Heidelberger Tageblatt, Nr. 41 vom 18. Febr. 1898, S.2. 7 Weber, Marianne, Lebensbild1, S.242.
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Dieses Verzeichnis berücksichtigt alle Personen, die in den Texten Max Webers Erwähnung finden, mit Ausnahme allgemein bekannter Persönlichkeiten.
Adickes, Franz ( 9 . 2 . 1 8 4 6 - 4 . 2 . 1915). Jurist und Kommunalpolitiker. 1 8 7 3 - 1 8 7 7 Zweiter Bürgermeister von Dortmund; 1883 Oberbürgermeister von Altona; 1891 - ^ ^ O b e r bürgermeister von Frankfurt a. M. als Nachfolger Johannes von Miquels. Versuchte durch gezielte Kommunalpolitik die Bodenspekulation in Ballungsräumen einzudämmen und den Weg für eine soziale Wohnungsbaupolitik freizumachen. Ahlwardt, Hermann (21.12. 1 8 4 6 - 1 6 . 4 . 1914). Publizist, radikaler Antisemit. Ursprünglich Volksschullehrer und Schulrektor; 1893 auf dem Disziplinarwege aus dem Schuldienstentfernt; 1 8 9 2 - 1 9 0 2 MdR. Mitglied und Begründer verschiedener antisemitischer Parteien. Ammon, Otto (7.12. 1 8 4 2 - 1 4 . 1 . 1916). Anthropologe. 1 8 6 3 - 1 8 6 9 Ingenieur, dann Journalist; von 1 8 6 9 - 1 8 8 3 Besitzer und Redakteur der nationalliberalen Konstanzer Zeitung; Tätigkeit als Privatgelehrter auf dem Feld der Sozialanthropologie; einer der einflußreichsten Verfechter sozialdarwinistischer Gesellschaftsmodelle. Seine Arbeit über „Die Bedeutung des Bauernstandes für den Staat und die Gesellschaft" wurde 1894 von der Zeitschrift „Das Land" preisgekrönt. - Max Weber war Mitglied des Preisgerichts. Barth, Theodor (16.7. 1 8 4 9 - 2 . 6 . 1909). Liberaler Publizist und Politiker. 1871 Anwalt in Bremen, von 1 8 7 6 - 1 8 8 3 Syndikus der Handelskammer in Bremen; 1881 - 1 8 8 4 MdR für die Liberale Vereinigung; 1 8 8 5 - 1 8 9 8 und 1901 - 1 9 0 3 MdR für die Deutsche Freisinnige Partei bzw. seit 1893 für die Freisinnige Vereinigung; 1 8 9 9 - 1 9 0 3 ebenfalls Mdpr.AH; 1 8 8 3 - 1 9 0 7 Herausgeber der Wochenschrift „ Die Nation". Trat für staatliche Sozialreform und machtvolle nationale Politik ein; galt als Gegenspieler Eugen Richters und als eigentlicher Führer der Freisinnigen Vereinigung. Bebel, August (22.2. 1 8 4 0 - 1 3 . 8 . 1913). Sozialdemokratischer Politiker. 1 8 6 7 - 1 8 6 9 Mitglied des Norddeutschen Reichstags für die Sächsische Volkspartei; 1869 Mitbegründer und Führer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei; seit 1871 bis zu seinem Tode MdR, ab 1875 Führer der deutschen Sozialdemokratie. Bosse, Robert (12.7. 1 8 3 2 - 3 1 . 7 . 1901). Politiker. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften 1858 Eintritt in den preußischen Staatsdienst; nach mehrjähriger Unterbrechung Fortsetzung der Beamtenlaufbahn in Hannover; 1 8 7 6 - 1 8 8 1 Vortragender Rat im preußischen Kultus- und Staatsministerium, dann als Unterstaatssekretär Leiter der wirtschaftlichen Abteilung im Reichsamt des Innern; 1891 als Staatssekretär des Reichsjustizamts Vorsitzender der Kommission für die Bearbeitung des Entwurfs des BGB; 23.3. 1 8 9 2 - 4 . 9 . 1 8 9 9 Leitung des preußischen Unterrichts- und Kultusministeriums. Brentano, Lujo ( 1 8 . 1 2 . 1 8 4 4 - 9 . 9 . 1 9 3 1 ) . Nationalökonom. 1872a.o. Prof., 1873o. Prof. in Breslau, 1882 in Straßburg, 1888 in Wien, 1889 in Leipzig und von 1 8 9 1 - 1 9 1 4 in
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Personenverzeichnis
München; linksliberaler Vertreter der historischen Schule der deutschen Nationalökonomie; war 1872 maßgeblich an der Gründung des Vereins für Socialpolitik beteiligt; er trat für die Anerkennung der Gewerkschaften ein und bekämpfte scharf die Umsturzvorlage von 1895; auf agrarpolitischem Gebiet war er ein erklärter Gegner aller Wiederbelebungsversuche des Anerbenrechts. - Seit 1893 freundschaftlicher Kontakt zu Max Weber, der 1919 auf seinen Münchener Lehrstuhl berufen wurde. Brunner, Heinrich (21.6. 1 8 4 0 - 1 1 . 8 . 1915). Rechtshistoriker. 1866 a.o. Prof., 1868 o. Prof. in Lemberg, 1870 in Prag, 1872 in Straßburg, 1 8 7 4 - 1 9 1 5 in Berlin. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Buchenberger, Adolf (18.5. 1 8 4 8 - 2 0 . 2 . 1904). Nationalökonom. Seit 1878 im Handelsund seit 1881 im Innenministerium von Baden tätig; auf seine Anregung hin wurde 1882 eine amtliche Erhebung über die Gesamtlage der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung durchgeführt; Neuordnung der Domänenpolitik; 1893 badischer Finanzminister. Mitarbeiter an Adolph Wagners „Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie". Caprivi, Leo Graf von ( 2 4 . 2 . 1 8 3 1 - 6 . 2 . 1 8 9 9 ) . Deutscher Staatsmann. 1871 Abteilungsleiter im Kriegsministerium; 1878 Brigadekommandeur; 1 8 8 3 - 1 8 8 8 Chef der kaiserlichen Admiralität; 20.3. 1890 Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident; als Verfechter eines „Neuen Kurses" setzte er zwischen 1 8 9 2 - 1 8 9 4 eine Reihe von Handelsverträgen durch, die den Abbau des agrarstaatlichen Protektionismus und die industriestaatliche Entwicklung Deutschlands förderten; 2 2 . 3 . 1 8 9 2 Rücktritt vom Posten des preußischen Ministerpräsidenten; 26.10. 1894 Rücktritt als Reichskanzler wegen Differenzen mit Wilhelm II. und dem hochkonservativen preußischen Ministerpräsidenten Graf Botho Eulenburg über die sog. „Umsturzvorlage". Conrad, Johannes ( 2 8 . 2 . 1 8 3 9 - 2 5 . 4 . 1 9 1 5 ) . Nationalökonom, Agrarstatistiker und Agrarpolitiker. 1870 a.o. Prof. in Jena; 1 8 7 2 - 1 9 1 5 o. Prof. in Halle als Nachfolger Gustav Schmollers; Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik, Herausgeber und Redaktionsleiter führender nationalökonomischer Standardwerke wie der „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik"; 1 8 8 9 - 1 8 9 5 Kommissionsmitglied bei den Beratungen zum 2.Entwurf des BGB. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Cremer, Hermann (18.10. 1834-4.10.1903). Evangelischer Theologe. 1859 Pfarrer bei Soest; seit 1870 o. Prof. für Neues Testament und Systematische Theologie in Greifswald; seit 1886 zugleich Mitglied des Konsistoriums in Stettin; galt als Haupt der orthodoxen „Greifswalder Schule". Er kritisierte scharf die Schrift des Generalsekretärs des Evangelisch-sozialen Kongresses, Paul Göhre: „Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche" . - Max Weber verteidigte Göhre gegen die Angriffe Cremers. Delbrück, Hans (11.11. 1 8 4 8 - 1 4 . 7 . 1929). Historiker, Politiker und Publizist. 1885 a.o. Prof., 1 8 9 5 - 1 9 2 1 o. Prof. für Geschichte in Berlin; 1 8 8 2 - 1 8 8 5 Mdpr. AH und 1 8 8 4 - 1 8 9 0 MdR für die Deutsche Reichspartei; 1 8 8 3 - 1 9 1 9 Herausgeber der „ Preußischen Jahrbücher" , in denen er sich intensiv mit der Polenfrage im deutschen Osten auseinandersetzte. Während der 1890er Jahre war er Mitglied des Aktionskomitees des Evangelischsozialen Kongresses, wo er, kirchenpolitisch gesehen, die mittelparteiliche Richtung vertrat. Dernburg, Heinrich ( 3 . 3 . 1 8 2 9 - 2 3 . 1 1 . 1 9 0 7 ) . Jurist. 1 8 4 7 - 1 8 5 0 Jurastudium in Gießen; 1854 a.o., 1855o. Prof. in Zürich; 1862 o. Prof. in Halle; 1873 o. Prof. in Berlin; Mdpr. HH und Kronsyndikus.
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Diener, August (30.12. 1 8 6 2 - ? ) . Zimmermann, Krankenkassenbeamter. 1890 Mitbegründer des Frankfurter Sozialdemokratischen Vereins, dessen Vorsitzender er von 1 8 9 2 - 1 8 9 4 war; 1 8 9 3 - 1 8 9 5 Beisitzer des Gewerbegerichts; seit 1895 bei der Frankfurter Allgemeinen Ortskrankenkasse tätig. Gegner eines reformistischen Kurses. Dieterich, Reinhold (2.2. 1 8 6 6 - 1 6 . 6 . 1918). Evangelischer Pfarrer. Von 1 8 9 5 - 1 9 0 1 Pfarrer in Holzheim und seit 1901 in Aldingen (Württemberg); Ausschußmitglied der Evangelisch-sozialen Konferenz für Württemberg. Er war im Oktober 1897 an der Organisation des sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe beteiligt, an dem auch Max Weber teilnahm. Dönhoff, August Graf (26.1. 1 8 4 5 - 9 . 9 . 1920). Fideikommißbesitzer. 1876 Mdpr.HH; 1881 - 1 9 0 3 MdR (Konservative Partei). Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Evert, Georg (4.11. 1 8 5 6 - 2 7 . 4 . 1914). Statistiker. Oberregierungsrat im Preußischen Statistischen Landesamt, seit 1911 dessen Präsident. Faber, Wilhelm (9.10. 1 8 5 8 - ? ) . Evangelischer Theologe. 1 8 8 3 - 1 8 9 0 in der Judenmission tätig, Mitbegründer des Institutum iudaicum; 1 8 9 0 - 1 8 9 5 Pfarrer von Tschirma bei Greiz (Thüringen); 1892 nahm er Missionsaufgaben in Persien wahr. Er erregte 1894 Aufsehen, als er sich in einer öffentlichen Versammlung in Thüringen positiv über August Bebels Schrift „Die Frau und der Sozialismus" äußerte. 1895 wurde er auf eigenen Wunsch aus dem Pfarrdienst entlassen. Fischer, Cari Ludwig (14.4. 1 8 2 9 - 1 1 . 1 0 . 1906). Evangelischer Theologe. 1858 Ordination; 1 8 6 8 - 1 8 9 5 Pfarrer in Quednau (Ostpreußen). - Verfasser einer Lokalstudie über die Lage der Landarbeiter, die Max Weber rezensierte. Fiesch, Karl ( 6 . 7 . 1 8 5 3 - 1 5 . 8 . 1 9 1 5 ) . Kommunalpolitiker. 1 8 8 0 - 1 8 8 4 Rechtsanwalt; seit 1884 Stadtrat in Frankfurt a.M.; 1 8 8 6 - 1 9 1 5 Mitglied des Kommunallandtags; Mitbegründer des kommunalen Wohlfahrtswesens; 1 9 0 8 - 1 9 1 5 Mdpr.AH (als Hospitant der Deutschen Volkspartei in der Fraktion der Freisinnigen Volkspartei, ab 1910 Fortschrittliche Volkspartei). Erstellte für den Deutschen Juristentag 1895 ein Gutachten über das Heimstättenrecht. Fließ, Alois E. Argentinischer Agrarpolitiker und Publizist. Veröffentlichte zu Beginn der 1890er Jahre Schriften über die landwirtschaftliche Produktion in Argentinien. Foerster, Erich (4.11. 1 8 6 5 - 1 2 . 1 0 . 1945). Evangelischer Geistlicher, Publizist. 1893 Pfarrer in Hirschberg (Schlesien); 1 8 9 5 - 1 9 3 4 Pfarrer in Frankfurt a.M.; Freund und Mitarbeiter Martin Rades an der „Christlichen Welt"; gehörte dem Kreis um Friedrich Naumann an und bereitete die Gründung von dessen Tageszeitung „Die Zeit" 1896 mit vor. 1 9 1 5 - 1 9 3 3 Honorarprofessor für Kirchengeschichte in Frankfurt; 1 9 1 5 - 1 9 2 5 Konsistorialrat; 1933 Anschluß an die Bekennende Kirche. Fuchs, Carl Johannes ( 7 . 8 . 1 8 6 5 - 4 . 1 2 . 1 9 3 4 ) . Nationalökonom. 1891 a.o. Prof., 1893o. Prof. in Greifswald, 1897 in Freiburg i.Br. als Nachfolger Max Webers, seit 1908 in Tübingen. Arbeiten zur Agrarwirtschaft und Wohnungsfrage. Gamp(-Massaunen), Karl (seit 1907) Freiherr von (24.11. 1 8 4 6 - 1 3 . 1 1 . 1918). Politiker, Publizist. Mitbegründer des Alldeutschen Verbandes; 1 8 8 4 - 1 9 1 8 MdR (Deutsche
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Reichspartei); seit 1907 Fraktionsvorsitzender; 1 8 9 4 - 1 9 1 8 Mdpr.AH (Freikonservative Partei); 1 8 8 3 - 1 8 9 5 Vortragender Rat im preußischen Handelsministerium. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Gebhardt, Hermann (22.7. 1 8 2 4 - 2 8 . 4 . 1899). Landgeistlicher in Thüringen. Kirchenrat; veröffentlichte 1885 anonym eine Schrift „Zur bäuerlichen Glaubens- und Sittenlehre", die 1890 in zweiter Auflage erschien (siehe unten, S. 944). Gierke, Otto (seit 1911) von ( 1 1 . 1 . 1 8 4 1 - 1 0 . 1 0 . 1 9 2 1 ) . Rechtshistoriker. 1871 a.o. Prof. in Berlin; 1872 o. Prof. in Breslau, 1884 in Heidelberg und 1887 in Berlin; galt als der führende Theoretiker des deutschen Genossenschaftsrechts; nahm 1894 an der preußischen Agrarkonferenz teil. Er war einer der profiliertesten Kritiker des Entwurfs des BGB vom germanistischen Standpunkt aus. - Akademischer Lehrer von Max Weber. Glatzel, Albert ( 1 8 3 3 - 1 4 . 1 . 1 8 9 6 ) . Preußischer Beamter und Agrarfachmann. 1853 beim Breslauer Oberlandesgericht; seit 1859 bei der Generalkommission in Breslau und Spezialkommissar in Oberschlesien; 1875 im preußischen Landwirtschaftsministerium, 1876 ebd. Geh. Regierungsrat und Vortragender Rat; 1881 Präsident des Oberlandeskulturgerichts in Berlin; 1895 Mdpr. HH. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Göhre, Paul ( 1 8 . 4 . 1 8 6 4 - 5 . 6 . 1 9 2 8 ) . Evangelischer Theologe. Christlich-sozialer, später sozialistischer Politiker; 1 8 8 5 - 1 8 8 8 und 1 8 9 0 - 1 8 9 1 Studium (Theologie und Nationalökonomie) in Leipzig und Berlin; 1888 1. und 1891 2. Theologisches Staatsexamen; 1 8 8 8 - 1 8 9 0 Pfarrgehilfe und außerdem Redaktionshelfer bei der von Martin Rade herausgegebenen „Christlichen Welt", um die sich die von Albrecht Ritsehl beeinflußte freie theologische Richtung sammelte; 1891 - 1 8 9 4 Generalsekretär des Evangelisch-sozialen Kongresses. 1891 erschien seine auf eigenen Beobachtungen beruhende Studie „Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche", die ihm Angriffe von orthodoxer Seite eintrug, gegen die ihn Max Weber verteidigte; 1 8 9 2 - 1 8 9 4 Durchführung der Landarbeiterenquete des Evangelisch-sozialen Kongresses zusammen mit Max Weber. 1 8 9 4 - 1 8 9 7 Pfarrer in Frankfurt/Oder; 1896 gemeinsam mit Friedrich Naumann Begründer des Nationalsozialen Vereins und 1 8 9 7 - 1 8 9 9 dessen 2. Vorsitzender; 1899 Eintritt in die Sozialdemokratische Partei; 1901 nach Eröffnung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn Verzicht auf seine Rechte als Geistlicher, seitdem als Schriftsteller tätig; 1906 Austritt aus der Kirche; 1 9 1 0 - 1 9 1 8 MdR; 1 9 1 8 - 1 9 1 9 Unterstaatssekretär im Kriegsministerium; 1 9 1 9 - 1 9 2 3 Staatssekretär im preußischen Staatsministerium. - Max Weberarbeitete bis Mitte der 1890er Jahre eng mit Paul Göhre in der Evangelisch-sozialen Bewegung zusammen. Goltz, Theodor Freiherr von der (10.7. 1 8 3 6 - 6 . 1 1 . 1905). Agrarwissenschaftler. Ging nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften aus gesundheitlichen Gründen zunächst in die landwirtschaftliche Praxis (Rheinland, Pommern, Württemberg), studierte dann bis 1860 in Poppelsdorf (Bonn) Landwirtschaft; 1 8 6 9 - 1 8 8 5 o. Prof. für Landwirtschaft in Königsberg, 1885 o. Prof. in Jena und zugleich Direktor der Sächsischen Landwirtschaftlichen Lehranstalt an der Universität Jena; 1895 o. Prof. in Poppelsdorf; 1872/73 Leiter der vom Kongreß deutscher Landwirte initiierten Enquete über die Lage der Landarbeiter im Deutschen Reich, deren Ergebnisse er 1875 veröffentlichte; Mitglied des Vereins für Socialpolitik. - Max Weber rezensierte 1893 seine Schrift „Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat". Grünberg, Carl (auch: Karl) (10.2. 1 8 6 1 - 2 . 2 . 1940). Rechts- und Wirtschaftshistoriker. 1 8 8 1 - 1 8 8 5 Jurastudium in Wien; 1 8 9 0 - 1 8 9 3 Studium in Straßburg bei dem National-
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Ökonomen und Agrarhistoriker Georg Friedrich Knapp; habilitierte sich 1893/94 in Wien; 1894 Privatdozent für Politische Ökonomie, 1899 a.o. Prof., 1909 o. Prof. für Politische Ökonomie in Wien; 1 9 2 4 - 1 9 3 1 Prof. für wirtschaftliche Staatswissenschaften in Frankfurt a. M. und Direktor des Instituts für Sozialforschung ebendort; 1 9 1 0 - 1 9 3 0 Herausgeber der Zeitschrift „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung". Max Weber rezensierte seine Habilitationsschrift über die Agrarverhältnisse in Böhmen, Mähren und Schlesien. Gustedt, Ernst von (9.10. 1 8 4 5 - 3 0 . 5 . 1924). Generallandschaftsdirektor der Provinz Sachsen. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Hammerstein, Wilhelm Freiherr von (21.2. 1 8 3 8 - 1 6 . 3 . 1904). Politiker. 1 8 8 1 - 1 8 9 5 Chefredakteur der " N e u e n Preußischen Zeitung (Kreuzzeitung)"; 1 8 7 7 - 1 8 9 5 Mdpr. AH; 1 8 8 1 - 1 8 9 0 und 1 8 9 2 - 1 8 9 5 MdR (Konservative Partei); zusammen mit Adolf Stoecker Führer des antisemitischen Flügels. Wegen Betrugsdelikten 1895 aus der Partei gedrängt und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. - Max Weber nahm 1895 in der „Kreuzzeitung" zu der Duellaffäre zwischen Adolph Wagner und Frhr. von Stumm Stellung. Harnack, Adolf (seit 1914) von (7.5. 1 8 5 1 - 1 0 . 6 . 1930). Evangelischer Theologe. 1876 a.o. Prof. der Kirchengeschichte in Leipzig, 1879 o. Prof. in Gießen, 1886 in Marburg, von 1 8 8 8 - 1 9 2 1 in Berlin; 1890 Mitbegründer des Evangelisch-sozialen Kongresses, dessen Vorsitzenderer von 1 9 0 3 - 1 9 1 1 war; galt als Haupt der von Albrecht Ritsehl beeinflußten reformtheologischen Richtung; 1892 trat er im „Apostolikumsstreit" für eine zeitgemäße Neufassung des apostolischen Glaubensbekenntnisses ein; 1893/94 war er führend an der Bewegung gegen den Agendenentwurf der preußischen Landeskirche beteiligt. Aus seinem Schülerkreis (u.a. Martin Rade) entstand 1886/87 die „Christliche Welt". 1 9 0 5 - 1 9 2 1 Generaldirektor der Preußischen Staatsbibliothek; Begründer und erster Präsident der 1911 ins Leben gerufenen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Hecht, Felix ( 2 7 . 1 1 . 1 8 4 7 - 1 8 . 1 0 . 1 9 0 9 ) . Bankier, Hypothekenfachmann. Seit 1871 erster Direktor der neu gegründeten Rheinischen Hypothekenbank in Mannheim, die er zu einem der führenden Realkreditinstitute Deutschlands machte. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Hecht, Moriz ( 1 2 . 5 . 1 8 6 9 - ? ) . Nationalökonom. Studierte bei Heinrich Herkner in Karlsruhe und promovierte 1895 mit einer badischen Regionalstudie bei Max Webers Freiburger Fachkollegen Gerhart von Schulze-Gaevernitz. Herkner, Heinrich (27.6. 1 8 6 3 - 2 7 . 5 . 1932). Nationalökonom. Schüler Lujo Brentanos; 1889/90 planmäßiger Extraordinarius in Freiburg i.Br., 1892 o. Prof. ebd., 1892 an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, 1898 an der Universität Zürich, seit 1907 an der Technischen Hochschule Charlottenburg, seit 1912 als Nachfolger Gustav Schmollers an der Universität in Berlin; 1 9 1 7 - 1 9 2 9 Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik. - Er beteiligte sich zusammen mit Max Weber an den Erklärungen gegen die Umsturzvorlage, an der Evangelisch-sozialen Bewegung in Baden sowie der Herausgabe der Schriftenreihe „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen". Heyden(-Cadow), Wilhelm von (16.3. 1 8 3 9 - 2 0 . 6 . 1920). Preußischer Politiker. 1868 Landrat des Kreises Demmin (Pommern), 1873 Landesdirektor von Pommern und seit 1881 Regierungspräsident in Frankfurt/Oder; 1 8 7 7 - 1 8 8 8 Mdpr.AH für die Konservative Partei; 1884 Berufung in den Staatsrat; 1 8 9 0 - 1 8 9 4 Landwirtschaftsminister. Vertrat die
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Handelsvertragspolitik Caprivis gegenüber den agrarischen Interessen. Um die Ursachen der hohen Verschuldung des Grundbesitzes in Preußen zu untersuchen, berief er 1894 eine Konferenz von Sachverständigen ein, die preußische Agrarkonferenz, mit deren Ergebnissen sich Max Weber auseinandersetzte. 1894 ordnete er bei den Landratsämtern und Amtsgerichten eine Erhebung über die Vererbungsgewohnheiten auf dem Land an. Hirsch, Max ( 3 0 . 1 2 . 1 8 3 2 - 2 6 . 6 . 1 9 0 5 ) . Linksliberaler Sozialpolitiker, Publizist. Gründete 1868/69 zusammen mit Franz Duncker die „Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine", deren Justitiar er bis 1905 war; 1 8 6 9 - 1 8 7 1 , 1 8 7 7 - 1 8 7 8 , 1 8 8 1 - 1 8 8 4 , 1 8 9 0 - 1 8 9 3 MdR (Deutsche Fortschrittspartei, Deutsche Freisinnige Partei); 1 8 9 9 - 1 9 0 5 Mdpr.AH (Freisinnige Volkspartei). - Entfachte 1899 im Abgeordnetenhaus und in der Presse eine Debatte über die Landarbeiterenquete des Vereins für Socialpolitik von 1891/92; an der Pressedebatte nahm auch Max Weber teil. Holstein(-Waterneverstorff), Konrad Graf von (19.12. 1 8 2 5 - 7 . 9 . 1897). Rittergutsbesitzer, Politiker. Erbherr auf Waterneverstorff und Goartz (Holstein); seit 1871 Direktions-, später Ehrenmitglied des Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Generalvereins; 1 8 7 7 - 1 8 9 7 MdR (Konservative Partei). Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Huene: Hoiningen-Huene, Carl Freiherr von (24.10. 1 8 3 7 - 1 4 . 3 . 1900). Zentrumspolitiker. 1 8 7 7 - 1 9 0 0 Mdpr.AH und 1 8 8 4 - 1 8 9 3 MdR; 1881 Begründer und Vorsitzender des Schlesischen Christlichen Bauernvereins. Brachte 1885 im Reichstag ein Gesetz ein ( „ L e x Huene"), das den Kommunalbehörden einen Anteil an den auf Preußen entfallenden Agrarzöllen sichern sollte. 1 8 8 6 - 1 8 9 3 Mitglied der Agrarkommission im Abgeordnetenhaus; 1 8 9 5 - 1 9 0 0 Präsident der preußischen Zentralgenossenschaftskasse. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Immermann, Karl Leberecht (24.4. 1 7 9 6 - 2 5 . 8 . 1840). Schriftsteller. 1817 Eintritt in den preußischen Staatsdienst, 1827 Landgerichtsrat in Düsseldorf, hier Gründung eines Theatervereins und 1 8 3 5 - 1 8 3 7 Leitung des Theaters. - Max Weber nimmt Bezug auf die Erzählung „Der Oberhof", eine Episode aus dem Roman „ M ü n c h h a u s e n " . Kaerger, Karl (2.10. 1 8 5 8 - 2 9 . 9 . 1903). Jurist und Nationalökonom. 1882 juristische Promotion in Straßburg; in den 1880er Jahren Forschungsreisen nach Südamerika und Ostafrika; daneben Beschäftigung mit dem Problem der Sachsengängerei und kolonisatorischen Fragen im deutschen Osten; seit 1891 Privatdozent an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin; 1892 Mitarbeiter an der Landarbeiterenquete des Vereins für Socialpolitik; ab 1895 landwirtschaftlicher Sachverständiger bei den deutschen Gesandtschaften in Buenos Aires und Mexiko. - Gehörte Max Webers Freundeskreis an. Kanitz, Hans Wilhelm Alexander Graf von (17.4.1841 - 3 0 . 6 . 1 9 1 3 ) . Politiker. 1 8 7 0 - 1 8 7 7 Landrat des Kreises Sprottau (Schlesien); 1 8 8 6 - 1 9 1 3 Mdpr.AH; 1 8 6 9 - 1 8 7 1 und 1 8 8 9 - 1 9 1 3 MdR (Konservative Partei). Entschiedener Vertreter der Agrarierinteressen (Schutzzöllner) und Gegner der Caprivischen Handelsverträge. Er brachte zwischen 1894 und 1896 mehrmals einen Antrag auf Errichtung eines Reichsgetreidehandelsmonopols ein, durch das die Getreidepreise auf einem hohen Niveau gehalten werden sollten. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Keußler, Johannes von (21.7. 1 8 4 3 - 1 2 . 3 . 1897). Deutschbaltischer Nationalökonom, Kulturhistoriker, Journalist. 1 8 6 9 - 1 8 7 0 Dozent für Handelsrecht am Polytechnicum in Riga; 1 8 7 0 - 1 8 7 7 Mitredakteur der Rigaer Zeitung; 1 8 7 7 - 1 8 8 0 Chefredakteur des
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St. Petersburger Herolds; seit 1879 im Domänen-, seit 1883 im Finanzministerium tätig; 1895 Ehrenpräsident des Nationalökonomischen Kongresses in London. Galt als einer der besten Kenner des baltischen Agrarwesens und der russischen Gemeindeverwaltung; gehörte zum weiteren Schülerkreis Georg Hanssens in Göttingen; Mitarbeiteram Handwörterbuch der Staatswissenschaften; verstarb in St. Petersburg. Knapp, Georg Friedrich ( 7 . 3 . 1 8 4 2 - 2 0 . 2 . 1 9 2 6 ) . Nationalökonom, Statistiker, Agrarhistoriker. 1867 Leiter des statistischen Amtes der Stadt Leipzig; 1 8 6 9 - 1 8 7 4 a.o. Prof. für Nationalökonomie und Statistik an der Universität Leipzig; 1 8 7 4 - 1 9 1 9 o. Prof. in Straßburg. Gründungsmitglied des Vereins für Socialpolitik; Vertreter der jüngeren historischen Schule der Nationalökonomie; galt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der preußischen Agrarentwicklung. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Knebel Doeberitz, Ludwig Friedrich Magnus von ( 2 6 . 8 . 1 8 5 5 - 3 1 . 1 0 . 1 8 9 7 ) . Rittergutsbesitzer. Direktor des Verbandes der pommerschen Konsumvereine. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Laband, Paul ( 2 4 . 5 . 1 8 3 8 - 2 3 . 3 . 1 9 1 8 ) . Staatsrechtler. 1864a.o., 1866o. Prof. in Königsberg, 1 8 7 2 - 1 9 1 8 in Straßburg. Seit 1880 Mitglied des Staatsrats und seit 1911 der 1. Kammer für Elsaß-Lothringen. Führender Vertreter der sog. realistischen Rechtsschule. Lange, Friedrich Albert ( 2 8 . 9 . 1 8 2 8 - 2 1 . 1 1 . 1 8 7 5 ) . Pädagoge, Philosoph, Publizist. 1855 Habilitation in Bonn für Philosophie und Pädagogik, dann Oberlehrer in Duisburg; Mitglied des Nationalvereins und der Fortschrittspartei; 1862 Ausscheiden aus dem Schuldienst im Zusammenhang mit dem preußischen Verfassungskonflikt; Übernahme der Redaktion der „Rhein- und Ruhr-Zeitung" in den 1860er Jahren; Mitglied des ständigen Ausschusses des Vereinstages deutscher Arbeitervereine; Organisator von Konsumvereinen in Duisburg. 1869 Habilitation für Philosophie in Zürich; seit 1872 Prof. in Marburg. Lange gilt als einer der Begründer des Neukantianismus. Lehmann, Bodo (23.3. 1 8 5 2 - 2 7 . 5 . 1914). Diplomat. 1882 Eintritt in den deutschen auswärtigen Dienst; 1883 Ernennung zum Vizekonsul in San Francisco; 1886/87 Vizekonsul in Buenos Aires; von 1887 bis 1889 Konsul in Buenos Aires; anschließend Versetzung nach Rio de Janeiro; 1894 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. - Verfaßte während seiner Tätigkeit als Konsul in Buenos Aires eine Schrift über „Die Rechtsverhältnisse der Fremden in Argentinien", die Max Weber rezensierte. Lehmann, Ernst (23.6.1861 - 1 9 . 9 . 1 9 4 8 ) . Evangelischer Pfarrer und Sozialpolitiker. 1892 Stadtvikar im Mannheimer Arbeiterviertel „Schwetzinger Vorstadt", 1894 wegen seiner sozialpolitischen Aktivitäten nach Hornberg/Schwarzwald versetzt; Gründer der Evangelisch-sozialen Vereinigung für Baden, deren Mitglied auch Max Weber war; Gründer des National-Sozialen Vereins Badens und, 1920, der Ortsgruppe des Badischen Volkskirchenbundes; Mitglied der DDP und 1930 Eintritt in die SPD. - 1897 organisierte er einen nationalökonomischen Kursus in Karlsruhe, an dem Weber als Referent teilnahm. Lengerke, Alexander von ( 3 0 . 3 . 1 8 0 2 - 2 3 . 1 2 . 1 8 5 3 ) . Agrarwissenschaftler und Landwirt. Seit 1842 Landesökonomierat und Generalsekretär des preußischen Landesökonomiekollegiums in Berlin; 1848/49 Mitglied der „Geschäftskommission der vereinigten landwirtschaftlichen Gesellschaften zur Wahrung der Interessen des Grundbesitzes in Preußen"; Leiter der ersten Landarbeiterenquete in Preußen (1848/49), deren Ergebnisse unter seinem Namen veröffentlicht wurden.
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Lewald, Ferdinand (12.7. 1 8 4 6 - 1 2 . 6 . 1 9 2 8 ) . Hoher badischer Beamter. Nach der juristischen Staatsprüfung zunächst A m t m a n n in Konstanz und Pforzheim, dann Vorstand der Bezirksämter St. Blasien und Säckingen; 1 8 7 9 Rechtsreferent bei der badischen Steuerdirektion, 1884 Ministerialrat im Finanzministerium, 1 8 9 0 D i r e k t o r d e r Forst- und D o m ä nendirektion, 1 9 0 0 - 1 9 1 3 Präsident d e s Badischen Verwaltungsgerichtshofs; 1 9 0 1 1913 Mitglied der Ersten Badischen K a m m e r ; H e r a u s g e b e r der Zeitschrift für badische Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege. Limburg-Stirum, Friedrich Wilhelm Graf von ( 6 . 8 . 1 8 3 5 - 2 7 . 1 0 . 1 9 1 2 ) . Politiker. Seit 1 8 6 0 im diplomatischen Dienst; 1 8 7 0 - 1 9 0 5 M d p r . A H , 1 8 9 3 - 1 9 0 7 MdR (Konservative Partei); 1 8 9 3 - 1 9 0 5 Fraktionsführer der Konservativen Fraktion im Reichtag, M i t b e g r ü n d e r d e s B u n d e s der Landwirte; w e g e n Agitation g e g e n die Handelspolitik der Regierung 1 8 9 2 aus d e m Staatsdienst entlassen; galt als einer der Wortführer der Großagrarier. Lindeck, A n t o n (4.8. 1 8 7 1 - 1 7 . 5 . 1956). Jurist. S t u d i u m in Göttingen und Freiburg, danach Rechtsanwalt in M a n n h e i m ; seit 1892 Mitglied d e s C o r p s Hannovera. Er trat 1895 Max W e b e r s B e h a u p t u n g e n t g e g e n , das C o r p s Hannovera habe Bismarck 1866 nach der A n n e x i o n H a n n o v e r s aus seinen Reihen a u s g e s c h l o s s e n . Losch, H e r m a n n ( 1 6 . 1 . 1 8 6 3 - 1 0 . 1 2 . 1 9 3 5 ) . Statistiker. N a c h d e m S t u d i u m der T h e o l o g i e und d e m Pfarrdienst S t u d i u m der Nationalökonomie und Statistik in Berlin; 1892 Mitarbeit an der Landarbeiterenquete d e s Vereins für Socialpolitik, d e s s e n Mitglied er seit 1890 war; Habilitation; seit 1893 Mitarbeiter im W ü r t t e m b e r g i s c h e n Statistischen Landesamt; 1918 d e s s e n Direktor und 1 9 2 2 - 1 9 3 0 d e s s e n Präsident. Lötz, Walther ( 2 1 . 3 . 1 8 6 5 - 1 3 . 1 2 . 1941). Nationalökonom. 1890 Habilitation bei Lujo Brentano in Leipzig; 1891 Honorarprofessor, 1 8 9 2 a.o. Prof., 1 8 9 7 - 1 9 3 5 o. Prof. in M ü n c h e n ; z u s a m m e n mit Lujo Brentano Herausgeber der „ M ü n c h e n e r Volkswirtschaftlichen Studien". Mayr, G e o r g v o n (12.2. 1 8 4 1 - 6 . 9 . 1925). Statistiker, Wirtschafts- und Finanzpolitiker. 1868 a.o. Prof. in M ü n c h e n ; 1 8 6 9 - 1 8 7 9 Leitung d e s Bayerischen Statistischen Bureaus als Nachfolger Friedrich von H e r m a n n s ; 1872 unter Beibehaltung beider Ä m t e r Ministerialrat im Bayerischen Ministerium des Innern; 1 8 7 9 - 1 8 8 7 Unterstaatssekretär an der Spitze der Finanzabteilung im Ministerium für Elsaß-Lothringen in Straßburg; 1890 g r ü n dete er die Zeitschrift „ A l l g e m e i n e s statistisches A r c h i v " , 1891 Habilitation in Nationalö k o n o m i e und Privatdozent in Straßburg; 1895 Honorarprofessor in Straßburg, 1898 o. Prof. der Statistik, Finanzwissenschaft und Nationalökonomie an der Universität in M ü n chen, deren Rektor er 1 9 1 3 / 1 4 war. Mitglied d e s Vereins für Socialpolitik. Meitzer/, A u g u s t ( 1 6 . 1 2 . 1 8 2 2 - 1 9 . 1 . 1 9 1 0 ) . Nationalökonom und Statistiker. 1 8 5 3 - 1 8 5 6 Bürgermeister in Hirschberg (Schlesien); 1856 K o m m i s s a r bei der G e n e r a l k o m m i s s i o n zu Breslau für gutsherrlich-bäuerliche A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n ; 1861 R e g u l i e r u n g s k o m m i s sar bei der Einführung d e s preußischen G r u n d s t e u e r g e s e t z e s ; seit 1868 H e r a u s g e b e r des agrarstatistischen Standardwerks „ D e r B o d e n und die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Verhältnisse d e s Preußischen Staates" (im Auftrag d e s Landwirtschafts- und d e s Finanzministeriums); seit 1868 Mitglied d e s Preußischen Statistischen Bureaus; 1 8 7 2 - 1 8 8 2 im Statistis c h e n A m t d e s D e u t s c h e n Reiches und seit 1875 zugleich a.o. Prof. für Staatswissenschaften in Berlin; seit 1892 o. Honorarprof. ebd. - Fachmann für A g r a r g e s c h i c h t e und Betreuer der Habilitation Max Webers, d e s s e n agrarhistorische Schriften er nachhaltig beeinflußte. T e i l n e h m e r an der preußischen A g r a r k o n f e r e n z v o n 1894.
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Metz, Hermann. Präsident der Generalkommission in Frankfurt/Oder. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Miaskowski, August von (26.1. 1 8 3 8 - 2 2 . 1 1 . 1899). Agrarpolitiker, Staatswissenschaftler, Jurist. 1 8 7 4 - 1 8 8 1 o. Prof. der Nationalökonomie und Statistik in Basel (mit einer kurzen Unterbrechung 1876/77 an der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Hohenheim), 1881 in Breslau, 1889 in Wien; in den 1880er Jahren Mitglied des preußischen Landesökonomiekollegiums und des Deutschen Landwirtschaftsrates; 1891 o. Prof. in Leipzig als Nachfolger Lujo Brentanos. Verfasser grundlegender Untersuchungen über das Erbrecht auf dem Land und Befürworter der Wiederbelebung des Anerbenrechts bei Bauerngütern. Mitglied des Vereins für Socialpolitik. Millanich, Alois (4.12. 1 8 3 5 - 1 4 . 4 . 1903). Jurist. Seit 1869 Hof- und Gerichtsadvokat in Wien; setzte sich als Vizepräsident des Disziplinarrats seit 1892 für die Unabhängigkeit des Anwaltsstandes ein; seit 1895 Herrenhausmitglied; gründete 1896 in Wien den Reformklub; war u.a. Zensor der Österreichischen Bodenkreditanstalt. Für den 23. Deutschen Juristentag 1895 war er als Referent über die Heimstättenfrage vorgesehen. Miquel, Johannes (seit 1897) von (19.2. 1 8 2 8 - 8 . 9 . 1901). Nationalliberaler Politiker. 1 8 5 0 - 1 8 5 7 Anhänger von Karl Marx, mit dem er in brieflichem Kontakt stand; Mitbegründer und Ausschußmitglied des Deutschen Nationalvereins; 1 8 6 7 - 1 8 8 2 Mdpr.AH; 1 8 6 7 - 1 8 7 1 Mitglied des Norddeutschen Reichstags; 1 8 7 1 - 1 8 7 7 und 1 8 8 7 - 1 8 9 0 MdR; seit 1882 Mdpr. HH; 1 8 6 5 - 1 8 6 9 , 1 8 7 6 - 1 8 8 0 Bürgermeister und Oberbürgermeister von Osnabrück; 1880 Oberbürgermeister von Frankfurt a.M.; die Nationalliberalen näherten sich unter seiner Führung in den 1880er Jahren verstärkt d e n ' Konservativen an; 1 8 9 0 - 1 9 0 1 preußischer Finanzminister; führte zu Beginn der 1890er Jahre eine grundlegende Neuordnung des preußischen Steuerwesens durch, deren Kernstücke die Einkommensteuer- und Kommunalsteuerreform waren. - 1899 literarische Kontroverse mit Max Weber über die Bedeutung der 1891/92 vom Verein für Socialpolitik durchgeführten Erhebung über die Lage der Landarbeiter. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Naumann, Friedrich ( 2 5 . 3 . 1 8 6 0 - 2 4 . 8 . 1 9 1 9 ) . Evangelischer Theologe, liberaler Politiker und Publizist. Studium in Leipzig und Erlangen; 1 8 8 3 - 1 8 8 5 Helfer im Rauhen Haus bei Hamburg; 1 8 8 6 - 1 8 9 0 Pfarrer in Langenberg (Sachsen); 1 8 9 0 - 1 8 9 7 Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Frankfurt a.M., wo er auch in der evangelischen Arbeitervereinsbewegung tätig war; zusammen mit Paul Göhre und Max Weber, dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb, Führer der Gruppe der „Jungen" im Evangelisch-sozialen Kongreß; 1894 Gründung der Göttinger Arbeiterbibliothek, für die Max Weber die Schrift „Die Börse" (MWG I/5) verfaßte; 1894/95 Gründung der Wochenzeitschrift „Die Hilfe"; 1896 unter dem Eindruck der Freiburger Antrittsrede Max Webers Hinwendung zu nationalen Idealen, Gründung der Tageszeitung „Die Zeit" und des Nationalsozialen Vereins; 1897 Aufgabe seines Frankfurter Amtes bei der Inneren Mission und Umzug nach Berlin, wo er als Publizist und Politiker tätig war; 1903 nach dem Scheitern des Nationalsozialen Vereins Mitglied der Freisinnigen Vereinigung; seit 1907 MdR, zunächst als Abgeordneter der Freisinnigen Vereinigung, dann der Fortschrittlichen Volkspartei (1910); im Weltkrieg Verfechter der Mitteleuropaidee; 1918 Mitbegründer, 1919 Vorsitzender der DDP; Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung. Neumann, Friedrich Julius ( 1 2 . 1 0 . 1 8 3 5 - 1 5 . 8 . 1 9 1 0 ) . Nationalökonom. Seit 1871 o. Prof. für Volkswirtschaftslehre in Basel, seit 1873 in Freiburg i.Br., seit 1876 in Tübingen. Seit 1883 Mitarbeiter und Herausgeber der „Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung in Deutschland seit dem Anfang dieses Jahrhunderts".
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Nobbe, Moritz August (22.9. 1 8 3 4 - 6 . 1 2 . 1910). Landesökonomierat, Gutspächter. 1 8 8 4 - 1 8 9 0 MdR für die Deutsche Reichspartei; 1 8 9 1 - 1 9 0 2 Vorsitzender des Evangelisch-sozialen Kongresses; beteiligte sich an der Vorbereitung der Landarbeiterenquete des Evangelisch-sozialen Kongresses. Oldenberg, Karl (23.9. 1 8 6 4 - 2 0 . 6 . 1936). Nationalökonom. 1 8 8 8 - 1 8 9 7 Assistent Gustav Schmollers in der Redaktion des „Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich"; 1897 etatmäßiger a.o. Prof. in Marburg, 1902 o. Prof. in Greifswald und 1914 in Göttingen; beteiligte sich am Evangelisch-sozialen Kursus in Berlin im Oktober 1893. Gegner einer Industrialisierung Deutschlands. - Gehörte in den 1890er Jahren zu Max Webers Bekanntenkreis in Berlin; auf dem 8. Evangelisch-sozialen Kongreß 1897 kam es zwischen beiden zu einer heftigen Kontroverse über das Thema: Deutschland als Industrie- oder als Agrarstaat. Paasche, Hermann (24.2. 1 8 5 1 - 1 1 . 4 . 1925). Nationalökonom, Politiker. 1879 zunächst Prof. in Aachen, im selben Jahr o. Prof. in Rostock; 1884 o. Prof. für Nationalökonomie in Marburg, 1 8 9 7 - 1 9 0 6 an der Technischen Hochschule in Berlin. 1 8 8 1 - 1 8 8 4 und 1 8 9 3 - 1 9 1 8 MdR, 1 8 9 4 - 1 9 0 8 Mdpr.AH (Nationalliberale Partei); 1 8 9 8 - 1 9 1 7 Mitglied im Gesamtausschuß des Zentralvorstandes der Nationalliberalen; 1 9 1 2 - 1 9 1 8 Erster Vizepräsident des Reichstages; nach 1918 Mitglied der Deutschen Volkspartei; Vizepräsident der deutschen Kolonialgesellschaft. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Ploetz, Berthold von (9.8. 1 8 4 4 - 2 3 . 7 . 1898). Ostelbischer Rittergutsbesitzer. 1 8 9 2 1898 Mdpr.AH; 1 8 9 3 - 1 8 9 8 MdR (Konservative Partei); 1 8 9 0 - 1 8 9 3 Vorsitzender des Deutschen Bauernbundes; 1 8 9 3 - 1 8 9 8 Vorsitzender des Bundes der Landwirte. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Puttkamer(-Plauth), Bernhard von (4.8. 1 8 3 8 - 2 4 . 8 . 1906). Rittergutsbesitzer. 1 8 8 4 1890, 1 8 9 3 - 1 9 0 2 MdR, 1 8 8 6 - 1 9 0 3 Mdpr.AH (Konservative Partei); Vorstandsmitglied des Zentralvereins Preußischer Landwirte. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Quarck, Max ( 9 . 4 . 1 8 6 0 - 2 1 . 1 . 1 9 3 0 ) . Publizist und Politiker. Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre, 1883 Promotion, 1 8 8 6 - 1 8 8 7 Redakteur der Deutschen Zeitung in Wien; 1 8 8 7 - 1 8 9 1 Redakteur der Frankfurter Zeitung; 1 8 9 0 - 1 8 9 3 Generalsekretär des Deutschen Verbands kaufmännischer Vereine und 1894 Begründer des Vereins kaufmännischer Angestellter; 1 8 9 2 - 1 8 9 3 Mitbegründer der Blätter für soziale Praxis; April 1894 Eintritt in die Sozialdemokratische Partei, mit der er seit 1893 sympathisierte. Befürworter eines reformistischen Agrarprogramms, Mitglied des Vereins für Socialpolitik und scharfer Kritiker von dessen Landarbeiterenquete; nahm 1893 an der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die ländliche Arbeiterfrage teil. 1 8 9 5 - 1 9 1 7 Redakteur der sozialdemokratischen Volksstimme in Frankfurt a.M.; 1 9 0 1 - 1 9 1 9 Stadtverordneter in Frankfurt a. M.; 1 9 1 2 - 1 9 1 8 MdR; 1 9 1 8 - 1 9 1 9 Beigeordneter im Reichsamt des Innern und 1919 Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung. Quistorp, Wilhelm ( 6 . 9 . 1 8 5 6 - 7 . 8 . 1 9 2 3 ) . Pfarrer in Schwerinsburg (Pommern) und Liepe auf Usedom (Pommern). Gehörte zusammen mit Paul Göhre zu den Pastoren, die sich mit der Lage der Unterschichten auseinandersetzten und ihre Beobachtungen publizierten. Seine Studie über die Landarbeiter, die in Otto Baumgartens Schriftenreihe „Evangelischsoziale Zeitfragen" erschien, rezensierte Max Weber.
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Rade, Martin (4.4. 1 8 5 7 - 9 . 4 . 1 9 4 0 ) . Evangelischer Theologe, Publizist, Politiker. 1 8 9 2 1899 Pfarrer in Frankfurt a.M.; 1904 a.o. und 1 9 2 1 - 1 9 2 4 o. Prof. für systematische Theologie in Marburg. 1 8 8 6 / 8 7 - 1 9 3 1 Herausgeber der von ihm mitbegründeten „Christlichen Welt", um die sich die freie theologische Richtung gruppierte; Initiator des Evangelisch-sozialen Kongresses; setzte sich 1892 im „Apostolikumsstreit" zusammen mit seinem Lehrer Adolf Harnack für eine zeitgemäße Neufassung des apostolischen Glaubensbekenntnisses ein; 1919 für die DDP Mitglied der verfassunggebenden preußischen Landesversammlung. Seit 1889 mit der Schwester Friedrich Naumanns, Dora Naumann, verheiratet. Ritsehl, Albrecht (25.3. 1 8 2 2 - 2 0 . 3 . 1889). Evangelischer Theologe. 1852 a.o., 1859 o. Prof. für Neues Testament und Kirchengeschichte in Bonn, seit 1864 o. Prof. für Kirchengeschichte und Dogmatik in Göttingen. Zentral für Ritschis Theologie war die „ReichGottes-Lehre", im Sinne eines sittlichen Ideals zur Vervollkommnung aller Kultur; er beeinflußte nachhaltig die moderne theologische Richtung um Adolf Harnack und Martin Rade sowie die Evangelisch-soziale Bewegung. Rodbertus(-Jagetzow), Johann Karl (12.8. 1 8 0 5 - 6 . 1 2 . 1875). Nationalökonom, preußischer Politiker. 1848 Mitglied der preußischen Nationalversammlung; dort Führer des linken Zentrums; 26.6. bis 4 . 7 . 1 8 4 8 preußischer Kultusminister; lebte nach der Revolution vorwiegend auf seinem Gut Jagetzow in Vorpommern und beschäftigte sich mit wissenschaftlichen Studien. Er war einer der profiliertesten konservativen staatssozialistischen Denker und Theoretiker; in der Agrarpolitik Befürworter des Rentenprinzips und der Einrichtung von Rentengütem; seine Theorien beeinflußten die Staatswissenschaften nachhaltig. Roscher, Wilhelm ( 2 1 . 1 0 . 1 8 1 7 - 4 . 6 . 1 8 9 4 ) . Nationalökonom. 1843 a.o. und 1844 o. Prof. in Göttingen, seit 1848 in Leipzig. Begründer der älteren historischen Schule der deutschen Nationalökonomie. Schäffle, Albert (24.2.1831 - 2 5 . 1 2 . 1 9 0 3 ) . Nationalökonom, Soziologe. 1860 o. Prof. der Nationalökonomie in Tübingen; seitdem Herausgeber der „Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft"; 1 8 6 1 - 1 8 6 5 Mitglied der zweiten württembergischen Kammer; 1868 Mitglied des Zollparlaments und Berufung zum o. Prof. nach Wien; von Febr. bis Okt. 1871 Handelsminister ebd.; Ende 1871 Rückkehr nach Stuttgart, wo er sich nationalökonomischen Studien widmete. Schall, Eduard ( 6 . 8 . 1 8 4 4 - 1 6 . 5 . 1 9 1 3 ) . Evangelischer Pfarrer. Zunächst Lehrerin Mecklenburg-Schwerin, dann Pastor in Kanada und den Vereinigten Staaten; 1 8 7 9 - 1 8 8 5 Pastorin Hordorf, 1 8 8 5 - 1 8 9 9 in Bahrdorf (bei Braunschweig). Geriet durch seine Publikationen in den Verdacht, der Sozialdemokratie nahezustehen; 1897 als Pastor suspendiert und 1899 aus dem Kirchendienst entlassen. Schalscha von Ehrenfeld, Alexander (9.8. 1 8 3 6 - 1 8 . 3 . 1895). Zentrumspolitiker. Nach dem Studium der Rechte in Breslau 1 8 5 6 - 1 8 6 6 aktiver Offizier, danach Landwirt und Rittergutsbesitzer in Schlesien. 1 8 8 8 - 1 8 9 5 Mdpr.AH und 1 8 7 7 - 1 8 8 7 , 1 8 9 0 - 1 8 9 3 MdR. Schmoller, Gustav (seit 1908) von (24.6. 1 8 3 8 - 2 7 . 6 . 1917). Nationalökonom. 1864 etatmäßiger a.o. Prof. für Staatswissenschaften in Halle, 1865 o. Prof. ebd., 1872 in Straßburg, 1 8 8 2 - 1 9 1 2 in Berlin; 1 8 8 2 - 1 8 8 9 zugleich Prof. der Nationalökonomie an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin; seit 1884 Mitglied des preußischen Staatsrats;
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Vertreter der Universität Berlin im preußischen Herrenhaus seit 1899. Führer der jüngeren historischen Schule der Nationalökonomie, Mitbegründer und Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik (seit 1890); verfügte über enge Beziehungen zur preußischen Staatsbürokratie und übte starken Einfluß auf die Sozialpolitik in Preußen und im Reich aus. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Schön, Heinrich Theodor von (20.1. 1 7 7 3 - 2 3 . 7 . 1856). Hoher preußischer Beamter. 1816 Oberpräsident von Ostpreußen; 1 8 2 4 - 1 8 4 2 Oberpräsident der gesamten Provinz Preußen; 1840 Staatsminister, 1842 von Friedrich Wilhelm IV. entlassen. Führender Repräsentant des liberalen Reformkurses in der preußischen Staatsbürokratie des Vormärz. Schönberg, Gustav von (21.7. 1 8 3 9 - 3 . 1 . 1908). Nationalökonom. 1867 Professor für Nationalökonomie an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Proskau; 1868 o. Prof. in Basel, 1870 in Freiburg i.Br., seit 1872 in Tübingen. Herausgeber des „Handbuchs der politischen Ökonomie", dem Vorläufer des später von Max Weber initiierten „Grundriß der Sozialökonomik". Schoenlank, Bruno ( 1 6 . 5 . 1 8 5 9 - 3 0 . 1 0 . 1 9 0 1 ) . Schriftsteller, sozialdemokratischer Politiker. Studium der Nationalökonomie, Geschichte und Philosophie; 1882 Promotion, 1883 Eintritt in die Sozialdemokratische Partei, seitdem als Schriftsteller und Journalist tätig. Redakteur verschiedener Zeitungen; 1 8 9 0 - 1 8 9 2 Redakteur des von Heinrich Braun herausgegebenen Sozialpolitischen Centralblatts in Berlin, 1 8 9 2 - 1 8 9 3 des „Vorwärts", von 1 8 9 4 - 1 9 0 1 Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung; 1 8 9 3 - 1 9 0 1 MdR. Setzte sich für eine an den Bedürfnissen der Bauern orientierte Agrarpolitik ein und nahm 1893 an der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die ländliche Arbeiterfrage teil. Schoof, Johann Friedrich (21.2. 1 8 2 6 - 1 . 2 . 1906). Nationalliberaler Politiker. Hof- und Ziegeleibesitzer (Bezirk Hamburg); 1 8 6 7 - 1 9 0 6 Mdpr.AH; Provinzialvorsitzender des Bundes der Landwirte (Hannover). Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Schorlemer(-Alst), Burghard Freiherr von (21.10. 1 8 2 5 - 1 7 . 3 . 1895). Rittergutsbesitzer, Politiker. 1862 Begründer und Vorsitzender des Westfälischen Bauernvereins; Mitglied des preußischen Landesökonomiekollegiums und des preußischen Staatsrats; 1 8 7 0 - 1 8 8 9 Mdpr.AH; 1870/71, 1 8 7 4 - 1 8 8 7 , 1890 MdR für das Zentrum, seit 1891 Mdpr.HH. Schulze-Gaevernitz, Gerhart von (25.7. 1 8 6 4 - 1 0 . 7 . 1943). Nationalökonom. Zunächst Regierungsassessor in der Reichsverwaltung Elsaß-Lothringens; 1893 etatmäßiger a.o. und von 1 8 9 6 - 1 9 2 3 o. Prof. in Freiburg i. Br.; 1 9 1 2 - 1 9 1 8 MdR (Fortschrittliche Volkspartei), 1 9 1 9 - 1 9 2 0 Mitglied der verfassunggebenden Nationalversammlung und 1922 MdR (Deutsche Demokratische Partei). - Stand seit seiner Freiburger Zeit in freundschaftlichkollegialem Kontakt mit Max Weber; arbeitete wie dieser in der Evangelisch-sozialen Bewegung mit. Er verfocht ebenfalls das Konzept einer machtvollen Außenpolitik, verbunden mit einer am Modell England orientierten Liberalisierung im Innern. Sering, Max (18.1. 1 8 5 7 - 1 2 . 1 1 . 1939). Nationalökonom, Agrarwissenschaftler und Agrarpolitiker. Ging 1883 im Auftrag der preußischen Regierung nach Nordamerika zum Zwecke einer Studie über die überseeische Konkurrenz in der Landwirtschaft; 1885 a.o. Prof. für Staatswissenschaften in Bonn; 1889 Berufung zum o. Prof. an die Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin als Nachfolger Gustav Schmollers; 1893 außerdem a.o. und 1897 ( - 1 9 2 5 ) o. Prof. an der Universität Berlin, der er seit 1906 ausschließlich angehörte.
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Mitglied des preußischen Landesökonomiekoliegiums und des Deutschen Landwirtschaftsrates; entwarf die Fragebogen für die Landarbeiterenquete des Vereins für Socialpolitik 1891/92; maßgeblich im Verein für Socialpolitik und in der Gesellschaft für innere Kolonisation tätig. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. - Mit Max Weber und dessen Vetter Otto Baumgarten befreundet. Singer, Paul ( 1 6 . 1 . 1 8 4 4 - 3 1 . 1 . 1 9 1 1 ) . Fabrikbesitzer und sozialdemokratischer Politiker. 1 8 8 4 - 1 9 1 1 MdR und Fraktionsvorsitzender zusammen mit August Bebel; gemeinsam mit Bebel ab 1890 auch Parteivorsitzender, schied 1887 aus der von ihm und seinem Bruder gegründeten Textilfabrik aus und widmete sich ausschließlich der Parteiarbeit; mit seiner finanziellen Hilfe wurde 1884 das „Berliner Volksblatt" gegründet, aus dem 1891 das SPD-Organ „Vorwärts" hervorging. Sombart(-Ermsleben), Anton Ludwig (14.9. 1 8 1 6 - 1 0 . 1 . 1898). Geometer, Landwirt und Zuckerindustrieller. 1 8 6 7 - 1 8 7 1 Mitglied des Reichstags des Norddeutschen Bundes und 1 8 7 1 - 1 8 7 8 MdR für die Nationalliberale Partei; 1 8 6 2 - 1 8 6 3 , 1 8 7 7 - 1 8 7 9 , 1 8 8 0 - 1 8 8 2 und 1 8 8 9 - 1 8 9 3 Mdpr.AH; setzte sich kritisch mit der Kolonisationspraxis der preußischen Ansiedlungsbehörden auseinander und führte eine private Kolonisation auf dem von ihm erworbenen Rittergut Steesow (Provinz Brandenburg) durch. Mitglied des Ausschusses des Vereins für Socialpolitik. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Vater Werner Sombarts. Stablewski, Florian Oksza von (16.10.1841 - 2 4 . 1 1 . 1 9 0 6 ) . Erzbischof. Studium in Posen und München; 1866 Promotion und Priesterweihe; 1 8 7 3 - 1 8 7 6 Pfarrer in Wreschen; 1 8 7 6 - 1 8 9 1 Mitglied der Polnischen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus; 1891 auf Vorschlag der preußischen Regierung vom Papst zum Erzbischof von Gnesen und Posen ernannt. Die preußische Regierung unter der Leitung Leo von Caprivis wollte damit neue Zeichen in der Polenpolitik setzen. Stablewski, der das Amt bis 1906 innehatte, bemühte sich um einen Ausgleich in der Nationalitätenfrage. Stoecker, Adolf (11.12. 1 8 3 5 - 8 . 2 . 1909). Evangelischer Pfarrer und Politiker. 1 8 7 4 1890 Hof- und Domprediger in Berlin; 1 8 7 9 - 1 8 9 8 Mdpr.AH, 1 8 8 1 - 1 8 9 3 und 1 8 9 8 - 1 9 0 8 MdR (Deutschkonservative Partei, Christlichsoziale Partei). Er suchte die Arbeiterschaft im sozialkonservativen, monarchistischen Sinn zu beeinflussen und gründete 1878 die Christlichsoziale Arbeiterpartei; in der „Berliner Bewegung" bekämpfte er das Judentum als Träger des Liberalismus; 1890 begründete e r d e n Evangelisch-sozialen Kongreß, als dessen hochkonservativer Exponent er galt; 1896 schied er aus dem Kongreßwegen Differenzen mit der Gruppe der „Jungen" um Friedrich Naumann, Paul Göhre und Max Weber aus und gründete daraufhin die Freie kirchlich-soziale Konferenz. Stosch, Georg Graf von ( 1 4 . 3 . 1 8 3 6 - 2 9 . 1 2 . 1 9 1 3 ) . Wirklicher Geh. Rat, Kreisrichter und Major a. D. Seit 1882 Vorsitzender des Provinzialausschusses für Schlesien. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Stumm-Haiberg, Carl Ferdinand Freiherr von ( 3 0 . 3 . 1 8 3 6 - 8 . 3 . 1 9 0 1 ) . Politiker, saarländischer Schwerindustrieller. 1 8 6 7 - 1 8 7 1 Mitglied des Norddeutschen Reichstags, 1871 - 1 8 8 8 und 1 8 8 9 - 1 9 0 1 MdR für die Deutsche Reichspartei (Freikonservative Partei); 1 8 6 7 - 1 8 7 0 Mdpr.AH, seit 1882 Mdpr.HH; Vorkämpfer des schutzzöllnerischen Tarifs von 1879; Befürworter des Sozialistengesetzes, der Umsturz- und der Zuchthausvorlage; während der 1890er Jahre einer der schärfsten Kritiker der Evangelisch-sozialen Bewegung und des Vereins für Socialpolitik; in diesem Zusammenhang Auseinandersetzung mit Max Weber; mit seinem Namen ist die konservative Wende in der Sozialpolitik 1895 und die sich daran anschließende Phase (die sog. „Ära Stumm") verknüpft.
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Szmula, Julius (30.12. 1 8 2 9 - 3 0 . 3 . 1909). Zentrumspolitiker. 1 8 4 9 - 1 8 7 1 Berufssoldat und Direktorder Kriegsschule Anklam; seit 1872 Rittergutsbesitzer und -bewirtschafter in Schlesien. 1 8 8 6 - 1 9 0 3 Mdpr.AH und 1 8 8 7 - 1 9 0 7 MdR. Thiel, Hugo (2.6. 1 8 3 9 - 1 3 . 1 . 1918). Preußischer Beamter. Seit 1873 Generalsekretär des preußischen Landesökonomiekollegiums und Landesökonomierat im preußischen Landwirtschaftsministenum; 1879 Geheimer Regierungsrat; 1885 Geheimer Oberregierungsrat; 1 8 9 7 - 1 9 1 1 Leiter der Domänenabteilung; seit 1881 Vorsitzender des Kuratoriums der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin; Ausschußmitglied des Vereins für Socialpolitik. 1891/92 Organisator von dessen Landarbeiterenquete. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Troeltsch, Walter ( 6 . 7 . 1 8 6 6 - 2 3 . 2 . 1 9 3 3 ) . Nationalökonom. 1890 Promotion in Staatswissenschaften in Tübingen, 1891 Habilitation ebd.; 1897 a.o. Prof. ebd., 1899 o. Prof. für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, 1 9 0 2 - 1 9 3 3 in Marburg; Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei.-Beteiligte sich gemeinsam mit Max Weberam sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe 1897. Vallentin, Wilhelm (7.1. 1 8 6 2 - ? ) . Nationalökonom, Forschungsreisender. Nach dem Studium im Auftrag des Auswärtigen Amtes Aufenthalte in Kamerun, Neu-Guinea, Südsee; 1895 Regierungsbeamter in Transvaal; 1895/96 auf der Seite Englands gegen die Buren; 1901 Rückkehr nach Deutschland; 1 9 0 3 - 1 9 0 6 erneute Forschungsreise nach Südamerika. - Veröffentlichte 1893 eine Studie über Westpreußen, die Max Weber rezensierte. Vinogradov (auch: Vinogradoff), Sir Paul Gavrilowitsch ( 3 0 . 1 1 . 1 8 5 4 - 1 9 . 1 2 . 1 9 2 5 ) . Russisch-englischer Historiker und Jurist. Studierte in den 1870er Jahren bei Theodor Mommsen und Heinrich Brunner in Berlin; Reisen nach Deutschland, Italien und insbesondere England. 1884 a.o. Prof., 1887 o. Prof. für Geschichte in Moskau, 1 9 0 3 - 1 9 2 5 in Oxford; Arbeiten zur mittelalterlichen Sozial- und Verfassungsgeschichte. Vorster, Julius (17.6. 1 8 4 5 - 2 9 . 5 . 1932). Rheinischer Industrieller. Trat 1867 in die väterliche Firma Vorster und Grüneberg ein und wurde 1875 Teilhaber; löste 1896 durch seine Schrift „Die Großindustrie, eine der Grundlagen nationaler Sozialpolitik" eine Kontroverse mit dem Freiburger Nationalökonomen Gerhart von Schulze-Gaevernitzaus; war von 1 9 0 0 - 1 9 2 0 Vorsitzender des Vereins der Industriellen in Köln. Wächter, Theodor von ( 2 1 . 4 . 1 8 6 5 - 9 . 7 . 1 9 4 3 ) . Württembergischer Predigtamtskandidat, sozialdemokratischer Politiker. Trat im Sommer 1891 der Sozialdemokratischen Partei bei, für die er im Sommer 1893 für den Reichstag kandidierte; er wurde daraufhin aus dem Verzeichnis der Predigtamtskandidaten gestrichen; 1895 versuchte er innerhalb der Sozialdemokratie eine sozial-christliche Vereinigung zu gründen; während der 1890er Jahre galt er den rechtsstehenden Parteien als Inbegriff des mit der Sozialdemokratie zusammenarbeitenden Geistlichen. Wagner, Adolph ( 2 5 . 3 . 1 8 3 5 - 8 . 1 1 . 1 9 1 7 ) . Staatswissenschaftler, Nationalökonom. 1858 Prof. der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Handelsakademie in Wien, 1864/65 o. Prof. an der Universität in Dorpat, 1868 in Freiburg, 1870 in Berlin; führender deutscher Nationalökonom neben Gustav Schmoller; Mitbegründer des Vereins für Socialpolitik; bis 1896 führendes Mitglied der von Adolf Stoecker 1878 begründeten Christlichsozialen Arbeiterpartei; 1 8 8 2 - 1 8 8 5 Mdpr.AH für die Deutschkonservative Partei, seit 1910 Mdpr. HH. Mitbegründer und Mitglied des Aktionskomitees des Evangelisch-sozia-
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len Kongresses; Begutachter des Fragebogens zur Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Lage der Landarbeiter, den Max Weber zusammen mit Paul Göhre 1892 ausarbeitete. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. - 1895 wurde Wagner in einen Streit mit dem saarländischen Schwerindustriellen Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg verwickelt; Max Weber ergriff für Wagner in dieser Auseinandersetzung Partei. Waitz, Hans (2.7. 1 8 6 4 - 2 . 5 . 1 9 4 2 ) . Pfarrerund Lehrer. 1 8 9 1 - 1 8 9 5 Pfarrer bei Frankfurt a. M.; 1895 Lehrer am Großherzoglichen Seminar in Darmstadt; seit 1902 Pfarrer an der Martinsgemeinde ebd., Landeskirchenrat, Mitglied der Kirchenregierung der Evangelischen Kirche in Hessen ( - Darmstadt). - Beteiligte sich im Oktober 1897 an der Organisation des sozialwissenschaftlichen Kursus in Karlsruhe, an dem auch Max Weber teilnahm. Weismann, August (17.1. 1 8 3 4 - 5 . 1 1 . 1914). Mediziner, Zoologe. Seit 1866 a.o., seit 1873o. Prof. in Freiburg i.Br.; Inhaber des ersten Lehrstuhls für Zoologie; Veröffentlichungen zu Vererbungserscheinungen und zur Darwinschen Selektionstheorie; gilt als einer der Begründer des Neodarwinismus. Wendorff, Wilhelm Ferdinand Alexander von ( 1 5 . 1 2 . 1 8 4 1 - 6 . 4 . 1 9 0 7 ) . Preußischer Landesökonomierat. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Werder. Landrat aus Halle. Diskussionsteilnehmer auf der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik von 1893. Winkelmann, Christoph ( 1 . 5 . 1 8 4 4 - 1 8 . 1 0 . 1 9 0 6 ) . Landesökonomierat. Ab 1892 stellvertretendes Mitglied, ab 1894 Mitglied des Deutschen Landwirtschaftsrates, ab 1897 auch Mitglied im ständigen Ausschuß; in den 1890er Jahren stellvertretender Vorsitzender, von 1 9 0 3 - 1 9 0 6 erster Vorsitzender des Westfälischen Bauernvereins, in dieser Funktion 1904 auch Präsident der Vereinigung der deutschen Bauernvereine. Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894. Wittenberg, Johannes (Hans) (5.2. 1 8 5 8 - 2 5 . 4 . 1911). Evangelischer Theologe. Seit 1887 Pastorin Swantow auf Rügen; 1893 Veröffentlichung einer Studie über die Lage der ländlichen Arbeiter in Neuvorpommern und auf Rügen; in den folgenden Jahren weitere Untersuchungen zur sozialen Situation der Arbeiterschaft, insbesondere auf dem Land (vgl. oben, S.274); seit 1894 Reiseprediger des Provinzialvereins für Innere Mission in Liegnitz; wegen seiner publizistischen Tätigkeit und seiner Beteiligung an der Gründung der christlich-sozialen Vereinigung in Schlesien wurde er 1896 aus der Inneren Mission ausgeschlossen; seit 1897 als Pfarrer in Berlin tätig. - Max Weber besprach seine Landarbeiterstudien von 1893. Wolf, Johann Georg (29.1.1871 - 2 3 . 1 . 1 9 5 1 ) . Evangelischer Pfarrer. Zwischen 1900 und 1929 auch als Journalist und Politiker tätig; nach dem Studium in Straßburg und Berlin von 1894 bis 1898 Vikar in Straßburg. - Er beteiligte sich an der Organisation des sozialwissenschaftlichen Kursus vom 4. bis 8. Oktober 1897 in Karlsruhe, der von der Evangelischsozialen Konferenz für Württemberg und der Evangelisch-sozialen Vereinigung für Baden veranstaltet wurde und an dem auch Max Weber teilnahm. Zedlitz-Trützschler, Robert Graf von ( 8 . 1 2 . 1 8 3 7 - 2 1 . 1 0 . 1914). Preußischer Politiker. 1881 Regierungspräsident in Oppeln; 1884 Mitglied des Staatsrats; 1887 Oberpräsident von Posen und zugleich Präsident der Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen; 1891 - 1 8 9 2 preußischer Kultusminister; Rücktritt nach Ablehnung des sogenann-
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ten „Zedlitzschen Volksschulgesetzes". Teilnehmer an der preußischen Agrarkonferenz von 1894; 1898 Oberpräsident von Hessen-Nassau; 1 9 0 3 - 1 9 0 9 Oberpräsident von Schlesien. Zwerger, Karl. Schneider. Mitglied des Frankfurter Sozialdemokratischen Vereins und Kommissionsmitglied zur Vorbereitung eines Arbeitersekretariats.
Glossar
Max Weber verwendet die folgenden historischen und fremden Maßangaben: 1 Altscheffel (Preußen) 1 Cuadra (Argentinien) 1 Mandel: 1 kleine Mandel 1 große Mandel 1 Morgen (Preußen) 1 Quadratmeile 1 Scheffel, Neuscheffel (Preußen) 1 Thaler (Preußen)
54,962 Liter 1,67 Hektar 15 Stück 16 Stück 25,532 Ar 56,73 km 2 50,000 Liter 30 Silbergroschen oder 360 Pfennige (der Reichswährung)
Abmeiern. Die Wiedereinziehung eines in Bewirtschaftung gegebenen Hofs durch den Grund- oder Gutsherrn. Agio-*
Goldagio.
Allmenden. Liegenschaften, die sich im Eigentum von Gemeinden oder gemeindeähnlichen Korporationen befinden und von deren Mitgliedern gemeinschaftlich genutzt werden. In Preußen wurden sie im Zuge der Agrarreformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgelöst, während sie in Teilen Süddeutschlands, vor allem Badens, weiterhin bestehen blieben. Anerbenrecht. Ländliches Sondererbrecht, das den Übergang des ungeteilten Nachlaßgutes auf einen von mehreren Erben, den Anerben, herbeiführt. Angeld. Geld, das zur Bekräftigung eines Vertrages gegeben wird. Arröder-»
Heuerling.
Auenhäusler. Im österreichischen Schlesien auf der Dorfau ansässiger—» Häusler. Bauernlegen. Einziehung gutszugehörigen Bauernlandes zur Gutswirtschaft. Bauerspeicher - > Einlieger.
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Besitzkredit. Kredit, der aufgenommen wird, um in den Besitz einer Sache, zumeist eines Grundstücks, zu gelangen und um die weichenden Erben abzufinden (Kaufschulden, Erbschulden). Bodenstatik. Zweig der Landwirtschaftslehre, der sich mit der Frage nach den Möglichkeiten der dauernden Erhaltung der Fruchtbarkeit des Bodens befaßt. Büdnern
Häusler.
capitis deminutio. Fachausdruck aus der lateinischen Rechtssprache; bedeutet: Minderung der Rechtspersönlichkeit. Deputant. Kontraktlich gebundener Landarbeiter mit fester Entlohnung in Geld und Naturalien. DienstleuteInstmann. DrescherInstmann. Dreschgärtner. Kontraktlich gebundener Landarbeiter in Schlesien. Das Dreschgärtnerverhältnis beruht wie das Instenverhältnis auf gegenseitiger Hilfe und Interessengemeinschaft: Der Dreschgärtner erhält für seine Arbeitsdienste Landanweisung sowie Ernte- und Dreschanteile. In Mittel- und Oberschlesien auch: Robotgärtner. Dreschgütner. Kontraktlich gebundener Schlesien. Dreschgärtner.
Landarbeiter
im
österreichischen
Einiieger. Besitzlose Landarbeiter, die gegen Gewährung der Wohnung für den Besitzer in der Erntezeit unentgeltlich arbeiten, sich ansonsten aber als Tagelöhner verdingen. Auch als Losleute, Hochmieter oder Bauerspeicher bekannt. Emolumente. Einnahmen, Beigaben, zumeist in Naturalien, die der Landarbeiter vom Gutsherrn neben seinem Lohn erhält. Exequend. Fachausdruck aus der lateinischen Rechtssprache; gemeint ist die Person bei der eine (Zwangs)vollstreckung vollzogen wird. Fideikommiß. Einrichtung des deutschen Rechts, welche die ganze oderteilweise Verpfändung oder Veräußerung des Familienvermögens, zumeist des Grundbesitzes, ausschloß. Der Inhaber des Fideikommisses durfte nur über den Ertrag frei verfügen. Flurgenossenschaft. Bezeichnung Max Webers für den von ihm in Anschluß an August Meitzen angenommenen Typ der agrarischen Gemeinwirtschaft als der Grundform der germanischen Agrarverfassung.
Glossar
939
Flurzwang. In der deutschen Agrargeschichte durch Gemengelage und Fruchtfolgesystem bedingte gemeinschaftliche Bewirtschaftung der Gewanne in einer Gemarkung. Fondsbörsen. Börsen, an denen, im Gegensatz zu den Produkten- oder Warenbörsen, Wertpapiere und Geldsorten gehandelt werden. Gärtnern
Instmann; Dreschgärtner.
Gemengelage. Zersplitterung des zu einem Besitz gehörigen Bodens in zahlreiche Einzelparzellen innerhalb der Dorfflur. Sie entstand als Folge des Gewannsystems und von Erbteilungen. Gewann. Feldabschnitt in einer Gemarkung, in dem jede Hufe über eine oder mehrere Einzelparzellen verfügt; vgl. Flurzwang; Hufe. Goldagio. Der Betrag, um den der Preis oder Kurs einer Geldsorte von der Goldparität abweicht. Parität ist das Wertverhältnis zweier Währungen aufgrund ihres gesetzlich festgelegten Goldgehaltes. Grundsteuerreinertrag. Der nach Abzug der Bewirtschaftungskosten vom Ertrag verbleibende Überschuß, welcher von nutzbaren Liegenschaften dauerhaft erzielt werden kann. Dient als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer und wird in die Kataster eingetragen. Gutsschlächtereien. Das gewerbsmäßige Aufkaufen von Landgütern, um sie zu parzellieren und diese Parzellen mit Gewinn zu verkaufen. Gutstagelöhner
-*• Instmann.
Gutsüberlassungsverträge. In Deutschland und Frankreich im Bauerntum weitverbreitete Altenteilsverträge, durch welche Eltern ihren Kindern gegen Gewähr bestimmter Unterhaltsleistungen ihren Grundbesitz überlassen. Häusler. Eigentümer eines kleinen dörflichen Anwesens, zumeist nur aus einem Haus (Bude, Käthe, Kothe) mit wenig Eigenland bestehend. Der Besitzer (auch: Büdner oder Käthner) ist auf Nebenerwerb als Arbeiter in der Landwirtschaft oder im gewerblichen Bereich angewiesen. Heuerling. Kontraktlich gebundener Landarbeiter und Kleinpächter im Nordwesten Deutschlands. Das Heuerlingsverhältnis beruht auf gegenseitiger Hilfe: Der Heuerling pachtet gegen geringe Bezahlung Land und Unterkunft vom Bauern, der ihm mit dem Gespann bei der Bewirtschaftung hilft, als Gegenleistung erbringt der Heuerling eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen. Die Heuerlinge werden auch als Kötter oder Arröder bezeichnet. Hochmieter-*
Einlieger.
940
Glossar
Hofgänger. Dem Gutsherrn vom Instmann zusätzlich zur Verfügung gestellte Arbeitskraft; auch Scharwerker genannt. Hoftagelöhner—>
Instmann.
Hufe. Von Weber hauptsächlich im Sinne August Meitzens verstandener und angewandter Begriff aus der deutschen Agrargeschlchte: Gesamtheit des (ursprünglich gleichen) Besitzes jedes vollberechtigten Mitglieds der Dorfgemeinschaft (Hüfner) in der Dorfmark (Haus mit Garten, Anteil an der Gewannflur, Allmendenutzung). Instfrau. Frau des - » Instmanns. Wurde oftmals dem Gutsherrn als zusätzliche Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Instmann. Kontraktlich gebundener Landarbeiter im östlichen Deutschland. Das Instenverhältnis beruht auf gegenseitiger Hilfe und Interessengemeinschaft: Der Instmann stellt sich sowie ein oder zwei weitere Personen (Scharwerker oder Hofgänger) dem Gutsherrn als Arbeitskräfte zur Verfügung, er erhält dafür neben einem vergleichsweise geringen Tageslohnsatz Land zur eigenen Bebauung, Viehweide, Futter sowie einen Anteil am Gesamtertrag des Dreschens. Der Instmann wird auch als Drescher, Gärtner, Gutstagelöhner, Hoftagelöhner oder, in Posen, als Komornlk bezeichnet. Anstelle von Instleute ist auch die Bezeichnung Dienstleute geläufig. —»• auch Dreschgärtner; Dreschgütner. Intestatanerbenrecht-» Intestaterbrecht. Kraft tritt.
Anerbenrecht; Intestaterbrecht.
Gesetzliches Erbrecht, das bei Fehlen eines Testaments in
x a t ' ¿|o/r|v; Tl.: katexochen. Vorzugswelse, im heute gebräuchlichen Wortsinne von „ p a r e x c e l l e n c e " . Käthner—• Häusler. Komornlk-»Instmann. Kothe. Kleines dörfliches Anwesen; auch Käthe oder Bude genannt. Kötter—> Heuerling. L e g e n d Bauernlegen. Lohngärtner-» Losleute-»
Dreschgärtner.
Einlieger.
Glossar
941
Mark, freie Mark. In der deutschen Agrargeschichte das zu keiner Dorfgemarkung gehörige, unter gemeinschaftlicher Nutzung und Verwaltung stehende Land. Mengebesitz. Besitz von verstreut liegenden Hof- und Ackergrundstücken. - » Gemengelage. Nachreche. Den Landarbeitern zusätzlich zum Barlohn gewährte Möglichkeit des Nachharkens nach dem eigentlichen Zusammenkehren der Ähren. Personalkredit. Im Gegensatz zum - » Realkredit nicht durch Sachen, sondern durch persönliche Bürgschaften gesicherter Kredit. Realkredit. Kredit, der durch Sachen, langfristig zumeist durch Grundbesitz, gesichert ist. Reallasten. Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen (Geldbeträge, Dienste, Naturalien), welche dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks obliegen. Realteilung. rechtigten.
Besitzteilung, zumeist von Grund und Boden, unter den ( E r b b e -
Rentengut. Zumeist bäuerliches Grundeigentum, welches mit einer festen, in regelmäßigen Abständen zu zahlenden Geldrente belastet ist. Die Rentengutsbildung wurde In Preußen durch die Ansiedlungs- und Rentengutsgesetze von 1 8 8 6 , 1 8 9 0 und 1891 wiederbelebt und mit staatlichen Mitteln gefördert. Rentenkredit. Grundschuld, die den Eigentümer des Grundstücks zu fortlaufenden Zahlungen an regelmäßig wiederkehrenden Terminen verpflichtet. Reportgeschäft. Die Gewährung kurzfristiger Kredite, die es Spekulanten ermöglichen, noch nicht oder nicht genügend erfolgreiche (Effekten-)termingeschäfte von einem Erfüllungstermin (Monatsultimo) zum nächsten zu verlängern. Robotgärtner-» Rückenbesitz.
Dreschgärtner. Vom Eigentümer selbst bewohnter Grundbesitz.
Sachsengänger. Landwirtschaftliche Wanderarbeiter. Der Begriff bezog sich zunächst nur auf Saisonarbeiter für die Zuckerrübenernte in der Provinz Sachsen, fand dann aber allgemeine Verbreitung. Die Sachsengänger stammten hauptsächlich aus Schlesien, Posen, Westpreußen und Brandenburg sowie Russisch-Polen und Galizien. Sie wurden zu vergleichsweise geringen Löhnen während der Ernte beschäftigt und in separaten, für sie eigens errichteten, oftmals primitiven Behausungen (Sachsengängerhäuser) untergebracht.
942
Glossar
Sachsengängerhäuser
^
Sachsengänger.
Scharwerker. Dem Gutsherrn vom Instmann zusätzlich zur Verfügung gestellte Arbeitskraft; auch Hofgänger genannt. Schulze.
Dorfvorsteher.
Spannfähigkeit. Spannfähige Bauerngüter mußten vor den Agrarreformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Spanndienste mit eigenem Zugvieh für die Gutsherrschaft leisten, d. h. sie verfügten über ein gewisses Maß an Leistungsfähigkeit und Eigenständigkeit. Subhastation.
Öffentliche Zwangsversteigerung.
Testier- und Verfügungsfreiheit. Die Befugnis einer geschäftsfähigen Person, über ihr Vermögen in einem Testament zu verfügen.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
In Klammern stehen die vom Editor benutzten Kurztitel
Die Agrarkonferenz vom 28. Mai bis 2. Juni 1894. Bericht über die Verhandlungen der von Sr. Excellenz dem Kgl. Preuß. Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten zur Erörterung agrarpolitischer Maßnahmen einberufenen Konferenz. - Berlin: Paul Parey 1894. (Agrarkonferenz) Ammon, Otto, Die natürliche Auslese beim Menschen. - Jena: Gustav Fischer 1893. - , Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen. - Jena: Gustav Fischer 1895. Auhagen, Otto, Die ländlichen Arbeiterverhältnisse in der Rheinprovinz und im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 2. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 54). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 651 - 7 6 5 . (Auhagen, Rheinprovinz) Bergmann, Eugen von, Zur Geschichte der Entwickelung deutscher, polnischer und jüdischer Bevölkerung in der Provinz Posen (Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung in Deutschland seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, hg. von Friedrich Julius Neumann, Band 1). - Tübingen: H. Laupp 1883. (Bergmann, Geschichte) Buchenberger, Adolf, Agrarwesen und Agrarpolitik, Band 1 (Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie, hg. von Adolph Wagner, 3. Hauptabt., 2. Teil). Leipzig: C.F. Winter 1892. (Buchenberger, Agrarwesen) - , Entwurf eines Heimstätten-Gesetzes für das Deutsche Reich, in: Archiv des Deutschen Landwirthschaftsraths, Berlin, 15. Jg., 1891, S. 2 2 9 - 2 6 3 . (Buchenberger, Entwurf eines Heimstätten-Gesetzes) Cremer, August Hermann, Die Predigtaufgabe unsrer Kirche gegenüber der Sozialdemokratie. Offne Antwort an meinen lieben Freund und Gegner, Herrn Geheimen Justizrat Professor D.Dr. Bierling, in: Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände, Leipzig, Nr. 45 vom 3. Nov. 1892, Sp. 1 0 3 5 - 1 0 4 0 . (Cremer, Predigtaufgabe)
944
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Delbrück, Hans, Die Polenfrage, in: Preußische Jahrbücher, hg. von Hans Delbrück, Berlin, Band 78,1894, Beilage zu Heft 2 [Separatdruck: Die Polenfrag e . - B e r l i n : Hermann Walther 1894], (Delbrück, Polenfrage) - , Das Polenthum, in: Preußische Jahrbücher, hg. von Hans Delbrück, Berlin, Band 76,1894, S. 1 7 3 - 1 8 6 . (Delbrück, Polenthum) Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche für das Deutsche Reich. Erste Lesung. Ausgearbeitet durch die von dem Bundesrathe berufene Kommission. Nebst Motiven. Amtliche Ausgabe. - Berlin und Leipzig: J. Guttentag 1888. (Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) Fischer, Carl Ludwig, Beitrag zur Orientierung über die Lage der ländlichen Arbeiter in Ostpreußen als Beantwortung des vom Aktionskomitee des Evangelisch-sozialen Kongresses ausgegangenen Fragebogens über die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reiche. - Königsberg: Gräfe & Unzer o.J. [1893], (Fischer, Lage) Fließ, Alois E., La producción agrícola y ganadera de la República Argentina en el año 1891. - Buenos Aires: Imprenta de „La Nación" 1892. Frankenstein, Kuno, Die ländlichen Arbeiterverhältnisse in Hohenzollern, Reg.Bez. Wiesbaden, Thüringen, Bayern, Großherzogtum Hessen, Reg.-Bez. Kassel, Königreich Sachsen, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 2. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 54). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 1 - 3 9 9 . (Frankenstein, Hohenzollern) [Gebhardt, Hermann,] Zur bäuerlichen Glaubens- und Sittenlehre. Erweiterter Konferenzvortrag von einem thüringischen Landpfarrer. - Gotha: Schloessmann 1885. ([Gebhardt,] Glaubens- und Sittenlehre) - , Zur bäuerlichen Glaubens- und Sittenlehre. Von einem thüringischen Landpfarrer. - G o t h a : Schioessmann 1890 2 . ([Gebhardt,] Glaubens- und Sittenlehre2) Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen Statistischen Bureau, 13 Bände. - Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus 1 8 8 7 - 8 8 . (Gemeindelexikon) Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preußischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871, bearbeitet und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau. I. Die Provinz Preußen. - Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus 1874.
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
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III. Die Provinz Pommern. - Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus 1874. (Die Gemeinden und Gutsbezirke, Band 1, 3) Gierke, Otto, Fideikommisse. I: Geschichte und Recht der Fideikommisse, in: HdStW3 1 ,1892, S. 4 1 3 - 4 2 4 . (Gierke, Fideikommisse) Zur bäuerlichen Glaubens- und Sittenlehre, siehe: Gebhardt, Hermann. Göhre, Paul, Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche. Eine praktische Studie. - Leipzig: Fr.W. Grunow 1891. (Göhre, Fabrikarbeiter) Goltz, Theodor von der, Die ländliche Arbeiterfrage und ihre Lösung. - Danzig: A.W. Kafemann 1874 2 . (Goltz, Arbeiterfrage) - , Die ländliche Arbeiterklasse und der preußische Staat. - Jena: Gustav Fischer 1893. (Goltz, Arbeiterklasse) - , Handbuch der Gesamten Landwirtschaft, 3 Bände. - Tübingen: H. Laupp 1889/1890. (Goltz, Handbuch, Band 1, 2, 3) - , Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich. Bericht an die vom Congress deutscher Landwirthe niedergesetzte Commission zur Ermittelung der Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich. - Berlin: Wiegandt, Hempel & Parey 1875. (Goltz, Lage) - , Landwirtschaft, in: Handbuch der Politischen Ökonomie, hg. von Gustav Schönberg, Band 1. - Tübingen: H. Laupp 1882, S. 541 - 6 6 8 ; dass., Band 2. Tübingen: H. Laupp 1886 2 , S. 3 - 1 4 8 , und dass., Band 2. - T ü b i n g e n : H. Laupp 1891 3 , S. 1 - 1 2 6 . - , Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland. I, in: Das Handels-Museum, hg. vom K.K. Österreichischen Handels-Museum, Wien, Band 8, Nr. 8 vom 23. Febr. 1893, S. 1 1 3 - 1 1 5 , und II, in: ebd., Nr. 9 vom 2. März 1893, S. 1 2 9 - 1 3 1 . (Goltz, Verhältnisse I, II) Grohmann, Heinrich, Zur Statistik der deutschen Landarbeiter, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 1. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik53). - Leipzig: Duncker& Humblot1892, S . 4 4 1 - 4 5 5 . (Grohmann, Statistik) Großmann, Friedrich, Die ländlichen Arbeiterverhältnisse in der Provinz Schleswig-Holstein (exkl. Kreis Herzogtum Lauenburg), den Provinzen Sachsen (exkl. der Kreise Schleusingen und Ziegenrück) und Hannover (südl. Teil), sowie den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 2. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 54). - Leipzig: Duncker& Humblot 1892, S.401 - 6 4 9 . (Großmann, Schleswig-Holstein)
946
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Grünberg, Karl, Die Bauernbefreiung und die Auflösung des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2 Bände: 1. Teil: Überblick der Entwicklung, 2. Teil: Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1680 bis 1848 nach den Akten. - Leipzig: Duncker & Humblot 1893/94. (Grünberg, Bauernbefreiung, Band 1,2) Handbuch des Grundbesitzes im Deutschen Reiche, 1. Das Königreich Preußen, 4. Lieferung: Provinz Westpreußen. - Berlin: Nicolai 1894 3 [1. Aufl. 1880; 2. Aufl. 1885], (Handbuch des Grundbesitzes) Handbuch des Grundbesitzes in Westpreußen. - Danzig: A.W. Kafemann 1891 [ = Überarbeitung der 2., oben genannten Aufl.]. Hecht, Moriz, Drei Dörfer der badischen Hard. Eine wirtschaftliche und sociale Studie. - Leipzig: Commissionsverlag von Frdr. A. Wilhelm 1895. (Hecht, Dörfer) Kaerger, Karl, Die Arbeiterpacht. Ein Mittel zur Lösung der ländlichen Arbeiterfrage. - Berlin: Gergonne und Cie. 1893. (Kaerger, Arbeiterpacht) - , Die ländlichen Arbeiterverhältnisse in Nordwestdeutschland, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 1. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 53). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 1 - 2 3 9 . (Kaerger, Nordwestdeutschland) - , Die Sachsengängerei. Auf Grund persönlicher Ermittlungen und statistischer Erhebungen.-Berlin: Paul Parey 1890. (Kaerger, Sachsengängerei) - , Tangaland und die Kolonisation Deutsch-Ostafrikas. Thatsachen und Vorschläge. - Berlin: Hermann Walther (Walther & Apolants Verlagsbuchhandlung) 1892. (Kaerger, Tangaland) Keußler, Johannes von, Genossenschaftliches Grundbesitzrechtin Rußland, in: Festgabe für Georg Hanssen zum 31. Mai 1889. - T ü b i n g e n : H. Laupp 1889, S. 159-195. Knapp, Georg Friedrich, Die ländliche Arbeiterfrage, in: Verhandlungen der am 20. und 21. März 1893 in Berlin abgehaltenen Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik über die ländliche Arbeiterfrage und über die Bodenbesitzverteilung und die Sicherung des Kleingrundbesitzes (Schriften des Vereins für Socialpolitik 58). - Leipzig: Duncker & Humblot 1893, S. 6 - 2 3 . (Knapp, Arbeiterfrage) - , Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 18. Jg., 1894, S. 4 0 9 - 4 3 1 . (Knapp, Die Bauernbefreiung in Österreich und in Preußen)
Verzeichnis der von Max Weber zitierten
Literatur
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- , Die Bauern-Befreiung und der Ursprung der Landarbeiter in d e n älteren Theiien Preußens, 2 Bände: I.Theil: Überblick der Entwicklung, 2. Theil: Die Regulirung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse von 1706 bis 1857, nach den Akten. - Leipzig: Duncker & Humblot 1887. (Knapp, Bauern-Befreiung, Band 1, 2) Konservatives Handbuch. - Berlin: Hermann Walther 1892. Handbuch 1)
(Konservatives
Konservatives Handbuch. Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage. - Berlin: Hermann Walther 1894. Lange, Friedrich Albert, Die Arbeiterfrage in ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft. - Duisburg: Verlag von W. Falk & Volmer 1865. (Lange, Arbeiterfrage) Lengerke, A l e x a n d e r von (Hg.), Die ländliche Arbeiterfrage. Beantwortet durch die bei d e m Königl. L a n d e s - O e c o n o m i e - C o l l e g i u m aus allen G e g e n d e n der preußischen Monarchie eingegangenen Berichte l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r Vereine über die materiellen Zustände der arbeitenden C l a s s e n auf d e m platten Lande. Berlin: S c h r o e d e r 1849. (Lengerke, Arbeiterfrage) Losch, Hermann, Die ländlichen Arbeiterverhältnisse in Württemberg, B a d e n und in d e n Reichslanden, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 1. Band (Schriften d e s Vereins für Socialpolitik 53). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. 241 - 4 4 0 . (Losch, Württemberg) Markow, Alexis, Das Wachstum der Bevölkerung und die Entwickelung der A u s und Einwanderungen, A b - und Z u z ü g e in Preußen und P r e u ß e n s einzelnen Provinzen, B e z i r k e n und Kreisgruppen von 1824 bis 1885 (Beiträge zur G e schichte der Bevölkerung in Deutschland seit d e m Anfange d i e s e s Jahrhunderts, hg. von Friedrich Julius Neumann, Band 3). - Tübingen: H. Laupp 1889. (Markow, Wachstum) Mayr, G e o r g von, Statistik der d e u t s c h e n Binnenwanderungen, in: Verhandlungen der am 20. und 21. März 1893 in Berlin abgehaltenen G e n e r a l v e r s a m m l u n g d e s Vereins für Socialpolitik über die ländliche Arbeiterfrage und über die Bodenbesitzverteilung und die Sicherung d e s Kleingrundbesitzes (Schriften d e s Vereins für Socialpolitik 58). - Leipzig: D u n c k e r & Humblot 1893, S. 2 4 - 4 8 . (Mayr, Statistik) Meitzen, August, Der B o d e n und die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Verhältnisse d e s P r e u ß i s c h e n Staates nach d e m G e b i e t s u m f a n g e vor 1866. Zweiter Band. Band2) Berlin: W i e g a n d t u n d H e m p e l 1869. (Meitzen, Boden, - , Urkunden s c h l e s i s c h e r Dörfer, zur G e s c h i c h t e der ländlichen Verhältnisse und der Flureintheilung insbesondere. - Breslau: Josef Max & Komp. 1863. (Meitzen, Urkunden)
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Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Miaskowski, August von, Das Erbrecht und die Grundeigenthumsvertheilung im Deutschen Reiche. Ein socialwirthschaftlicher Beitrag zur Kritik und Reform des deutschen Erbrechts. Erste Abtheilung. Die Vertheilung des landwirtschaftlich benutzten Grundeigenthums und das gemeine Erbrecht (Schriften des Vereins für Socialpolitik20).-Leipzig: Duncker & Humblot 1882. - , Agrarpolitische Zeit- und Streitfragen. - Leipzig: Duncker & Humblot 1889. (Miaskowski, Agrarpolitische Zeit- und Streitfragen) Naumann, Friedrich, Offiziöses zum evangelisch-sozialen Kongreß, in: Die Zukunft, hg. von Maximilian Harden, Berlin, Band 7, 2. Juni 1894, S. 4 0 3 - 4 1 0 . (Naumann, Offiziöses) - , Was heißt Christlich-Sozial? Gesammelte Aufsätze. - Leipzig: A. Deichert'sche Verlagsbuchhandlung Nachf. (G. Böhme) 1894. (Naumann, Was heißt Christlich-Sozial) Nobbe, Moritz August, Zur ländlichen Arbeiterfrage, in: Bericht über die Verhandlungen des Zweiten Evangelisch-sozialen Kongresses abgehalten zu Berlin am 28. und 29. Mai 1891. - Berlin: Vaterländische Verlags-Anstalt 1891, S. 8 4 - 1 0 5 . (Nobbe, Arbeiterfrage) Preußische Statistik, hg. vom Königlichen Statistischen Bureau in Berlin. LXXVI. (Dritter Theil). Die Ergebnisse der Berufszählung vom 5. Juni 1882 im preußischen Staate. III. Landwirtschaftsbetriebe sowie Hauptberuf und Religionsbekenntniss der Bevölkerung. - Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus 1885. (Preußische Statistik, Band 76, 3. Teil) Quarck, Max, Die Enquête des „Vereins für Sozialpolitik" über die Verhältnisse der Landarbeiter. (I. Band), in: Sozialpolitisches Centralblatt, hg. von Heinrich Braun, Berlin, Band 2, Nr. 4 vom 24. Okt. 1892, S. 3 9 - 4 1 . (Quarck, Enquête) - , Die Erhebungen (Bd. II und III) und Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik über die Verhältnisse der ländlichen Arbeiter, in: Sozialpolitisches Centralblatt, hg. von Heinrich Braun, Berlin, Band 2, Nr. 28 vom 10. April 1893, S. 3 2 9 - 3 3 1 . (Quarck, Erhebungen). Quistorp, Wilhelm, Die soziale Not der ländlichen Arbeiter und ihre Abhilfe. (Evangelisch-soziale Zeitfragen, 1. Reihe, Heft 10). - Leipzig: Fr.W. Grunow 1891. (Quistorp, Not) Roscher, Wilhelm, Nationalökonomik des Ackerbaues und der verwandten Urproductionen (System der Volkswirtschaft, Band 2). - Stuttgart: J.G. Cotta 1888 12 [erste Auflage: 1860]. (Roscher, Nationalökonomik) Schäffle, Albert, Die Inkorporation des Hypothekarkredits. - T ü b i n g e n : H. Laupp 1883. (Schäffle, Inkorporation)
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
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Schmoller, Gustav, Einige Worte zum Antrag Kanitz, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 19. Jg., 1895, S. 6 1 1 - 6 2 9 . (Schmoller, Einige Worte zum Antrag Kanitz) Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 53, siehe: Kaerger, Nordwestdeutschland; Losch, Württemberg; Grohmann, Statistik. Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 54, siehe: Frankenstein, Hohenzollern; Großmann, Schleswig-Holstein; Auhagen, Rheinprovinz. Schriften des Vereins für Socialpolitik, Band 55, siehe: Weber, Landarbeiter. Sering, Max, Die preußische Agrarkonferenz, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, hg. von Gustav Schmoller, 18. Jg., 1894, S. 9 4 3 - 9 6 8 . (Sering, Die preußische Agrarkonferenz) - , Heimstättenrecht, in: HdStW 4 \ 1892, S. 4 4 9 - 4 5 9 . (Sering, recht)
Heimstätten-
- , Die innere Kolonisation im östlichen Deutschland (Schriften des Vereins für Socialpolitik 56). - Leipzig: Duncker & Humblot 1893. (Sering, Kolonisation) - , Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas in Gegenwart und Zukunft. - Leipzig: Duncker & Humblot 1887. (Sering, Konkurrenz) Statistik des Deutschen Reichs. Neue Folge, Band 2. - Berlin: Puttkammer & Mühlbrecht 1884. (Statistik NF2) Thiel, Hugo, Einleitung, in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 1. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 53). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892, S. VII—XIII. (Thiel, Einleitung) Vallentin, [Wilhelm], Westpreußen seit den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Entwickelung des allgemeinen Wohlstands in dieser Provinz und ihren einzelnen Teilen (Beiträge zur Geschichte der Bevölkerung in Deutschland seit dem Anfange dieses Jahrhunderts, hg. von Friedrich Julius Neumann, Band 4). - Tübingen: H. Laupp 1893. (Vallentin, Westpreußen) Verhandlungen des Dreiundzwanzigsten Deutschen Juristentages, Band 1: Gutachten, Band 2: Verhandlungen. - Berlin: J. Guttentag 1895. (Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages) Vinogradoff, Paul, Villainage in England. Essays in English Medieval History. Oxford: Clarendon Press 1892. (Vinogradoff, Villainage)
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Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Weber, Max, Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. Preußische Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien, Brandenburg, Großherzogtümer Mecklenburg, Preußischer Kreis Herzogtum Lauenburg (Provinz Schleswig-Holstein), in: Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, 3. Band (Schriften des Vereins für Socialpolitik 55). - Leipzig: Duncker & Humblot 1892 (MWG I/3). (Weber, Landarbeiter) Wittenberg, Hans, Die Lage der ländlichen Arbeiter in Neuvorpommern und auf Rügen. - Leipzig: Reinhold Werther 1893. (Wittenberg, Lage) Zeitschrift des Königlich Preußischen Statistischen Bureaus, Berlin, 29. Jg., 1889.
Verzeichnis der als Varianten zum Edierten Text berücksichtigten Textfassungen 1. Entwickelungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, in: Preußische Jahrbücher, hg. von Hans Delbrück, Berlin, Band 77, 3. Heft, September 1894, S.437-473. Siehe: Entwickelungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, oben, S. 368-424. Auch selbständig abgedruckt, oben, S. 425-462. 2. Zuschrift an die Redaktion der Breisgauer Zeitung, in: Breisgauer Zeitung, Nr. 175 vom 30. Juli 1895, S.2. Siehe: Die Couleurschicksale
des Fürsten Bismarck, oben, S. 577f.
3. Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands [Werbetext], in: Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands. In Einzeldarstellungen nach den Erhebungen des Evangelisch-sozialen Kongresses, hg. von Max Weber. 1. Heft: Goldschmidt, Salli, Die Landarbeiter in der Provinz Sachsen, sowie den Herzogtümern Braunschweig und Anhalt. - Tübingen: H. Laupp 1899 (auf der Innenseite des broschierten Umschlags). Siehe: Die Landarbeiter in den evangelischen 693.
Gebieten Norddeutschlands,
oben, S.
4. Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die BevölkerungsBewegung [Pressebericht über einen Vortrag Webers], in: Saarbrücker Zeitung, Nr. 12 vom 13. Januar 1897, S. 2. Siehe: Die bürgerliche Entwickelung Deutschlands und ihre Bedeutung für die Bevölkerungs-Bewegung, oben, S. 814-818. 5. Der sozialpolitische Kursus in Karlsruhe [Pressebericht über einen Vortrag Webers], in: General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Nr. 276 vom 9. Oktober 1897, S. 2. Siehe: Agrarpolitik, oben,
S.841.
6. Ohne Überschrift [Erklärung gegen die Umsturzvorlage], SBPK, Slg. Darmst. 2k 1895 (5) Karl von Mangoldt. Erklärung, SBPK, Slg. Darmst. 2g 1890 (7) Gerhart von Schulze-Gaevernitz (Beilage zum Brief an Karl von Mangoldt vom 2. Februar 1895). Siehe: Erklärung gegen die Umsturzvorlage, oben, S.
879-884.
7. Vertraulich. Ende Januar 1896 [Vertrauliches Anschreiben und Programmentwurf für eine neue Tageszeitung], ZStA Potsdam, Nl. Friedrich Naumann, Nr. 60, Bl. 8 0 - 8 2 . Siehe: Vertrauliches Anschreiben oben, S. 890-895.
und Programmentwurf
für eine neue
Tageszeitung,
Personenregister
Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.
Adickes, Franz 474,921 Adler, Fritz 597,743 Ahlwardt, Hermann 464,467,921 Aldenhoff, Rita26,48f., 53,561 Althoff, Friedrich 39,536 Ammon, O t t o 5 4 f . , 554,919,943 Arendt, Otto 284f., 301 f., 303 Arminius, Cheruskerfürst 128 Arndt, Rudolf 6 Arnim, Hans von 897 Augustinus Patricius 471 Auhagen, Otto 943,949 Bachem, Karl 484 Bade, Klaus J. 9,60 Badeni, Kasimir Felix Graf 896 Baier, Horst 25 Baier, Roland 13,823 Baist, Gottfried 819f. Balck, C. W. A. 195 Balzer, Brigitte 60 Barkhausen, Friedrich Wilhelm 864 Barkin, Kenneth David 6,623 Bärrn, Justus 726 Barth, Theodor 61,556,679,683,685,783, 823, 921 Battenberg, Friedrich Wilhelm 887 Bauer, Stephan 727 Baumbach, Karl 174 Baumgarten, Eduard36,65,613 Baumgarten, Emmy 60,256,812 Baumgarten, Hermann26,348,914 Baumgarten, Ida 36,613 Baumgarten, Otto26,72,107,118,273, 348,812,863,877 Bebel, August 129,167,478,519,921 Beilot, Josef 810f. Below, Georg von525,897 Bening, Heinrich 503 Bennigsen, Rudolf von 503 Berg, Elise 916
Berghahn, Volker R. 668 Bergmann, Eugen von 176,544,943 Bergstraesser, Arnold 48 Bierling, Ernst Rudolf 107 Biesenbach, Friedhelm 40f., 536 Bismarck, Herbert von 2 Bismarck, Otto von2/., lOf., 13,45,48, 64,68,169,205,467,519,536,555, 567-569,575f., 511 f., 633,672f., 686, 709,718, 729,731,786f., 872,951 Blaich, Fritz 817f., 851 Bley, Fritz 715 Bluntschli, Johann Caspar 530 Boeckh, Richard 65,550 Boese, Franz 17,160f., 680 Böhm-Bawerk, Eugen 45 Borchardt, sächsischer Pfarrer 71,273 Borgius, Walter 675 Born, Karl Erich 519,673,872 Bosse, Robert 634,921 Brakelmann, Günter 26 Braun, Heinrich20,56,274,366,368,425, 481f.,501,588,948 Braun-Vogelstein, Julie 481 Breinlinger, Karl Borries 23,689 Brenning, Joachim 106f. Brentano, Lujo 24,44,159,360,501,562, 592,632,669,689,791,827,875, 879 - 8 8 4 , 9 2 1 f . Broszat, Martin 9 vom Bruch, Rüdiger 668,670,874,915 Brunner, Heinrich 484,503,508,922 Buchenberger, Adolf15,57,259,265,646, 828,839,922,943 Bücher, Karl 44,65 Bueck, Henry Axel 162 Bülow, Bernhard Fürst von5,15f. Caprivi, Leo von 2-6,13f., 93,158,282, 303,343,362,467,474,535,555,623, 633,781,786,822,833,872f., 922
Personenregister Carnot, Sadi 872 Cauer, Minna 859f., 910 Chickering, Roger 715 Cohn, Gustav S07 Colbert, Jean-Baptiste 676 Cole, George Douglas Howard 739 Conrad, Hermann 642 Conrad, Johannes 162,203 f., 239,260, 267,484,490,600,756f., 759,922 Cremer, H e r m a n n 2 S , 1 0 6 f . , 108-119, 309,328,922,943 Dante Alighieri 559 Daude, Heinrich 912 Darwin, Charles 554 Deininger, Jürgen 12,27,39,536,907 Deist, Wilhelm 668f. Delbrück, Hans 20,23,32,51,58,65, 365f., 540,557,607,609-611,617,922, 944, 951 Dernburg, Heinrich 645,922 Diener, August 797,923 Dieterich, Reinhold 902,923 Dietze, Hermann 887 Dingelstad, Hermann, Bischof von Münster 708 Dipper, Christof279 Dönhoff, August Graf 484,923 Drews, Paul 347,349 Düding, Dieter 612,614-616 Eger, Hans 313 Eley, Geoff 672 Elster, Ludwig231,255 Engelhardt, Ulrich 723 Engels, Friedrich 82,180,340 Eulenburg, Botho Graf zu 710,872 Evans, Richard J. 859f. Evert, Georg 648,915,923 Eynern, Ernst von 727 Faber, Wilhelm 478,923 Fahlbeck, Pontus 161 Fischer, Carl Ludwig2i, 218,269,272, 274,275 -281,402,923,944 Flesch, Karl 645,827,901,923 Fließ, Alois E. 300,923,944 Florath, Bernd 907 Foerster, Erich 887f., 892,895,923 Foerster, Friedrich Wilhelm 573,876 Foerster, Raimund 669 Foerster, Wilhelm 575,620,876
953
Förster, StigóJü Francke, Ernst 681 f . Frankenstein, Kuno 121,944,949 Franz Josef I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn 467 Fricke, Dieter 280,284,331,358,619 Friedberg, Robert 742 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser des Hl. Rom. Reiches 567 Friedrich II., der Große, König von Preußen 11,169,749,753,830 Fuchs, Carl Johannes 669,674,676,826f., 900,908,923 Fugger, Anton 807 Gabel, Karl Alfred 810 Gamp(-Massaunen), Karl Frhr. von 491, 494,678,683,925/. Gängel, Andreas 907 Gebhardt, Hermann 115,271,924,944f. Geibel, Carl 908 Gerhard, Wilhelm 622 Gerhardt, Felix 25,689 Gerlach, Hellmut von 37f., 613,615-617, 622,891 Gervinus, Georg Gottfried 565 Gierke, Otto 159,484,507f., 524,525,532, 645,757,782,924,945 Gilcher-Holtey, Ingrid 795 Gizycki, Georg von 573,876 Glatzel, Albert 485,503,924 Gnauck-Kühne, E l i s a b e t h i i i Goethe, Johann Wolfgang von 597,640, 743 Göhre, P a u l 2 0 - 2 3 , 2 8 , 3 0 f . , 35f., 65,71 f., 74,106f., 108-119,126,166,201,208, 210,211 f., 218,231,254-256,270, 272f., 276,308-311,313 f., 316,325, 333,335-337,342,346,348,365, 463-466,467-479,497,514,613,616, 687-690,693,694,705,706,710,887, 924, 945 Goldschmidt, Levin 39,304f. Goldschmidt, Salli 23f., 46,688f., 691,951 Goltz, Theodor Frhr. von der 54,124,176, 177,182,193,195,209,227,223-228, 238,240-252,259,269f., 318,368,410, 419,693,924,945 Gremmels, Christian 106 Greven-Aschoff, Barbara 859 Gröber, Adolf 874 Grohmann, Heinrich
151,279,945,949
954
Personenregister
Großmann, Friedrich 170,389,945,949 Grünberg, Karl 24,54,543,579f., 581-585,642f., 753,924f., 946 Gronenberg, Andreas 23,688,690,692, 708 Grüttner, Michael S/7 Gustedt, Ernst von 494,925 Haag, Paul 792 Hallmann, Hans 728 Hammerstein, Wilhelm Frhr. von 514 f., 685,925 Hammerstein-Loxten, Ernst Frhr. von 587 Harden, Maximilian 948 Hardenberg, Karl August, Fürst von 527 f. Harnack, Adolf von 217,863,925 Hartmann, Eduard von 10 Hasbach, Wilhelm 161 Hasse, Ernst 52,61 f., 540,820 Hauffen, Adolf897f. Hausrath, AdolfiS, 42 Hayashima, Akira 842 Hecht, Diskussionsteilnehmer 787 Hecht, Felix 483,530,925 Hecht, Gustav 676 Hecht, Moriz 831,925,946 Hellwig, Fritz §22 Henckel-Donnersmarck, Grafen 663 Hennis, Wilhelm 48,50 Hentschel, Volker 42 Herkner, Heinrich 674,676,827,831, 875 -878,879-884,901,902t, 925 Hermelink, Heinrich 863,865 Herz, Johannes29,826,900 Herzfeld, Hans 781 Heuss, Theodor 34,791f. Heuss, Ursula 65 Heyden(-Cadow), Wilhelm von 163f., 194, 248,480,483,485f.,500,503,505, 586f., 765,794,806,836,925f., 943 Hintze, Otto 915 Hirsch, Max 61,678f., 681,683,685 f., 926 Hirsch, Wilhelm 915 Hirschfeld, Gerhard J2S Hitze, Franz 43 Hoffmann, Eduard 800 Hoffmann, Walther G. 8 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu 3-5,14,535,873 Holl, Karl 52 Holstein (-Waterneverstorff), Konrad Graf von 170,193,484,926
Honigsheim, Paul 811 f . Huber, Ernst Rudolf 96,284,343,531, 710, 753,777,781 Huber, Wolfgang 710 Hübinger, Gangolf565 Hückstädt,E. 274 Huene: Hoiningen-Huene, Carl Frhr. von 484,926 Immermann, Karl Leberecht 631,834,926 Jafte, Edgar 914 Jaffe, Moritz 527 Jastrow, Ignaz 588 Jellinek, Camilla 897 Jellinek, Georg 63,897f., 916f. Jesus Christus 351,357,619,869,871 Johann, Ernst 4 Joseph II., Kaiser von Österreich 582,753 Juraschek, Franz von261 —263,283 Just, Alfred 353 Kaerger, Karl 19,86,149,159,161,202, 248,249,269,284,319,364f., 395,401, 404,411-417,419 -422,715,775,915, 926,946,949 Kaftan, Julius von 863 Kampe, Norbert 513 Kanitz, Hans Wilhelm Alexander Graf von 326,484,531,556,778,781,783,786, 795,823,926 Karl der Große 737 Katz, Eugen 24,689 Kautsky, Karl 116,795 Kayser, Adolf 801 Kehr, Eckart 669f. Keibel, Franz 819f. Keußler, Johannes von 263,926f., 946 Kircheisen, Friedrich Leopold von 750 Klee, Alfred 23,689 Knapp, Georg Friedrich 44,65,95,121, 159f., 165,167,169 f., 172,193,241, 259,269,422,460,469f., 480,484,500, 505,579f., 581-585,586,750,753,830, 908,927,946f. Knebel Doeberitz, Ludwig Friedrich Magnus von 495, 927 Knies, Karl 42,45,563 Knoderer, Diskussionsteilnehmer 838 Koch, Richard SOZ Kohl, Horst 169 Köhn, Renate 723
Personenregister Köhnke, Klaus Christian 512 f . , 912 König, Gustav 808 König, René 811 Kötzschke, Hermann 710 Kouri, E. J. 887 Kressmann, Albert 828,838f. Kries, Johannes von 562 Kronecker, Hugo 801 Krück, Alfred 715 Krüger, Dieter 792 Krupp, Industriellenfamilie 355 f. Krupp, Friedrich 627 Küchler, Karl 887 Kulemann, Wilhelm 25/, 255,887 Laband, Paul 488,927 Lamprecht, Karl 562 Lange, Friedrich Albert 554,927,947 Lange, Helene 860 Lassalle, Ferdinand J7S, 356,561 Le Goff, Jacques 355 Lehmann, Bodo 56,304,306f., 927 Lehmann, Ernst 827f., 833,902,927 Lehmann, Hans Georg244,776 Lengerke, Alexander von 124,209,368, 382,410,693,927,947 Lenin, Vladimir I vanoviö 393 Leopold II., Kaiser von Österreich 753 Lewald, Ferdinand 321,928 Lexis, Wilhelm 627,837 Liefmann, Robert 674 Limburg-Stirum, Friedrich Wilhelm Graf von 664f., 928 Lindeck, Anton 45,575f., 577 f., 928 Lindenberg, C. 187 Linse, Ulrich 328 List, Günther 52 Lorenz, Max 615,624 Losch, Hermann827,901,902f., 928,947, 949 Lötz, Walther 689,875-878,879 -884,928 Lüders, Else 859 Ludwig der Eiserne, Landgraf von Thüringen 622 Luther, Martin 867 f. Mai, Joachim Ì0,177,555,718 Malthus, Thom as Robert 359 Mamroth, Karl 741 Mangoldt, Hans von 874 Mangoldt, Kar! von874-878,883,912,951 Mann, Gunter 562
955
Mareks, Erich 915 Maria Theresia, Kaiserin von Österreich 579,582,749,753,850 Marienfeld, Wolfgang 668-670 Markow, Alexis 544,947 Marx, Karl 45 f . , 318,351,384,393,519, 572,619,686,805 Marquard, Alfred 54 Mayr, Georg von 160,178,203,268,415, 669,928,947 Meinecke, Friedrich 63,580,603 Meiner, Felix 674 Meitzen, August 17,95f., 242,412,480, 484,586,669,908,914,928,947 Menger, Anton 524 Menger, Carl 45,50 Merton, Wilhelm 43 Metternich, Klemens Lothar, Fürst 568 Metz, Hermann 497,929 Meyer, Alfred 643 Meyer,Felix799f., 808 Meyer, Max 797 Meyer, Theodor 811 Mez, Gustav 876 Miaskowski, August von 150,259,265, 505,594,756,760,929,948 Millanich, Alois 645,929 Miquel, Johannes von 11 f . , 15,56,60f., 163,484,499,503,519,596,633,672, 679-682,683 - 6 8 6 , 7 7 8 , 7 8 1 , 7 8 6 , 7 9 6 , 801,806-808,833,929 Mittermaier, Wolfgang 916 Mitzman, Arthur 366 Mogk, Walter 23 Mommsen, Theodor 565,877 2,5,11,18,26,35, Mommsen, Wolfgang J. 41,48,52f., 64,328,348,393,540,614, 670,715 Münsterberg, Hugo 914 Napoleon I., Kaiser von Frankreich 756 Nasse, Erwin261,267,496,505,508,759 Nathusius, Martin von 31 Naumann, Friedrich 30,32-39,51,59,65, 230,233 f., 256f., 310,328 f., 339 f., 346-349,350-361,464f., 467f., 478, 514,539f., 606,612 -618,619,621,720, 732,744- 746,788-790,791f., 794, 7 9 7 , 8 1 0 f . , 875,885 -887,929,948 Naumann, Magdalene 744 Neubach, Helmut 10
956
Personenregister
Neumann, Friedrich Julius 176,544,602, 604,929,943,947,949 Nichtweiss, Johannes 13,178,183,251, 279,415,555,718,833 Nietzsche, Friedrich37,615 Nobbe, Moritz August 23,31,54,211,269, 310,316,342,343f., 469,624,626,687, 705, 930, 948 Nollau, Landrat 12 Oberschall, Anthony 690 Oberwinder, Heinrich 38,615,891 Oelrichs, H. 194 Oertzen, Dietrich von 3 Oertzen, Friedrich von 887 Ogris, Werner494,765,835 Oldenberg, Karl 31,58,231,255,543, 623-625,626-640,669,915,930 Orwin, Christabel 496 Paasche, Hermann264,484, 757,930 Paul II., Papst 471 Peel, Sir Robert 779 Pfaff, Fridrich 54 Pfeiffer-Munz, Susanne 524 Pfleiderer, Otto 513 Piaton 554 Plinius der Ältere 119 Ploetz, Berthold von 484,493,930 Pöhlmann, Robert 528 Pollmann, Klaus Erich 2 7 , 3 0 f . , 274,346f., 606,710 Posadowsky-Wehner, Arthur Graf von 15, 670,673 Poschinger, Heinrich von 633,786 Puhle, Hans-Jürgen 60,632 Puttkamer(-Plauth), Bernhard von 484, 836,930 Puttkamer(-Plauth), Robert von 10,718 Quarck, Max 120,161 f . , 199 -201,206f., 364,369,416 f., 930,948 Quistorp, Wilhelm 269,273f., 275-281, 930,948 Raabe, H.F.W. 185,775 Rabe, Otto 264 Rade, Martin 27,30,33,37,57,65,107f., 208,256,347f., 350,525,526,616f., 720,728,744,863,885,887,931 Rammstedt, Otthein 512,912 Rathgen, Karl 163,231,255
Rathje, Johannes 50 Redlich, Fritz 908 Rein, Wilhelm 616 Reitzenstein, Friedrich Frhr. von 261,267, 496,505,508,759 Ricardo, David 318 Richter, Eugen 302,570,778 Richter, Kreisphysikus 154 Riehl, Aloys 876 Riesebrodt, Martin 1,17,72,120,125f., 157,159,181,685,908 Ritsehl, Albrecht 115,931 Robespierre, Maximilien de 571 Rockefeller, John D. 851 Rodbertus(-Jagetzow), Johann Karl 373, mi.,598,m,931 Rogers, Howard J. 63 Röhl, John C.G. 5,872 Roscher, Wilhelm 259,563,931,948 Rothschild, Bankiersfamilie 355 Rotteck, Karl von 565 Rubner, Heinrich 26,512 Rümelin, Emil von 607 Rumpf, Hermann 597,743 Sachße, Christoph 43,56,588 Saivisberg, Paul von 39,897 Sattler, Heinrich 915 Schäfer, Dietrich 897 Schäfer, Th., Pfarrer aus Altona 231 Schäffle, Albert 589f., 598,600,654,764 f., 768,835,931,948 Schall, Eduard 352,358,931 Schalscha von Ehrenfeld, Alexander 174, 931 Schaumburg, Michael 907 Schelling, Hermann von 505 Schieder, Theodor 562 Schippel, Maxiiö, 124 Schlosser, Friedrich Christoph 565 Schlotter, Peter 708 Schluchter, Wolfgang 48 Schmitz, Mathias 504 Schmoller, Gustav 17,19,44,47,50,53, 63,121,158-160,231,480,484,493, 495,505,536,556,563,579,586,623, 680,727,799,860,864,908,910,914f., 931f.,946,949 Schoenlank, Bruno 161 f., 200f., 206,207, 932 Schollmeyer, Friedrich 763,834 Scholz, Hermann 863—865
Personenregister Schön, Heinrich Theodor von 496,932 Schönberg, Gustav von 259,323,932,945 Schoof, Johann Friedrich 483 f., 504,591, 932 Schorlemer(-Alst), BurghardFrhr. von 484,932 Schröder, Wilhelm Heinz245 Schubert, Werner 524f. Schultze, Ernst 5i2,912f . Schulze, Walther 12,778,796,801 Schulze-Delitzsch, Hermann 561 Schulze-Gae vernitz, Gerhart von 29,34, 41,65,394,573,607,632,638,665,674, 676,791,827,831,842,875-878, 879- 884,885-887,901,903,932 Schumacher, Hermann 915 Schuster, August 876 Schwentker, Wolfgang 26 Seemann, Josef 358 Sering, Max 43f . , 54,57,63,93,159,190, 191,206,221,223 -228,231,238,262, 270,336,375,423f., 430,476,480f., 484,486,487,490f., 646,653,655,765, 800,807,835f., 860,910,912,914, 932f., 949 Shakespeare, William 257 Siebeck, Paul29,52,674-676,688,690f. Simmel, Georg 52,512,539,912 Simnacher, Georg 807 Singer, Paul 468,478,933 Soden, Hermann von 863 Sohnrey, Heinrich 121,155,222,228 Sombart, Werner 52 f . , 481,484 Sombart(-Ermsleben), Anton Ludwig 98, 161 f . , 202f., 484,933 Sommerlad, Theo 741 Spael, Wilhelm32 Spier, Diskussionsteilnehmer 787 Sprenger, Gerhard 48 Stablewski, Florian Oksza von 822,933 Stadtmüller, Franz 577,731 Stein, Karl Reichsfreiherr vom und zum 527 f. Steinmann, Gustav 876 Stephan, F. 332 Stephens, Joseph Rayner82,180,340 Stieda, Wilhelm 65,231,255 Stoecker, Adolf3,28,31,38,217,310,346, 348,463f., 468,469,477,606,705,727, 791,891,933 Stosch, Georg Graf von 494,933 Stribrny, Wolfgang 2
957
Stumm-Halberg, Carl Ferdinand Frhr. von .,512-516,517-519, 5 , 3 0 f . , 59f., 355 f 520f., 522t,634,710,810-812,817, 874,913,933 Suchsland, Heinrich 162 Sutter, Berthold 896,898 Sybel, Heinrich von 580 Sydow, von, Oberst a.D. 887 Szmula, Julius 180,678,934 Taaffe, Eduard Graf 494,765 Tenfelde, Klaus 817 Terenz 415 Theiner, Peter 32,346,348,464,540 Thiel, Hugo 16,19,125,126,159,162,166, 209,484,496,685,934,949 Thiers, Adolphe 741 Thimme, Friedrich 12,778,796,801 Thomas von Aquino 328 Tirpitz, Alfred von 16,667-669,671f. Tönnies, Ferdinand 573,876f. Traub, Gottfried 65,885-887 Trautmann, Günter 723 Treitschke, Heinrich von 603 Tribe, Keithiöö Troeltsch, Walter827,901,902t, 934 Trommershausen, Ernst 887 Urbanitsch, Peter 494,765,835 Vallentin, Wilhelm 54,176,544,602, 604 f .,934,949 Varus, Publius Quinctilius 128 Vinogradov (auch: Vinogradoff) Sir Paul Gavrilowitsch 386,934,949 Voelter, Immanuel 29 Volger, Otto 597,743 Volkmann, Heinrich 817 Vopelius, Richard 5/5,518 Vormbaum,Thomas 91,187 Vorster, Julius 665,934 Wächter, Theodor von 348,478,934 Wagner, Adolph 6f., 26 f . , 30f., 58f., 162, 211,231,255,259,310f., 316,323,343, -465,469,480,484,494,508, 463 512-516,517,518,520f., 522,586, 624f., 634,639 f., 669,687,727,799f., 807,810f.,934f.,943 Waitz, Hans 902,935 Waldhecker, Paul 11,220,718,782 Wallot, Diskussionsteilnehmerin 916
958
Personenregister
Wandruszka, Adam 494,765,835 Waszek, Norbert 42 Weber, Alfred 5,48,65,514f., 520,538, 624f., 915 Weber, Clara 40,514,680,876 Weber, Helene 12,26,32,36,40,613 Weber, Marianne, geb. Schnitger24/., 37-42,63f., 256,313,349,465f., 481, 537,613,616f., 688,720,744,811f., 819,827,885f., 914f., 916f. Weber, Max sen. 43 Weber, Max, Studienzeit 729,731 - , Entwickelung des Solidarhaftprinzips (1889) 510f. - , Römische Agrargeschichte (1891) 267, 357,536,749,907 - , Habilitation (1892) 39,536,907,928 - , Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland (1892) 1,78,121, 138,142,181,184,193,195,199,221, f., 404, 243,249,269,319,337,363,401 409,410,412-414,470f., 536,547, 678f.,685,686,949f. - , Ernennung zum a.o. Professor (1893) 39,536 - , Berufung nach Freiburg i.Br. (1894)24, 39f., 47,536,706 - , Die Börse (1894/1896) 33,929 - , Akademische Antrittsrede in Freiburg i. Br. (1895) l f . , 24f., 47-53,55,58 - , Deutsche Arbeiterfrage in Stadt und Land (1895) 41f., 65,805 - , Berufung nach Heidelberg (1896/97) 24, 38,41 f . , 47,706,812 - , Fideikommißfrage (1904) 24f., 63,543, 584,593,637,643,663 - , Äußerungen zur Werturteildiskussion (1913)55,54;
Weber-Schäfer, Max 65 Wehler, Hans-Ulrich 60,469 Weismann, August 554,935 Weiss, Johannes 887 Weitowitz, Rolf 282 Weizsäcker, Heinrich 887 Wenck, Martin 612,885f., 891 Wendorff (-Zdziechowo), Wilhelm Ferdinand Alexander von 484,935 Wentzcke, Paul 731 Werder, Landrat aus Halle 162,203,935 Werner, Julius 710 Werth, Theodor 311 Wetham, Edith 496 Wilhelm 1.518 Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen 3-5,27f., 184,346,467, 514-516,518 f., 535,567,667,872,874 Wilhelm der Eroberer 756 Winau, Rolf 562 Winckelmann, Johannes 64,811 Windscheid, Bernhard562 Winkelmann, Christoph 484,591,935 Wirminghaus, Alexander 264 Wissmann, Hermann von 801 Wittenberg, Johannes (Hans) 54f., 269, 273f., 275 -281,710,935,950 Wolf, Johann Georg 902,935 Wundt, Wilhelm 562 Zahn-Harnack, Agnes von 863 Zedlitz-Trützschler, Robert Graf von 12, 472,484,490,497,499,573,935f. Zeus522 Ziegler, Theobald 876 Zimmer, K. Friedrich 887 Zuns, Diskussionsteilnehmer 787 Zwerger, Karl 721,728,936
Sachregister
Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede.
Aachen (Regierungsbezirk) Kreisgebürtigkeit 661,761,832 - , Wohnverhältnisse 788 Ablösungen (preußische Agrarreformen) 95 f., 130,240,271,373,527,750 Abmeiern —» Bauernlegen Absatzmärkte 629,638 - , lokale 592 Absolutismus 850 —»auch: Österreich (-Ungarn) Abwanderung —» Wanderungsbewegungen Ackerbau, Ackerbaubetrieb, Ackerbaukultur 395,405 intensiver 396,399,407,414,445,448, 451-453 Acta Borussica 915 Adel 181,535,764,767,836 - , feudalisierter Neuadel 841 - , industrieller Briefadel 634 - , Landadel 370-372,426,428 —» auch: Frankreich; Gesellschaft, ländliche; Grundadel Adjazenten (Anlieger) 287 Administration —» Gutsverwalter Afrika 628 Agende, preußische —» Kirche, evangelische Agio—»Goldagio Agitation, politische 874,879,881,883 f. —»auch: Anarchismus; Sozialdemokratie Agrarenqueten, Eigentümlichkeit 317 f. - » auch: Erhebung [ . . . ] ; lokale Beobachtungen über die Lage der Landarbeiter; Privatenqueten; Verein für Socialpolitik Agrargeschichte 599,746,748-755,800 Agrargesetzgebung —» Ansiedlungsgesetz [ . . . ] ; Österreich (-Ungarn); Preußen (Kgr.); Rentengutsgesetze; Schlesien (Provinz)
Agrargesetzgebung, freihändlerische I I I —»auch: Handelsverträge „Agrarier" 14,620,672 Bündnis mit den Großindustriellen 15, 781 Agrarkonferenz, preußische (1894) 55f., 472,480-482,483 -499,500f., 502-511,586-588,589-591,600,654, 765,768,794,796,806,836 Agrarkredit —» Kredit Agrarkrise 8f., 158,480,554 Agrarpolitik 29,32,42,58-63,231, 254-258,259-271,310,330,333 f., 342,358,421,460,557,597f., 599-601, 743- 747,748 -790,791,793,796, 797, 800,826-829,830- 841,900,902f. - als Sozialpolitik 187,205 - , Beurteilung der Probleme 601 bürgerliche 784 Experten 481 - , historische Entwicklung 271,803 - , Wertmaßstab 333 f. - , wichtigste Frage 777 - , Ziele 601, I I I , 786 —»auch: Agrarkonferenz, preußische; Preußen (Kgr.), Agrarpolitik Agrarschutz 746,777-787 - , volkswirtschaftliche Kosten 601,783 Agrar- oder Industriestaat (Debatte) —» Deutsches Reich agrarstatistische Untersuchung 24,675, 688 —» auch: Agrarenqueten; Erhebung [ . . . ] Agrarverfassung 257,259,773 f., 821, 839f., 902,908 - , Auswirkungen auf Bevölkerung 760 f., 783 Entwicklung 599,660,775 f., 780,783 - , keltische 527 - , mittelalterliche259,527,599,770,773, 830
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Sachregister
- , politischer Charakter 776,783 - , Typen599,659-661,665,756f., 759f., 773,794,799-802,803 -809,831 - und Arbeitslosigkeit 610 - und nationale Frage 853 —»auch: Arbeitsverfassung, ländliche; Landarbeiter, ostelbische: Entwicklungstendenzen; Frankreich, Gesellschaft, ländliche; soziale Organisation (im Osten) Akademische Antrittsrede —> Personenregister: Weber, Max „Akademische Rundschau" 45,539 Akkordarbeit 86,89,142,378-380,397, 433 f., 447,701 —»auch: Landarbeiter, deutsche: Einkommen, Lohn Aktienkapitalien 356 Alexandrien 848 Alkoholbrennerei 376,431 Alkoholkonsum —> Landarbeiter, Ernährung „Alldeutsche Blätter" 52,540,715 Alldeutscher Verband 13,15,52,61 f . , 65f., 540,715f., 717 - , Verbandstag (1894) 536,715f., 717,819 —»auch: Freiburgi.Br. Allgemeine Konferenz deutscher Sittlichkeitsvereine 274 „Allgemeine Zeitung" (München) - , Flottenumfrage 658—670,671—673 Allgemeiner Deutscher Sprachverein 532 Allmende 226,246f., 320-322,423,461, 498,751,957 - , Aufteilung (preußische Agrarreformen) 95,130f., 187,271,321,323,527,774 - in Süd- und Südwestdeutschland 320 Alsen (Schleswig-Holstein) 401 Altertum375,737 f., 770,773,848f. Amerika 182f., 286,300,838,911 —» auch: Südamerika; Vereinigte Staaten von Amerika Amtsgerichte, Amtsrichter 486,505,648, 804 Anarchismus 515,872,881 f., 884 Anerbenrecht —» Erbrecht Angeld 694,937 Anhalt (Herzogtum) - , Landarbeiterverhältnisse 218,309,688, 691,106 Ansiedlungsbehörden —» Ansiedlungskommission
Ansiedlungsform —> Dorfsystem; Hofsystem; Siedlung Ansiedlungsgesetz für Westpreußen und Posen von 188611,13,84,158,176, 220f., 227,247,249,271,336,362,484, 497,557,587,636,641,782,838 Ansiedlungsgüter 336,501,786 Anerbenrecht586-588,589 -596,796, 806 - , Besichtigung durch Max Weber 12,336, 786 Meliorationen 298,498 f., 557 Ansiedlungskommission 11 —13,17,49, 157f., 176,220,221,247,249,298,336, 362,423,461,472f., 480,484,497 f., 557,587,718,782,784,823,840 - , Normalrentengutsvertrag510,594 Anthropologie 554 Antisemitismus 257,464,512f. Antrag Kanitz —» Getreidehandelsmonopol, staatliches Apostolikum —» Kirche, evangelische Arbeiter(schaft) 3,32 f . , 36 - , Anerkennung der berechtigten Interessen 114 - , Angriffe auf die Gesellschaftsordnung 852 - , Arbeitsgelegenheit 671,851 - , chinesische 183,796 - , Einkommen 736 —»auch: Akkordarbeit - , englische 393,722,724,795 - , französische 571,721,795 - , geistige Emanzipation 619 - , gelernte, ungelernte 352,393,415,456 - , Import polnischer Arbeiter 99,448,458 - , Integration 816 - , Internationalität 795 - , materielle Lage 607,614,638 - , Ohnmacht 727 - , ökonomische Niederhaltung 637 - , Organisation353f.,393 - , politische Macht 341 - , pommersche 110 - , Proletarisierung 637 - , Rechtsgleichheit 816 - , sächsische 110 - , Selbständigkeitsdrang 83 - , slawische 796 - und Nation 5i, 341,722,727 - , Verbandsfreiheit 727,784 -^auch: Industriearbeiter, Industriearbei-
Sachregister terschaft; Landarbeiter; Proletariat; Wanderarbeiter Arbeiteraristokratie 341,344,393,412f., 444,456,572,740 Arbeiterbesitz, Rechtsformen —» Landarbeiter, deutsche: Rechtsformen des Besitzes Arbeiterbewegung231,255,476,726,912 —»auch: Frankreich; Großbritannien Arbeiterbildung (1850er und 1860er Jahre) 333 Arbeiterfrage, ländliche 56,224,401, 419-421,423,461,601,774,776,912 —» auch: Landarbeiter Arbeiterklasse - , aufsteigende 619 f. - , Emporentwicklung 638,893 - , politische Reife 570-572 - , rechtlose 684 - , westdeutsche 792 - , Zukunft 740 —»auch: Klassen [ . . . ] Arbeiterkolonisation 247,249 f. —» auch: Bauernkolonisation; innere Kolonisation Arbeiterpacht —» Pacht( Verhältnis); Pachtbedingungen; Parzellenpacht, Parzellenpächter Arbeiterpartei 358 - , nationale 675,619 —> auch: Nationalsozialer Verein; Sozialdemokratie; Sozialismus Arbeiterrentengüter —» Rentengüter Arbeiterschutz229f., 347,360 Arbeiterverbände 827,901,902 f. —»auch: Gewerkschaften Arbeitervereine - , evangelische 29,32,230,233 f., 281,311, 331-333,344f.,346,353f„464,720, Uli., 886 - und Sozialdemokratie 354 - , katholische 229 Arbeiter- und Handwerkervereinsbewegung, liberale 810 Arbeiterversicherung 229 Arbeitgeber, ländliche 78,81,82,84,88f., 92,97 f., 377,422,432,687 - als Berichterstatter 470,685 - , Behandlung der Landarbeiter 705 - , Interessenorganisation 331 f.
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—» auch : Bund der Landwirte ; Unternehmer , landwirtschaftlicher ; Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer Arbeitslosigkeit 58,606-608,609-611, 631 Arbeitsmarkt 400,449,610 Arbeits- und Produktionsteilung, internationale 628 Arbeitsverfassung, ländliche 377, 403 -406,410,418,422,432,537 - , Eigentümlichkeiten 18,378 - , Entstehung225,270 - , gemeinwirtschaftliche320f.,323,377f., 432 - , patriarchalische 19f., 75-77,138f., 275, 321,379-381,391,401,402,410,433 f., 442f., 456,552,661,663 - , Auswirkung auf die Höhe der Lebenshaltung 141 f., 173 f., 335 - , im Nordosten Deutschlands 275,390 - , Zerfall89,139f., 172-174,203,309/. —»auch: Gutsherrschaft - , Rechtsformen 319 - , Typen 167-170,172-174,270,601 —» auch : Agrarverfassung, Typen - , Umgestaltung278,368,370,379,426, 433 - , geldwirtschaftliche, kapitalistische 89,90,99,137,140,173,323 f., 356, 373,377 f., 382,385-387,389,392, 406,410f., 414,428f., 435,439,441, 444,453,456 - und Kulturstufe der Arbeiter 403,450, 452 - und Nationalität der Arbeiter 451 —»auch: Großbritannien; Österreich (-Ungarn); Parzellenpacht, Parzellenpächter; soziale Organisation (im Osten) Arbeitsverfassung, moderne und gewerbliche 351,741 Arbeitsvermittlung 607,610,631,678 Arbeitsvertrag, freier 382,436 Arbeitswertlehre 384 „Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik" 20,53,365 f., 368,425,481 Argentinien 128 - , Agrarverhältnisse 770,773 - , Auslieferungsverfahren 306 - , Behördenorganisation 306 - , Bodenspekulationsgesellschaften 287 - , Eherecht 306
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Sachregister
- , Getreideexport, landwirtschaftliche Konkurrenz 182 f., 286,290,296 f., 299 f., 304,338,722,726 - , Handelspartner des Deutschen Reiches 253,286,302 f. Justiz 307 - , Kolonisationsgesellschaften 301,306 - , Kolonistenwirtschaften56,128f., 282-285,286-303,304 - , Landarbeiter 128 f. - , Ernährungsverhältnisse 292 f., 298 - , italienische 300 - , Löhne291-294,298f. - , Wohnverhältnisse 292 - , landwirtschaftliche Produktion 300 - , landwirtschaftliche Verhältnisse 282—285,286 - 303,304 - , Rechtsverhältnisse der Ausländer 304f., 306f. - , Staatsschulden 306f. Staats- und Handelsverträge 306 - , Strafgesetzgebung 306 - , Valutaverhältnisse, Verflechtung in das Weltwährungssystem 283,287,290, 299-302 - , Verfassung 306 - , Volkswirtschaft als Ganzes 300f. - , Zivilprozeßrecht 306 Armenfürsorge, Armenrecht 135,175 f., 215,279,280,332,358,398,447,456, 475,699,911 Arnsberg (Regierungsbezirk) 593,652, 657,809 - , Kreisgebürtigkeit 662 Arröder —* Heuerlinge Ärzte, sozialpolitische Bedeutung 102 - als mögliche Organisatoren einer Landarbeiterenquete 154,156,210 Atheismus 519 Auenhäusler 585,937 Aufklärung (Epoche) 749,753 Aurich (Regierungsbezirk) 652,658 Außenschläge —» Gutsbetriebe Australien 726 f. Auswanderung —» Wanderungsbewegungen „Autoritäten", innerliche Anerkennung 330 Baden (Großherzogtum) 902 - , Auswanderung 762 - , bäuerliche Bevölkerung 265
Domänenverwaltung321,424,462 Grundverschuldung264f. Hofgütergesetz (1888) 506 Kultusministerium 536 Landarbeiterverhältnisse 150,218,706 ländliches Erbrecht 594,760,797 ländliches Kreditwesen 530 wirtschaftliche Verhältnisse 677 Zwergwirtschaft 788 —» auch: Evangelisch-soziale Vereinigung für Baden; Landwirtschaft Badische Historische Kommission 46 „Badische Landeszeitung" 668,827-829, 830,842f., 845 „Badische Landpost" 833 Banken 849 Bankkapitalien 355 Barlohn —> Geldlohn Bauern, Bauernschaft, Bauernstand, Bauerntum22,386,415,438,483,590f., 593,635 f., 639,839,855 - , Besitzgruppen 649 - , depossedierte 279,387 - , Einkommen 94 - , englische 505,526,759,773 - , freie, unfreie773 - , genossenschaftliche Organisation 589 f., 600 - , Großbauern418,458,663,770,855 - im Mittelalter 392,444,749 - , Kleinbauern 664,717,855 - , Besitzgröße 657 f. - , kassubische631 - , kongruente Produktions- und Konsumtionsverhältnisse 841 - , östliche 659 f. - , polnische 555 - , Seßhaftmachung 797 - , westliche658f.,808 - , Zwergbauern423,461,553,788 - mit „schlechten" Besitzrechten 500 - , polnische 553,555,602,605,718 - , soziale Lage 229,620 - , Stabilität 779 - , untertänige 335 - , Verhältnis zur Heimat 421,459 - , west- und süddeutsche 639,161,834 —> auch: Baden (Ghzt.); Büdner; Frankreich; Großbritannien; Häusler; Hintersassen, bäuerliche; Österreich (-Ungarn); Polen(tum) Bauernbefreiung 599,755,774,831 -, -, -, -, -, -, -,
Sachregister - , österreichische579f., 581-585,750,753 - , preußische 95 f., 130,241,259,271,500, 502,579,581,749f.,753f. - , russische 663 Bauerndörfer 380,434,545 f., I I I Bauerngüter, Bauernhöfe, Bauernwirtschaften 387,439,492,501,502f., 506, 509,590f., 694,718,783,792 —» auch: Betriebe, landwirtschaftliche; Grundbesitz, mittlerer Bauernkolonisation 250,310,336,338f., 424,475 —* auch: Arbeiterkolonisation; innere Kolonisation Bauernlegen 527,753,759,815,937 —* auch: Großbritannien; Mecklenburg Bauernschutz 96,242,584,589,590,753, 830 - , moderner 589,768 Bauerspeicher 694,938 Bayern (Königreich) 834 - , Landarbeiterverhältnisse 150,218,244, 706 - , ländliches Erbrecht 760 - , landwirtschaftliche Bevölkerung 266 - , Oberstes Landesgericht 534 - , Reichstagswahlen 1893 776 Beamtentum, Beamter 371,426,475, 487 f., 527,568,634,736,831 Belgien - , Handelsverträge 92,343,777,781 beneficium odiosum 656 Berg (Großherzogtum) 797 Berlin 9 , 3 6 , 6 2 f . , 157,185,233,245,268, 274,306,353,362,364,567,586,799f., 862,864f., 892,900f., 902,910,912 - , Alldeutscher Verbandstag (1894) 715f., III - , Bevölkerung665,789,805,809,832 Friedrich-Wilhelms-Universität 39f., 512,536,912 - , Juristische Fakultät 907 - , Staatswissenschaftliches Seminar 908, 914 - , internationaler Bergarbeitertag (1894) 728 - , „kleine staatswissenschaftliche Gesellschaft" 44,908,914f. - , Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit 63,859f., 861 f., 910f. - , Sozialdemokratie 725
963
- , Sozialwissenschaftliche Studentenvereinigung 30,44,512f., 874,912f. - , Staatswissenschaftliche Gesellschaft 44, 908f., 914 - , Staatswissenschaftliche Vereinigung 19, 44,159,908f.,914 Stadtmission 619,723,725,728 - , Verein „Frauenwohl" 859f., 910 - , Zeitschrift „Frauenwohl" 860,910 „Berliner Börsen-Courier" 468 „BerlinerTageblatt" 800-802,808,860, 910 Berufskriegerschicht 830,846 Besitzkredit —> Kredit Besitzminimum, Festsetzung 84 Besitzrecht, erblich 388,440 Besitzverhältnisse, ländliche 838 Betriebe, landwirtschaftliche 260,400, 402f., 450f., 554,838 - als Saisonbetrieb 279,397,446 - , bäuerliche 85,93f., 97f., 132,191,266, 401,403,450 - , Besitz- und Betriebsgrößen 266,599 - , geldwirtschaftliche Entwicklung 651 - , Größe und Bevölkerungsstabilität 666 - , Intensität der Bewirtschaftung 79,87, 93,250,260,286,318,335,374-376, 379,382,393 f., 396 f., 399-402, 405-407,411-415,422,430f., 433, 435,445 f., 448 f. ,451-453,456f., 460, 506,592,785 - , Kapitalintensität, Kapitalinvestition 375-378,386 f., 405,430-433,439,451 - , Kleinbetriebe 85,405,649 - , Rechtsformen 263 - , Umgestaltung nach geschäftlichen Gesichtspunkten 394 - , Zwergbetriebe 266 —» auch: Großbetriebe, landwirtschaftliche; Gutsbetriebe Betriebskonzentration, gewerbliche 355 f. -^auch: Kapitalkonzentration Bevölkerung, deutsche 399,448,548,635 - , Ernährung 635—637 - , Erwerbsgelegenheit und Export 630, 671 - , Geschichte 544,602 - , Industriebevölkerung 631,639 - , Kaufkraft609,637 Regulation 339,359f. - , Stadtbevölkerung 268
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Sachregister
- , Verdrängung durch polnische 16,537, 550,602 - , Wachstum 339,638,751,814 —* auch: Landbevölkerung Bevölkerungsbewegung 9,810—813, 814-818,555,855 - und Mobilität des Bodens 593,660-666 —* auch: Westpreußen Bevölkerungsdichte 317,399,448,636f., 655,758,815,832,838 - der Gutsbezirke 418,458 - der Landgemeinden 418,458 - und Agrarverfassung783 - und Großbetrieb 760 - und Grundbesitzverteilung 598,599, 758,788f. Bevölkerungsproblem 339,359f., 558,610, 827,901,9021. Bevölkerungsreservoir, proletarisches 610 Bevölkerungsstabilität 6 6 0 - 666,761 f., 803,805,808 f., 815,821 Bevölkerungsüberschuß 397,446 Bevölkerungsverhältnisse 319,337,398f., 447 f., 814 Bevölkerungsverteilung (Stadt/Land) 334, 399,405,448 Beweglichkeit des Bodens —» Mobilität des Bodens Bielefeld 245 Bildung, historische 351 - , ideal-christliche 894 Bimetallismus284,301-303,358,531 „Blätter für soziale Praxis" 56 Boden - als Produktionsmittel und Standort 591 - als Unterlage der sozialen Gliederung der ländlichen Gesellschaft 591 f. - , festgeklammerter des Ostens 664 - , rechtliche Bindung 660 Bodenbesitzreformbewegung 234,271, 358,360 Bodenbesitzverteilung —» Grundbesitzverteilung Bodenbewirtschaftung—»Betriebe, landwirtschaftliche Bodeneigentum, städtisches 474 Bodengliederung —» Grundbesitzverteilung Bodengüte —» Bodenqualität Bodenkonzentration 383,436,526 Bodenkultur 399,422,460
—»auch: Betriebe, landwirtschaftliche: Intensität der Bewirtschaftung Bodenpacht - » Pacht (Abgaben) Bodenpreise 492,654 f. Bodenprodukte, Nahrungswert399,448 Bodenqualität 75,213,318,334,338,376, 395,400-404,406,413,430,449-451, 489,545 f., 549 - und Lage der Arbeiterschaft 318,403 f., 453 Bodenregal 360 Bodenrente 358 Bodenstatik 260,938 Bodentaxwert 360 Bodenumsatz —» Mobilität des Bodens Bodenverteilung —» Grundbesitzverteilung Bodenvorkaufsrecht, staatliches 360 Böhmen 579f., 581-585,896,899 Bomst (Kreis) 821 Börse, Börsenwesen 14f., 41,44,300,354, 468,475,484,526,534,613,620,742, 763,799,837,849,939 Börsenausschuß —> Reichsamt des Innern „Börsen-Zeitung" 468 Bourgeoisie, klassenbewußte 335 —» auch: Bürgertum brachium saeculare 573 Brandenburg (Provinz) 584 Landarbeiterverhältnisse 218,244,381, 414,434,678,689,706f. ländliches Erbrecht 594,760 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , Reichstagswahlen 1893 776 - , Zuwanderung 268 Brandkassen, bäuerliche 323 Branntweinbrennerei 704 Branntweinsteuergesetzgebung 626f. Braunschweig (Herzogtum) - , Landarbeiterverhältnisse 149,218,688, 691,106 - , ländliches Erbrecht 594,760 „Breisgauer Zeitung" 45,575f., 577, 729f., 820,824 Bremen 594,760 - , Landarbeiterverhältnisse 688,692 Breslau (Regierungsbezirk) 652,657 - , agrarische Struktur 663 - , Bevölkerungsstabilität 663 - , Kreisgebürtigkeit 662 Bliesen (Kreis) 547 - , Bevölkerungsvermehrung 666
Sachregister Flächeninhalt 666 - , Gebürtigkeit 664-666 Bromberg (Regierungsbezirk) 658 - , Generalkommission 498 Büdner 130,190,694,939 Buenos Aires 284,287,290,304,306 Bund der Landwirte 2,184,280,331 f., 463, 493,515,632,812 Bund Deutscher Bodenreformer 358 „Bundschuh" 464 Bürgerliches Gesetzbuch 57,511,528,562, 797,916 - , Kritik daran 524f., 532 Bürgertum 556,621,784 - , englisches 787 - , Entwicklung 752,852 - , Feudalisierung633f. - , großindustrielles und Großgrundbesitz 632 f. - , Ideale und Politik 638 kapitalkräftiges 374,429 - , liberales 4 - , Machtinteressen528,572 - , Mangel an nationalem Verständnis 671 - , Monopolisierung der politischen Intelligenz 192,335,371,427 - , ökonomische Herrschaft 589 - , ökonomisches Interesse 532 - , politische Urteilsfähigkeit 569 - , Qualifikation zur politischen Herrschaft 51, 335,568,570,572 - , Sittlichkeitsvorstellung 634 - , Sprengung 786 städtisches335,489,507,784 - und Kirchlichkeit 634 - , Zukunft 787 —» auch: Bourgeoisie; Entwicklung, bürgerliche; Großbürgertum, städtisches; Klassen, bürgerliche; Klasseninteressen , bürgerliche; Kleinbürgertum; Spießbürgertum „Burschenschaftliche Blätter" 729 capitis deminutio 938 Cäsarismus 787 Charlottenburg, Technische Hochschule 727 Chartismus 82,180,340 Chauvinismus 182 Chemnitz 106 christlicher Sozialismus —> Sozialismus Christlich-soziale Arbeiterpartei 469
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Christlich-soziale Bewegung27,36,38, 346-349,350-361,464 - , ältere Richtung25,351-354,557 - , jüngere Richtung25,34,612f., 885f., 887 —> auch: Frankfurt a. M.; Konservativismus und Christentum; Nationalsozialer Verein Christlichsoziale Partei 513 Christlich-soziale Politik 234 Christlich-soziale Vereinigung 274 „Chronik der Christlichen Welt" 864f. Ciarens 557 Code Civil, Code Napoléon 756,797 „Conservative Correspondenz" 71,273, 276,465,468-470,478 Corrientes (Provinz in Argentinien) 292 Cöslin (Regierungsbezirk) 657 Culm (Kreis) 664-666 Danzig (Kreis) 412 Danzig (Regierungsbezirk) 658 Darlehenskassen 494 Darmstadt 557,902 „Das Handels-Museum" 419 „Das Land" 14,54f., 121,155,163,221, 225,416 „Das Volk" 35,891 Daseinskampf 564 Demographie —» Bevölkerungsproblem Demokratie, Demokratisierung 621 —»auch: Gesellschaft, ländliche; Grundbesitzverhältnisse, ostelbische; Luxus Depression, wirtschaftliche 82 Deputant, Deputatknecht 79,91,243, 381 f., 383-388,390,403,410-413, 435 -440,442,450,456,694,938 Deputantenverhältnis - , Entstehung385f.,437f. - , Ersatz des Instverhältnisses 381 f., 387, 392,435,439,443,456 Deputat 79,91,97,386,390,407,409, 413 f., 435 f., 439,442,453,455,696,702 „Der Arbeiterfreund" 43 „Der Reichsbote" 273,276 „Der Sozialistische Student" 45 Despotismus, aufgeklärter 755 Deutsche Freisinnige Partei 174 „Deutsche Industrie-Zeitung" 61, 679-682,683 -685 Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft, achte Wanderausstellung (1894) 474f.
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Sachregister
Deutsche Reichspartei 284,469,477, 512f.,517,520,641,801 —* auch : Freikonservative Partei „Deutsche Volkszeitung" (Hannover) 576f.,731 Deutscher Bund für Bodenbesitzreform 555,531 Deutscher Juristentag 524,642 - , 1895 642,645,652f. - , 1898 527,642f., 645 - , Gutachten 642,645 - 6 6 6 Deutscher Kolonialverein 15 Deutscher Landwirtschaftsrat 509,642 Deutscher Ostmarkenverein 13f. ,62,65 —» auch: „Die Ostmark" „Deutscher Reichsanzeiger" 682 Deutscher Verein für Wohnungsreform 874 Deutsches Reich 2 , 1 1 , 1 4 - 1 6 , 4 7 f . , 50-52,60 - als Industrie- oder Agrarstaat (Debatte) 5f., 58,623 -625,626-640,803,809, 839,855 - , Autarkiepolitik 624 - , Berufszählung 711, 757 - , Bundesrat 41,57,524 - , bürgerlich-gewerbliche Entwicklung 672 - , Demokratie 621 - , Einigungskriege 570 - , Exporte, Exportpolitik607,610,623f., 626f., 628f., 631,635f., 638,660,779, 806,814-816 -^auch: Branntweinsteuergesetzgebung; Identitätsnachweis; Zuckersteuergesetzgebung - , Getreidebedarf 635 - , Gründung 51,567 f., 731 - , Handel 263,265,283,628,633,669,675, 847 - , Schutzbedürftigkeit 671 - , Heer 621,672 - , Importe 282,623,635 f., 639 - , innere Politik 672,710 - , landwirtschaftliche Produktion 260f., 265,289,636,838 - , Nahrungsbedarf 245 - , ökonomische Abhängigkeit vom Ausland 623,628 f. - , ökonomische und politische Machtausdehnung 15f., 35,46,51,58f., 536,568,
570f., 607,610f., 614,638,640,668f., 672,715,816 - , politisches und militärisches Gewicht 667 - , Regierungswechsel 1894 873 - , Regime, halb patriarchalisches, halb bürokratisches 709 - , „Sättigung", politische 568 - , Umschwung wirtschaftspolitischer Anschauungen 628 - , Unabwendbarkeit der kapitalistischen Entwicklung 631,673 - , Zukunft 745,816 - , Zweiteilung in wirtschaftlicher Hinsicht 635,815 —* auch: Flottenbau [ . . . ] ; Getreide, Getreideanbau ; Getreidehandelsmonopol; Getreidezölle; Nation, deutsche; Nationalstaat, deutscher; Reichs[...]; Wanderungsbewegungen „Deutsches Wochenblatt" 284f., 303,539 Deutsch-Konservative Partei 2,52,71, 273,468f., 641,778 Deutsch-Krone (Kreis in Westpreußen) 177 Deutschland —» Deutsches Reich Deutsch-Ostafrika 801 „Deutschtum" 10,49-51,61 f . , 184,547f., 555,584,605,717 „Die christliche Welt" 21,28,57,107,208, 231 f . , 347-349,465f., 525,540,616, 720,863,890f., 911 „Die Gegenwart" 10 „Die Grenzboten" 877f., 883 „Die Hilfe" 33,35,51,540,606,744f., 746, 191,877f., 885 —»auch: „FrankfurterVolksbote" „Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands" (Schriftenreihe) 23f., 687-692 - , Vorbemerkung 689,691,694-711 - , Werbetext 68,689—691,693 „Die Nation" 52,539 „Die Neue Zeit" 52,539 „Die Ostmark" 62 „Die Post" 477,513 -516,517 f., 520f., 522 f., so; „Die Wahrheit" 44f. „Die Zeit" 37f., 539 - , Erscheinungsort 892 - , Geldgeber35,612 - , Gründungskomitee 612
Sachregister Mitarbeiter 892 - , Polenfrage 615,617,621 f. - , Programm und Leitlinien 672,614, 885-889,890-895 - , Redaktion 615,891 - , vorbereitendes Komitee 34,886f., 890f., 895 —» auch: Nationalsozialer Verein „Die Zukunft" 7,465,467 Dienstleute —> Instleute Dilettantismus, sozialpolitischer 235,237, 315 Diskonto-Gesellschaft 915 Domänenkolonisation, staatliche 49,60, 423 f., 461 f., 498f., 556 f., 719,778, 783 f., 786f. —» auch: Mecklenburg; Neuvorpommern; Pacht(verhältnis); Preußen (Kgr.); Sachsen (Provinz) Doppelwährung —» Bimetallismus Dörfer, Dorfgemeinden 227 f., 250,337, 410,418,458,631,830,846 Dreifelderwirtschaft 257,260,394,445 Dreiklassenwahlrecht —» Preußen (Kgr.) Drescher, Dreschgärtner, Dreschgütner 79,80,82,86,130,242,257,388f., 409, 411,413,440f., 455,585,748,757,938, 940 - , Einkünfte 76,378,382,407,413,432, 453,702,774f. —»auch: Instleute Dreschmaschinen 290,379,396,433,445 - , Auswirkungen79,173,246,407,453, 698,771,775 - , Betrieb 402,450 —> auch: Maschinenarbeit, Maschinenbetrieb Dresden 106 - , Oberlandesgericht 534 Duell(affäre Wagner/von Stumm) 31, 512-516,517-519,520f., 522f., 634, 913 Düsseldorf (Regierungsbezirk) 652 - , Kreisgebürtigkeit 593,661,761,789,832 - , Wohnverhältnisse 788 Dynastien, deutsche - , sozialpolitische Anwandlungen 569 „ehernes Lohngesetz" 318 Ehrengerichte der Offiziere 513,518 f. Ehrenhändel, persönliche 517,521,522 Eigenwirte —» Landwirte, selbständige
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Einkommen - , Herkunft 620 - , landwirtschaftliches 487 Einlieger 97,103,246,656,694,703,938 Einwanderung, fremdländische 620,894 Eisenzölle —» Schutzzölle Elbe 635,688f., 707,777 - , als ökonomische Grenze 752,755 Elberfeld 250,232,233,254 Elbing (Kreis) 412 Elsaß-Lothringen (Reichsland) - , Landarbeiterverhältnisse 150,218,706 Emanzipation 351,399 Emanzipationskampf —> Klassenkampf England —» Großbritannien Enqueten, Methodik 111,115 —» auch: Erhebung[... ] Ensemble, soziales und wirtschaftliches 24, 317,337,372,399,428,448 Entrerios (Provinz in Argentinien) 287, 294,306 Entwicklung - , bürgerliche 621,810-813,814-818, 822,825 - , deutsche 640 - , geschichtliche 630,638 - , gewerbliche 155,630 - , industrielle 59 - , kulturgeschichtliche 855 - , soziale 638,860,883,910f. - , wirtschaftliche 814,842-844 Entwicklungsgesetz, volkswirtschaftliches 375 Entwicklungsmoment, kulturfeindliches 659 Entwicklungsprozesse, ökonomische 560 Entwicklungstendenzen, geschichtliche 565 Entwicklungstendenz(en) in der Lage der ostelbischen Landarbeiter —» Landarbeiter, ostelbische Epigonentum 119,195,709 - , politisches 569 Erbgewohnheiten, ländliche 591 f. Erbrecht, ländliches 480,486,491,501, 599,695 - , Anerbenrecht55-57,169,244,246, 265,480,493,499,500f., 502- 511,532, 642,660,757,764 f., 768 f., 783,788, 791 f . , 794,796,806,834,836,937 —»auch: Ansiedlungsgüter; Rentengüter
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Sachregister
- , Abfindung der Miterben 509 f., 587f., 592 - , absolutes 508 - als Intestaterbrecht 500,509,586f., 592,594,769,940 - , Anwendungsbereich 501,504-506, 591-594,760,839 - , bevölkerungspolitische Wirkung 506f. - , Debatte im Verein für Socialpolitik 592 - , fakultatives 501,504,508 f., 806 gesetzliche Regelung 501,502-504, 508,543,586-588,589 - 5 9 6 - , historische Herkunft 508 f. - , nordwestliche Geltungsgebiete 661, 770,773 - , primogenes 757 - , Entstehung 846 - , Erhebung darüber 486,505 - , Realteilung 150,167f.,267,500,502f., 505,507,532,599,764,783,788,941 - , Reform 358 - , regionale Differenzierung 503-505,757 - und Grundeigentumsverteilung 265, 505f. - , Wertteilung 504 - , wirtschaftliche und soziale Bedeutung 265 -^auch: Baden; Bayern; Brandenburg; Braunschweig; Frankreich; Großbritannien; Hannover (Provinz); Lauenburg (Hzt.); Mecklenburg; Oldenburg; Rheinprovinz; Schaumburg-Lippe; Schlesien (Provinz); Schleswig-Holstein; Westfalen Erbschulden —» Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes Erbteilung, gleiche—* Erbrecht, ländliches: Realteilung Erbuntertänigkeit 95,130,242,585,589 Erfurt (Regierungsbezirk) 652,657 Erfurt (Stadt) 36,245,622 Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Lage der Landarbeiter 1892/9316,20-24,27f., 55,65 -67, I I I . , 100,104,126,166f., 201,208 -219, 237,272f., 308,365,368,398,417,425, 447,449,463,544,687,693f., 708 - , Auswertung und Publikation 309,537, 675,688f., 706 f. auch: „Die Landarbeiter in den evan-
gelischen Gebieten Norddeutschlands" (Schriftenreihe) - , Berichte 166,212,217f.,272,275-281, 314-317,324,402,688f., 694 - , Ergebnisse 22-24,30,309f., 313-345 - , Fragebogen 156,166,209 -216,270, 276,308f., 315f., 469,471,687f., 690, 694-711 - , Kritik daran 212,217,365,469 - , Methode209f.,314 - , Organisation 210f., 272,308f. ,315, 687/., 705 f. —» auch: Geistliche, evangelische - , Resümee 689,708 - , Vergleich mit Erhebung des Vereins für Socialpolitik 316-318 - , Zeitpunkt 709 - , Zweck 212,708 Erhebung des Vereins für Socialpolitik über die Lage der Landarbeiter 1891/92 1,16-19,22,24,55,61,72,1%, 120-122,123-153,157,238,245,269, 272,308,324,362,368f., 392,398,419, 425,447,470,536,544,678-682, 6 8 3 - 6 8 6 , 6 8 7 f . , 708,716 - , Arbeitgeberberichte78,125,166,209, 275,369,470,552,679,681,685 f., 693 - , Auswertung39,72, 97,369f., 90S - , Debatten im preußischen Abgeordnetenhaus darüber 678-680,683 - , Ergebnisse 184,187,189f.,223,226, 244,249,215,365,368- 424,425 - 4 6 2 - , Fragebogen 120,125 f., 685,690, 708 - , Kritik daran 18,20,61,120,125,161, 199-202,209,363 f., 369,412,417, 679-682,683 f. - , Methode 124-127,166,368 - , Organisation 685 - , politische Bedeutung362f. ,679 Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1848/49124,209,269,368,382,410, 425,693 Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1873124,209,269,318,368,410,425, 693 Erhebung über die Lage der Landarbeiter in Oberhessen 1901/02 689 Erhebung über die Lage der Landarbeiter in Westfalen 1904 708 Ermland (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451
Sachregister Ertragswert 382,435,480,487,491,505, 587,594,600,642,764,768,834 —» auch: Verkehrswert „Ethische Kultur" 876 Eudämonismus 572 Europa 669 evangelische Landeskirche Preußens —» Kirche, evangelische Evangelischer Bund 256 Evangelischer Oberkirchenrat (Preußen) —* Kirche, evangelische Evangelisch-soziale Arbeiterbewegung 341 —»auch: Arbeitervereine, evangelische Evangelisch-soziale Bewegung3,26,28, 30-32,348,479,512,514,525,792 - und Frauenbewegung 911 Evangelisch-soziale Konferenz für Württemberg29,32,826,900,902 Evangelisch-soziale Kurse 1893,1896,1897 - » Evangelisch-soziales Kurswesen Evangelisch-soziale Vereinigung Badens 29,32,35,606,826,900,902 „Evangelisch-soziale Zeitfragen" 26,273, 215,348 Evangelisch-sozialer Kongreß 5,20—24, 26-32,34f., 65,233,235,254,346,513, 531,612,826,853,864,885,900,912 - , Aktionskomitee 21,23,72f., 100,219, 229f., 272,316,469,478,607,623,687, 694,706,90i - , Arbeitsprogramm 229 - , Ausschuß28,210,217,229/., 233,339, 606,623,720,791 - , Kooptation Max Webers 27,230 - , Einladungen 623 - , Frauengruppe 313 - , kirchen- und sozialpolitische Richtungen 2/7,310,346,463,469,606 - , konservative Kampagnen dagegen 463—466,467—479 - , Landesorganisationen 606 —> auch: Erhebung des Evangelisch-sozialen Kongresses über die Lage der Landarbeiter 1892/93; Verhandlungen des [ . . . ] Evangelisch-sozialen Kongresses Evangelisch-soziales Kurswesen 28f., 31, 229-232,233-231,254-258,259 -271, 351,486,512,613,826 -829,833,840f., 900f., 902 f., 912 - , Teilnehmer 254f.
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- , Ziele233,236f. —> auch: Frankfurt a. M. Evangelium 340 Exequend651,938 Export, deutscher—» Deutsches Reich „Expropriation" 344,354,424,462 Fabrik, Fabriksystem 698,737 Fabrikarbeiter —» Industriearbeiter Fachvereine - , berufliche 347,360 - , christlich-soziale 353 Familienhaushalt, individualistischer 382 —»auch: Gutsküche Familienleben, traditionelle Grundlagen 709 Familienrecht 358 Familienwirtschaft, individualistische 277 - als Konsumtionsgemeinschaft 383 —385, 409,436f.,455 - als Produktionsgemeinschaft 384,437, 560 Februarerlasse, kaiserliche (1890) 3,109, 872 Feudalherren, Stand 814 f. Feudalismus, Feudalisierung 377,633 f., 751 f., 783 f., 786f., 841,843f., 847 Fideikommißbesitzer 488,782 Fideikommisse, Fideikommißwesen 265, 506,509,592,596,599,662f., 760,780, 782,785,789,794,807,808,832,837 f., 938 - , bäuerliche 796 - , Begriff 836 - , Begünstigung782,786,796,808,836 - , Maximalgrenze 508,837 - , Minimalgröße 757,782,837 - , Neueinführung 806 - , Reform 596,796,801 - , Zunahme 777 —»auch: Großbritannien Fideikommißfrage 584,593,637,643,663 Filehne (Kreis) 405,452,788 f. Finanzwissenschaft 536,628,812 Fischhausen (Kreis) 276,405,452 Flatow (Kreis in Westpreußen) 177 Florenz, Agrarreformen (14./15. Jh.) 528 Flottenbau, Flottenpolitik 16,64, 667-670,671-673 Flottenvorlage (1897) 667f., 670,671, 843f.
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Sachregister
Flurbereinigung 95 Flurgemeinschaft242,599,830 Flurgenossenschaften 751,938 Flurverfassung, bäuerliche 831 Flurzwang 751,939 Franken (Region) 507 Frankfurt a.M. 34,346,348,463,474,588, 597f., 633,743,791 - 793,794,887,890, 892,895 - , Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften 43 - , Christlich-sozialer Verein 32,744f., 791-793 - , Evangelischer Arbeiterverein 32,720 - , Evangelisch-sozialer Vortragsverein 32, 720,722-725,791,f. - , Innere Mission 32,720 Frankfurt a.O. (Regierungsbezirk) 657 „Frankfurter Journal" 67, 720f., 724, 744- 747,748,756,763,770, III „Frankfurter Volksbote" (Beiblatt der „Hilfe") 67,720f., 726,732f., 734 f., 744,746f., 751,759,766,773,779,791, 793,196 „Frankfurter Zeitung" 46,52,163,465f., 539,720f., 722,743- 747,755,785,791, 801 f . „Fränkische Morgenzeitung" 668 Frankreich - , Adel 756,759 - , Agrargeschichte 599 - , Agrarverfassung599,601,756f., 759, 773,831 - , Agrarverhältnisse 794 - , Arbeiterbewegung 721 - , Arbeiterschaft 571,795 - , Attentate 328,872 - , Bauern 359,639,773 - , Bodenbesitzverhältnisse 770 - , Getreidehandel 263 - , Grundbesitzer 756,759 - , Grundverschuldung 264,764,767 - , Handelsvertrag 777 - , Kreditwesen 600 - , Landarbeiterklasse 773 - , ländliches Erbrecht 503,507,532,756f. - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , landwirtschaftliche Produktion 260 f. - , Nationalkonvent 571
- , Pachtverhältnisse 264 - , Revolution 1789, Revolutionskriege 571,749,756 - , Viehhaltung 262 - , Zweikindersystem359,504,756 —» auch: Hypothekengesetzgebung Frauen, öffentlich-rechtliche Stellung 916 - , soziale Stellung 83,103,214 Frauenarbeit 83,103,214,379,408,433, 455,699 f. —»auch: Instfrau Frauenbewegung, bürgerliche 63 - , Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hülfsarbeit (Berlin) 63,859f., 861 f .,910f. - , Verein „Frauenbildung", „Frauenbildungsreform" (Heidelberg) 63,916 - , Verein „Frauenwohl" (Berlin) 859f., 910 Frauenbildung 862,910 Frauenfrage 894,916f. - , ökonomisch und rechtlich 614f., 617 Freiarbeiter —» Tagelöhner Freiburg i. Br. 35,42 -45,62,521,538f., 563,573,674,688,717,751,800,812f., -877,882,887,900,912 819,875 - , Akademische Gesellschaft 44 - , Ortsgruppe des Alldeutschen Verbands 819f., 824 - , Studentenschaft 578,729 - , Universität 39-42,535f., 538 Freiburger Akademische Antrittsrede —» Personenregister: Weber, Max „Freiburger Zeitung" 29,819f., 821 Freie kirchlich-soziale Konferenz 31 Freies Deutsches Hochstift 58,67,597f., 743, 745f., 787, 791-793, 797,827 Freihandel, Freihändler 7,55,517,627, 633,726,728,778,781,786 Freihandelslehre, Freihandelsschule 283, 286,302f., 552,628,722,724 —»auch: laisserfaire-Prinzip; Manchesterliberalismus Freihandelssystem 633, III Freiheit - , akademische 912 - , christliche 867 politische638,879,883 Freikonservative Partei 284,678 —» auch: Deutsche Reichspartei Freisinnige Vereinigung 61,679,683,685, 823
Sachregister Freisinnige Volkspartei 61,302f., 536,570, 678,683,778 - , Handelsvertragspolitik 303 Freizügigkeit 184 f., 280,332,380,434, 475,775 „Freunde der Christlichen Welt" 29f. „Freunde der Hilfe" 34,885f. Friedensverhandlungen 1871633 Friedrichsruh 567 Frondienste, Fronpflicht 385,830 Fronhöfe 770,830 f., 846,849 Galizien 415 - , Wanderung deutscher Arbeiter nach Galizien 176 f. —* auch: Wanderarbeiter, polnische aus Galizien Gallien 749 Gärtner—* Drescher, Dreschgärtner, Dreschgütner Geistliche, evangelische 344,739,827,863, 861t, 870,874f. - als Angegriffene von konservativer Seite 273,276,464f., 468 f., 478 f., 515 - als Mitglieder des Nationalsozialen Vereins 616f. - als Organisatoren der Landarbeiterenquete des Evangelisch-sozialen Kongresses21,71 f., 74,78,80f., 100-104, 210,212,237,272,276,281,314f., 325, 368,425,687,693,705 f., 708 f. - als Teilnehmer an den Evangelisch-sozialen Kursen 254f. - als Verfasser sozialer Studien 271, 272—274,275-281 - , Aufgaben auf dem Lande 281,332f., 344 f. - , Erfassung des Wirtschaftslebens 711 - , Fähigkeit zu sozialpolitischer Mitarbeit 102,236 f., 281,353,526,606,709 - , Konflikt mit den Kirchenbehörden 348, 710 - , Vorbehalte gegen das geistliche Amt 118,235 —»auch: Dilettantismus, sozialpolitischer Geistliche, katholische 550,708 Geldlohn, Geldlohnsystem 88,378,380, 387-392,398,401,403,405,408-410, 429,433 f., 439 f., 442-444,447,450, 454-456,552,788,822 —» auch: Landarbeiter, deutsche: Einkommen, Lohn
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Geldwirtschaft 328,356f., 592,658,752, 788,830f., 838,849,851 f. —»auch: Arbeitsverfassung, ländliche Geldzins, mittelalterlicher 392,444 Gelehrte, Gelehrtenpolitik 567,571,619, 668 Gemeinde, evangelische 71,78,866,868, 871 Gemeindeland —» Allmende Gemeindelexikon, preußisches 25,317, 413,545,546,547-551,602,604 f., 643, 661,717,767 Gemeinheitsteilungen (preußische Agrarreformen) 95 f., 187,240,243,271,321, 527,599,774,831 Gemeinwirtschaft, patriarchalisch geleitet 373,386,429,438 „General-Anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung" 828f., 842 -845,846 „General-Anzeiger für Leipzig und Umgebung" 540 Generalkommissionen (preußische Bodenreform-Behörden) 92f., 192,220, 227,423,461,483 f., 497 f., 557,587, 594 f .,718,782,823 Genua 848 Geologie 876 Gerechtigkeit 882 - , ausgleichende 879 - , brüderliche 709 Gerechtsame 322 Germanen, Bevölkerungsproblem 267 —» auch: Siedlungsformen [ . . . ] Germanisierung (des Ostens) 12,176,557 Germanisten, populäre 532 - , wissenschaftliche Autoritäten 532 germanistische Rechtsformen—» Recht, „deutsches" Gesamtverband evangelischer Arbeitervereine Deutschlands 311,346,353 Geschichte (Fach) 597,743 Geschichte - , deutsche 568 - , politische 562 - , „Urteil" der 565 - , Verantwortlichkeit davor 671 - , Verwaltungsgeschichte 564 - , Weltgeschichte 568 - , Wirtschaftsgeschichte 562 —•auch: Agrargeschichte Gesellschaft für Ethische Kultur 538,573, 620,876
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Sachregister
Gesellschaft, ländliche - , aristokratische Gliederung 596,601,792 - , bäuerlich-aristokratische Gliederung 592f. - , demokratische Gliederung 601 - , Demokratisierung592f.,782f. —» auch: Agrarverfassung „gesellschaftlich notwendige" Arbeitskraft 384,437 gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit 384 Gesinde 75,79,85,88,91,134,379, 381-383,385,388,395,434-438,440, 678,694,696,701 f., 770,774 Gesindeordnung, preußische 91,162, 186 f., 705,771,774 f. - , Zwangsrückführung 91,186f., 380,434 Gesundheitspflege, öffentliche 862 Getreide, Getreideanbau 74 f., 87,245, 282,376,394f., 445,632,639,655,816, 837 - , ausländisches 724 —»auch: Amerika; Argentinien; Konkurrenz, ausländische; Südamerika; Vereinigte Staaten von Amerika Getreideexport —» Argentinien; Deutsches Reich, Exporte Getreidehandel^ Deutsches Reich, Handel; Frankreich; Großbritannien; Indien; Italien; Kanada; Orient; Österreich (-Ungarn); Rußland; Vereinigte Staaten von Amerika Getreidehandelsmonopol, staatliches 326, 531,556,778,781,783,786,823 Getreidepreise 8,14 Getreideproduktion, weltweit 261 f. Getreideterminhandel 14,41 Getreidezölle 82,92,336,343,358,376, 431,463,496,626f., 637,639,779,781, 783 f., 837 —» auch: Großbritannien; Schutzzölle Gewanne 751,939 Gewerbegeseilschaft 907 Gewerbepolitik 231,255 Gewerbetreibende, ländliche 474 Gewerkschaften, Gewerkvereine 345,347, 352,360,678,790 - , christliche 229 - , rechtliche Besserstellung 673 —»auch: Großbritannien Ghibellinen 528 Gießen, Oberhessischer Verein für innere Mission 32,732
Gilden 847 —»auch: Zünfte Glaube, christlicher - , Stellung im öffentlichen Leben 619 Glaube, evangelischer - , persönliche Bindung 870 Gläubiger, bürgerliche 530 Gnesen (Erzbistum) 822 Goldagio 289 f., 295 f., 299,301,939 Goldkurs 284,290,295 f., 299 Goldstandard 531 Gold- und Silberwährung —» Bimetallismus Göttingen 575,729 Graudenz (Kreis) 413 - , Gebürtigkeit 664—666 Greifswalder Schule 106 Greiz (Thüringen) 478 Großbetriebe, industrielle 355 f. Großbetriebe, landwirtschaftliche 92—94, 266,356,376,381,385,393,399,401, 403,414f., 423,430f., 438,450,556, 581,584,815 - als Exportbetriebe 649 - als Konjunkturbetriebe 649 - als Saisonbetriebe 666 - als Träger der deutschen Kultur 583 - , Bevölkerungsdichte 760 - , Bewegung zum kapitalkräftigsten Wirt 374,430,506 - , bürgerlich-kapitalistische 375,430 - , Kapitalschwäche 376,431 - , Konkurrenzfähigkeit 399,448 f. - , Notlage 370,426 - , politische Bedeutung 335 - , rationell bewirtschaftete 636 - , Untergang 297 f. - , Verflechtung in den nationalen und Weltmarkt 649,666 - , Vorherrschaft 639,656 - , Zerfall in Kleinbetriebe 374,377,430f., 553,557 - , Zukunft 370 - , Zwangsvollstreckungen 643 —»auch: Gutsbetriebe Großbritannien 477,667 f., 726,808 - , Agrargeschichte 599 - , Agrarverfassung599,756f.,759,773, 831 - , Agrarverhältnisse 264,794 - , Arbeiteraristokratie 341,393,412 f., 444,456,572,740
Sachregister Arbeiterbewegung341,393,571,721, 121,739,912 - , Arbeiterschaft393,722,724,795 - , Bauern, Bauernlegen505,526,759,773 - , Bodenrecht 526 - , Bürgertum 787 - , Fideikommisse757,759,764,767,807 - , Freihandel 728 - , Getreidehandel 263 - , Getreidezölle 496,779 - , Gewerkschaften 341,360,393,394 - , größter Exportabnehmer des Deutschen Reiches 629 - , Grundbesitzverteilung759,770 - , Grundherrschaft 386,438 - , Handel, Handelspolitik 728,777,850 - , Hilfstätigkeit, soziale 911 - , Hypothekenverschuldung 764 - , Imperialismus 638 - , „Improvementfund"496 - , „joint business" 496 - , klimatische Bedingungen 376,431 - , Kreditwesen 496,600 - , ländliche Arbeitsverfassung 601,757, 759 ländliches Erbrecht 505,508 f., 757 - , Landlords496,756,759f., 794 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , landwirtschaftliche Produktion 260f. - , Luxus 738 - , Pachtverhältnisse 264,496,527,756f., 759,767,782 - , patriarchalische Gemeinwirtschaft 386 - , Rechtspflege 534 - , Sozialismus 739 - , sozialpolitische Entwicklung 394 - , Viehzucht 376,779,785 - , Wahlen 1892 739 - , Weidewirtschaft 394,445 Weltmachtstellung 571,722,724 - , wirtschaftliche und politische Machtlage 566 - , Wirtschaftskrise 739 —»auch: Hypothekengesetzgebung Großbürgertum, städtisches 371,427, 568 f. —» auch: Bürgertum; Luxus Großgrundbesitz(er) 17,19f., 25,37,49, 55,58,74,84f., 92,382,423,463,465,
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480,556,584,614f., 617,620,788 f. - als Freihändler 633 - als Gegner des christlichen Sozialismus 353 - als Intelligenzzentren auf dem Lande 192,568 - als Polonisator 177,179,605 - als Schutzzöllner 633 - als sinkende Klasse 344,459,566 - als Stand370f., 473,475 - als Stütze der älteren Christlich-sozialen Bewegung 354 - als Unternehmer 374 - als zweifelhafte Stütze für den Staat 257 - , Ausbeutung von Bodenschätzen 663 - , Beschränkung der Macht 888 - , Bündnis mit Industriellen 786 - , Dislokation 335,371,426,568 - , Entstehung 849 - , Forderung nach freiem Zuzug ausländischer Wanderarbeiter 13,62,174f., 180, 202,336,475 - , gesellschaftliche Stellung 7,132 - , ghibellinische 528 - , historische Machtstellung im Staat 18f., 105 - , Interessen 180f., 196,473,476,497,591, 632f., 797 - , Interessenvertreter 475 - , Klagen 685 - , Kreditvergabe 496 - , Mißbrauch des Rentengutsinstituts 656 - , politischer Einfluß 132,473 - , Presse 473 - , soziale und wirtschaftliche Physiognomie 326 - , staatliches Interesse an ihnen 335,370, 426,473 - , standesgemäße Existenz 335,371 f., 377 - und Handwerker 790,794,797 - , Unhaltbarkeit 807 - , Verdienste um die Nation 181,311 - , Verlust der politischen Bedeutung 342, 377,420f., 459,473 - , Vernichtung der Vorherrschaft 310, 336f .,463 - , Vorherrschaft22,85,406,418,452,457, 461,551,855 - , wirtschaftliche Stellung 192 - , zwischen Stand und Unternehmerklasse 204,325 f., 335,370-374,376f„ 393, 426-432,444,472,553
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Sachregister
—>auch: Grundadel; Latifundien; Westpreußen; Wirtschaftspolitik Großindustrie 400,614,620,672,815,894 —» auch: Industrie; Wirtschaftspolitik Großstadt —» Stadt Groß-Wartenberg (bei Breslau) 154 Großwirtschaften —» Großbetriebe, landwirtschaftliche Grundadel - als Stand 377,474 - , Bedeutung 325 f. - , Depossedierung374,429 - , Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage 371,427 - , Lebenshaltung 371 - , Machtstellung 374,429,553 - , Umwandlung in Unternehmerklasse 432 —»auch: Großgrundbesitz(er) Grundbesitz(er) 74,179f., 368,389,425, 435,441,643,645 - als bevölkerungspolitischer Regulator 339,359 f. - als Stand 487-489,655 - , Anzahl 757 - , Einfluß auf das Familienleben der Landarbeiter 103 - , Einkommen 487 - , Emanzipation vom Kapital 654 - , Erwerb 655 - , ideale Größenmischung84f., 152,224, 472 - , Kommunalisierung 271 - , korporativer Zusammenschluß (kreditwirtschaftlich) 494 f. - , „Markt" für 655 - , mittlerer 85,103 f., 600,780 - , ostelbischer 470,665 - , patriarchalischer 335 - , Rückenbesitz 652,941 - , steuerliche Entlastung 686 - , tagelöhnernder 657 - , Verstaatlichung 271 - , Zersplitterung 224 -^auch: Arbeitgeber, ländliche; Bauern; Bauerngüter; Fideikommiß [ . . . ] ; Großgrundbesitz(er); Grundadel; Grundherr(schaften); Gutsbesitzer; Gutsherr; Junker; Kleingrundbesitz, ländlicher; Kleinstellenbesitzer; Landwirte; Proletariat, grundbesitzendes; Rittergüter; Rittergutsbesitzer; Unternehmer, landwirtschaftlicher
Grundbesitzverhältnisse, ostelbische - , Demokratisierung 786 Grundbesitzverteilung, ländliche 212, 400f., 414,420,487,490,499,537,745, 770,553,855 - , Gebundenheit 666 - im Osten Deutschlands 132f., 136, 224 f., 337,400,418,421-423,449, 457 f., 459-461,497,530,537f., 660f„ 694 - als Grundlage der politischen und sozialen Organisation 421,459f. - im Westen und Süden Deutschlands 133,136,224 - in den mittel- und nordwestdeutschen Bezirken 224 - , psychologische Konsequenzen 322 - , Stabilisierung 660 - und Bevölkerungsstruktur 598,599, 643,758,788 f., 853,855 - und Ernährung 788 - und Nationalitätenverschiebung 605 - , Verknüpfung mit der ländlichen Arbeiterfrage 224 - , Zukunft 791 — 793,794 —798 —» auch: Arbeits Verfassung, ländliche: Typen; Großbritannien; Irland; Österreich (-Ungarn) Grundbücher 591,834 Grundbuchsystem 834 Grundherr 386 - , germanischer 382,527 - , Haushalt 386,438 - , moderner 382 - , traditioneller 377,431 - , wirtschaftliche Übermacht 320 Grundherrlichkeit 420 Grundherrschaft(en) 241 f., 386,438,528, 755 - , Entstehung 748 f., 751 f., 849 - , Entwicklung im Osten und Westen Deutschlands 599 - , ökonomische Bedeutung 599 —»auch: Großbritannien; Österreich (-Ungarn) Grundrente 487,492,508,673 Grundsteuer, Aufhebung 781,786 Grundsteuerreinertrag 264,317,395,403, 412,413,450,545,547,549,605,939 Grundverschuldung —* Hypothekenverschuldung
Sachregister Gumbinnen (Regierungsbezirk) 404,451, 657 Güter —» Gutsbetriebe Güteraustausch, internationaler —» Handel Güterproduktion 385 - als technisch-ökonomisches Problem 559 - , Eigeninteresse 437 Güterrechte, eheliche 503 Güterverteilung (sozialpolitisch) 559 Gutsarbeiter 75 - , nordöstliche385,437 - , ostelbische - , regionale Differenzierung 385 -390 - , schlesische385,437 Gutsbeamte, Verwalter 263,385,438,705 Gutsbesitzer 834 - , Größe des Areals 375,430 f. - , Lebenshaltung 371,427 - , Machtstellung 375,417,430 f., 457 - , ökonomische Schwäche 492 - , verschuldeter 620 —» auch: Gutsherr; Westpreußen Gutsbetriebe 403,450 - als Gegengewicht zum städtischen Großbürgertum 371,427,568 - als lokale politische Herrschaftszentren 370f.,426 - als Träger der Kultur 717 - als Wirtschaftseinheiten 370,426 - , Arten der verwendeten Arbeitskräfte 694 - , Außenschläge 92,380,434,498,553, 595,656,718,782 - , Ertrag 378,390,395 f., 402f., 406f., 412, 432,442,450,452f. - , Existenzberechtigung 718 - , geschäftlich-kapitalistischer Charakter 378,388,392,394,432,440 - , gewerbsmäßige Parzellierung 344,495, 782,792,939 - , Hypothekenverschuldung 804 - , Isolierung 378,432,450 - , Kaufpreise491 f.,787 - , Seßhaftigkeit der Bevölkerung 821 - , staatlicher Verkauf 344 - , traditionell bewirtschaftete 394 Verflechtung in die Volkswirtschaft 373, 378,428,432 - , Wandlungen in der sozialen Struktur 368,426 - , Wirtschaftsbücher 449
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- , Zerschlagung 190 —»auch: Ertragswert; Großbetriebe, landwirtschaftliche ; Verkehrswert Gutsbezirke (Kommunaleinheit) 250,317, 545 -551,583 f., 593,605,663 f., 717 f., 760 - , Bevölkerungsdichte 418,458 - , Kreisgebürtigkeit der Bevölkerung 662 Gutshaushalt 91,372-375,385,427-430, 437,489 isolierter373,375,428,430 —»auch: Oikenwirtschaft Gutsherr 75,381,387-389,439,441 - , Absetzungsrecht 242 - als Patronatsherr 101 - als politischer Autokrat 373,429 - als Territorialherr en miniature 374,429 - , Budget373f.,429 - , Dispositionsgewalt über die Instleute 391 - , Machtinteresse 457 - , wirtschaftliches Interesse 457 - , wirtschaftliche Schwäche 386-388,439 —»auch: Gutsbesitzer Gutsherrschaft 130 - als persönliches Herrschaftsverhältnis 243 - , Auflösung 243 f. - , Entstehung 749,752,849 - , soziale Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Gutsverbandes 242 f. - , soziale Differenzierung der Gutsuntertanen 241 f. —»auch: Arbeits Verfassung, ländliche: patriarchalische ; Gutsverfassung des Feudalzeitalters Gutshöfe —» Gutsbetriebe Gutsinsassen 378,432 Gutsküche 381 f., 385,438 Gutstagelöhner —»Instleute Gutsüberlassungsverträge 505,939 Gutsverfassung des Feudalzeitalters 377, 432 Gutswirtschaft 99,386,438,441 - , patriarchalisch 321,377,432 —»auch: Saisonarbeit Gutswohnungen 380f., 434 f. Hackfrucht(an)bau 87,260,376,379,394, 396,409,431,433,445,455,775 Halle 245
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Sachregister
Hamburg 9,157,245,362 - , Hafenarbeiterstreik 1896/97817 Landarbeiterverhältnisse 688,692 Hamburg-Altona - , Arbeitgeberverband 817 „Hamburger Nachrichten" 2 Handbuch des Grundbesitzes 604,717 Handel 355,607,628,814,824,847 - , Hausierhandel 696 Seehandel 671,848 —»auch: Deutsches Reich; Großbritannien „Handel" als Lehrfach 231,255 Handelsgesellschaften (Rechtsinstitutionen), Ursprung 525 Handelsgewächsanbau 93,506,553,695, 779,785 Handelskapitalien 355 Handelsmonopole, frühneuzeitliche 850 Handelspolitik 671,786,826f., 842,901, 903 —» auch: Deutsches Reich; Großbritannien; Italien Handelsrecht 536 Handelsschiffahrt 669 Handels- und Industrie Völker der Vergangenheit, ökonomisches Risiko 630 Handelsverträge2,5,15,92,263,282,301, 303,343,362,474f., 535,610,623,629, 633,777,781,786 - der 1860er Jahre 777,780f. Handwerk(er) 352,356,762,790,794,797, 814,827,855,901,902f. - als sinkende Klasse 344 - als Stütze der älteren Christlich-sozialen Bewegung 354 - , Arbeitsteilung 848 - , Entstehung 847 Gesellen 352,847 - , Gutshandwerker 773 - , soziale und wirtschaftliche Lage 229,320 Handwerkervereine, konservative 354 Handwörterbuch der Staatswissenschaften 508,653 Hannover (Provinz) - , Annexion 577,731 - , Landarbeiterverhältnisse 149,152,218, 688,692,693,706 - , ländliches Erbrecht 501,502-504,510, 594,760,806 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 265 f.
- , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 267 Hannover (Regierungsbezirk) 652,657 Hansestädte, Zuwanderung 268 Hard (Region in Baden) 831 Hausgesinde —> Gesinde Haushaltungsbudgets 740 - , Zusammenstellung 735 f. Hausindustrie 320,352,657,698,736,814, 839 —»auch: Industrie Häusler 130,226,242,246,248,250,441, 694,748,751,773,939 - als Wanderarbeiter 190,248 Heer 475 - , Feudalheer 749,752 - , Reiterheer 755 - , Söldnerheer 749,849 - , Volksheer749,752 —»auch: Deutsches Reich Heerbann, alter 752 Heidelberg55/., 688,691,812,827,843, 853,897,902 - , Historisch-Philosophischer Verein 46 - , Socialökonomische Vereinigung 45f. - , staatswissenschaftliches Seminar 24, 689,701 - , Universität41 f.,60,538 - , Verein „Frauenbildung" 63,916 - , Verein „Frauenbildungsreform" 63,916 „Heidelberger Akademische Mitteilungen" 45f . „Heidelberger Tageblatt" 46,916 „Heidelberger Zeitung" 46,828f., 916 Heiliger Stuhl 822 Heimstätte 641 f. - als Stätte industrieller Heimarbeit 657 - , Einschränkung der persönlichen Verfügungsgewalt 642 - , preußisch-bürokratisch konstruiert 660 - , rechtliche Qualität 651 - , Sonderstellung 646 - und kleiner Grundbesitz 655—660 - und Realkredit 646,650f. Heimstättenbehörde, preußisch-bürokratisch 526 Heimstättenbewegung 84,271,526 Heimstättenfrage 646 - , agrarpolitische Bedeutung 651 Heimstättengedanke 654 Bedeutung für den ländlichen Kleinbesitz 646
Sachregister - , Befürworter 655 Heimstätten-Institut, Tragweite 653 Heimstättenprivileg - , agrarpolitische Bedeutung 653 - für den ländlichen Kleinbesitz 653 Heimstättenrecht 55,84,271,488,526,600 - , Einführung25,641—644,645 - 6 6 6 - , agrarpolitische Seite 645 f. - , exekutionstechnische Seite 639 f. - , fakultatives 656 - , Gesetz(entwurf) 358,641f., 645 f., 653 - , Rückwirkung auf die Agrarverfassung 660 - , Schaffung eines bestimmten Typus von Kleinbesitzungen 653 - und Anerbenrecht 660 - und Bevölkerungsstabilität 666 - und Zutritt zum Boden 666 - , Wünschbarkeit 660 Heimstättenschutz 651 Herborn 887 Herrschaftsverhältnis - , Depersonalisierung327,356f. - , geschäftliches 374,391,443 - , patriarchalisches 391 f., 420,443, - , persönliches325,327-329,356f.,391, 393,444 - , traditionelles 399,448 —»auch: Instverhältnis; Klassenherrschaft, unpersönliche Hessen (Großherzogtum) 886 - , Landarbeiterverhältnisse 218,706 - , landwirtschaftliche Besitz-und Betriebsgrößen 267 Hessen-Nassau (Provinz) 886 - , Landarbeiterverhältnisse 218,706 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , Zuzug russischer Arbeiter 178 Heuerlinge 146,170f., 174,250,364,422, 460,694,770,773,959 heuristische Methode 369 Hildesheim (Regierungsbezirk) 652,657 Hilfstätigkeit, soziale 861,911 Hintersassen, bäuerliche 242,377,386, 431,438f. - , tributpflichtig 438 Historiker 92,564 f. Historiographie, liberale 565 Historische Schule der Nationalökonomie —» Nationalökonomie „Historische Zeitschrift" 54,580,602f.
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Hochmieter —> Einlieger Hochschulen, badische—> „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen" „Hochschul-Nachrichten" 39 Höferechtgesetz (1874) 501,502 f. Höferollen—> Erbrecht, ländliches: Anerbenrecht, fakultatives Hofgänger —* Scharwerker Hofsystem 227 f. Hoftagelöhner —»Instleute Holstein —» Schleswig-Holstein Holsteinische „Grafenecke" 321,401 Holzheim (Württemberg) 902 homestead laws —» Vereinigte Staaten von Amerika, Heimstättenrecht Hornberg (Schwarzwald) 902 Hufe, Hufenbesitzer 755,940 Hunnenschlacht 562 Hygiene, Grundzüge 911 Hypothek (Rechtsinstitution), Herkunft 525,530f. Hypotheken 490,494 f., 763,768,804,809 - , Erbhypothek 763 - , Kaufhypothek 763 - , Wesen 834 Hypothekenbanken 360,483,530,764,767 Hypothekenbuchsystem 834 Hypothekengesetzgebung 55,491,530, 763,767,785 - , England763,766 - , Frankreich 324,528 -530,763,766,834 - , Preußen56,324,510,528-530,763, 766,804,834 Süd(westDeutschland528f.,763 Hypothekengläubiger 492,763,804,834 - , bürgerlicher 835 Hypothekenverschuldung 264,422,460, 502,505,530f., 589,600,764,777,780, 804 —» auch: Baden (Ghzt.), Grundverschuldung; Frankreich, Grundverschuldung Hypothese, heliocentrische 554 Ideale allgemeine Typen menschlicher 563 bürgerliche 592 „ethische" 573 nationale 540 politische 573 „sozialpolitische" 572
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Sachregister
Identitätsnachweis (bei Getreideexporten) 627,837 Idylle, ländliche 630f., 634 Immobiliarpfandkredit —» Hypotheken Imperialismus 540,638 - , liberaler 52 Indien, Getreidehandel 263 - , landwirtschaftliche Produktion 261 Industrialismus 473,631 Industrie«, 265,415,628 f., 635,637 - , Entstehung 849 - , Entwicklung 631 - , Existenzbedingungen 630 - , Konfektionsindustrie 832 - , Saisoncharakter 610 - , Textilindustrie 839 -^•auch: Großindustrie; Hausindustrie; Wirtschaftspolitik Industriearbeiter, Industriearbeiterschaft 82,339,380,434,624,637,697,776, 790,798 - als einheitliche Klasse 392,444 - , höchststehende Schicht 320 - , kollektivistisches Ideal 795 - , Landbesitz 660 - , westdeutsche 795 —»auch: Arbeiter(schaft) Industriebezirke - , rheinische 762 - , rheinisch-westfälische 9,171 - , Ruhrgebiet 9 - , russisch-polnische 822,824,840 - , sächsische 9,106,157 - , westfälische 789 - , westliche 662,804,808 - , Bevölkerungsstabilität 805 Industrielle, schutzzöllnerisch gesinnte 781 industrielle Reservearmee 82,755,762, 787,790,794 - , technisch hochentwickelte 457 Industrie- oder Agrarstaat (Debatte) —> Deutsches Reich Industrieunternehmen, deutsche 637 innere Kolonisation 11 f . , 19,37,60,83 f., 85,93,96,98,103,222,223,226,238, 246 f., 270 f., 362,461,470,484,491, 556f., 586,599,614f., 620,636,641, 651,715,792,819,822f., 825,888,894 - als Lösung der Arbeiterfrage 223,337 - , Begründung von Arbeiterstellen 189-192 —» auch : Proletariat, grundbesitzendes
- , Größe der zu schaffenden Bauernstellen 227 - , Interessen der Landarbeiter dabei 188-192 - , Interessen der westlichen Arbeiterschaft dabei 787 - , Kosten 336 f. - , Kritik an der Parzellierungspraxis 227 - , Maßnahmen 344 - , soziale Aufstiegsmöglichkeiten für Landarbeiter 188 f. - , Zukunft 190 f. - » auch: Arbeiterkolonisation; Bauernkolonisation; Ostkolonisation Innere Mission231,255,274,346,720,732, 734 —»auch: Stadtmission, Berliner „innerer Markt" 632,635,637 Instfrau 938 - , Position im Haushalt 80,83 —» auch: Frauenarbeit Institut für Gemeinwohl 43,56,588,874 Institute, „agrarkapitalistische" - , germanischen Ursprungs 525 Instleute 75-81,82,91,97-99,103,131, 138 f., 174,241,243,246,248,278, 322 f., 331,373,383,388-390, 407-409,411,413,420,429,434f., 440-443,453,455,547,551,694,702 f., 717 f., 774,940 - als Kleinunternehmer 80,98,387,406, 410,439f.,552 - als resignierte Arbeiterbevölkerung 392,443 - als sozialpolitisch wichtigste Kategorie der östlichen Landarbeiter 77 - , Einkommen,Ertragsbeteiligung75f., 79,373,380,382,387,402f., 407,413, 429,434,439 f., 449 f., 453,488 - , Idealbild 76f. - , Proletarisierung 203,387 - , rechtliche Stellung 91,186,380,434,771 - , Umwandlung in Deputanten 410 - , Unterschied zum gewerblichen Proletariat 374 -^>auch: Drescher Instverhältnis 100,226,278,373,382 f., 422,428,441,460,770- 772,774 f. - , Entstehung 439 f. - , historisch überkommene Gestaltung 75-81
Sachregister Interessengemeinschaft 19,76,79,81, 82,105,130,322,374,387,390f., 429, 439,442 f., 775 - , Zerfall89,98,173f.,278,323 —» auch: Arbeitsverfassung, ländliche: Umgestaltung - , patriarchalisches Verhältnis 391,443 - , persönliches Unterwerfungsverhältnis 373,380,387,391f., 428,434,439f., 443 - , Wirtschaftsgemeinschaft 391,442 —»auch: Pacht(verhältnis) Instwirtschaften 387,409,439,455 Intelligenz - , politische 192,335,371,427 - , wirtschaftliche 371,427 Intelligenzzentren, wirtschaftliche und gesellschaftliche 192,568 Interessen - , industrielle 633 - , landwirtschaftliche 633 - , nationale 53,672 - und wirtschaftliche im Osten 49f., 715f . Interessenkonflikte, ökonomische 564 Interessenpolitik, großagrarische 633,639 —» auch: Bund der Landwirte ¡Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer Internationale Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre^, 799f. Internationalismus 302f. Irland 738,741 - , Agrarverfassung, keltische 527 - , Grundbesitzverteilung 759 Landbevölkerung 527 Landlords 527 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , landwirtschaftliche Produktion 260f. - , Pachtwesen 527 Italien(er) - als Angehörige einer fremden Rasse 833 - , Anarchismus 872 - , Bauern 639 - , Getreidehandel 263 - , Handelsverträge 92,343,777,781 - in Argentinien 300 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Produktion 261
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„Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich" 163,556,579 „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" 54,239 jueces de paz (Friedensrichter) —» Argentinien, Justiz Junker, Junkertum 18,104,343,464,471, 545,553,639,749,756 f., 779 f., 807, 820,831,834,840,841,852 - als Klasse 22,51,475 - als Träger der Kultur des Ostens 762 - , Herrschaft 633 historische Bedeutung 471,566f. - , Interessen475,781 - , landwirtschaftliche Tüchtigkeit 838 - , ökonomische Grundlage 633 - , politische Bedeutung 475,566-568 - , technische Kenntnisse 838 „Junkerbetriebe" 472,489,780,837 - und Bevölkerungsstabilität 665 Jurisprudenz —» Rechtswissenschaft Juristen - , deutsche 642 - , formale Betrachtungsweise 533 - , Nachwuchs 532 - , österreichische 642 Justiz, Justizorgane - , ethische Bewertung von Erscheinungen 534 - , soziale Rekrutierung 879 - , Trennung von der Verwaltung 533 f. Kampf, ewiger, des Menschen mit dem Menschen 622,638 Kampf um's Dasein 183,638 - , ökonomischer545,558 Kanada, Getreidehandel 263 kanonisches Recht 355 kanonisches Zinsverbot 355 Kapital 355,358,376,382,400,430,435, 741 - , Anlage suchend 631 - , bewegliches 589 - , Großkapital 816,894 - , Herrschaft 327,631 - , Mangel 370,426,648 f. - , modernes 851 - , stehendes 629 —»auch: Betriebe, landwirtschaftliche: Kapitalintensität, Kapitalinvestition Kapitalisierungsprozeß, heutiger 752
980
Sachregister
Kapitalismus 55, 57,57,59,356,629,631 f., 637 f. Binnenkapitalismus 637 geschichtliche Stellung des modernen 844f., 850 - im Römischen Reich 357 - , landwirtschaftlicher 24,62,543,584, 593,632,637,643,663 - , Produktionsweise 805 - , Rentenkapitalismus 632 Zeitalter des 673,851 —»auch: Wirtschaftsorganisation Kapitalisten 356,358,530,632 Kapitalkonzentration 354-356,358 —»auch: Betriebskonzentration Kapitalkraft, Kapitalmacht 388,849 Kapitalrente 378,432 Kapitalzins 328,487 Entstehung 848 Kappel (Vorort von Chemnitz) 106 Karlsruhe 29,668,674,826f., 831,875, 900,902 - , Technische Hochschule 902 „Karlsruher Zeitung" 801 f., 842f., 845 Karolingerzeit 846 Kartelle 627,674,851 - , Rechtssprechung 534 - , Walzwerke 627 —»auch: Rheinisch-Westfälisches Kohlensyndikat Karthaus (Kreis) 545 - , Gebürtigkeit 664 Kartoffelkonsum —» Landarbeiter, Ernährung Kaschuben, Kassuben 183,412,631 Kassel (Regierungsbezirk) 657 katalaunische Felder, Hunnenschlacht 562 „Kathedersozialismus" 417,512,518,634, 727,811,874 —»auch: Professorensozialismus; Universitätssozialismus Käthner —» Büdner Katholizismus 229,473,538,707 - , Bevölkerungsanteil546f.,551,602, 717 f. - , Bindung des Glaubens 869 - , Stellung zur Arbeiterfrage und Sozialdemokratie 229,234 - , Trägerschichten 707 -h> auch: Arbeitervereine; Geistliche; Kirche ; Konfessionen, christliche; Volksverein für das katholische Deutschland
Kaufleute 814,847 Kiautschouiö Kiel 693 Kinder, standesgemäße Erziehung 371, 427,489,736 Kinderarbeit 77,214,251,280,291,380, 408,440,455,700 Kinderzahl 359,789,833 - , Indikator für Lebenshaltung 547 f. —»auch: Bevölkerungsproblem; Frankreich, Zweikindersystem Kirche, evangelische 3,32,71,274, 346-348,352,606,709-711,734,740, 863 -865,866-869,883,894 - , Apostolikum 565,867-870 Parteinahme 328 - , preußische Agende 863—865,866-871 - , preußische Generalsynoden 1893/94 863,865,866 - , preußische Provinzialsynoden 863, 866-870 - , preußischer Evangelischer Oberkirchenrat27,30f., 346f., 710,866,871 - , Stellung zur Geldwirtschaft 328,356 f. - , Verhalten der aufsteigenden Massen dazu 740 —»auch: Geistliche; Gemeinde; Landarbeiter, deutsche: Verhältnis zu Schule und Kirche Kirche, katholische 848,852,894 - , Zins- und Wucherverbot 355 —»auch: Geistliche; Landarbeiter, deutsche : Verhältnis zu Schule und Kirche Kirchenregiment, landesherrliches —» Kirche, evangelische Kirchlichkeit, formal bürokratische 634 Klassen 53,113,145,356f., 392,444,475, 566 - , arbeitende 33,883 f. - , bürgerliche568,673,738 - , Emanzipationskämpfe 564 - , feudale 787 - , herrschende 357,371 f., 426 f., 489,566, 568,741 - , Interessenharmonie 351 - , obere 879,881,853 - , Recht als Kampfmittel 527 f. - , sinkende 344,459,566 - , untere55,739,879,881,884 - , Wiederannäherung 882 —»auch: Arbeiterklasse; Großgrundbesitzer, zwischen Stand und Unternehmer-
Sachregister klasse; Grundadel, Umwandlung [ . . . ] ; Landarbeiter als Klasse Klassenbewegung 354 Klassenbewußtsein 83,89,320,345,374, 429,476 -*auch: Landarbeiter, deutsche Klassenbildung 23,325-328,357,392f., 443 f., 709 —> auch: Großgrundbesitzer, zwischen Stand und Unternehmerklasse; Landarbeiter, deutsche: Klassenbewußtsein, Klassenbildung; Landarbeiter, deutsche: Proletarisierung Klassengegensätze 101,420,519 - , Entwicklung 879 - , Verschärfung 884 Klassenhaß 328,330 —* auch: „objektiver Haß" Klassenherrschaft, unpersönliche 327-329,356 f., 393,444 Klasseninteressen 116,345,563 - , agrarisch-feudale 621 - , bürgerliche 621 Klassenkampf16,22,329-331,343,345, 351,354,393,397,399,416-419,444, 448,457 f., 463,476 f., 637 —»auch: Landarbeiter, deutsche Klassenkonflikt, friedliche Lösung394 Klassenschichtungen 241,655 Klassenstandpunkt 275,556 „Klassensünde" 357 Klassenunterschiede, soziale 418,459 Kleinbauern —* Bauern Kleinbürgertum 341,344 - , politische Spießbürgerei 570 —* auch: Bürgertum; Spießbürgertum Kleingrundbesitz, ländlicher 614,647,653, 655 -660 - , Bodenbesitzreform 654 - , Einschränkung der Verpfändbarkeit 646 - , Emporentwicklung 893 - , Klassenschichtung 655 - , Überschuldung 641 - , (Schutz vor) Zwangsvollstreckung 641, 643f., 645 f. Kleinpacht —* Parzellenpacht Kleinstellenbesitzer 91,226,373,389,391, 428,439,441f. - , Einkommen 488 - , tagelöhnernd 320,331 Knechte 91,97,270,331,385,437 f.
981
Koalitionsrecht 162,188,230,281,310f., 330 f., 343,553,380,419,434,458,463, 723 f., 771,774f., 795,797,816,884 —» auch: Lohnkampf Koblenz (Regierungsbezirk) 803,809 - , Bevölkerungsstabilität 664 - , Kreisgebürtigkeit 661,761 - , Wohnverhältnisse 788 Kolberg-Körlin (Kreis in Pommern) 227 Köln (Regierungsbezirk) - , Kreisgebürtigkeit 661,761 - , Wohnverhältnisse 788 Kolonialpolitik 893 —» auch: Deutsches Reich: ökonomische und politische Machtausdehnung Kolonialwirtschaft 915 Kolonisation des Ostens —* innere Kolonisation Kolonisationsgesetzgebung Ansiedlungsgesetz für Posen und Westpreußen; Rentengutsgesetze Kommassation 595 Kommunalpolitik 827,901,903 Kommunismus 519 - , Agrarkommunismus 263 Kommunistisches Manifest 354 Komornik 186,940 Konfession, Konfessionsstatistik 317,707 Konfessionen, christliche 548,550f., 602, 605,717 f. - und Leistungsfähigkeit 704 -»auch: Katholizismus; Protestantismus Kongreß deutscher Landwirte 269,318, 368,693 —» auch: Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1873 Königsberg Land (Kreis) 276,402,449 - , Landarbeiterverhältnisse 402,407,453 Königsberg (Regierungsbezirk) 404,451, 652,657 Königsberg (Stadt) 275,872 Königsberger Landwirtschaftskammer 62 Königtum, soziales 540 Könitz (Kreis) 549,551,583 - , Bevölkerungsstabilität 664 - , Kleinbauerntum 664 Konkurrenz - auf dem internationalen Arbeitsmarkt 182 f., 416 freie 851 - , landwirtschaftliche des Auslands 92, 182 f., 262,286,296f., 334,338,371,
982
Sachregister
372,375,393,399,421,427 f., 430,445, 448,459,472,480,779,824,838 - , zwischen unterschiedlichen Kulturen 183,724,726 —»auch: Landwirtschaft, östliche: Konkurrenzunfähigkeit Konkursifex 302 —» auch: Argentinien „Konservative Korrespondenz" —» „Conservative Correspondenz" „Konservatives Handbuch" 302 f., 474 f. Konservativismus 358,634,686 - und Christentum 352 f. —» auch: Christlich-soziale Bewegung Kontraktarbeiter 385,395,409 f., 434 f., 438,455 f. - , Einkommensverhältnisse 701 f. Kontraktbruch 91,92,186f., 280,332,343, 475,675,705 —» auch: Zwangsrückführung Konzentration, wirtschaftliche —» Kartelle; Syndikate Kornzölle —> Getreidezölle Kosmopolitismus 416 Kothe 940 Kötter —»Heuerlinge Kredit, Agrarkredit 264,600,746, 763 -769,836 - , Besitzkredit 301,490,589,600,649f., 654,763,765,766f., 833 -835,938 - , Betriebskredit490,600,763,766 - , Meliorationskredit490,496,499,600 - , Personalkredit 600,941 - , Realkredit 264,532,598,600,641 f., 646,651,654,657,659,833,941 - , rechtliche Ordnung 600 Rentenkredit 653,833,941 —» auch: Hypotheken; Hypotheken Verschuldung; Kreditwesen, ländliches Kreditinstitute—» Kreditwesen, ländliches Kreditkauf 658f. Kreditwesen, ländliches 480,483,487, 493-496,586 - , Reformvorschläge 490,589f., 598,600, 654,764f.,768,835 —»auch: Baden (Ghzt.) „Kreuzzeitung" —» „Neue Preußische Zeitung" Krotoschin (Kreis) 821 Kultur 279,281,286,416,420,422,459f., 560,717
- , Konkurrenz unterschiedlicher Kulturen 183,724,726 - , städtische 814 - , wirtschaftliche 560 Kulturgeschichte 562 Kulturgleichheit, internationale 302,531 Kulturintensität, landwirtschaftliche - » Betriebe, landwirtschaftliche Kulturinteresse 414 Kulturkampf (konfessionell) 550 Kulturniveau 399 f. - der deutschen Landbevölkerung 176, 184,406,420,452 - der Menschheit 303 - , sklavenartiges 384 Kulturprotestantismus 21,720,863 - » auch: Protestantismus Kulturstandpunkt, nationaler 474 Kulturvolk, deutsches 299 Kulturvölker, bürgerlich organisierte 671 - , höhere 722,724 Kunstgeschichte 597,743 kurische Niederung 278 Kyffhäuser 567 laisser faire-Prinzip 778 —» auch: Freihandelslehre, Freihandelsschule ; Manchesterliberalismus Landadel—»Adel Landarbeiter, deutsche - , Ab-und Auswanderung—»Wanderungsbewegungen - , Alter und Invalidität 214,701 - , Anzahl 123,178f., 270,394,445,777 - , Arbeitsbedingungen213,697f. - , Arbeitslosigkeit 213,698 - , Benachteiligung durch preußische Agrarreformen 95 f., 187 berufliche Mobilität 86,213,704 - , besitzlose 815 - , Beziehung der einzelnen Kategorien zueinander212,695,705 - , Beziehungen zu Arbeitgebern und Gutsbeamten 216 - , Bildungsbedürfnis 216,280,704 - , Dislokation 281,331,419,458 - , ehelose 381 - , Einkommen, Lohn75,78,80,86,89f., 184,215 f., 318,378-381,385,389-391, 397 f., 400 -404,407,410,420,432- 434, 441 f., 446f., 449,451,453 f., 456,459, 699,701-703
Sachregister —» auch: Akkordarbeit; Geldlohn, Geldlohnsystem; Naturallohn, Naturaleinkünfte , Ernährung76,83,97,141,143,173f., 184,213,276f., 281,382,390,398-400, 406-409,411,414,437,442,449, 452-455,685,697,772,775 , Familienverhältnisse 80,103,214f., 699-701 , Fluktuation 399,448,473 , freie (kontraktlichungebundene, in Geld entlohnte) 75,81-86,141, 409-411,455 f. —» auch: Tagelöhner, ländliche , fremde 694 , geschäftliche Ausbeutung 374,429 , geschlechtlicher Verkehr 699 im Südwesten 223 in bäuerlichen Betrieben 403,450 in Großbetrieben 370,403,450 , Interessenvertretung 89,188,216,281, 345,353,391,443,463,705 , Klassenbewußtsein, Klassenbildung 345,374,377,392,429,432,444,476, 599,601 , Klassenkampf, Interessenkampf 16, 331,343,356,391,399,416,418,443, 476f. , Krankenversorgung75,214,699 , Kulturniveau89,401,403,416,422, 449 f., 460 , Lebenshaltung279,318f.,399,405f., 409,410 f., 414,416 f., 452,455,696 f. , Mangel,Bedarf anS/.,74,87,92,99, 144,223,246,248,362,376,379,418, 420,423,431,433,457-459,461,678 , Mentalität72,85f.,89,98,102-104, 152,174,216,245,281,320,333,340, 374,392,398f., 418,421,423,429,444, 448,459,461,552,704f., 776,795,798 , Nationalität 143,205,404,406,695 , objektives Bild der Lage 693 , Polonisierung 473 , Proletarisierung 240,320,326f., 387, 408 f., 411,414,439,454- 456,473,552, 772,775 f. , Rassengewohnheiten 406,453 , rechtliche Lage 388,440,443 , Rechtsformen des Besitzes 390,442 , Rückkehr in die ländlichen Gebiete 610 , Seßhaftmachung 421,775 , soziale Herkunft 216,703
983
- , soziale Isolierung 225,240 - , soziale Not 269 - , soziale Physiognomie 327 soziale Schichtung85,241,270,317, 319,331,405f.,453 - , sozialer Aufstieg 97-100,188f.,225, 242f., 246,249,322,337 - , ständige 379,395 f., 399-407,409,414, 433 f., 446,448-450,452f., 455 —»auch: Instleute - und Betriebsintensität 402 f., 405 -407, 453 - und Bodenqualität 318,403 f., 453 - und Sozialismus 216,601,705,772,798 - , unständige 379f., 394-396,406,434, 445 f., 452 —»auch: Wanderarbeiter - , Verhältnis zu gewerblichen Arbeitern 601,705 - , Verhältnis zu Schule und Kirche 103, 216,271,473,695,700,704,707 - , Verhältnis zu Wanderarbeitern 8,88f., 705 - , Verschuldung 696 - , Vertreibung nach dem Westen 416 - , Wohnverhältnisse213,277f., 380,382, 435,696 —» auch: Arbeiterfrage, ländliche; Arbeitsverfassung, ländliche; Auenhäusler; Deputant; Drescher; Einlieger; Frauenarbeit; Gesinde; Gutsarbeiter; Heuerlinge ; innere Kolonisation; Instleute; Kleinstellenbesitzer; Knechte; Koalitionsrecht; Komornik; Kontraktarbeiter; Landarbeiter, ostelbische; Landbevölkerung; Lohnkampf; lokale Beobachtungen[...]; Preußen(Kgr.), Koalitionsverbot; Proletariat; Sachsengänger(ei); Saisonarbeit; Scharwerker; Wanderarbeiter Landarbeiter, ostelbische 1,22,49,72, 74-105,137-143,166,174,187,227, 270,277,353,368-424,425-462,601, 717 - , Entwicklungstendenzen 1,20,64,68, 74,78,80,89 f., 99,166,270,277,368424,425 -462,601,717 Landarbeiterschaft - , Gesamtlage 393 - , historische Entstehungsbedingungen 238,240f., 259
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Sachregister
- und preußischer Staat 223,238, 240-252,269 —»auch: Agrarpolitik Landarbeiterverhältnisse - als Kulturfrage 421,460 - , Relation zu Betriebsgröße, Bodengüte, Betriebsweise 395-398,400-407, 445 f.,449-453 - sowie zur Grundbesitzverteilung 400, 418,457 - zur Beurteilung Berufene 685 Landbevölkerung 268,399,405,448, 636 f., 639 - als physische Reserve der Nation 334f. - , Anteil am Bodenbesitz 666 - , Beweglichkeit 636,666,839 - , Erhaltung 343 - , Mentalität399,408,448,454 - , Seßhaftigkeit, Stabilität 661,666,809 - , soziale Gliederung 265 - , sozial- und bevölkerungspolitische Funktion 601 Stärkung 839 - und Erwerbstätigkeit 265 f., 270 —»auch: Bevölkerungsdichte; Kulturniveau; Landarbeiter [ . . . ] Landeskirchen, evangelische —» Kirche, evangelische Landeskulturgesetzgebung, friderizianische 559,590 Landgemeinden (Kommunaleinheit) 317, 545 - 551,583 f., 605,663 f., 717 f., 760, 832 - , Bevölkerungsdichte 418,458 - , Kreisgebürtigkeit 662 - , Kreistagsabgeordnete 486 Landgüterrollen —» Erbrecht, ländliches: Anerbenrecht, fakultatives ländliche Arbeitsverfassung —> Arbeitsverfassung, ländliche Landräte —» Preußen (Kgr.) Landschaften (Kreditinstitute) 483,494 schlesische 764,767 Landwirt(e) - , „notleidender" 342,372,428 - , römischer 382 - , selbständige265,385,406,438,452, 657 f. - , Zwangsberufsgenossenschaften 600, 835 - » auch: Arbeitgeber, ländliche; B auern; Fideikommißbesitzer; Großgrundbesit-
zer; Grundadel; Grundbesitzer; Grundherr; Gutsbesitzer; Gutsherr; Junker; Kleinstellenbesitzer; Rittergutsbesitzer; Unternehmer, landwirtschaftlicher Landwirtschaft - , badische 839 deutsche 7,435,623,637,672 - , Benachteiligung 633 - , Hilfsvorschläge 841 Kaufkraft635,637 - , Konkurrenzunfähigkeit 6/., 191, 286,297,338,399,472 - , Kulturniveau 297 - , Subventionen 627 - , östliche - , Schicksal 370,426 - , rheinische 839 - , Saisoncharakter 770,773 - , traditionelle396f.,445f. - , tropische 284 - und Technik 473 f. -»auch: Agrar[...] Landwirtschaftskammern 494,836 Laplata 287,290,292,300 Lassalleanismus 356 Latifundien 17,372,377,427,431,841 - , Besitzer 488 - , Einschränkung 620,894 - , Mobilität des Bodens 492 Lauenburg (Herzogtum, Kreis in Schleswig-Holstein) - , ländliches Erbrecht 594,678,760 Lauenburg (Kreis in Pommern) 90,414 Lausitz 414 Lebenshaltung 371,427,489,739 f., 761 —» auch: Landarbeiter, deutsche Lebenshaltungskosten 371 f. Lebensmittelpreise 317f. Lehensverfassung, alte 836 Leipzig 275,534,562,623,865,878 „Leipziger Tageblatt" 10 Leipzig-Gohlis 230 „Leutenot" —» Landarbeiter, deutsche: Mangel, Bedarf an „Lex Adickes" 474 Liberalismus 477,502,552,710,780,790 - , Linksliberalismus 874 - , nationaler 52,60 - , Parteien 492,672 —»auch: Freisinnige Vereinigung; Freisinnige Volkspartei; Manchesterliberalismus ; Nationalliberale Partei
Sachregister Liegnitz (Regierungsbezirk) 274,652,657, 809 - , agrarische Struktur 663 - , Bevölkerungsstabilität 663 - , Kreisgebürtigkeit 662 Lincoln (Grafschaft) 505 Lippe (Fürstentum) - , Landarbeiterverhältnisse 218,706 Litauen 404,451 Literaturgeschichte 597,743 Löbau (Kreis), Gebürtigkeit 664-666 Lodz 822,840 Lohn—»Landarbeiter, deutsche: Einkommen, Lohn Lohngärtner —» Drescher Lohnkampf - , schwache Position grundbesitzender Arbeiter 189 f. - , Schwächung der Position deutscher Landarbeiter durch die Heranziehung polnischer Landarbeiter 179 Lohntheorien 318 lokale Beobachtungen über die Lage der Landarbeiter 72,78,81,84,88-90,100, 104,111,275 —» auch : Privatenqueten Lokalmärkte 373,428,658f. —» auch : Weltwirtschaft „Losleute" —» Einlieger Lothringen —» Elsaß-Lothringen Lübeck (Fürstentum), Landarbeiterverhältnisse 688,692 Lübeck (Stadt) 245 - , Landarbeiterverhältnisse 688,692 Lüneburg (Regierungsbezirk) 652,658 Luxus 741,752,814f., 847 - , akuter 737 f. - , Bedeutung 732f., 734—742 - , Begriff735 - , chronischer 738 - , Demokratisierung 737,739f. - , Entwicklungsgeschichte 737 - , großbürgerlicher 738 - , moderne Form 737 - , Nebenerscheinungen 734,741 - , Qualitätsluxus 738,749,752 - , Quantitätsluxus737f.,749,752 - , Steuer 741 - , Verordnungen 737 - , volkswirtschaftlich gesehen 735,738 f. —»auch: Großbritannien
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Magdeburg (Regierungsbezirk) 652,658 Mähren 579/., 581-585,896,899 Manchester 82,180 Manchesterliberalismus 94,180,196,475 —» auch: Freihandelslehre, Freihandelsschule ; laisser faire-Prinzip Mandel 380,407,434,453 Mannheim 530,675,837 - , Börsenvorstand 59,842f. - , Handelshochschule 842 - , Handelskammer59,842-844 - , Kaufmännischer Verein 59,842f. - , Stadtrat 843 Marburg 623,887,914 Marienburg (Kreis) 545f., 718 Marienwerder (Kreis) 549 Marienwerder (Regierungsbezirk) 652, 658 Mark, freie 751,941 Marxismus 356 Maschinenarbeit, Maschinenbetrieb 214, 260,378,394,396,432,445,633,698, 704 —» auch: Dreschmaschinen Masuren 99,404,451 - , Bevölkerung 9,183 Materialismus - , historischer 351 - , Vulgärmaterialismus 553 materielle Interessen, Stellenwert 323 Mecklenburg (Großherzogtümer) 227,245 - , Abwanderung8f., 268,322,418,458, 762 - , Arbeitermangel 144,418,458 - , Auswanderung 144,322,789 - , Bauernlegen 279,418,458 - , Domänenverwaltung 424,462 - , Kolonisation auf dem Dominium 143-145,251,337,418,458 - , Landarbeiterverhältnisse83,86,138, 142,143-146,151172,173,193,213, 218,223,244,257,279,321,337,381, 401,406,409,434,452,455,678,689, 706 - , ländliches Erbrecht 594,760 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 - , Pachtbedingungen auf dem Dominium 195 - , Reichstagswahlen 1893 776
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Sachregister
- , ritterschaftliches Gebiet 143f., 223,337, 418,458 - , staatliche Regelung der Landarbeiterlöhne 1848185,321 f., 775 - , Tagelöhnerhaushaltungen 279 - , Zuzug russischer Arbeiter 178 Meinungsäußerung, Freiheit der 884 Meliorationen 491 —»auch: Ansiedlungsgüter Meliorationsdarlehen, staatliche 424,462 Mengebesitz 503,941 Menschenrechte 185 Merkantilismus, Merkantilsystem—* Staaten, merkantilistische Merseburg (Regierungsbezirk) 652,657 Meseritz (Kreis) 821 „Messer- und Gabelfrage" 82,180,340f. Mexiko (Stadt) 284 Mietstaler 186 Militärfrage —» Deutsches Reich, Heer Militärgeistliche 469 Militärvorlage 1895/96728 Minden (Regierungsbezirk) 652,657, 803 f., 809 - , Kreisgebürtigkeit 662 Mir 263 Mischpacht —» Pacht, Pachtverhältnis Miserabilismus 615,620 - , unpolitischer Zug 622 „Mitteilungen des Evangelisch-sozialen Kongresses" 21,71, 73,273,901 Mittelalter - , Bauern 392,444,749 - , Ernährung 408,454 - , Militärwesen 849 - , Ostkolonisation 267 - , patriarchalisches System 816 - , Rechtsverhältnisse 360 - , Rentenkauf 531 - , Städtewirtschaft 830,843f., 847 - , wirtschaftliche Entwicklung 814 - , Wirtschaftsweise 373,428 —»auch: Agrarverfassung, mittelalterliche; Zünfte mitteldeutsche Staaten244,593,760 Mittelschlesien —* Schlesien Mittelstand 545,393,826 - , bäuerlicher 84 - , gewerblicher 110 Mobilienpfandschuld 766
Mobilität - des Bodens 133,136,167,212,249, 492 f., 592 f., 654 f., 658,660 f., 664,666 - , soziale 168 - , Mangel daran als Auswanderungsgrund 170 f. Moden, politische und sozialpolitische 709 Mohrungen (Kreis, Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 Mönchengladbach 229f., 232,233 f., 254 Mongolen 416 Monopole, monopolistisches Zeitalter 851 München 669,689,875 - , Nationalsozialer Verein 689 „Münchener Allgemeine Zeitung" 52,539 Münster (Regierungsbezirk) 652,658 - , agrarische Struktur 662 f. - , Bevölkerungsstabilität 662 f. - , Kreisgebürtigkeit 662 „Mutterrecht" 562 Myrmidonen 522 Natangen (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 Nation, Nationen - , Bedeutung für die Arbeiter 722,727 - , Größe 640 - , große der Weltgeschichte 630 - , kapitalistisch entwickelte 629 - , Kulturniveaus 724 - , Machtfragen 722,724 - , Ringen untereinander 560 —» auch : Staatswesen ; Volkswirtschaft, nationale Grundlagen Nation, deutsche 51,671 - , Aufgaben im Osten 19,182,196f. - , innere Einigung 567 - , Interessen 180f., 340,424,462,566 - im Widerstreit mit den Interessen des Großgrundbesitzes 19,180f., 196, 473 - , Kulturbedürfnisse 299 - , Machtentfaltung 893 - , Machtinteressen560f.,565 - , ökonomisches Risiko 630 - , Pflicht 638 - , politische Erziehung 572,672 - , politische Leitung 565 f., 568,570 - und ökonomische Macht 566 - , soziale Einigung 572 - , soziale Zukunft 573 - , weitere Entwicklung 638
Sachregister - , Zukunft 334 —» auch: Deutsches Reich; Nationalstaat, deutscher Nationalhaß, vergleichbar dem Klassenhaß 328 Nationalitäten - , Anpassungsfähigkeit 548,553 - , Auslese553-555,560 - , Gegensätze415,457 - , Kampf im Frieden 726 - , ökonomischer Kampf 558 —> auch: Selektionsprinzip (naturwissenschaftlich) - , Rassendifferenzen 545 - , Rassenqualitäten548,554 Nationalliberale Partei 11 f., 51,283,569, 811 f . - , Delegiertentag 1894 725, 121 - , Heidelberger Erklärung 686 - und Umsturzvorlage 723 f., 727 Nationalökonomie 85,104,231,255,347, 350 f., 355,419,483,512,536,537f., 562,568,572,597,638,720,743,812, 842 - des Altertums 3 73 - , Historische Schule 50,53,259,351,539, 563 f., 665,739 - , Politische Ökonomie 259,563 - , Spekulationen 354 - , Urteilsgrundlagen 561 - , Volkswirtschaftspolitik 535—542, 543 - 574,745 - , Wertmaßstäbe 538,558,560 f., 563,565 - , Werturteile 49f., 53,559,563 Nationalsozialer Verein 26,38 - als Partei 619 f. - , Bewegung gegen die Großgrundbesitzer 620 - , Gründungsversammlung 56/. ,64, 612 -618,619-622,888 - , Teilnehmer 614 - , politische Gesichtspunkte 620 - , Programm56/., 614-617,619 -622,888 - , Stellung der Gebildeten 619 —> auch : „Die Zeit"; München Nationalstaat, deutscher 10,12,49f., 555—542,543-574, 745 - , Grundlage 566 „National-Zeit ung" 163,181,470 Naturallohn, Naturaleinkünfte 78,82,257, 211,280,324 f., 378,381,383,385 f., 388,392,407,409,411,433,435,436,
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438,440,443 f., 454,656,663,703, 774 f., 788 - * auch: Landarbeiter, deutsche: Einkommen, Lohn Naturalteilung —» Erbrecht, ländliches: Realteilung Naturalwirtschaft 372,377 f., 427,432,439, 659,788,821,838,840,851 Neidenburg (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 „Neue Freie Presse" 898 „Neue Preußische Zeitung" („Kreuzzeitung") 5,18,31,52,116,163,181,300, 464- 466,468,470f., 473,474,475 f., 4 7 8 , 5 1 4 - 5 1 6 , 5 2 0 f . , 539,685 „Neue Saarbrücker Zeitung" 810 Neues Testament 351,357 Neuscheffel 407,453 Neuseeland (Australien) 727 Neustadt (Kreis) 583 f. Neusüdwales (Australien) 727 Neuvorpommern - , Domänenverwaltung 424 - , Landarbeiterverhältnisse 2 6 9 , 2 7 3 f . , 275-281,401,406,418,452,457 - , Zuzug von Wanderarbeitern 278 Niedersachsen, Landarbeiterverhältnisse 160 „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" 464-466,461,468,418 - , Kampagne gegen Bismarck 467 Norddeutschland, evangelische Gebiete —> „Die Landarbeiter in den evangelischen Gebieten Norddeutschlands" (Schriftenreihe) Norddeutschland, Tiefebene 839 Nordosten Deutschlands, Gebiet der patriarchalischen Arbeitsverfassung 275 Nordwesten Deutschlands 91 - , Landarbeiterverhältnisse 279,364 Notstandsdarlehen, staatliche 556 numerus clausus 360 —> auch: Großbritannien, Gewerkschaften Nürnberg 669 Oberbayern —» Bayern Oberelsaß, Zweikindersystem 359 Oberhessen, Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1901/02 689 Oberschlesien —> Schlesien „objektiver Haß" 327 f. —» auch: Klassenhaß
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Sachregister
Oderebene, Landarbeiterverhältnisse 142 Oikenwirtschaft 373 —»auch: Gutshaushalt Okzident, moderner Mensch des 59,851 Oldenburg (Großherzogtum) - , Landarbeiterverhältnisse 218,706 - , ländliches Erbrecht 594,760 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 Opfer, militärische 671 Oppeln (Regierungsbezirk) 652,657 - , Bevölkerungsstabilität 663 - , Industrialisierung 663 - , Kreisgebürtigkeit 662 —»auch: „Starosten-Industrie", östliche Optimismus, technologischer 628 Ordensland, deutsches 581 Orient, Getreidehandel 262 Orteisburg (Kreis) 404,451 Osnabrück (Regierungsbezirk) 652,658, 804 Ostafrika 284 Ostasien 628 Osterode (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 Österreich(-Ungarn) 11,515 - , absolutistischer Staat 581 - , Agrargesetzgebung 1680-1848 579f., 581-585 - , Patente 1848/49582,585,753 - , Urbarialregulierung 1789552,753 - , Agrargesetzgebung 1890494,600,765, 835 f. - , Bauern, Bauernschutz581 f.,584,753, 830 - , Erbuntertänigkeit 585 - , Getreidehandel 262 f., 282 - , Grundbesitzverteilung 585 - , Grundherrschaften 581-583 - , Habsburgische Monarchie 899 - , Handelsverträge 5,92,343, 777, 781 - , ländliche Arbeitsverfassung 585 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , landwirtschaftliche Produktion 260f. - , landwirtschaftlicher Großbetrieb 581 - , Magnaten 179 - , Reichsrat 896 - , Revolution 1848 582 - , tschechische Bevölkerung 896
- , Viehhaltung 262 —»auch: Bauernbefreiung, österreichische; Galizien; Sprachenverordnungen, Badenische Ostholstein —» Holstein Ostmark(en) 716 - , deutsche 819f., 821 - 825 - , Germanisierung 821,824 - , polnische Bevölkerung 821 - , Polonisierung 716,717 Ostpreußen (Provinz) - , Abwanderung 268,762 - , Anzahl der ländlichen Tagelöhner 178 f. - , Anzahl der polnischen Wanderarbeiter 178 -, -, -, -,
Bevölkerungsstabilität 761 f. klimatische Bedingungen 376,431 Kreisgebürtigkeit 832 Landarbeiterverhältnisse 218,269, 272f., 275-281,318,380f., 403,407, 450,453,678,689,706 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 - , Lohnverhältnisse404,451 - , Rentengüter 498 - , Wohnungsverhältnisse 761 Ost- und Südosteuropa 282 Pacht(verhältnis) 91-93,100,212,263f., 317,652,695,752,757,760,763,766, 780,785 - als Ersatz des Instverhältnisses 98,147, 152 f., 193 f., 248,337,422 - , Bedingungen98f.,212f - , Erhebungen darüber 248 f., 364 - , Gestaltung auf dem preußischen Dominialbesitz 194 f., 226 —» auch : Deutsches Reich ; Frankreich ; Großbritannien; Irland; Mecklenburg; Parzellenpacht, Parzellenpächter Pächter(stand) 91,421 - , Kleinpächter 99 - , tagelöhnernd 90 - , Verpflichtung zur Erntearbeit 91 —»auch: Parzellenpacht, Parzellenpächter Pädagogik 876 Paläontologie 876 Pandektisten 562 Papierwirtschaft—» Argentinien, Valutaverhältnisse
Sachregister Parlament —» Reichstag, deutscher Parlamentarismus, Schäden und Vorzüge 709 parte guelfa 528 Partei, nationale der bürgerlichen Freiheit 621 Parteien, politische 622 - und aufsteigende Schichten 620 - und wirtschaftliche Interessenbasis 619 —» auch : Arbeiterpartei ; Deutsche Reichspartei ; Deutsch-Konservative Partei ; Freikonservative Partei ; Freisinnige Vereinigung : Freisinnige Volkspartei ; Liberalismus, Parteien; Nationalliberale Partei; Sozialdemokratie; Zentrum Parvenüs, bramarbasierende 517,634 Parzellenpacht, Parzellenpächter 91,100, 331,460,695 f. - , führende Rolle in der zukünftigen ländlichen Arbeitsverfassung 99,193 f., 226, 401 —»auch: Pacht(verhältnis) Patriarchalismus - , Beziehungen 704 f. —»auch: Arbeitsverfassung, ländliche ; Gemeinwirtschaft; Grundbesitz(er); Gutswirtschaft; Herrschaftsverhältnis; Instverhältnis Patronat, Patronatsherren 101,281,344, 353 Personalschulden 641 „persönliches Regiment" 4f . Petroleummarkt 851 Pfandbriefe 767 Pfändungsexemtion 645 Philosophie 562,597,743,876 Physiologie 562 platonischer Staat 554 Pleß (Kreis in Oberschlesien) 90 Polen (Königreich) - , Starosten 663 Polen(tum) 9,88,143,183,340,546f., 550, 620-622,717 f., 780,819f., 821-825 - , Bank Ziemski 12,227 - , Bauern 553,555,602,605,718 - , Import von Arbeitern 99,418,458 - , Verdrängung der deutschen Bevölkerung 9f., 19,176,179,184,416,537, 550f., 602,679,722,724,726f., 785f., 797 —»auch: Posen; Slawentum; Wanderarbeiter; Westpreußen
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Polenfrage 37f. ,57,61,715f., 717,819 Polenpolitik, preußisch-deutsche 10,13, 92 f., 153,162,177 f., 182-184,226,251, 415,457,474,538,555 f., 678,718,819, 822,833 —»auch: Wanderarbeiter Politik 562 - als hartes Geschäft 622 - als Utopie 621 - , äußere 673 - , bürgerliche 638 - der nationalen Behaglichkeit 630 - der nationalen Größe 630 - , halb cäsaristisch, halb patriarchalisch 671 - , innere 673 - , junkerfreundliche 786 - , moralisch fundamentierte 540 - , verzerrt von spießbürgerlicher Furcht 671 f. -^auch: Sozialpolitik Politische Ökonomie —» Nationalökonomie Polonisierung —» Großgrundbesitz(er) als Polonisator; Landarbeiter, deutsche; Ostmark(en) Pomereilen 412 Pommern (Provinz) 584 - , Abwanderung 268,762 - , Anzahl der Gutsbezirke 583 - , Arbeiterschaft 110 - , Bodengüte 318 - , Landarbeiterverhältnisse 90,138,142, 173,218,223,244,273,275 -281,318, 335,381,434,678,689,706 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 - , Reichstagswahlen 1893 776 - , Viehhaltung 414 Populationsgesetz 805 Posen (Erzbistum) 822 Posen (Provinz) 584,652 - , Abwanderung 11,268,762 - , Anzahl der ländlichen Tagelöhner 178 f. - , Anzahl der polnischen Wanderarbeiter 178 - , Landarbeiterverhältnisse 137,142,173, 218,381,434,675,706 f. - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266
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Sachregister
- , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 - , Nationalitätenverhältnisse 544,780 Rentengüter 498 - , Sprachverhältnisse 550 - , Wanderbewegungen 160 —» auch: Ansiedlungsgesetz [ . . . ] ; Ansiedlungsgüter; Ansiedlungskommission Posen (Regierungsbezirk) 657 Posen (Stadt) 157 Potsdam (Regierungsbezirk) 658 Prag, deutsche Universität 46,896-898, 899 Presse, süddeutsche 668 Preußen (Königreich) 2,7—12,62 - , Abgeordnetenhaus 5 5 , 6 0 f . , 474,502, 594,672,684,522 - , agrarisch-plutokratische Tendenzen 807 - , Agrarpolitik 14,47,60,187,196-198, 224,240,246f., 485,557,596,675,796 - , Agrarreformen zu Beginn des 19. Jhs. 95 f., 130,187,227,240 f., 243,259,271, 321,323,373,386f.,428,439,500,502, 527 f., 579,581-583,599,749 f., 753 f., 774,831 - , soziale Folgen 95 f., 131,187,227, 240,243,321,750 - , Allgemeines Landrecht 242 - als wirtschaftlich-liberaler Gesetzgeber 321 - , amtliche Materialien 24,317 —»auch: Gemeindelexikon, preußisches - , Amtsrichter, gesellschaftliche Stellung 533 - , Aristokratie 7,535 - , Beamtentum568,831 - , Domänen, Domänenkolonisation 98, 194 f., 226,251,271,344,424,462,496, 556 f., 783 —> auch: Domänenkolonisation, staatliche Dorfgemeinden 250 - , Dreiklassenwahlrecht 614,894 Dynastie566f.,893 - , Erhebungen über ländliche Zwangsversteigerungen 646—649 - , Gebäudesteuerrevision 1878 761 - , Geschichte 370,426 - , Herrenhaus 634,796,801 - , Innenministerium 415 - , Kataster 472
- , Koalitionsverbot für Landarbeiter 59, 330,816 - , Kommunalsteuerreform 1893 781 - , Kreiskorporationen, Kreistage249f., 497 - , Kultusministerium 536 - , Landesökonomiekollegium 16,269, 368,382,693 —» auch: Erhebung über die Lage der Landarbeiter 1848/49 - , Landgemeinden, Landgemeindeordnung 1891247,249 f., 781,786 - , Landräte 486,505,533,648,804 - , landwirtschaftliche Betriebsstatistik 652,657 - , Ministerium für Handel und Gewerbe 808 - , Regierungswechsel 1894 873 - , Schulpolitik 573 - , Spracherhebungen 550 - , Statistisches Bureau/Landesamt 661, 915 - , Steuerreformen 686 - , Zwangsversteigerungen 646 f. —»auch: Agrarpolitik; Agrarkonferenz, preußische; Ansiedlungsgesetz [ . . . ] ; Gesindeordnung, preußische; Hypothekengesetzgebung; innere Kolonisation; Junker(tum); Kirche, evangelische; Landarbeiterschaft; Landeskulturgesetzgebung; Polenpolitik, preußischdeutsche; Rentengutsgesetze Preußen (Provinz) 496,584 - , Landarbeiterverhältnisse 434 Preußisch Holland (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 „Preußische Jahrbücher" 20,51 f., 64, 365f., 539f., 557,717 - , Artikel zur Polenfrage 365 Privateigentum 893 - , Entstehung 843f., 846 - , Sieg 830 Privatenqueten 21, 71, 73,74-105 - , lokale 89 Privatrecht, soziale Bedeutung 533 Privilegium odiosum 109 Produktenbörse —> Börse Produktion, Bedingungen 628 - , Absatzproduktion aufgeldwirtschaftlicher Grundlage 658 - des Eigenbedarfs auf naturalwirtschaftlicher Grundlage 659
Sachregister Produktionsinteresse 334f., 338 Produktionsmittel 375 Überführung in Allgemeinbesitz 798 Produktionspreise 490 Produktionsprozeß 383,436 Produktionsteilung, internationale 376, 399,431,448,631 - , Verflechtung in die 629 Produktionszweige, Rangverhältnis 609 Produktivgenossenschaften 234,356 Produzenten, ausländische - » Konkurrenz, landwirtschaftliche des Auslands Professorensozialismus 817 —»auch: Kathedersozialismus; Universitätssozialismus Proletariat 341,344,352,358,408,476,740 - , Arbeiterproletariat 794 - , Bauernproletariat 777,780 - , Bevölkerungsreservoir 610 - , gewerbliches 374,429 - , grundbesitzendes 84,96,189,192,248, 250,423,461,593 industrielles 552,636 - , isoliertes, ohne Aufstiegschancen243 - , Kartoffel essendes 411 - , ländliches345,374,429,755,833 - , modernes83,454,570 - , polnisches 183,724 - , städtisches 776 Proletarisierung 393,444 —» auch: Arbeiter(schaft); Landarbeiter, deutsche; Wanderarbeit, Wanderarbeitertum Prostitution 382 Protektionismus 633,785 Protestanten, Bevölkerungsanteil 547, 551,602,717 f. —> auch: Konfessionen, christliche Protestantismus, deutscher 887 ->auch: Arbeitervereine; Christlich-sozial [ . . . ] ; Evangelisch-sozial [ . . . ] ; Geistliche ; Gemeinde; Glaube; Innere Mission; Kirche; Kirchlichkeit; Konfession [ . . . ] ; Kulturprotestantismus; Landarbeiter, deutsche: Verhältnis zu Schule und Kirche; Religiosität; Ritschlianismus Publikanen, römische 357 Putzig (Kreis) 583 f. Quednau (Regierungsbezirk Königsberg) 272
991
Queensland (Australien) 727 Rasse, Rasseneigenschaften 722,724,726, 821 Reaktionszeit (1850er Jahre) 686 Realkredit —» Kredit Realteilung —»Erbrecht, ländliches Recht Agrarrecht 532 auf Arbeitsgewährung 380,434 „deutsches" 57,524f., 526-534 „römisches" 57,524f., 526-534 soziales 524 Rechte, staatsbürgerliche 893 Rechtsformalismus 532 - , germanischer 526 Rechtsinstitute, römische 531 Rechtsinstitutionen, historisch erwachsen 532 Rechtsordnung, Innehaltung der 882 Rechtspflege 534 Rechtssysteme, kontinentale 643 Rechtsunterricht, Geschichte des 533 Rechtsverhältnisse 562 - , mittelalterliche 360 Rechtswissenschaft 483,562 Reform(en), soziale 881 f., 883 f., 893 f. —»auch: Sozialgesetzgebung; Sozialpolitik Reformation 614,894 Regulierungen (österreichische Agrarreformen) —» Österreich, Agrargesetzgebung Regulierungen (preußische Agrarreformen) 95 f., 130,187,240f., 243,271, 373,386 f., 428,439,500,749 f., 753 f., 774 Reichsamt des Innern 670 - , Börsenausschuß 36,41,616 „Reichsanzeiger" 467,525,589 Reichsgericht 534 Reichsgewerbeordnung 1871723,816 Reichshaushalt 668 Reichsjustizamt 873 Reichsleitung 667 Reichsmarineamt 667,671 - , Nachrichtenbüro 668 Reichstag, deutscher 3,15 f . , 641,645,653, 671,685,872-874,877,879,883,893 - , Budgetbewilligungsrecht 672 - , Debatte über „Umsturzvorlage" 4,569 - , Entmachtung710 - , Entscheidung über Heeresstärke 621
992
Sachregister
- und Flottenvorlage 667t. - , „Versammlung von Dilettanten" 315 - , Wahlrecht 894 Reichstagswahlen von 1890244 - von 1893 244 - von 1898 811f. Reichs- und Staatsfinanzen 669 Reichsverfassung 58,614,893 Religiosität, formal bürokratische 634 Rentabilität, geschäftliche 95 Rente (feste Einkünfte) 355,376,430 Rentenbanken 92,220,509,587,594, 782 Rentengüter 99,220,226,246f., 257,336, 423,461,497 f., 501,838,941 - , Einführung des Anerbenrechts 56,508, 586-588,589 -596,796,806 —» auch: Erbrecht, ländliches - , Kreditgewährung 591 - , Mißbrauch 656 Rentengutsbewegung 474 Rentengutsbildung 22 - , Nachteile498,595,782,792 - , Umfang 595 Rentengutsgesetze, Rentengutsgesetzgebung von 1890/9113,84,92f., 192, 220f., 271,423,461,472,484,497f., 557,587,595,636, 641,718,782,786, 823,838 Rentenkauf, deutscher mittelalterlicher 531 Rentiers 631 Reportgeschäft 526,941 Reservearmee, industrielle —» industrielle Reservearmee „Review of the River Plate" 300 Revolution 1848 685 Rhein 639,658 - , Entwicklung der Industrie am Rhein 639 Rheinebene 553 - , Landarbeiterverhältnisse 150 Rheinisch-westfälischer Arbeiterverband 346 Rheinisch-westfälisches Kohlensyndikat 817 f. Rheinprovinz 593 - , Bevölkerungsstabilität662,761,803, 805,809,821 - , Industriebezirke 171,762 - , Kreisgebürtigkeit 661,789,832 - , Landarbeiterverhältnisse 218,657 f., 706 f.
- , ländliches Erbrecht 502 f., 505,508,757, 760 - , Landwirtschaft 839 landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , Pachtfläche 652 - , Parzellenbesitzer 761 - , Synode 868 f. - , Wohnverhältnisse 761,788 - , Zuwanderung 268,362 Richter, Unabhängigkeit 533 Ritschlianismus 217 Rittergüter«, 259,418,458,472,506, 545 f., 592,656,661,665,757,779,785, 841 - als Kapitalanlage 834 - als Träger des Deutschtums 547,584 - , Arbeitsgelegenheit 656 - , Gebürtigkeit in der Heimatgemeinde 666 - , Hypothekenverschuldung 777,780 - , Mobilität des Bodens 492 f. - , politische Herrschaft 372,427 - , Preisbildung 492 - , traditioneller Typus 400 Rittergutsbesitzer 371-373,418,427 f., 458,483,496,586,656,678,764 - , Ausgaben 489 - , Eintritt in den Stand 492 - , Geselligkeit 371,427 Kindererziehung 371,427,489 Lebenshaltung 371,427,489 f. - , Mitglied der herrschenden Klasse 371 f., 427,489 - , soziale Position 834 - , Standespflichten 489 - , traditionelle Wirtschaftsweise 373 - , Verschuldung 768 - , Zwangskorporationen 483,764 Rittertum, feudales 846 Robotgärtner —»Drescher Römisches Reich - , Kaiserzeit 738 - , landwirtschaftliche Bebauung 287 f. —»auch: Sklavenwirtschaft, antike Römisches Staats- und Privatrecht 536 Rosenberg (Kreis) 546,549 Rostock 245 Rübenanbau 87,376,415,431,451,506, 592,785 —»auch: Betriebe, landwirtschaftliche: Intensität der Bewirtschaftung
Sachregister Rügen, ländliche Arbeiterverhältnisse 269, 273f., 275—281,401 - , Zuzug von Wanderarbeitern 278 Rumänien282f., 301,303,343,781 Rußlands, 62,415,552,689,707,777,824 - , Bauernbefreiung von 1861663 - , Getreidehandel262f.,282 - , Handelsverträge 5,343,781 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , landwirtschaftliche Konkurrenz 182f., 779 - , landwirtschaftliche Produktion 261 - , Starost 663 - , Wanderung deutscher Arbeiter nach Rußland 176 f. Zollpolitik 777,806,822,840 Saarbrücken 810 - , Nationalliberale Partei 59f., 811 f . Reichstagswahlen 1898 60,811f. —»auch: St. Johann-Saarbrücken „Saarbrücker Gewerbeblatt" 810 „Saarbrücker Zeitung" 813 Saarburg-Merzig-Saarlouis (Reichstagswahlkreis) 812 Saarland 810 Sachsen (Königreich) 218,309,706,783 - , Arbeiterschaft 110 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , Zuwanderung 268 Sachsen (Provinz) 591 - , Domänen 489 - , Grundbesitzer 389,441 industrielle Regionen 106,157 - , Landarbeiterverhältnisse 23,87,146, 152,171 f., 218,309,389,400,441 f., 688,691,693,706 - , Einfluß der intensiveren Rübenwirtschaft darauf 148 f. - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , Synode 869 - , Wanderbewegung398,415,447,771, 775 Sachsengänger(ei) 10,13,46,86f., 97,149, 248,257,269,278,415,421,457,656, 695,703,775,94i
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- , Einfluß auf die einheimischen Arbeiter 171 f. - , Wohnverhältnisse 696 —> auch: Wanderarbeiter Sachsengängerhäuser, „Kasernen" 88, 941 f . Sachsenwald 567 „Sächsisches Kirchen- und Schulblatt" 212 Saisonarbeit 127,323,379,396 f., 445 f., 551,553,657,775 —> auch: Wanderarbeiter Samland (Regierungsbezirk Königsberg) 404,451 Sammlungspolitik 15,672 Schalke (Gelsenkirchen) 311 Scharwerker 75 f., 81,138,216,226,246, 277-280,380,388,402,434,436,440, 449,702,774,940,942 Schaumburg-Lippe (Fürstentum), ländliches Erbrecht 594, 760 Scheffel 75,407,453 Schiedsgerichte 188 Schlacht im Teutoburger Wald 128 Schlachtflotte, deutsche —» Flottenbau, Flottenpolitik Schlesien (Kronland) 579f., 581-585 Schlesien (Provinz) 830 - , Abwanderung 268, 762 - , Agrargesetzgebung 584 f. - , Anzahl der ländlichen Tagelöhner 178 f. - , Anzahl der polnischen Wanderarbeiter 178 - , Arbeitsverfassung 406 - , Bauernschutz 753 - , Bevölkerungsstabilität 663 - , Bodengüte 318 - , Christlich-soziale Vereinigung 274 - , Dienstablösungsgesetz 389 - , Grundbesitzer 179 f. - , Grundbesitzverteilung 224 - , Gutsherren 388 f. - , Kreisgebürtigkeit 662 - , Landarbeiterverhältnisse86,90,137f., 140,142,173,213,218,257, 318,335, 381,383,385,388 f., 398,401,409-411, 414,418,434,436f., 440f., 447,450, 453,455-457,656,678f., 689,706f. - , Ablösung der Arbeitspflichten 389, 441 - , geldwirtschaftliche Umgestaltung 389 - , ländliches Erbrecht 507,594,760
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Sachregister
- , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 Magnaten 388,401,418,441,457 - , Mobilität des Bodens 493 polnische Arbeiter 384,418,437,457 - , polnische Besiedlung 401 - , Provinzialhilfskasse 494 - , Reinertragsziffern 404,451 - , Synode 868 f. - , Wanderbewegung 160,398,447 —»auch: Landschaften (Kreditinstitute) Schleswig (Regierungsbezirk) 652,658 Schleswig-Holstein (Provinz) - , Landarbeiterverhältnisse 138,142, 146 f., 152,170,193,218,244,279,321, 337,401,406,422,452,460,678, 688, 692,693,706 f. - , ländliches Erbrecht 594,760 - , Reichstagswahlen 1893 776 Schlichtungswesen 394 Schlochau (Kreis) 177,412,545,583 - , Bevölkerungsstabilität 664 - , Kleinbauerntum 664 Schottland, landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 —»auch: Großbritannien Schule - , konfessioneller Charakter 614 - , Reduzierung der Schulpflicht 251,678 —» auch: Landarbeiter, deutsche: Verhältnis zu Schule und Kirche; Westpreußen (Provinz) Schutzuntertänigkeit 242 Schutzzölle 726,806,816 - , industrielle 627,633,722,724,781,785 landwirtschaftliche2,286,311,633,724, 726,785 —»auch: Getreidezölle Schutzzollpolitik 5/., 56,211,282,632f., 728,781,786,806 - als großagrarische Interessenpolitik 624, 778 Schwaben (bayerischer Regierungsbezirk), Landarbeiterverhältnisse 150 f. „Schwäbischer Merkur" 539,668 „schwarze Polizei" 469 Schwarzwald 760,831 Schweden, Landarbeiterverhältnisse 161 Schweiz 515,630 - , Handelsverträge 92,343,777,781 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266
Schwerinsburg (Pommern) 273 Sekten 740 „Selbsthilfe" 561 Selektionsprinzip (naturwissenschaftlich) 554 Separationen (preußische Agrarreformen) 95 f., 130,243,599,831 - , soziale Folgen 321 Serbien (Königreich) 282,301,343,781 Seßhaftigkeit —» Bevölkerungsstabilität Seßhaftmachung der Landarbeiter —»innere Kolonisation Siebenjähriger Krieg (1756-1763) 764,767 Siedlung, Form 599 —» auch: Ansiedlung [...]; Dorfsiedlung; Hofsystem Siedlungsformen, Ansiedlung germanische 748,751,755 Silberwährung257 —»auch: Bimetallismus Sklavenwirtschaft, antike 127 f., 373, 381f.,397,447 Slawentum 418,458,556,775, I I I , 783, 840 - , Hauskommunionen 263 —»auch: Polen(tum) Sozialdemokraten - als Staatsbürger zweiter Klasse 622 - , Berliner 725 Sozialdemokratie 3f., 6,15f., 30,59,94, 161,272f., 364,369,471,478f., 512, 515,511,569,615,810 - , Agitation216,244f.,705,874,881 - , Bekämpfung 672,710 - , Erfolge 872 - , Erfurter Programm 1891619 - , Führer 882 - , Gedanken- und Gewissensfreiheit 619 - , Gothaer Programm 1875 619 - , Handelsvertragspolitik 303 - , Hohn gegen Idealismus 340 - , internationale 721,122,724 - , Verbrüderungsideal 722 - , Parteitage 1890 und 189116,245 - , Parteitag 1893579 - , Parteitag 1895 795 - , Presse 490,570 - , Produkt deutschen Spießbürgertums 341 - , Reichstagskandidaten 244 f. - , Theorien 728
Sachregister - und Agrarfrage 244 f., 330,333,475 f., 745,776,795 - und Bürgertum 621 - und Christentum 106f., 109,167,229, 234,347f. ,351,352,354,464 - und feudale Reaktion 621 - und Religion 619,723,725,728 - und sozialistische Ideale 245 - , Zugehörigkeit 739 —»auch: Sozialismus; Sozialistengesetz; Umsturzvorlage soziale Frage, Begriff 476 soziale Organisation (im Osten) 181 f., 297, 299,804 - als Stütze des Staates 181 - , Zerfall 181 f. - , politische Konsequenzen 182 - , Ursachen 182 —»auch: Agrarverfassung; Arbeitsverfassung, ländliche „Soziale Praxis" 43,56,61,588,680f. „sozialer Frieden" 340,393 soziales Ensemble —»Ensemble, soziales und wirtschaftliches Sozialfürsorge 859 Sozialgesetzgebung231,255,340,701 —»auch: Reformen, soziale; Sozialpolitik Sozialismus 32,94,328,554,601,672,810 - , christlicher 35,347,353 - , englischer 739 - , Experimente 94 - , Halbsozialismus 783 - , Internationalismus 302 - , Irrationalismus 340 - , Karikatur 95 - , nationale Interessen 196 f. - , nationaler 36/. ,614 - , Befähigung zum 620 - , wirtschaftlich tragende Interessengruppe 619 - , Psychologie des 912f. - , radikaler - , Utopien 893 - , Schwächen 201 —»auch: Großbritannien; Landarbeiter, deutsche, und Sozialismus ; Sozialdemokratie ; Wirtschaftsorganisation Sozialistengesetz 3,535,622, 672,872,879, 881,883 f. Sozialpolitik 35,338,352,459,540,558, 562,638,673 - auf dem Lande 475
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- , Begriff 481 - , Stagnation 881 - , Wende von 1890346,709,872 - , Wende von 1895 710 - , Ziele339f.,572 -»auch: Reformen, soziale; Sozialgesetzgebung; Sozialpolitiker 573 - , kirchliche 352 - , nüchterne 531 —> auch : Wohlfahrtspolitiker „Sozialpolitisches Centralblatt" 20f., 56, 163,273f., 416 f., 481 f . , 501,588 sozialwissenschaftlicher Kursus —» Evangelisch-soziales Kurswesen Spanien282,301 - , Attentate 872 - , Handelsvertrag 777 Sparkassen 530 Spießbürgertum 343 f. - , Furcht des 671 f. - , süddeutsches 852 - , typische Eigenschaften 341 —»auch: Kleinbürgertum; Sozialdemokratie Sprachenverordnungen, Badenische 896 - , Kundgebung dagegen 46,897f., 899 Sprachreinigungsfexe 532 St. Johann-Saarbrucken, Handwerkerverein 59,810-813 „St. Johanner Zeitung" 812 f . , 814 Staaten, merkantilistische 631,749,753, 830,844,848—850 „Staatshülfe" 561 Staatsinteresse, übergeordnetes 180 f., 476 Staatspapiere (Rechtsinstitution), Ursprung 525 „Staatsraison" 180,561,830 Staatsschuldscheine 92 Staatsstreichpläne 710,872 Staatswesen - , nationale Grundlage 545 Staatswissenschaften —» Nationalökonomie „Staatswissenschaftliche Vereinigung" —> Berlin Stade (Regierungsbezirk) 652,658 Stadt, Städte, städtisch 82,94,317,530, 551,605,636,794,809,814,821,824, 847 - , Eigentümlichkeiten der städtischen Existenz 94
996
Sachregister
- , Entwicklung 737,752,849 - , Großstädte268,665,789 - , Industriestädte 815 - , Konsum 639 - , mittelalterliche 830,843f., 847 - , politisches Zentrum 568,784 Stadtmission, Berliner619,723,725,728 Stand, standesgemäße Existenz 335,371 f., 377,432,476,487- 489,492,590,592, 633,735-737 —»auch: Großgrundbesitz(er); Grundadel; Grundbesitz(er) Standard oflife 341,371,416,427 Standard-Oil-Trust 851 „Starosten-Industrie" - , östliche 663 - , schlesische 663 Statistik - , amtliche24,480,483 - , Überschätzung 684 - , Unzulänglichkeit 78,84,100,111,368, 426 —>auch: Gemeindelexikon Stettin (Regierungsbezirk) 657 Steuerpächter, römische 357 Steuerwesen 360 Strafgesetzbuch 873 Stralsund (Regierungsbezirk) 422,460, 652,657,803,809 Strasburg (Kreis) 413 - , Gebürtigkeit664 -666 Straßburg 59,853,876f., 902 - , Evangelisches Vereinshaus 32,853f. „Straßburger Neueste Nachrichten" 853f. „Straßburger Post" 853f. „Straßburger Tageblatt" 853f. Stuhm (Kreis) 549,551 Stuttgart 35,668 - , Statistisches Landesamt 902 Subhastationen —» Zwangsversteigerungen Subhastationsrecht, preußisches —* Zwangsvollstreckung Südamerika282,2S4,629 —»auch: Argentinien Südbayern —* Bayern Süddeutschland 566,760,902 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , landwirtschaftliche Verhältnisse 838 Sumatra 183 Sünde, Wesen der 109 Swantow (auf Rügen) 273
Syndikate 851 —»auch: Kartelle; Rheinisch-Westfälisches Kohlensyndikat Tagelohn —» Landarbeiter : Einkommen, Lohn Tagelöhner - , ländliche 98,178,270,382,395,655 f., 701,717 f., 797 —»auch: Landarbeiter, deutsche: freie (kontraktlich ungebundene, in Geld entlohnte) - , ungelernte 352 —•auch: Mecklenburg „Tägliche Rundschau" 29 Tarnowitz (Kreis) 663 Tasmania (Australien) 727 Technik 85,852 - , Entwicklung 848 - , Fortschritt351,355,360,583 - , Folgen 323 f. - , juristische 531 - , landwirtschaftliche 338,473 f. - , Optimismus 628 - , Rückschritte 338 - und ökonomische Stärke 528 - und soziale Organisation 339 Teilbau —» Pacht( Verhältnis) Termingeschäfte 534 Testier- und Verfügungsfreiheit 265,502, 506,508,586f.,942 Theologie 101,108-110,113-115 - und Nationalökonomie 355 Thorn (Kreis) 413 - , Gebürtigkeit 664-666 „Thron und Altar" 344,354 Thüringische Staaten 567,622 - , Landarbeiterverhältnisse 218,706 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 Trier (Regierungsbezirk) 809 - , Kreisgebürtigkeit 661,664,761 - , Wohnverhältnisse 788 Tübingen 544,902 Tuchel (Kreis) 549,551,583 Umsturzvorlage (1895) 4,51,512,544,569, 573,672,723 f., 727,913 - , Ablehnung 877 - , Entstehung 872—874 - , Erklärungen dagegen 874—878, 879-884
Sachregister Erste Lesung30,874 Ungarn —» Österreich(-Ungarn) „Universitätssozialismus" 817 —> auch: Kathedersozialismus; Professorensozialismus Unterbau, ökonomischer 565 Unterkonsumtion 607,609 Unternehmerin, 354,358,374,378,386, 429,433,439,816 - , bürgerlich-gewerblicher Typus 375,377, 393,432 - , industrieller 632,636 - , Interessenvertreter420,459 —»auch: Unternehmerverbände - , landwirtschaftlicher 240,250f., 399, 417,441,449,708 —»auch: Arbeitgeber, ländliche; Großgrundbesitz(er), zwischen Stand und Unternehmerklasse Unternehmerverbände 674,827,901,902 f. - , Berechtigung 817 Unternehmung, kapitalistische 392,444 Unterstützungswohnsitz —* Armenfürsorge „Urias-Brief" 467 Verbindungen, studentische - , Alemannia, Burschenschaft (Frankfurt a.M.)787 - , Alemannia, Burschenschaft (Freiburg) 45,575,729 - , Allemannia, Burschenschaft (Heidelberg) 45,575,729,731 - , Burschenschaften 575,578,729,731 - , Corps 575,578,729,731 - , Corps Hannovera 45,575,577,729 - , Kommerse 575,578,730 Verein Deutscher Studenten 512f., 913 Verein für Socialpolitik 17f., 27,31,43,61, 65f., 72,826,874f. - , Ausschuß 17,680,683 f. - , Kooptation Max Webers 160 - , Erhebung über bäuerliche Zustände 505 Generalversammlung 18931,19,64, 157-164,223,225 f., 245,250, 363-365,369,411,415,422,470,475 f., 716,908 - , Generalversammlung 1894 501,592 - , Kritik daran 684,817 - , Stellung zur Sozialdemokratie 30,161 - und industrielle Kreise 682 - und preußische Regierung 679- 681
997
- * auch: Erhebung des Vereins für Socialpolitik über die Lage der Landarbeiter 1891/92 Verein zur Förderung des Deutschthums in den deutschen Ostmarken —» Deutscher Ostmarkenverein Vereinigte Staaten von Amerika - , Getreidehandel 263,282f. - , Heimstättenrecht 271,600,641,643,645 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 266 - , landwirtschaftliche Konkurrenz 262 - , landwirtschaftliche Produktion 261 - , Viehhaltung 262 Vereinigtes Britisches Königreich —» Großbritannien ; Irland Vereinigung der Steuer- und Wirtschaftsreformer 332,474 Vereinsfreiheit 614,894 Vererbung, geschlossene —» Erbrecht, ländliches: Anerbenrecht Verhandlungendes [ . . . ] Evangelisch-sozialen Kongresses - , dritter 32 - , vierter 21,706 - , fünfter21 f., 308-312,313-345,477, 688 - , Folgenüi,365,463—466,467 —479 - , sechster 885 - , siebenter606-608,609 - 611 - , achter 623- 625,626-640 - , zehnter 693 Verkaufswert —» Verkehrswert Verkehrsfreiheit, Einschränkung (wirtschaftlich) 595 Verkehrswert 490,491,504 f., 588,600, 164,768,834 —» auch: Ertragswert Verkoppelungen (preußische Agrarreformen) 321 Verlagssystem 847 f. Vermögensverteilung - , ländliche 832 - , städtische 832 Verpachtung —» Pacht, Pachtverhältnis Verpfändung 487 Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes«/. , 46,84,264f., 363,418,458,480, 483,486,490-493,500,502,505,586588,591,600,768,III, 780,794,804, 833-835 - , Beschränkung 56,651,654
998
Sachregister
- , Erbschulden 490,492,590,834 - , Erhebung darüber264 - , Höchstgrenze 15,55f . , 480,486,493, 499,503,510,587,589 -592,642,654, 769,794,796,806,809,836 - , agrarpolitische Konsequenzen für den Kleingrundbesitz 654 - im Osten 493 - im Westen und Südwesten 493 - nach Besitzgrößenklassen 493 - , Rechtsformen 264 - , Statistik 485 - , Ursachen 480 —»auch: Hypothekenverschuldung Versicherungswesen 229,323 f., 409 Victoria (Australien) 727 Viehwirtschaft 260,262,375 f., 380, 394-396,399,405,409- 411,414,430f., 434,448,451 f., 455 f., 553,604,779,785 —> auch : Weidewirtschaft Völker - in der kapitalistischen und industriellen Entwicklung rückständige 629 - , romanistische 525 Völkerwanderung 267,751 Volksbibliotheken 280 Volksbildung 743 Volksdichtigkeit —> Bevölkerungsdichte Volksernährung 408,414,454 - im Mittelalter 408 —> auch: Landarbeiter, Ernährung Volksverein für das katholische Deutschland 28,229f.. 233 f. Volksvertretung —* Reichstag, deutscher Volkswirtschaft 355,378,531 - als Haus 629 - als Organismus 623 - , Beurteilung 543 - , Entwicklung 844,848 - , kapitalistische Organisation 632 - , nationale Grundlagen 302 f., 720f., 722-728 „Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen" (Schriftenreihe) 674-676,677,688 - , Verlagsverhandlungen 674 - , Werbetext 674—676,677 Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik —» Nationalökonomie Volkszählungen 317,661,815 Vorlesungsgrundrisse, gedruckte231 f., 233,255f., 259-271,486
„Vorwärts" 163,207,245,475 f., 795 „Vossische Zeitung" 799-802,803 Wahlen, politische 344 —» auch: Reichstagswahlen [ . . . ] Wahlrecht - , demokratisches 710 - , Dreiklassenwahlrecht 614,894 Währungsfrage 303 Währungspolitik 486 Waldeck (Fürstentum), Landarbeiterverhältnisse218,706 Wales, Grundeigentümer 267 —•auch: Großbritannien Wanderarbeit, Wanderarbeitertum 88, 141,149,299,323,415 - als Proletarisierungserscheinung 279 - , sittliche Konsequenzen für das Familienleben 88 - , Ursachen 175 Wanderarbeiter 86-89,212,278f.,311, 395,396-398,400,433,446-448,457, 552,695,705,815,822 - aus Polen und Rußland 78 - , Ausschluß und Ausweisung 10,61 f., 153,162,III, 182,226,251,474,538, 555,718,819 - , Forderung nach freiem Zuzug 174 f., 180,202,336,475 - , Lebenshaltung88,398,447f. polnische 8,10,13f., 18,57,60,142 f., 176,178,182,279,299,323,362,397, 416f., 447,457,474,537f., 555,679, 775,722,771,775,833 - , polnische aus Galizien 8,13,141,178, 416,457,555 - , polnische aus Oberschlesien 88 - , polnische aus Rußland 141,552,555, 718 - , russische88,99,176,177f.,335,416, 822,833 - , russisch-polnische8,87,142,178,310, 332,457 - , ruthenische 13,18,57 - , schlesische 279 - , Stellung der einheimischen Arbeiterschaft dazu 88 f., 172 Wohnverhältnisse 279,397,447 - , Zulassung93,177f.,251,415,457, 555 f., 075,718,833 —» auch: Polenpolitik, preußisch-deutsche; Sachsengänger(ei)
Sachregister Wanderungsbewegungen 9,97,160,268, 362,398,415,447,662,762,771 - , Ab- und Auswanderung deutscher Landarbeiter«/., 17,57,81,84,87,89, 133 f., 157,216,224,244,310,362,420, 551f., 602,703,789 - als Arbeitskampfmittel 331,343,418, 457,476f., 772,775,795,817 Gründe 170f.,333,551f. - , Zusammenhang mit Zuwanderung von Polen 19,25,49,202f., 418,457, 678 - , Auswanderung 9,268,507,762 —» auch: Bevölkerungsbewegung; Einwanderung; Galizien; Mecklenburg; Rußland; Sachsengänger(ei); Wanderarbeit ; Wanderarbeiter Warthe 87 Weichseldelta 412 Weichselebene 545-547 Weidewirtschaft 405,431 - , extensiv376,394f., 399,445,785 - , intensiv394,445,452 —* auch: Viehwirtschaft Weifen (Herrscherhaus) 576f. Welt(macht)politik, deutsche —> Deutsches Reich: ökonomische und politische Machtausdehnung Weltmarkt 25,94,338,627,804 - , Entstehung 850 - , Verflechtung 831 Weltmarktkonjunkturen 376,422,430,460 Weltwirtschaft 373,376,393 f., 399,428, 431,448 - , Produktionsbedingungen375,430 —* auch: Lokalmärkte Wenden 183 Wertmaßstab, politischer 565 Werturteile 48,340,538,540f. - , nationalistische 558 —> auch: Nationalökonomie Weser 635,688,692,707 Westerwald 839 Westfalen (Provinz) 593 - , Bevölkerungsstabilität 662 - , Industriebezirke 171,789 - , katholische Geistlichkeit 708 - , Kreisgebürtigkeit 661 f. - , Landarbeitererhebungen nach dem Vorbild des Evangelisch- sozialen Kongresses und des Vereins für Socialpolitik 708
999
- , Landarbeiterverhältnisse 146,152,160, 170 f., 218,364,422,460,706f., 773 - , Einfluß der Industrie darauf 148 f. - , ländliches Erbrecht 504,594,760 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 267 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 f. - , Landwirtschaftskammer 708 - , Zuwanderung 268,362 - » auch: Heuerlinge Westfälischer Bauernverein 484,591 Westpreußen (Provinz) 602f., 604f. - , agrarische Interessen 663 - , Anzahl der polnischen Wanderarbeiter 178 - , Bevölkerungsbewegung 11,268,543, 548 - 552,602,717 - , Bodenerträge 604 Bodenqualität545f.,549 - , Bodenverhältnisse 604 Gewerbe 604 - , großbäuerlicher Besitz 663 - , Großgrundbesitz 177,180,549,663 - , Gutsbesitzer 183,552 - , klimatische Verhältnisse 604 - , Kommunaleinheiten545-551,583f., 602, III f. —»auch: Gutsbezirke;Landgemeinden - , Kreisgebürtigkeit 789 - , Kriminalstatistik 604 - , Landarbeiterverhältnisse 176,178f., 218,380,381,411 f., 414,678,706 - , landwirtschaftliche Besitz- und Betriebsgrößen 266 - , landwirtschaftliche Bevölkerung und Erwerbstätige 265 - , Löhne 604 - , Nationalitäten 544,550,722,726f., 780 - , Besiedlung 604,717 - und Konfessionen 546-551,583 f., 602,605,717f. —* auch: Polen(tum); Polenfrage - , patriarchalische Arbeitsverfassung 663 - , Rentengüter 498 - , Sanitätsverhältnisse 604 - , Schulverhältnisse 604 - , soziale Schichtung545f., 551 - , Sparkassen 604 - , Steuerergebnisse 604 - , Synode 869 - , Unbeweglichkeit des Bodens 663 f.
1000
Sachregister
- , Verdrängung deutscher Arbeiter 722, 724,726 - , Verkehrsmittel 604 - , Viehbestand 604 - , Wohnungsverhältnisse 604 —»auch: Ansiedlungsgesetz [ . . . ]; Ansiedlungsgiiter; Ansiedlungskommission Wetterau415,457 Wien 467,642,898 - , Juristische Gesellschaft 579 Wiesbaden (Regierungsbezirk) 657 Wirtschaft, europäische - , agrarische Grundlage 843f., 846 Wirtschaftsleben - , freies Spiel der Kräfte 561 - , objektive Erkenntnis 677 - , staatliche Reglementierung 561 Wirtschaftslehre —» Nationalökonomie Wirtschaftsorganisation - , kapitalistische 416 - , sozialistische 416 Wirtschaftspolitik 95,303,626f., 629, 631f.,635,709 - im Kapitalismus 673 - , Interessenkoalition von Großgrundbesitz und Großindustrie 632-635,672 - , Notwendigkeit 196-198 Wirtschaftsverfassung 433 - der Erde 638 - , germanische 748 Wirtschaftsweise, traditionelle 396 f., 445 f. Wissenschaft, Freiheit der 883 Wohlfahrtseinrichtungen 862,911 Wohlfahrtspolitiker, landläufige 420,459 Wohnungspolitik, kommunale 358,474 Wucher 648 Württemberg (Königreich) 834,902 - , Landarbeitererhebungen nach dem Vorbild des Evangelisch- sozialen Kongresses und des Vereins für Socialpolitik 708 Zadruga 263 „Zeitschrift des Preußischen Statistischen Bureaus" 648 „Zeitschrift für das Gesammte Handelsrecht" 304 f. „Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins" 46
Zentralverband Deutscher Industrieller 61,679,915 Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen 43 Zentralvereine, landwirtschaftliche 685 Zentrum 4,174,484,641,667,672,678, 874 Zinsen 355 f., 358,530 Zivilliste 386,438 Zivilprozeßordnung 645 Zivilrechtspflege 533 - , soziale Bedeutung 534 Znin (Kreis) 142 Zollpolitik 15,486,627 - , autonome 630 - , moderne 837 - , russische I I I , 806,822,840 Zuchthausvorlage 4 Zuckerrübenanbau 75,552f., 695,718, 771,775,777,779,822 Zuckersteuergesetzgebung 626 f. Zünfte 360,590,706,748 - , Entstehung 847 - , kapitalstarke 528 —» auch : Gilden Zürich 674 Zwangsrückführung —» Gesinderecht, preußisches Zwangsversteigerungen 486,494 f., 529, 600,646,835,942 - als Ausleseprozeß 643,650 - , Gründe 648 - , Erhebungen darüber 648,804 - , Häufigkeit nach Besitzgrößenklassen 647,649 - , ökonomische Funktion 647 - , Statistik 804 - , versteigerte Fläche in Preußen nach Betriebs- und Besitzgrößen 646 f. Zwangsvollstreckung 84,271,4SI t., 526, 600,641 -643,645,657,834 - , Gesetz, preußisches (1883) 529 - , Reform 834 Zweikampf —» Duell(affäre Wagner/von Stumm) Zweikindersystem —» Frankreich ; Oberelsaß
Seitenkonkordanzen Die Seitenkonkordanzen beziehen sich auf die bisher gebräuchlichen Voreditionen. Es handelt sich für die Texte in diesem Band um: GPS 1
Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Marianne Weber, 1. Auflage. - München: Drei Masken Verlag 1921. Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Johannes Winckelmann, 2. erweiterte Auflage.-Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1958.
GPS 2
GPS 3 /GPS 4 /GPS 5
Weber, Max, Gesammelte Politische Schriften, hg. von Johannes Winckelmann, 3. erneut vermehrte Auflage. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1971; 4. unveränderte Auflage 1980; 5. unveränderte Auflage 1988.
SWG 1 /SWG 2
Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. von Marianne Weber, 1. Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1924; 2. unveränderte Auflage 1988. Die Paginierung der Textzeugen, die der Edition zugrundeliegen, wurde dem Edierten Text marginal beigefügt.
GPS5"3
MWGI/4
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444 444/445 445/446 446/447 447/448 448/449 449/450 450/451 451/452 452 452/453 453/454 454 454/455 455/456 456/457 457/458 458 458/459 459/460 460 460/461
Die ländliche Arbeitsverfassung i s i s le/ 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188
s e
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1002
Seitenkonkordanzen
MWGI/4
GPS5-3
GPS 2
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189 190 191 192 193 194 195 196 197 198
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Entwickelungstendenzen in der Lage derostelbischen Landarbeiter (Preußische Jahrbücher) 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458
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470 470/471 471/472 472/473 473/474 474/475 475/476 476/477/478 478/479 479/480 480/481 481/482 482/483 483/484 484/485 485/486 486/487 487/488 488/489 489/490 490/491 491/492 492/493 493/494 494/495 495/496 496/497 497/498 498/499 499/500 500/501 501/502 502/503 503/504
Seitenkonkordanzen
1003
MWGI/4
GPS5"3
GPS 2
GPS 1
SWG2'1
459 460 461 462
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504/505 505/506 506/507 507
Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede 543 544 545 546 547 548 549 550 551 552 553 554 555 556 557 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567 568 569 570 571 572 573 574
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1004
MWGI/4
Seitenkonkordanzen GPS5"3
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Diskussionsbeitrag in der Debatte über das allgemeine Programm des Nationalsozialen Vereins 619 620 621 622
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Stellungnahme zu der von der Allgemeinen Zeitung im Dezember 1897 veranstalteten Flottenumfrage 671 672 673
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Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
1. Aufbau der
Gesamtausgabe
In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur dann wiedergegeben, wenn ein autoreigener Zeuge nicht überliefert ist. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden alle mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck gegeben hat, werden nur dann berücksichtigt, wenn dem betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. Jedem Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen Ausgaben beigegeben. Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Abteilung II: Abteilung III:
Schriften und Reden Briefe Vorlesungen
2. Aufbau der Abteilung I: Schriften und Reden Die Abteilung I umfaßt Max Webers veröffentlichte und nachgelassene Schriften und Reden, unter Einschluß seiner Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen. Ebenso werden Paralipomena, Entwürfe und andere Vorarbeiten mitgeteilt. Einzelne Äußerungen sind uns nur durch Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Kongreßprotokolle und ähnliches überliefert. Solche Ersatzzeugen werden dann in die Ausgabe aufgenommen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Rede oder Stellungnahme Webers entstanden. Außerdem sind Texte wiedergegeben, die er zusammen mit anderen Personen verfaßte oder unterzeichnete. Für die Verteilung der Texte auf die Bände werden zwei Kriterien verwendet: der Sachzusammenhang und die Chronologie. Dadurch werden thematisch und zeitlich nahestehende Texte zu Bänden vereinigt und die Schwerpunkte des Werkes in ihrer zeitlichen Folge und ihrem Nebeneinander sichtbar gemacht. Jeder Bandtitel enthält deshalb eine thematische und eine zeitliche Angabe. Für die thematische Angabe wird entweder ein Titel von Weber verwendet oder, wo dies wegen der Vielfalt der Texte nicht möglich ist, ein seinem Wort-
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MWG Abteilung I • Aufbau und
Editionsregeln
gebrauch nahestehender Titel neu gebildet. Jedem Bandtitel ist ferner eine Zeitangabe zugeordnet. Dabei bezieht sich die erste Jahreszahl auf das Datum der Veröffentlichung des ersten, die zweite auf das Datum der Veröffentlichung des letzten in den Band aufgenommenen Textes. Bei Texten aus dem Nachlaß ist das Entstehungsjahr maßgebend. Dies gilt sowohl für Texte, die uns im Original vorliegen, wie a u c h für solche, von denen wir nur noch eine Edition aus dem Nachlaß besitzen, weil das Original inzwischen verloren ist. W o das Datum der Entstehung a u c h nicht a n n ä h e r n d ermittelt werden kann, wird der Text am Ende des Bandes eingeordnet, dem er thematisch nahesteht. Bände mit einem oder mehreren nachgelassenen Texten tragen als zweite Jahreszahl 1920, Webers Todesjahr, wenn wir Hinweise haben, daß er an diesen Texten bis zu seinem Tode arbeitete. Für die Bandfolge ist das Chronologieprinzip maßgebend. Über die Stellung eines Bandes in der Bandfolge entscheidet das Datum des ersten darin abgedruckten Textes. Abweichend davon sind die „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" und das Textkonvolut „Wirtschaft u n d Gesellschaft" an das Ende der Abteilung gestellt. Dies ergibt sich aus der besonderen Überlieferungslage. Die Abteilung I hat folgenden Aufbau: Band 1: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1889-1894 Band 2: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staatsund Privatrecht 1891 Band 3: Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland 1892 Band 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1892-1899 Band 5: Börsenwesen Schriften und Reden 1894-1897 Band 6: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften 1 8 9 3 - 1 9 0 9 Band 7: Zur Logik und Methodologie der Kultur- und Sozialwissenschaften Schriften 1900-1907 Band 8: Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1900-1912 Band 9: Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften und Reden 1904-1911
MWG AbteilungI
• Aufbau und Editionsregeln
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B a n d 10: Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften und Reden 1 9 0 5 - 1 9 1 2 B a n d 11: Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften und Reden 1908-1912 B a n d 12: Verstehende Soziologie und Werturteilsfreiheit Schriften und Reden 1908-1920 B a n d 13: Hochschulwesen und Wissenschaftspolitik Schriften und Reden 1908-1920 B a n d 14: Rationale und soziale Grundlagen der Musik 1910-1920 B a n d 15: Zur Politik im Weltkrieg Schriften und Reden 1914-1918 B a n d 16: Zur N e u o r d n u n g Deutschlands Schriften und Reden 1918-1920 Band 17: Wissenschaft als Beruf 1917/1919 - Politik als Beruf 1919 Band 18: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus Schriften 1904-1920 Band 19: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus und Taoismus Schriften 1 9 1 5 - 1 9 2 0 B a n d 20: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus 1916-1920 B a n d 21: Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum Schriften und Reden 1917-1920 B a n d 22: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen O r d n u n g e n u n d Mächte (in Teilbänden) Schriften 1909-1920
3. Aufbau
der
Bände
Jeder B a n d enthält eine Einleitung des Herausgebers, die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers, denen jeweils ein Editorischer Bericht vorangestellt ist, Verzeichnisse und Register.
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MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln
Innerhalb der Bände sind die Edierten Texte chronologisch geordnet. Bei von Weber veröffentlichten Texten ist das Datum der Veröffentlichung, bei nachgelassenen Texten das Datum der Entstehung maßgebend. Äußerungen Webers, über die wir nur Ersatzzeugen besitzen, werden im zweiten Teil eines Bandes zusammengefaßt u n d nach dem Datum der Äußerung wiederum chronologisch angeordnet. Einzelnen Bänden sind A n h ä n g e beigegeben. Darin finden sich zunächst Texte, die Weber mit anderen Personen zusammen verfaßte oder unterzeichnete, gegebenenfalls Hinweise auf verlorene Texte sowie auf Dokumente.
4.
Bandeinleitung
Die Einleitung des Herausgebers informiert über die Anordnung, die thematischen Schwerpunkte und über den wissenschaftsgeschichtlichen u n d zeitgeschichtlichen Hintergrund der Texte. Enthält ein B a n d mehrere Texte, geht die Einleitung außerdem auf deren Z u s a m m e n h a n g ein. Die Rezeptions- u n d Wirkungsgeschichte sowie die Geschichte von Nacheditionen d a g e g e n bleiben in der Regel außer Betracht. Die Einleitung berichtet ferner über bandspezifische Editionsfragen, z.B. über sprachliche Eigentümlichkeiten Webers und deren editorische Behandlung. Alle textspezifischen Informationen geben die Editorischen Berichte.
5. Editorische
Berichte
Jedem Text ist ein Editorischer Bericht vorangestellt, der über dessen Entstehung, Entwicklung und Überlieferung sowie über editorische Entscheidungen informiert. Er ist in die Abschnitte „Zur Entstehung" und „Zur Überlieferung und Edition" gegliedert. 5.1 „Zur
Entstehung"
Dieser Abschnitt skizziert die historisch-politischen, wissenschaftlichen und biographischen Zusammenhänge, in denen ein Text steht. Er stellt ferner seine Entstehung und Entwicklung dar. Sofern mehrere Fassungen eines Textes vorliegen, wird deren Verhältnis zueinander beschrieben. 5.2 „Zur Überlieferung
und
Edition"
Dieser Abschnitt informiert über Textbefund und Überlieferungslage. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, wird dargelegt, welche der Fassungen Edierter Text und welche Variante ist. Ferner werden alle weiteren editorischen Entscheidungen begründet. Dazu gehört unter anderem a u c h die Behandlung textspezifischer Eigentümlichkeiten.
MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln
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6. Texte Bearbeitung und Präsentation der Texte folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe von drei Apparaten: dem Korrekturen- u n d dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, u n d dem Erläuterungsapparat. 6.1 Textkritischer
Apparat
Der textkritische Apparat hat in erster Linie zwei Aufgaben: Aufweis der Textentwicklung und Nachweis der Texteingriffe. 6.1.1
Textentwicklung
Liegt ein Text in mehreren autorisierten Fassungen vor, ist eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel die Fassung letzter Hand. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. W o es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die synoptische Darstellung gewählt. Die früheste oder einzige Fassung eines Textes trägt die Sigle A. Spätere Fassungen sind in chronologischer Folge mit B, C usw. bezeichnet. 6.1.2
Texteingriffe
Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenh a n g zerstören. Der Eingriff wird d a d u r c h nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je n a c h Sachlage bietet der Apparat d a n n Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie und Interpunktion. In folgenden Fällen werden Texteingriffe ohne Nachweis im textkritischen A p p a rat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Überschriften, Zwischentiteln, anderen Gliederungsmerkmalen (z.B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden - soweit sie Folge der zu Webers Zeit üblichen Drucktechnik sind - der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen Klammern ausgeschrieben. d) Bei offensichtlichen Druckfehlern: Sie werden korrigiert (z.B. „Erleicherung", „aucht").
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MWG Abteilung 1 • Aufbau und
Editionsregeln
e) Bei Interpunktionsfehlern: Sie werden bei der Reihung von Hauptsätzen, Aufzählungen, Relativsätzen und „daß"-Sätzen korrigiert. In allen anderen Fällen werden eingefügte Satzzeichen durch eckige Klammern kenntlich gemacht. f) Bei der Numerierung von Anmerkungen: Sie werden text- oder kapitelweise durchgezählt. Entsteht d a d u r c h eine Abweichung gegenüber Webers Zählung, so wird dies im Editorischen Bericht vermerkt. g) Bei der Einfügung von Titeln und Zwischenüberschriften: Sie werden in eckige Klammern gesetzt und im Editorischen Bericht begründet. 6.2
Erläuterungsapparat
Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung. 6.2.1
Zitate
Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist uns der Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen". 6.2.2
Literaturangaben
Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Es wird dafür ein Kurztitel verwendet. Die vollständigen bibliographischen A n g a b e n finden sich im Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur. Verweist Weber ohne nähere A n g a b e n auf Literatur, so ist sie, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen. Literaturangaben des Herausgebers werden beim ersten Auftreten vollständig aufgeführt, bei Wiederholungen wird ein Kurztitel verwendet. 6.2.3
Sacherläuterung
Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes unerläßlich erscheint. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler Webers werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien. 6.3
Präsentation
Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Text u n d die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite.
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Editionsregeln
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Edierter Text u n d Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie stehen hinter dem Varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische A n m e r k u n g auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index den Anfang u n d ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge ( a damit Amerika 3 ). Die Ersatzzeugen von Webers Äußerungen, auf die wir zurückgreifen müssen, stimmen nicht immer überein. In solchen Fällen sind sie alle ohne Wertung aufeinanderfolgend oder synoptisch wiedergegeben. Zeitungsberichte enthalten in der Regel einen redaktionellen Vorspann, Zwischentexte oder Nachbemerkungen; Sitzungs- und Kongreßprotokolle geben auch Beiträge anderer Redner wieder. Wenn diese Texte in unmittelbarem sachlichen Z u s a m m e n h a n g mit Webers Äußerungen stehen, werden sie entweder in Form eines Regests, wörtlich in kleinerer Drucktype oder im textkritischen Apparat mitgeteilt. Die historisch-kritisch bearbeiteten Texte Webers und die Erläuterungen des Herausgebers sind durch arabische Ziffern ohne Klammern miteinander verbunden. Um die Herausgeberrede von Webers Text abzuheben, ist sie in anderer Schrifttype gesetzt. 7. Verzeichnisse
und
Register
Dem B a n d sind folgende Verzeichnisse und Register beigefügt: 1. Ein Inhaltsverzeichnis. 2. Ein Verzeichnis der Siglen, Zeichen und Abkürzungen. 3. Ein Literaturverzeichnis: Es enthält die von Weber zitierte Literatur vollständig bibliographisch erfaßt. Auf den Titel folgt in Klammern der vom Editor in seinen Erläuterungen gebrauchte Kurztitel. 4. Ein Personenverzeichnis: Aufgenommen sind alle Personen, die Weber erwähnt, mit A u s n a h m e allgemein bekannter (z.B. Bismarck, Wilhelm II.) und in Literaturangaben genannter Personen. Es liefert die wichtigsten Lebensdaten, gibt die berufliche oder politische Stellung an und führt ggf. die verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu Weber auf. Das Personenverzeichnis hat den Zweck, den Erläuterungsapparat zu entlasten. 5. Ein Personenregister: Es verzeichnet sämtliche von Weber und vom Editor erwähnten Personen einschließlich der Autoren der von Weber und vom Editor zitierten Literatur. 6. Ein Sachregister: Es enthält alle wichtigen Begriffe und Sachbezeichnungen. Ist ein Begriff für einen Text thematisch, werden nur zentrale Stellen und besondere Bedeutungen verzeichnet. Es verzeichnet ferner alle geographischen Namen, mit A u s n a h m e der Verlagsorte in Literaturangaben und der Archivorte. Es werden die Namen benutzt, die im deutschen Sprachraum vor 1920 üblich waren oder amtlich
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MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln
gebraucht wurden. Kann ein Ort nicht als bekannt vorausgesetzt werden, wird zur Erläuterung die Verwaltungseinheit nach dem Gebietsstand von 1920 (z.B. Kreis, Regierungsbezirk) und ggf. auch der heute amtliche Name beigefügt. Personen- u n d Sachregister erfassen Webers Texte und die Herausgeberrede. Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Einem Band können weitere Verzeichnisse, wie z.B. Glossare, Konkordanzen, Maß- und Gewichtstabellen sowie Karten beigefügt sein.
8. Indices und
Zeichen
Folgende Indices werden verwendet: 2 a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer \ 3 ) ...) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern ( 1 , 2 , 3 ...) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben ( a , b , c ...) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung.
Folgende Zeichen werden verwendet: d) Das Zeichen | gibt die Stelle des Seitenwechsels nach der ursprünglichen Paginierung einer Textfassung wieder. e) Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor.