180 63 25MB
German Pages 312 [314] Year 2019
Wilke (Hrsg.)
Massenmedien in Lateinamerika
aDüQOtPÚGaDDS Publikationen des Zentralinstituts für Lateinamerika-Studien der Katholischen Universität Eichstätt Serie B: Monographien, Studien, Essays, 2 Publicaciones del Centro de Estudios de la Universidad Católica de Eichstätt Serie B: Monografías, Estudios, Ensayos,
Latinoamericanos 2
P u b l i c a r e s do Centro de Estudos Latino-Americanos da Universidade Católica de Eichstätt Serie B: Monografías, Estudos, Ensaios, 2
Jürgen Wilke (Hrsg.)
Massenmedien in Lateinamerika Erster Band: Argentinien Brasilien Guatemala Kolumbien Mexiko
Vervuert Verlag • Frankfurt am Main
1992
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Massenmedien in Lateinamerika / Jürgen Wilke (Hrsg.) Frankfurt am Main : Vervuert. NE: Wilke, Jürgen (Hrsg.)
Bd. 1. Argentinien, Brasilien, Guatemala, Kolumbien, Mexiko - 1992 (Americana Eystettensia : Ser. B., Monografías, estudios, e n s a y o s ; 2) ISBN 3 - 8 9 3 5 4 - 9 5 2 - 8 NE: Americana Eysleltensia / B
© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1992 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis Vorwort
13
Jürgen Wilke
Massenmedien in Argentinien
19
Stefanie Meinecke 1.
Landeskundliche Grundlagen
19
1.1. 1.2.
Geographie Geschichte
19 19
1.3. 1.4. 1.5.
Politisches System Wirtschaft Bevölkerung
24 24 25
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
26
3.
Presse
27
3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2.
Geschichte Die Struktur der Presse in Argentinien heute Bestand und Verbreitung Zeitungstypen und Besitzstrukturen Die gran prensa Tageszeitungen in den Provinzen
27 32 32 39 39 42
3.2.3.
Organisation, Vertrieb, Finanzierung
44
4.
Hörfunk
45
4.1. 4.2.
Geschichte Rundfunkrecht
45 49
4.3. 4.3.1. 4.3.2.
52 52
4.3.3. 4.3.3.1. 4.3.3.2. 4.3.3.3.
Die Struktur des Hörfunks in Argentinien heute Bestand und Verbreitung Geographische Verteilung und regionale Konzentration der Hörfunksender Hörfunkstationen Staatlich-offizieller Hörfunk Staatlich-kommerzieller Hörfunk Privater Hörfunk
54 56 56 57 58
4.3.4.
Programme
59
4.3.5.
Besitzstrukturen im privaten Hörfunk
60
6 5.
Fernsehen
62
5.1.
Geschichte
62
5.2.
Fernsehrecht
63
5.3.
Die Struktur des Femsehens in Argentinien heute
63
5.3.1.
Bestand und Verbreitung
63
5.3.2.
Geographische Verteilung und regionale Konzentration der Fernsehstationen
64
5.3.3.
Fernsehstationen
65
5.3.3.1. 5.3.3.2. 5.3.3.3. 5.3.3.4. 5.3.4.
Staatlich betriebenes Fernsehen Privatwirtschaftlich betriebenes Femsehen Femsehen in den Provinzen Abonnierbares Kabelfemsehen Programme
67 68 69 70 71
5.3.5.
Besitzstrukturen im Femsehen
73
6.
Nachrichtenagenturen
73
7.
Massenmedien und demokratische Transition in Argentinien
74
Bibliographie
78
Massenmedien in Brasilien
83
Jürgen Wilke 1.
Landeskundliche Grundlagen
83
1.1.
Geographie
83
1.2.
Geschichte
84
1.3.
Politisches System
86
1.4.
Wirtschaft
87
1.5.
Bevölkerung
88
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
89
3.
Presse
92
3.1.
Geschichte
92
3.2.
Presserecht
95
3.3.
Die Struktur der Presse in Brasilien heute
96
3.3.1.
Zeitungen
96
3.3.1.1.
Bestand und Verbreitung
96
3.3.1.2. 3.3.1.3.
Besitzstruktur Finanzierung und Vertrieb
100 102
7 3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2. 3.3.2.3.
Zeitschriften Bestand und Verbreitung Besitzstruktur Finanzierung und Vertrieb
103 103 105 106
4.
Hörfunk
106
4.1.
Geschichte
106
4.2.
Rundfunkrecht
110
4.3. 4.3.1. 4.3.2.
Die Struktur des Hörfunks in Brasilien heute Bestand und Verbreitung Organisation und Finanzierung
111 111 113
4.3.3. 4.3.4. 4.3.5.
Besitzstruktur Programme Reichweite und Nutzung
115 115 116
5.
Fernsehen
118
5.1. 5.2.
Geschichte Fernsehrecht
118 121
5.3. 5.3.1. 5.3.2. 5.3.3. 5.3.4. 5.3.5.
Die Struktur des Fernsehens in Brasilien heute Bestand und Verbreitung Organisation und Finanzierung Besitzstruktur Programme Reichweite und Nutzung
122 122 122 125 127 129
6.
Neue Entwicklungen im Mediensektor
131
7.
Nachrichtenagenturen
133
8.
Perspektiven und Probleme der Massenmedien in Brasilien
134
Bibliographie
137
Massenmedien in Guatemala
143
Birgit Dorothea Marfording 1.
Landeskundliche Grundlagen
143
1.1.
Geographie
143
1.2.
Geschichte
144
1.3. 1.4. 1.5.
Politisches System Wirtschaft Bevölkerung
146 146 147
8 2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
148
3.
Presse
150
3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2.
Geschichte Die Struktur der Presse in Guatemala heute Bestand und Verbreitung Die wichtigsten Tageszeitungen
150 153 153 154
3.2.3. 3.2.4.
Wochenzeitungen Regionale Konzentration
156 157
3.2.5. 3.2.6. 3.2.7.
Reichweite und Leserdichte Besitzstruktur Finanzierung und Stoffbeschaffung
158 160 161
4.
Hörfunk
162
4.1.
Geschichte
162
4.2. 4.2.1. 4.2.2.
Die Struktur des Hörfunks in Guatemala heute Private Hörfunkstationen Staatliche und kirchliche Hörfunkstationen
163 163 165
4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.2.7. 4.2.8.
IGER - eine Radioschule zur Alphabetisierung Der Guerillasender Regionale Konzentration Verbreitung und Reichweite Besitzstruktur Programme
165 166 166 168 169 171
5.
Fernsehen
171
5.1. 5.2.
Geschichte Die Struktur des Fernsehens in Guatemala heute
172 172
5.3. 5.4. 5.5.
Die Fernsehstationen im einzelnen Reichweite Besitzstruktur
174 175 177
5.6.
Programme
177
6.
Nachrichtenagenturen
179
7.
Perspektiven und Probleme der Massenmedien in Guatemala
180
Bibliographie
183
9
Massenmedien in Kolumbien
187
Dagmar Kusche 1.
Landeskundliche Grundlagen
187
1.1.
Geographie
187
1.2.
Geschichte
188
1.3.
Politisches System
191
1.4.
Wirtschaft
192
1.5.
Bevölkerung
194
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
195
3.
Presse
197
3.1.
Geschichte
198
3.2.
Presserecht
202
3.3.
Die Struktur der Presse in Kolumbien heute
204
3.3.1.
Bestandsaufnahme
204
3.3.2.
Die wichtigsten Tageszeitungen
206
3.3.3.
Verbreitung der Presse, regionale Konzentrationstendenzen und Leserdichte
208
3.3.4.
Besitzstruktur
211
3.3.5.
Vertrieb und Finanzierung
214
4.
Hörfunk
215
4.1.
Geschichte
216
4.2.
Rundfunkrecht
218
4.3.
Die Struktur des Hörfunks in Kolumbien heute
220
4.3.1.
Bestandsaufnahme
220
4.3.2.
Geographische Verteilung der Sender, regionale Konzentration und Teilnehmerdichte
222
4.3.3.
Programme
225
4.3.4.
Hörfunkketten
229
4.3.5.
Radio Sutatenza
230
4.4.
Besitzstruktur
232
4.5.
Finanzierung
234
5.
Fernsehen
235
5.1.
Geschichte
236
5.2.
Femsehrecht
240
10 5.3. 5.3.1. 5.3.1.1. 5.3.1.2. 5.3.2. 5.3.2.1. 5.3.2.2.
Die Struktur des Fernsehens in Kolumbien heute Bestandsaufnahme Das privatwirtschaftlich betriebene Femsehen Das staatliche Erziehungsfernsehen Programme Programmstruktur der privatwirtschaftlich betriebenen Fernsehkanäle Programmstruktur des staatlichen Fernsehkanals
245 248
5.3.3. 5.3.4. 5.3.5.
Verbreitung und Nutzung des Fernsehens Besitzstruktur Finanzierung
249 250 252
6.
Neue Entwicklungen im Mediensektor
254
6.1. 6.2.
Regionalfernsehen Abonnementfemsehen
254 256
6.3.
Satellitenfernsehen
257
6.4.
Das Projekt Cöndor
258
7.
Nachrichtenagenturen
259
8.
Perspektiven des Mediensystems in Kolumbien
260
Bibliographie
263
Massenmedien in Mexiko
242 242 242 243 245
267
Christine Longin 1.
Landeskundliche Grundlagen
267
1.1. 1.2.
Geographie Geschichte
267 267
1.3. 1.4. 1.5.
Politisches System Wirtschaft Bevölkerung
269 269 270
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
271
3.
Presse
272
3.1. 3.2. 3.3. 3.3.1. 3.3.2.
Geschichte Presserecht und Pressekontrolle Die Struktur der Presse in Mexiko heute Bestand und Verbreitung Besitzstruktur
272 273 275 275 277
3.3.3.
Organisationsform, Finanzierung, Vertrieb und Inhalt
278
11 3.3.4. 3.3.5. 3.3.6.
Die gran prensa Wochen- und Monatszeitungen Zeitschriften
279 282 283
4.
Hörfunk
283
4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.3.5. 4.3.5.1. 4.3.5.2. 4.3.6. 4.3.7. 4.3.8.
Geschichte Rundfunkrecht Die Struktur des Hörfunks in Mexiko heute Bestand und Verbreitung Besitzstniktur Programme Organisationsform und Finanzierung Hörfunkstationen in Mexiko Private Stationen Staatliche Stationen Universitätssender Radio Educación Hörfunksender des F CE
283 284 285 285 286 287 287 288 288 288 289 290 290
5.
Fernsehen
291
5.1. 5.2. 5.3. 5.3.1. 5.3.1.1. 5.3.1.2. 5.3.1.3. 5.3.2. 5.3.2.1. 5.3.2.2. 5.3.3.
Geschichte Femsehrecht Die Struktur des Femsehens in Mexiko heute Besitzstruktur Televisa Imevisión Regionale Sender Programme Televisa Imevisión Organisationsform und Finanzierung
291 292 293 293 293 296 298 298 298 300 301
6.
Neue Entwicklungen im Mediensektor
302
6.1. 6.2.
Satellitenfernsehen Kabelfemsehen
302 303
7.
Nachrichtenagenturen
304
7.1.
Internationale und Welt-Agenturen
304
7.2.
Nationale Agenturen
305
8.
Perspektiven und Probleme des Mediensystems in Mexiko
307
Bibliographie
309
Vorwort Jürgen Wilke Lateinamerika ist - von Deutschland aus gesehen - ein ferner Subkontinent. Die Beziehungen zu ihm sind weder durch räumliche Nähe noch durch gemeinsame sprachlich-kulturelle Traditionen bestimmt. Dies hat zur Folge, daß Lateinamerika hierzulande nur einer begrenzten Aufmerksamkeit begegnet Zumindest berichten Presse, Hörfunk und Fernsehen nur in geringem Umfang von dort (Wöhlcke 1973; Wilke / Quandt 1987). Andererseits ist ein Interesse an Lateinamerika durchaus vorhanden, ja sogar gewachsen, wie sich an der Anzahl einschlägiger Publikationen aus dem letzten Jahrzehnt ablesen läßt (Holtz 1982; 1988). Zwar droht dieses Interesse durch die revolutionären Veränderungen in Osteuropa seit Ende der achtziger Jahre überlagert oder beiseite gedrängt zu werden. Aber die 500jährige Wiederkehr der Entdeckung des Kontinents dürfte der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Situation der lateinamerikanischen Länder doch wieder einen neuen Auftrieb geben. Wenn schon, so hat man sich bevorzugt mit Geschichte, Literatur und Politik Lateinamerikas beschäftigt. Beteiligt daran waren dementsprechend Historiographie, (Romanische) Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft bzw. Politische Soziologie. Auch die Theologie hat bestimmte Anknüpfungspunkte gefunden. Vernachlässigt wurde hingegen bisher der Bereich der Massenkommunikation. Die deutsche Publizistik- und Kommunikationswissenschaft hat sich darum recht wenig gekümmert. Dabei sind die Massenmedien in Lateinamerika längst ebenso bedeutsame Instrumente der gesellschaftlichen Kommunikation, wie dies in den Industrieländern der Fall ist. Und auch bei der Analyse der politischen und sozialen Verhältnisse auf dem Subkontinent kann man die Massenmedien kaum außer acht lassen. Die herkömmlichen, bei uns vorliegenden Nachschlagewerke zu Lateinamerika gehen auf die Massenmedien gar nicht oder nur ganz am Rande ein (Nohlen / Nuscheier 1982; Waldmann 1982; Nohlen 1989). Dies ist mit auch eine Folge der Forschungslage. Zwar hat es in der Bundesrepublik eine Reihe von Einzelstudien über Massenmedien in Lateinamerika gegeben (vgl. u. a. Moschner 1982; Schneider 1983; Stock 1984; Bohmann 1986). Aber diese liefern doch kein hinreichend zusammenhängendes Bild. Auch sind sie inzwischen z. T. veraltet, zudem inhaltlich heterogen, mitunter auch ideologisch gefärbt. Anderswo ist die Situation durchaus nicht viel besser. Zwar gibt es in den Vereinigten Staaten eine umfangreichere Lateinamerika-Forschung, auch über Massenmedien. Entsprechende Überblicke erschienen hier schon Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre (Pierce 1979; Alisky 1981). Aber noch ein 1988 erschienener Sammelband besteht aus sehr uneinheitlichen Beiträgen und entbehrt einer durchgehenden Systematik (Fox 1988). Mit dem vorliegenden Buch wird der Versuch unternommen, den zuvor genannten Defiziten abzuhelfen. In ihm werden die Mediensysteme von fünf Ländern Lateinamerikas synoptisch dargestellt. Dazu gehören mit Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Mexiko vier große sowie mit Guatemala eines der kleineren Länder des Subkontinents. In absehbarer Zeit soll ein zweiter Band folgen, in dem die
14 Mediensysteme einer Reihe weiterer Länder behandelt werden. Auf eine komplette Sammlung solcher Länderporträts soll es jedoch nicht unbedingt ankommen. Entstanden ist der Sammelband durch einen äußeren Anstoß und zu praktischen Zwecken. Als der Herausgeber 1984 den ersten Lehrstuhl für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt übernahm, fand er einen Studienplan vor, der eine Spezialisierung im Bereich Lateinamerika ermöglicht. Die fachlichen Inhalte dafür konnten vor allem von dem dort nahezu zeitgleich begründeten Zentralinstitut für Lateinamerika-Studien beigesteuert werden. Wie sich zeigte, lag aber kaum Lehrmaterial über die Strukturen der Massenkommunikation in Lateinamerika vor, zumindest nicht in deutscher Sprache. So ergab sich aus dem praktischen Lehrbedarf zugleich auch erst ein Forschungsbedarf. Diesem hat sich der Herausgeber - obwohl zunächst nicht für Lateinamerika zuständig - angenommen und, sobald sich die Möglichkeit dazu bot, Untersuchungen über die Mediensysteme des Subkontinents auf den Weg gebracht Abgesehen von dem Beitrag über Brasilien (und z. T. auch Mexiko), gehen die Abhandlungen dieses Sammelbandes auf Diplomarbeiten zurück, die 1989 und 1990 an der Katholischen Universität Eichstätt abgeschlossen wurden. Der Herausgeber hat diese nicht nur angeregt und betreut, sondern auch die Vorgaben für den Sammelband gemacht und die Beiträge dafür redigiert, aufeinander abgestimmt, z. T. bearbeitet. Insofern besteht sein Anteil am Zustandekommen des Bandes nicht in der bloßen Herausgeberschaft Gleichwohl hätte der Band ohne die Voruntersuchungen und die dankenswerte Mitarbeit der vier Verfasserinnen nicht erscheinen können. Die Darstellung der Mediensysteme der fünf Länder Lateinamerikas folgt weitgehend einem gleichartigen Schema. Zunächst werden jeweils einige landeskundliche Grundlagen beschrieben. Zwar handelt es sich dabei um Sachverhalte, die man auch anderswo nachlesen kann. Aber als Hintergrund und zur Einordnung ist ihre Kenntnis auch hier vonnöten, insbesondere für den mit dem Land weniger vertrauten Leser. Daran schließt sich ein Abschnitt über die rechtlichen Grundlagen der Massenmedien an. Je ein eigenes größeres Kapitel ist dann den Medien Presse, Hörfunk und Fernsehen gewidmet Auf Kino und Film wurde im vorliegenden Zusammenhang verzichtet (vgl. dazu Schnitman 1984). Ferner gehen die Beiträge - gegebenenfalls - auf neuere technische Entwicklungen und auf Nachrichtenagenturen ein. Abgeschlossen wird die Darstellung jeweils durch einige zusammenfassende Ausführungen über Probleme und Perspektiven der Massenmedien und des Journalismus in dem betreffenden Land. Auch die Medien-Kapitel besitzen weitgehend die gleiche Abfolge: Von den rechtlichen Bestimmungen über die Mediengeschichte bis zur aktuellen Bestandsaufnahme mit Hinweisen auf Verbreitung, Reichweite, Besitzstruktur usw. Gewisse Abweichungen in Gliederung und Umfang ergeben sich hier aus der Sach- oder Quellenlage sowie als individuelle Note. Der gleichartige Aufbau der Beiträge erfolgte vor allem in der Absicht um Vergleiche zwischen den Mediensystemen verschiedener Länder Lateinamerikas zu erleichtern. Den Sammelband in der vorliegenden Form zustandezubringen, war nicht einfach. Jeder, der sich mit Lateinamerika beschäftigt, weiß, daß Quellen und Daten dort in der Regel nicht in jener Zugänglichkeit und Systematik zu finden sind, wie dies bei uns der Fall ist Deshalb waren für die Beiträge Recherchen zumeist vor Ort notwendig. Zudem mußte die in den Ländern selbst vorhandene und die vorliegende
15 internationale Literatur ausgewertet werden. Zwar wird Massenkommunikationsforschung in zunehmendem Maße auch von lateinamerikanischen Autoren betrieben (Marques de Melo 1988; Gómez-Palacio / Jara 1988; Chaffee / Gómez-Palacio / Rogers 1989). Aber bei manchen Fragen erwiesen sich deren Werke und die erreichbaren Quellen nicht als hinreichend. Zudem fehlt es darin zumeist an der hier beabsichtigten Systematik. Bei der Beantwortung offener Fragen haben mehrere Kolleginnen und Kollegen aus Lateinamerika hilfreiche Unterstützung geliefert Dafür sei ihnen an dieser Stelle ausdrücklich gedankt Eigens zu nennen sind für Argentinien Mirta Amelia Launay und Damian Saint-Mezard (beide Buenos Aires), für Brasilien Nelly de Camargo und vor allem José Marques de Melo (beide Sao Paulo), für Guatemala Genoveva Deutschmann, für Kolumbien Patricia Anzola (Bogotá) und für Mexiko Pablo Casares (Mexiko-City). Das Vorwort soll hier nicht dazu dienen, eine Problemanalyse der Massenkommunikation in Lateinamerika vorwegzunehmen und schon Schlüsse über ihre Rolle im Entwicklungsprozeß zu ziehen. Dies kann auf breiterer Grundlage erst am Ende einer noch weiter greifenden Synopse geschehen. Gleichwohl lassen schon die fünf Beiträge des vorliegenden Sammelbandes neben gewissen nationalen Besonderheiten auch erhebliche Gemeinsamkeiten erkennen. Die Geschichte der Massenkommunikation in den behandelten Ländern ist noch vergleichsweise jung. Die gedruckte Presse kam vor allem mit den Unabhängigkeitsbewegungen des 19. Jahrhunderts in Gang. Seitdem war sie - ebenso wie später Hörfunk und Fernsehen einbezogen in die gravierenden gesellschaftlichen und politischen System-Brüche, von denen die Geschichte des Subkontinents bis heute bestimmt ist Dabei konnten sich die Massenmedien selten der politischen Instrumentalisierung entziehen. Zu den Gemeinsamkeiten gehören auch die Strukturschwächen der gedruckten Presse, die mit dem Analphabetismus und der sozialen Unterentwicklung zusammenhängt. Für den Bereich der Funkmedien ist die privatwirtschaftliche Organisation kennzeichnend, die Vorteile besitzt (im Prinzip Staatsunabhängigkeit, Gebührenfreiheit), aber doch auch eigene Probleme produziert, insonderheit eine z. T. bedenkliche Konzentration der Besitzstrukturen und ein stark auf Unterhaltung angelegtes Programmangebot. Die vorliegenden Beiträge haben primär eine grundlegende Strukturbeschreibung der Massenmedien lateinamerikanischer Länder zum Ziel. Dies geschieht weitgehend unter Verzicht auf bestimmte forschungstheoretische Prämissen. Zwar heißt dies nicht daß sich die Beiträge jeglicher analytischer Bemerkungen oder Urteile enthielten. Sie folgen aber nicht einem vorgegebenen Paradigma. Aufs ganze gesehen, ist auch die Untersuchung von Massenmedien in Lateinamerika seit den sechziger Jahren durch zwei Ansätze bestimmt gewesen: Zunächst durch die Modernisierungstheorie, die den Massenmedien eine besondere Funktion für die beschleunigte Entwicklung der Länder der Dritten Welt zumaß (Deutschmann / Ellingsworth / McNelly 1968). Mit der Abwendung von dieser Sichtweite trat die Dependenztheorie in den Vordergrund, die die Abhängigkeit der Entwicklungsländer vom Wirtschafts- und Machtpotential der westlichen Industrieländer unterstellt und zum Ausgangspunkt von (nicht selten marxistisch geprägten) Analysen machte (vgl. u. a. Mattelart / Schmucler 1985). Daß man auch in der Situation der Massenmedien Lateinamerikas den Ausdruck sozialer Unterprivilegierung und einer "ungerechten
16 Gesellschaft" (Beltrán 1981) sieht, ist zwar verständlich. Andererseits fragt sich, welche Alternativen realisierbar sind, die ihrerseits nicht Nachteile und Gefahren besitzen. Und zwischen den wünschenswerten Entwicklungszielen und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen besteht gerade bei der Massenkommunikation nicht selten ein Spannungsverhältnis. Die Aufmerksamkeit für die Massenmedien Lateinamerikas rechtfertigt sich heute noch aus anderen Gründen: Zum einen sind sie eingebunden in die in den letzten Jahren eingetretenen Prozesse der Redemokratisiening bzw. der demokratischen Transition. Zwar sind diese Prozesse Schwankungen unterworfen, und es ist ungewiß, wie erfolgreich sie verlaufen. In jedem Fall kommt es dabei aber auch auf die Massenmedien an. Zum anderen zeigt das Beispiel Brasiliens bzw. der Telenovela als spezifisch lateinamerikanischer Form der Femsehunterhaltung, daß Dependenzen auch abgebaut werden können. Freilich wird hinsichtlich bildungsoder entwicklungsorientierter Medienangebote in Lateinamerika weiter die Förderung auch aus dem Ausland notwendig sein (Heine 1988). Wenn der Herausgeber hofft, in absehbarer Zeit einen zweiten Sammelband über Mediensysteme weiterer Länder des lateinamerikanischen Subkontinents folgen lassen zu können, so rechnet er dabei auf die Mitarbeit von Studierenden (jetzt in Mainz), auf das Interesse der Editoren der Reihe, in der das Buch erscheint, sowie auf die Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung, die einen Druckkostenzuschuß bereitstellte.
Bibliographie Alisky, Marvin: Latin American Media: Guidance and Censorship. Ames 1981. Beltrán S., Luis Ramiro: Massenmedien in Lateinamerika: Spiegelbild einer ungerechten Gesellschaft. In: Rundfunk und Fernsehen 28 (1980) S. 21-39. Bohmann, Karin: Massenmedien und Nachrichtengebung in Mexiko. Eine empirische Analyse zum Spannungsverhältnis von staatlicher, privatwirtschaftlicher und transnationaler Einflußnahme. Saarbrücken, Fort Lauderdale 1986. Deutschmann, Paul J. / Huber Ellingsworth / John T. McNelly: Communication and Social Change in Latin America. Introducing New Technology. New York, Washington, London 1968. Chaffee, Steven H. / Carlos Gómez-Palacio / Everett M. Rogers: Mass Communication Research in Latin America: Views from Here and There. Paper presented to the Intercultural and Development Communication Division at the 1990 International Communication Association Convention, Dublin, Juni 1990. Feuereisen, Fritz / Ernst Schmacke (Bearb.): Die Presse in Lateinamerika / The Press in Latin America. 2. Aufl. Pullach b. München 1973. Fox, Elizabeth (Hrsg.): Media and Politics in Latin America. The Struggle for Democracy. London, Newbury Park, Beverly Hills, New Delhi 1988.
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Theorien,
Nohlen, Dieter / Harald Barrios: Redemokratisierung in Südamerika. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B/89 S. 3-25. Nohlen, Dieter / Franz Nuscheier (Hrsg.): Handbuch der Dritten Welt. Bd. 2: Südamerika. Bd. 3: Mittelamerika und die Karibik. 2. Uberarb. und erg. Auflage. Hamburg 1982. Pierce, Robert N.: Keeping the Flame. Media and Government in Latin America. New York 1979. Schneider, Thomas: Presse, Hörfunk und Fernsehen in Centroamerika. Eine Typologie unter besonderer Berücksichtigung der Unterentwicklungssituation in den Ländern Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica. Münster 1983. Schnitman, Jorge A.: Film Industries in Latin America: Dependency and Development. Norwood (N. J.) 1984. Stock, Wolfgang: Periphere Kommunikation. Dependenz und Massenmedien in Lateinamerika. Diss. Aachen 1984.
18
Wilke, Jürgen / Siegfried Quandt (Hrsg.): Deutschland Imagebildung und Informationslage. Frankfurt 1987.
und
Wöhlcke, Manfred: Lateinamerika in der Presse. Stuttgart 1973.
Lateinamerika.
Massenmedien in Argentinien Stefanie Meinecke Seit seiner Gründung ist der argentinische Staat von politischer Instabilität gekennzeichnet. Zwar gab es in der Vergangenheit durchaus Phasen stabiler Regierungen, doch basierten sie immer auf einem labilen politischen und sozialen Konsens. Letzten Endes prägen krasse Brüche die Geschichte Argentiniens. Seit 1930 wurde in Argentinien im Durchschnitt alle zwei Jahre ein illegaler Regierungswechsel vollzogen. Das wechselhafte, vor allem immer wieder durch Eingreifen des Militärs bedingte Machtspiel hat man als "argentinischen Zyklus" (Ehrke 1984, 32) bezeichnet. Daß in diesen Prozeß auch die Massenmedien einbezogen waren und in Mitleidenschaft gezogen wurden, liegt auf der Hand.
1.
Landeskundliche Grundlagen
1.1.
Geographie
Argentinien ist 3700 Kilometer lang, bis zu 1600 Kilometer breit und mit einer Gesamtfläche von 2,7 Millionen qkm das zweitgrößte Land Lateinamerikas. Tropische Urwälder im Norden, die ungeheuren Weiten Patagoniens und Feuerlands im Süden, im Westen die Anden und im Osten der Südatlantik - das bedingt ein Klima, das von subtropischen Zonen bis hin zu antarktischen reicht. Etwa ein Zehntel der Grundfläche Argentiniens wird landwirtschaftlich genutzt. Die ertragreichsten Anbaugebiete finden sich im Zentrum des Landes, die feuchte Pampa. Sie dehnt sich über die Provinzen Buenos Aires, Córdoba, Santa Fe und La Pampa aus. Das feuchtwarme Klima und fruchtbare Lößböden bieten hier dem Ackerbau sehr gute Bedingungen. Viehzucht, die großenteils auch Schafzucht einschließt, wird in Argentinien als ausgedehnte Weidewirtschaft betrieben. Das Weideland für Rinder liegt ebenfalls überwiegend im Gebiet der feuchten Pampa. Viehzucht und Ackerbau konkurrieren in dieser Region also miteinander. Während im Pampagürtel die landwirtschaftlichen Hauptexportgüter produziert werden, haben sich einzelne Provinzen auf andere Agrargüter spezialisiert: Im Chaco wird Baumwolle angepflanzt, in Tucumán Zuckerrohr, in Mendoza, San Juan und Río Negro Wein und Oliven.
1.2.
Geschichte
Im Zuge der Entdeckung Südamerikas erkundeten die Spanier unter Juan Díaz de Solls im Jahre 1516 auch die Mündung des Rio de La Plata. An ihr wurde 1536 Buenos Aires gegründet Nach dem vermuteten Silberreichtum (laL argentum)
20 erhielt das Land später seinen Namen. Zunächst bildete es seit 1776 das spanische Vizekönigreich Buenos Aires oder La Plata. Unter Anführung freiheitlich gesinnter Kreolen wurde der spanische Vizekönig am 25. Mai 1810 gestürzt. Doch erst sechs Jahre nach der Revolution, am 9. Juli 1816, erklärten die Vereinigten Provinzen von Rio de La Plata ihre Unabhängigkeit von Spanien und legten als Staatsform die Republik fest (Beyhaut 1965; Romers 1987). Zur Konsolidierung des Staates kam es aber nicht, da um die Vormachtstellung von Buenos Aires blutige Kämpfe entbrannten. Lange Jahre sollte Argentinien nun in zwei Lager ("Unitarier" und "Föderale") gespalten bleiben, wobei der Staat mehr und mehr in kleine Machtbezirke lokaler Caudillos zerfiel. Dem "föderalen" Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Juan Manuel de Rosas, gelang es, Nutzen aus dem Machtvakuum zu ziehen. Er stieg zum obersten Herrscher in Argentinien auf und lenkte nach 1835 die Geschicke des ganzen Landes. Mit Rosas erlebte Argentinien seine erste Diktatur. Unter dem Druck des Gouverneurs der Provinz Entre Ríos, Urquiza, ging Rosas' Ära im Jahr 1852 zu Ende. Er verließ das Land, das nun in eine neue Phase eintreten sollte. 1853 wurde die Verfassung verabschiedet, die Argentinien zum ersten Mal als einheitliche Republik in Form eines Bundesstaates konzipierte. Die Verfassungsväter glaubten, auf diese Weise die zermürbenden Machtkämpfe zwischen der Zentrale Buenos Aires und den Provinzen staatsrechtlich zu beenden. Doch erst als Buenos Aires 1880 per Gesetz zur Hauptstadt der Republik erklärt wurde, war der Staat Argentinien einheitlich konstituiert. Zwischen 1880 und 1930 erlebte das Land eine Epoche politischer Ruhe. 50 Jahre lang blieb Argentinien von Putschen und Staatsstreichen verschont Der wesentliche Stabilitätsfaktor ist in der wirtschaftlichen Entwicklung damals zu sehen. Das Land am La Plata zeichnete sich am Ende des 19. Jahrhunderts durch eine enorme wirtschaftliche Dynamik aus. Es erlebte den Aufstieg zu einem der wichtigsten Agrarexportländer der Erde, das Europa hauptsächlich mit Fleisch und Getreide belieferte. Um die Jahrhundertwende wurden auch neue Parteien gegründet Die bedeutendste darunter war die Unión Cívica Radical (UCR), die 1890 unter der Führung von Leandro N. Alem ins Leben gerufen wurde. Bisher hatte sich das Parteienspektrum schlicht in "Konservative" und "Liberale" aufgeteilt Beides waren Parteien der traditionalen Oligarchie gewesen. Doch nun war mit der UCR eine politische Partei entstanden, die sich verstärkt an den Interessen des Mittelstandes orientierte. Mehr als 25 Jahre blieb die UCR aber von einer aktiven Beteiligung an der Regierung ausgeschlossen. Denn eine Art Zensuswahlrecht verhalf den Vertretern der Aristokratie regelmäßig zum Sieg. Erst als der dem progressiven Flügel der Aristokratie angehörende Präsident Roque Saenz Pefla 1912 das Wahlgesetz "Lex Saenz Pefla" erließt, das das allgemeine und geheime Wahlrecht in Argentinien einführte, war für die UCR ihre Zeit als außerparlamentarische politische Kraft beendet. Schon in den folgenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 1916 trug das neue Gesetz zu einem Wandel der Regierungsverhältnisse bei: Hipólito Yrigoyen, der damalige Führer der UCR, erlangte einen triumphalen Sieg und trat sein Amt als erster, nach demokratischen Regeln gewählter Präsident an.
21 In mehrerlei Hinsicht fällt es dennoch schwer, auf die Regierung Yrigoyen uneingeschränkt den Begriff "Demokratie" anzuwenden: Das damalige soziale Klima in Argentinien war erhitzt. Auf der einen Seite ging Yrigoyen mit drakonischer Härte und auch unter Zuhilfenahme der Streitkräfte gegen Arbeiterunruhen vor; auf der anderen Seite aber kam es zu harten Auseinandersetzungen mit den oligarchischen Provinzregierungen. Das personalistische Regieren des Präsidenten provozierte sowohl in der Bevölkerung als auch innerhalb der Partei Widerspruch. Die Partei spaltete sich in einen personalistischen und einen antipersonalistischen Flügel. 1922 wurde bei den Präsidentschaftswahlen ein Vertreter der Antipersonalisten, Marcelo T. Alvear, ins Amt gewählt. Schon sechs Jahre später entschied sich das Volk in den Wahlen von 1928 abermals für den mittlerweile greisen Yrigoyen. Doch bereits zwei Jahre darauf wurde er vom oppositionellen Militär aus dem Amt geputscht In mehrerlei Hinsicht bildete der Putsch von 1930 eine Art Wendepunkt in der argentinischen Geschichte: Zum einen wurde mit ihm das Ende des wirtschaftlichen Aufschwungs seit 1880 eingeleitet. Zum anderen setzte nach 1930 eine neue Ära veränderter Machtkonstellationen ein. Auf der wirtschaftlichen Ebene waren für Argentinien die USA an die Stelle Großbritanniens gerückt Auf der nationalen politischen Ebene begannen sich fortan die Militärs als politische Akteure zu etablieren und verliehen Staat und Gesellschaft ein zunehmend autoritäres Gepräge. Nachdem das politische System zwischen 1930 und 1943 immer desolater geworden war, griffen im Juni 1943 Teile der Streitkräfte, die mit dem Faschismus liebäugelten, offen in die Politik ein. Die konservative Regierung Ortiz wurde gestürzt. Die daraufhin einsetzenden innermilitärischen Zwistigkeiten begünstigten den Aufstieg von Oberst Juan Domingo Perón. Ihm gelang es, sowohl die Führung des Kriegs- als auch des Arbeitsministeriums zu übernehmen. Zusätzlich bekleidete er das Amt des Vizepräsidenten. Eine außerparlamentarische Stütze war ihm zudem vor allem die Arbeiterschaft, deren größte Organisation, die Confederación General de Trabajo (CGT), nahezu geschlossen hinter dem "arbeiterfreundlichen" Oberst stand. 1945 versuchten Teile der Streitkräfte, das Machtmonopol Peróns zu zerschlagen. Sie enthoben ihn aller Funktionen und inhaftierten ihn. Aber zum damaligen Zeitpunkt war Perón schon so populär, daß ein groß organisierter Volksprotest den Versuch der Streitkräfte vereitelte. Perón wurde voll rehabilitiert und 1946 sogar zum Präsidenten des Landes gewählt. Weltanschaulich bezeichnete Perón seine Bewegung, den Justicialismo (abgeleitet vom Namen des auf ihn eingeschworenen Partido Justicialista), als den "Dritten Weg", der sich gleichermaßen vom Kapitalismus und Kommunismus abkehren sollte. Den gesamten Staatsapparat gliederte er zentralistisch mit Hilfe korporativer Zusammenschlüsse. Er selbst sah sich in der Rolle des Führers, der nicht totalitär herrschte, sondern vielmehr als "líder" (Leiter) auftrat. Die Politik der justicia social (soziale Gerechtigkeit) ließ Perón im Lichte des charismatischen Führers erscheinen. Eine nicht unwesentliche Rolle für die Volksmobilisierung erfüllte Peróns Ehefrau Eva Duarte de Perón, "Evita". Von den Arbeitern, ihren descamisados, wurde sie regelrecht vergöttert. Als Evita 1952 starb, verlor Perón mit ihr einen Großteil seiner Anziehungskraft und damit auch die geschlossene Unterstützung der Massen. Als es schließlich zu einer offenen Kon-
22 frontation zwischen Perón und der Kirche kam, wandten sich katholisch gesinnte Militärs gegen den "Führer". Am 16. Juni 1955 wurde Perón regelrecht aus dem Amt "gebombt". Die Zeit nach 1955 war für Argentinien eine Phase extremer politischer Instabilität Bis 1973 schalteten sich die Militärs immer wieder direkt in das Regierungsgeschehen ein; Präsidenten wurden aus dem Amt geputscht oder illegal ins Amt gehoben. Dabei machte es keinen Unterschied, ob es sich um einen zivilen Präsidenten oder um einen in Uniform handelte. Bis 1971 war die peronistische Partei verboten. Trotzdem blieb die Bewegung am politischen Machtspiel weiterhin beteiligt. Perón unterhielt von seinem spanischen Exil aus rege Verbindung mit seinen Parteigängern in Argentinien. Im Juni 1973 kehrte er von dort zurück. Nach Rücktritt des Interimspräsidenten Cámpora gewann Perón die Präsidentschaftswahl im September desselben Jahres. Seine zweite Frau María Estela Martínez de Perón, "Isabel", setzte er als Vizepräsidentin ein. Der wirtschaftlichen und sozialen Krise stand der mittlerweile betagte "Führer" Perón aber relativ machtlos gegenüber. Politisch-soziale Konflikte entluden sich nun immer gewalttätiger. Mitten in der politisch, sozial und wirtschaftlich desolaten Phase starb Perón im Juli 1974. Isabel Perón war der politischen Lage als Amtsnachfolgerin ihres Mannes jedoch nicht gewachsen. Sie regierte als Marionette der Militärs, die eine baldige Übernahme der Regierung schon detailliert planten. Der Kampf gegen die Guerrilla sollte sich hierbei zu einem zentralen Element entwickeln. Isabel Perón hatte diesen Kampf nämlich einer paramilitärischen Todesschwadron, der "Triple A" (Alianza Anticomunista Argentina), anvertraut, die ihre Einsätze bald auf alle politisch Linksstehenden ausdehnte. Als die Militärs am 24. März 1976 die Regierung Isabel Perón stürzten, herrschte in Argentinien ein Klima des Terrors. Die Putschgeneräle bezogen hieraus die Legitimation, sich des Staates und der Gesellschaft zu bemächtigen, um beides fortan straff zu "reorganisieren". Die Militärdiktatur in Argentinien in den Jahren von 1976 bis 1983 zeichnete sich durch außergewöhnliche Brutalität und totalitäre Züge aus. Die Junta um General Jorge Rafael Videla übernahm die Regierungsgewalt mit einem schon fest verfaßten Plan des "Proceso de Reorganización Nacional". Im "Proceso" sollte die gesamte argentinische Gesellschaft umerzogen werden. Die folgenden Jahre stellten einen Feldzug gegen den "subversiven" Feind im Inneren dar, der als Krieg gegen das gesamte Volk endete. Rechte wie Presse- und Versammlungsfreiheit wurden stark beschnitten. Dreimal wechselte die Präsidentenschaft während der sieben Jahre des "Proceso". Als der Rückhalt in der Bevölkerung auf einem minimalen Stand angelangt war, holten die Militärs 1982 - inzwischen unter der Regie von General Galtieri - zu ihrem letzten großen politischen Schlag aus. Sie okkupierten die Falkland Inseln / Islas Malvinas . Der Krieg um den Archipel gegen Großbritannien dauerte genau 74 Tage. Innenpolitisch war es der letzte Versuch eines abgewirtschafteten Militärregimes, vom Druck der Konflikte im Inneren abzulenken, die Nation hinter sich zu einen und durch den erhofften Blitzsieg die notwendige Legitimierung für ein Weiterregieren zu erhalten. Zwei Tage nach der Kapitulation am 14. Juni 1982 kapitulierte Galtieri auch als argentinischer Präsident Das Ende des "Proceso" war besie-
23 gelt und der Weg war frei zu einer demokratischen Transition (transición democrática), dem Übergang vom autoritären System zum demokratisch strukturierten. Mit Raúl Alfonsin von der Radikalen Bürgerunion (UCR) übernahm 1983 wieder ein demokratisch gewählter Präsident die Regierung. Zweierlei sollte ihm in den folgenden Jahren das Regieren jedoch erschweren: zum einen stand hinter seinem Wahlsieg eine sehr eigentümlich zusammengewürfelte soziale Front, zum anderen hatten die Militärs einen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Trümmerhaufen hinterlassen. Neue Wirtschaftspläne wurden verabschiedet, eine neue Währung - der Austral - eingeführt, um die Talfahrt des Peso zu stoppen. Die erhofften Effekte einer baldigen Gesundung der Wirtschaft blieben jedoch aus. Für das Reformprogramm Plan Primavera im August 1988 erntete Alfonsin nur noch die breite Ablehnung der Bevölkerung. Bis zur Ablösung des Präsidenten im Juli 1989 entlud sich der Unmut der Bevölkerung infolge der sich rasant beschleunigenden Wirtschaftskrise zunehmend gewalttätig. Auch das Agieren Alfonsins im Bereich der Militär- und Menschenrechtspolitik blieb zweideutig. Alfonsin versprach die Verfolgung und Bestrafung der Menschenrechtsverletzungen unter der letzten Diktatur. Zwar wurde eine Nationale Kommission, die CONADEP, zur Untersuchung der Menschenrechtsverbrechen eingesetzt und am 24. April 1985 auch ein Menschenrechtsprozeß eröffnet, in dem zahlreiche führende Militärs zu Haftstrafen verurteilt wurde. Doch ließ sich dieser politische Kurs nicht lange aufrecht erhalten. Unter dem Druck einzelner militärischer Kreise erging 1986 die iey de punto final, die einem kaschierten Amnestiegesetz gleichkam. Ein Zugeständnis an die Streitkräfte, das Putschversuchen nicht vorbeugen konnte: Ostem 1987 kam es zur Semana Santa, einer Militärrebellion. In der Folge dieses Putschversuches wurden die Prozesse gegen 250 Offiziere ausgesetzt, bis zur Klärung, ob sie im Befehlsnotstand gehandelt hätten. Ein entsprechendes Gesetz erging Ende Mai 1987. Mitte 1989 gab Raúl Alfonsin das Präsidentenamt vorzeitig an seinen demokratisch gewählten Nachfolger, den Peronisten Carlos Saúl Menem ab. Nach Amtsantritt konzentrierten sich die wirtschaftlichen Sanierungsprogramme Menems auf zwei Kembereiche: erstens die Finanzpolitik, worunter zum Beispiel die Stabilisierung der argentinischen Währung sowie die Wiederaufnahme der Schuldzinszahlungen fallen; zweitens die Reform der bisherigen Wirtschaftsstrukturen mit einschneidenden Privatisierungsmaßnahmen. Grundlage des Privatisierungsprogrammes ist das im August 1989 verabschiedete Gesetz Reforma del Estado. Der von Menem eingeschlagene Wirtschaftskurs traf seine Wählerschaft überraschend, denn er bedeutet die Abkehr von peronistischen Leitideen, die die Privatwirtschaft traditionell kaum förderten. Die Militär- und Menschenrechtspolitik seines Vorgängers erklärte Menem für gescheitert Mit dem Schlagwort "Nationale Versöhnung" ging er unmittelbar nach Amtsantritt daran, die Begnadigung der inhaftierten Militärs voranzutreiben. Im Oktober 1989 wurde die umfassende Begnadigung der 174 Aufständischen der letzten Militärrebellionen dekretiert. Im Dezember 1990 wurden die letzten der Begnadigten, darunter auch der Guerillero Mario Firmenich, aus den Gefängnissen entlassen. Ebenfalls im Dezember 1990 hat eine weitere Militärrebellion rechtsgerichteter Truppen die Regierung erneut zu erschüttern versucht
24 1.3.
Politisches System
Argentinien ist eine Bundesrepublik, die 22 Provinzen, den Bundesdistrikt Buenos Aires und das Nationalterritorium Feuerland umfaßt Die am 25. Mai 1853 proklamierte Verfassung, die seit 1983 wieder in Kraft ist, definiert Argentinien als Präsidialdemokratie. Das Staatsoberhaupt - der Präsident - ist Chef der Exekutive und Oberbefehlshaber der Streitkräfte zugleich. Alle sechs Jahre werden er und sein Vizepräsident durch ein Wahlmännerkollegium gewählt Eine unmittelbare Wiederwahl des amtierenden Präsidenten ist nicht möglich. Die Volksvertretung ist der Kongreß. Er gliedert sich in Senat und Abgeordnetenhaus. 46 Mitglieder bilden den Senat Das Abgeordnetenhaus umfaßt 254 Mitglieder, die durch Parlamentswahlen bestimmt werden. Am 14. Mai 1989 fand eine Teilergänzungswahl statt, wobei die Peronisten im Abgeordnetenhaus die Mehrheit erlangten. Am gleichen Tag wurde auch der neue Präsident gewählt. Die 22 Provinzen Argentiniens werden von Gouverneuren regiert Gewählt werden sie und ihre Stellvertreter von den Provinzparlamenten. Der Status der Gouverneure ist in etwa dem deutscher Landesministerpräsidenten vergleichbar. Staatlich gefördert ist in Argentinien die römisch-katholische Kirche, zu der sich etwa 90 Prozent der Bevölkerung bekennen. Art. 76 der Verfassung schreibt vor, daß Präsident und Vizepräsident katholisch sein müssen. Einen sehr geringen Einfluß hat die protestantische Kirche; dagegen ist die jüdische Gemeinde mit etwa 300.000 Mitgliedern die größte Lateinamerikas.
1.4.
Wirtschaft
Disparitäten und Konzentrationserscheinungen prägen die argentinische Wirtschaft. Die Landwirtschaft ist der Sektor, in dem die meisten harte Devisen bringenden Exportgüter (Getreide, Ölsaat und Fleisch) produziert werden (Waldmann 1982, 85f)- Nur etwa ein Zehntel der Grundfläche Argentiniens wird landwirtschaftlich genutzt. Zwar existiert in Argentinien der extreme Gegensatz zwischen Latifundien und Minifundien nicht, doch immerhin gehören 37 Prozent des Bodens nur einem Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe. Eine Bodenreform wurde nie vollzogen. Stärker noch als im landwirtschaftlichen Sektor ist die regionale Konzentration im Industriesektor. Ballungsräume sind Gran Buenos Aires und Córdoba. Allein 40 Prozent aller Industriebetriebe sind in der Hauptstadt angesiedelt. Mehr als die Hälfte aller Erwerbstätigen finden dort eine Beschäftigung; 56 Prozent der argentinischen Gesamtproduktion wird dort erwirtschaftet (vgl. Statistisches Bundesamt 1988, 36). Schwerpunkte der verarbeitenden Industrie sind die Metall-, Nahrungsmittel- und Chemoindustrie. Das Niveau der Industrieproduktion entspricht heute etwa dem der sechziger Jahre. Von 11,5 Millionen Erwerbstätigen waren in den achtziger Jahren knapp ein Zehntel arbeitslos gemeldet (Kürzinger 1988, 109). Das Pro-Kopf-Einkommen sinkt; mindestens 22 Prozent der Bevölkerung leben unter dem Existenzminimum. Die Urbanen Lebensräume verelenden. 1984 wies der nationale Ernährungsplan fast ein Viertel der Bevölkerung als unterernährt aus.
25 Mit einer astronomischen Inflation von etwa 4.900 Prozent für das Jahr 1989 drohte Argentinien der wirtschaftliche Kollaps. "Hungerrevolten" und Generalstreiks erschütterten das Land. Für 1990 wird die Inflation auf etwa 1.340 Prozent beziffert. Präsident Menem versucht seit Amtsantritt im Juli 1989 der wirtschaftlichen Misere unter anderem mit weitgreifenden Privatisierungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Doch auch die ersten Monate des Jahres 1991 waren geprägt durch Streikwellen und soziale Unruhen, ausgelöst durch Notsteuern, extreme Preissteigerungen und den Wertverfall des argentinischen Austral. Verschuldet ist Argentinien gegenwärtig mit etwa 57 Milliarden US-Dollar.
1.5.
Bevölkerung
Rund 31,5 Millionen Menschen leben in Argentinien und verteilen sich in sehr heterogener Weise über das Land. Nahezu ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt in der Hauptstadt Buenos Aires und deren Agglomeration, im sogenannten "Gran Buenos Aires". Einzelne Provinzen im Landesinneren wirken dagegen unterbevölkert, zum Beispiel die patagonischen Provinzen Chubut und Santa Cruz (vgl. Statistisches Bundesamt 1988, 190Hinter dem Ungleichgewicht der Bevölkerungsverteilung verbergen sich Disparitäten, die sich durch alle Bereiche des Lebens ziehen: Ungleich verteilte Lebensund Arbeitsmöglichkeiten sowie ungleiche Bildungs- und Informationschancen zementieren die Kluft zwischen wirtschaftlich rückständigen Regionen und relativ entwickelten Ballungsräumen. Ein Blick auf den argentinischen Bildungssektor mag diese Aussage verdeutlichen: Für lateinamerikanische Verhältnisse ist das argentinische Bildungssystem relativ gut ausgebaut. Zwischen dem sechsten und 14. Lebensjahr besteht Schulpflicht. Dennoch durchläuft nur etwa die Hälfte der Kinder, die auf dem Land aufwachsen, eine Grundschulausbildung. (Nur 25 Prozent aller Agentinier besitzen einen Grundschulabschluß, nur etwa 6 Prozent einen Sekundarabschluß.) Die Analphabetenquote lag 1980 bei 6,1 Prozent aller Agentinier über 15 Jahren. Auf 13,6 Prozent klettert sie innerhalb der Gruppe derer, die über 65 Jahre alt sind, und blickt man beispielsweise in die nördlichen Provinzen Jujuy, Chaco, Corrientes und Santiago del Estero, dann liegt sie dort bei über 20 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 1988, 250Argentinien ist ein Schmelztiegel der Nationalitäten. Zwischen 1870 und 1950 sorgten riesige Einwandererströme aus Europa für eine Neu- und Umstrukturierung der argentinischen Bevölkerung. Mehrheitlich stammten die Immigranten aus wirtschaftlich rückständigen Regionen Spaniens (z. B. Galizien) und Italiens. Doch auch der Einfluß deutscher und osteuropäischer Einwanderer ist bis heute unübersehbar. Mehr als 90 Prozent der argentinischen Bevölkerung sind als Nachkommen der europäischen Einwanderer Weiße; nur ca. fünf Prozent Mestizen. Die Zahl der autochthonen Bevölkerung im äußersten Süden und Norden der Republik verringert sich immer mehr. Gegenwärtig leben noch 35.000 Indios in Argentinien. In den letzten 20 Jahren setzte ein weiterer Einwandererstrom ein, diesmal allerdings aus den lateinamerikanischen Nachbarländern. Schätzungen gehen von 1,5 Millionen Zuwanderern seit 1960 aus. Eine relativ junge, in Größe und Auswirkung noch
26 kaum bestimmbare Erscheinung sind die seit 1987 anschwellenden Zuwanderungen aus Südkorea.
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
In Argentinien gibt es kein explizit ausformuliertes Presserecht. Einzelne Artikel der nationalen Verfassung, des Zivil- und Strafrechtes bilden den rechtlichen Rahmen für die Arbeit in und den Umgang mit der Presse. Das Recht auf Pressefreiheit ist explizit und implizit im ersten Teil der argentinischen Verfassung verankert Dort werden auch die übrigen allgemeinen Rechte und Garantien geregelt. Ausdrücklich ist die Pressefreiheit in den Verfassungsartikeln 14 und 32 angesprochen: "Alle Einwohner der Nation genießen die folgenden Rechte, entsprechend den Gesetzen, die ihre Ausübung regeln, nämlich ( ... ) Ihre Gedanken ohne Vorzensur in der Presse zu publizieren; ( ... )" (Constitución de la Nación 1984, Art 14). Ergänzend heißt es in Art 32: "Der föderale Kongreß erläßt keine Gesetze, die die Druckfreiheit einschränken oder sie der föderalen Gewalt unterstellen" (Constitución de la Nación 1984, Art 32). Danach ist davon auszugehen, daß in Argentinien die Pressefreiheit als individuelles Recht der Gedankenfreiheit und als Freiheit der Institution Presse gewährleistet ist (vgl. Linares Quintana, in: ADEPA-Schriftenreihe, 6). Das Recht auf Meinungsfreiheit ist aber nirgends ausdrücklich festgeschrieben. Einen impliziten Schutz soll die Pressefreiheit durch Art 5, 28 und Art. 33 erhalten. Der Verfassungsartikel 5 räumt den Provinzen das Recht ein, eigene Provinzverfassungen zu erlassen, die allerdings die in der nationalen Verfassung verankerten Rechte nicht antasten dürften. In Art. 28 wird unterstrichen, daß der Inhalt der vorausgegangenen Verfassungsartikel nicht durch Gesetze, die deren Wahrnehmung regeln, verfälscht werden darf. Schließlich erklärt Art 33, daß verfassungsmäßige Rechte und Garantien der Souveränität des Volkes entsprechen. Im erklärten Ausnahmezustand sind alle Verfassungsgarantien, auch die Pressefreiheit, außer Kraft gesetzt, so hält es Art 23 der argentinischen Verfassung fest. Kein einziger Artikel der argentinischen Verfassung bezieht sich einzig und allein auf die Pressefreiheit Dieses Recht wird immer nur im Kontext mit anderen Bürgerrechten geregelt Technologische Entwicklungen, z. B. Einführung von Hörfunk und Femsehen, schlugen sich im Text der Verfassung - etwa durch eine Erweiterung - nicht nieder. Rechte, die die Pressefreiheit untermauern, wie Informations- und Meinungsfreiheit, sind nirgends explizit festgelegt. Allenfalls im
27 Geiste der Verfassung findet das Recht auf freie Meinungsäußerung seinen Niederschlag. Daß in Argentinien kein gesondertes Presserecht existiert, engt die Rechte des Rezipienten, z. B. dessen Recht auf Gegendarstellung, ein. Bedeutsamer scheinen jedoch noch gewisse Nachteile, die sich für die Arbeit in den Medien ergeben. Pressedelikte, bzw. Mediendelikte werden auf der Basis des Código Penal, des Strafrechtes, definiert und geahndet Die entsprechenden Vergehen beziehen sich jedoch nur in den seltensten Fällen konkret auf Vergehen der Presse. Wiederum sind die für die Medien zutreffenden Gesetzespassagen eingebunden in allgemeine Gesetzeszusammenhänge. Unter Abschnitt V des Strafrechtes "Vergehen gegen die Freiheit" wird durch Art 161 "wer die freie Verbreitung eines Buches oder einer Zeitung verhindert oder stört ... mit Gefängnis von bis einem Monat bis zu einem halben Jahr bestraft" (vgl. Jescheck 1957, 70). Der Mißbrauch der Pressefreiheit wird vorrangig in den Strafrechtsabschnitten über Vergehen gegen die Ehre, das Eigentum, das öffentliche Vertrauen, die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit behandelt. Zusammengenommen werden dort etwa 30 Pressedelikte aufgeführt (Garghetti 1989). Einige Beispiele sollen belegen, was unter Pressedelikten verstanden wird und wem gegegbenenfalls Haft- oder Geldstrafen drohen können: "Wer einen öffentlichen Amtsträger wegen oder während der Ausübung seiner Amtstätigkeit zum Zweikampf aufreizt, bedroht, beleidigt oder in anderer Weise in seiner Würde oder Achtung verletzt..." (Art. 244). "Wer ein Geheimnis, dessen Verbreitung Schaden verursachen kann und das ihm auf Grund seines Standes, Amtes, Dienstes, Berufes oder Gewerbes bekanntgeworden ist, ohne berechfinten Grund offenbart ..." (Art. 156). "Wer unzüchtige Bücher, Schriften, Abbildungen oder Gegenstände veröffentlicht, herstellt oder nachbildet, oder wer sie ausstellt, verteilt oder in Umlauf bringt..." (Art. 128) (vgl. Jescheck 1957,70). Darüber hinaus stellen die Gesetze Nr. 21.322 und Nr. 21.325 die Verbreitung oder Propagierung von Umständen, Verlautbarungen oder Bildern, die mit subversiven Gruppen in Beziehung stehen, unter Strafe. Beide Gesetze wurden unter der letzten Militärdiktatur (1976-83) erlassen und sind bis heute in Kraft geblieben.
3.
Presse
3.1.
Geschichte
Daß Argentinien nicht reich an Bodenschätzen ist, welche die Konquistadoren suchten, machte das Land zum "Aschenputtel" der spanischen Eroberung (Huergo
28 1939,230). Dies war auch ein Grund dafür, daß die erste Druckerpresse in Argentinien im Vergleich zu Ländern wie Mexiko, Peru oder Guatemala erst relativ spät auftauchte. Sie wurde um die Jahre 1700 bis 1705 in den Manufakturen jesuitischer Missionsstationen eingerichtet Etwa ein halbes Jahrhundert später erschien in Buenos Aires die erste handgeschriebene Zeitung, die Gazeta de Buenos Aires (vgl. Troiani 1980, 75f). Mit vizeköniglicher Erlaubnis kamen dann ab 1801 in Buenos Aires die ersten Zeitungen (nach heutigem Verständnis) heraus: der Telégrafo Mercantil, Rural, Político e Historiográfico del Río de la Plata, der 1801 erschien und etwa eineinhalb Jahre lang bestand; der Seminario de Agricultura, Indùstria y Comercio (1802-1807), der in Montevideo zweisprachig erscheinende Southern Star - La Estrella del Sur (1807), die Gazeta del Gobierno de Buenos Aires (1809/10) und der Correo de Comercio, eine Neuauflage des Seminario (1810/11). Herausgegeben wurden diese Zeitungen von Männern, die - unter dem Einfluß der Ideale der Französischen Revolution - die Freiheitsbewegung im eigenen Land voranzutreiben suchten. Ein längeres Bestehen war erstmals der Gazeta de Buenos Aires bestimmt: Wenige Wochen nach der Mai-Revolution 1810 wurde sie am 7. Juni vom Sekretär der ersten nationalen Regierungsjunta, Mariano Moreno, herausgegeben und erschien bis zum 12. September 1821 unter variierenden Titeln. Die Gazeta war zwar offizielles Regierungsorgan, aber dennoch forderten ihre Schreiber, darunter auch Geistliche, die Pressefreiheit als unantastbares Recht ein (Müller 1924,274). Ende 1853 gab es in Argentinien zehn Zeitungen, die es zusammen auf eine Auflage von etwa 6.000 Exemplaren brachten. Argentinien zählte zum damaligen Zeitpunkt 1,2 Millionen Einwohner, vier Fünftel davon Analphabeten (Sirven 1980, 88). Ein völlig anderes Bild zeigt sich nur 30 Jahre später: 1883 wurden in Argentinien 459 Publikationen, darunter auch erste Zeitschriften herausgegeben. Knapp die Hälfte davon erschien in der Hauptstadt Buenos Aires, in der damals etwa 200.000 Menschen lebten. Das Klima der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung der Republik hatte sich also überaus positiv auf den expandierenden Pressebereich ausgewirkt Zu den Neugründungen jener Zeit zählten Blätter, die bis heute existieren: Am 18. Oktober 1869 wurde La Prensa von José C. Paz gegründet, am 4. Januar 1870 La Nación von Bartolomé Mitre; und auch im Landesinneren entstand eine Reihe bis heute bestehender Tageszeitungen. Mit der Gründung neuer Parteien entstanden dann um die Wende zum 20. Jahrhundert die ersten Parteizeitungen, z. B. El Argentino (Sprachrohr der UCR) und La Vanguardia (Sprachrohr der Sozialistischen Partei). Bis Mitte der vierziger Jahre florierten die Auflagenzahlen der gran prensa von Buenos Aires. La Nación und La Prensa brachten es beispielsweise Ende der dreißiger Jahre auf eine tägliche Auflage von je 200.000 Exemplaren. Der El Mundo, ebenfalls um die Jahrhundertwende entstanden, erreichte sogar 300.000 verkaufte Exemplare. Weltweit konnten La Nación, El Mundo und La Prensa konkurrieren: "In less than half the time required for the development of the independent press in the United States, Argentina has built three great daily newspapers whose fame and honesty are respected wherever good journalism is appreciated" (Huergo 1939, 258). Weniger als zehn Jahre später hätte dies niemand mehr von der argentinischen Presse behaupten können.
29 Die Ideen des europäischen Faschismus prägten auch das politische und gesellschaftliche Klima der dreißiger und vierziger Jahre in Argentinien, und weite Teile der Presse blieben davon nicht unberührt: Kommunistische Zeitungen wurden geschlossen, die pronationalsozialistischen gestützt und staatlich subventioniert. Die Sympathisanten der Achsenmächte gewannen zunehmend Einfluß auf kleinere Presseorgane, zum Beispiel auf den El Pampero oder die Deutsche La Plata Zeitung (Alisky 1981, 167ff; Easum 1951, 230). Als "menschliches Bindeglied" zum europäischen Fachismus betrat Oberst Juan Domingo Perón die politische Bühne in Argentinien. Peróns Bekenntnis zur justicia social sollte sich, tausendfach vervielfältigt über Presse und Hörfunk, als eine der mächtigsten ideologischen Waffen seines Regimes entpuppen. Er selbst lenkte die Politik, auch die Informations- und Medienpolitik (Sirven 1984, 11). Nie zuvor war es zu einer vergleichbar organisierten Form der Zensur, Manipulation und Gleichschaltung der Medien in Argentinien gekommen wie unter der Präsidentschaft Peróns (1946-55). Enteignung und Verstaatlichung, offene Zensur, Aufrufe zum Anzeigenboykott, die willkürliche Zuteilung bzw. Einbehaltung der staatlich verwalteten Papierkontingente gehörten genauso zu den Werkzeugen peronistischer Medienpolitik wie manifeste Gewalt, z. B. Bombenanschläge auf Medienunternehmen. Die oppositionelle Presse zu attackieren, Teile von ihr zu liquidieren und sie durch linientreue Organe zu ersetzen, war eines der obersten (medien-) politischen Ziele. Noch im Vorfeld der Präsidcntschaftswahlcn hatte nahezu die gesamte Presse gegen Perón optiert (Sirven 1984, 43), Stimmen die schon kurz nach Amtsantritt des "liders" durch die Macht des Staatsapparates entweder verstummten oder umgepolt wurden. Als oberstes Kontrollorgan hatte Perón die Subsecretaría de Informaciones de la Presidencia (SIP) errichtet, eine Art Pressestelle der Regierung, Zensurbehörde und Propagandaministerum in einem. Rechtlich wurde der Zugriff auf die Presse u. a. durch eine Neuformulierung des Artikels 244 ("öffentlicher Aufruhr") des Strafrechtes untermauert. Sein Inhalt war nun so beliebig auslegbar, daß er gemeinsam mit Art. 219, der die Verbrechen definiert, die das Ansehen oder den Frieden der Nation gefälirden, jegliche Restriktion legalisierte (Alisky 1981, 171). Allein 1950 kam es zu rund 60 Zeitungsschließungen. Während La Nación es schaffte, sich mit dem peronistischen Regime zu arrangieren, geriet La Prensa offen ins peronistische Kreuzfreuer. Weit weniger zurückhaltend in der Berichterstattung über den politischen Stil des "liders" und seiner Anhänger als La Nación, fiel La Prensa ständigen Übergriffen des Staatsapparates zum Opfer und wurde schließlich 1951 enteignet. Eine Zeitung nationaler Verbreitung schien vom Schicksal der La Prensa zu profitieren: Clarín. Erst 1945 von Roberto Noble gegründet, gelang dieser Zeitung der rasche Einstieg in die gran prensa. Noble, der weder als eindeutiger Anhänger des Peronismus noch als eindeutig Oppositioneller auftrat, konnte die Anzeigenkunden der La Prensa für seine Zeitung gewinnen, womit die ökonomische Basis von Clarín gesichert war (Sirven 1980, 90). 1955 ging die erste Ära Peróns durch einen Putsch zu Ende. Perón hinterließ in Argentinien ein entstelltes Pressewesen. Die großen Zeitungen, die einst ihrer Unabhängigkeit wegen geschätzt worden waren, hatten sich entweder mit dem Regime arrangiert oder existierten nicht mehr. Eine neue Joumalistengeneration war
30 im gesellschaftlichen Klima der Selbstunterordnung herangereift: passiver, zurückhaltender und ängstlicher als ihre Vorgänger. Peronistische Medienpolitik war zu einem großen Teil eine Politik der Propaganda gewesen, mit Effekten, die bis in heutige Tage spürbar sind (Sirven 1984,142). Noch nie zuvor hatte eine politische Strömung die argentinische Gesellschaft so offen und über den Moment hinaus polarisiert, wie es der Peronismus getan hatte. Auch im Pressewesen schlug sich dies nieder. Darüber hinaus hatten die Jahre zwischen 1946 und 19SS die Presse anfällig gemacht für alle weiteren Domestizierungsversuche autoritärer Regime in der Folgezeit. Und es mutet fast wie Ironie an, daß auch die Teile der Presse, die sich Perón heftig widersetzt hatten, nicht mehr zu ihrer alten Stärke und Unabhängigkeit zurückfanden, sondern sich durchaus bewußt in den Dienst militärischer Regime stellen ließen, - zum Teil gerade aus ihrer überzeugt antiperonistischen Haltung heraus. La Prensa ist hier wiederum ein Beispiel: "Iis a shame, however, that the paper that accused Peronism of intolerance became itself a model of post-Peronism intolerance in 1976" (Graham-Yooll 1984, 25; vgl. auchS. 159). Wirtschaftliche Probleme erdrückten nach 1955 auch weite Teile der Presse. Ende der fünfziger Jahre zeigte sich, daß viele Zeitungen unterkapitalisiert waren. Unter den Peronisten waren die Papierpreise beispielsweise gelenkt; nun bei freigegebenen Preisen fielen die Gewinnspannen der Presseunternehmen viel zu gering aus. Zeitungspreise wurden angehoben, Auflagen sanken, Joumalistengehälter fielen immer spärlicher aus (vgl. Gardner 1960, 427f). Nachdem der Markt der Abendzeitungen nur noch von La Razón beherrscht wurde, stieß ein neuer Zeitungsunternehmer in die entstandene Marktlücke erfolgreich vor: Héctor Ricardo Garcia, der 1963 Crónica gründete. Damit waren 1963 die bis heute traditionsreichsten Blätter der gran prensa von Buenos Aires gegründet: La Prensa, La Nación, La Razón, Clarín und Crónica. Extremer (katholischer) Konservativismus durchtränkte das politische und gesellschaftliche Klima Argentiniens, nachdem 1966 General Juan Ongania durch einen Putsch an die Macht gelangt war. Jegliche Freizügigkeit im Kulturbereich wurde unterdrückt: bald darauf widmete sich das Regime dem konkreten Kampf gegen das, was recht diffus als "Subversion" bezeichnet wurde. Im Kampf gegen die stärker werdende Guerrilla nahm die Praxis der politischen Willkür zu, die Mehrzahl der Zeitungen im Lande - vor allem aber die gran prensa - hüllte sich in vorsichtiges Schweigen (Alisky 1968, 96). Schließlich gehörten dann auch wieder offene Zensur und die Schließung einzelner Presseorgane zu den Mitteln politischer Agitation der drei, bis 1973 aufeinanderfolgenden Militärregierungen. Noch einmal übernahm Perón 1973 die Regierungsgewalt in Argentinien. Seine Politik richtete sich angesichts der desolaten Zustände im Land nun offen gegen das linke Lager. Die etablierte Presse verharrte angesichts dieser Entwicklung unschlüssig und positionslos. Selbstzensur, aber auch zunehmend rigidere staatliche Eingriffe steuerten das Geschehen in der Presse. Anders im Bereich der "Partisanenpresse": Sie blühte im Klima der politischen Spannungen nach allen ideologischen Ausrichtungen hin förmlich auf (Graham-Yooll 1984,26). Für die Militärs wurde die Presse zum Instrument, mit dem versucht wurde, das peronistische Regime langsam zu diskreditieren und die Öffentlichkeit auf den
31
Staatsstreich und die Absetzung Isabel Perons einzustimmen. Der Kampf gegen die "Subversion" und gegen den "marxistischen Feind" wurde in die Zeitungen hineingetragen und bis zu einem gewissen Grade dort auch ausgetragen (vgl. Chronologie bei Graham-Yooll 1984, 58-104). Schließlich putschten sich Heeresgeneral Jorge Rafael Videla und seine Gefolgsleute am 24. März 1976 an die Spitze des Landes. Die Presse wurde für das Regime des "Proceso de Reorganización Nacional" zu einer wichtigen Stütze. Es ging den Militärs des "Proceso" darum, die gesamte argentinische Gesellschaft "umzuerziehen", da sie in ihren Augen von "kranken" und "perversen" Beziehungen geprägt war. Ihre "Therapie" war außergewöhnlich brutal, ging weit über den Prozeß der Umerziehung hinaus, verwandelte sich zum ideologischen Krieg der Militärs gegen die Gesellschaft (vgl. Saint-Mezard 1989, 2ft). Daß sich einzelne Presseorgane auch ohne äußeren Druck an diesem Krieg beteiligten, sollte nicht außer acht gelassen werden. Genauso wenig darf übersehen werden, daß die Mehrheit der Presseunternehmen die staatlichen Maßnahmen der Repression widerstandslos hinnahm (vgl. Saint-Mezard 1984, 8) - und dies, ohne daß eine staatliche Gleichschaltung wie unter Perón von 1946-55 nötig gewesen wäre. Als Mitlei der Informationslenkung setzten die Militärs die direkte Vorzensur ein. Daneben hatte die Secretaría de Información Pública (SfP) Normenkataloge erarbeitet, nach denen Informationen behandelt und weitergegeben werden sollten. Die mittlerweile schon über Jahre v erinnerlich ten Mechanismen der Selbstzensur wurden so ge/ieli verstärkt (Simpson 1985, 234). In Staatsministerien wurde eine speziell auf den "Proceso" zugeschnittene Propaganda entwickelt. Im von der SIP gegründeten Departamento de Acción Sociológica erstellten Experten aus Psychologie und Komrnunikations Wissenschaft einen großen Teil des grafischen und audiovisuellen Propagandamaterials. Ein geheimer Plan der psychologischen Einwirkung und Agitation legte genau fest, auf welche Gebiete, mit welchen Methoden und Techniken und mit welchen Zielen die schon am 24. März 1976 in einer Grundsatzakte verankerten Prinzipien des "Proceso" zu verwirklichen seien. Anweisungen zur Handhabung der Masscnkommunikationsinittel bildeten einen festen Bestandteil dieses Planes (vgl. Vázquez 1985,216 und 264). Sowohl die Mechanismen der Selbstzensur als auch die detailliert organisierte Repression der Medien durch den Staatsapparat hatten nie so perfekt und zugleich willkürlich funktioniert wie zu Beginn des "Proceso": Es kam zu Bücherverbrennungen, Redaktionen wurden von Mitgliedern der Streitkräfte gestürmt, Journalisten wurden verfolgt, gefoltert und ermordet Die Zahl der spurlos Verschwundenen - der Desaparecidos - im Medienbereich wird auf etwa 150 geschätzt. 1981 lockerte sich der Kurs des Regimes erstmals merklich: General Videla war durch den als gemäßigt geltenden General Viola ersetzt worden. Partiell bezogen nun einige Presseorgane erstmals eine etwas regimekritischere Position. Clarín zum Beispiel begann die wirtschaftlichen Prinzipien und Entscheidungen der politischen Handlungsträger in Uniform in Frage zu stellen. Die Gesamtlogik dieser Militärdiktatur allerdings blieb weitgehend unangetastet (vgl. Saint-Mezard 1989, 51ff)Wie perfekt die Instrumentalisierung der Presse gelungen war, belegt die Berichterstattung über den Falkland- / Malwinen-Krieg. Die in Argentinien praktizierte Desorganisation war nahezu total. Gleichzeitig hatten die Militärs mit dieser kriege-
32 tischen Aktion eine wahre Lawine an National- und Einigkeitsgefühl losgetreten, die von der Presse schon im Vorfeld der Okkupation beschleunigt worden war. Wahrend der knapp zweieinhalb Monate Krieg begnügte sich die Presse nicht nur damit, die stark reduzierten offiziellen Informationen weiterzugeben. Gezielt wurden Information geschönt und verdreht (Selser 1982). Über Wochen hinweg war dem argentinischen Publikum suggeriert worden, dieser Krieg könne nicht anders als im triumphalen Sieg enden. Daß am Ende nicht Argentinien, sondern Großbritannien diesen Sieg davongetragen hatte, erfuhr das argentinische Volk aus den Medien des Auslandes. Nach dem Fiasko auf den Malwinen / Falkland-Inseln war der Niedergang des Militärregimes unter der Junta General Galtieris nicht mehr aufzuhalten. Erst jetzt, da der Übergang zu einer demokratisch gewählten Regierung in greifbare Nähe rückte, distanzierte sich die Presse offen vom "Proceso" (vgl. Saint-Mezard 1989, 87).
3.2.
Die Struktur der Presse in Argentinien heute
3.2.1. Bestand und Verbreitung Ende 1987 erschienen in Argentinien 158 Tageszeitungen (nach: Guía los Diarios 19871)- Der Großteil der heute erhältlichen Blätter entstand im "Goldenen Zeitalter" der Zeitungsgründungen, d. h. in den ersten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts. Sechs der heutigen Zeitungen besitzen eine mehr als hundert Jahre alte Tradition; insgesamt acht wurden bereits vor der Wende zum 20. Jahrhundert herausgegeben. Von den drei ältesten Zeitungen (La Capital, Rosario 1876; La Prensa, Buenos Aires, 1869, und La Nación, Buenos Aires, 1870) konnte nur LaNación ihren Status als eine der wichtigsten und größten Tageszeitungen der Republik bewahren. Das autoritäre Regime Peróns (1940-55) ließ wenig Raum für weitere Zeitungsgründungen. Erst Mitte der sechziger Jahre versuchten sich neue Zeitungen relativ zaghaft in die bestehende Presselandschaft zu integrieren. Einzige bedeutende Neugriindung jener Jahre war Crónica, die morgens und abends erscheint Crónica, 1963 als Vertreter der prensa amarilla (Regenbogenpresse) geboren, überschritt binnen kürzester Zeit die hunderttausend verkauften Exemplare und ist auch heute noch - auflagenbezogen - die zweitstärkste Tageszeitung des Landes. Geringes unternehmerisches Engagement innerhalb der Presselandschaft kennzeichnete die siebziger Jahre. Relativ chaotische politische Zustände und ein zunehmend autoritär geprägtes Klima in Politik und Gesellschaft mögen die Gründe dafür gewesen sein. Obwohl sich auch die wirtschaftliche Situation im Land konstant verschlechtert hatte, entstanden in Buenos Aires dennoch zwei wichtige Zeitungen, die heute zur gran prensa gerechnet weiden: Diario Popular, 1974, und Ambito Financiero, 1976.
' Gezählt wurden alle Publikationen, deren regelmäßiges Erscheinen ausdrücklich vermerkt war. Nicht eingegangen in die Zählung sind all jene kleinen, oft unregelmäßig erscheinenden Publikationen, die vor allem auf lokaler Ebene in unüberschaubarer Zahl herausgegeben werden.
33 Das Einsetzen der demokratischen Transition bewirkte wenig Veränderung im Spektrum der Tageszeitungen. Mehrere Gründe dürften hierfür verantwortlich sein: So läßt zum Beispiel der kollabierende Wirtschafts- und Finanzsektor jede Unternehmensgründung zum Glücksspiel werden. Zudem herrscht im Printmedienbereich eine starke Leser-Blatt-Bindung und die erschwert es neuen Zeitungen, auf dem Markt Fuß zu fassen - es sei denn, sie konzentrieren sich auf "Marktlücken". Eine solche Nische kann die politische Ausrichtung der Zeitung sein. Zwar fällt es schwer, argentinische Tageszeitungen eindeutig politisch einzuordnen, doch legen es Entstehung und Tradition der einzelnen Zeitungen nahe, den überwiegenden Teil der Tagespresse als dem Unternehmertum und dem Agrarbesitzbürgertum verbunden, d. h. als "konservativ" zu bezeichnen. 1983 war unter den Tageszeitungen der gran prensa keine einzige, die man als eindeutig "links der Mitte stehend" hätte bezeichnen können, was sich allein schon aus der autoritär-diktatorischen Vergangenheit (1976-83) heraus erklärt Zwei neue Zeitungen erkannten diese freie Nische und besetzten sie: Página 12, 1987, und Sur, 1989. Einen Überblick über die wichtigsten, in Argentinien erscheinenden Tageszeitungen bietet Tabelle 1. Neben den in Tabelle 1 aufgeführten Blättern erscheinen vor allem in der Hauptstadt verschiedene fremdsprachige Zeitungen. Sie besitzen zum Teil eine beachtliche Tradition, die noch einmal unterstreicht, daß Argentinien bis ins erste Drittel dieses Jahrhunderts ein typisches Einwandererland auf dem lateinamerikanischen Kontinent war: 1889 wurde die deutsche Wochenzeitung Argentinisches Tageblatt gegründet (vgl. Thelen 1984), 1918 die jüdische Die Presse, 1934 die ukrainische Nash Klych, 1948 die japanische La Plata Hochi (vgl. Guía los Diarios 1987). Der britische Buenos Aires Herald zählt noch heute zu den bedeutenden Zeitungen der Hauptstadt. Gerade während der letzten Militärdiktatur (1976-83) war er ein wichtiges oppositionelles Organ. Erwähnenswert ist auch eine Vielzahl unregelmäßig erscheinender handels- und agrarspezifischer sowie offizieller Publikationen. Die traditionsreichsten dieser Periodika erscheinen in der Hauptstadt, zum Beispiel das Boletín Oficial de la República Argentina, 1893 gegründet, La Ley, 1935, und El Accionista, 1945 (vgl. Guía los Diarios 1987). Auflagen- und Standortkonzentration im Pressebereich spiegeln die ungleiche Verteilung der Bevölkerung Argentiniens wider. Von 158 Tageszeitungen werden elf in der Hauptstadt Buenos Aires produziert (vgl. Tabelle 1). Diese Zeitungen werden unter dem Begriff gran prensa zusammengefaßt. Die auflagenstärksten sind Clarín und La Nación. Nur sie besitzen ein eindeutig nationales Verbreitungsgebiet und werden in allen 22 Provinzen zum Kauf angeboten. Für die restlichen neun Tageszeitungen der gran prensa gilt dies nur eingeschränkt, insbesondere für Página 12 und Sur.
34 Tabelle 1:
Tageszeitungen in Argentinien*
Titel
Gründung
Clarín La Nación La Prensa La Razón Ambito Financiero El Cronista Comercial Crónica 2 Página 123 Diario Popular Sur3 Buenos Aires Herald El Día
1945 1870 1869 1905 1976 1908 1963 1987 1974 1989 1876 1884
La Capital
1905
El Atlántico
1938
La Nueva Provincia
1898
La Verdad
1917
El Norte
1926
El Tiempo
1933
El Popular
1919
El Tiempo
1927
La Voz del Pueblo
1902
Nueva Era
1919
La Opinión
1917
La Campana
1910
Ecos Diarios
1921
Provinz
Verbreitung
Auflage
Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires Buenos Aires La Plata/ Buenos Aires Mar del Plata/ Buenos Aires Mar del Plata/ Buenos Aires Bahía Blanca/ Buenos Aires Junín/ Buenos Aires San Nicolás/ Buenos Aires Azul/ Buenos Aires Olavarría/ Buenos Aires Pergamino/ Buenos Aires Tres Arroyos/ Buenos Aires Tandil/ Buenos Aires Pergamino/ Buenos Aires Chivilcoy/ Buenos Aires Necochea/ Buenos Aires
national national national national national national national national national national
614.675 284.000 81.000 89.546 105.100 35.000 374.800 50.000 127.281 20.000 18.000
regional4
52.518 40.000 32.000
regional
34.632 11.000
regional
9.162 8.500
provinz.5
8.350
lokal
7.000
regional
5.352
regional
5.140
regional
4.952 4.500
provinz.
4.125
35 Tabelle 1:
(Fortsetzung)
Titel
Gründung
La Razón
1910
La Unión
1928
Norte
1968
El Territorio
1919
El Chubut La Voz del Interior
1975 1904
Puntal
1980
El Litoral
1960
Epoca
1973
El Diario
1914
El Heraldo
1915
La Mañana
1961
Nuevo Diario
1980
Pregón
1965
I-a Arena
1933
La Reforma
1923
El Independiente
1959
Los Andes
1882
Mendoza Hoy
1969
El Territorio
1925
Provinz Chivilcoy/ Buenos Aires Catamarca/ Catamarca Resistencia/ Chaco Resistencia/' Chaco Trelew/Chubut Córdoba/ Córdoba Río Cuarto/ Córdoba Corrientes/ Corrientes Corrientes/ Corrientes Paraná/ Entre Ríos Concordia/ Entre Ríos Formosa/ Formosa Formosa/ Formosa San Salv. de Jujuy/Jujuy Santa Rosa/ La Pampa General Pico/ La Pampa La Rioja/ La Rioja Mendoza/ Mendoza Mendoza/ Mendoza Posadas/ Misiones
Verbreitung
Auflage
lokal
4.000
lokal
5.375
regional
18.220
regional provinz.
5.086 10.535
regional
74.614
regional
11.959 15.000
provinz.
10.822
regional
12.171
provinz.
7.553 9.000 8.000 19.000
regional
10.560
regional
7.544
regional
8.649
regional
46.709 15.000
regional
18.940
36 Tabelle 1 :
(Fortsetzung)
Titel
Gründung
Río Negro
1912
El Tribuno Diario de Cuyo
1949 1947
El Diario
1966
Crónica El Patagónico La Opinión Austral
1959
La Capital
1867
El Litoral
1918
Hoy en la Noticia
1985
La Opinión
1921
El Liberal
1898
La Gaceta
1912
La Tarde
1981
El Fueguino El Territorio
* 1 ^ ^ ^ ®
Provinz
General Roca/ Río Negro Salta/Salta San Juan/ San Juan San Luis/ San Luis Com. Rivadavia/ Santa Cruz Com. Rivadavia/ Santa Cruz Río Gallegos/ Santa Cruz Rosario/ Santa Fe Santa Fe/ Santa Fe Santa Fe/ Santa Fe Rafaela/ Santa Fe Santiago del Estero/S.d.E. San Miguel de Tucumán/Tucumán San Miguel de Tucumán/Tucumán Ushuai a/Tierra del Fuego Ushuaia/Tierra del Fuego
Verbreitung
Auflage
regional regional
34.164 31.146
regional
17.640
lokal
8.000
regional
9.729
regional
5.300
lokal
4.500
regional
56.805
regional
29.664
lokal
11.500 7.000
provinz.
18.413
regional
62.477 10.500 32.000 15.000
Aufgeführt werden die vom IVC und von LINTAS registrierten Tageszeitungen Stand 1988. Auflagenzahlen beziehen sich auf die im In- und Ausland verkauften Exemplare. Morgen- und Abendausgabe zusammen. Daten in der Redaktion erfragt. Unter "regionaler Verbreitung" soll die die Provinzgrenzen überschreitende verstanden werden. Unter "provinzieller Verbreitung" soll hier die sich auf das jeweilige Gebiet einer Provinz beschränkende verstanden werden
Quelle: Eigene Aufstellung auf folgender Grundlage: IVC-Statistik (Distribución geográfica por medio; período: 8/88-11/88. Buenos Aires, Mai 1989); LINTAS-Statistik (Guía de Medios. Buenos Aires 1988); Gründungsdaten entnommen aus: Guía los Diarios. Buenos Aires 1987
37 Das Landesinnere entbehrt Zeitungen mit nationaler Verbreitung. Während sich der Standort der national verbreiteten Presse auf die Hauptstadt Buenos Aires konzentriert, zeigt sich Vergleichbares bei den regional und in der Provinz verbreiteten Tageszeitungen: Ihre Standorte sind vor allem die jeweiligen Provinzhauptstädte. Ein mitunter krasses infrastrukturelles Stadt-Land-Gefälle sowie die traditionelle zentralistische Ausrichtung aller politischen und wirtschaftlichen Belange auf die Hauptstadt bzw. Provinzhauptstadt können die starke Standortbindung erklären. Vergleicht man die Anzahl der im Landesinneren erscheinenden Tageszeitungen, so heben sich von den 22 Provinzen fünf ab: Buenos Aires, Chubut, Córdoba, Entre Ríos und Santa Fe. Sie zählen zugleich auch zu den wirtschaftlich wichtigsten und mit Ausnahme von Chubut - zu den bevölkerungsstarken Provinzen Argentiniens. Mit Abstand werden in der größten, bevölkerungsstärksten und relativ gut erschlossenen Provinz Buenos Aires die meisten Zeitungen produziert, nämlich 69. Eine Ausnahme bildete diese Provinz auch dadurch, daß nur drei der 69 Zeitungen in der Hauptstadt La Plata herausgegeben werden. Wenngleich die Provinz Buenos Aires bezüglich der Anzahl der Zeitungstitel die dominante Stellung innerhalb des Landes einnimmt, reicht die Summe der dort täglich verkauften Zeitungsexemplare bei weitem nicht an die der Hauptstadt selbst heran: Allein Clarín, Crónica oder La Nación erreichen täglich eine Auflagenhöhe, die weit über der aller Zeitungen der Provinz Buenos Aires zusammengenommen liegt. Die allgemeine Konzentration der produzierten Auflagen auf die Hauptstadt sieht folgendermaßen aus: Nahezu 1,8 Millionen Exemplare der gran prensa stehen rund 900.000 Exemplare gegenüber, die im gesamten Landesinneren produziert werden, wovon wiederum etwa 25 Prozent auf die Provinz Buenos Aires entfallen (vgl. Tabelle 2).
Tabelle 2:
Auflagenzahlen Provinzen
Raum
Buenos Aires (Gran Buenos Aires)
der
Presse
Anzahl
in
der
Summe der Auflagen
Hauptstadt
Anteil an der Gesamtauflage in%
11
1.799.402
67
Provinzen
147
899.806
33
Argentinien insgesamt
158
2.699.208
100
Quelle: Eigene Aufstellung nach Tabelle 1
und
den
38 Das Publikum der gran prensa reicht weit über die Grenzen der Metropole hinaus. Clarín und La Nación schicken jeweils ein Fünftel bzw. ein Viertel ihrer Gesamtauflage ins Landesinnere. In den Städten des Landesinneren, in denen keine eigene Zeitung herausgegeben wird, halten Clarín und La Nación den Informationsmarkt besetzt, oft noch vor den Zeitungen aus anderen Teilen der jeweiligen Provinz. La Razón schickt neun Prozent ihrer Gesamtauflage ins Landesinnere, der Diario Popular (Gran Buenos Aires) 15 Prozent. La Razón ist in sechs der 22 Provinzen nicht erhältlich. Der Diario Popular ist in drei Provinzen nicht erhältlich. Die geographische Verbreitung der übrigen Zeitungen der gran prensa beschränkt sich auf das Umland der Hauptstadt.
Tabelle 3:
Auflagen und Verteilung der verkauften Exemplare der gran prensa innerhalb Argentiniens*
Titel
Auflage
Crónica (morgens) Crónica (abends) La Prensa Ambito Financiero El Cronista Comercial
253.000 121.500 81.800 105.100 35.000
70 90 72 73 75
30 10 28 27 25
20.000 18.000 136.000
72 70 87
28 30
Argentinisches Tageblatt (Wochenzeitung) Buenos Aires Herald Diario Popular
Prozentuale Verteilung Stadt und Umland
Restrepublik1
13
* Stand Dez. 87/Jan. 88 1
In welchen Provinzen diese Vertreter der gran prensa erhältlich sind, wird nicht näher aufgeschlüsselt Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß ihre Verteilung über das Landesinnere bei weitem nicht so flächendeckend ist, wie etwa die von Clarin und La Naciön.
Quelle: LINTAS (Hrsg.): Guia de Medios. Buenos Aires 1988.
Zeitungen, die von der Hauptstadt ins Landesinnere geliefert werden, haben immens lange Vertriebswege zurückzulegen. Der Informationsfluß per Tageszeitung aus der Hauptstadt erreicht die Bürger in der Provinz also mit reichlicher und steti-
39 ger Verspätung. Zum anderen ist die Information, die die gran prensa transportiert in erster Linie auf die Belange und Interessen der Zentrale Buenos Aires ausgerichtet. Auf die jeweiligen Provinzen bezogene Lokalteile fehlen. Andererseits kann gerade dadurch die aus der Hauptstadt stammende Presse der Provinzpresse als Konkurrenz nur bedingt gefährlich werden. Häufig stößt man auf den teilweise durchaus berechtigten Vorwurf, die Massenmedien der Hauptstadt Buenos Aires würden das Landesinnere mit Information überfremden. Im Bereich der Tageszeitungen ist dieser Vorwurf kaum haltbar: Insgesamt zwei Drittel der gran prensa werden in der Hauptstadt und ihrem Umland verkauft. Das verbleibende Drittel verteilt sich etwa zur Hälfte auf die restliche Provinz Buenos Aires; die andere Hälfte geht ins Landesinnere - und dies sind letztlich nur etwa 12 Prozent der gran prensa (Ford 1987,69). Zwischen den einzelnen Provinzen findet durch die Tageszeitung ein nur begrenzter Informationsaustausch statt (vgl. Instituto Verificador: Distribución geográfica por medio, Mai 1989). In der Regel - die wirtschaftlich gewichtigen Provinzen wie etwa Córdoba oder Entre Ríos ausgenommen - werden in den Provinzen zwei bis vier Zeitungen herausgegeben. In manchen Fällen bleibt es bei nur einer Zeitung. Zudem ist auch innerhalb der Provinzen die Verwaltung und Wirtschaft auf die Provinzhauptstadt konzentriert. Und diese wird dann auch von den Verlegern als Standort bevorzugt. Wiederum zeigt sich auf Provinzebene ein Phänomen, das schon auf der nationalen Ebene sichtbar wurde: Was in der Hauptstadt produziert wird, wird auch vorzugsweise in der Hauptstadt konsumiert. Deshalb tragen die Inhalte der Tagespresse in der Provinz den Interessen und Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung kaum Rechnung. Sowohl die quantitative als auch die qualitative Versorgung der oft mehrere hundert Kilometer von der Provinzhauptstadt entfernt lebenden Bevölkerung mit Presseorganen ist unzureichend. Dies gilt insbesondere für die Provinzen im Nordwesten, deren Lebensräume bis heute stark rural und zum Teil auch noch durch indigene Einflüsse geprägt sind.
Tabelle 4:
Leserdichte in Argentinien Bevölkerung
Hauptstadt Gran Buenos Aires Übrige Provinzen Argentinien insgesamt
2.922.800 10.728.000 20.772.000 31.500.000
Auflage
Leserdichte
1.799.40 1.799.402 899.806 2.699.208
Quelle: eigene Berechnung Grundlage: Material des IVC und des Statistischen Bundesamts Wiesbaden: Länderbericht Argentinien 1988.
615 167 43 85
40 Staindort- und Auflagenverteilung zeichnen ein kontrastreiches Bild von der argentinischen Zeitungslandschaft. Die Ungleichheiten zwischen der Hauptstadt und dem Landesinneren illustriert ein Blick auf die jeweiligen Leserdichten: Auf 1000 Einwohner der Hauptstadt plus Umland entfallen viermal mehr Zeitungen als auf 1000 Einwohner im Landesinneren (Tabelle 4). In der Hauptstadt allein sind es im Vergleich zur übrigen Republik gleich zwölfmal mehr Zeitungen. Ausschlaggebend dafür sind vor allem die extrem heterogene Bevölkerungsverteilung sowie auch der Analphatetismus.
3.2.2.
Zeitungstypen und Besitzstrukturen
3.2.2.1. Die gran prensa Die Zeitungen der gran prensa lassen sich in vier Gruppen einteilen: Zur traditionellen, seriösen Presse zählen Clarín, La Nación, La Prensa, Buenos Aires Herald und Diario Popular. Als Vertreter der prensa amarilla (Regenbogen- bzw. Sensationspresse) gelten Crónica und La Razón. Beide erscheinen mit einer Früh- und Spätausgabe. Stark an wirtschaftlichen Themen orientierte Zeitungen sind El Cronista Comercial und Ambito Financiero. Neulinge innerhalb der gran prensa sind Página 12 und Sur. Sie sind zur seriösen Presse zu rechnen, versuchen aber deren traditionelle Form der Themengebung und Aufmachung beispielsweise durch eine neue Gewichtung einzelner Sektionen und ein mitunter sehr eigenwillig wirkendes Layout zu durchbrechen. Einen Einblick in die Reichweite einiger Zeitungen der gran prensa bietet Tabelle 5. Die Ressortunterteilung der gran prensa - Sensationszeitungen ausgenommen ist mit der großer deutscher Tageszeitungen vergleichbar. Nachricht und Kommentar bzw. Leitartikel (editoriales) sind meist deutlich durch graphische Mittel voneinander getrennt. Leserbriefspalten sind üblich. Sonderseiten und Beilagen (suplementos) widmen sich ab der Wochenmitte vor allem dem hauptstädtischen Kulturangebot. Die Mehrzahl der gran prensa erscheint auch sonntags; dann oft mit nahezu doppeltem Seitenumfang. Das Porträt zweier Vertreter der gran prensa soll die Vorstellung von argentinischen Tageszeitungen im folgenden etwas konkretisieren. Herausgegriffen seien zwei Beispiele, die einander in jeder Hinsicht relativ fem stehen: La Nación und Página 12. La Nación wurde 1870 von Bartolomé Mitre als Tribuna de doctrina gegründet. "... In La Nación (manifestierte sich, Anm. Verf.) der Wille, gegenüber dem Publikum eine Rektor-Position einzunehmen ...", beschreibt Jorge Rivera (Rivera 1987, 35 Übersetzung d. Verf.) diese traditionsreiche Tageszeitung. La Nación vermied es stets, auf eindeutigen Konfrontationskurs zur jeweils amtierenden Regierung zu gehen. Der Ton der politischen Berichterstattung war gemäßigt und nicht selten wie etwa unter Perón - eher politisch enthaltsam denn engagiert Diese Haltung bewahrte La Nación vor so manifesten Restriktionen, wie sie beispielsweise La
41 Tabelle 5:
Reichweite der gran prensa nach sozioökonomischer Schichtzugehörigkeit und Geschlecht*
Tageszeitungen
Oberschicht m w % %
Mittelschicht m w % %
Unterschicht1 m w % %
Clarín La Nación La Prensa La Razón (abends) Diario Popular Crónica (morgens) Crónica (abends) Página 12 Ambito Financiero
7 22 10 1
26 21 30 27 11 15 7 22 35
22 17 32 28 55 43 49 29 11
7 11 9 4
4 25 40
12 3
21 17 19 33 3 8 14 12 9
17 12 7 31 30 30 2
* auf ganz Argentinien bezogen; 1
Schichtbegriffe werden nicht näher definiert; aus: LINTAS (Hrsg.): Guía de Medios. Buenos Aires 1988, S. 63
Prensa widerfuhren. Der konservativen Tageszeitung blieb eine weitgehend kontinuierliche Entwicklung gesichert. La Nación ist im Besitz der Gründerfamilie Mitre geblieben, die der Oligarchie von Buenos Aires zuzurechnen ist (Schenkel 1973). Besitzverflechtungen bestehen sowohl zu Unternehmen innerhalb des Industrie- als auch Finanzsektors. Vor allem aber ist La Nación nach wie vor das Sprachrohr der großen Land- und Viehbesitzer. Eine aktuelle Leseranalyse weist La Nación als Zeitung aus, die von ihren Lesern als Zeitung der Oberklasse eingestuft wird (vgl. González Arcila 1989, 105). Heute nimmt La Nación den Rang der am seriösesten informierenden Tageszeitung Argentiniens ein. Gedruckt wird La Nación in einem Seitenformat von 58 x 37,5 cm mit sechs Spalten pro Seite. Das Papier wird von der Firma Papel Prensa bezogen (s. u.). La Nación ist Gesellschafter dieses Papiermonopoluntemehmens. Wochentags erscheint La Nación mit durchschnittlich 66 Seiten Umfang. An Sonntagen erhöht sich die Seitenzahl auf etwa das doppelte. Die übliche Anzahl von drei Sektionen wird dann um eine literarische Sektion und ein suplemento infantil (Kindelbeilage) erweitert. Zusätzlich liegt der Sonntagsausgabe eine Zeitschrift bei. Die verkaufte Auflage der Sonntagsausgabe liegt etwa 30 Prozent über der durchschnittlichen Höhe der an Wochentagen erzielten Auflage (vgl. IVC, Boletín Nr. 602, Julio 1989). Mit Página 12 ist erst vor wenigen Jahren eine Zeitung neuen Typs in den Kreis der gran prensa getreten. Aufgrund der erst relativ kurzen Dauer ihres Erscheinens
42 liegen über diese Zeitung nur in sehr geringem Maße registrierte Daten vor. Am 26. Mai 1987 lag Página 12 zum ersten Mal an den hauptstädtischen Kiosken zum Verkauf aus. Ihr Name - "Seite 12" - spiegelt die anfangliche Idee ihrer Gründer wider: Página 12 sollte eine kleine politische Zeitung sein, nicht größer als zehn, zwölf Seiten. Modellfunktion hatte für Página 12 die von Jacobo Timmerman herausgegebene La Opinión gehabt, die in den siebziger Jahren zu einer der wenigen politisch engagierten, oppositionellen Zeitungen avancierte bis sie schließlich von den Militärs geschlossen wurde. Während sich das Publikum von La Opinión aber vor allem aus der Bildungselite rekrutierte, ist das Konzept von Página 12 ein anderes: Página 12 zielt darauf ab, die Schichten der Bevölkerung möglichst umfassend zu erreichen. Die bestimmenden Kräfte des neuen Zeitungsprojektes waren Horacio Verbitsky und Osvaldo Soriano. Verbitsky ist ein stark in den argentinischen Menschenrechtsorganisationen engagierter, politischer Journalist; Soriano ist Filmregisseur. Jorge Lanata, der die Zeitung gegenwärtig herausgibt, steht in Verbindung mit der jüdischen Menschenrechtsorganisation in Argentinien. Ein Teil des Startkapitals soll von dieser jüdischen Organisation beigesteuert worden sein. Der weitaus größere Teil stammte jedoch von Fernando Sokolwicz, einem jungen Holzuntemehmer. Von Anfang an mangelte es Página 12 an Anzeigenkunden aus der freien Wirtschaft. Eine weitere Schwierigkeit stellt für die junge Zeitung das Monopoluntemehmen Papel Prensa dar. Lanata definiert seine Zeitung als politisches, provozierendes und pluralistisches Blatt Einzige Grenze des Pluralismus: In Página 12 sollten keine golpistas (Putschisten) schreiben. Parteipolitisch ist Página 12 kaum einzuordnen. Página 12 ist geprägt durch ein meist sehr kreativ gestaltetes Layout: Karikaturen, Comicstrips, Bildmaterial und graphische Gestaltungsmittel werden in allen nur denkbaren Spielarten eingesetzt, insbesondere auf der Titelseite. Editoriales sind unüblich in Página 12, doch in jeder Ausgabe sind mehrere politische Kommentare enthalten. Mit dem spanischen El País besteht ein Austauschvertrag, der die Übernahme von Korrespondentenberichten ermöglicht. Página 12 wird in einem 43 x 29 cm-Seitenformat herausgegeben. Jede Seite unterteilt sich in fünf Spalten. Wochentags und sonntags erscheint Página 12 mit 24 Seiten Umfang. Die Samstagsausgabe enthält regelmäßig eine Satirebeilage (Sátira 12), die das Geschehen der zurückliegenden Woche beleuchtet. Sonntags liegt regelmäßig ein themenspezifisches suplemento bei. Ein Blick auf Tabelle 5 weist Página 12 als eine Zeitung aus, die relativ gleichmäßig alle Gesellschaftsschichten erreicht. Im Unterschied zu La Nación und beispielsweise auch Clarín scheint Página 12 jedoch eindeutig die männlichen Leser stärker anzusprechen als die weiblichen.
3.2.2.2. Tageszeitungen in den Provinzen Nicht nur Disparitäten zwischen der Hauptstadt Buenos Aires und dem Landesinneren prägen die Gestalt der argentinischen Presselandschaft. Solche Disparitäten zeigen sich auch bei einem vergleichenden Blick auf die verschiedenen Provinzen und
43 Regionen. So variieren regional die Zeitungsanzahl, die Auflagenzahlen, die technische Ausstattung und auch der potentielle Anzeigenkundenkreis. Generell liegt der Verkaufspreis der Provinzzeitungen etwa 30 Prozent über dem der hauptstädtischen Zeitungen. Höhere Herstellungskosten, z. B. höhere Papierpreise, sind u. a. der Grund dafür. Überwiegend werden in den Provinzen Zeitungen minderer Druckqualität produziert. Insbesondere gilt dies für die Qualität des Bildmaterials. Es bietet sich an, die Zeitungen der Provinzen in drei Gruppen zu betrachten. Erstens: Wichtige Tageszeitungen, die in großen Städten des Landesinneren erscheinen. Geographisch beschränkt sich diese Gruppe auf das Zentrum Argentiniens. Zweitens: Kleinere und meist wirtschaftlich schwächere Zeitungen, die in den weniger entwickelten Provinzen herausgegeben werden, d. h. Provinzen, die im Norden der Republik liegen, an den Grenzen zu Chile, Bolivien, Paraguay und Brasilien. Drittens: Zeitungen der bevölkerungsschwachen Provinzen Patagoniens. Zur ersten Gruppe zählen La Voz del Interior (Córdoba), La Gaceta (Tucumán), La Capital (Rosario), Los Andes (Mendoza), El Día (La Plata), La Nueva Provincia (Bahía Blanca) und El Litoral (Santa Fe). Gemeinsam ist diesen Zeitungen, daß ihre Gründung im ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhundert in eine Zeit fiel, die geprägt war vom wirtschaftlichen Aufschwung Argentiniens. Dieses wirtschaftliche und politische Klima ließ die zitierten Blätter zur großen, sogenannten liberalen Presse werden. Einflußreiche Familiendynastien haben sie gegründet und mehrheitlich sind diese Blätter auch bis heute im Besitz dieser Familien geblieben. Technisch sind diese Zeitungsunternehmen relativ modern ausgestattet. Das Offset-Verfahren hat den Bieisau während der Zeit des "Proceso", also Ende der siebziger bis Anfang der achtziger Jahre abgelöst. Die Ähnlichkeit mit den seriösen Tageszeitungen der hauptstädtischen gran prensa ist sehr stark und zwar nicht nur bezogen auf Kriterien wie z. B. Entstehung oder Besitzstruktur, sondern auch inhaltlich. Trotz rückläufiger Auflagenzahlen konnten die genannten Tageszeitungen ihren Rang der "großen Presse der Provinz" beibehalten. Der Niedergang wirtschaftlich schwacher Zeitungen im Verlauf der siebziger Jahre war für die großen Blätter nur förderlich: Sie avancierten stellenweise zu Monopolunternehmen, die sich sogar - z. B. im Falle der La Gaceta (Tucumán) - "den Luxus leisten konnten ihre eigene Altemativzeitung zu kreieren" (Estudio Comparativo /Teil 1 1989, 36). Der wirtschaftliche Niedergang, den Argentinien nun schon seit Jahrzehnten schleichend und seit über einigen Jahren in explosiver Weise erlebt, bedroht vor allem die wirtschaftlich schwächeren Organe der Presse in den Provinzen. Folgende Konsequenzen ergeben sich: Zeitungsschließungen bzw. auch Pressekonzentration; erhebliche Reduzierung des Informations- und Nachrichtenumfanges innerhalb des Blattes; Kündigung von Agenturdiensten und limitierter Einsatz von Bildmaterial; Rückgang von Anzeigenaufträgen aus der Privatwirtschaft (vgl. Estudio Comparativo / Teil 2 1989, 48) und daraus resultierend: wachsende Abhängigkeit von staatlich-offiziellen Anzeigenaufträgen. In der Regel liegt die Auflage der kleineren Zeitungen im Landesinneren unter 10.000 verkauften Exemplaren. Ihr Seitenumfang beläuft sich auf durchschnittlich zwölf Seiten. Das gängigste Format ist 38 x 29,5 cm. Insgesamt sind sie im Ver-
44 gleich zur großen Provinzpresse eher junge Zeitungen, deren technischer Stand und personelle Besetzung weit hinter den großen Zeitungen zunickbleibt. Insbesondere gilt dies für die Zeitungen in den Provinzen Jujuy, Catamarca, Chaco und Misiones (vgl. Estudio Comparativo / Teil 2 1989,41). Im Gegensatz zum Norden weist der Süden Argentiniens weit weniger Zeitungen auf. Die dürftige Presselandschaft erscheint trotz alteingesessenen Zeitungsunternehmen weniger starr als im Norden. Die größeren Zeitungen Patagoniens (z. B. der Rio Negro oder auch die Arena) unterscheiden sich in ihrer Ausrichtung zum Teil stark von der sogenannten großen liberalen Presse. Auflagenmäßig überflügeln die bedeutenden patagonischen Tageszeitungen die kleinen Blätter in den nördlichen Provinzen des Landes kaum. Aber obwohl auch sie meist unter der ZehntausenderMarke verkaufter Exemplare liegen, sind sie technisch und personell wesentlich besser ausgestattet. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Rezession, Einbrüche im Anzeigengeschäft oder auch das bestehende Papiermonopol greifen jedoch auch ihre Existenz an. Daß im Süden Argentiniens vom sonst relativ ausgeprägt imitierten Vorbild der Bonarenser La Nación abgegangen wird, daß sowohl die Regeln des klassischschmucklosen Zeitungstils als auch der dozierende Tenor in der Berichterstattung abgelegt werden, zeigt das Beispiel des Río Negro, der 1912 in General Roca gegründet wurde. Sein Verbreitungsgebiet umfaßt die Provinzen Río Negro, Neuquén, den Süden der Provinz Buenos Aires und den Norden von Chubut. Der Aufbau der einzelnen Ressorts sowie die Behandlung der Information und der journalistische Stil stehen unter der Maßgabe des analysierenden Journalismus. Für diesen ist der Río Negro auch in der Hauptstadt Buenos Aires bekannt und geschätzt. Der Río Negro gilt als Informationsmedium der Bildungsschicht. Eine eindeutige parteipolitische Linie ist dieser Zeitung schwer nachzuweisen. Im editorial wird die politische Ausrichtung als "demokratisch" definiert (vgl. Estudio Comparativo / Teil 3 1989, 33). Von anderen Zeitungen hebt sich der Río Negro durch eine bewußte Auflockerung der nüchternen Aufmachung ab.
3.2.3. Organisation, Vertrieb, Finanzierung Die Presse in Argentinien ist privatwirtschaftlich organisiert und finanziert sich deshalb über die Verkaufspreise und Erlöse aus dem Anzeigengeschäft. Dabei decken die Einnahmen über den Verkauf am Kiosk oder durch ambulante Zeitungsverkäufer die Herstellungs-, Vertriebs- und Personalkosten nur zu einem sehr geringen Teil ab. Zeitungsabonnements sind relativ unüblich. Verständlich ist, daß durch die fehlende Fixgröße der Abonnementeinnahmen die finanzielle Kalkulation für argentinische Zeitungsuntemehmen zu einer unsicheren Angelegenheit werden kann. Den Löwenanteil der Einnahmen stellen die erzielten Anzeigenerlöse dar. Von Journalisten selbst wird als ideale Formel der Zeitungsgestaltung das Verhältnis "45 Prozent Werbung zu 55 Prozent Text" genannt. Im Dienste der Rentabilität eines Blattes verkehrt sich dieses Verhältnis vor allem in einzelnen Zeitungen der gran prensa zu Ungunsten des redaktionellen Teiles. Die in der Hauptstadt erscheinende Tageszeitung Clarin füllt ungefähr 60 Prozent einer Seite mit Anzeigen, damit diese renta-
45 bel wird (vgl. Laino 1987, 134). Andererseits ermöglichen viele Anzeigen auch einen größeren Umfang und mehr redaktionelle Beiträge. Ein wichtiger Anzeigenkunde für argentinische Zeitungen ist der Staat. Je nach Anteil des Anzeigenumfangs von staatlichen Unternehmen und Institutionen am gesamten Anzeigenaufkommen einer Zeitung, ist also de facto staatliche Einflußnahme auf die Zeitung möglich. Erteilung oder Stornierung von Anzeigenaufträgen sind Mechanismen, die hier greifen können. Im besonderen Maße erfahren dies gerade die wirtschaftlich schwächeren Provinzzeitungen in den weniger entwickelten Regionen des argentinischen Nordens (z. B. Jujuy, Chaco) (vgl. Estudio Comparativo/Teil 2 1989, 49). Der Standard der technischen Ausstattung ist je nach Zeitung und deren Standort verschieden. Erste Versuche, den Bleisatz durch Fotosatz zu ersetzen, erfolgten um 1946. Letztlich aber konnten sich neue Druck- und Vervielfältigungstechniken nur verspätet und partiell durchsetzen. Den großen Zeitungen in Buenos Aires gelang es, Schritt zu halten mit den technischen Innovationen: Nahezu überall wird mit Fotosatz gearbeitet, hat sich das Offset-Verfahren durchgesetzt. Zu den technisch bestgerüsteten Unternehmen auch im Bereich der Redaktionstechnik (z. B. Schreibterminals) zählen La Nación und Clarín. Vor allem aber den Zeitungen im Landesinneren, die nicht zur wirtschaftlich starken Provinzpresse zählen, war es kaum möglich, in den technischen Fortschritt zu investieren (vgl. Schmucler / Terrero 1987,226). 1970 gründete der Staat gemeinsam mit den Zeitungsuntemehmen Clarín, La Nación und La Razón das Papierunternehmen Papel Prensa - ein Zeitungspapiermonopol, das bis heute besteht (vgl. Schmucler / Terrero 1987, 234f). Ohnehin schon wirtschaftlich starke Unternehmen beziehen also ihre Papierkontingente zu selbst kalkulierten Preisen und diktieren gleichzeitig den wirtschaftlich schwächeren Zeitungen den Papierpreis. Einzelne Provinzzeitungen versuchen, dieses Monopol durch den Einkauf von chilenischem Papier zu durchbrechen (vgl. Estudio Comparativo / Teil 2 1989,49). Allerdings ist dieses Papier von geringerer Qualität als das vorwiegend aus Finnland und Kanada importierte Papel Prensa-Papier.
4.
Hörfunk
4.1.
Geschichte
Ähnlich wie in anderen lateinamerikanischen Staaten wurde auch der argentinische Hörfunk aus privatwirtschaftlicher Initiative heraus geboren. Treibende Kraft oder auch "Vater" des argentinischen Hörfunks war Enrique T. Susini. Ihn hatte das Marineministerium im Jahr 1919 nach Frankreich abbeordert, damit er dort die im Ersten Weltkrieg verwendeten Kampfgase studiere. Doch das eigentlich Wertvolle, was Susini von seinem Europaaufenthalt nach Argentinien mitbrachte, waren einige Verstärkerröhren, die ihm das französische Militär zu Verfügung gestellt hatte. Mit ihnen vervollständigten Susini und eine Gruppe junger Medizin- und Technikstudenten die technische Ausstattung des ersten argentinischen Radiosenders (vgl. Noguer 1985, 53). Am 27. August 1927 waren es dann etwa 20 Familien, die in
46 Buenos Aires die erste Hörfunksendung über ihre Radioempfänger mitverfolgen konnten: Radio Argentina übertrug mit einer Sendestärke von fünf Watt die Wagner-Oper "Parzival" direkt aus dem Teatro Coliseo (Noguer 1985,54). Schon ab 1922 übertrugen zwei weitere Radiostationen, Radio-Cultura und Radio Sudamérica, ohne offizielle Erlaubnis aus Theatern und angesehenen Hotels der Hauptstadt "Kultursendungen". Ende 1922 begann Radio Argentina mit einer regelmäßigen Programmausstrahlung. Zu Jahresbeginn 1923 existierten in Buenos Aires drei Betriebsarten des Hörfunks: ohne Werbung (Radio Argentina)-, subventioniert vor allem vom Radiozubehörhandel (Radio Sudamérica); und rein über Werbung finanziert (Radio Cultura). 1925 hatte sich das kommerzielle und nur über Werbeeinkünfte finanzierte Prinzip durchgesetzt. Damals gab es 22 Radiostationen; zwölf in der Hauptstadt mit einer Gesamtsendestärke von 11.900 Watt und zehn im Landesinneren mit einer Gesamtstärke von 2.305 Watt. Bis 1930 stieg diese Zahl auf 22 Radiosender in der Hauptstadt, während sich die Zahl im Landesinneren mit zwei Sendern nur minimal erhöhte (vgl. Russovich / Lacroix o. J., 3f). Nahezu von Anbeginn an war der Hörfunk in Argentinien durch eine gewinnorientierte Ausrichtung geprägt, eine Prägung, die er bis heute beibehalten hat. Ab 1928 unterstand das neue Medium zwar dem Marineministerium, aber bis Mitte 1930 hatten jegliche gesetzliche Reglementierung und auch nur annähernd verbindliche Organisations- und Gestaltungsnormen im Rundfunkwesen gefehlt (Horvath 1986, 20). Primär setzten wirtschaftliche Gesichtspunkte die Regeln und die Norm. Anders gesagt: die Protagonisten der wirtschaftlichen Entwicklung Argentiniens diese waren in starkem Maße ausländischer Herkunft - bestimmten sie über die Werbung (vgl. Russovich / Lacroix o. J., 4). Die Werbung war also ein stimulierendes Bindeglied zwischen Wirtschaft und Rundfunk: Werbeeinnahmen machten die Einrichtung weiterer kommerziell betriebener Radios erst finanzierbar, die dann ihrerseits in der Funktion von Werbeträgern auf die Gestaltung des argentinischen Marktes zurückwirkten. Erstmals unternahm die Regierung unter Hipólito Yrigoyen einen Versuch, reglementierend in die Radiodifusión einzugreifen: Post- und Telegraphenministerium wurden 1928 mit der Lizenzierung des Rundfunks beauftragt; eine staatliche Kommission wurde gebildet, die die Programmgestaltung überwachen sollte. Eine entsprechende Rechtsgrundlage in Form eines Rundfunkgesetzes beispielsweise besaß diese staatliche Kontrolle noch 25 Jahre lang nicht. Sanktionen, Normen für Werbung und Programm, Vor- und Nachzensur, wurden durch einzelne Dekrete und offizielle Instruktionen vordergründig abgesichert. Diese rechtlichen Provisorien waren kaum mehr als ein rechtliches Vakuum, in dem weder die Weichen für zukünftige Entwicklungen gestellt noch damalige Probleme angemessen gelöst werden konnten. Der Kampf um den Werbekunden wurde im Laufe der dreißiger Jahre immer unsauberer; ab 1937 strebten die Privateigentümer des Radios eine Organisation der Sender in Sendernetzen an. Sie hatten dabei die nordamerikanischen "Networks" vor Augen. Auch in Regierungskreisen wurden Ideen der Vernetzung der Sender gehegt. Allerdings liebäugelte man dort mit dem englischen Vorbild, dem Modell der BBC (vgl. Russovich / Lacroix o. J . , 15). Im Jahre 1940 gab es in Argentinien 50 Sender, 14 davon in der Hauptstadt. Drei der hauptstädtischen Sender hatten sich mittlerweile zu den Achsen des Hörfunks
47 entwickelt: Radio El Mundo (gegr. 1935; Eigentümer Verlagshaus Haynes), Radio Belgrano (gegr. 1924 unter dem Namen Radio Nacional, 1925 umbenannt in Radio Belgrano; Eigentümer Jaime Yankelevich, Radiozubehörhändler) und Radio Splendid (gegr. Ende der zwanziger Jahre). Zwischen 1937 und 1941 hatten diese Sender mit staatlicher Lizenz große Senderketten errichtet. 1937 gründete der Staat Radio del Estado, das heutige Radio Nacional. Vier Sender standen damit an der Spitze der Senderketten, die den gesamten Informations- und Unterhaltungsmarkt umspannten, unter sich aufteilten und von ihrem zentralen Sitz Buenos Aires ins Landesinnere ausstrahlten (Brenca de Russovich 1983, 11). Kleinere Sender im Landesinneren konnten der hauptstädtischen Konkurrenz der Sender en cadena nur sehr begrenzt standhalten. Zwischen 1946 und 1955, unter der Regierung Perón, war der staatliche Zugriff auf die Medien nahezu total. Dies galt insbesondere für die Funkmedien. Das 1946 erlassene Manual de Instrucciones para las Estaciones de Radiodifusión autorisierte rigide Eingriffe, wie z. B. die Vorzensur oder auch die Suspendierung ganzer Programmeinheiten (Horvath 1986, 21). Militaristische Elemente setzten sich innerhalb der Programme immer stärker durch. Beispielsweise wurde vorgeschrieben, jede Sendung mit einem Militärmarsch zu beginnen und zu beenden. Der Anteil ausländischer Musik durfte nicht über 25 Prozent liegen. Weitaus einschneidender aber waren die Eingriffe in die Organisation des Rundfunks. Für die Zwecke peronistischer Massenmobilisierung eignete sich das Medium Radio hervorragend. Die Strukturen des Hörfunkwesens waren schon vor Antritt Peróns zentralistisch angelegt, so daß hier die Gleichschaltung noch einfacher bewerkstelligt werden konnte als im Pressebereich. "Todas las ondas para Perón" (Sirven 1984, 116) - dieser Slogan war 1951 Realität geworden. Sendestationen wurden geschlossen, andere enteignet Mit rund 18 Millionen Pesos kaufte Perón den gesamten privaten Hörfunk formlos auf und überführte ihn in Staatsbesitz. Nur ein Sender in San Juan, dessen Besitzer über genügend Kapital verfügt hatte, um sich dem staatlichen Ankauf zu widersetzen, war übriggeblieben. Alle anderen Sender im Landesinneren wurden in Senderketter zusammengeschlossen (vgl. Noguer 1985, 58). Die finanziellen Transaktionen waren zum Großteil über Strohmänner erfolgt. Das Verlagshaus Haynes und Jaime Yankelevich waren hier kooperationsbereite Partner für Perón, die ihrerseits über eine Art Gewinnbeteiligung von den "Einkäufen" ihres Präsidenten profitierten. 1955 existierten vier Sendernetze in Argentinien, ein offizielles, geleitet von Radio del Estado und drei formal weiterhin als "privat" deklarierte: Red "A" - Ed. Haynes, Red "B" - Asociación Promotores de Teleradiodifusión S. A. (APT) und Red "C" - La Razón Emisora, Financiera y Comercial. Alle drei Netze wurden von zwei Männern aus dem engsten Kreise Peróns dirigiert, von Carlos Aloè und Jorge Antonio (Noguer 1985,63). Per Gesetz hatte man schon 1953 alle Radio- und Fernsehdienste der alleinigen Zuständigkeit des Ministerums für Kommunikation der Nation unterstellt (ebd. 70). Dieses Gesetz Nr. 14.241, das erst 33 Jahre nach der ersten Radiosendung erlassen worden war, war das erste argentinische Rundfunkgesetz. Nachdem Perón 1955 durch einen Putsch aus dem Amt gedrängt worden war, versprach die neue Regierung unter General Pedro Eugenio Aramburu, das Staat-
48 liehe Medienmonopol zu zerschlagen. Per Gesetz wurden privatwirtschaftliche Hörfunknetze verboten; das staatlich-offizielle Netz wurde SECOM (Secretaría de Comunicaciones) unterstellt, die staatlich-kommerziellen Sender der Munizipien und Universitäten der SIP (Secretaría de Información Pública). Der für die Medien zuständige Büiokratieapparat wurde um ein Organ, den CONART (Consejo Nacional de Radio y Televisión) erweitert Seine Funktionen entsprachen dem heutigen COMFER (Comité Federal de Radiodifusión): Programmkontrolle, Ausschreibung und Zuerkennung von Frequenzen. Der Staat blieb also Eigentümer der Frequenzen und ideologischer Wächter über Programminhalte (Horvath 1986, 23; Sirven 1984, 121). Im Landesinneren hatten vorzugsweise Zuchtunternehmer, Weinhändler oder Großgrundbesitzer die Promotorfunktion im Femsehbereich übernommen. Allerdings: "Jeder einzelne dieser Kanäle wurde jedoch unter der direkten Inspiration und mit der finanziellen Hilfe einer der drei privaten Kanäle von Buenos Aires gegründet, die sich ... ihrerseits für sie (die Kanäle im Landesinneren, Anm. Verf.) als das erwiesen, was die nordamerikanischen 'Mutterkanäle' für C. 9, C. 11 und C. 13 in Buenos Aires waren. Alles in allem, waren die "kleinen" Kanäle nützlich, um die Rentabilität der von den 'Mutterkanälen' oder deren Produktionsfirmen gefertigten Programme zu steigern ..." (Noguer 1985,73; Übersetzg. Verf.). Die direkte Abhängigkeit von ABC, NBC und CBS schwächte sich bis Anfang der siebziger Jahre ab. Eine Unternehmergruppe um Alejandro Romay und den Großverleger Julio Korn übernahm 1965 die M?C-Aktien bei Canal 9; Héctor R. García (Herausgeber von Crónica) kaufte ABC die Aktien bei Canal 11 ab und der lateinamerikanische Medienzar Goar Mestre übernahm gemeinsam mit dem Verlag Atlántida Canal 13 (vgl. Noguer 1985, 74). Neben einer Änderung der Besitzverhältnisse hatte sich nun also auch eine multimediale Konzentration in der argentinischen Medienlandschaft vollzogen. Die Privatisierungspläne der Militärs waren zwischen 1955 und 1972 an Grenzen gestoßen. Der wirtschaftliche Niedergang Argentiniens zeitigte hier seine Folgen, so daß auch die militärfreundlich gestimmten Privatunternehmer vor Investitionen im Medienbereich zurückschreckten, die Hoffnungen der jeweiligen Militärs also nicht erfüllten. 1971 waren noch mehr als 50 Prozent des Rundfunks in staatlicher Hand (Noguer 1985, 75). Gerade diese Sender steckten zu Beginn der siebziger Jahre tief in den roten Zahlen. Im Jahre 1972 wurde das COMFER (Comité Federal de Radiodifusión) gegründet, eine Kontroll- und Überwachungseinrichtung des Rundfunkwesens. Die Maßstäbe der Arbeit des COMFER wurden primär durch militärische Gesichtspunkte bestimmt, die in der Doktrin der Nationalen Sicherheit verankert waren. Vor- und Nachzensur, schwarze Listen und die Vorgabe, den Rundfunk künftig allein zu Gunsten der Regierung einzusetzen, bestimmten den Medienalltag unter den Regierungen Cámpora, Lastiri, Juan D. Perón und Isabel Perón. Die Restriktionen erstreckten sich bis hin zur Reglementierung des Sprachgebrauches. So durften beispielsweise die Namen der verschiedenen Guerrillas (Montoneros, ERP, FAR usw.) in Argentinien in Rundfunksendungen nicht mehr fallen (Noguer 1985, 82). Den Sendern Canal (3x) 9, 11 und 13 wurden 1973 die Lizenzen per Dekret entzogen. Auch Canal 8 in Mar del Plata und Canal 7 in Mendoza wurden 1974 verstaatlicht (Sirven
49 1988, 23). Auf diesem Fundament des dekretierten Staatszugriffes auf die Medien brauchte die Militärdiktatur (1976-83) nur noch aufzubauen. Anfang der siebziger Jahre beherrschte Terror das gesellschaftliche und politische Leben in Argentinien. Von da ab unterlag der gesamte Rundfunk einer totalen staatlich-militärischen Kontrolle. Die drei Waffengattungen hatten die wichtigsten Medien unter sich aufgeteilt. Die Marine kontrollierte Canal 13, Radio El Mundo, Radio Mitre und Radio Antártida. Canal 9, Radio Belgrano, Radio Argentina und Radio Pueblo fielen dem Heer zu. Der Luftwaffe schließlich unterstanden Canal 11, Radio Excelsior und Radio Splendid (Horvath 1988, 58). Wiederum war der Zugriff auf das Funkmedium aufgrund seiner Organisationsweise reibungsloser vonstatten gegangen als der Zugriff auf die Presse. Und gerade der Rundfunk diente den Militärs als direktes Kampforgan weitaus effektiver als die Presse. Die Geschehnisse während des Falkland- / Malwinen-Krieges belegen, daß Rundfunk ein Teil der Kriegsstrategie war. Auf den Malwinen wurde die Island Broadcasting Station in Radio Nacional Islas Malvinas umgewandelt; in Argentinien wurden alle privaten und staatlichen Stationen zu einem "Sendernetz der nationalen Souveränität" zusammengezogen (Koschwitz 1983, 57). Die militärische Zensur verschärfte sich bis hin zur gezielten Fehlinformation. Aber auch die Briten setzten die BBC gezielt als Mittel der Kriegsfülirung ein, so daß das Geschehen im Südatlantik auch die Dimension eines "Rundfunkkrieges" annahm (Gleim 1983, 29). Auch für die dirigistische Militärpolitik im Rundfunkwesen besiegelte das Fiasko auf den Falklands / Malwinen das endgültige Ende. Der demokratischen Transition wurden die Türen aufgestoßen.
4.2.
Rundfunkrecht
Das heute geltende Rundfunkgesetz wurde unter der Regierung von General Videla im September 1980 verfaßt und durch das reglementierende Dekret Nr. 286 im Februar 1981 verabschiedet Das Rundfunkgesetz gliedert sich in elf Abschnitte, in denen der technische, administrative und normative Rahmen für den argentinischen Rundfunk abgesteckt werden. Gerade am normativen Rahmen läßt sich am deutlichsten ablesen, in welchem Maße dieses Gesetz ein ideologisches Produkt der letzten Militärdiktatur gewesen ist und zugleich als fester Bestandteil dieses Regimes fungierte. Nach Einsetzen der demokratischen Transition wurde zwar die Reformierung dieses Gesetzes diskutiert, bislang aber nicht vollzogen. Damit ergibt sich der problematische Umstand, daß ein in autoritärem Tenor formuliertes Gesetz die rechtliche Grundlage bildet für das Mediensystem innerhalb der demokratischen Transition. Exemplarisch herausgegriffene Maßgaben des Rundfunkgesetzes sollen im folgenden belegen, auf welcher rechtlichen Basis Hörfunk und Fernsehen heute noch de jure stehen: Art. 5 führt beispielsweise aus, der Rundfunk habe sich der kulturellen und moralischen Bereicherung der Bevölkerung zu widmen, der Respekt gegenüber Institutionen und Gesetzen solle gestärkt werden, für die Integrität der Familie, die historische Tradition des Landes und die Gebote der christlichen Moral müsse der Rundfunk bürgen (Ley Nr. 22.285 'Ley de Radiodifusión' 1980, Art 5). In
50 Art. 14 werden die Ansprüche formuliert, denen die Inhalte von Rundfunksendungen gerecht werden müssen: Glaube und Hoffnung in die Ziele der argentinischen Nation seien zu stärken, die Partizipation des Argentiniers im Dienste der nationalen Zwecke sei voranzutreiben (Ley Nr. 22.285 1980, Art 14). Weder Art. 5 noch Art. 14 formulieren eine Informations-, Bildungs- oder Unterhaltungsfunktion des Rundfunks explizit. Diese Funktionen werden zwar im Tenor der Gesetzespassagen impliziert, stehen aber stets im Kontext der von den Militärs verfolgten Doktrin der nationalen Sicherheit und vollständigen Umerziehung des Volkes. In Art 7 wird als übergeordnetes Ziel die nationale Sicherheit formuliert, der der Rundfunk zu dienen habe: "... zu diesem Zweck wird die Nationale Exekutive den Gebrauch und die Leistungen aller, in diesem Gesetz vorgesehenen Dienste unter zeitweilige Restriktionen stellen können" (Ley Nr. 22.285 1980, Art. 7). Nicht nur der Inhalt der Mitteilung, sondern auch die Form seiner Vermittlung ist dem Ziel der nationalen Sicherheit unterzuordnen. Wörtlich heißt es in Art 18: "Die Behandlung der Information... muß vermeiden, daß es durch den Inhalt derselben oder durch die Ausdrucksweise zu öffentlicher oder kollektiver Beunruhigung kommt. Die Information darf weder die nationale Sicherheit verletzen, noch das Lob unerlaubter Aktionen oder die Befürwortung von Gewalt ... implizieren (...)" (Ley Nr. 22.285 1980, Art 18). Verständlicherweise hat es sich das Militärregime vorbehalten, jeweils zu definieren, was der nationalen Sicherheit dient und was nichL Detaillierte Anleitungen zu Inhalt und Gestaltung von Rundfunksendungen schreibt das Dekret Nr. 286 vor, das das Rundfunkgesetz ausführend begleitet. In Art. 2, Abs. e) heißt es dort beispielsweise wörtlich: "Die Information über subversive Akte darf nur ausgestrahlt werden, wenn durch Bild, Schilderung, Darstellung oder Bericht der kriminelle Charakter der Ereignisse bestätigt wird (...)" (Dekret Nr. 286, Art. 2, Abs. e). Verbindlich sind die im Rundfunkgesetz und Dekret festgeschriebenen Normen nicht nur für den redaktionellen Teil der Sendungen, sondern auch für die jeweiligen Werbeeinblendungen. Fernsehwerbung, so schreibt es Art. 23 des Rundfunkgesetzes vor, muß national produziert werden. Ihr Anteil pro Sendestunde darf im Hörfunk nicht über 14 Minuten, im Femsehen nicht über zwölf Minuten liegen. Neben normativen Bestimmungen liefern Gesetz und Dekret auch Vorgaben für den technischen und administrativen Bereich des Rundfunks: Die beiden zentralen Institutionen des Rundfunkwesens sind die Secretaría de Estado de Comunicaciones (SECOM) und das Comité Federal de Radiodifusión (COMFER). Beide erfüllen ihre
51 Aufgaben arbeitsteilig. Rundfunktechnische Belange fallen unter die Zuständigkeit der SECOM; Verwaltungs- und Überwachungsaufgaben nimmt das COMFER wahr: Beide Einrichtungen sind der Exekutive unterstellt. Detailliert sind die Aufgaben der SECOM in Art. 94, die des COMFER in Art. 95 des Rundfunkgesetzes festgehalten. So soll die SECOM u. a. die technischen Einrichtungen der Sendestationen überwachen, an internationalen Konferenzen über Frequenzzuteilungen teilnehmen, Frequenzen, Sendeleistungen und Erkennungszeichen der einzelnen Sender festlegen. Darüber hinaus hängt der offizielle Rundfunkdienst Servicio Oficial de Radiodifusión (SOR) direkt von der SECOM ab. Das COMFER untersteht direkt der Exekutive und wird von zwei Organen gebildet: einem siebenköpfigen, von der Exekutive eingesetzten Direktorium und einer Kommission mit beratender Funktion. Der Kommission gehören Vertreter aus allen Ministerien und Angehörige der staatlichen Geheimdienste an. Das COMFER soll unter anderem die Rundfunkübertragung im Hinblick auf ihre kulturellen, künstlerischen und kommerziellen Aspekte kontrollieren, Programme und Sendungsinhalte überwachen. Eine weitere Aufgabe des COMFER liegt in der Ausschreibung des öffentlichen Wettbewerbs, in dem die Lizenzen zur Betreibung von Rundfunksendern vergeben werden. All diese Funktionen ließen das COMFER unter der letzten Militärdiktatur (1976-83) zu einer staatlichen Zensurbehörde werden. Auch heute erfüllt das COMFER als Herzstück des argentinischen Rundfunkwesens noch Überwachungsfunktionen und verfügt über Sanktionsmöglichkeiten, die sich jetzt allerdings weitgehend auf die Einhaltung der Werbelimits konzentrieren. Die Zuerkennung von Lizenzen erfolgt über eine öffentliche Ausschreibung, die die Exekutive über das Organ COMFER vornimmt. Normalerweise werden Lizenzen für eine Dauer von 15 Jahren an Privatpersonen, Gesellschaften oder staatliche Einrichtungen vergeben. Eine Verlängerung der Lizenz um zehn Jahre ist grundsätzlich möglich. Die Bewerber müssen unter anderem folgende Kriterien erfüllen: "Argentinier sein,... moralische Qualität und kulturelle Eignung besitzen, die beide durch einen nachprüfbaren Lebensweg verbürgt werden müssen" (Art. 45, Abs. a) u. b). Außerdem darf der Bewerber weder Eigentümer noch Teilhaber verschiedener rundfunkbetreibender Gesellschaften sein; juristische oder wirtschaftliche Verquickungen mit in- und ausländischen Medienuntemehmen dürfen de jure nicht bestehen (vgl. Art. 45 Abs. e) u. 0- Im letzten Kapitel des Rundfunkgesetzes wird u. a. auf eine anzustrebende Entwicklung besonders abgehoben: die Privatisierung im Rundfunkbereich. Neue Brisanz erhielt dieses Thema unter der Regierung von Carlos Menem: Die staatlichen Fernsehsender der Hauptstadt wurden Ende Dezember 1990 an private Betreiber übergeben. Der staatlich-offizielle Sender, Canal 7, blieb von dieser Privatisierungswelle unberührt. Wer in Argenünien legal Hörfunk betreiben will, benötigt also eine staatliche Lizenz. In regelmäßigen Abständen schreibt der staatliche Rundfunkrat COMFER freie und freiwerdende Frequenzen öffentlich aus. Die Bewerber auf solche concursos müssen dem COMFER bescheinigen, daß sie die im Rundfunkgesetz fest-
52 geschriebenen Bedingungen und Tauglichkeiten, die an den Lizenzträger gestellt werden, erfüllen. Seit dem Sturz Peróns sind vor allem drei große Ausschreibungen erwähnenswert: Sie erfolgten jeweils auf die Verabschiedung der neu erlassenen Rundfunkgesetze in den Jahren 1957 (Decreto Ley 15.460), 1972 (Ley 17.998) und 1980 (Ley 22.285) und zielten auf die Privatisierung des Hörfunks ab (Uranga 1988,1040. Der Großteil der heutigen Sender wurde im Verlauf der sechziger Jahre eingerichtet und zum ersten Mal lizenziert. Seit dem Zusammenbruch der letzten Militärdiktatur im Jahre 1983 wurden nur sieben neue Sender eröffnet (vgl. COMFER, Listado de Emisoras Abiertas de Radio, August 1989). Durch das Rundfunkgesetz von 1980 wurde die Einrichtung von sogenannten servicios complementarios bzw. circuitos cerrados legalisiert Das Programmangebot dieser Radio- und Femsehstationen ist abonnierbar. Über Gemeinschaftsantennen und Kabel wird es in die Haushalte übertragen. Seit Mitte der achtziger Jahre wächst die Zahl der circuitos cerrados gerade im Landesinneren beständig.
4.3.
Die Struktur des Hörfunks in Argentinien heute
4.3.1. Bestand und Verbreitung Ende 1989 waren in den Lizenzlisten des COMFER 172 drahtlos übermittelnde Hörfunksender registriert. 104 dieser Stationen senden zugleich auf Mittelwellenfrequenz (AM) und auf Ultrakurzwelle (FM). Die Einführung der qualitativ höherstehenden FM-Übertragung - durch das Rundfunkgesetz von 1972 als zwingend erklärt für alle sendestarken AM-Sender - verlief bis Ende der achtziger Jahre zögerlich. Ein Grund hierfür mögen Engpässe in der Produktion von FM-empfangsfähigen Radiogeräten gewesen sein. Eine ebenfalls relativ junge Erscheinung innerhalb des argentinischen Hörfunks sind die 380 circuitos cerrados, die landesweit bestehen (vgl. COMFER, Listado, 1989). Gemäß Art. 6 des Rundfunkgesetzes werden in Argentinien keine Rundfunkgebühren erhoben. Damit unterliegt gerade der nicht-offizielle Hörfunk sehr stark privatwirtschaftlichen Maximen, d. h. das Geschäft mit der Werbung wird zum zentralen Element des Hörfunkbetriebes. Insgesamt drei Viertel der Radiosender arbeiten kommerziell und damit gewinnorientiert. Die Abhängigkeit von der Werbung und den dahinterstehenden Kundeninteressen kann bei ihnen zur Existenzfrage werden. In Argentinien ist der überwiegende Teil der Hörfunksender zwar privatwirtschaftlich organisiert, dennoch ist der Anteil staatlich betriebener Sender zumindest bis ins Jahr 1989 beachtlich: 41,2 Prozent der 172 emisoras abiertas werden staatlich betrieben. Unterschieden werden muß hier zwischen staatlich-offiziellen Medien des SOR (Servicio Oficial de Radiodifusión), die alleine aus Staatsgeldern Finanziert werden, und staatlich-kommerziell funktionierenden Sendestationen, die zwar von staatlichen Institutionen betrieben, aber durch Werbung finanziert werden. Im Falle der staatlich-kommerziellen Sender verschwimmt die Grenze zum privaten Sektor stark. Unterschiede, beispielsweise in der Programmstruktur, lassen sich zwi-
53 sehen beiden Organisationsformen kaum feststellen. Die Zweiteilung sagt darüber hinaus auch kaum etwas über den Grad der politischen Unabhängigkeit des Senders aus, d. h. der Begriff "privat" sollte nicht unbedingt mit "politisch unabhängig" assoziiert werden und "staatlich" muß nicht zwingenderweise "offiziell" bedeuten. Tabelle 6 liefert einen Überblick über Anzahl und Organisationsform der argentinischen Hörfunksender.
Tabelle 6:
Anzahl und Anteile der kommerziell und nichtkommerziell betriebenen Radiosender*
Betreiber
Senderanzahl
Anteil an der Gesamtzahl
(%)
Staatlich-offiziell (SOR)1
41
23,8
Staatlich-kommerziell davon: - Kultursubsekretariat - Provinzregierungen - Munizipalregierung - Universitäten
30
17,4
15 3 8 4
8,7 1,7 4,7 2,3
Privat-kommerziell
101
58,7
Insgesamt
172
100,0
Quelle: eigene Aufstellung auf der Grundlage: COMFER: Listados de Emisoras Abiertas de Radio. (Computerausdruck). Buenos Aires, August 1989 * bezogen auf die registrierten 'emisoras abiertas' 1 (SOR) = Servicio Oficial de Radiodifusión (offizieller Rundfunkdienst)
Nicht enthalten in dieser Aufstellung sind die sogenannten radios clandestinas bzw. radios libres, kleine und sendeleistungsschwache Radiostationen (Reichweite: etwa ein bis sieben Kilometer), die ohne die vorherige Autorisation des COMFER Frequenzen besetzen. Gegenwärtig soll es laut offiziellen Angaben des COMFER ca. 400 solcher Sender geben; laut Angaben des Präsidenten der Asociación de Radios Comunitarias (ARCO) mehr als 1000. Etwa 25 Prozent davon senden im Stadtgebiet Buenos Aires. Als Standorte werden vorzugsweise Stadtrandsiedlungen und Elendsviertel gewählt. Allein die Tatsache, daß ein Dachverband wie die ARCO existiert, beweist, daß die "geheimen" Radios mittlerweile weit mehr sind als "Schwarzfunk": Sie können als mehr oder weniger organisierte Reaktion auf die quantitaven Versorgungslücken
54 und qualitativen Mißstände innerhalb des etablierten Hörfunksystems interpretiert werden. Medienspezialisten sprechen von einer "reforma agraria del aire" (Uranga 1988, 122), d. h. einer "Bodenreform der Luft". Die der ARCO angegliederten Sender verstehen sich als "Minderheitenradios". Sie versuchen, Prinzipien wie Meinungspluralismus und Gleichberechtigung von Rezipient und Kommunikator zu verwirklichen. Allerdings sind auch reichlich Beispiele vertreten, in denen sich ehemalige radios libres in schlichte "disk-jockey-Radios" verwandelt haben (Uranga 1988, 122). Bislang versuchte das COMFER vergeblich, die "Frequenzenbesetzung" zu unterbinden. Kurioserweise sind unter den Initiatoren der "freien Radios" auch Vertreter des offiziellen Lagers, Provinz- und Gemeindepolitiker.
4.3.2. Geographische Verteilung und regionale Konzentration der Hörfunksender Etwa 37 Prozent aller Sendestationen konzentrieren sich standortmäßig auf die Provinzen Buenos Aires, Córdoba, Mendoza und Santa Fe. Gemeinsam mit den hauptstädtischen Sendern entfallen auf diese große, zentrale Region nahezu 45 Prozent der Hörfunkstationen, wovon wiederum fast 40 Prozent der Sender in der Provinz Buenos Aires installiert sind. Völlig andere Verhältnisse zeigen sich in den südlichen und in den nördlichen Provinzen. Dort ist die Anzahl der Sendestationen pro Provinz durchweg gering. In beiden Landesteilen reicht die Summe aller Sendestationen nicht an die Senderzahl innerhalb der Provinz Buenos Aires heran: Auf die südlichen, patagonischen Provinzen zuzüglich des Nationalterritoriums Feuerland entfallen 17 Prozent aller Radiosender. Im nationalen Vergleich schneiden die am nördlichen Rand der Republik gelegenen Provinzen noch schlechter ab: Insgesamt nur 15 Prozent aller argentinischen Sender sind in Catamarca, Formosa, Jujuy, La Rioja und Misiones angesiedelt In Catamarca und la Rioja ist die Situation besonders extrem, denn dort wird Hörfunk jeweils nur durch einen einzigen Sender bestritten, und der ist zudem staatlich-offiziell. Im Süden wie im Norden verbirgt sich hinter der spärlichen Senderanzahl ein mangelndes Engagement privater Hörfunkveranstalter. Deshalb ist in den dünn besiedelten Regionen Patagoniens und den vorwiegend rural geprägten Zonen des Nordostens und Nordwestens der Staat als Betreiber vergleichsweise stark vertreten: In Corrientes dominiert er den Hörfunkmarkt zu 56 Prozent; in Formosa zu 66 Prozent; in den Provinzen Catamarca und La Rioja ist der Staat über den SOR sogar Alleinbetreiber, ebenso in Feuerland. Die Unterschiede in der regionalen Verteilung der Radiosender relativieren sich, setzt man sie mit den jeweiligen Bevölkerungszahlen der Region in Beziehung: Etwa 68 Prozent der Gesamtbevölkerung leben in der zentralen Region Argentiniens, in den Provinzen Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, Santa Fe und der Hauptstadt Buenos Aires. Im Patagonischen Raum leben nur 3,9 Prozent der Gesamt-
55 Tabelle 7:
Anzahl der Radiosender in den zentralen Provinzen, in südlich gelegenen und ausgewählten nördlichen Provinzen
Provinz
Anzahl der Sender insg. (H) (mit FM)
Anteil an der gesamten Senderanzahl (%)
Zentralprovinzen : Buenos Aires Córdoba Mendoza Santa Fe Hauptstadt Buenos Aires
30 14 9 11
Zwischensumme:
77
(2) (4) (4) (3)
13
24 10 4 8
17,4
11
7,5
19,7
44,6
Südliche Provinzen: Chubut Neuquén Río Negro Santa Cruz Territorialgebiet Feuerland + Antarktis Zwischensummc:
7 4 8 7 3
(1) (2) (2)
4 1 2 3
4,0 2,3 4,6 4,0
(1)
2
1,7
-
29
16,6
Nördliche Provinzen: Catamarca Corrientes Formosa Jujuy La Rioja Misiones Zwischensumme
Summe
1 7 3 5 1 9
(1) (2) (2) (3) (1) (2)
-
i -
1 -
5
0,6 4,0 1,7 2,9 0,6 5,2
26
15,0
132
76,2
Quelle: Eigene Aufstellung auf der Grundlage: COMFER: Listado de Emisoras Abiertas de Radio. (Computerausdruck.) Buenos Aires, August 1989. (H) = Sender in der Provinzhauptstadt
56 bevölkerung und rund 17 Prozent aller Sender sind dort angesiedelt, was im Vergleich mit der Situation in den zentralen Provinzen ein durchaus positives Verhältnis ist. In den nördlichen Provinzen kommen auf 7,5 Prozent der Gesamtbevölkerung etwa 15 Prozent aller Sender. Diese Zahlen vermögen die zunächst extrem erscheinenden Disparitäten innerhalb der Hörfunklandschaft abzumildern. An der Tatsache, daß z. B. der Hörer in La Rioja nur durch einen einzigen Sender bedient wird, während in Buenos Aires aus einem zumindest quantitativ reichen Angebot ausgewählt werden kann, ändert dies jedoch nichts. Wie wirkte sich die Einführung der servicios complementarios auf die bestehende Hörfunklandschaft aus? Gedacht waren die über Kabel übermittelten FM-Dienste als Erweiterung und qualitative Verbesserung des Bestehenden. Dieser Anspruch wurde nur teilweise erfüllt, denn in sehr starkem Maße konzentrieren sich auch die servicios complementarios auf die zentralen Provinzen Argentiniens, die überdurchschnittlich gut durch die emisoras abiertas versorgt sind. Allein auf die Provinz Buenos Aires entfallen rund 37 Prozent der 380 Kabel-FM-Stationen. In gewisser Weise vergrößert sich so die Kluft zwischen hörfunkmäßig gut versorgten und den eher vernachlässigten Landesteilen noch.
43.3.
Hörfunkstationen
4.3.3.1. Staatlich-offizieller Hörfunk Der staatlich-offizielle Hörfunk wird über die Radios LRA Nacionales vom SOR, dem sogenannten "offiziellen Radiodienst", betrieben. Der SOR wiederum ist ein administratives Oigan des Staates, das der Secretaría de Comunicación (SECOM) untersteht und von ihr finanziert wird. Die LRA's senden keine Werbung. Mit insgesamt 41 Radios Nacionales reicht der SOR vom äußersten Norden der Republik (La Quiaca, Jujuy) bis in den untersten Süden (Ushuaia, Feuerland), den von Argentinien beanspruchten Teil der Antarktis eingeschlossen. Der Auftrag des SOR ist es, die Bevölkerung über Regierungsakte auf nationaler und internationaler Ebene zu informieren.Daneben soll er edukative Funktionen übernehmen, z. B. die Grund- / Mittelschulausbildung begleiten und ergänzen oder auch spezielle Programme für Minderheiten ausstrahlen. Aber gerade bei diesem Programmauftrag stößt der SOR an Grenzen, die ihm seine starre Organisationsform diktiert. Journalisten, die beim SOR angestellt sind, kritisieren die stark hierarchische Struktur und die relativ willkürlichen Eingriffe der SECOM, eines staatlichen Apparates voller Rundfunktechniker und Verwaltungsbeamter, die programmpolitische und redaktionelle Entscheidungen treffen. Zielvorgabe der Radios Nacionales in den Provinzen ist es, eigene Regionalprogramme zu erstellen. Dieser Anspruch wird jedoch kaum eingelöst; regionale bzw. auf Provinzgeschehen abgestimmte Bezüge werden meist nicht einmal ausreichend in Nachrichtensendungen hergestellt. Beispielsweise beziehen sich in LRA 21 Radio Nacional Santiago del Estero 50,7 Prozent der ausgestrahlten Information auf Hauptstadtgeschehen (Uranga 1988, 48). Auf die dem SOR zugeschriebenen Funktionen der sozialen Integration oder auch der Förderung des Föderalismus kann sich
57 der hohe Anteil an aufgezeichneten Programmteilen, die von LRA 1 Radio National de Buenos Aires ins Landesinnere übermittelt werden, nur negativ auswirken. Die in der Hauptstadt produzierten Sendungen erreichen die Provinzen nicht via Satellit sondern über Kurzwelle, denn bisher war für Radio National das Anmieten eines Kanals auf INTELSAT zu kostspielig. Gegenwärtig sendet LRA 1 Radio National de Buenos Aires mit 100 Kw. Der Primär-Empfangsradius liegt bei 135 Kilometern. In der Zentrale in Buenos Aires sind etwa 500 Personen beschäftigt, ca. 180 davon im journalistischen Bereich. Die technische Ausstattung des Senders ist etwa 30 Jahre alt und damit völlig veraltet Im Landesinneren sind die sendetechnischen Anlagen des SOR in noch schlechterem Zustand. Studio- und Aufnahmeeinrichtungen sind auf dem Stand der frühen fünfziger Jahre, mehrfach repariert, oft unvollständig oder bunt zusammengewürfelt Die personelle Besetzung ist völlig unzureichend. Bei LRA 21 Radio National Santiago del Estero sind zum Beispiel 24 Personen beschäftigt, davon nur zwei als Journalisten (Uranga 1988,43).
433.2.
Staatlich-kommerzieller Hörfunk
Die Subsecretaría de Cultura, einige Provinz- und Munizipalregierungen sowie einzelne Universitäten im Landesinneren betreiben staatlich-kommerziellen Hörfunk. Diese Sender unterstehen der staatlichen Secretaría de Prensa y Difusión, finanzieren sich aber den privaten Anbietern gleich über ausgestrahlte Werbung. Im Gegensatz zum SOR sind die Funktionen des staatlich-kommerziellen Hörfunks im Rundfunkgesetz nicht näher definiert. Konkret geht nur Art. 11 auf die Bestimmung dieser Sender ein, indem er die Grenzen des staatlich-kommerziellen Engagements aufzeigt: Provinz- und Munizipalregierungen soll nur in den Regionen eine Hörfunklizenz erteilt werden, in denen sich keine privaten Anbieter finden; es darf jeweils nur ein AM- und ein FM-Sender betrieben werden. Diese gesetzlichen Vorgaben bringen die Provinz- und Munizipalradios in eine relativ zwiespältige Lage, da ihnen der Gesetzgeber eine Art Übergangscharakter zuschreibt: "All diese Bestimmungen bedeuten, daß von dem Moment an, an dem sich der von Provinzen und Munizipien betriebene Rundfunk als rentabel erweist, sich die Privatanbieter - nun sehr wohl ... interessiert - um die entsprechende Lizenz bewerben werden, um sie wirtschaftlich auszunutzen. Nur solange die Provinz- und Munizipalradios Medien mit geringer oder gar keiner Wichtigkeit sind, werden sie existieren können" (Noguer 1984, 377, Übersetzg. Verf.). Die im Rundfunkgesetz formulierte "Übergangsfunktion" wirkt sich auf die staatlich-kommerziellen Sender insgesamt negativ aus. Ihre Ineffizienz ist schon symptomatisch; ihre Verschuldung chronisch (vgl. ebd., 379). Einen Sonderfall stellen die Universitätsradios dar. Per Gesetz ist ihnen die Ausstrahlung von Werbung in gleichem Umfang möglich wie den privat-kommerziellen Sendern. Da die Universitätsradios jedoch Werbung traditionell als Mittel der Selbstfinanzierung betrachteten und Gewinne nicht abschöpften, sondern zum Beispiel in die Modernisierung ihrer Sendetechnik investierten, konnten sie sich zu relativ bedeutenden Sendern entwickeln. Damit war aber auch wiederum ihr Bestehen einer ständigen Bedrohung durch den Privatsektor ausgesetzt Denn für diesen
58 stellt die meist bessere Sende- und Programmqualität der Universitätsradios eine immer stärker werdende Konkurrenz im Kampf um den Werbekunden dar, so daß oftmals die Annullierung der "Uni-Frequenzen" gefordert wurde (Noguer 1985, 204f). Das 1958 gegründete LW 1 Radio Universidad de Córdoba gilt als der erfolgreichste und bedeutendste unter den Universitätssendem. Mit 12 Prozent Werbeanteil am gesamten Sendevolumen liegt LW 1 nur knapp hinter dem durchschnittlich üblichen Werbeaufkommen von 13 Prozent der privaten Radios (Uranga 1988,43 u. 58). Allerdings hinterließ die kommerzielle Ausrichtung bei LW 1 keine Spuren in der Programmqualität. Zum Beispiel zeichnet sich das Informationsangebot von LW 1 durch eine überaus gleichmäßige Gewichtung hauptstädtischer und provinzbezogener Nachrichten aus. Die Sportberichterstattung drängt die politische Berichterstattung nicht in den Hintergrund - auch das ein Unterschied zu privat-kommerziellen Sendern. Und noch ein Unterschied: Der Anteil kultureller Information liegt mit 8,1 Prozent relativ hoch, denn der Durchschnitt liegt bei 5,6 Prozent (Uranga 1988, 52f). Die Programmqualität, technische Ausstattung und personelle Besetzung (118 Beschäftigte, davon 30 Journalisten) werden als exzellent bezeichnet. Als kommerzielles Radio genießt LW 1 nationales Ansehen. Da sein Sendegebiet in eine der wirtschaftlich bedeutendsten Zonen Argentiniens fällt und die dortigen privaten Anbieter nur eine schwache Konkurrenz für den Universitätssender darstellen, war LW 1 nie genötigt, seine Unabhängigkeit durch Zugeständnisse an die Werbekunden zu schmälern (Noguer 1985, 205). Gegenwärtig sendet LW 1 auf AM und FM. Da die Nationale Universität Córdoba eine sehr gute Frequenz zugeteilt bekam, erstreckt sich die geographische Reichweite ihres Senders weit über die Provinzgrenzen hinaus. Gerade die Universitäten und ihre Sender waren in den siebziger Jahren stark im Bereich des edukativen Rundfunks engagiert. Die ersten Versuche lehnten sich dabei an das in Kolumbien praktizierte Modell des Radio Sutatenza an (Noguer 1985, 203). Gemeinsam mit dem Instituto de Cultura Popular (INCUPO) wurden u. a. in der Provinz Santa Fe Bildungsprogramme gestartet, die sich speziell an die Bevölkerung ruraler Lebensräume wandten. An verschiedenen anderen Universitäten im Landesinneren erarbeiteten Pädagogen Lehrprogramme, die eine Art "Fernstudium" ermöglichen sollten. Doch unter der letzten Militärdiktatur (1976-83) wurden diese Programme und Projekte allesamt gekippt. Erst 1984 begannen sich die Universitäten erneut für den edukativen Rundfunk stark zu machen. Allerdings setzten sie nun schwerpunktmäßig auf das Medium Femsehen (vgl. Noguer 1985, 203).
4.3.33. Privater Hörfunk Der "Servicecharakter" des privaten Hörfunks ist einer der hervorstechendsten Effekte, den die Kommerzialisierung zeitigte. Er zeigt sich vor allem im Werbegeschäft - und dort dann durchaus auch beim staatlich-kommerziellen Hörfunk. So wird den Werbekunden zum Beispiel die Möglichkeit eingeräumt, Sendeplätze
59 "anzumieten", d. h. sie bestimmen, in welcher Sendung für ein bestimmtes Produkt, Unternehmen o. ä. geworben wird (Uranga 1988,45). Die Werbung ist es auch, die über die Existenz eines Journalisten entscheiden kann. Es ist durchaus üblich, daß sich ein Journalist bei einem Sender einkauft, indem er finanzstarke Werbekunden um sich schart und diese dann seinem Arbeitgeber "vermittelt". Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als daß der Werbekunde erheblichen Einfluß darauf hat, welcher Journalist bei welchem Hörfunkuntemehmen auf Sendung geht oder nicht Die Unternehmermentalität im Hörfunk hat zur Folge, daß die Sender zu möglichst geringen Kosten arbeiten sowie die Aus- bzw. Fortbildung des Personals und die technische Erneuerung der Übertragungsanlagen hintanstellen (Uranga 1988, 12). Erwirtschaftetes Kapital wird dem Hörfunkuntemehmen meist entzogen, statt es zu reinvestieren, was zu Lasten der technischen Einrichtung, des Personalbestandes und der Programmqualität geht. Dennoch erreichen die Programme der privaten Sender Einschaltquoten, von denen staatliche Sender nur träumen können. Ein Beispiel: Eine halbe Million Menschen schalten in der Hauptstadt Buenos Aires ihr Radiogerät ein, wenn der marktbeherrschende Privatsender der Metropole, LS 5 Radio Rivadavia, sein Morgenprogramm Rapidísimo (7.00-12.00 Uhr) ausstrahlt. LRA 1 Radio Nacional erreicht als absoluten Spitzen wert nur knapp 100.000 eingeschaltete Geräte (vgl. IPSA, Audits & Surveys Lateinamerica-Dpto. Medios, Programas de Mayor Audiencia (Cap. fed. y suburbios - AM - ) del 5.6.89 al 18.6.89).
43.4. Programme Musik, Information und Werbung sind die drei Grundpfeiler der Hörfunk-Pnogramme. Der Musikanteil am gesamten Programmvolumen beträgt durchschnittlich 44 Prozent; auf Information entfallen etwa 26 Prozent. Die Werbung macht ca. 13 Prozent des gesamten Programms aus. Etwa 17 Prozent des Programmvolumens sind mit Inhalten besetzt, die keinem der drei genannten Blöcke zuzurechnen sind (z. B. religiöse Beiträge) (Uranga 1988, 57). Das Musikprogramm setzt sich durchschnittlich zu 26 Prozent aus internationalem Pop, zu 23 Prozent aus nationaler Folklore und zu 18 Prozent aus nationer "urbaner Musik" zusammen. Der Rest entfällt auf nicht näher definierte Jugendmusik, nationale und internationale Klassik (Uranga 1988,460Noch eindeutiger ist die Betonung des Nationalen im Bereich der Information. Je nach Standort der Sender liegt der Anteil der nationalen Information zwischen 81 und 95 Prozent. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß das Informationsspektrum stark durch die Belange der Hauptstadt Buenos Aires bestimmt ist: In keinem der untersuchten Programme lag der Anteil hauptstädtischer Information unter 35 Prozent. Ein Beispiel: bei Radio LS 5 Rivadavia (Hauptstadt) entfallen etwa 73 Prozent der Information auf Themen der Hauptstadt; bei Radio LT 43 Mocovi (Chaco) sind es etwa 52 Prozent - Radio Mocovi liegt immerhin über 1000 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, in einem Lebensraum, der völlig anders strukturiert ist als die Metropole Buenos Aires und ihr Umland. Bei sechs der untersuchten Radiostationen lag der Anteil der jeweils regionbezogenen Themen weit unter 10 Prozent; bei Radio Mocovi erreichte er nur 0,5 Prozent (Uranga 1988, 48). Durch die zentralistische
60 Ausrichtung auf Hauptstadtthemen bleibt dem Hörer im Landesinneren eine über das Radio mögliche Partizipation an dem Geschehen, das seinen Lebensraum unmittelbar betrifft, versagt. Angeführt wird das tägliche "agenda-setting" der Hörfunksender im Informationssektor mit Sportthemen. Auf sie entfallen 34,4 Prozent des Informationsangebotes, umgerechnet etwa 9 Prozent des gesamten Sendevolumens. Den zweiten Platz belegen politische Themen (Handlungsträger: Regierung, Parteien, Gewerkschaften usw.) mit etwa 25 Prozent. Insgesamt ca. 20 Prozent umfassen Wirtschaftsinformationen. Die im Rundfunkgesetz verankerte Vorgabe, der Rundfunk habe der "kulturellen und moralischen Bereicherung" (Art. 5) zu dienen, schlägt somit kaum auf die praktische Programmgestaltung durch: Kulturelle Informationen bleiben mit sechs Prozent noch weit hinter dem Vermischten (15 Prozent) zurück (Uranga 1988, 52). Die Studie von Uranga und Pasquini-Durán belegt u. a., daß die Elemente, die bestimmend sind für die Programmstruktur, nach Sendem kaum differieren. Dasselbe gilt für die Gewichtung dieser Elemente. Dem in der Hauptstadt und anderen großen Zentren praktizierten Hörfunk wird Modellfunktion zugeschrieben. Ein Modell, das Sendungen zu geringen Kosten und wirtschaftlichen Risiken garantiert, obwohl es von den kleineren Sendern mit weit weniger technischem Perfektionismus kopiert wird. Eine typische Hörfunkstunde sieht damit in Argentinien etwa so aus: 26 Minuten Musik, knapp 16 Minuten Information (davon 5,5 Minuten Sport), fast 10 Minuten "Humor", beiläufige Kommentare, Mitteilungen und Musikfetzen und knapp 8 Minuten Werbung (Uranga 1988, 60). Der argentinische Hörfunk entbehrt spezifische Unterhaltungssendungen (z. B. Hörspiele, bunte Features usw.). Unterhaltungselemente innerhalb der Sendung, etwa Spiele mit Hörerbeteiligung, existieren kaum. Der Schluß aber, daß der argentinische Hörfunk folglich eher ein informativer sei, wäre falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Informationsvermittlung im Hörfunk wird als eine Form des "Entertainments" betrieben. Dabei verliert die Informationsvermittlung an Qualität, indem Nachrichten nur wenig aufbereitet werden, technische Spielarten des Hörfunks kaum zum Einsatz kommen und das Ganze dann auch noch in der Form des "small talks" präsentiert wird. Mangelnde Aufbereitung von Informationen bedeutet u. a. auch, daß im allgemeinen der Originaltext des Agenturmaterials von TELAM, DYN und NA, die auch die Presse beliefern, wörtlich in den Hörfunksendungen verlesen wird. Vielfach beschränkt sich der Nachrichtensprecher, der meistens die gesamte Sendung moderiert und auch Werbetexte verliest, allein darauf, die Schlagzeilen großer Tageszeitungen am Mikrofon wiederzugeben. Das Resultat sind "Einheitsnachrichten", die an jedem beliebigen Ort in Argentinien empfangen werden können.
4.3.5. Besitzstrukturen im privaten Hörfunk Die Lizenzträger der privaten Radiostationen sind mehrheitlich keine Einzelpersonen, sondern Sociedades Anónimas (Aktiengesellschaften). Art. 45 des Rundfunkgesetzes fordert zwar, daß die persönliche Integrität und Moralität der Aktio-
61 näre verbürgt sein muß, aber an ihre gesellschaftliche Funktion und Position werden keine Ansprüche gestellt Das Prinzip der binnenpluralistischen Strukturierung eines Rundfunksenders wurde vom Gesetzgeber nie in Betracht gezogen, ist als Prinzip auch völlig unbekannt, und gerade die Sociedades Anónimas bilden ein Konglomerat einflußreicher Personen aus Politik, Wirtschaft und Finanzsektor. Das COMFER legt zwar nähere Angaben zu den jeweiligen Aktionären nicht offen. Dennoch sind vor allem die besitzmäßigen und ideologischen Verflechtungen, die hinter den einzelnen Hauptstadtsendern stehen, ein "offenes Geheimnis", die Rückschlüsse auf die Zustände im Landesinneren zulassen. Beispiele: Bei LR 2 Radio Argentina (Hauptstadt) stammen die Hauptaktionäre der Betreibergesellschaft Radio Familia S. A. aus der Agrarwirtschaft. Armando Zavola, Agrargroßunternehmer, ist einer von ihnen. Bei LT 2 Radio Rosario (Betreibergesellschaft: Televisión Litoral S.A.) ist über Roberto Monserrat, Bankdirektor, der Einfluß der MonserratBank, Rosario, auf den Sender gesichert und über den Mate-Teeuntemehmer C. E. Stein wiederum das große Agraruntemehmertum beteiligt. Daß vor allem die Militärregierungen seit Perón die Privatisierung des staatlichkommerziellen Rundfunks stark forcierten, mag zunächst unlogisch erscheinen. Auf den zweiten Blick entpuppt sich jedoch dieses Vorgehen als Beispiel militärischstrategischer Weitsicht: Nur auf diese Weise konnten sich die Militärs auch noch nach der freiwilligen oder erzwungenen Abgabe der Regierungsämter der Linientreue der privaten Lizenzträger sicher sein. Denn diese waren quasi handverlesen von ihnen eingesetzt worden. Die umfassendste Form der Privatisierung strebten bislang die militärischen Führer der letzten Diktatur (1976-83) an. Ihr Projekt hieß PLANARA (Plan Nacional de Radiodifusión). PLANARA wurde auf der Basis des Rundfunkgesetzes von 1980 erstellt und war als Drei-Phasen-Plan (1981-84, 1984-89 und 1989-94) konzipiert. Neben der Privatisierung bestehender staatlich-kommerzieller Sender zielten die Militärs auf eine großangelegte Zuteilung neuer Privatlizenzen ab. Im Jahr 2000, so planten die Militärs, sollte die Anzahl der Privatsender auf 512 erhöht worden sein (Noguer 1985, 1070- Rund ein Drittel der 101 (1989) privatwirtschaftlich organisierten Sender wurden von den Militärs zwischen November 1981 und Juli 1983 lizenziert; darunter auch sechs der neun privaten Sender in Buenos Aires (vgl. COMFER, Listado de Emisoras Abiertas de Radio 1989). In welchem Ausmaß es den Militärs - nicht nur den letzten - gelungen ist, den privaten Hörfunk über den Moment hinaus in eine Richtung zu lenken, die ihrem Anliegen nur förderlich sein kann, sei im folgenden exemplarisch dargestellt: LR 5 Radio Rivadavia wurde 1958 unter Präsident General Aramburu zum ersten Mal lizenziert und einem Kreis regimetreuer Unternehmer übergeben. Diese hatten sich zur Radioemisora Cultural S. A. zusammengeschlossen. 1968, mittlerweile hatte General Ongania die Regierung übernommen, lief die Lizenz dieser zehn Aktionäre aus und LS 5 wechselte die Besitzer. Yagan S. A. C. /., die sich aus drei ranghohen Militärs und acht Zivilpersonen, darunter ein Journalist, zusammensetzte, übernahm den Sender. Drei Jahre später, 1971, unter dem Regime General Lanuses ging die Lizenz nach innermilitärischen Zwistigkeiten zurück an Radioemisora Cultural S. A. Etwa die Hälfte der Aktionäre war noch die gleiche wie 1958. Sie verhielten sich auch dem Lanusse-Regime gegenüber loyal. Ab 1976 diente Radio Rivadavia den
62 drei Juntas der Diktatur (1976-83) als Sprachrohr. Für General Galtieri war LS 5 noch in den letzten Tagen seiner Herrschaft eines der wichtigsten Kriegspropagandaorgane während der Kämpfe um die Falklands / Malwinen. Im Januar 1983 wurde die Lizenz von LS 5 für weitere 15 Jahre der Radioemisora Cultural S. A. zugesprochen (Horvath 1988, I, 34ff und 48ff). Zusätzlich weisen die Lizenzlisten des COMFER die Radioemisora S. A. als Besitzer von LR 1 209 Radio Mar del Plata aus. Die Lizenz für diesen etwa 400 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegenden Sender erging im März 1983. LR 2 Radio Argentina ist im Besitz eines ultramontanen Personenkreises. Unter den Mitgliedern der Betreibergesellschaft Radio Familia S. A. ist u. a. ein Ex-Staatssekretär, der unter der letzten Diktatur im Familienministerium tätig war, sowie ein Kapitänleutnant. Alle Aktionäre sollen konservativ-katholischen Vereinigungen angehören, zum Beispiel der Corporación Católica de Abogados, der Liga de Padres de Familia oder dem Movimiento Familiar Cristiano (vgl. das Neves 1987, 6f). LR 9 Radio América (ehemals Radio Antártida) wird von der Gesellschaft DESUP S. R. L. betrieben. Unter anderem sind unter den Mitgliedern der ehemalige Kabinettchef im Außenministerium unter der Regierung Perón (1952-55) sowie ein ehemaliger Assessor des heutigen COMFER unter der Diktatur von General Ongania. Als redaktioneller Direktor von LR 9 trat 1984 Eduardo Smith in das Unternehmen ein, der bis zum Zusammenbruch der letzten Diktatur als Nachrichtenchef des von der Luftwaffe dirigierten Fernsehsenders Canal 11 fungierte. Die DESUP soll Opus Dei nahestehen (Horvath 1986,1,40).
5.
Fernsehen
5.1.
Geschichte
Seit 1944 waren in Argentinien die ersten Experimente im Fernsehbereich angestellt worden. Am 17. Oktober 1951 wurde dann die erste Fernsehstation in Buenos Aires eingeweiht; Radio Belgrano TV Canal 7. Als treibende Kraft hatte auf Geheiß Peróns Jaime Yankelevich fungiert Staatliche Initiative stand also hinter der Einführung des Fernsehens. Das technische Zubehör für den den ersten Fernsehsender war aus den Vereinigten Staaten importiert worden. Per Dekret wurde durch die Militärregierung Aramburu 1958 kurz vor ihrem Abdanken das Betreiben privater Fernsehstationen legalisiert Drei neue Sender nahmen 1960 in der Hauptstadt ihren Betrieb auf: Canal 9 (Compañía Argentina de Televisión, CA-DE-TE), Canal 11 (Difusora Contemporánea, D1CON) und Canal 13 (Río de la Plata TV S. A.). Uber Relaisstationen (repetidoras) strahlten sie ihre Programme ins Landesinnere aus (Noguer 1985, 71). Erst Ende der sechziger Jahre wurden auch in den Provinzen in größerem Maße Fernsehsender lizenziert. Das heißt: Die hauptstädtischen Kanäle waren nahezu zehn Jahre lang konkurrenzlos. Die Weichen für gewisse Fehlentwicklungen im Informationssektor waren damit
63 von Anfang an gestellt, denn bis heute beherrschen die Programme der HauptstadtSender das gesamte argentinische Fernsehen. Technisch war das argentinische Fernsehen von den Vereinigten Staaten abhängig. Die gesamte fernsehtechnische Infrastruktur wurde aus Nordamerika eingeführt Sehr schnell waren die privaten Kanäle aber auch noch in eine ganz andere Abhängigkeit zu Nordamerika geraten: Canal 13 wurde zum Beispiel seit Aufnahme des Sendebetriebs von einer internationalen Untemehmensgruppe kontrolliert, in der u. a. auch CBS und das Konsortium Time-Life vertreten waren. Canal 11 hatte Aktien an ABC ausgegeben und bei Canal 9 firmierte NBC als Aktionär (Sirven 1988,99).
5.2.
Fernsehrecht
Die rechtlichen Grundlagen für das Femsehen in Argentinien sind in den gleichen Quellen und weitgehend gleichartig wie für den Hörfunk geregelt. Sie wurden deshalb auch schon unter 4.2. mit angeführt
53.
Die Struktur des Fernsehens in Argentinien heute
5.3.1. Bestand und Verbreitung Gleichviel wie rückständig oder arm manche Regionen in Argentinien auch sein mögen, in nahezu jedem Haushalt steht heute ein Fernsehgerät, nämlich in 92 Prozent aller Haushalte (Ford 1987, 63). Fernsehen ist also ähnlich weit und gleichmäßig verbreitet wie das Radio und damit ein außerordentlich populäres Medium. Im Jahre 1989 wurden in Argentinien 42 drahtlos übermittelnde Fernsehstationen (estaciones abiertas de televisión) betrieben. Registriert sind sie in den Lizenzregistern des COMFER. Obwohl die Fernsehübertragung en redes (in Sendernetzen) für private Lizenzträger im Normalfall gesetzlich nicht vorgesehen ist, funktionieren die meisten dieser 42 Stationen de facto doch wie Kopfstationen verschiedener "Networks" regionaler Ausdehnung. Je nach Größe und wirtschaftlicher Stärke können einer einzigen Fernsehstation 20 und mehr Relaisstationen (repetidoras) angegliedert sein (vgl. LINTAS, Guía de medios, 1988, 23ff). Für die Hauptsender ist der Nutzen ihrer repetidoras ein rein wirtschaftlicher: Durch sie wird die Reichweite der Programme - und damit auch die Reichweite der ausgestrahlten Werbung erweitert. Die Anzahl der repetidoras bestimmt damit grundlegend die Attraktivität des Hauptsenders als Werbeträger. Neben den 42 sogenannten emisoras abiertas waren 1989 beim COMFER 144 Kabelfemsehstationen registriert. Während der Empfang der drahtlos übermittelten Programme der emisoras abiertas eine Gratisleistung ist, erheben die Kabelstationen einen Abonnementpreis sowie eine einmalige Gebühr für den Anschluß ans Netz. Alle emisoras abiertas sind gegenwältig kommerziell ausgerichtet. Privat-kommerzielles Fernsehen ist dabei völlig von den Einkünften aus der aquirierten Werbung abhängig; beim staatlich-kommerziell organisierten Fernsehen besteht diese Abhän-
64 gigkeit in einer leicht abgemilderten Form. Im folgenden bietet Tabelle 8 einen Überblick zur Gestalt der argentinischen Fernsehlandschaft:
Tabelle 8:
Anzahl und Anteil der staatlich-kommerziellen und privat-kommerziellen Lizenzträger (plus repetidoras) bezogen auf die Gesamtheit aller Fernsehsender.
Lizenzträger
S taatlich-kommerziell davon: - Kultursubsekretariat - Provinzregierungen - Universitäten
Senderanzahl 1 n in % 14 33 9 2
repetidoras2 n in %
33,3
117
40,2
7,1 21,4 4,7
34 59 24
11,6 20,2 8,2
Privat-kommerziell
28
66,6
174
59,7
Insgesamt (emisoras abiertas)
42
100,0
291
100,0
Kabelfernsehen 4 (zu 100% privat betrieben)
1 2 3
4
144
Stand August 1989 Stand Januar 1988 Stand Dezember 1989; privatisiert wurden Ende 1989 zwei der drei hauptstädtischen staatlich-kommerziellen Sender. Stand August 1989
Grundlage der Berechnung: COMFER: Listado de Emisoras Abiertas de Televisión (Computerausdruck, Buenos Aires, Stand Aug. 1989); COMFER: Listado de Servicios Complementarios (Computerausdruck, Buenos Aires, Stand Aug. 1989); LINTAS: Guía de Medios 1988. Buenos Aires 1988, hier: Repetidoras de Televisión, S. 23ff.
5.3.2. Geographische Verteilung und regionale Konzentration der Fernsehstationen Femsehen ist nahezu in ganz Argentinien zu empfangen. Die hauptstädtischen Fernsehkanäle decken den Raum Gran Buenos Aires zu 100 Prozent ab. Das Landesinnere wird von den dortigen Kanälen sowie den repetidoras von Canal 7 (ATC, Hauptstadt) zu 92 Prozent abgedeckt (vgl. Landi 1987,63).
65 Richtet man den Blick allein auf einen Vergleich der Senderzahlen in den jeweiligen Regionen, so scheint die argentinische Fernsehlandschaft gekennzeichnet zu sein durch das Phänomen starker Konzentration. Dieser Eindruck wird abgemildert, wenn man die Zahl der Sender in Relation zu den je nach Region extrem verschiedenen Bevölkerungszahlen setzt. Die Hälfte aller Sender konzentriert sich auf die zentrale Region Argentiniens, auf die Hauptstadt und die Provinzen Buenos Aires, Córdoba, Mendoza und Santa Fe. Auf den sehr dünn besiedelten argentinischen Süden entfallen nur etwa 19 Prozent aller Sendeanstalten. Allein die zentrale Provinz Buenos Aires verfügt über fast genauso viele Sender wie Patagonien und Feuerland zusammengenommen. Noch kärglicher sind die Provinzen am nördlichen Republikrand bestückt: Dort senden nur 11,5 Prozent aller Anstalten. Selbst wenn der Staat als Betreiber auftritt, belegen die bestehenden Verhältnisse, daß auch er sich bei der Standortwahl für einen Sender von Bevölkerungszahlen und dem daraus resultierenden, mehr oder weniger lukrativ erscheinenden Werbeumfeld leiten läßt Ein exemplarischer Einblick in die regionale Verteilung der Senderstandorte bietet Tabelle 9. Die Verteilung der servicios complementarios ist ähnlich strukturiert wie die der emisoras abiertas. Das Dekret Nr. 286/81 räumt den Kabelprogrammanbietem das Recht ein, Werbung auszustrahlen (vgl. Art. 49 des Dekrets) und damit zieht es auch die Betreiber der servicios complementarios in die werbeattraktiven Städte der bevölkerungsstarken Provinzen: 66 Prozent entfallen auf die zentralen Provinzen, allein 46 Prozent auf die Provinz Buenos Aires; 12 Prozent sind in den südlichen Provinzen angesiedelt, am nördlichen Republikrand nur ewa 6 Prozent (vgl. COMFER: Listado de Servicios complemantarios, Aug. 1989). Diese Konzentrationserscheinung ist tatsächlich erst eine Erscheinung der letzten fünf bis sieben Jahre und zurückzuführen auf den Inhalt des Rundfunkgesetzes samt Dekret aus den Jahren 1980/81. Die Initiiening des Kabelfernsehens geschah nämlich Mitte der sechziger Jahre als Reaktion auf den relativen "Femsehnotstand" in den abgelegenen Regionen Argentiniens. Da es dort noch keine emisoras abiertas gab, von denen Programme hätten übernommen werden können, galten die ersten circuitos cerrados als relativ autonom und selbstproduzierende Fernsehsender (vgl. Schulein 1988,6).
5.33. Fernsehstationen Das gesamte argentinische Fernsehen funktioniert nach privatwirtschaftlichen Prinzipien, auch das staatlich betriebene Fernsehen. Im Unterschied zum Hörfunk finanziert sich hier kein einziger Sender vollständig aus Staatsgeldern. Da also die Finanzierung aller Sender von den Einnahmen aus gesendeten Werbeminuten abhängt, ist die Ausrichtung zwangsläufig eine kommerzielle. Die Grenzen zwischen Staats- und Privatfunk verschwimmen im Bereich Fernsehen noch stärker als im Hörfunk. Das vorrangige Anliegen beider ist es, Sendezeit (zwölf Minuten pro Stunde, vgl. Art 71 des Rundfunkgesetzes) an Werbekunden zu verkaufen.
66 Tabelle 9:
Anzahl und Anteil der Femsehstationen in den zentralen Provinzen, im Süden und in ausgewählten nördlichen Provinzen
Provinz
Zentralprovinzen: Buenos Aires Córdoba Mendoza Santa Fe Hauptstadt Buenos Aires
Anzahl der Sender HS R
Anteil an Gesamtanzahl in % HS R
16,6 9,5 7,1 7,1 9,5
14,7 17,1 4,8 4,8
123
49,8
41,4
2 1 2 1
5 24 15 5
4,7 2,3 4,7 2,3
1,7 8,2 5,1 1,7
2
1
4,7
0,3
Zwischensumme:
8
50
18,7
17,0
Nördliche Provinzen: Catamarca Corrientes Formosa Jujuy La Rioja Misiones
1 1 1 1 1
8 12 1 3 10 10
2,3 2,3 2,3 2,3 2,3
2,7 2,1 0,3 1,0 6,1 3,4
Zwischensumme:
5
52
11,5
15,6
Summe:
34
225
80,0
74,0
Argentinien (insgesamt)
42
291
100
100
Zwischensumme: Südliche Provinzen: Chubut Neuquén Río Negro Santa Cruz Territorialgebiet Feuerland + Antarktis
7 4 3 3 4
43 50 14 16
21
-
-
-
HS = Hauptsender R = repetidora Quelle: Eigene Aufstellung auf der Grundlage wie Tabelle 7.
-
67 5.3.3.1. Staatlich betriebenes Fernsehen Staatlich-kommerziell betriebene Sender werden in Argentinien zwar subventioniert, aber ihre Abhängigkeit vom Geschäft mit der Werbung ist groß. Gesetzlich vorgeschriebene Werbegrenzen zu überschreiten, gehört zum Alltag. Studien belegen, daß z. B. Canal 13 zwischen März und Dezember 1987 das Werbelimit um insgesamt 89 Stunden überzogen hat. Dies ist keine Einzelerscheinung (vgl. Noguer 1985,254). Die Mischung staatlicher und privatwirtschaftlicher Organisationselemente erweist sich für die Betriebsform als sehr unharmonisch. So deligiert der Staat die Leitung der Sender an Funktionäre. Jeder Regierungswechsel bedeutet gleichzeitig einen personellen Wechsel in der Führungsebene der Sender und hat Neuorientierung am jeweiligen Regierungskurs zufolge. Eine kontinuierliche Programmpolitik ist dadurch kaum durchzusetzen. Da das politische Kalkül die Personalpolitik bestimmt, ergibt sich zwangsläufig ein Trend zur Deprofessionalisierung des Mediums. Im gleichen Zuge aber steigt die ideologische Befrachtung der Programme (Sirven 1988, 133). Sender im Eigentum des Staates stehen also in einer doppelten Abhängigkeit: erstens vom Werbekunden und zweitens vom jeweiligen Regierungszirkel. Insgesamt zeichnen sich alle Sender durch eine starke Bürokratisierung aus und zugleich durch interne Unorganisiertheit. Sie arbeiten ineffizient und sind in Millionen Dollarhöhe verschuldet (vgl. Sirven 1985,61). 1951 wurde Canal 7 gegründet, als erster Fernsehsender in Argentinien und zugleich offizielles Sprachrohr der Regierung. Von Anfang an wurde Canal 7 auch über die Werbung finanziert. Gemeinsam mit dem SOR und der RAS bildet Canal 7 ATC den staatlich-offiziellen Medienkomplex Radio y Televisión Argentina (RTA) (vgl. Anguita 1988, 57). Erst mehr als 25 Jahre nach Gründung des Senders wurde erneut in den Staatskanal investiert, und zwar unter der Militärregierung von General Videla. Dies geschah vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft 1978. Ein neues Gebäude für Canal 7 entstand auf einem 24.000 Quadratmeter großen Areal inmitten eines der wohlhabendsten Wohnviertel von Buenos Aires. Gleichzeitig wurde dieses "Aushängeschild" noch rechtzeitig vor dem großen Sportereignis mit der technischen Infrastruktur für Farbfemsehproduktionen ausgestattet. Kurzzeitig schaffte es Canal 7, nun Argentina Televisión Color LS 82 Canal 7 S. A. (ATC) die Einschaltquoten für seine Programme zu steigern (Sirven 1988, 63). Dieser Trend endete, nachdem auch die anderen Sender auf Farbe umgerüstet hatten. Die Militärs hatten es zwischen 1979 und 1983 geschafft, die Zuschauerzahlen von ATC zu verdoppeln. Nach Amtsantritt von Präsident Raúl Alfonsin fielen sie ständig. Obwohl ATC das Landesinnere mit 31 repetidoras überzieht und auch über Satellit ins Landesinnere ausstrahlt - potentiell also fast die gesamte Bevölkerung ATC empfangen kann -, erreichen die Programme des Staatssenders im besten Fall etwa 150.000 Zuschauer. So umfaßte das Publikum von ATC Mitte 1989 etwa 12 Prozent der hauptstädtischen Bevölkerung (vgl. Guía de Medios 1988,23). Die Gründe der geringen Sehbeteiligung mögen in der Zwitterstellung des staatlich-kommerziell organisierten Senders liegen. ATC wird weder seinem Auftrag gerecht, ein Kultursender zu sein, noch gelingt es ihm, als Werbeträger rentabel zu
68 wirtschaften. Zwischen 1977 und 1983 investierte der Staat insgesamt 53 Millionen Dollar in das Fernsehunternehmen. Ende 1987 mußte der Staat monatlich miidestens 20 Prozent der Betriebskosten übernehmen, da die Erlöse aus dem Wabegeschäft stets zu knapp kalkuliert waren (vgl. Sirven 1988,66). Ähnlich desolat wie die Finanzpolitik bei ATC gestaltet sich die Personalpolitik: Zwischen 1951 und 1988 wechselte die Besetzung des Postens des Programmdirektors durchschnitlich dreimal pro Jahr. Fast von selbst erklärt sich damit die relative Profillosigkeit des Senders. Bis 1989 wurden in der Hauptstadt Buenos Aires zwei weitere Fernsehseider staatlich betrieben: Canal 11 und Canal 13. Beide waren als Privatsender zwischen 1958 und 1960 lizenziert worden und beide wurden 1974 unter der peronistischen Regierung enteignet. 15 Jahre staatliche Verwaltung haben beide Sender mirierL Zwischen 1976 und 1983 hatten sich die Militärs vollständig auf die Förderung und Entwicklung von Canal 7 ATC konzentriert Canal 11 und Canal 13 bildeten dagegen bloße Anhängsel der Medienmacht der Streitkräfte, die internen Streitigkeiten und Sabotageakten der drei Waffengattungen zum Opfer fielen (Sirvei 1)88, 79). Präsident Alfonsin unterstellte beide Sender dem Kultursekretariat. Die Kommerzialisierung ihrer Werbeplätze betrieben Canal 11 und Canal 13 mit ähnlici n}gativen Resultaten wie Canal 7 ATC, mit dem Fazit, daß ihre Verschuldung wachs und kaum in die technische Infrastruktur investiert werden konnte. Für die peroristische Regierung Menem gab dies den Ausschlag, beide Sender im Dezember .989 zu privatisieren.
5.3.3.2. Privatwirtschaftlich betriebenes Fernsehen Bis Anfang der siebziger Jahre war Argentinien eines der wichtigsten Zentren lateinamerikanischer Fernsehproduktionen gewesen. Diesen Ruhm verdaikte es allein den privatwirtschaftlich organisierten Fernsehuntemehmen. Die Prodiktionsfirmen, mit denen die hauptstädtischen Sender bis heute zusammenarbeiten Canal 11 mit TELERAMA, Canal 13 mit PROARTEL und Canal 9 mit TELECEWER / TELEARTE produzierten nicht nur für den einheimischen Markt, sondern aich für den Programmexport Diese Firmen arbeiteten damals mit einer international konkurrenzfähigen Technik und hohem personellem Aufgebot. Durch das sUatliche Eingreifen in die Femsehwirtschaft degenerierte die florierende Zusammtnarbeit zwischen den Sendern und den Produktionsfirmen. Kapitaleinlagen für tecinische Innovationen unterblieben; Personalbestände wurden stark gekürzt. Inzvischen haben Brasilien, Mexiko oder auch Venezuela die Position der Marktfülrer im Bereich der lateinamerikanischen Femsehproduktionen übernommen (vgl Landi 1988). 1960 hatte Canal 9 den Sendebetrieb aufgenommen. Fünf Jahre später übernahm Alejandro Romay gemeinsam mit dem Verleger Julio Korn den Sender. Ronay hat seinen Besitzanspruch auf diesen Sender nie aufgegeben. Anders als die lesitzer von Canal 11 und Canal 13 (Garcia und Mestre) handelte Romay 1976 nit dem Heer, das den Sender unter seine Gewalt stellte, eine Art "monatliche Miee" aus.
69 Äußerlich wahrte er so seinen Status als Eigentümer von Canal 9. In der Folgezeit gelang es ihm, die Gunst einzelner Militärs zu gewinnen, so daß ihm noch 1983 im Zuge von PLANARA die Lizenz für Canal 9 zurückgegeben wurde (vgl. Sirven 1988, 710- Romay wird mittlerweile als "Zar" des argentinischen Fernsehens bezeichnet. Er führt eines der wenigen Medienunternehmen, das rentabel arbeiten soll. Romays Devise, Fernsehen habe in erster Linie die Funktion des Eskapismus (Horvath 1988, 175) zu erfüllen, schlägt sich in der Programmgestaltung nieder und sichert Canal 9 die mit Abstand höchsten Einschaltquoten. Allein 37 Prozent der Hauptstadtbevölkerung schalteten Mitte 1989 täglich Canal 9 ein (vgl. IPSA-Statistik, Participación Canales de Televisión). Zum Vergleich: Canal 11 kam auf 19 Prozent, Canal 13 erreichte 26 Prozent.
53 .33. Fernsehen in den Provinzen Anfang der sechziger Jahre nahmen im Landesinneren Argentiniens die ersten Fernsehstationer. ihren Sendebetrieb auf. Von Anbeginn griffen diese Sender größtenteils auf das von den hauptstädtischen productoras produzierte Material zurück. Zunächst um Kosten zu sparen, mittlerweile um überhaupt noch existieren zu können, denn Eigenproduktionen sind noch immer wesentlich kostspieliger als die eingekauften, metropolitanen "Fremdproduktionen" (vgl. Schulein 1988, 5). In der Hauptstadt Buenos Aires entfallen 66 Prozent des gesamten Programmvolumens auf Eigenproduktionen. Im Landesdurchschnitt macht die originär argentinische Femsehproduktion etwa 55 Prozent am gesamten Programmaufkommen aus: 51 Prozent werden in der Hauptstadt produziert, nur vier Prozent im Landesinneren (Landi 1987, 110). Programmimporte machen im Landesdurchschnitt 45 Prozent des Sendevolumens aus, wobei der gesamte Programmeinkauf über die Sender in der Hauptstadt läuft und von dort an die Stationen im Landesinneren weitervermittelt wird. Buenos Aires ist damit die Schaltstelle im argentinischen Fernsehsystem: 96 Prozent dessen, was täglich über die Bildschirme des gesamten argentinischen Publikums flimmert, hat seinen Ursprung in der Metropole, wurde dort produziert bzw. selektiert, abgestimmt in erster Linie auf die Interessen und Bedürfnisse des Bonarenser Publikums. Damit werden der regional stark verschiedene kulturelle Hintergrund und die daraus resultierenden Probleme im argentinischen Femsehen nicht berücksichtigt. Programmeinkäufe bzw. -Verkäufe finden nicht nur innerhalb der staatlich-kommerziell bzw. privatwirtschaftlich organisierten Sender statt: Staatlich-kommerzielle Sender kaufen bei Canal 9 genauso wie sich Privatsender vom de facto staatlichoffiziellen Canal 7 ATC beliefern lassen (Schulein 1988, 30). Demzufolge präsentiert sich das Femsehen im Landesinneren als eine mehr oder weniger individuell zusammengestellte und aufbereitete Mischung des Programmangebotes aller hauptstädtischen Sender. Ein Programmaustausch der Hauptstadt mit dem Landesinneren oder auch unter den verschiedenen Provinzen findet kaum statt Ein Grund dafür ist die ganz auf Buenos Aires ausgerichtete funktechnische Infrastruktur. Wie im Falle des argentinischen Eisenbahnnetzes starten und enden auch die Linien des UKW-Netzes in der
70 Hauptstadt. Eigentümer dieses UKW-Netzes ist das staatliche Unternehmen ENTEL, das auch die Tarife für die Benutzung des Ultrakurzwellenbereiches festlegt Diese Tarife berechnen sich nach der Anzahl der Fernsehapparate am Zielort der jeweiligen Überspielung. Für die hauptstädtischen Sender ist dies ein kostengünstiges Geschäft; für die Sender im Landesinneren wird die Benutzung des UKW-Netzes zum Luxus. Auch der potentielle Programmaustausch zwischen den einzelnen Provinzen wird erschwert, da jede Programmübertragung im UKW-Netz zunächst den kostenintensiven Umweg über Buenos Aires nehmen muß.
5.3.3.4. Abonnierbares Kabelfernsehen Zwei große Anbieter beherrschen in der Hauptstadt Buenos Aires das Kabelfernsehen: Video Cable Comunicación (VCC) und Cablevisión. Beide wurden 1988 von je 48.000 Haushalten abonniert. Insgesamt hatten in Argentinien schon 1985 rund 400.000 Haushalte einen Kabeldienst abonniert (vgl. Guía de Medios 1988, 31). Cablevisión bietet elf verschiedene Kanäle an, VCC zwölf, darunter jeweils reine Spielfilm-, Musik- und Miniserienkanäle. Eigenproduktionen entfallen weitgehend: VCC verfügt über keine eigenen Fernsehstudios und läßt Studioaufzeichnungen über Dritte ausführen: Cablevisión nutzt seine Studios höchstens für die Produktion von Moderationen (Schulein 1988, 18 u. 24). Der Großteil der Sendeplätze wird über Austauschverträge mit Femsehveranstaltern in Brasilien, Italien, Spanien und Nordamerika bestückt Über Canal 6 von Cablevisión gelangen zum Beispiel in Direktübertragung die Nachrichtendienste des nordamerikanischen Cable News Network (CNN) - ohne Synchronication - in die angeschlossenen argentinischen Haushalte (vgl. ebd. 20). Die Programmschwerpunkte liegen bei beiden Anbietern etwa gleich stark auf der Unterhaltung, die etwa zwei Drittel des Sendevolumens einnimmt. Die einzelnen Sendungen werden bei beiden nicht durch Werbung unterbrochen. Diese wird jeweils zu Beginn oder zum Abschluß einer Sendestunde eingeblendet. Das Rundfunkgesetz von 1980 legalisierte die Einführung des abonnierbaren Kabelfernsehens in den Provinzen ursprünglich unter der Prämisse, daß sich so das System der drahtlos übermittelnden Fernsehsender ergänzen ließe. Letztlich aber haben die servicios complementarios die schon beschriebenen Zentralisierungstendenzen innerhalb des Fernsehsystems noch zusätzlich verstärkt. 1984 erhielt VCC per Dekret die Erlaubnis, seine Programme per Satellit ins Landesinnere zu übertragen. 1987 wurde über die SECOM und ENTEL der Vertrag zur Anmietung eines Transponders auf INTELSAT abgeschlossen. Seit 1988 wird auch Cablevisión per Satellit übertragen (Schulein 1988, 36). Damit sind zwei weitere hauptstädtische Anbieter auf den Fernsehmarkt im Landesinneren getreten, die das Angebot dort maßgeblich gestalten. Zusätzlich fangen VCC und Cablevisión noch die Programme von ATC und Canal 9 über Parabolantennen ab und speisen sie in ihre Kanäle ein (vgl. ebd. 42). Das Kabelfernsehen in den Provinzen verändert dort also kaum etwas an der Struktur des gesamten Programmangebotes, denn auch hier sind es überwiegend hauptstädtische Sender, die das Informations- und Unterhaltungsangebot für die Bevölkerung in den Provinzen selektieren, aufbereiten, transportieren und damit festlegen.
71 5J.4. Programme Als generelles Muster liegt den argentinischen Fernsehprogrammen folgende Programmaufteilung zugrunde: 66 Prozent des Programmvolumens belegt die Unterhaltung, 23 Prozent die Information, 6 Prozent Dokumentär- und Bildungssendungen und 5 Prozent Sport und Musik (vgl. Ford 1985,11).
Tabelle 10:
Anteil von Programm typ und -herkunft am Gesamtsendevolumen des argentinischen Fernsehens
Programmtyp
Serien Telenovelas Spielfilme Humor / Satire Information Sport und Musik Kindersendungen Dokumentationen Sonstiges: Produktionen aus den Provinzen Lateinamerikanische Produktionen
Herkunft
Anteil am Gesamtsendevolumen in %
USA Hauptstadt USA national Hauptstadt Hauptstadt Hauptstadt USA national
20 18 12 1 4 19 8 7 3 4 4
Quelle: Aufstellung auf der Grundlage von Aníbal Ford : Primeras Aproximaciones a los proyectos de ley de Radiodifusión y el tema de los contenidos de los medios. Buenos Aires 1985. Hier: Cuadro 11, S. 11.
Auffällig ist, daß der Anteil importierter Programmelemente beim Vergleich der Programmstruktur je nach Region differiert In der Hauptstadt machen national produzierte Programmanteile rund 66 Prozent des Sendevolumens aus. In der nordwestlichen Region ist genau das Gegenteil gegeben: Dort entfallen 44 Prozent des Sendevolumens auf nationale und 56 Prozent auf internationale Produktionen (Ford 1985, 6). Gerade der Norden kann aber als der "lateinamerikanischste" Lebensraum Argentiniens gelten. Er ist stark rural geprägt und der Anteil indigener Bevölkerung liegt hier höher als in anderen Regionen. Trotz starker Akkulturation konnten sich einzelne Elemente indianischer Kultur und Religiosität fortpflanzen. Die Praxis des Programmtransfers erscheint also gerade in dieser Region außerordentlich fragwürdig.
72 Wie extrem das Geschehen im Landesinneren vor allem im Nachrichtensektor vernachlässigt wird, zeigt eine Studie auf, die sich u. a. speziell mit der Nachrichtengebung in den Sendungen von Canal 7 ATC befaßt (vgl. Guido 1985). Einige Ergebnisse werden kurz aufgegriffen: Nur vier der 38 Fernsehsender im Landesinneren strahlen Nachrichten aus, deren Inhalte redaktionell eigenständig aufgearbeitet und selbst produziert werden; zwei dieser vier sind Universitätssender: LV 80 Canal 10 in Córdoba und LW 83 Canal 10 in Tucumán. Fünf Sender übertragen nur die von den hauptstädtischen Sendern übernommenen Nachrichtensendungen. Drei von ihnen sind über Provinzregierungen staatlich-kommerziell betriebene Fernsehstationen. Die restlichen 27 Sender übernehmen alle die in der Hauptstadt produzierten Nachrichten und komplettieren diese bestenfalls durch Nachrichtengeschehen aus der Provinz. Schwerpunktmäßig bezogen die Sender im Landesinneren ihre Nachrichtensendungen 1985 von den staatlich-kommerziell betriebenen Sendern Canal 13 und Canal 11 (vgl. Guido 1985, 30In erheblichen Maße sind alle Fernsehsendungen durch Werbeeinblendungen geprägt Bis zu zwölf Minuten Werbung pro Sendestunde ist dies erlaubt; eine Einstundensendung wird zumindest viermal durch Werbung unterbrochen. Hinzu kommen zahlreiche Gelegenheiten, bei denen "versteckte Werbung", z. B. "product placement" in Telenovelas, gesendet wird. Untcrhaltungssendungen sind meistens von Wirtschaftsunternehmen gesponsert. Promotion, die per Gesetz nicht unter die Rubrik Werbung (publicidad) fällt, wird von den Fersehanstalten üblicherweise als eine Form des Rabattes auf abgeschlossene Werbeverträge an wichtige Werbekunden gewährt (Noguer 1984, 252). Gegen diese Art der Kommerzialisierung von Senderaum hat das COMFER keinerlei Handhabe. Doch auch in Fällen, in denen das Gesetz dem COMFER Sanktionsmöglichkeiten (Verweise, Bußgelder oder auch temporäres Werbeverbot; vgl. Rundfunkgesetz Art 81) einräumt, schreitet das COMFER nur selten ein. Das Geschäft mit der Werbung bestimmt nicht nur die Struktur der Programme, es prägt auch bis zu einem gewissen Maße die Einflußstrukturen auf die Programme. Zu einer einflußreichen "Institution" im Geschäft mit der Fernsehwerbung entwickelte sich in den letzten 15 Jahren die Person des bolsero. Er ist eine Art Unterhändler, der sich bei der Geschäftsabwicklung zwischen Werbekunden und Sender einschaltet Die Sender räumen ihren Kunden bei Barzahlung oder bei einem entsprechend großen Werbepaket billigere Tarife ein. Diese Geschäftspraxis begünstigt den Aktionsradius des bolsero: Er kauft Werbezeiten in großen Mengen auf und verkauft diese dann parzelliert an große und mittlere Werbekunden weiter. Indem mehrere Werbeagenturen die Aufträge ihrer Kunden gemeinsam über den gleichen bolsero kanalisieren, erzielt dieser bei den Sendern in jedem Falle maximale Rabatte, die durchschnittlich bei mindestens 20 Prozent Preisnachlaß liegen (Noguer 1984, 257). Bei dieser Art Geschäft profitieren alle, nur nicht der Sender. Daß sie sich dennoch auf den Handel mit den bolseros einlassen, liegt an deren Machtfülle: Verhandlungsunwillige Sender können problemlos boykottiert und von jeglichen Werbeleistungen abgeschnitten werden, was letztlich die manifeste Bedrohung ihrer Existenz bedeutet. Während der letzten Diktatur sollen enge Beziehungen zwischen einzelnen Militärs und den bolseros bestanden haben (vgl. Landi 1988,108).
73 5.3.5. Besitzstrukturen im Fernsehen Die herausrangendste Figur des argentinischen Privatfemsehens ist Alejandro Saúl Romay. Er ist Eigentümer von Canal 9 (Hauptstadt). Außerdem steht die Filmproduktionsfinna TELECENTER, über die er an mindestens acht Sendern im Landesinneren beteiligt ist, unter seiner Ägide (Moschner 1982, 105). Indem er die Filmproduktions- und Importfirma Compañía Argentina de Televisión (CADETE) Mitte der sechziger Jahre unter Vertrag genommen hat, baute Romay seinen Einfluß auf die Kinoindustrie aus. Die mit CADETE kooperierende Filmgesellschaft Emelco-Kowe hatte er damals gleich mit in sein Medienimperium einbezogen. Zu jener Zeit wurde Romay auch im Printmedienbereich aktiv. Enge Verbindungen entstanden vor allem zu dem Großverleger Julio Korn. Noch dichter werden die Besitzverflechtungen um Romay durch seine beiden derzeitigen Teilhaber José Scioli und Héctor Péres Picaro, die aus der Elektronikbranche stammen (vgl. Sirven 1988, 71). Nicht zu unterschätzen ist auch Romays medienpolitischer Einfluß: Die beiden Dachorganisationen der privaten Funkmedien ARPA und ATA sowie der Zusammenschluß unabhängiger Medienuntemehmer CEMCI standen bisher geschlossen hinter ihm, wenn es darum ging, die Regierung mit Forderungen der privaten Rundfunkveranstalter zu konfrontieren. ARPA und ATA gelten als konservative Vertretungen, die unter dem letzten Militärregime (1976-83) zu Macht und Stärke gelangten. Beide Organisationen setzten sich mehrheitlich aus Lizenzträgern zusammen, die durch die Medienpolitik der Militärs vor dem Zusammenbruch des Regimes noch begünstigt wurden (vgl. Horvath 1986, 31). Canal 11 und Canal 13 waren seit Aufnahme ihres Sendebetriebes im Jahr 1960 bis 1975 privatwirtschaftlich organisiert. Sie arbeiteten zusammen mit den Produktionsfirmen TELERAMA und PROARTEL. Es gilt als gesichert, daß sich der lateinamerikanische Medienzar Goar Mestre bis heute zu keinem Zeitpunkt völlig aus PROARTEL zurückgezogen hat. Von 1975 waren beide Sender verstaatlicht worden. Der seit Juli 1989 amtierende Präsident Carlos Saúl Menem privatisierte beide Sender Ende 1989. Canal 11 wurde der Aktiengesellschaft Televisión Federal S. A. zugesprochen. Hinter dieser Gesellschaft verbergen sich das hauptstädtische Verlagshaus Editorial Atlántida und einige Medienbesitzer aus dem Landesinneren (vgl. La Nación vom 18.12.89). Atlántida ist im Besitz der Bonarenser Familie Vigil. Sie gibt gegenwärtig vier große Zeitschriften heraus, darunter Argentiniens größtes "Yellow-Press-Blatt", die Zeitschrift Gente, die große Frauenzeitschrift Para Ti. Die Publikationen aus dem Hause Atlántida bezogen während der letzten Diktatur mit ihren Inhalten eindeutig regimekonforme Positionen.
6.
Nachrichtenagenturen
Die argentinischen Medien werden in der Hauptsache von drei nationalen Agenturen beliefert: TELAM, (Telenoticiosa Latinoamericana S. A.), DYN (Diarios y Noticias) und NA (Noticias Argentinas). TELAM wurde 1845 gegründet. Der Staat, genauer
74 die Secretaría de Cultura, besitzt die gesamten Aktien. Unter der letzten Militärdiktatur war TELAM eines der wichtigsten Sprachrohre des Regimes. 280 Kunden aus Presse und Rundfunk haben den Dienst von TELAM abonniert. Mit der jugoslawischen TANJUG bildet TELAM den Agenturpool blockfreier Staaten. Austauschverträge bestehen mit der italienischen ANSA und der spanischen EFE. Bislang verfügt TELAM über keinen einzigen Korrespondenten im Ausland. Beschäftigt sind in der TELAM-Zentrale in Buenos Aires rund 40 Journalisten, die in vier Schichten Dienst tun. Außerdem verfügt TELAM über Korrespondenten in allen Provinzhauptstädten (TEA 1987). DYN wurde 1981 als private Nachrichtenagentur gegründet und konkurriert seither mit der anderen privaten Agentur NA, die 1974 gegründet wurde. An DYN sind 20 Aktionäre beteiligt. Das Direktorium setzt sich aus den Direktoren von Clarín, La Nación, La Rázon und weiteren 17 Zeitungsdirektoren aus dem Landesinneren zusammen. Im Ausland besitzt DYN keine eigenen Korrespondenten. Austauschverträge bestehen mit der amerikanischen AP und der französischen AFP. Gegenwärtig beschäftigt DYN 130 Mitarbeiter, etwa ein Viertel davon sind Journalisten. Im Landesinneren sind 16 Korrespondenten stationiert (TEA 1987).
7.
Massenmedien und demokratische Transition in Argentinien
Die demokratisch gewählte Zivil-Regierung unter Präsident Raúl Alfonsin mußte bei Amtsantritt im Jahre 1983 ein Mediensystem übernehmen, dessen Struktur, Organisation und rechtliche Grundlagen über Jahrzehnte hinweg im Klima autoritärer Regime deformiert worden waren. Die militärischen Machthaber zwischen 1976 und 1983 hatten den politischen Zugriff auf dieses Mediensystem vor allem durch drei Elemente perfektioniert: a) durch institutionalisierte Formen der Zensur, b) durch staatliche Kontroll- und Verwaltungsinstanzen (COMFER, SECOM, SIP) und c) durch das Rundfunkgesetz von 1980. Viele dieser Elemente bestimmen den Rahmen der Massenkommunikation in Argentinien nach wie vor. Im Wahlkampf hatte Raúl Alfonsin mit einem umfassenden politischen Reformprogramm für die Sache der UCR und die demokratische Transition in Argentinien gestritten. Kapitel 11 seines Wahlkampfprogrammes widmete sich allein den Massenmedien Hörfunk und Fernsehen. Die dortigen Ausführungen signalisierten, daß die zukünftige Regierung in der Reformierung des etablierten Mediensystems eine notwendige Voraussetzung und zugleich einen wesentlichen Bestandteil der demokratischen Transition begründet sah. Die Reformpläne für das Mediensystem gliederten sich grob in vier Bestrebungen: 1.
Das bestehende System, das sich durch die Organisationsformen "Privatfunk" einerseits und "Staatsfunk" andererseits konstituierte, sollte in ein sogenanntes sistema mixta umgewandelt werden. Zwar sollte die Koexistenz von privatwiitschaftlich betriebenen und staatlich betriebenen Sendern bestehen bleiben, doch war geplant, über die Einrichtung einer Ente Autónomo de Derecho Público no
75 gubernamental y sin lucro eine dritte Organisationsform einzuführen: eine Art öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die technische Administration sollte weiterhin der SECOM obliegen. Um eine demokratisch-pluralistische Konzeption der Sendeanstalten zu gewährleisten, war die Einrichtung einer neuen Aufsichtsbehörde der Comisión Bicameral Permanente geplant (vgl. Horvath 1986,138f). 2.
Allgemeine Richtlinien wurden verfaßt, die sich mehrheitlich auf die Programmgestaltung bezogen. Ein Auszug: "Unverzüglich müssen der Stil und der Inhalt der Programme korrigiert werden, indem die Achtung des Publikums und dessen Recht auf wahrhaftige, objektive und pluralistische Information gefördert werden" (Horvath 1986, 139; Übers. Verf.): Die UCR formulierte dementsprechend einen Normenkatalog, der u. a. einen stärkeren Programmaustausch innerhalb der verschiedenen Regionen Argentiniens forderte, eine Programmförderung im kulturellen Feld zur Stärkung der nationalen Identität ankündigte und überdies eine stärkere Regulierung der weibewirtschaftlichen Aktivitäten in Aussicht stellte (vgl. ebd., 1390-
3.
Unverzügliche Maßnahmen, wie zum Beispiel die sofortige Aufhebung jeglicher Restriktionen im Medienbereich, wurden angekündigt Das Rundfunkgesetz von 1980, dessen reglementierendes Dekret und der Nationale Rundfunkplan PLANARA sollten umgehend außer Kraft gesetzt werden. Alle juristischen Aktionen - also auch die Lizenzierungen -, die auf der Grundlage dieser Gesetzestexte vollzogen worden waren, sollten einer Revision unterworfen werden. Auch die personelle Umgestaltung des COMFER zählte zu den anvisierten "Sofortmaßnahmen" (vgl. Sirven 1988,47).
4.
Langfristig wurde an die Einrichtung einer Secretaría Especial gedacht. Sie sollte der Exekutive unterstehen und primär ein neues Rundfunkgesetz und neue Finanzpläne erarbeiten. Zudem sollten dort zukünftige journalistische und rundfunktechnische Ausbildungsgänge konzipiert werden (vgl. Horvath 1986, 1400-
Abgesehen davon, daß mit der Amtsübernahme der demokratisch gewählten Regierung wieder der volle verfassungsmäßige Schutz der Pressefreiheit in Kraft trat, die SIP im Jahr 1987 aufgelöst wurde und vom Projekt PLANARA Abstand genommen wurde, wurden alle anderen medienpolitischen Vorhaben der t/CÄ-Regierung eingefroren (vgl. Sirven 1988,47). Besonders kritisch für die demokratische Transition ist dabei zu bewerten, daß die verbindlichen Rechtsgrundlagen für die argentinischen Medien nach wie vor auf dem Rundfunkgesetz des letzten Militärregimes basieren. Allein vier Jahre hatte es gedauert, bis die Regierung Alfonsin dem Kongreß ein Konzept für ein neues Rundfunkgesetz vorlegen konnte (Sirven 1988, 48). Weitere Konzepte von Gruppen wie dem Joumalistenverband oder der CEMCI wurden eingereicht. Zu einer Einigung ist es unter der UCR-Regierung nicht gekommen, so daß die Wirkung des im Tenor autoritär verfaßten Rundfunkgesetzes auch in die Regierung von Präsident Carlos Saúl Menem hineinreicht. Keine konkrete nationale Kommunikationspolitik entwickelt zu haben, ist eines der Hauptversäumnisse der Alfonsin-Regierung im Medienbereich. Indem Rechtsgrundlagen, wie das Rundfunkgesetz, und staatliche Verwaltungsorgane, wie SECOM und COMFER, in die demokratische Transition mitübernom-
76 men wurden, bleibt der Raum für Modifikationen innerhalb des Mediensystems zwangsläufig eng. Mögliche Versuche der Veränderung bestehender Strukturen konnten nach 1983 immer nur innerhalb des gegebenen institutionellen und rechtlichen Rahmens geschehen, also nur innerhalb des Spielraumes, den die Generäle abgesteckt hatten. Erschwerend kommt hinzu, daß SECOM und COMFER stark bürokratisierte Staatsapparate sind. Modifikationen erscheinen vor allem im Bereich der Kommerzialisierung der werbewirtschaftlich nutzbaren Sendeplätze notwendig. Wie dargestellt, erlauben gerade die Mechanismen der Kommerzialisierung in hohem Maße eine Einflußnahme von außen auf das Medium, die Programmgestaltung und die Personalpolitik. Die unter der Diktatur entstandene Figur des bolsero tritt nach wie vor auf den Plan. Es muß deswegen von einem Einfluß militärischer bzw. militämaher Kreise auf die Werbewirtschaft im Medienbereich ausgegangen werden. Der Begriff "Staat" wird in Argentinien nicht selten gleichgestzt mit dem Begriff "Regierung". Dies zeigt sich auch im Verhältnis der jeweiligen Regierung zu den staatlich betriebenen Medien. So zieht jeder Regierungswechsel eine mehr oder weniger einschneidende personelle Umbesetzung in den jeweiligen Sendern nach sich. Zwar wurden unter der demokratischen Transition die vorher massiv genutzten Restriktionsmöglichkeiten außer Kraft gesetzt, doch ist das Verhältnis zwischen Regierung und Medien weiterhin durch instrumentelle Züge geprägt. Auf die ständig wachsende Wirtschaftskrise reagierte Präsident Menem nur einen Monat nach der Amtsübernahme mit dem Gesetz Reforma Del Estado, das im August 1989 verabschiedet wurde. Dieses Gesetz der "Staatsreform" bildet die legale Basis für das breit angelegte Privatisierungsprogramm des peronistischen Präsidenten. Darin inbegriffen sind auch zahlreiche Hörfunk- und Fernsehsender (z. B. LS 84 TV Canal 22, LS 85 TV Canal 13, LR 3 Radio Belgrano). In gewisser Weise hat Präsident Menem mit diesem Gesetz die weitere Entwicklung im Funkmediensystem festgelegt. Was in anderen lateinamerikanischen Staaten schon zur Realität des Mediensystems gehört - die starke Dominanz des Privatfunks (vgl. Uranga 1988, 116) - hatte sich auch in Argentinien de facto schon abgezeichnet Nun aber wurde diese Entwicklung rechtlich untermauert. Durch den Ley de emergencia werden einzelne Passagen des bestehenden Rundfunkgesetzes modifiziert bzw. außer Kraft gesetzt. Art 45 Abs. e) des Rundfunkgesetzes schloß beispielsweise bislang Personen von einer Lizenzvergabe aus, die entweder schon einen Sender betreiben oder aber mit nationalen oder ausländischen Medienunternehmen verbunden sind. Dieser Text wurde wie folgt verkürzt: "(Der Bewerber um eine Lizenz, Anm. Verf.) darf keine juristisch-gesellschaftliche Verbindung oder anderweitige Abhängigkeit zu ausländischen Print- und Funkmedien unterhalten" (Art 65 Abs. b), Ley "Reforma Del Estado"; Übers. Verf.). Damit wird zwar die Medienkonzentration auf transnationaler Ebene verhindert, aber dem nationalen Multimediabesitz steht nun auch per Gesetz nichts mehr im Wege. Auch er war de facto in Argentinien schon vorhanden; nun wurde eine Art "gesetzlicher Freibrief' erteilt Trotz demokratischer Transition gehören "schwarze Listen" mit den Namen mißliebiger Journalisten noch immer nicht der Vergangenheit in Argentinien an. "Mißliebig" war in der jüngeren Vergangenheit stets ein Synonym für (vermeintlich) linksgerichtete Journalisten. Aufgelistet wurden diese Presse- und Funkvertreter
77 sowohl unter der Regierung Alfonsin als auch heute wieder - mit anderer politischer Ausrichtung - unter der Regierung Menem. Nach Angaben des Hörfunkjournalisten Ricardo Horvath wurden die Register vom staatlichen Nachrichtendienst SIDE (Secretaría de Información del Estado) erstellt Von dort werden sie an die Direktoren verschiedener, vornehmlich großer Medienuntemehmen weitergeleitet. Auf dieser Liste zu stehen, kommt für die jeweiligen Journalisten einem Berufsverbot gleich. Viele derer, die heute den Beruf des Journalisten ausüben, haben schon vor zehn Jahren als Journalist unter und für die Diktatur der Militärs gearbeitet. Manche unter ihnen haben eine erstaunliche Fähigkeit entwickelt, selbst mehrere Regimewechsel, unbeschadet an Stellung und Status, zu überstehen. Als Beispiele seien hier die Journalisten Bernardo Neustadt und Mariano Grondona (vgl. Horvath 1988, 142ff) genannt. Daß die "alte Garde" von Bestand ist, verdankt sie vor allem ihrer Publikumswirksamkeit. Neustadt und Grondona wurden bekannt mit Wortgefechten, die sie sich mit und ohne Gesprächspartner vor laufender Kamera lieferten. Seit Jahrzehnten verfolgt das argentinische Fernsehen diese Spektakel mit ungebrochenem Interesse. Doch die Diktatur prägte nicht nur solchermaßen herausragende journalistische "Persönlichkeiten". Sie zwang viele ebenso versierte, aber regimekritische und oppositionell eingestellte Journalisten dazu, das Land während der Jahre 1976 bis 1983 zu verlassen, um ihr Leben und das ihrer Familien zu retten. Manche der Exilierten kehrten zurück und stiegen in den journalistischen Beruf wieder ein. Andere kamen zwar zurück, hielten sich aber fortan vom Journalismus fem. Die Mehrzahl der heute beschäftigten Journalisten wurde im Klima einer autoritären Herrschaft und Gesellschaft sozialisiert. Die Mechanismen der Selbstzensur wurden zum Teil über Jahrzehnte hinweg im "argentinischen Zyklus" (Ehrke 1984) verinnerlicht. Es gab in der ersten Phase der demokratischen Transition, die etwa bis zur Semana Santa, der Osterrebellion im Jahr 1987, anzusetzen ist, durchaus Versuche, neue Formen des Journalismus oder auch neue Programmkonzepte einzusetzen, mit dem Ziel, die autoritäre Vergangenheit aufzuarbeiten. Ein Beispiel dafür war die von Eduardo Aliverti konzipierte und geleitete Hörfunksendung Sin anestesia bei Radio Belgrano. Sie wurde täglich von 7 bis 9 Uhr morgens ausgestrahlt und widmete sich primär Themenstellungen, die aus der politischen Erfahrung der letzten Jahre resultierten. Mit Hilfe von Telefonzeiten wurde versucht, Hörer stärker ins Programm miteinzubeziehen, zu Wort kommen zu lassen. Dieses Programm entsprach dem allgemeinen Klima der demokratischen Öffnung, das sich in den Jahren 1984 und 1985 auch auf die Massenmedien übertragen hatte. Allerdings hatte sich Radio Belgrano während dieser zwei Jahre gegen immer massiver werdende Agriffe aus dem rechtskonservativen politischen Spektrum und seitens der Kirche zu wehren. Im April 1985 schließlich zündete eine Kommandogruppe einen Sprengsatz, der die gesamten Übertragungsanlagen von Radio Belgrano zerstörte. Die Sendung Sin anestesia wurde eingestellt. 1987 hatten sich die personal- und programmpolitischen Konstellationen soweit geändert, daß Aliverti entlassen wurde. Ungezählten anderen Journalisten ging es mit ihren Programmen, die sich kritisch der Vergangenheit und der Gegenwart zuwandten, wie ihm. Zu den jüngsten Eingriffen in Programmgestaltung und journalistische
78 Berufsausübung gehörten im September 1989 die Aufhebung der staatenübergreifenden Nachrichtensendung El Latinoamericano und von La Noticia Rebeide (eine regierungskritische Satiresendung) - beide Sendungen wurden von ATC ausgestrahlt (vgl. Derechos Humanos Nr. 22/1989,48). Im Zuge der militärischen Rebellion in den Ostertagen 1987 wurden die unterschiedlichen Berufsauffassungen der argentinischen Journalisten besonders deutlich. Zum ersten Mal hatten damals einzelne Militärskreise ihre Macht und ihren Willen offen demonstriert, sich der Menschenrechts- und Militärpolitik Alfonsins nicht zu beugen. Die Haltung der Massenmedien während dieser Regierungskrise - zugleich auch die erste offene Krise für das demokratisch ausgerichtete politische System war zwiespältig. Zwar gelang es der Regierung, durch die Kooperation der Hörfunkund Fernsehstationen die Bevölkerung massenweise zu mobilisieren, um auf Straßen und Plätzen für die Demokratie zu demonstrieren. Doch die Journalisten selbst spalteten sich damals in zwei Lager: Die einen versuchten vehement zum Schutze der Demokratie aufzutreten; die anderen boten sich den Rebellen als Sprachrohr an. Die Journalisten des ersten Lagers strebten über spontan eingerichtete mesas redondas (Runde Tische) nach einer einheitlichen "journalistischen Verhaltensstrategie". Es sollte nicht darum gehen, gewisse Nachrichten zu unterdrücken, die Pressefreiheit also zu beschneiden, sondern vielmehr darum, Sorge dafür zu tagen, daß keine Botschaften puschistischen Charakters ausgestrahlt würden. Dieser Versuch journalistischer Selbstkontrolle gelang nur sehr begrenzt Nach den Geschehnissen der Semana Santa kam es zu keinen weiteren Versuchen, das journalistische Arbeiten und Verhalten in Krisensituationen zu koordinieren. Auch als Organ der Mobilisierung wirkten die Funkmedien während der folgenden Militärunruhen kaum mehr. Auf die Tageszeitungen scheinen weder der Amtsantritt des demokratisch gewählten Präsidenten Raul Alfonsin, noch die verschiedenen Militärrevolten einen nachhaltigen Einfluß gehabt zu haben. Da alle Tageszeitungen privatwirtschaftlich organisiert sind, kann sich der staatliche bzw. regierungspolitische Einfluß hier nicht direkt auf Personalpolitik, Aufmachung und politische Linie durchsetzen.
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Massenmedien in Brasilien Jürgen Wilke Brasilien ist das größte Land Lateinamerikas. Es ist nicht nur geographisch von einer riesigen Ausdehnung, sondern ist auch das bevölkerungsreichste Land des Subkontinents. Daraus ergeben sich große Probleme vor allem wirtschaftlicher und sozialer Art. Gleichwohl rechnet man Brasilien nicht mehr zu den Entwicklungsländern im eigentlichen Sinne. Man zählt es vielmehr zu den sogenannten "Schwellenländem". Damit sind Länder gemeint, die an der Schwelle zur modernen Industriegesellschaft stehen. Dieser fortgeschrittene Entwicklungsstand hat seine Bedeutung nicht nur in ökonomischer und politischer Hinsicht, sondern schlägt sich auch in den Kommunikations- und Medienstrukturen nieder. Doch bleibt die Situation zwiespältig, weil mit dem Übergang zum "Schwellenland" die Probleme der Unterentwicklung keineswegs gelöst sind. Sie bestehen vielmehr in erheblichem Maße fort
1.
Landeskundliche Grundlagen
1.1.
Geographie
Brasilien besitzt mit 8,5 Millionen qkm das fünftgrößte Staatsgebiet der Welt. Das Land erstreckt sich vom 5. nördlichen bis zum 33. südlichen Breitengrad und vom 35. bis zum 74. Längengrad. Im Norden und Osten wird Brasilien auf einer Küstenlänge von 7400 km durch den Atlantischen Ozean begrenzt, im Inneren des Kontinents besitzt es gemeinsame Grenzen mit allen anderen südamerikanischen Ländern außer mit Ecuador und Chile. Geographisch gliedert sich Brasilien in drei Großräume (Wöhlcke 1987,11 ff). Im Norden liegt das tiefe Becken des Amazonas mit dem größten zusammenhängenden tropischen Waldgebiet der Erde, dessen Abholzung zu einem der weltweit gravierendsten ökologischen Probleme geworden ist. Im Zentrum handelt es sich um ein großräumiges Berg- und Tafelland, das nahe bis an die Küste heranreicht und vor allem Savannen und Trockengebiete aufweist Nach Süden schließt sich eine Hügellandschaft an, nach Westen ein Sumpfgebiet ("Pantanal"). Fester umrissen ist die Gliederung Brasiliens in fünf große Regionen, die häufig auch beim Nachweis (medien-)statistischer Daten zugmndegelegt werden. Der Norden (Norte) umfaßt außer dem Staate Amazonas (mit dem beherrschenden Rußsystem) die Staaten Parä, Acre, Rondönia sowie die Territorien Roraima und Amapä. Zum Nordosten (Nordeste) werden die Bundesstaaten Maranhäo, Piaui, Cearä, Rio Grande do Norte, Paraiba, Pemambuco, Alagoas, Sergipe und Bahia sowie das vorgelagerte Inselterritorium Fernando do Noronha gerechnet Hinter dem Küstenstreifen liegen hier landwirtschaftlich genutzte Bodenflächen sowie die
84 Trockengebiete des "Sertäo" und der "Caatinga". Zum Zentralwesten (Centro-Oeste) gehören die Staaten Mato Grosso, Mato Grosso do Sul und Goiás mit dem Regierungsdistrikt (Distrito Federal) Brasilia. Neben dem Hochland mit seinen Abbruchen findet sich hier das Sumpfland des Pantanal. Der Südosten (Sudeste) umfaßt die Staaten Minais Gerais, Espirito Santo, Rio de Janeiro und Säo Paulo. Charakteristisch sind hier die bis in Küstennähe reichenden Gebirge, die die dortigen großstädtischen Ballungsräume von einem oft schwer zugänglichen, rückständigen Hinterland trennen. Schließlich gibt es im Süden (Sul) die Staaten Paraná, Santa Caterina und Rio Grande do Sul, in denen sich das Gebirge zunächst fortsetzt bis es in die Ebenen nördlich von Uruguay übergeht. Seiner Größe entsprechend, gehört Brasilien unterschiedlichen Klimazonen an, in denen sich z. T. starke Gegensätze ausprägen. Überwiegend findet man ein tropisch bis subtropisches Klima, nur in einigen höhergelegenen Regionen herrscht ein gemäßigtes Klima. Feuchttropisch ist insbesondere das Amazonasbecken, wo infolgedessen eine üppige Vegetation anzutreffen ist.
1.2.
Geschichte
Wie die anderen lateinamerikanischen Staaten, so hat auch Brasilien eine wechselvolle Geschichte (Görgen 1971, 191 ff; Wöhlcke 1987, 18 f0. In Besitz genommen wurde das Land für das portugiesische Königreich durch Pedro Alvares Cabral am 22. April 1500 auf der Höhe von Bahía. In der Annahme, eine Insel entdeckt zu haben, nannte er das Land Ilha de Vera Cruz, sodann Terra de Vera Cruz. Wegen des dort vorgefundenen Brasil-Holzes ging man bald dazu über, von Brasil(ien) zu sprechen. Die Nachrichten von den Entdeckungsreisen wurden in Europa übrigens rasch bekannt gemacht 1 Noch vor der Landnahme war 1494 im Vertrag von Todesilhas der 100. Längengrad als Grenze zwischen den Interessengebieten Spaniens und Portugals in Südamerika festgelegt worden. Allerdings dehnten die Portugiesen ihre Kolonie in den folgenden Jahrzehnten weit über diese Grenze nach Westen hinaus aus. Seit 1534 wurde das Land in sogenannte Capitanías aufgeteilt, die als Lehensgüter an Angehörige des portugiesischen Adels vergeben wurden. Damit einher gingen die systematische Besiedlung und die wirtschaftliche Nutzung. Zu diesem Zweck wurden in großer Zahl aus Afrika schwarze Sklaven eingeführt, was auf Dauer bevölkerungsmäßig und sozial Konfliktstoff schaffen sollte. 1549 begann mit der Einsetzung eines königlichen Generalgouverneurs eine politische Zentralisierung. 1714 wurde dieser zu einem Vizekönig aufgewertet. Als der von Napoleon vertriebene Prinzregent Joäo VI. nach Portugal zurückkehrte, blieb sein Sohn Pedro in Brasilien zurück. Dieser rief 1822 die Unabhängigkeit aus und machte Brasilien zu einem Kaiserreich, das bis 1889 Bestand hatte. In der Regierungszeit seines Nachfolgers Pedros II. kam es 1888 zur Aufhebung der 1
Das erste deutschsprachige Druckwerk, das den uns geläufigen Begriff Zeitung im Haupttitel trägt, die "Copia der Newen Zeytung auß Presillg Landt", berichtet um 1508 geradewegs aus Brasilien. Vgl. H. H. Bockwitz (1922); Tidings out of Brazü (o. J.).
85 Sklaverei. Ein Jahr später wurde durch einen Militärputsch, den die enttäuschten Großgrundbesitzer unterstützten, die Monarchie beseitigt und die Republik ausgerufen. Es folgten Jahre der Militärherrschaft, bevor es zu einer Regierungsform kam, bei der sich die Gouverneure der wichtigsten Staaten im Amt des Präsidenten ablösten. Diese erste, von ständigen Krisen und Spannungen in Wirtschaft und Politik geprägte Republik bestand bis 1930. In diesem Jahr gelangte Getúlio Vargas an die Macht, der autoritär, ja diktatorisch regierte, damit aber fortschrittliche soziale Orientierungen verband. Durch einen Staatsstreich sicherte er sich 1937 seinen weiteren Machterhalt, wurde aber 1945 durch einen erneuten Militärputsch selbst gestürzt. Nachdem unter Präsident Gaspar Dutra seit 1946 Voraussetzungen für eine repräsentative Demokratie geschaffen worden waren, kehrte Vargas 1951 nochmals ins Präsidentenamt zurück, endete jedoch 1954 durch Selbstmord. Unter Juscelino Kubitschek (1955-1960) kam es in den folgenden Jahren zu einer politischen Beruhigung und einem wirtschaftlichen Aufschwung. Doch setzte unter seinen Nachfolgern Jänio Quadros (1961) und Joäo Goulart (1961-1964) erneut eine Rezession ein, in der sich die sozialen Spannungen zuspitzten. Als Goulart mit Unterstützung von Gewerkschaften und Kommunisten Sozialreformen durchzusetzen suchte und sich die Furcht vor einem linksgerichteten Umsturz breit machte, griffen die Militärs durch einen Putsch erneut nach der Macht Nach Generalstabschef Castelo Branco (1964-1966) und General Costa e Silva (1967-1969) übernahm der frühere Geheimdienstchef General Mèdici (1969-1974) die Regierungsgewalt. Das Militär stützte seine Herrschaft auf eine Ideologie, in der die Doktrin der nationalen Sicherheit und eine forcierte wirtschaftliche Modernisierung zusammengeführt wurden. In der Allianz mit Technokraten strebte man die Einbeziehung Brasiliens in die Weltwirtschaft an und förderte von Seiten des Staates systematisch die Industrialisierung. Zugleich brachen Jahre an, in denen - zumal unter Mèdici repressive Maßnahmen und Menschenrechtsverletzungen gang und gäbe waren und zu einer Eskalation des Terrors führten. Erste Zeichen einer Entspannung nach innen machten sich während der Präsidentschaft von Ernesto Geisel (1974-1979) bemerkbar. Doch bediente auch er sich wiederholt autoritärer Maßnahmen. Erst sein Nachfolger, General Figueiredo (19791984) betrieb jedoch eine Politik der kontrollierten Öffnung, die eine Redemokratisierung vorbereitete. Deren Stunde schlug, als die Militärs Mitte der achtziger Jahre außer Stande waren, die inzwischen eingetretene Wirtschaftskrise zu bewältigen. In dieser Situation sahen sich diese gezwungen, die Macht wieder an Zivilisten abzutreten. Aus der noch indirekten Präsidentschaftswahl 1985 ging Tancredo Neves als Sieger hervor, verstarb jedoch, ehe er das Amt übernehmen konnte. So wurde der Stellvertreter José Sarney erster Präsident der neuen Republik. In seiner Amtszeit wurde zwar die neue Verfassung (Constituigäo da República Federativa do Brasil, 1988) ausgearbeitet. Doch den wirtschaftlichen Problemen gegenüber verfiel Samey weitgehend in Tatenlosigkeit. So breitete sich in Brasilien in den späten achtziger Jahren rasch eine Hyperinflation aus. Im Herbst 1989 wurde der bis dahin weitgehend unbekannte frühere Gouverneur von Alagoas, Fernando Collor de Mello, direkt vom Volk zum Präsidenten gewählt. Der noch junge Präsident brachte mit seinem zupackenden Führungsstil eine neue
86 Dynamik in die brasilianische Politik und ging sogleich daran, mit massiven Maßnahmen eine Sanierung der Wirtschaft des Landes zu erreichen.
1.3.
Politisches System
Als Staatsform bildet Brasilien eine föderative Republik (República Federativa do Brasil). Sie besteht aus den bereits genannten 22 Bundesstaaten, vier Territorien und dem Bundesdistrikt mit der Hauptstadt Brasilia. Diese wurde erst in den fünfziger Jahren als ehrgeiziges Projekt aufgebaut, vor allem in der Absicht, das politische Zentrum des Landes mehr ins Landesinnere zu verlegen. Doch ist dies nur z. T. gelungen, wohl für die öffentliche Verwaltung, nicht aber hinsichtlich wirtschaftlicher und kultureller Funktionen. Brasilien hat im Laufe seiner Geschichte mehrfach eine neue Verfassung erhalten. Die siebte wurde 1967 erlassen, in den folgenden Jahren aber revidiert und mehrmals durch sogenannte Institutionelle Akte ergänzt. Diese dienten vor allem dazu, die Machtbefugnisse der Exekutive auf Kosten der Rechte der Bürger und ihrer Repräsentativorgane auszuweiten. Im Zuge der Redemokratisierung wurde 1988 eine neue Verfassung (jetzt die achte) ausgearbeitet und am 5. Oktober 1988 verkündet. Durch sie wurden die Menschen- und bürgerlichen Freiheitsrechte wiederhergestellt. Doch bietet diese Verfassung eine eigentümliche Mischung der Garantie von Freiheits- und Grundrechten mit z. T. sehr detaillierten Bestimmungen über die Wirtschaftsordnung. An der Spitze der Exekutive steht in Brasilien der Staatspräsident. Er ist zugleich Staatsoberhaupt, Regierungschef sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ist mit einer starken Machtfülle ausgestattet Der Präsident wird alle fünf Jahre jetzt direkt vom Volk gewählt, eine unmittelbare Wiederwahl ist nicht möglich. Als Legislative fungieren der Nationalkongreß mit 509 Abgeordneten sowie der Senat mit 75 Sitzen. Die Macht der Legislative gegenüber dem Präsidenten ist durch die jüngste Verfassung gestärkt worden, doch besitzt dieser immer noch gewisse Möglichkeiten, auch ohne Zustimmung des Parlaments zu agieren. An der Spitze der Regierungen der Bundesstaaten stehen Gouverneure, die vier Territorien und der Bundesdistrikt sind direkt der Zentralregierung unterstellt. Infolge der Redemokratisierung besitzt Brasilien heute auch wieder ein Mehrparteiensystem. 1966 waren per Dekret nur zwei Parteien zugelassen worden, die Alianza Renovadora Nacional (ARENA) für die Regierung, das Movimento Democrático Brasileiro (MDB) für die "Opposition". Diese wurden 1979 aufgelöst. An ihre Stelle sind (wieder) mehrere Parteien getreten: Der Partido Democrático Social (PDS-, im wesentlichen aus der ARENA hervorgegangen); der liberale und reformwillige Kräfte umfassende Partido Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), der in den Kongreßwahlen 1986 die Mehrheit errang; der Partido de Frente Liberal (PFL)\ eine Reihe von Arbeiter- und linksgerichteten Parteien wie der Partido Democrático Trabalhista (PDT), der Partido Trabalhista Brasileiro (PTB), der Partido Trabalhista (PT) sowie noch andere. Doch sind die Parteien (wie auch die Wahlentscheidung) in Brasilien weniger programmatisch oder ideologisch bestimmt, sondern auf jeweilige "charismatische" Führungsfiguren abgestellt, was
87 starke populistische Elemente bedingt So hat sich auch der derzeitige Präsident Collor de Mello eine ganz auf seine eigene Person abgestellte Partei (Partido Renovadora Nacional / PRN) geschaffen. Schon seit 1967 gibt es in Brasilien ein eigenes Ministerium für Kommunikation (Ministério de Comunicagoes). Dies spricht dafür, daß man bereits damals (unter der Militärherrschaft) die zunehmende (entwicklungs-)politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der Kommunikationstechniken erkannte.
1.4.
Wirtschaft
Die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens wurde lange Zeit primär von der Landwirtschaft bestimmt Dabei lösten verschiedene Phasen einander ab, in denen man jeweils vorzugsweise Produkte anbaute, die am Weltmarkt besonders gefragt waren (Wöhlcke 1987, 81fT). Dazu gehörten zunächst das Brasil-Holz, später Zuckerrohr, seit dem 19. Jahrhundert Kaffee, Kautschuk, Tabak oder Kakao. Hinzu kam zeitweise auch die Gold- und Edelsteingewinnung. Durch die starke Orientierung am Export geriet das Land ganz in die Abhängigkeit vom Weltmarkt und seinen Zyklen. Konjunktureinbrüche dort führten immer wieder auch zu schweren Wirtschaftskrisen in Brasilien. Zudem wurde die Versorgung der eigenen Bevölkerung dabei vernachlässigt, was zur Folge hat, daß noch heute ein großer Teil der Bevölkerung an Unterernährung leidet. Der Aufbau einer eigenen Grundstoffindustrie setzte in Brasilien in den dreißiger Jahren ein. Zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kam es Ende der sechziger Jahre. Die expansive, kapitalkräftige Förderung der eigenen Industrie (mit einer ganzen Reihe von Großprojekten) bildete einen wesentlichen Teil der Politik der damaligen Militärherrscher. Man hat diesbezüglich geradezu von einem "Wirtschaftswunder" gesprochen. Doch zeichnete sich schon nach wenigen Jahren eine Rezession ab, die sich dann in den achtziger Jahren zu einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise ausweitete. Die Folge waren eine astronomische Verschuldung nach außen und eine galoppierende Inflation nach innen. Mit über 100 Milliarden Dollar war Brasilien das höchstverschuldete Land der Dritten Welt. 1987 stellte das Land den Schuldendienst ein. Im gleichen Jahr erreichte die Inflation eine Höhe von mehr als 2000 Prozent Präsident Samey suchte zwar nach Mitteln zur Bekämpfung dieser Krise und schuf u. a. eine Währungsreform, doch hatte er mit seinen halbherzigen Bemühungen kaum Erfolg. Fernando Collor do Mello übernahm bei seinem Amtsantritt im März 1990 infolgedessen ein wirtschaftlich zerrüttetes Land. Sogleich leitete er massive Maßnahmen zur Sanierung der Wirtschaft ein: Einsparung in den öffentlichen Haushalten, Privatisierung von Unternehmen, Abbau protektionistischer Maßnahmen und Öffnung des Marktes für ausländische Unternehmen, Freigabe der Preise usw. Ob dieses Programm durchgehalten werden kann, ist jedoch fraglich, zumal es rezessive und negative soziale Auswirkungen hat (u. a. Schrumpfung des Bruttosozialprodukts, sinkende Löhne, wachsendes Heer von Arbeitslosen). So hat die Regierung des Präsidenten denn auch bereits im Frühjahr 1991 Änderungen am wirtschaftlichen Reformprogramm vorgenommen. Ein Lohn- und Preisstop schien z. B. un-
88 umgänglich, weil die zunächst zurückgegangene Inflationsrate wieder angestiegen war. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 2490 US-Dollar im Jahr nimmt Brasilien unter den lateinamerikanischen Ländern eine mittlere Position ein. Die Streuung der Einkommen ist jedoch groß. Neben einer kleinen Schicht wohlhabender Bürger gibt es auch in Brasilien weite Bevölkerungskreise, die verarmt und sozial marginalisiert sind. Nur ein Fünftel der Bevölkerung gilt als kaufkräftige Verbraucher. Die Mindestlöhne sind gering und wurden der Inflation nur unzureichend angepaßt. 30 Prozent der nationalen Produktion stammen aus der Industrie, 10 Prozent aus der Landwirtschaft und 60 Prozent aus dem (aufgeblähten) Dienstleistungssektor. All dies beeinträchtigt Produktivität und marktwirtschaftliche Regelungsmechanismen. Der einst für Brasilien dominierende Handelspartner USA hat inzwischen an Bedeutung verloren, doch sind die Verbindungen immer noch eng. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Wirtschaftlich und politisch hat Brasilien seine Beziehungen in der Dritten Welt verstärkt. Ins Gerede kam das Land in den letzten Jahren auch durch sein Kemenergieprogramm sowie durch Rüstungsproduktion und Waffenexporte. Auch hier ist man inzwischen dabei umzudenken. Zu den expansiven Sektoren gehörte in den letzten zwei Jahrzehnten die brasilianische Computer-Industrie, ja die gesamte Kommunikationstechnik.
1.5.
Bevölkerung
In Brasilien leben heute rund 150 Millionen Einwohner (1990). Ihre Zahl hat sich seit 1950 verdreifacht Naturgemäß ist diese "Bevölkerungsexplosion" mit ein wesentlicher Grund für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes. Im übrigen bedingt sie, daß in Brasilien eine "junge" Gesellschaft besteht. Nahezu die Hälfte der Einwohner ist unter 20 Jahre alt. Im Unterschied zu manchen anderen Ländern des Subkontinents ist der autochthone Bevölkerungsanteil jedoch gering. Etwa 60 Prozent sind Weiße, meist portugiesischer, italienischer, spanischer oder deutscher Abstammung. Ein Viertel der Bevölkerung sind Mischlinge (insbesondere Mulatten), fünf Prozent sind Schwarze. Hinzu kommen Asiaten sowie weitere Minderheiten. Eine solche bilden vor allem auch die nur wenigen tausend Indianer, die in meist abgelegenen Gebieten des Amazonas-Beckens leben. Bezeichnend ist die ungleiche Besiedlung. Etwa neun Zehntel der Bevölkerung leben auf einem Gebiet, das ein Drittel des Landes ausmacht. Da die Landbevölkerung in den letzten Jahrzehnten zunehmend in die Städte abgewandert ist, stieg der Grad der Urbanisierung von 36 Prozent (1950) auf 73 Prozent (1985). Die Menschen konzentrieren sich vor allem auf die Ballungszentren der Küstenregion im Osten und Südosten. An der Spitze steht Säo Paulo mit 15 Millionen Einwohnern, gefolgt von Rio de Janeiro mit zehn Millionen (Agglomeration). Weitere Millionenstädte sind Belo Horizonte (2,5), Brasilia (2,3) und Curitiba (1,6). Die starke Zuwanderung hat übervölkerte große Elendsviertel am Rande der Ballungszentren (Favelas) entstehen lassen.
89 Rund 90 Prozent der Brasilianer sind Katholiken, womit es auch das größte katholische Land der Erde ist. Doch leben hier verschiedene afro-brasilianische Kulte fort, die in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr Anhänger gefunden haben. Auch evangelische Sekten haben in den letzten Jahren starken Zulauf erhalten. Im Religiösen, wie im gesellschaftlichen Bereich insgesamt, ist Brasilien durch einen starken Synkretismus geprägt Sehr ungleich verteilt und von der sozialen Stellung abhängig ist auch die Schulbildung. Die sozialen Gegensätze werden durch das brasilianische Schulsystem bisher eher noch verfestigt Der Mittel- und Oberschicht stehen Privatschulen zur Verfügung, während öffentliche Schulen zuwenig Plätze besitzen. Die Einschulungsrate ging seit den sechziger Jahren sogar zurück. Die Mehrheit der Bevölkerung hat nur wenige Jahre oder überhaupt keine Schule besucht Die Analphabetenquote wird mit 20 Prozent angegeben, aber habituell wirklich lesen können erheblich weniger, gerade in den ländlichen Gebieten. Dies hat in Brasilien - wie in anderen Ländern Lateinamerikas - unmittelbar seine Konsequenzen für Angebot und Nutzung der Massenmedien und damit für Information und gesellschaftliche Partizipation der Bevölkerung.
2.
Rechtliche Grundlagen der Massenmedien
Infolge der mehrfachen Umbrüche in der Geschichte Brasiliens haben sich auch die rechtlichen Grundlagen und damit der Handlungsspielraum für die Massenmedien wiederholt geändert Als zu Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Zeitungen herausgebracht wurden, zog dies sogleich amtliche Kontrollmaßnahmen nach sich. Publikationen, die gegen die Regierung, die Religion oder die guten Sitten gerichtet waren, sollten am Erscheinen gehindert werden. Mit der Erringung der Unabhängigkeit 1822 fielen diese Maßnahmen zunächst weg, eine erste Phase, in der relativ frei gedruckt und publiziert werden konnte, setzte ein. Ähnlich war es auch zunächst in der Republik, wo lediglich die Schließung deutscher Zeitungen im Ersten Weltkrieg als Einschränkung genannt wird. In der Folgezeit führten autoritäre oder diktatorische Regime jedoch in der Regel zu rechtlichen und praktischen Eingriffen in die Freiheit der Presse. Dies war zumal unter Getülio Vargas (1930-1945) der Fall, der die Presse und den jungen Rundfunk andererseits schon zu propagandistischen Zwecken nutzte und durch sie die Massen zu mobilisieren suchte. In den liberal-demokratischen Phasen unter den Präsidenten Gaspar Dutra (1946-1951) und Kubitschek (1955-1960) genoß die Presse hingegen wiederum eine ziemliche Freiheit von amtlicher Kontrolle. Die Kampagne, die Präsident Goulart (1961-1964) mit Unterstützung von Teilen der Presse für seine sozialreformerischen Ziele führte, bildete dann 1964 mit den Anlaß zum Militärputsch (Lane 1967). Die in den anschließenden zwei Jahrzehnten durch die Militärherrschaft ausgeübte Repression betraf gerade auch die Massenmedien. Die Rechtsgrundlage dafür bildete die autoritäre Verfassung von 1967. Diese sah zwar im Prinzip die Gewährleistung der Pressefreiheit vor. Doch wurden die Grundrechte durch sogenannte "Institutionelle Akte" - d. h. Verfassungszusätze - mehrfach eingeschränkt, j a
90 außer Kraft gesetzt. Der Akt Nr. 5 von 1968, eine Art "Ermächtigungsgesetz", das die Pressefreiheit aufhob, war hier von besonderer Bedeutung. Zudem war schon 1967 ein eigenes Pressegesetz erlassen worden. Zwar wurde auch darin die Äußerungsfreiheit im Prinzip anerkannt Doch richtete sich das Gesetz im übrigen gegen "Mißbräuche" der Pressefreiheit Auswirkungen auf die Presse hatte ferner die Gesetzgebung zur nationalen Sicherheit von 1969. In diesem Jahr wurde auch die Verfassung selbst im Geiste dieser Akte und Gesetze modifiziert. Zu den rechtlichen Einschränkungen traten die praktischen Maßnahmen der Repression. Redaktionen wurden gestürmt, Herausgeber und Journalisten inhaftiert, ja gefoltert Unterdrückung und Verfolgung nahmen lebensbedrohliche Formen an. Die unter Präsident Ernesto Geisel (1975-1978) einsetzende innenpolitische Öffnung erweiterte zum erstenmal auch wieder den Bewegungsspielraum der Massenmedien. Doch kam dies zunächst eher der Presse als dem massenwirksamen Fernsehen zugute. Im Zuge der Rückkehr zur Demokratie wurde dieser Spielraum größer und sicherer, ein Vorgang, der mit der Verkündung der neuen Verfassung am 5. Oktober 1988 seinen förmlichen Abschluß fand. Die Verfassung war von einer im November 1986 gewählten Verfassunggebenden Versammlung in 19 Monaten erarbeitet worden. Sie umfaßt 245 Artikel. Mit ihr kehrte Brasilien zur Garantie der in westlichen Ländern üblichen Menschen- und Grundrechte zurück (Paul 1988). An mehreren Stellen der neuen brasilianischen Verfassung findet man für die Massenmedien relevante Rechtsbestimmungen. In Art 5/IV von Kapitel I ("Individuelle und kollektive Rechte") heißt es, "die Äußerung von Gedanken ist frei". Zugleich wird die Anonymität für unstatthaft erklärt. Art. 5/XIV lautet: "jedermann kann sich aus frei zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten." Damit ist auch die Informationsfreiheit garantiert. Gleiches dürfte für das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht gelten, da anschließend gesagt wird: "Das Quellengeheimnis ist geschützt, wenn es die berufliche Tätigkeit erfordert." Ausführlichere, ins einzelne gehende Formulierungen enthält Titel VIII ("Die Sozialordnung") unter Kapitel III, Abschnitt II ("Kultur"). Art 220 hat hier folgenden Wortlaut:
Die Freiheit der Meinung, der Erziehung, der Rede und der Information, gleich in welcher Form, erfahren keine Einschränkung, sofem die Vorschriften dieser Verfassung gewahrt bleiben. Es folgen noch mehrere Paragraphen, von denen die wichtigsten hier zitiert seien: § 1
Kein Gesetz darf Maßnahmen vorsehen, die die völlige Freiheit der journalistischen Information behindern können ...
§2
Jegliche Zensur politischer ideologischer und künstlerischer Natur ist verboten.
Außer dem Zensur- und einem Werbeverbot für bestimmte Produkte (§ 4) umfaßt Art. 220 auch eine Art Gegendarstellungsrecht (u. a. gegen Werbung für umweit-
91 schädliche Produkte, § 3/11), eine Vorschrift gegen wirtschaftliche Monopolbildung (§ 5: "Die gesellschaftlichen Kommunikationsmittel dürfen weder direkt noch indirekt monopolisiert sein") sowie der Ausschluß eines Lizenzierungsverfahrens für Presseerzeugnisse. Die folgenden Artikel (221 und 224) enthalten eine Reihe von Bestimmungen für Hörfunk und Femsehen. Von genereller Bedeutung ist Art. 222, welcher das Eigentum an Medienunternehmen gebürtigen Brasilianern oder Personen vorbehält, die seit mehr als zehn Jahren eingebürgert sind. Schließlich wären noch andere Verfassungsartikel anzuführen, die als allgemeine Schranken der Pressefreiheit anzusehen sind (z. B. Schutz der persönlichen Ehre, Art. 5/X). Die klassischen Kommunikationsrechte sind demnach heute in Brasilien verfassungsmäßig garantiert. Im Vergleich zum deutschen Grundgesetz fällt hier sogar eine gewisse Redundanz auf. Zudem enthält die brasilianische Verfassung jetzt Regelungen, die anderswo in eigenen Mediengesetzen enthalten sind. Die Ausführlichkeit mag als Ausdruck einer Bemühung um eine besondere rechtliche Sicherung erscheinen, an der es früher gefehlt hat. Der positive Eindruck, den die genannten Verfassungsgarantien erwecken, ist jedoch in verschiedener Hinsicht zu relativieren. Denn zum einen sind trotz der Betonung der Pressefreiheit immer noch restriktive, aus der Zeit der Militärherrschaft stammende rechtliche Regelungen in Kraft. Dies gilt insbesondere für das erwähnte Pressegesetz, das z. T. im Widerspruch zur Verfassung steht (vgl. 3.2.). Auch erlaubt die Verfassung (Art. 220, § 3/1) bundesgesetzliche Vorschriften zur Regelung von "Unterhaltung und öffentlichen Aufführungen" (diversöes e espetáculos públicos), was in einem Regierungsdekret inzwischen auch geschehen ist (vgl. 5.2.). Zum zweiten kann man nicht darüber hinwegsehen, daß gerade in einem Land wie Brasilien, in dem erhebliche autoritäre Traditionen und mangelnde demokratische Gepflogenheiten (fort-)bestehen, Diskrepanzen zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit auftreten. Beides einander anzunähern, dürfte gerade in einem solch großen und heterogenen Land schwierig sein. So wird es vor allem regionale Unterschiede in der Rechtssicherheit geben. Im Landesinneren, femab von den Urbanen Zentren und unter den Bedingungen lokaler Machtausübung, dürfte die Einhaltung der Verfassungsbestimmungen eher zu umgehen oder zu unterlaufen sein. Insofern stellen die Durchsetzung und tatsächliche Verwirklichung der Verfassung in Brasilien noch eine bleibende Aufgabe dar. Schließlich gibt es in Brasilien neben äußeren auch innere Bedrohungen der Kommunikationsfreiheiten, und zwar durch übermächtige gesellschaftliche und kommerzielle Interessen. Durch wirtschaftliche Konzentration und persönliche Machtballung im Mediensektor geraten Journalisten in Abhängigkeit. Innere Pressefreiheit läßt sich unter diesen Umständen nur schwer verwirklichen.
92
3.
Presse
3.1.
Geschichte
Obwohl Nachrichten aus Brasilien in Europa schon sehr bald nach der Entdeckung publiziert und verbreitet wurden, setzte das Zeitalter der gedruckten Presse dortselbst erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein, später als in anderen lateinamerikanischen Ländern. Fast während der gesamten Kolonialzeit blieb es bei den Formen der oralen Kommunikation mit der Folge einer dezentralen, wenig integrierten Gesellschaftsbildung. Zwar wurden Bücher in portugiesischer Sprache zur (religiösen) Unterweisung eingeführt Aber die Entstehung der Massenkommunikation setzte die Verfügbarkeit der Drucktechnik voraus. Diese gelangte erst nach Brasilien, als dir portugiesische Hof sich, vertrieben durch Napoleon Bonaparte, dorthin ins Exil begab. In seinem Gepäck befand sich offenbar auch eine Druckerei. Als erste, in Brasilien gedruckte Zeitung erschien am 10.9.1808 A Gazeta do Rio de Janeiro (Sodré 1966; Prakke / Lerg / Schmolke 1970, 55f). Sie wurde von dem Franziskaner José da Rocha mit amtlicher Erlaubnis herausgegeben und enthielt dementsprechend vor allem Hofnachrichten und offizielle Bekanntmachungen. Etwa um die gleiche Zeit brachte der Emigrant Hipólito da Costa Pereira in London den Correio Brasiliense heraus, ein Monatsblatt, das heimlich nach Brasilien eingeführt und dort vertrieben wurde. Während der erstgenannte Titel 1812 durch den Diàrio do Gouverno ersetzt wurde, stellte der Correio Brasiliense sein Erscheinen erst mit der Erringung der Unabhängigkeit ein. Mit der Rückkehr des Hofes nach Portugal und der 1822 ausgerufenen Unabhängigkeit Brasiliens begann dort eine langsame, aber stetige Entfaltung der Presse. Dazu trug insbesondere, wie bereits erwähnt, der erweiterte Freiheitsspielraum bei. Für 1827 werden 12, für 1831 sogar 54 Zeitungen genannt. Zu den Gründungen der zwanziger Jahre gehörten der Diàrio do Rio de Janeiro (1821), der Spectaior Brasileiro (1824) und der Jornal do Commèrcio (1827), der noch heute erscheint. Gleichzeitig drang die Presse auch in die Provinzen vor, eine Entwicklung, die mit dem Diàrio de Pernambuco (1825) einsetzte. Mitte des Jahrhunderts gab es angeblich schon Zeitungen in allen Teilstaaten. Von diesen Anfängen an handelte es sich in Brasilien überwiegend um eine Meinungspresse. Begleitete diese zunächst den Unabhängigkeitsprozeß, so verstärkten sich die politischen Tendenzen noch in den Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Monarchisten. Bereits seit 1870 propagierte die Zeitung A República die Idee dieser neuen Staatsform, die nach der Abschaffung der Monarchie 1889 dann auch eingeführt wurde. Seit den neunziger Jahren wurden Zeitungen zu industriellen Unternehmen gemacht, z. B. der Jornal do Brasil (Rio de Janeiro), der Diàrio de Noticias (Bahía), der Correio de Porto (Porto Alegre) und A Provincia, woraus später der noch heute erscheinende, zu den großen Blättern Brasiliens gehörende O Estado de Säo Paulo hervorging. Während der "alten Republik" gab die Meinungspresse weiter den Ton an. Schon im 19. Jahrhundert waren zur Tagespresse auch Periodika für spezielle Interessen hinzugekommen. Dabei handelte es sich um Fachorgane mit wissenschaftlicher oder literarisch-künstlerischer Thematik, die meistens nur geringe Auf-
93 lagen erreichten und oft kurzlebig waren. Als erste, auf ein breiteres Publikum angelegte illustrierte Wochenzeitschrift erschien im Jahre 1900 die Semana Illustrada. Unter der Herrschaft von Getülio Vargas (seit 1930) brachen für die Zeitungen, von denen weitere in den zwanziger Jahren entstanden waren (u. a. der Diàrio National 1927 auf Seiten der Demokratischen Partei, der Diario Carioca 1928 auf Seiten der Opposition), schwierigere Zeiten an. Das Departamento de Imprensa e Propaganda (DIP) löste 1939 als Zensur- und Kontrollbehörde das bereits 1930 gegründete Departamento Oficial de Propaganda ab, das 1934 zum Departamento de Propaganda e Difusäo Cultural erweitert worden war. Insbesondere der politisch kontroverse Journalismus wurde nicht mehr toleriert wie zuvor, die Zeitungen waren zunehmend gezwungen, auf Meinungsbeiträge zu verzichten. Andererseits gab es auch jetzt weitere Neugründungen. In den dreißiger Jahren setzte zudem der Aufstieg des Zeitungsunternehmens Diàrios Associados ein, für das Assis Chateaubriand, der zunächst Provinzreporter in Paraiba gewesen war, den Grundstein schon im Jahrzehnt zuvor mit dem Aufkauf bestehender oder der Eröffnung neuer Presseorgane gelegt hatte (O Jornal, 1921; Diàrio da Noite, 1925; O Cruzeiro, 1928; Diàrio de Säo Paulo, 1929). Mit der Übernahme weiterer Zeitungen und Zeitschriften sowie Aktivitäten im Rundfunk seit 1935 entstand daraus seinerzeit eines der größten Presse- und Medienimperien Lateinamerikas. Mit Beginn der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts läßt sich ein grundlegender Wandel in der Presse Brasiliens feststellen (Seguin de Hons 1985). Der ohnehin schon zurückgedrängte Meinungsjournalismus verlor weiter an Anziehungskraft, eine Umorientierung zur Informationspresse fand statt. Dies geschah unter nordamerikanischem Einfluß, insbesondere was den Nachrichtenstil und die Trennung von Nachricht und Kommentar angeht. Notwendigerweise folgte daraus eine größere Standardisierung und Systematisierung des Zeitungsinhalts. Andererseits traten den etablierten Organen populäre Blätter zur Seite bzw. machten ihnen Konkurrenz. Durch die inhaltlichen und graphischen Mittel des Sensationsjoumalismus gewannen sie neue Leser. Zu der bereits älteren A Noticia kamen in dieser Gattung O Dia (1951ff), Notlcias Populäres (1963ff) und Luta Democràtica hinzu. Den Gipfel des von Kriminalität, Gewalttätigkeit und makabrem Humor lebenden Sensationsjournalismus markierte O Povo (1982/83). Was die Zeitschriften betrifft, so läßt sich deren Entwicklung seit den zwanziger Jahren - Seguin de Hons (1985, 25ff) zufolge - in drei Phasen gliedern. In der Zwischenkriegszeit bestanden einerseits (gerade in Rio de Janeiro) Organe, die der (kultur-)politischen Diskussion dienten und von Intellektuellen gelesen wurden (z. B. Excelsior, 1926-1946). Andere zielten mehr auf die Information und Bildung von Bürgertum und Mittelschicht (z. B. O Malho, 1908ff). Eine zweite Phase reicht dann von etwa 1945 bis zum Ende der sechziger Jahre. Gleich drei neue Typen von Zeitschriften wurden in Brasilien etabliert und in bis dahin nicht erreichten Auflagen erfolgreich ins Publikum gebracht. Im Stil von Life und Paris-Match erschienen jetzt Farbglanz-Magazine wie O Cruzeiro, Manchete und O Mundo Ilustrado, die 1955 zusammen in mehr als 1,1 Millionen Exemplaren verbreitet wurden. Neben Politik und Gesellschaft lieferten auch die noch unbekannten Weiten des eigenen Landes die Themen dazu. Einen zweiten Typ bildeten allgemeine Kulturzeitschrif-
94 ten, von denen die bereits 1942 gegründete, ebenfalls einem US-amerikanischen Muster nachgebildete Monatsschrift Selegöes do Reader's Digest wegen ihrer hohen Auflage (1957: 500 000) hervorzuheben ist. Eine dritte Gruppe stellt die Regenbogenpresse mit Titeln wie O Idilo, Rosalinda, Gilda, Capricho oder Querida dar. Mit ihrer Mischung aus Gesellschaftsklatsch, Liebesromanzen, Horoskopen usw. richtet sie sich vor allem an ein weibliches Publikum. Besonders zu erwähnen sind die darin enthaltenen und beliebten Fotoromane. In den sechziger Jahren brach eine neue Phase in der Zeitschriftenpresse Brasiliens an. Verschiedene ökonomische und gesellschaftliche Gründe waren dafür ausschlaggebend. Zum einen verloren die bis dahin erfolgreichen Organe wie O Cruzeiro, Capricho u. a. ihr Publikum und erlebten einen Niedergang. Zum anderen entstanden Neuschöpfungen, die sich wiederum nach drei Gattungen gruppieren lassen: Nachrichtenmagazine, Frauen- sowie Männerzeitschriften. Auch dabei handelt es sich wiederum um mehr oder weniger getreue Nachbildungen ausländischer Titel. Realidade (1967ff), Veja (1968ff) und Isto t (19760) sind Nachrichtenmagazine im Stile von Express, Time oder Spiegel. Claudia (1961 ff) entspricht etwa Elle oder Brigitte, Nova (1973ff) der Zeitschrift Cosmopolitan. An das Publikum junger Frauen wendet sich Caricia (1974ff). Zu den spezifische,n Männermagazinen gehören Ele Ela (1969ff), Status (1974ff) und Playboy (1975ff). Zu nennen wären ferner Zielgruppenzeitschriften wie Placar (Sport, 1970ff), Exame (Wirtschaft, 1970fi) und Quatro Rodas (Autos, 1960ff). Zustandegekommen ist die Expansion und Differenzierung des Zeitschriftcnmarktes vor allem durch den Aufstieg der Verlage Editora Abril und Bloch Editores (s. u.). Zu Veränderungen kam es in Brasilien seit Mitte der sechziger Jahre auch bei den Tageszeitungen. Nicht wenige bekannte Organe verschwanden vom Markt, der von einer erheblichen Fluktuation gekennzeichnet war. Zurückzuführen ist dies auf politische und wirtschaftliche Ursachen. Unter der Militärherrschaft wurden oppositionelle Summen in der Presse unterdrückt und die dafür verantwortlichen Journalisten verfolgt Dabei hatte die Presse im Zusammenhang des Staatsstreichs 1964 selbst z. T. eine aktive Rolle gespielt (Lane 1967). Am tiefgreifendsten war die Zerschlagung der Gruppe um die 1951 gegründete, von Samuel Wainer geleitete Zeitung Ultima Hora. Ihm war es - einzigartig in der brasilianischen Pressegeschichte - gelungen, in sechs verschiedenen Teilstaaten lokale Ausgaben dieser Zeitung einzuführen. Darüber hinaus hatte er auch im Rundfunk Fuß gefaßt. Aus politischen Gründen wurde Wainer nach dem Militärputsch 1964 gezwungen, ins Exil zu gehen. Seine Zeitungen wurden aufgelöst bzw. anderen Verlagen überlassen, nur die Ausgabe in Rio de Janeiro wurde fortgeführt bis auch sie 1970 den Besitzer wechselte. Unter dem politischen Druck der militärischen Machthaber schrumpfte überdies das Meinungsspektrum der brasilianischen Tagespresse. Waren darin vor 1964 durchaus verschiedene Blätter zwischen Rechts und Links vertreten gewesen, so verkürzte sich das Spektrum neben der liberalen Mitte zusehends auf konservative und rechtsgerichtete Positionen. Andererseits bestanden selbst unter der Militärherrschaft legal einige oppositionelle oder "alternative" Organe (Pasquim, Opinäo), denen das Leben jedoch schwergemacht wurde. ökonomische Ursachen förderten zum anderen seit den sechziger Jahren einen Konzentrationsprozeß in der Tagespresse Brasiliens. Dies trifft insbesondere für die
95 großen Ballungszentren Rio de Janeiro und Säo Paulo zu. Die Vielzahl der hier einst bestehenden kleinen Blätter hat sich dadurch verringert, während die Dominanz der großen Zeitungen am Ort in der Regel gestärkt wurde. Doch vollzieht sich dieser Konzentrationsprozeß nicht im Zeitungswesen allein, sondern er erstreckt sich zu einem bedeutsamen Teil auch auf die Funkmedien.
3.2.
Presserecht
Die Rechtsverhältnisse der Presse sind in Brasilien z. Zt., wie bereits angemerkt wurde, durch gewisse Widersprüche gekennzeichnet. Einerseits enthält die neue Verfassung von 1988 Grundrechts-Garantien und gewährleistet darunter auch die Pressefreiheit (vgl. 2.). Untersagt ist zudem die Lizenzierung von Presseunternehmen (Art. 220, § 6). Einschlägig von Bedeutung ist auch die in Art. 5/XIII zugesicherte Berufsfreiheit. Sie steht der Einschränkung des Berufszugangs entgegen, wie sie einst durch die 1937 per Dekret 910 eingeführte Registrierung von Journalisten gegeben war. Naturgemäß gelten für die Presse auch die Schranken, die in der Verfassung zur Sicherung der individuellen Grundrechte vorgesehen sind. Obwohl die neue Verfassung die Pressefreiheit in definitiver Weise garantiert, bestehen andererseits restriktive Bestimmungen fort. So ist insbesondere das im Geiste der autoritären Verfassung von 1967 erlassene Pressegesetz (Lei de Imprensa) noch immer in Kraft. Zwar erkennt auch dieses in seinem ersten Abschnitt die Freiheit, zu denken und Informationen ohne Zensur zu verbreiten und zu empfangen, an. Doch wird diese Freiheit in den übrigen Abschnitten stark relativiert Nicht nur, daß eine Registrierung von Medienunternehmen vorgeschrieben und der Besitz daran Brasilianern vorbehalten ist. Vor allem der dritte Abschnitt des Gesetzes richtet sich gegen Mißbräuche der Freiheit und sieht dafür Strafen vor. In den übrigen Abschnitten sind noch das Gegendarstellungsrecht sowie die strafrechtliche und zivile Verantwortung geregelt. Verboten und Anlaß für Zensurmaßnahmen sind diesem Gesetz zufolge Kriegspropaganda, politische und soziale Subversion sowie Aufruf zum Rassen- und Klassenhaß. Anlaß für Zensurmaßnahmen sind ferner Verstöße gegen die öffentliche Moral, die innere und äußere Sicherheit des Staates, die Verbreitung verzerrter Nachrichten, die sozialen Aufruhr verursachen (z. B. auch indem das Bankensystem diskreditiert wird). Für Verletzungen dieser deutbaren Bestimmungen sieht das Gesetz Geldbußen sowie die Möglichkeit direkter Beschlagnahme und Bestrafung vor. Allerdings kann eine gerichtliche Nachprüfung solcher Maßnahmen verlangt werden. Für rechtlich zulässig erklärt wird zudem die Zensur im Belagerungszustand, d. h. sie ist Teil eines Notstandsrechts. Die offenkundigen Widersprüche zwischen der neuen brasilianischen Verfassung und dem noch in Geltung befindlichen Presse- und Informationsgesetz sind bisher nicht beseitigt. Solche Widersprüche bestehen übrigens auch noch in anderen Bereichen der (Verfassungs-)Rechtsordnung. Allerdings hat es in Brasilien inzwischen eine starke Kampagne gegen die weitere Geltung dieses Gesetzes gegeben. Einige Zeitungsverleger haben sich dabei gegen jegliches spezielle Pressegesetz gewandt. Der Joumalistenverband versuchte hingegen das Parlament dazu zu bewegen, ein
96 neues und demokratisches Pressegesetz zu genehmigen. Das Problem harrte im Frühjahr 1991 noch der Entscheidung.
3.3.
Die Struktur der Presse in Brasilien heute
3.3.1.
Zeitungen
3.3.1.1.
Bestand und Verbreitung
Brasilien verfügt heute zwar über eine Vielzahl von Zeitungen, doch ist sein Pressewesen durch erhebliche, auch f ü r andere lateinamerikanische Länder typische Strukturschwächen gekennzeichnet. Insgesamt werden f ü r das Jahr 1989 1768 Titel genannt (Anuário Brasileiro de Midia 1989-1990, 106). 2 Damit ist Brasilien neben den Vereinigten Staaten das an Zeitungstiteln reichste Land auf dem amerikanischen Kontinent. Berücksichtigt man die Erscheinungsweise, so handelt es sich aber nur bei 2 8 6 der 1786 Titel um Tageszeitungen (davon gibt es in den USA allein ca. 1700). Die übrigen Zeitungen erscheinen in Brasilien (mehrmals) wöchcntlich (861 Titel), vierzehntägig (188 Titel) oder in sonstigem, etwa monatlichem R h y t h m u s (433 Titel). Die Regelmäßigkeit der Versorgung hängt ganz von der Erscheinungshäufigkeit des jeweiligen Organs ab. Infolge der begrifflichen und statistischen Unschärlcn läßt sich auch die Gesamtauflage der brasilianischen Presse nicht genau angeben. Sie dürfte für die etwa 300 Tageszeitungen bei knapp acht Millionen Exemplaren liegen. D u U N E S C O beziffert die Leserdichte (= Anzahl der Zeitungsexemplarc pro 1CKX) Einwohner) in Brasilien auf 57 (World Communication Report 1989, 311). Das sind beträchtlich weniger als in den U S A (Leserdichte: 268) oder der Bundesrepublik Deutschland (350). Mit der geringen Leserdichte unterscheidet sich Brasilien aber nicht nur von den Industrieländern. Auch innerhalb Lateinamerikas nimmt das Land diesbezüglich einen nachgeordneten Platz ein. In der R a n g f o l g e der Leserdichte liegt das Land zwar vor Bolivien (50) oder Nicaragua (47), aber u. a. hinter Venezuela (186), Kuba (144), M e x i k o (120) oder Chile (96). Die Leserdichte ist in Brasilien zeitweilig sogar gesunken, weil mit d e m Bevölkerungswachstum keine entsprechende Auflagensteigerung einhergeht. Ganz unterschiedlich ist die Verbreitung der Zeitungen in den verschiedenen Regionen des Landes. Sie ist entscheidend von der Besiedlung abhängig. S o weist der Südwesten (Sudeste) mit 1206 Zeitungen (davon 168 Tageszeitungen) die größte Zeitungsdichte auf. Das ist durch die großen Ballungsgebiete in dieser Region b e d i n g t Hier befindet sich nahezu die Hälfte der 35,9 Millionen brasilianischen Haushalte (= 16,8 Millionen). Danach folgen der Süden (Sul) mit 332 Zeitungen (davon 55 Tageszeitungen), der Mittelwesten (Centro-Oeste) mit 110 Zeitungen
Die Zahlen weichen in verschiedenen Quellen voneinander ab. Der Katalog "Midia no Brasil 89/90" der Werbeagentur McCann-Erickson gibt z. B. 1894 Zeitungen an (S. 49). Das dürfte damit zusammenhängen, daß den Zählungen kein ganz präziser Zeitungs-Begriff zugmndeliegt und die Übergänge zur Gattung Zeitschrift fließend sind.
97 (aber nur 14 Tageszeitungen) und der Nordwesten (Nordeste) mit 90 Zeitungen (darunter 45 täglich erscheinenden). Am geringsten ist die Zahl der Zeitungen im Norden (Norte) mit 30 (darunter 14 Tageszeitungen). Ausschlaggebend ist dafür die dünne Besiedlung (nur 1,8 Millionen Haushalte). Die Unterschiede dürften noch deutlicher hervortreten, wenn man statt der Anzahl die Auflagenhöhe der Zeitungen in den verschiedenen Regionen zugrundelegte. Zeitungen sind somit auch in Brasilien eine überwiegend urbane Erscheinung. Sie sind in der Regel lokal verbreitet. Eher überregional oder gar landesweit verbreitete Zeitungen gibt es nicht. Daß die Zeitung Ultima Hora, wie erwähnt, in den sechziger Jahren, mit Regionalausgaben in sechs verschiedenen Staaten erschien, war eine (inzwischen historische) Ausnahme. Der weitreichenden Verbreitung steht allein schon die riesige Ausdehnung des Landes entgegen, die schwer überwindliche Transportprobleme stellt. Überwinden lassen sich diese heute jedoch durch die mit dem Einsatz neuer Techniken mögliche dezentrale Drucklegung. Dadurch werden künftig im Prinzip auch in einem Land wie Brasilien überregional verbreitete Zeitungen herauskommen können. Zeitungen erscheinen zwar in zahlreichen Orten Brasiliens, doch konzentriert sich die Tagespresse in der dichtbesiedelten Küstenregion und den großen Städten. Hier findet sich ein hinreichendes lesefähiges Publikum und damit auch ein Absatzmarkt für die in den Zeitungen werbenden und sie mitfinanzierenden Inserenten. Zwar wird der Anteil der Analphabeten in Brasilien mit weniger als 20 Prozent angegeben. Doch zur kontinuierlichen Lektüre von Zeitungen dürfte ein Großteil der Bevölkerung noch immer nicht in der Lage sein. Dies gilt insbesondere für die Bevölkerung in den Landgemeinden und in den abgelegenen Gebieten im Landesinneren (z. B. im Norden). Außer mangelnder Übung im Lesen und dem zur Lesemotivation notwendigen Vorwissen stehen finanzielle Gründe einer größeren Verbreitung der Zeitungen entgegen: Sie sind für viele in wirtschaftlichem Elend Lebende einfach unerschwinglich. Der Preis für eine Zeitung in Cruzeiros im Einzelverkauf entspricht knapp einer DM, im monatlichen Abonnement ca. 25 DM. Die Nutzung der gedruckten Presse bleibt daher in Brasilien bisher im wesentlichen auf Ober- und Mittelschicht beschränkt. Teilt man die Gesellschaft in fünf soziale Schichten, so werden in der obersten (A) 87 Prozent, in der untersten (E) 16 Prozent der dazugehörigen Bevölkerung von Zeitungen erreicht (McCann-Erickson 89/90, 51). Erhebliche Unterschiede bestehen bei den zahlreichen Zeitungen bezüglich der Auflagen. Die genannte Gesamtauflage der Tageszeitungen deutet schon darauf hin, daß wirkliche Massenauflagen, wie man sie in den industrialisierten Ländern kennt, in Brasilien kaum vorkommen. Da es nicht möglich ist, hier die Auflagen für alle (nahezu 300) Tageszeitungen anzugeben, begnügen wir uns mit einer Übersicht über die 20 wichtigsten (auflagenstärksten) Blätter (Tabelle 1). Angegeben sind durchschnittliche Auflagen an Werktagen. Die Auflagen der Sonntagsausgaben liegen z. T. beträchtlich darüber. Zunächst belegt die Aufstellung noch einmal die regionale und lokale Konzentration. Allein je vier der 20 auflagenstärksten Tageszeitungen erscheinen in Säo Paulo und Rio de Janeiro (insgesamt sind es sogar sieben von den ersten zehn). Hier leben mehr als 15 bzw. 10 Millionen Menschen (städtische Agglomeration). Im Hinblick
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