128 42 3MB
German Pages [464] Year 2016
Marlboroughs Geheimnis
EXTERNA
Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven Herausgegeben von André Krischer, Barbara Stollberg-Rilinger, Hillard von Thiessen und Christian Windler
Band 10
Matthias Pohlig
Marlboroughs Geheimnis Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung im Spanischen Erbfolgekrieg
2016 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: John, Duke of Marlborough. Gemälde, 1705, von Adriaen van der Werff. Öl auf Leinwand, 131,5 × 107,5 cm. Inv. Nr. 76 Florenz, Palazzo Pitti, Galleria Palatina. © akg-images/Rabatti – Domingie
© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Patricia Simon, Langerwehe Satz: synpannier. Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Druck und Bindung: Prime Rate, Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50550-9
Inhalt Vorwort .........................................................................................................................
9
Abkürzungsverzeichnis .. ........................................................................................... 10 1 Fragen, Begriffe, Methoden . . ........................................................................... 1.1 Einleitung ...................................................................................................... 1.1.1 Thema, Fragestellung, Thesen . . ....................................................... 1.1.2 Forschungsstand ................................................................................ 1.1.3 Information und Kommunikation: Eine Begriffsklärung ....... 1.1.4 Quellen ................................................................................................ 1.1.5 Aufbau der Arbeit .............................................................................
11 11 11 23 32 38 40
2 Voraussetzungen ................................................................................................. 2.1 Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough . . ........................................................ 2.1.1 Ursachen des Erbfolgekrieges ........................................................ 2.1.2 Der Spanische Erbfolgekrieg: Verlauf, Kriegsparteien, Ergebnisse .............................................. 2.1.3 John Churchill, Duke of Marlborough: Eine biographische Skizze .............................................................. 2.2 Englische Innen- und Außenpolitik um 1700: Institutionelle Mechanismen und politische Kräfteverhältnisse . . ............................... 2.2.1 Parlament und Regierung nach 1688 ............................................ 2.2.2 Die Krone und der Hof ................................................................... 2.2.3 Die Secretaries of State ....................................................................... 2.2.4 Das Cabinet ......................................................................................... 2.2.5 Marlboroughs Stellung im Gefüge der englischen Regierung .
42
3 Strukturen der Informationsgewinnung ...................................................... 3.1 Kommunikation und Strukturbildung: Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke .. ............................... 3.2 Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung . . ........................................................................... 3.2.1 Secret Service Money oder: Womit bezahlt man Informationen? ............................................
87
42 42 47 63 70 71 78 81 83 84
87 97 97
6
Inhalt
3.2.2 Der Herzog liest und schreibt: Briefe als Grundlage von Epistolarpolitik .......................................................................... 104 3.2.3 The safest but also the quickest way: Die Post zwischen England und dem Kontinent . . .................... 115 3.2.4 De quelque usage a Mylord Duc: Der Nutzen der Landkarte ... 141 3.3 Informationsgewinnung und Organisation .......................................... 148 3.3.1 Marlborough und die Secretaries of State: Kooperation und Konkurrenz ........................................................ 148 3.3.1.1 „Spionage“ um 1700: Interzeption und Initiative ........ 148 3.3.1.2 Die Secretaries und der Herzog ........................................ 151 3.3.1.3 Interzeptionsspionage und das Amt des Dechiffrierers ................................................................ 162 3.3.1.4 Initiative statt Interzeption: Newsletters und Spione .. 170 3.3.1.5 At ye peril of my life & ruine of my familly: Macky und Fonseca ............................................................ 173 3.3.2 Honorable espions: Diplomatische Informationsgewinnung .... 186 3.3.2.1 Marlborough und die englische Diplomatie um 1700 186 3.3.2.2 John Lawes berichtet aus Brüssel . . .................................. 195 3.3.3 Militärs als Informanten . . ................................................................ 203 3.4 Informelle Informationsgewinnung: Marlboroughs Netzwerke ..... 211 3.4.1 Grauzonen formaler Diplomatie: Heinsius, Robethon, Grumbkow .. ................................................. 211 3.4.2 En quelque sorte sous mes yeux: François Jaupain ......................... 232 3.4.3 Il est vrai qu’il est souvent bien averti: Das Netzwerk Etienne Caillauds .................................................. 251 3.4.4 Wem kann man trauen? Individuelle Spionage als Problem .. 276 3.5 Der Herzog liest kaum Zeitung: Die Rolle der Presse ...................... 288 3.6 Zwischenergebnisse .. ................................................................................... 298 4 Funktionen der Information .. .......................................................................... 4.1 Funktionen der Information: Methodische Überlegungen .............. 4.2 Instrumentelle Funktionen von Information .. ...................................... 4.2.1 Nützlichkeit und Nutzung von Informationen .. ........................ 4.2.2 Informationen und Entscheidungen ............................................ 4.2.3 Mother of prevention .......................................................................... 4.3 Information und Patronage . . ..................................................................... 4.3.1 Patronage und Informationsgewinnung ...................................... 4.3.2 Information, Patronage, Allianz: Militärische Informanten als Klienten .. .......................................
302 302 314 314 333 337 340 340 346
Inhalt
4.4 Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität .. 4.4.1 Lett me know every thing: Kompetenzrepräsentation oder Fetischismus? . . ......................... 4.4.2 His Eyes and Ears must be in all Secret Cabinets: Legitimation durch Information? ................................................. 4.5 Zwischenergebnisse .. ...................................................................................
7
350 350 356 370
5 Ergebnisse . . ........................................................................................................... 373 5.1 Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung . . ............... 373 5.2 Marlboroughs Geheimnis ......................................................................... 377 6 Quellen- und Literaturverzeichnis . . .............................................................. 6.1 Quellen . . ......................................................................................................... 6.1.1 Ungedruckte Quellen ....................................................................... 6.1.2 Gedruckte Quellen ........................................................................... 6.2 Literatur .........................................................................................................
379 379 379 382 388
7 Personenregister .................................................................................................. 453
Vorwort Das vorliegende Buch stellt die leicht überarbeitete Fassung meiner Habilita tionsschrift dar, die im Herbst 2015 vom Fachbereich 8 der Westfälischen Wilhelms- Universität in Münster angenommen wurde. Ich danke den Gutachtern Barbara Stollberg-Rilinger (Münster), Werner Freitag (Münster), Hillard von Thiessen (Rostock) und Andreas Gestrich (London), die wertvolle Hinweise für die Überarbeitung gaben. Ebenso danke ich den Herausgebern der „Externa“ für die Aufnahme meines Manuskripts in die Reihe. Das Buch wäre ohne einen aufregenden und anregenden Aufenthalt in L ondon nicht geschrieben worden – ich danke dem Deutschen Historischen Institut London für ein Postdoc-Stipendium, Michael Schaich für die seitdem andauernde gute Zusammenarbeit und den Archivarinnen und Bibliothekaren für ihre Mühen. Bedanken möchte ich mich auch bei Heinz Schilling und Ute Lotz- Heumann, die in meiner alten akademischen Heimat, der Humboldt-Universität zu Berlin, die Anfänge des Buchprojekts begleitet haben. Ich danke außerdem meinen Kolleginnen und Kollegen in Münster, die mich vor einigen Jahren mehr als freundlich aufgenommen und mir durch inhaltliche Anregungen, aber auch durch freundschaftliche Unterstützung beigestanden haben: Barbara Stollberg- Rilinger, Tim Neu, Barbara Groß, Michael Sikora, Christina Brauner und André Krischer. Mein Dank gilt auch Brigitte König, die immer Kaffee und ein offenes Ohr für mich hatte, und den studentischen Hilfskräften Elisabeth Tscharke und Janika Michael, die Literatur für mich besorgten. Viel gelernt habe ich bei Diskussionen auf Tagungen und in Kolloquien etwa in München, London, Köln, Bielefeld, Engelberg, Innsbruck und Berlin – danke! Ich danke den Freunden, die sich die Mühe gemacht haben, das Manuskript vor der Abgabe ganz oder teilweise zu lesen: Michael Schaich, Franziska Neumann, Tim Neu und J an-Friedrich Mißfelder. Ihre gründliche Lektüre, ihre scharfsinnigen Anregungen und kritischen Einwände haben mir sehr weitergeholfen. Damit aus Gedanken und Exzerpten aber ein Buch werden kann, braucht man nicht nur inhaltlichen Austausch, sondern auch persönliche Unterstützung, innerhalb wie außerhalb der Universität. Daher danke ich herzlich allen, die mir in den letzten Jahren Freundinnen und Freunde gewesen sind, und meinen Eltern und Geschwistern. Am meisten verdanke ich Franziska – inhaltlich und weit darüber hinaus. Ihr ist dieses Buch gewidmet. Münster, im März 2016
Matthias Pohlig
Abkürzungsverzeichnis BL: British Library BL Add.: British Library, Additional Manuscript BPMA: The British Postal Museum and Archive, London HMC: Historical Manuscripts Commission TNA SP: The National Archives (Kew), State Papers
1 Fragen, Begriffe, Methoden Es ist schwer, Bester, wenn man nicht ein Beispiel zur Hand nimmt, irgend etwas Größeres recht deutlich zu machen. Denn sonst mag wohl jeder von uns erst wie im Traume alles wissen und dann wieder gleichsam wachend alles nicht wissen. Platon
1.1
Einleitung
1.1.1 Thema, Fragestellung, Thesen
Im Herbst des Jahres 1711 wurde dem Herzog von Marlborough vorgeworfen, er habe Geld veruntreut und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Marlborough war zu diesem Zeitpunkt Oberbefehlshaber der englischen Truppen auf dem Kontinent sowie der alliierten Truppen in den südlichen Niederlanden, oberster eng lischer Diplomat und Mitglied des Kabinetts der Königin Anne. Die zuständige parlamentarische Untersuchungskommission machte ihm zwei Vorwürfe: Er habe von 1702 bis 1711 von den Vertragspartnern für die Brotversorgung der Armee jährlich eine bestimmte Geldsumme erhalten, die als Bestechung gedeutet wurde. Außerdem habe er von verschiedenen europäischen Souveränen jeweils 2 ½ Prozent des Soldes für die ihm zur Verfügung gestellten Subsidientruppen bekommen. Beides erfülle den Tatbestand der Unterschlagung oder mindestens der unlauteren Bereicherung für private Zwecke.1 Zu seiner Verteidigung erklärte Marlborough, dass dieses Geld für einen wichtigen Zweck ausgegeben worden sei, der eine transparente Rechnungslegung aber grundsätzlich unmöglich mache: nämlich für geheimdienstliche Aufgaben. Er habe, so Marlborough, das Geld für „keeping secret correspondence,
1 Vgl. die Quellendokumentation der parlamentarischen Verhandlungen (inklusive der Verteidigung Marlboroughs) bei: Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050 – 1088. – Bis 1752 galt in England der julianische Kalender, auf dem Kontinent weitgehend der gregorianische Kalender. Dies führt dazu, dass Briefe vom Kontinent nach England zuweilen zwei Datumsangaben enthalten. Überdies war in England der Jahresbeginn auf den 25. März festgesetzt. Diese zweite Festsetzung wird im Folgenden weggelassen; das Jahr beginnt, wie heute üblich, am 1. Januar.
12
Fragen, Begriffe, Methoden
and getting intelligence of the enemies motions and designs“ eingesetzt.2 Zirkulär und angesichts der fehlenden Belege praktisch unwiderleglich argumentierte er, dass „the many Successful Actions […] to which our constant good Intelligence has greatly contributed, must convince every Gentleman, that such Advices have been obtained, and consequently that this Money has been rightly applied“.3 Auch wenn als sicher gelten kann, dass Marlborough sich während des Spanischen Erbfolgekrieges in hohem Maße persönlich bereichert hat,4 ist doch seine Behauptung, er habe das Geld für die Beschaffung von Information verwendet, nicht gänzlich unplausibel: „[N]o War can be conducted successfully without early and good Intelligence, and that such Advices can’t be had but at a very great Expence. No body can be ignorant of this, that knows any thing of Secret Correspondence, or considers the Numbers of Persons that must be employ’d in it, the great Hazard they undergo, the variety of Places in which the Correspondences must be kept, and the constant necessity there is of supporting and feeding this service.“5
Zeitgenössische Kommentatoren äußerten sich ähnlich, was den Aufwand, aber auch den Nutzen von Spionage anging.6 Marlborough selbst wurde aber von seinen Anklägern kein Glauben geschenkt. Im folgenden Jahr 1712, als Marlborough bereits aller seiner Ämter enthoben war, berichtete ein französischer Gesandter vom Kongressort Utrecht aus an seinen König, „notre plus grand ennemi“ sei François Jaupain, der Generalpostmeister der südniederländischen Post.7 Nicht nur sei er in einer Position, die es ihm erlaube, diplomatische und militärische Informationen abzufangen und zu entziffern; daneben stehe er nach wie vor unter dem Einfluss Marlboroughs. Dieser befand sich zu d iesem Zeitpunkt bereits im Exil auf dem Kontinent. Dennoch erschien der ihm ergebene Postmeister noch nach dem Ende von Marlboroughs 2 Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050 f. 3 The Case of his Grace, 9. Bei dieser Schrift handelt es sich um eine gedruckte Verteidigungsschrift Marlboroughs, die er als Rede für das Unterhaus konzipiert hatte, dann aber nicht mehr hielt, sondern stattdessen veröffentlichte. 4 Vgl. Metzdorf, Politik, 420. 5 The Case of His Grace, 8. 6 Vgl. nur: Warner, Unpublished Political Paper, 135; Callières, De la manière de négocier, 22 – 24. 7 Zitiert nach: Bély, Espions, 162; zu Jaupain siehe auch: Janssens/Meurrens, Vorstelijke en private post, 79 – 88.
Einleitung
13
überragender politischer, diplomatischer und militärischer Machtposition als große Gefahr. Vor allem aber zeigt sich an der Titulierung Jaupains als größtem Feind Frankreichs, welcher Stellenwert der Gewinnung von Information in der politisch-militärischen Welt um 1700 zugeschrieben wurde. Man muss nicht so weit gehen wie Daniel Defoe, der 1704 urteilte, die Beschaffung von Information sei „the soul of all publick bussiness“8, um zu erkennen, welch zentrale Rolle der Kategorie der Information und ihrer Gewinnung in einem europäischen Krieg der späteren Frühneuzeit zugeschrieben wurde. Die erfolgreiche Gewinnung von Information, aber auch die erfolgreiche Verhinderung von gegnerischer Informationsgewinnung war also ein bedeutendes Element militärischen, diplomatischen und politischen Handelns um 1700. Dies scheint trivial. Dennoch muss man konstatieren, dass die Geschichtswissenschaft sich meist zu wenig für die Art und Weise interessiert, wie politische Akteure an die für sie relevanten Informationen gekommen oder eben nicht gekommen sind. Oft wird implizit der Eindruck vermittelt, die Akteure hätten genau die Informationen gehabt, die sie gerade brauchten, ohne danach zu fragen, woher eigentlich.9 Insofern ist es für die Politik- und Militärgeschichte mindestens des Spanischen Erbfolgekrieges, aber auch generell von Interesse, versuchsweise Information zum „nervus rerum“ zu erklären.10 Denn das Schreiben von politischer oder militärischer Geschichte ohne eine Berücksichtigung der Geschichte der Information, der Kommunikation und der Medien ist nicht mehr sinnvoll, selbst dann, wenn man nicht – wie bestimmte Extrempositionen innerhalb der Medienwissenschaft – Geschichte überhaupt als Mediengeschichte tout court rekonstruieren möchte.11 Frühneuzeitliche Politik ist ohne Informa tionsgewinnung nicht vorstellbar; Kommunikation und Information waren bereits lange vor dem Zeitalter moderner Massenmedien 12 zentrale Bereiche 8 Warner, Unpublished Political Paper, 135. 9 Als idealtypische Zuspitzung arbeitet die sozialwissenschaftliche Handlungstheorie Max Webers sogar explizit mit d iesem Axiom: Es „wird bei einer politischen oder militärischen Aktion zunächst zweckmäßigerweise festgestellt: wie das Handeln bei Kenntnis aller Umstände und aller Absichten der Mitbeteiligten und bei streng zweckrationaler, an der uns gültig scheinenden Erfahrung orientierter, Wahl der Mittel verlaufen wäre. Nur dadurch wird alsdann die kausale Zurechnung von Abweichungen davon zu den sie bedingenden Irrationalitäten möglich.“ (Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 3). 10 Bély spricht von „une véritable faim d’information“ als Charakteristikum der Diplomatie um 1700: Bély, Méthodes, 226. – Zur Maxime „pecunia nervus rerum“ siehe: Stolleis, Pecunia. 11 Siehe zu diesem Problem: Mißfelder, Klartext. 12 Vgl. Kaufmann, Kommunikationstechnik.
14
Fragen, Begriffe, Methoden
der Kriegführung. Politik zu betreiben und Krieg zu führen hieß immer auch, Informationen zu gewinnen und die Strukturen der Informationsgewinnung zu nutzen, aber auch zu verbessern. Zeitgenössische Stellungnahmen – zum Beispiel Marlboroughs Verteidigung gegen die Vorwürfe der Veruntreuung, aber auch die Titulierung Jaupains als größter Feind Frankreichs – bilden den Ausgangspunkt für die in biographischen wie systematischen Arbeiten der älteren wie der jüngeren Forschung immer wieder zu lesende Annahme, Marlborough habe ein außerordentlich ausgefeiltes und effektives ‚System‘ der Informationsgewinnung unterhalten.13 Auch an den Rändern der seriösen Forschung – in der oft eher halbwissenschaft lichen Geheimdienstgeschichte – wird Marlboroughs Informationsgewinnung häufig als besonders hervorstechendes Beispiel angeführt. 14 Dieses ‚System‘, so wird oft implizit vorausgesetzt, habe Marlboroughs diplomatische und militärische Erfolge mitkonstitutiert. Dies ist allerdings auch – en passant – bestritten worden.15 Im Detail erforscht worden ist es aber nie. Marlboroughs Informationsgewinnung wird oft punktuell behandelt und taucht hin und wieder aus dem Dunkel auf, das sie umgibt: Im vorliegenden Buch soll sie im Zentrum stehen. Das zentrale forschungspraktische Problem besteht darin, und das zeigt ja der Prozess gegen Marlborough, dass geheimdienstliche Tätigkeiten geheim sind, geheim bleiben sollen und mit Geld bezahlt werden, das nirgendwo verbucht wird. Gerade bei dem von Marlborough betonten Typus der militärischen Spionage 13 Vgl. Trevelyan, England, Bd. 3, 44; Churchill, Marlborough, z. B. Bd. 1, 725; Snyder, Introduction, XXX; Bély, Espions, 91 f.; ders., Méthodes, 227; Holmes, Marlborough, z. B. 214 f., 260 f.; Backscheider, Daniel Defoe, 2 u. 17, Anm. 6; Rule, Gathering Intelligence, 737 – 740. 14 Einige der v. a. in England regelmäßig erscheinenden semipopulären Geschichten der Geheimdienste sehen in Marlborough einen der großen ‚spymaster‘ der englischen Geschichte; vgl. Rowan, Story, 102. Manche Autoren des semi-populären Genres kombinieren, oft wörtlich voneinander abschreibend, Pseudo-Exaktheit im Detail mit generellen Aussagen sehr großer Reichweite und schaffen es dabei oftmals, Dutzende faktischer Fehler auf wenige Sätze zu verteilen. Siehe als besonders abschreckendes Beispiel: West, Marlborough, 330; vgl. auch: Smith, Spying Game, 42; Piekalkiewicz, Weltgeschichte, 159 sowie Parritt, Intelligencers, 17 f.; weitgehend identisch mit den beiden letzten und wohl die Vorlage dazu: Haswell, Spies, 46 – 50. – Nicht erwähnt wird Marlborough dagegen z. B. in: Crowdy, Enemy; Etienne/Moniquet, Histoire; Bennett, Espionage; Polmar/Allen, Spy Book; Richings, Espionage; Deacon, History; seriöser, aber veraltet: Thompson/Padover, Secret Diplomacy. 15 Vgl. Alsop, British Intelligence, v. a. 113.
Einleitung
15
liegt also ein Überlieferungsproblem vor. Die Erforschung von Spionage im frühen 18. Jahrhundert kann daher, trotz der immensen Zahl an Quellen, nur partiell befriedigend durchgeführt werden. Daher wird Spionage in der Forschung oft entweder überschätzt oder aber ignoriert.16 Diese Lage „may put the historian of espionage in the eighteenth century in a position similar to the historian of antiquity who, most of the time, is left with only bits and pieces: too much to ignore, but too little to give an account that is fully satisfying for one’s curiosity“17.
Diese Quellensituation ist der erste Grund, warum hier der Fokus ausgeweitet wird. Statt um Spionage (oder noch enger: militärische Spionage) geht es genereller darum, wie eigentlich welche Art von Information beschafft wurde. Doch wichtiger ist ein zweiter, methodischer Grund: Die Verengung der Informationsgewinnung auf Spionage im engsten Sinne unterschlägt große Bereiche zeitgenössischer Informationsgewinnung und wird, wie im Folgenden immer wieder deutlich werden wird, auch der zeitgenössischen Klassifizierung von Information nicht gerecht, die viel weniger eindeutig etwa z wischen Diplomatie und Spionage unterscheidet, als dies in der Moderne üblich ist.18 Für den Bereich der Spionage unterscheidet etwa Bély zwischen einer großräumigen, strategischen Makrospionage und einer kleinräumigen Mikrospionage.19 Dies ist nicht falsch, doch Spionage wäre zuerst einmal von Geheimdiplomatie und Diplomatie überhaupt abzugrenzen und doch mit ihnen in Beziehung zu setzen.20 Die oft etwas sensationsheischende Konzentra tion auf Spionage setzt implizit zudem ihre überzeitliche Konstanz voraus. Diese Annahme verstellt die Einsicht in die spezifische historische Konstellation, innerhalb derer Spionage angesiedelt ist, und auch ihre historisch je spezifische Abgrenzung von anderen Formen der Informationsgewinnung.21 Daher soll hier das gesamte Feld der diplomatisch-militärisch-politischen Informationsbeschaffung in 16 Vgl. Droste, Im Dienst der Krone, 184; Preto, I servizi segreti, 11 – 15; Roosen, Age of Louis XIV, 154 – 156, 166. 17 De Leeuw, Black Chamber, 135. 18 Vgl. Hellin, Espionnage, v. a. 290. – Deshalb sind auch für die vorliegende Untersuchung nach moderner Klassifikation gestaltete Bibliographien und Studien zu „Geheimdiensten“ nur eingeschränkt nützlich. Siehe: Gunzenhäuser, Geschichte; Davies, British Secret Services, 1 – 9; Calder (Hrsg.), Intelligence; siehe auch: Krieger (Hrsg.), Geheimdienste in der Weltgeschichte. 19 Vgl. Bély, Espions, 230. Bei Bély heißt es aber auch: „L’espionnage n’était qu’une forme parmi d’autres de cette insatiable quête de renseignements.“ (ebd., 14). 20 Vgl. Ansätze dazu bei: Braubach, Geheimdiplomatie. 21 Vgl. in diesem Sinne: Opitz, Diplomacy.
16
Fragen, Begriffe, Methoden
den Blick genommen werden – wenn auch im Laufe der Untersuchung bestimmte Schwerpunkte gesetzt werden. Vollständigkeit kann hier kein sinnvolles Ziel sein. Mit Rückgriff auf die beiden Eingangsbeispiele und deren thematische Differenz heißt dies: Es ist nicht nur die von Marlborough selbst betonte militärische Spionage, die im Folgenden untersucht werden soll, sondern auch und vor allem die mit der Jaupain-Anekdote eingeführte Gesamtproblematik der Informa tionsgewinnung, die im Zentrum steht. Die vorliegende Studie interessiert sich allgemein für die Gewinnung primär außenpolitischer Informationen, aber auch für die innenpolitische, englische Informationsgewinnung, und zwar dann, wenn sie mit der außenpolitischen Dimension verknüpft ist. Für eine Fallstudie zur Informationsgewinnung bietet sich Marlborough an: In seiner Person vereinen sich auf außergewöhnliche Weise die Tätigkeiten des Politikers, des Diplomaten und des Generals – er war, wie es zeitgenössisch heißt, „in dem Cabinet eben ein so habiler Politicus und Ministre, als in dem Feld ein vortrefflicher General“22. Für alle seine Tätigkeitsbereiche benötigte Marlborough Informationen unterschiedlicher Art und arbeitete daher mit verschiedenen Individuen und Gruppen zusammen. Marlboroughs Biographie ist gut erforscht, es gibt eine Vielzahl von Quellen zu Marlboroughs verschiedenen Ämtern und Aktivitäten. Der behandelte Zeitraum umfasst die Jahre 1702 bis 1711, also jenen Zeitraum innerhalb des Spanischen Erbfolgekriegs, in dem Marlborough alle genannten Ämter innehatte.23 Selbstverständlich könnte man die Modi der Informationsgewinnung um 1700, selbst diejenigen der englischen Regierung oder der Armee, auch ohne Fokussierung auf Marlborough beschreiben. Aber erstens lassen sich an Marlboroughs Informationsgewinnung gesamteuropäische, zeitspezifische Charakteristika aufweisen, auch wenn er zweifellos eine Ausnahmegestalt darstellt. Wenn Marlborough also auch nicht als schlichtes ‚Beispiel‘ für eine generalisierende Interpretation dienen kann, so doch als ‚Fall‘, der generelle strukturelle Merkmale verdeutlichen kann, aber auch über diese hinausweist.24 Am untersuchten Material ist also sowohl etwas über die Strukturen der Informationsgewinnung in der Frühen Neuzeit zu lernen als auch über Marlborough selbst.
22 Fassmann, Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sechs und Viertzigste Entrevuë, 999. 23 Marlborough versuchte, auch nach 1711 sein Informationsnetzwerk aufrechtzuerhalten, v. a., indem er sich auf den Kaiser und Hannover stützte; vgl. Gregg, Marlborough in Exile. 24 Vgl. zum Problemumkreis: Pohlig, Vom Besonderen zum Allgemeinen.
Einleitung
17
Zweitens ist die biographische Orientierung ein Weg, um das disparate Material zu organisieren, weil sie einen Fokus bietet, ein „Zentrum, auf das alles zu beziehen ist“25. In diesem Sinne ist diese Studie auch ein methodischer Versuch: Während die vorliegende Forschung nämlich meist einzelne Aspekte von Informationsgewinnung isoliert, soll hier der Versuch gemacht werden, das Informationsumfeld einer einzelnen Person nicht hinsichtlich bestimmter ausgewählter Dimensionen, sondern in seinen wesentlichen Zügen als Ganzes zu rekonstruieren. Was aber heißt: in seinen wesentlichen Zügen? Wie kann eine Geschichte der Information überhaupt konzipiert, wie das Material sinnvoll geordnet werden? Vorstellbar wäre eine thematische Ordnung nach den wichtigsten oder typischen Informationsinhalten; oder eine geographische Ordnung nach den wichtigsten Zielen der Informationsgewinnung – etwa, indem man der Frage folgte, welche Höfe, welche politischen Zentren, w elche Regierungen etc. ausspioniert wurden. Vorstellbar wäre auch eine Ordnung des Materials nach Modi der Informa tionsgewinnung: Man könnte also Spionage, Geheimdiplomatie, Diplomatie, offizielle und private Briefwechsel etc. unterscheiden. Ebenfalls typologisch zu ordnen wären die verschiedenen Akteure 26: Diplomaten, englische Amtsträger, aber auch Zuträger aus typischen Informationsbörsen wie dem Reichstag 27 und Den Haag. Die hier gewählte Ordnung geht in diese Richtung, fragt aber entschiedener nach der Spezifik der unterschiedlichen Strukturen der Informationsgewinnung. ‚Strukturen‘ meint hier auf Dauer gestelltes Handeln beziehungsweise die Konfigurationen, die aus wiederholtem Handeln entstehen, es aber wiederum auch ermöglichen.28 Wenn also nach Strukturen der Informationsgewinnung gefragt wird, bezieht sich dies auf das Problem, wie Informationsgewinnung personell, materiell und infrastrukturell geordnet und organisiert wurde, ob sie also zum Beispiel in formalen, amtsförmigen Bahnen oder in informellen, kurz- oder mittelfristigen Netzwerken verlief. In d iesem Sinne versteht sich diese Studie als Strukturgeschichte der Informationsgewinnung, die nach den Infrastrukturen, den Organisationen und 25 Meier, Faszination, 108. Zur im weiteren Sinne biographischen Forschung vgl. den konzisen Problemaufriss von: Bödeker, Biographie. 26 Vgl. in diese Richtung: Rule, Gathering Intelligence, 737, der allerdings eine Typologie vorschlägt, die Foucaults chinesischer Enzyklopädie ähnelt, weil sie völlig unvereinbare Parameter nebeneinanderstellt: „The gatherers of intelligence may conveniently be divided into seven categories: those in the immediate war zone; agents secreted at or near strategic sites; spies on missions; gadflies, living at court or in major urban centres; deep-seated spies – in modern parlance, moles; diplomats recruited by a foreign power; and the spy-masters, who direct field operations.“ 27 Vgl. Friedrich, Drehscheibe Regensburg. 28 Vgl. dazu auch Kapitel 3.1.
18
Fragen, Begriffe, Methoden
den Netzwerken der Informationsgewinnung fragt; die Begriffe werden weiter unten vertiefend erklärt. Gleichzeitig soll aber auch eine Funktionsgeschichte der Information geschrieben werden, indem nach Gebrauch, Nutzen und Funktion von Information gefragt wird.29 Die Fragen, die beantwortet werden sollen, lauten also: Wie kam ein hochrangiger Politiker, Diplomat und Militär um 1700 an die Informationen, die er brauchte? Wie wurde Informationsgewinnung organisiert und w elche Strukturen waren dafür relevant? Wozu schließlich diente Information, welche Funktion oder Funktionen erfüllte sie? In dieser Weise zu fragen bedeutet, einen biographischen Fokus mit einem strukturgeschichtlichen Ansatz zu kombinieren, der zudem die Funktionen von Information problematisiert. Der Zugang über die Strukturen der Information setzt voraus, dass die kommunizierten Inhalte in ihrer Bedeutung methodisch eingeklammert werden. Zudem legt er einen gewissen Akzent auf strukturelle Regelmäßigkeiten und Kontinuitäten statt auf kurzfristige Ereignisse oder tief greifende Wandlungsprozesse. Die Frage nach den Strukturen der Informationsgewinnung und ihren jeweiligen Spezifika ist aus drei Gründen die erste leitende Perspektive: erstens, weil die Frage nach Strukturen der Informationsgewinnung auf das zentrale Problem bezogen ist, dass in der Vormoderne Transport- und Kommunikationsmedien identisch oder jedenfalls aneinander gekoppelt waren. „Weite Entfernung im Raum“ war immer auch „weite Entfernung in der Zeit“30. Die Distanz zwischen den verschiedenen Kriegsschauplätzen und der englischen Zentrale generierte in besonderem Maße Probleme der Raum- und Zeitüberbrückung. Diese Raum- und Zeitüberbrückung wurde durch Strukturen der Kommunikation und Informationsgewinnung geleistet. Der Aufbau solcher Strukturen erscheint in dieser Perspektive als „Antwort auf das Problem, wie eine Bezugnahme unter Bedingungen von Distanz möglich“31 wird. Durch räumliche Distanz entstanden aber auch die allfälligen Probleme von Geschwindigkeit und Sicherheit der Informationsübermittlung – Probleme, die viel mit finanziellen Aufwendungen zu tun hatten. 29 Interessanterweise versteht sich schon die berühmte Kommunikationsformel Lasswells („Who says what in which channel to whom with what effect?“) als Untersuchung der Struktur wie der Funktion von Kommunikation – was nicht ganz dasselbe wie Informa tionsgewinnung, aber doch, wie unten ausgeführt wird, eng an sie geknüpft ist. Vgl. Lasswell, Structure. Dies zeigt aber vor allem den zeitlichen wie disziplinären Abstand an, den die vorliegende Studie zur älteren Kommunikationstheorie markiert. 30 Giddens, Konstitution der Gesellschaft, 175. Zur Kritik an Giddens’ Raumbegriff siehe aber auch: Löw, Raumsoziologie, 12. – Erst die Eisenbahn wird, so ein Topos des 19. Jahrhunderts, die „Vernichtung von Raum und Zeit“ bewirken; siehe Schivelbusch, Geschichte, 35. 31 Krämer, Medium, 16.
Einleitung
19
Zweitens schaltet sich die Untersuchung mit ihrem Fokus auf die unterschied liche Qualität von Strukturen der Informationsgewinnung in eine laufende Forschungsdebatte vor allem im Bereich der Diplomatie-, aber auch der Verwaltungsgeschichte ein: nämlich in die Debatte um das Verhältnis formaler und informeller Akteure, Strukturen und Normen.32 So hat etwa Hillard von Thiessen im Rahmen seiner idealtypischen Skizze der frühneuzeitlichen Diplomatie gezeigt, dass persönliche Beziehungen, etwa Patronagebeziehungen, mehr oder minder gleichberechtigt neben staatlichen Beziehungen standen. Daher, so folgert von Thiessen, könne keine „Trennung zwischen formellen Beziehungen und informellen Netzwerken“ vorgenommen werden.33 Diese These soll im Folgenden ü berprüft werden. Deshalb wird hier heuristisch z wischen formalen und informellen Informanten und Informationsstrukturen differenziert und gefragt, worin sich eher administrative, formalisierte oder teilformalisierte Kanäle von ganz und gar informellen unterscheiden und wo sie sich überschneiden. Ein dritter und letzter Grund für die Anordnung des Materials im Hinblick auf die Spezifik der Strukturen ist, dass auf d iesem Wege gezielter danach gefragt werden kann, wie sich diese Strukturen eigentlich zur Zentralgestalt der Arbeit, dem Herzog von Marlborough, verhalten – ob sie also von ihm ausgehend und auf ihn zulaufend gedacht werden müssen oder ob diese Perspektive eher in die Irre führt. Die Forschungsliteratur postuliert einerseits oft pauschal ein Marlborough’sches ‚System‘ der Informationsgewinnung, reiht andererseits in der Darstellung additiv einzelne Namen aneinander, sodass völlig im Dunkeln bleibt, wie sich diese Personen zueinander, zu Marlborough, zur englischen Regierung verhalten, ob sie einzeln agieren oder in größere Konfigurationen eingebunden sind. Wenn also Marlborough die zentrale Gestalt dieser Studie ist, impliziert dies nicht etwa die Prämisse einer absoluten Ausnahmestellung Marlboroughs innerhalb der englischen Regierung. Lucien Bély schätzt Marlboroughs Bedeutung so hoch ein, dass man von einem „véritable dédoublement du gouvernement“34 sprechen könne, wozu sein Informationssystem („construit pour un homme qui n’était pas un souverain“35) in hohem Maße beigetragen habe. Diese Auffassung ist wiederum kongruent mit einer älteren Forschungstradition (und einer bereits zeitgenössischen Einschätzung), die Marlborough mindestens in latenter Konkurrenz zur Königin Anne
32 Vgl. zum Problem Formalität/Informalität aus Sicht der Frühneuzeitforschung: Emich, Formalisierung; Bauer, Informalität; Stollberg-Rilinger, Frühe Neuzeit. 33 Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 476. 34 Bély, Espions, 91. 35 Ebd., 92.
20
Fragen, Begriffe, Methoden
sah.36 Demgegenüber scheint es mir plausibel, mit John Hattendorf die Einbindung Marlboroughs in die verschiedenen Gremien der englischen Regierung zu betonen, die mitnichten ausschließlich Befehlsempfänger des Herzogs waren.37 England war während des Spanischen Erbfolgekrieges nicht, oder nicht nur, „Marlborough Country“38. Die Einbindung Marlboroughs in die Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen der englischen Regierung beschränkte also seine Möglichkeiten, auch auf dem Wege über eigene Informationsnetze eine Art Nebenregierung zu etablieren. Dementsprechend geht es bei der im Folgenden gewählten Herangehensweise nicht darum, Marlborough als Nebenmonarchen zu konstruieren, sondern gerade darum, ausgehend von einem stark auf Marlborough fokussierten Forschungsstand eine personalisierende Herangehensweise zu problematisieren. Das heißt, dass für eine Darstellung von Marlboroughs Informationsbeschaffung in hohem Maße auch die generelle Informationsbeschaffung der englischen Regierung einbezogen werden muss. Marlborough, das wird sich immer wieder erweisen, war tatsächlich eine so zentrale Gestalt, dass die Frage nach seinem persön lichen Informationshorizont berechtigt ist, doch ohne seine Einbettung in den Kontext der englischen Regierung nicht beantwortet werden kann. Wenn auch im Zuge des Prozesses gegen ihn (unter anderem auch von ihm selbst) das Bild eines großen, von der Regierung unabhängigen Informationsdienstes gezeichnet wurde, der Marlborough allein zuarbeitete, so haben sich doch in den Quellen kaum Spuren dafür erhalten. Eine Fallstudie zu den Strukturen der Information um 1700 wird kaum behaupten können, dass sich im Spanischen Erbfolgekrieg alles grundstürzend veränderte und danach nichts mehr so war wie zuvor.39 Auch wenn in bestimmten Segmenten der Forschung für die Zeit um 1700 derzeit ganz allgemein ein Zäsurcharakter angenommen wird,40 ist es doch nicht weiterführend, diese Intui tion überzustrapazieren. Wenn auch zum Beispiel deutlich ist, dass um 1700 die internationale Rechtsordnung des Westfälischen Friedens zunehmend durch eine machtpolitische Logik überlagert wurde,41 ist doch gänzlich unklar, was dies für 36 Vgl. Kapitel 2.1.3. 37 Vgl. Hattendorf, England, passim. 38 So die Formulierung bei: Simms, Three Victories, 44. 39 Vgl. als kritische Reflexion historiographischer Wandelmodelle und -rhetorik: Raphael, Jenseits von Strukturwandel; Pohlig, Wandel. 40 Vgl. aus dem Bereich der Geistes- und Literaturgeschichte (auf den Spuren Paul Hazards) Vernière, Peut-on parler d’une crise; Heudecker/Niefanger/Wesche (Hrsg.), Kulturelle Orien tierung; aus der Säkularisierungsdiskussion siehe etwa Schmidt, „Verfall der Religion“. 41 Vgl. Duchhardt, Westfälischer Friede, v. a. 540; Aretin, Reichssystem, v. a. 65.
Einleitung
21
das Informationsproblem bedeuten könnte. Eine Fallstudie, die sich als Beispiel für einen generellen Wandlungsprozess ausgäbe, wird also hier nicht angestrebt. Doch ist zum Beispiel anzunehmen, dass die diplomatische Kommunikation etwa um 1600 noch viel stärker als um 1700 auf persönliche Netzwerke, etwa diejenigen der späthumanistischen Diplomaten, angewiesen war,42 während die infrastrukturellen Rahmenbedingungen (etwa die Post) wie auch die Organisationsförmigkeit von Regierung und Diplomatie um 1700 weiter entwickelt waren. In d iesem Sinne stellt die Untersuchung einen vollausgebildeten Typus der politisch-diplomatisch- militärischen Informationsgewinnung des Ancien Régime vor. Für die zweite leitende Perspektive sind weniger Erklärungen notwendig. Denn gefragt wird ja nicht nur nach den Strukturen der Informationsgewinnung, sondern auch nach den Funktionen der gewonnenen Informationen.43 Auch hier lassen sich die Konturen frühneuzeitlicher Politik anders und schärfer markieren, als dies oft üblich ist. In der Regel wird in der historischen Forschung wie außerhalb – und meist eher implizit als explizit – davon ausgegangen, dass Information dem Entscheiden dient. Dort, wo systematisch über Entscheiden nachgedacht wird, stellt diese Verknüpfung oft eine unausgesprochene Prämisse dar und wird gar nicht weiter problematisiert. Die entscheidungstheoretischen Überlegungen etwa aus dem Kontext der rational choice- oder bounded rationality-Theorien halten Information in aller Regel für ein (entweder vollständig oder defizitär vorhandenes) Gut, das zum Treffen von Entscheidungen dient. Auch in der politikwissenschaft lichen Forschung zur internationalen Politik spielen s olche Ansätze eine Rolle; und sie monopolisieren dort in gewisser Weise das Nachdenken darüber, welche Rolle Information politisch spielen kann.44 Diesen methodischen Herangehensweisen wird hier eine andere vorgezogen, die sich eher auf die entscheidungstheoretischen Überlegungen des soziolo gischen Neoinstitutionalismus, zum Teil aber auch Niklas Luhmanns bezieht.45 Diese Theorietraditionen erlauben es, die möglicherweise kultur- und situa tionsspezifisch variierenden Funktionen von Information empirisch präziser zu konturieren. Denn es trifft zwar zu, dass Information zum Entscheiden diente und dient – aber eben nicht nur. Die gängige Kopplung von Information und Entscheidung, die natürlich auf der Selbstwahrnehmung der Akteure beruht, ist 42 Vgl. exemplarisch: Kohlndorfer-Fries, Diplomatie; Externbrink, Humanismus. 43 Dieser Aspekt wird in Kapitel 4.1 systematischer vertieft. 44 Vgl. Kydd, Methodological Individualism. 45 Vgl. zusammenfassend: March, How Decisions Happen. Aus Luhmanns vielen Stellungnahmen zum Problem erscheint mir besonders zugänglich: Luhmann, Soziolo gische Aspekte.
22
Fragen, Begriffe, Methoden
zwar nicht falsch, aber doch partiell eine Selbsttäuschung. Die Relation z wischen Information und Entscheidung ist stattdessen wohl als komplex und nichtlinear zu denken: Entscheidungen können nicht kausal aus Informationen hergeleitet werden, und: Information besitzt noch weitere Funktionen als jene der Entscheidungsfindung.46 Die hier verfolgte These lautet, dass neben die direkt instrumentelle Funktion von Information im Rahmen von Entscheidungen andere Funktionen treten: Information dient der ‚Vorsorge‘, also der Minimierung von Unsicherheit, sie lässt sich als Patronagewährung gebrauchen und sie kann als Kompetenz- und Legitimationsrepräsentation eingesetzt werden. Es soll also versucht werden, die Verknüpfung von Information und Entscheidung empirisch nachzuvollziehen, aber auch andere, den Akteuren bewusste oder nicht bewusste Funktionen von Information und Informationsgewinnung zu benennen. Der Untersuchung liegen also folgende Thesen zugrunde: 1. Information erschien den politischen, diplomatischen und militärischen Akteuren um 1700 als eine zentrale Voraussetzung erfolgreichen Handelns. Informa tionsgewinnung ist daher ein zentrales Element der politischen, diplomatischen und militärischen Praxis um 1700. 2. Entscheidend für die Gewinnung von Informationen waren der Aufbau neuer und die Nutzung bestehender Strukturen. Diese Strukturen – hier gefasst als Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke – sollten sämtlich dem Problem begegnen, wie unter Distanzbedingungen Kommunikation organisiert und stabilisiert werden konnte. Entscheidend und problematisch war dabei immer die Vermittlung der Parameter Geschwindigkeit und Sicherheit mit dem Problem der Finanzierung der Informationsgewinnung. 3. Marlboroughs Informationsgewinnung verlief zu einem guten Teil in enger Verknüpfung mit der englischen Regierung. Gerade weil dies so ist, ist es sinnvoll, idealtypisch z wischen formaleren und informelleren Wegen der Informationsgewinnung zu unterscheiden. Aus dieser Perspektive erweist sich von Thiessens These, für die frühneuzeitliche Diplomatie könne keine „Trennung zwischen formellen Beziehungen und informellen Netzwerken“ vorgenommen werden,47 als allzu zugespitzt. 4. Neben die direkt instrumentelle Entscheidungsfunktion treten, nicht weniger wichtig, andere Funktionen von Information: etwa die Minimierung von Unsicherheit, die Nutzung zu Patronagezwecken und die Repräsentation von Kompetenz oder Legitimität. 46 Vgl. Feldman/March, Information in Organisations. 47 Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 476.
Einleitung
23
1.1.2 Forschungsstand
Die vorliegende Studie führt eine Reihe getrennter, zum Teil lückenhafter, zum Teil disparater Forschungsstände zusammen. Daher ist es nötig, einige Begriffe, Methoden und Themen etwas eingehender und gesondert zu behandeln. Dies betrifft die Bereiche Information und Kommunikation; Infrastrukturen, Organisa tionen und Netzwerke; Funktionen von Information. Dies wird jeweils an Ort und Stelle geschehen.48 Hier sollen nur einige Hinweise einerseits zu den konzep tionellen Forschungskontexten dieser Untersuchung gegeben werden, also zu den im Folgenden zu erläuternden Komplexen Politische Geschichte als Geschichte der Kommunikation, Diplomatiegeschichte, Information und Wissen und Öffent lichkeit und Geheimnis. Andererseits sind Bemerkungen zu einigen thematischen Bereichen nötig: An spezifischeren Forschungskontexten sind Untersuchungen zum Spanischen Erbfolgekrieg, zu England um 1700 und zu Marlborough selbst zu nennen. Politische Geschichte als Geschichte der Kommunikation Die Untersuchung ordnet sich in einen Forschungstrend ein, der die Geschichte von Information und Kommunikation als genuin politische Geschichte versteht. Dies ist insofern nicht überraschend, als die „neuere“ Politikgeschichte und die „Kulturgeschichte des Politischen“ Kommunikation in vielfacher Hinsicht zu einem zentralen Begriff und Thema erhoben haben.49 Daher muss eine Untersuchung im Bereich der Politik- oder Diplomatiegeschichte, will sie nicht konzeptionell unbefriedigende reine Machtstaatsgeschichte bleiben,50 Kommunikationsprozesse in jedem Fall in hohem Maße in die Analyse einbeziehen – und zwar auch dann, wenn es nicht um die symbolische Herstellung „des Politischen“ geht. Die von der traditionellen Politikgeschichte gern eingeführte Unterscheidung z wischen „harten“ und „weichen“ Themen lässt sich im Hinblick auf die Frage nach außenpolitischer Information ohnehin nicht ziehen, wird aber darüber hinaus jüngst auch generell überzeugend kritisiert.51
48 Vgl. Kapitel 1.1.3, 3.1 und 4.1. 49 Vgl. Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte des Politischen; Frevert, Neue Politikgeschichte; Mergel, Überlegungen; Landwehr, Diskurs; vgl. auch: Meumann/Pröve (Hrsg.) Herrschaft; Asch/Freist (Hrsg.), Staatsbildung; Blockmans/Holenstein/Mathieu (Hrsg.), Empowering Interactions. 50 Vgl. als Plädoyer für eine Machtstaatsgeschichte: Hochedlinger, Bürokratisierung. 51 Vgl. Köhler, Strategie und Symbolik.
24
Fragen, Begriffe, Methoden
Diplomatiegeschichte Nach einer Epoche sozialgeschichtlicher Dominanz in der internationalen Geschichtswissenschaft, die durch ein bemerkenswertes Desinteresse an der Geschichte der frühneuzeitlichen Außenbeziehungen gekennzeichnet war, ist dieses Forschungsfeld seit etwa zwei Jahrzehnten in den Fokus der historischen Forschung zurückgekehrt. Ohne der Rückkehr zu einer Geschichte der großen Männer das Wort reden zu wollen, muss man dennoch festhalten, dass die ältere Forschung nicht durchgehend so schlecht ist, wie dies manchmal behauptet wird. Zwar ist das Faktenwissen über frühneuzeitliche Außenbeziehungen und Diplo matie teilweise nach wie vor unzureichend. Daraus allerdings eine grundsätzliche Skepsis gegenüber neueren systematischen Ansätzen abzuleiten, scheint mir wiederum ein problematischer Schluss.52 Während in den 1980er und 90er Jahren vor allem struktur- und systemgeschicht liche Ansätze dominierten,53 fragt die neuere Forschung zum Beispiel nach der Institu tionalisierung und Professionalisierung der Diplomatie 54. Dieser sozialgeschichtlichen Dimension ist eine kulturgeschichtliche Erweiterung der Diplomatiegeschichte zur Seite gestellt worden.55 Die kulturgeschichtliche Justierung bezieht sich etwa auf die Frage nach dem diplomatischen Zeremoniell und seiner politischen Bedeutung;56 auf den Stellenwert von Patronage 57, aber auch auf die Frage nach Kommunikation und Information, nach mentalen Welten und Selbstsichten.58 Dabei wird immer wieder deutlich, dass diese Themen, die von der älteren Forschung vernachlässigt worden sind, nicht etwa ‚weich‘ oder marginal sind. Dennoch ist zu begrüßen, dass in jüngerer Zeit versucht wird, kulturgeschichtliche Methoden und neue Sichtweisen auch auf Bereiche auszuweiten, die traditionell als ‚harte‘ Themen galten.59 „The 52 Vgl. so: Hochedlinger, Frühneuzeitforschung; ders., Bürokratisierung. Weniger skeptisch zur Forschungssituation: Externbrink, Internationale Politik. 53 Vgl. Kunisch, Der Nordische Krieg; Schilling, Formung. 54 Vgl. programmatisch: Gräf, Funktionsweisen. 55 Vgl. den Problemaufriss bei: Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte, der jedoch nolens volens vor allem belegt, wie wenig die traditionelle Diplomatiegeschichte mit kulturgeschicht lichen Perspektiven anfangen kann – selbst dort, wo sie sich darum bemüht. Für die Frühe Neuzeit programmatisch: Kugeler/Sepp/Wolf, Einführung. 56 Vgl. aus der Fülle der Literatur nur: Krischer, Souveränität; Roosen, Early Modern Diplo matic Ceremonial. 57 Vgl. programmatisch: Thiessen, Diplomatie und Patronage; siehe auch: Droste, Im Dienst der Krone. 58 Vgl. Kugeler/Sepp/Wolf, Einführung, 20 – 25. 59 Siehe programmatisch: Köhler, Strategie und Symbolik. Dass die in der deutschen Forschung zeitweise sehr konfrontative Gegenüberstellung von sozial- und kulturgeschichtlichen
Einleitung
25
‚old‘ political history […] focused on governing elites, centres of decision-making, diplomacy and the waging of war“60, heißt es in einem jüngeren Forschungsbericht. Eine revidierte Diplomatiegeschichte kann diese Themen nicht über Bord werfen (im vorliegenden Buch stehen sie geradezu im Zentrum), sondern muss sie auf neue Weise behandeln. In einem jüngeren Sammelband wird dafür plädiert, den Begriff der „Außenbeziehungen“ zu verwenden, um deutlich zu machen, dass man es in der Frühen Neuzeit noch nicht mit Beziehungen zwischen Nationen und Staaten zu tun hat;61 dem wird hier weitgehend gefolgt. Das einstmals so monolithische Bild des Diplomaten als Repräsentant seines Staates oder seines Herrschers wird in der jüngeren Forschung in vielfacher Weise erweitert. Hillard von Thiessen hat, wie erwähnt, programmatisch einen Idealtypus des frühneuzeitlichen Diplomaten entworfen, der durch eine „Vielfalt von Rollen und Bindungen“ gekennzeichnet ist.62 Das Forschungsfeld ist also in Bewegung. An vielen Stellen herrscht aber, gerade für die Zeit nach 1648, ein disparater Forschungsstand vor, der von zwei Arten von Publikationen charakterisiert wird: entweder die kleinteilige Spezialstudie oder die Überblicksdarstellung. In vielen Bereichen fehlen Untersuchungen, die mit systematischen Fragestellungen in der Mitte z wischen beiden Extremen liegen. Ein solcher systematischer Zugang ist die hier vorgeschlagene Frage nach der Gewinnung von Informationen. Information und Wissen Wissen und Administration, der Zusammenhang von Information und Staatsbildung und eine wissensbasierte Geschichte des Politischen sind in den letzten Jahren zu zentralen Themen der Frühneuzeitforschung avanciert.63 Auch für die Geschichte der Außenbeziehungen sind Information und Kommunika tion etablierte Gegenstände.64 So existieren etwa Studien zur methodisierten Herangehensweisen, aber auch die Absetzung gegenüber älteren Forschungsrichtungen der Politikgeschichte in der englischen Forschung weniger ausgeprägt ist, zeigt z. B. der jüngere Sammelband: Adams/Cox (Hrsg.) Diplomacy. 60 Kümin, Political Culture, 132. 61 Vgl. Thiessen/Windler, Einleitung, v. a. 2. 62 Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 493. 63 Vgl. nur: Brendecke/Friedrich/Friedrich (Hrsg.), Information; Gottschalk, Wissen; Behrisch, Politische Zahlen, sowie monographisch: Vivo, Information; Friedrich, Drehscheibe Regensburg. 64 Vgl. etwa: Externbrink, Kommunikation; Hurtubise, Rome.
26
Fragen, Begriffe, Methoden
ufwertung von Empirie in den Außenbeziehungen des 16. Jahrhunderts 65 oder A zu einzelnen politischen Informationsgewinnungssystemen 66. Auch ist im Kontext der Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts das Problem der Information in den Mittelpunkt des Interesses gerückt worden.67 Für koloniale und imperiale Kontexte sind in den Arbeiten von Brendecke und Bayly die Zusammenhänge von Distanzherrschaft und Informationsgewinnung thematisiert worden.68 Das Problem der Informationsgewinnung wurde allerdings zuletzt insgesamt sehr stark im Rahmen der eher innenpolitischen „information state“-Forschung untersucht.69 Gerade die Verbindungen z wischen Innen- und Außenpolitik, auf die hier abgezielt wird, bleiben unterbelichtet.70 Dass Informationsgewinnung zu den zentralen Aufgaben frühneuzeitlicher Diplomatie gehört, wird zwar durchgehend betont; dennoch gibt es nicht besonders viele eingehende Studien dazu, wie diese praktisch organisiert wurde.71 In der Regel interessiert sich die Diplomatiegeschichte eher für die materialen Gehalte und die politischen Konsequenzen der gewonnenen Informationen und verschweigt dabei, wie zentral die Praxis der Informationsgewinnung selbst für die Akteure war. Die Diplomatiegeschichte verstellt sich aber den Blick auf das, was die Akteure tatsächlich taten und was ihnen (jedenfalls auch) bedeutsam erschien, wenn sie Informationsgewinnung nur im Hinblick auf ihre politischen Konsequenzen wahrnimmt. Öffentlichkeit und Geheimnis Öffentlichkeit und ihre potentiellen Gegenbegriffe (Geheimnis und Privatheit) sind oft anhand der von Habermas und Koselleck einflussreich lancierten Parameter diskutiert worden.72 Die Debatte hat sich stark auf die Frage konzentriert, wie im Inneren der Staaten mit dem Problem der Regierungsarkana umgegangen wurde und wie und wann sich eine Sphäre moralisch-politischer Öffentlichkeit 65 Vgl. Zwierlein, Discorso und Lex Dei. 66 Vgl. Edel, Der Kaiser und Kurpfalz, 138 – 151. 67 Vgl. Anklam, Wissen; Lund, War. 68 Vgl. Brendecke, Imperium; Bayly, Empire; siehe zum Zusammenhang von Kolonialismus und Wissen auch: Ballantyne, Colonial Knowledge. 69 Vgl. z. B. Higgs, Information State; Burke, Reflections; Head, Knowing Like a State; Brewer, Sinews of Power, 221 – 249; Slack, Government. 70 Siehe aber jüngst: Rule/Trotter, World of Paper. 71 Vgl. hilfreich: Roosen, Age of Louis XIV, 129 – 161; Kugeler, „Ehrenhafte Spione“; A nderson, Rise of Modern Diplomacy, 44 f.; Müller, Gesandtschaftswesen, 253 – 268. 72 Vgl. aus der Fülle der Literatur: Gestrich, Absolutismus; ders., Public Sphere; La Vopa, Conceiving a Public; Opgenoorth, Publicum; Brewer, This, that and the other; Heyl, Passion for Privacy.
Einleitung
27
ausbildete. Im Hinblick auf die hier beschriebene Konstellation spielt die Dichotomie öffentlich/privat insofern eine Rolle, als – im Einklang mit der Forschung – deutlich werden wird, wie fließend diese Grenze in einem vorwiegend höfisch- adligen Kontext des frühen 18. Jahrhunderts war. Die Unterscheidung öffentlich/ geheim, die in den älteren Debatten als absoluter Gegensatz gefasst wird, erweist sich in der neueren Forschung eher als intrikates Mit- und Ineinander verschiedener Stränge. Offenbar ist die Beziehung von Öffentlichkeit und Geheimnis kein Nullsummenspiel – wo mehr Öffentlichkeit ist, muss nicht zwingend weniger Geheimnis sein.73 Schon wegen seiner zahlreichen Konnotationen und der bewusst geschaffenen Unklarheit über Bedeutung und Wichtigkeit der verhüllten Inhalte spielte das Geheimnis in Politik und Gesellschaft der Frühen Neuzeit eine zentrale Rolle, ja: Es war geradezu ein „Leitfossil“ der politischen Kultur.74 Für die internationale Politik um 1700 hat Heidrun Kugeler herausgestellt, dass sich „Geheimhaltung und Geheimnisaufdeckung zu entscheidenden Faktoren internationaler Politik“ entwickelten. Mitbewirkt wurde dieser Wandel durch die (öffentlich wie geheim gewonnene und übermittelte) explodierende Informationsmenge, die unter anderem aus einer verbesserten Infrastruktur- und Mediensituation resultierte.75 Auch hier sind also Öffentlichkeit und Geheimnis weniger konträr aufeinander bezogen und stärker verbunden, als es der älteren Forschung erschien. In Bezug auf die Niederlande etwa ist die Differenziertheit des Zusammenhangs von Öffentlichkeit und politischem Arkanum herausgearbeitet worden.76 Und auch für England ist festzuhalten, dass um 1700 verschiedene Stränge parallel laufen: eine neue Presselandschaft nach der Abschaffung der Vorzensur im Jahr 1695, aber auch die anhaltende Neigung zu höfischer Arkanpolitik.77 Gerade angesichts der Jakobiten- und Verschwörungsfurcht wurde der Diskurs der ‚Geheimgeschichte‘ populär: halbdokumentarische, halbfiktionale Bücher, manchmal auch Pamphlete, die öffentlich die Praxis der Arkanpolitik zwar nicht generell anprangerten, aber doch auf verschwörungstheoretische Weise dunkle und böse politische Geheimnisse unter der Oberfläche decouvrierten und sich 73 Vgl. Goodman, Public Sphere, v. a. 2. 74 Vgl. Gestrich, Absolutismus, 35; vgl. auch: Hartmann, Arcana Imperii. 75 Kugeler, „Ehrenhafte Spione“, 132. Als transnationales – diplomatisches wie militärisches – Thema spielt Öffentlichkeit erst in der jüngeren Forschung eine Rolle. Vgl. z. B. Küster, Vier Monarchien. 76 Vgl. de Bruin, Geheimhouding. 77 Vgl. als generelle Einordnung dieser „post-revolutionary public sphere“: Lake/Pincus, Rethinking the Public Sphere; Knights, Representation.
28
Fragen, Begriffe, Methoden
so in eine hochgradig polarisierte Parteienlandschaft einpassten.78 Der englische Hintergrund, vor dem sich Marlboroughs Informationsgewinnung abspielte, kombinierte die europäischen Entwicklungen also in besonders drastischer Weise: Hier existierte eine parteipolitisch polarisierte und in besonderem Maße ausgebaute Öffentlichkeit, hier herrschte in besonderer Weise eine Verschwörungsparanoia, hier war Arkanpolitik auf der höchsten Ebene gerade deshalb so zentral, weil es ein ausdifferenziertes parlamentarisches System gab. Für Marlboroughs Informa tionsgewinnung besitzt daher das Problemfeld Öffentlichkeit und Geheimnis eine große Bandbreite – die von der Presse über das Problem parlamentarisch eingebundener Arkanpolitik bis hin zu Spionage reicht. Der Spanische Erbfolgekrieg Die Forschung zum Spanischen Erbfolgekrieg ist weder besonders rege noch methodisch besonders innovativ.79 Dies liegt unter anderem daran, dass der Krieg, der mit seinen Protagonisten Ludwig XIV ., Marlborough und Prinz Eugen der außenpolitisch orientierten Historiographie des 19. Jahrhunderts besonders lieb war, im Zuge der Abwendung von der Diplomatie- und Militärgeschichte als seriö ser Forschungsgegenstand aus dem Blick geriet. Die sozial- und kulturgeschicht liche Umorientierung der jüngeren Diplomatie-, Politik- und Militärgeschichte hat diesen Krieg noch kaum erreicht. Die jüngeren Gesamtdarstellungen folgen im Wesentlichen den klassischen Parametern.80 Ein Großteil der vorliegenden Forschung befasst sich mit dem klassischen Thema der Ursprünge des Krieges und seiner Vermeid- oder Unvermeidbarkeit im Rahmen des internationalen Systems um 1700. Es geht also um die Frage, inwieweit Erbfolgekonflikte Konsequenzen der ‚Systemlogik‘ waren.81 Einen Schwerpunkt der jüngeren Forschung zum Spanischen Erbfolgekrieg bilden Österreich und die kaiserliche Seite.82 Außerdem sind in jüngerer Zeit einige eher traditionelle diplomatiegeschichtlich orientierte 78 Vgl. Bannet, „Secret History“; Bullard, Politics of Disclosure; Weil, Plague of Informers. 79 Siehe zum Verlauf des Krieges im Überblick z. B.: Vierhaus, Deutschland, 151 – 174; Duchhardt, Staatenkonkurrenz. Vgl. enzyklopädisch: Frey/Frey (Hrsg.), Treaties; als bibliographische Orientierung siehe: Dickinson/Hitchcock (Hrsg.), War of the Spanish Succession. Vgl. zum internationalen System im frühen 18. Jahrhundert generell: Malettke, Hegemonie; Gantet, Guerre. 80 Vgl. knapp und solide: Malettke, Hegemonie, 461 – 510; Schnettger, Erbfolgekrieg. Nicht empfehlenswert: Smid, Erbfolgekrieg. Zur spanischen Seite des Spanischen Erbfolgekrieges einschlägig: Kamen, War of Succession. 81 Vgl. v. a. Roosen, Origins; generell siehe: Kunisch, La guerre; ders., Hausgesetzgebung. 82 Vgl. Klueting, Erbfolgekrieg; Bérenger, Habsburger; Auer, Österreichische und euro päische Politik; Sienell, Beratungsgremien.
Einleitung
29
Untersuchungen erschienen, die empirische Wissenslücken über diesen Krieg zu füllen suchen.83 Dort, wo der Krieg zum Thema wird, wird also nach wie vor in aller Regel eine relativ konventionelle, meist bilaterale Diplomatiegeschichte betrieben.84 England um 1700 und Marlborough Zentral für das Verständnis der englischen Politik um 1700 und ihrer Partei strukturen bleiben die Grundannahmen von Geoffrey Holmes’ Standardwerk und der Arbeiten, die sich (bis heute) daran orientiert haben. Hier ist nach wie vor die Communis Opinio, dass die Regierungszeit Königin Annes als „first age of party“ anzusehen ist, in dem die Parteien – trotz einer weitverbreiteten Aversion gegen sie – tatsächlich stärker als zuvor und nachher die politische Landschaft prägten.85 Für Einzelaspekte vor allem der englischen Innenpolitik liegt natür lich eine große Zahl von Studien vor, die an entsprechender Stelle herangezogen werden – dies gilt vor allem für die Arbeiten zur Glorious Revolution und ihren Konsequenzen, die in jüngster Zeit wieder stark diskutiert werden.86 Für die eng lischen Außenbeziehungen während des Erbfolgekrieges ist die von dem amerikanischen Marinehistoriker John Hattendorf verfasste Untersuchung von 1987 zentral, die vor allem der Zusammenarbeit der verschiedenen mit der Kriegführung befassten Regierungsgremien nachgeht.87 Wichtig ist Hattendorfs Nachweis, dass Marlborough im Rahmen der englischen Außenbeziehungen in sehr hohem Maße mit den Secretaries of State und anderen Amtsträgern kooperierte. Dies macht für die Frage nach Informationsgewinnung gewisse verwaltungsgeschicht liche Rekonstruktionen notwendig.88
83 V. a. auf Spanien und Italien bezogen: Álvarez-Ossorio Alvariño (Hrsg.), Famiglie; Edelmayer/León Sanz/Ruiz Rodríguez (Hrsg.), Erbfolgekrieg. 84 Vgl. dazu auch: Paoletti, War, 475, der überspitzt formuliert: „The latter conflict is […] reduced to biographies of Marlborough and Eugene of Savoy and to accounts of the battle of Blenheim, regardless of what happened before, or in the ten years following Blenheim (whose real name, incidentally, was and still is Blindheim).“ 85 Vgl. Holmes, British Politics; siehe in kritischem Anschluss daran: Jones (Hrsg.), British Politics; siehe auch: Roberts, Party; Knights, Faults. 86 Vgl. Pincus, 1688, sowie komplementär dazu: Harris, Revolution. 87 Vgl. Hattendorf, England. 88 Vgl. als einen kaum überholten Meilenstein der älteren Literatur: Thomson, Secretaries of State; aus der neueren Literatur ist als gute Einführung zu nennen: Jupp, The Governing of Britain. – Zu einer methodischen Verbindung von Verwaltungs- und Spionagegeschichte siehe: Laube, Geheimnisverrat.
30
Fragen, Begriffe, Methoden
Der Forschungsstand zu Marlborough selbst ist schnell beschrieben: Eine ernsthafte, nicht-hagiographische, systematische Perspektiven integrierende Marlborough-Forschung existiert fast nicht. Noch immer einflussreich ist W inston Churchills ältere Biographie.89 An neueren seriösen Darstellungen sind vor allem das Buch von Jones und der biographische Artikel von Hattendorf zu nennen,90 aber auch der jüngere Versuch, verschiedene Facetten von Marlboroughs Biographie in europäischer Perspektive zu erkunden.91 Die englische wissenschaftliche und populäre Historiographie bringt fast in jedem Jahrzehnt mehrere mehr oder minder solide Marlborough-Biographien hervor, die im Wesentlichen Churchill folgen und seine Darstellung selten ernsthaft um systematische Ansätze erweitern.92 In den 1960er und 1970er Jahren nahm eine Reihe von Forschern (Henry Snyder, Edward Gregg und einige andere) die Verknüpfung von Innen- und Außenpolitik zur Zeit Königin Annes in den Blick. Aus der Vielzahl von Einzelstudien ragen Greggs Biographie der Königin 93 und Henry Snyders wichtige Edi tion der Korrespondenz zwischen Marlborough und Sidney Godolphin hervor.94 Snyder selbst beschrieb 1978, im letzten Forschungsbericht zum Themenfeld, die Forschungssituation geradezu als Boom: „The prospect for Augustan studies in general and the reign of Queen Anne has never been so positive.“95 Die Impulse dieser Forschungen, die wohl durch eine glückliche personelle Konstellation hervorgerufen wurden, sind in der Folge aber nicht in derselben Intensität aufgenommen worden.96 Dies gilt vor allem für die Verknüpfung von Innen- und Außenpolitik, die wieder etwas hinter rein englische Perspektiven zurückgetreten zu sein scheint. Allerdings liegen einige jüngere Monographien zu wichtigen Aspekten vor, etwa Bucholz’ Untersuchung von Annes Hof,97 Metzdorfs Untersuchung zu Marlboroughs Propagandaaktivitäten 98 oder Winns biographische
89 Vgl. Churchill, Marlborough. Siehe zu d iesem auch literarisch eindrucksvollen Werk: Alkon, Winston Churchill’s Imagination, 177 – 212; Muller, Englishman; Levillain, Churchill. 90 Vgl. Jones, Marlborough; Hattendorf, Churchill. 91 Vgl. Hattendorf/Veenendaal/van Hövell tot Westerflier (Hrsg.), Marlborough. 92 Siehe zuletzt: Holmes, Marlborough; Hibbert, The Marlboroughs. 93 Vgl. Gregg, Queen Anne; zu Anne siehe in der Nachfolge Greggs als Überblick auch: Bucholz, Queen Anne. 94 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence. 95 Snyder, Marlborough, 14. 96 Vgl. eine ähnliche Einschätzung bei: Chalus, Ladies, 156. 97 Vgl. Bucholz, Augustan Court. 98 Vgl. Metzdorf, Politik.
Einleitung
31
Arbeit zu Anne als Kunstpatronin.99 Jüngere Aufsätze zu einzelnen Aspekten von Marlboroughs Tätigkeit gehen selbstverständlich ebenfalls über die ältere Forschung hinaus. Doch auch diese Spezialforschung interessiert sich am ehesten für strategiegeschichtliche Fragen, für Schlachten, in Ansätzen auch für Marlboroughs logistische Bemühungen.100 In der angelsächsischen Forschung zum Spanischen Erbfolgekrieg wird Marlboroughs Bedeutung insgesamt heute relativiert;101 für die niederländische Forschung gilt dies schon länger.102 Zur Informationsgewinnung und Spionage im Spanischen Erbfolgekrieg und im näheren oder ferneren Umkreis Marlboroughs schließlich liegen einige Studien vor, die aber über Andeutungen nicht hinauskommen.103 Die ausführlichste Synthese zu Marlboroughs Informationsgewinnung stammt von Lucien Bély – doch auch diese umfasst nicht mehr als zwei Seiten.104 Was bedeutet nun dieser Forschungsstand für die vorliegende Arbeit? Die Untersuchung von Marlboroughs Informationsgewinnung ordnet sich ein in eine kommunikations- und medienhistorisch informierte Politik- und Diplo matiegeschichte, die nach dem Zusammenhang formalisierter und informeller Strukturen fragt. Die Studie gehört damit in den Zusammenhang der Geschichte der Information als politischer Geschichte, die auch das Problemfeld von Öffent lichkeit und Geheimnis im Blick behält, bezieht diese aber in neuer Weise auf das Problem der Außenbeziehungen. Die biographistisch reduzierte Marlborough- Forschung wird also durch eine systematische Fragestellung erweitert. Dies ist angesichts der eher konventionellen Forschung zum Spanischen Erbfolgekrieg ein Weg, diesen aus dem Ghetto der Geschichte großer Männer herauszuholen. Die Untersuchung zielt also auf eine Geschichte der Information ab, die Strukturen, Akteure und Inhalte aufeinander bezieht. Insgesamt erscheint der Zugang über die Informationsgeschichte als ein vielversprechender Weg, Innen- und Außenpolitik, Kultur- und Strukturgeschichte miteinander zu verzahnen und eine Reihe von Forschungsfeldern (Kommunikationsgeschichte, Verwaltungsgeschichte, 99 Vgl. Winn, Queen Anne. 100 Vgl. z. B. Ostwald, „Decisive“ Battle; Phelan, Marlborough; immer noch viel zitiert: Chandler, Marlborough. 101 Vgl. Hattendorf, England. Diese Relativierung betrifft vor allem seine Rolle als Diplomat und Politiker. Vgl. Snyder, Marlborough, 7. 102 Vgl. z. B. Wijn, Le duc de Marlborough; Veenendaal, Opening Phase; Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium. 103 Vgl. z. B. Snyder, Introduction, XXX; Backscheider, Daniel Defoe; Rule, Gathering Intelli gence; de Leeuw, Black Chamber. 104 Vgl. Bély, Espions, 91 f.
32
Fragen, Begriffe, Methoden
Diplomatiegeschichte) zu verbinden.105 Bevor die Quellen dieser Studie benannt und ihr Aufbau erläutert werden, muss jedoch der Informationsbegriff geklärt werden, der der Untersuchung zugrunde liegt. 1.1.3 Information und Kommunikation: Eine Begriffsklärung
Was ist eigentlich gemeint, wenn von der Gewinnung von „Information“ die Rede ist? Was bedeutet „Information“ und hat sie eine Geschichte? Schon 2004 behauptete Paul Slack, Information sei ein (fast zu) modisches Thema der Geschichtswissenschaft geworden.106 Dies trifft für die deutsche Geschichtswissenschaft sicher nicht im selben Maße zu. Zudem hat die Vielzahl von Arbeiten, die den Begriff der Information im Titel führen, nur selten zu einer durchdachten – und nicht schlicht alltagssprachlichen – Konzeption dessen geführt, was unter Information im Rahmen historischer Forschung sinnvollerweise verstanden werden soll.107 Bibliographiert man historiographische Studien mit dem Titelbegriff oder Schlagwort „Information“, wird man meist auf pressegeschichtliche Untersuchungen,108 in jüngerer Zeit aber auch auf Forschungen zum „information state“ stoßen, also Studien zum Zusammenhang von (zentralisierter) Informationserhebung und Herrschaftsintensivierung gerade in der Frühneuzeit.109 Begriffsgeschichtlich ist der Informationsbegriff genauso einschlägig wie verwandte Begriffe: Im Mittelalter war mit ‚Information‘ das Lehren und Belehren konnotiert, im Spätmittelalter wurde der Begriff weitgehend synonym mit 105 Dass die Unterscheidung z wischen Innenpolitik und Außenbeziehungen für die Zeit um 1700 zwar nicht sinnlos, aber doch tendenziell problematisch (weil vom 19. Jahrhundert aus gedacht) ist, zeigt forschungspraktisch schon die Tatsache, dass die für das Folgende so eminent wichtigen Postangelegenheiten in den englischen State Papers Domestic enthalten sind (auch dann, wenn es um Auslandspost geht), weil sie die Korrespondenz der Postmasters General umfassen, während der Großteil der hier relevanten Korrespondenz der Secretaries of State in den State Papers Foreign enthalten ist. 106 Vgl. Slack, Government, 33. 107 Vgl. als Negativbeispiel: Csáky, Kommunikation. 108 Eine reine Pressegeschichte ausschließlich Frankreichs verbirgt sich etwa hinter: L’information à l’époque moderne; ebenfalls eher pressegeschichtlich, wenn auch methodisch ausgreifend: Dooley/Baron (Hrsg.), Politics of Information. 109 Als Plädoyer dafür, die Informationsgeschichte eher politik- als geistesgeschichtlich aufzufassen, siehe: Burke, Reflections, 51.
Einleitung
33
Mitteilung, Nachricht, Bericht, Belehrung verstanden.110 Er zielt auf mindestens drei verschiedene Phänomene: den Vorgang des Einholens von Kenntnissen; ein Schriftstück, das diese dokumentiert; schließlich die Kenntnisse selbst.111 Im Deutschen herrschte in der Frühen Neuzeit terminologische Konfusion. Das semantische Feld von „Information“ umfasst hier Begriffe wie Nachricht, Zeytung, Relation oder Aviso.112 In den hier untersuchten englisch- und franzö sischsprachigen Quellen des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts verwendeten die Autoren für das, was hier als Information verstanden wird, meist Begriffe wie „advice“, „account“, „knowledge“, „news“, „notice“, „intelligence“ oder auch „information“ oder gar „informations“, auf französisch auch „avis“ oder „informa tion“.113 Soweit ersichtlich, wird in den hier untersuchten Quellen nicht kategorial zwischen diesen verschiedenen Termini unterschieden, wenn es auch so scheint, als würde der Quellenbegriff „information“ besonders gern, allerdings kaum exklusiv, in juristischen Kontexten benutzt.114 Um 1700 vollzog sich auch die Aufwertung des Begriffs der „public information“ (synonym: public intelligence, public knowledge), die auf eine erhöhte semantische Kopplung zwischen Gemeinwesen und Information hindeutet.115 Langfristig hat sich – analog wohl zur wachsenden Rolle etwa der Statistik – eine Begriffsfassung durchgesetzt, die zunehmend auf abstrakte, entindividualisierte Daten abstellt.116 Diese Tendenz setzt sich, wie Otts begriffsgeschichtliche Studien belegen, in der Moderne fort.117 Der begriffsgeschichtliche Befund lässt sich nicht ohne Weiteres in eine systematische Definition übersetzen. In der neueren Forschung zum Informa tionsbegriff wird dessen historische Varianz betont und gefolgert, dass eine eindeutige Definition weder zu erreichen noch anzustreben sei: „‚information‘ is able to perform the work it does precisely because it fuzzes the boundaries between several genetically distinct categories of experience.“118 Wichtiger als eine zeitenthobene Definition scheint es, mit Robert Darnton die Historizität je unterschiedlicher 110 Vgl. Brendecke/Friedrich/Friedrich, Information, 25. 111 Vgl. ebd., 29 f.; siehe auch: Brendecke, Imperium, 76. 112 Vgl. Requate, Nachricht. 113 Belege sind an dieser Stelle überflüssig; siehe aber für den altertümlichen, heute nicht mehr existierenden englischen Plural „informations“ etwa: BL Add. 61604, 69r; TNA SP 77/57, 243r. 114 Vgl. BL Add. 61607, passim. 115 Vgl. Brewer, Sinews of Power, 230. 116 Vgl. Nunberg, Farewell, 114. 117 Ott zeigt aber auch die disparate Vielzahl von möglichen Verwendungsweisen des Begriffs. Vgl. Ott, Information, v. a. 333 – 339. 118 Nunberg, Farewell, 114; vgl. auch Weller, Information History, 18.
34
Fragen, Begriffe, Methoden
„communication societies“ zu konturieren.119 Dennoch ist eine gewisse Verständigung notwendig. Zuerst muss Information von „Wissen“ unterschieden werden. Die Wissensgeschichte ist oft primär eine Weiterführung einer kontextualisierenden Wissen schaftsgeschichte 120, oder sie versteht unter Wissen mehr oder minder explizit jegliche Form menschlicher Daseinsorientierung.121 Das hat in bestimmten Zusammenhängen seine Berechtigung, doch fällt die Abgrenzung eines solchen Wissensbegriffs etwa vom Glauben oder Meinen schwer.122 Vor allem ist er auch nicht trennscharf von Information abzusetzen. In der Forschung ist mit diesem Problem unterschiedlich umgegangen worden: So wird postuliert, dass sich Wissen aus einer großen Zahl von Informationen zusammensetze (ein quantitatives Argument also), zudem aber auch in der Fähigkeit bestehe, mit Informationen umgehen zu können.123 So versteht etwa Jürgen Mittelstraß Wissen als reflektierten Umgang mit Einzelinformationen, die ihrerseits noch kein Wissen konstituieren: Information sei „die Art und Weise […], wie sich Wissen transportabel macht, also eine Kommunikationsform, keine (selbständige) Wissensform“.124 Bestenfalls sei Information „Faktenwissen“, aber kein „Orientierungswissen“, kein „Zweckund Zielewissen“.125 Der analytische Philosoph Fred Dretske beharrt überdies darauf, dass Wissen eine gerechtfertigte, wahre Meinung sei – und dass dies für Information partiell auch gelte. Information sei zwar noch kein Wissen, aber eine Voraussetzung, um Wissen zu erlangen – und sie sei nur dann Information, wenn sie wahr sei: „false information and mis-information are not kinds of informa tion“126. Die Informationen, um die es in dieser Untersuchung geht, besitzen aber schon deshalb einen epistemologisch komplizierteren Status, weil es per defini tionem keinen externen Beobachter gibt, der ihre Wahrheit feststellen kann.127 Mit einer solchen wahrheitstheoretischen Aufladung des Informationsbegriffs ist historiographisch also kaum zu arbeiten.
119 Darnton, Early Information Society, 1 f. 120 Vgl. Vogel, Wissenschaftsgeschichte; Füssel, Wissensgesellschaft; Schirrmeister, Wissenskulturen. 121 Vgl. z. B. Berger/Luckmann, Gesellschaftliche Konstruktion; Barth, Anthropology. 122 Als Polemik zur Inflation des Wissensbegriffs siehe: Stiening, Ungrund. 123 Vgl. Headrick, Information, 4. 124 Mittelstraß, Krise des Wissens, 42. 125 Ebd., 44. 126 Dretske, Knowledge, 45. 127 Vgl. dazu: Horn, Der geheime Krieg, 31. Kempe, Burn after Reading.
Einleitung
35
Vielleicht reicht es für die historische Arbeit aus, mit Peter Burke pragmatisch zu definieren, dass Wissen höher aggregiert und systematischer, weil „verarbeiteter“ ist als die spezifischere und kleinteiligere Information. Information ist roh, Wissen gekocht.128 Wissen ist tendenziell holistisch und situiert, Information fragmentiert und unsituiert.129 Auch ist ein potentieller Praxisbezug von Information ein konstitutives Element der Definition. Denn als Information dient einem Akteur das, „was an Repräsentationen der Welt in Hinsicht auf eine Aufgabe verfügbar ist“.130 Informationen enthalten damit einen „Vorausblick auf das, was man mit ihnen anfangen kann“.131 Es bleibt aber eine berechtigte Frage, was in den Tausenden von Texten, vor allem Briefen, die man als Quellen dieser Studie heranziehen könnte, Informa tion ist – und was nicht. Ich meine mit Information eine Mitteilung, die für einen Empfänger einen Unterschied macht 132 – oder auch: von der ein Briefschreiber annimmt, dass sie dem Adressaten a) neu und b) im weitesten Sinne nützlich ist. Der Sender antizipiert (zuweilen falsch) die Rezeptionsleistung des Empfängers. Eine Information umfasst also immer einen Inhaltsaspekt, aber auch einen Beziehungsaspekt, „einen Hinweis darauf, wie ihr Sender sie vom Empfänger verstanden haben möchte“133. Neuheit ist wichtig, denn: „Eine Nachricht, die ein zweites Mal gebracht wird, behält zwar ihren Sinn, verliert aber ihren Informationswert.“134 Um 1700 jedenfalls wurde die Originalität
128 Vgl. Burke, Social History, 11 (im Anschluss an die berühmte Unterscheidung von Lévi- Strauss); vgl. aber die Kritik an dieser Definition bei: Behrisch, Zu viele Informationen, 456. – Ähnlich unterscheidet Joad Raymond, dem ich hier nicht folgen kann, auch noch einmal z wischen „intelligence“ und „information“: Während „intelligence“ das Rohmaterial abgebe, überführe „information“ dieses Rohmaterial in einen interpretativen Rahmen und führe zu einer Handlung. Vgl. Raymond, Introduction, 3. Zwischen Daten, Information und Wissen differenziert: Haber, Google-Syndrom. 129 Vgl. Edwards u. a., Historical Perspectives, 1423 f. 130 Brendecke/Friedrich/Friedrich, Information, 16. 131 Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 1, 71 f. Siehe auch: Luhmann, Soziologische Aspekte, 597. 132 Ohne hier eine systemtheoretische Definition vollständig zu übernehmen (das scheint mir nicht notwendig zu sein), sei doch auf die von Bateson stammende und von Luhmann genutzte Definition von Information als „a difference that makes a difference“ verwiesen. Vgl. etwa Luhmann, Unwahrscheinlichkeit, v. a. 89 und 93, Anm. 20; Esposito, Information. 133 Watzlawick/Beavin/Jackson, Kommunikation, 53. 134 Luhmann, Realität der Massenmedien, 20.
36
Fragen, Begriffe, Methoden
einer Information besonders hoch eingeschätzt.135 Doch gerade dies konnte auch zur Produktion von falschen Informationen beitragen.136 Information ist schließlich eine Ressource von Macht und Herrschaft – unter anderen. Neben die Kontrolle materieller und den Einsatz ideologischer Ressourcen treten für den politischen Akteur immer auch in mehr oder minder hohem Maße Informationen, die sein Handeln strukturieren oder beeinflussen. Wissen ist nicht zwangsläufig Macht – aber doch eine mögliche Machtressource.137 Dies gilt in besonders hohem Maße im Krieg – der dann auch zum „Informa tionskrieg“ werden kann, der mit der und gegebenenfalls sogar für die Gewinnung von Informationen geführt wird.138 Versucht man, den angedeuteten Informationsbegriff material zu reformulieren, muss man fragen, w elche Arten von ‚Information‘ für Marlborough relevant waren. Bei den zu untersuchenden Informationen (oder den Strukturen und Funktionen dieser Informationen) geht es darum, in welcher Weise Marlborough (oder die englische Regierung) Informationen über a) Aktionen und b) Meinungen und Weltsichten des Kriegsgegners, aber auch der Verbündeten und der englischen Akteure erlangte. Dies konnte sich auf makrostrategische Informationen (was will der Feind, wo und auf welche Weise will oder wird er Krieg führen, will er Frieden schließen?) beziehen; auf innenpolitische Zusammenhänge, die mit der Kriegssituation zusammenhingen (in England: Was wollen die Parteien, was die Königin; was für Einflussmöglichkeiten eröffnen sich an verbündeten wie feind lichen Höfen dadurch, dass man die höfischen Verhältnisse überblickt?); auf mikrostrategische oder taktische (wo genau befindet sich die gegnerische Armee oder Teile davon, wie stark ist sie, wann wird es zur Schlacht kommen, in welcher Verfassung ist der Gegner; aber auch: Wie sieht es auf den anderen Kriegsschauplätzen aus?). Aus diesen unterschiedlichen Arten von Information ergibt sich eine ungeheure Vielzahl von notwendigen und möglichen Informationskontakten auf verschiedensten (politischen, diplomatischen, militärischen) Ebenen. 135 Vgl. Bély, Espions, 60. 136 Nachricht und Information sind also nicht identisch – auch wenn man für die praktische Analyse diese Unterscheidung nicht überbetonen muss. Vgl. Ott, Information, 40; Friedrich, Drehscheibe Regensburg, 19; Brendecke/Friedrich/Friedrich, Information, 17. Information ist darüber hinaus ein nützlicherer Begriff als ‚Nachricht‘, weil im Begriff der Information das prozess- wie produkthafte Element (also der Prozess des Informierens wie sein Ergebnis) mitklingt. 137 Siehe: Patzelt u. a., Institutionelle Macht, 40. Vgl. auch Schmitt, Gespräch über die Macht, 21: „Wer den Machthaber […] informiert, hat bereits Anteil an der Macht“. – Zum Ressourcenbegriff siehe: Giddens, Konstitution der Gesellschaft, z. B. 76 u. 86. 138 Ott, Information, 315.
Einleitung
37
Auch wenn man, wie hier vorgeschlagen, Information von Wissen unterscheidet, bleibt es doch nötig, Information in eine soziale, menschliches Handeln integrierende Perspektive einzufügen. Dazu dient der Begriff der Kommunikation.139 Er hat, auch angesichts der forschungshistorisch erklärbaren Probleme des Begriffs Öffentlichkeit, diesen partiell ersetzt.140 Auch wird Kommunikation in der neueren Kulturgeschichte oft als Basisakt jeglicher Form von Vergesellschaftung und sozialer Strukturbildung konzipiert.141 Er umfasst also ein Spektrum, das mindestens von der Pressegeschichte bis zur Sozialgeschichte reicht.142 Den Prozess der Kommunikation kann man mit Walter Ong als den umfassenden Aktionsrahmen verstehen, in dem Information ihren Wert und ihren Sinn erst gewinnt,143 oder mit Luhmann als Trias von Information, Mitteilung und Verstehen (oder Nichtverstehen).144 Kommunikation meint also die Übermittlung von Informationen, aber auch die Art und Weise, wie sie rezipiert werden. Schon deshalb ist sie eng an die Frage der sozialen Strukturbildung gekoppelt. Wichtig ist in jedem Fall, dass Kommunikation etwas anderes (oder mindestens: mehr) ist als die einfache Eins-zu-eins-Ü bertragung von Information. Ohne zu sehr in die Sprache der Theorie autopoietischer Systeme zu verfallen, ist doch festzuhalten, dass nicht einfach ein Gegenstand von A nach B übertragen wird. Kommunikation und ihre Medien sind keine sterilen Kanäle. Stattdessen ist die Mitteilung einer Information selbst nur ein „Selektionsvorschlag“, muss also vom Rezipienten selbst in seinen eigenen Horizont integriert werden – und verändert sich dabei.145 Dies ist im Kontext dieser Studie schon deshalb plausibel, weil zum 139 Vgl. Ott, Information, 243. Vgl. ähnlich auch: Edwards u. a., Historical Perspectives, 1398; Janich, Information, 147; Rusch, Auffassen, 216. – Bayly benutzt analog den von Castells stammenden Terminus „information order“, um sowohl die Gewinnung von Informa tion als auch „social communication“ zusammenzufassen und aufeinander zu beziehen; vgl. Bayly, Empire, 3 f. – Zur Diversität der Kommunikationsbegriffe siehe: Burkert/ Hömberg (Hrsg.), Kommunikationstheorien; Behringer, Kommunikation. 140 Vgl. z. B. Schlögl, Politik beobachten; Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘; Küster, Vier Monarchien. 141 Vgl. Schlögl, Kommunikation; Stollberg-Rilinger, Impact; Vivo, Information. 142 Vgl. Depkat, Kommunikationsgeschichte. Insofern ist es auch kein Zufall, dass der Kommunikationsbegriff zum Beispiel zwischen den semantischen Feldern Nachricht/ Information und Transport/Infrastruktur changiert. Vgl. Cottrell, London, 157; siehe auch, bereits im Titel sprechend: North, Kommunikation. 143 Vgl. Ong, Information. – Zur Unterscheidung von Informations- und Kommunika tionssystemen, die hier auf sich beruhen kann, siehe: Pieper, Vermittlung, 37. 144 Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 203. 145 Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, 193 f.; vgl. auch: Ong, Information, 5. Der systemtheo retische Informationsbegriff lehnt die Idee einer ‚Übertragung‘ ganz generell ab. Für
38
Fragen, Begriffe, Methoden
Beispiel eine Information, die einem abgefangenen Brief entnommen wird, sich nicht einfach in das klassische Sender-Empfänger-Schema einfügen lässt und weil die Strukturen für die Gewinnung einer Information oft erst geschaffen werden müssen. Schon um diesen notwendig konstruktiven Aspekt hervorzuheben, wird in dieser Studie von Informationsgewinnung (und nicht etwa von Informa tionsbeschaffung) gesprochen. 1.1.4 Quellen
Im Wesentlichen stützt sich die Untersuchung auf die Bestände dreier Londoner Archive. Zentral waren die Erschließung, Lektüre und Auswertung großer Teile der ehemaligen „Blenheim Papers“146 in der British Library. Sie enthalten erstens die von Marlborough selbst empfangenen Briefe, zweitens die Korrespondenz seines Schwiegersohnes, des Earl of Sunderland, der von 1706 bis 1710 als Secretary of State tätig war und in viel umfassenderer Weise als die meisten anderen Secretaries, mit denen Marlborough zusammenarbeitete, „intelligence reports“ anforderte und nutzte. Diese kamen auch Marlborough zugute. Aus den Marlborough Papers wurde vor allem die Korrespondenz mit den primär für intelligence zuständigen und unterschiedlich intensiv daran interessierten Staatssekretären ausgewertet (BL Add. 61119 – 61130), dann die Korrespondenz mit einigen ausgewählten Gesandten (zum Beispiel BL Add. 61145), die Briefe verschiedener Festungsgouverneure oder -kommandanten in Flandern (zum Beispiel BL Add. 61204), die Korrespondenz mit dem preußischen Hof und vor allem dem Marlborough in außergewöhnlicher Weise verbundenen Oberst Grumbkow (BL Add. 61228 – 61131), die Briefe des hannoverschen Sekretärs Jean de Robethon (BL Add. 61235 – 61236), die Newsletters, die Marlborough erhielt (BL Add. 61264 – 61265), die Korrespondenz rund um den Prozess von 1711 und andere Finanzunterlagen (BL Add. 61326, 61330, 61406), Akten zum Postservice z wischen England und Flandern (BL Add. 61336) sowie Kartenmaterial (BL Add. 61342 – 61343). Aus den Sunderland-Papieren standen im Zentrum: die eigenhändigen Cabinet Minutes (BL Add. 61498 – 61500), die umfangreiche Sammlung von Newsletters vor allem hugenottischer Provenienz, die über Etienne Caillaud in Rotterdam an die englische Regierung weitergeleitet wurden (BL Add. 61548 – 61566), die von François eine Vorstellung von Kommunikation, die in hohem Maße von der Übertragung identisch bleibender Informationen ausgeht, plädiert aber mit bedenkenswerten Gründen: Krämer, Medium. 1 46 Vgl. Catalogue of Additions, sowie als knapper Überblick: Hudson, Blenheim Papers.
Einleitung
39
Jaupain in Brüssel interzipierte feindliche Korrespondenz sowie die Korrespondenz mit dem Dechiffrierer William Blencowe (BL Add. 61567 – 61568, 61575), schließlich die Korrespondenz zum Postwesen (BL Add. 61601). Dazu traten einige Bestände aus den Papieren Robert Harleys, die sowohl Cabinet Minutes als auch Hintergrundinforma tionen zur Informationsbeschaffung enthalten (BL Add. 70191, 70334 – 70338)147 sowie einige hannoversche Bestände, die weiteres Licht auf die Verbindung z wischen Marlborough und Robethon werfen (BL Stowe 222 – 223, 225, 232, 241).148 Ergänzend wurden im Archiv der britischen Post (The British Postal Museum and Archive London) einige Bestände zum Postwesen, vor allem zum Postschiffdienst zwischen England und Flandern, aber auch zur Verwendung von Postgeldern zur Finanzierung geheimdienstlicher Aufgaben herangezogen (BPMA, POST 1/3, BPMA, POST 43/1, BPMA, POST 46/19, BPMA, POST 103/1 – 2). Schließlich wurden in den National Archives Bestände aus den State Papers Foreign ausgewertet, vor allem die Korrespondenzen der Staatssekretäre mit den Gesandten in Brüssel, die dort ein umfangreiches und auch Marlborough zuarbeitendes Informationsnetz etabliert hatten (TNA SP 77/57 – 61), aber auch die Newsletters aus Flandern und Frankreich (TNA SP 101/7, TNA SP 101/23 – 24) sowie – aus den State Papers Domestic – die Korrespondenz der Secretaries of State vor allem über Fragen der Postkommunikation (TNA SP 34/9 – 12, TNA SP 34/13 – 19, TNA SP 34/29149) und einige Briefe Marlboroughs an einzelne Secretaries (TNA SP 87/2, TNA SP 87/4 – 5). Aus der Vielzahl edierter Quellen ist für die vorliegende Studie die dreibändige Edition des Briefwechsels z wischen Marlborough und Godolphin von 1975 am wichtigsten.150 Lucien Bély ist der Auffassung, diese Edition erlaube „de préciser quels circuits d’information utilisait l’homme de guerre anglais“151 – eine Ankündigung, die bisher aber nicht umgesetzt worden ist. Neben diese Edition treten Marlboroughs Korrespondenz mit Anthonie Heinsius 152, die „Dispatches“ in der Edition von Murray 153 (die Briefe Marlboroughs im Kopienbuch seines 147 Zur komplizierten Klassifizierungsgeschichte dieser Bestände siehe: Jones, Harley Family. 148 Vgl. Chance, John de Robethon; siehe dazu auch: Catalogue of the Stowe Manuscripts. 149 Die Bände, die chronologisch vorangehen, habe ich mir wegen der akkuraten Kalendarisierung inkl. ausführlicher Quellenzitate – siehe zuletzt: Calendar of State Papers, Bd. 3 u. Bd. 4. – nicht ansehen müssen. Zur Überlieferungs- und Editionsgeschichte der Calendars: Knighton, Calendars. 150 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence. 151 Bély, Espions, 86. 152 Vgl. The Correspondence 1701 – 1711, sowie: De Briefwisseling van Anthonie Heinsius. 153 Vgl. Letters and Dispatches.
40
Fragen, Begriffe, Methoden
Sekretärs Adam de Cardonnels enthalten) sowie die partiell die Blenheim Papers abdruckende Edition der Historical Manuscripts Commission 154. Dazu kommen die zahlreichen Briefe, die in der alten, aber gerade für Quellenbeigaben nach wie vor einschlägigen Biographie von Coxe 155 abgedruckt sind. Besonders wichtig sind auch die edierten Briefe der französischen Protestanten, die vom niederländischen Exil aus ein Spionagenetzwerk in Frankreich organisierten und für die englischen Staatssekretäre und Marlborough arbeiteten.156 Schließlich wurden punktuell die für das Problem der Finanzierung von Spionagetätigkeiten einschlägigen Treasury Books and Papers 157 und zeitgenössisch gedruckte Quellen herangezogen. 1.1.5 Aufbau der Arbeit
Die Studie ist folgendermaßen aufgebaut: Im Teil 2 werden die Voraussetzungen der eigentlichen Untersuchung dargelegt. Erstens soll eine Skizze zu Ursachen und Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges den ereignis- und strukturgeschicht lichen Rahmen bereitstellen, in den sich die Analyse einfügt; zweitens wird Marlborough als Hauptprotagonist dieses Buches biographisch vorgestellt. Im Anschluss daran werden die institutionellen Mechanismen und politischen Kräfteverhältnisse der englischen Innen- und Außenpolitik um 1700 skizziert; dieser Teil dient der präziseren Formulierung des Problems, ob und inwieweit Marlborough in die englische Regierung eingebunden war, ob und inwieweit er unabhängig von ihr agierte und was dies für den Komplex der Informa tionsgewinnung bedeutet. Die darauf folgende Analyse ist zweigeteilt und folgt der Differenzierung zwischen einerseits Strukturen und andererseits Funktionen der Informa tionsgewinnung. In Teil 3 werden die Strukturen der Informationsgewinnung untersucht, die Marlborough aufbaute oder auf die er zurückgriff. Nach einer theoretischen Klärung (3.1) dessen, was hier unter Strukturen verstanden wird – Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke – werden die infrastrukturellen Grundlagen von Marlboroughs Informationsgewinnung vorgestellt (3.2): Geld, Briefe, Post und Landkarten. Nach einigen Bemerkungen zur komplizierten 154 Vgl. HMC Marlborough; zur Überlieferungsgeschichte und archivalischen Klassifizierung dieses und analogen Materials siehe: Levine, Amateur, 101 – 134. 155 Vgl. Coxe, Memoirs (zuerst erschienen 1819/19). 156 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 281 – 358 (Quellenappendix). 157 Vgl. z. B. Calendar of Treasury Books, Bd. 28, 399 – 504.
Einleitung
41
Finanzierung der Informationsgewinnung und zur brieflichen Kommunikation werden die Post, vor allem die Schiffspost z wischen England und den südlichen Niederlanden, aber auch die Kartographie daraufhin untersucht, in welcher Weise sie Rahmenbedingungen für Marlboroughs Informationsgewinnung darstellten. Daran anschließend wird die Informationsgewinnung Marlboroughs in formalen Organisations- und Amtszusammenhängen untersucht (3.3). Am Anfang steht die Frage nach Marlboroughs Einbindung in die Informationsgewinnung der englischen Regierung, vor allem der Secretaries of State. Danach wird exemplarisch die Kooperation mit englischen Diplomaten vorgestellt. Schließlich wird nach Informationsgewinnung im militärischen Kontext gefragt. Schon in den Abschnitten zur organisations- und amtsförmigen Informationsgewinnung wird deutlich werden, wie groß oft die Überlappungen mit informellen, netzwerkförmigen Strukturen sind und dass es vielfältige Übergänge gibt. In Teil 3.4 werden solche Übergänge zwischen formalen und informellen Kanälen der Informa tionsgewinnung untersucht, aber auch die höchst eindrucksvollen Spionagenetzwerke vorgestellt, die Marlborough und der englischen Regierung insgesamt Informationen beschafften. Das Spektrum reicht hier von halbformalen Beziehungen in einer Grauzone formaler Diplomatie über zwei besonders einflussreiche Spionagenetzwerke bis hin zu individuell agierenden Spionen. Am Schluss d ieses Kapitels zu den Strukturen der Informationsgewinnung wird die Bedeutung der Presse für Marlborough diskutiert (3.5). Der zweite größere Analyseabschnitt widmet sich dem Problem der Funk tionen der Informationsgewinnung. Nach einer theoretischen Reflexion (4.1) sollen, wiederum mit exemplarischem Rückgriff sowohl auf einschlägige E reignis- als auch Strukturzusammenhänge, drei besonders zentrale Funktionen vorgestellt und diskutiert werden. Im ersten Kapitel (4.2) geht es um instrumentelle Funktionen von Information: einerseits ihre Rolle im Kontext des Entscheidens, andererseits aber auch (und wichtiger) ihre Bedeutung als Instrument der Unsicherheitsminimierung, also der Erzeugung eines Sicherheitsgefühls. Wenn diese Funktion zwar ebenfalls ‚instrumentell‘ ist, hat sie doch mit dem Problem der Entscheidung nur am Rande zu tun. In Kapitel 4.3 wird der Konnex von Informationsgewinnung und Patronage vorgestellt; in Kapitel 4.4 schließlich wird diskutiert, inwiefern Information als symbolische Repräsentation von Kompetenz und Legitimität diente. Dort wird auch die Episode vom Beginn des Buchs vertieft diskutiert, also der Versuch Marlboroughs, den Vorwürfen gegen ihn im Winter 1711 mit dem argumentativen Rückgriff auf Spionage zu begegnen. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Studie zusammen und führt die verschiedenen Stränge empirisch und methodisch zusammen.
2 Voraussetzungen 2.1 Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough 2.1.1 Ursachen des Erbfolgekrieges
Der Spanische Erbfolgekrieg war der letzte und größte der Kriege Ludwigs XIV. In diesem Krieg, der von 1701/02 bis 1713/14 dauerte und auf so verschiedenen Schauplätzen wie Spanien, Italien, den südlichen Niederlanden, Bayern und in Übersee spielte, stand dem französischen König eine Allianz gegenüber, die aus einer Vielzahl europäischer Mächte bestand.1 Es ist nachvollziehbar, wenn Teile der Forschung nach wie vor die Ehrsucht und den Expansionsdrang Ludwigs XIV. zur hauptsächlichen Kriegsursache erklären.2 Allerdings hat bereits die ältere französische Forschung Skepsis gegenüber einem grand dessein Ludwigs XIV. geäußert, der teleologisch auf die spanische Erbfolge zulaufe.3 Auch in der etwas jüngeren Forschung wird eher die pragmatische, wenig ideologische Politik Ludwigs XIV. betont.4 Folgt man diesem Bild, dann ist der Spanische Erbfolgekrieg jedenfalls nicht schlicht aus dem Expansionsstreben des französischen Königs zu begreifen. Woraus dann? Es war angesichts der Kinderlosigkeit und der zarten Gesundheit des letzten spanischen Habsburgers Karl II. nur eine Frage der Zeit, wann es zu Auseinandersetzungen um das spanische Erbe kommen würde, das außer dem spanischen Kernland auch große Teile Italiens (Neapel, Sizilien, Mailand), die Spanischen Niederlande sowie die amerikanischen Besitzungen umfasste. Als erbberechtigt sahen sich wegen enger Verwandtschaft mit dem spanischen König sowohl Ludwig XIV. als auch K aiser Leopold. In den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wurden die spanische Sukzession und die Frage, ob sich ein Krieg darüber würde vermeiden lassen, ein immer drängenderes Thema der diplomatischen Kommunikation. Bereits 1668 war im sogenannten Grémonville-Vertrag versucht worden, eine Teilung des zukünftigen spanischen Erbes auszuhandeln.5 Doch angesichts wechselnder 1 Zur Ereignisgeschichte siehe: Malettke, Hegemonie, 461 – 510; Schnettger, Erbfolgekrieg. 2 Vgl. Sonnino, Origins. Dass das Streben nach ‚gloire‘ allerdings weniger eine psycholo gische als vielmehr eine eminent politische Dimension besitzt, verdeutlicht: Rohrschneider, Präzedenzstreben. 3 Vgl. Pagès, L’histoire diplomatique, 676 f. 4 Vgl. Malettke, Ludwigs XIV. Außenpolitik, v. a. 45 – 48. 5 Vgl. Bérenger, Habsburger; Sienell, Beratungsgremien, v. a. 134 f.; zum Kontext siehe auch: Auer, Konfliktverhütung.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
43
politischer Konjunkturen und angesichts der antiludovizianischen Kriege stand das Problem der spanischen Erbfolge immer wieder auf der Tagesordnung. Die Ausgangslage schien einfach: Während die spanische Regierung auf der Unteilbarkeit des spanischen Reiches beharrte,6 diskutierten die europäischen Diplomaten – zumal die englischen und niederländischen, die mit der Erbfrage nichts zu tun hatten, sich aber vor französischer (aber auch habsburgischer) Präponderanz fürchteten 7 – immer wieder über Teilungsverträge. Diese konnten aber angesichts neuer politischer oder militärischer Rahmenbedingungen schnell auch wieder obsolet werden. Im Frieden von Rijswijk von 1697 wurde die spanische Erbfolge trotz Versuchen des Kaisers, zu einer neuerlichen Lösung zu kommen, nicht geregelt. Schon dies musste den Beteiligten klar machen, dass Rijswijk möglicherweise mehr Waffenstillstand als dauernder Friede sein würde.8 Zwischen 1697 und 1700 suchten die europäischen Dynastien weiter fieberhaft nach einer friedlichen Lösung, zumal sich der Tod Karls II . abzeichnete. Schon hier zeigt sich die neue Rolle, die England nach der Glorious Revolu tion spielte und die auf die resolute Europäisierung einer vorher eher isolierten Macht hinauslief.9 Ein „erster“ Teilungsvertrag (nach demjenigen von Grémonville) wurde im Oktober 1698 z wischen den Niederlanden, dem englischen König Wilhelm III. und Ludwig XIV. ausgehandelt. Er sprach Philipp von Anjou, dem Enkel Ludwigs XIV., Neapel/Sizilien sowie Teile der Toskana zu. Erzherzog Karl, der zweite Sohn K aiser Leopolds, sollte Mailand erhalten. Der restliche, größte Teil des spanischen Erbes sollte dem bayerischen Kronprinzen Joseph Ferdinand zufallen, der ebenfalls eng mit den spanischen Habsburgern verwandt war.10 Nachdem Joseph Ferdinand aber im Februar 1699 unerwartet gestorben war, wurde im März 1700 ein zweiter Vertrag abgeschlossen, der sehr vorteilhaft für die österreichische Habsburger linie war: Karl sollte den Großteil des Erbes erhalten, während Philipp mit Teilen Italiens abgespeist werden sollte. Diese Lösung wurde dennoch vom K aiser nicht mitgetragen, der auf das gesamte spanische Erbe hoffte.11 Als Karl II . am 1. November 1700 starb und das ungeteilte spanische Erbe Philipp von Anjou hinterließ, war der Krieg tatsächlich fast unvermeidlich 6 Vgl. Roosen, Origins, 166. 7 Vgl. Malettke, Friede, 34. 8 Vgl. Roll, Schatten, v. a. 71 und 83. 9 Vgl. als Überblick: Onnekink, Britain. 10 Vgl. Vierhaus, Deutschland, 166. 11 Vgl. ebd.; zu den Teilungsverträgen, die explizit auf das Prinzip der Balance of Power rekurrieren, siehe auch: Rule, Partition Treaties, sowie Bély, La société des princes, 307 – 332.
44
Voraussetzungen
geworden. Für Ludwig XIV . war die Ablehnung des Testaments ausgeschlossen, da das spanische Erbe sonst den Habsburgern zugefallen wäre. Doch die Annahme des Testaments bedeutete vorhersehbar Krieg.12 Wilhelm III . und der niederländische Ratspensionär Anthonie Heinsius erkannten Philipp V. zuerst an, bemühten sich aber gleichzeitig um eine antifranzösische Allianz.13 Die Franzosen marschierten derweil in die Spanischen Niederlande und in Italien ein. Ludwig XIV . versuchte im Jahr 1701, aber auch darüber hinaus (wenn auch weitgehend erfolglos), Alliierte im Reich zu gewinnen.14 Noch ohne Kriegs erklärung und Allianzvertrag waren habsburgische Truppen unter Prinz Eugen im Frühjahr 1701 nach Italien gegangen, um Frankreich von der Inbesitznahme des spanischen Erbes abzuhalten.15 Möglicherweise war es aber erst die Weigerung Ludwigs XIV., explizit eine mögliche französische Thronfolge Philipps auszuschließen, die die Alliierten schließlich von der Notwendigkeit eines Krieges überzeugte.16 Im Allianzvertrag vom 27.8./1. 9. 1701 wird deutlich, dass die Alliierten – zu diesem Zeitpunkt noch der Kaiser, die Generalstaaten und die englische Krone, später sollten Preußen sowie weitere Reichsterritorien, Portugal und Savoyen dazukommen – durchaus unterschiedliche Kriegsziele verfolgten. Frankreich hatte inzwischen die Spanischen Niederlande, Mailand und Cadiz eingenommen sowie mehrere Kriegsschiffe in die spanischen Westindischen Inseln geschickt. Die Alliierten fühlten sich vor allem von einer potentiellen Vereinigung der französischen und spanischen Macht bedroht, fürchteten aber auch, dass kaiserliche Lehen wie das strategisch, logistisch und geopolitisch zentrale Mailand dauerhaft verloren sein könnten.17 Daher forderten sie eine „equitable and reasonable satisfaction to his Imperial Majesty for his pretension to the Spanish succession“18. Zudem wurde von englischer und niederländischer Seite die allgemeine Gefahr für die europäische Sicherheit (auch des Handels) betont, die unter anderem eine Barriere zwischen den Niederlanden und Frankreich notwendig mache. Die Idee einer Barriere, also eines Festungsringes in den südlichen Niederlanden, war eine Leitidee der niederländischen 12 Vgl. Malettke, Ludwigs XIV. Außenpolitik, 67; siehe auch: Thomson, Louis XIV and the Origins. 13 Vgl. Hattendorf, England, 14; siehe auch: Recker, Wilhelm III. 14 Vgl. Weber, Rheinpolitik, 82; siehe zum Kontext auch: Schmidt, Frankreich; Sinkoli, Frankreich; Dotzauer, Macht. 15 Vgl. Burkhardt, Vollendung, 261. 16 Vgl. Aretin, Das Alte Reich, Bd. 2, 107. 17 Vgl. dazu: Mozzarelli, Sulla guerra. 18 Vertrag der Großen Allianz, 873.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
45
Sicherheitspolitik in den Jahrzehnten um 1700 und spielte folgerichtig auch eine zentrale Rolle bei der Formulierung der Kriegsziele der Generalstaaten.19 Der Allianzvertrag legte aber vor allem die gemeinsamen Ziele im Falle eines Krieges fest: Die Spanischen Niederlande, Mailand, Neapel, Sizilien und die toska nischen Lehen sollten erobert werden – „and particularly that the French shall never get into the possession of the Spanish Indies“20. Charakteristischerweise ist also im Allianzvertrag noch nicht die Rede davon, dass die Alliierten sich um eine ungeteilte habsburgische Erbfolge bemühen wollten – was möglicherweise mit der vorherigen Anerkennung Philipps V. durch die Seemächte zu tun hatte.21 Doch als Ludwig XIV. nach dem Tod des exilierten englischen Königs Jakob II. am 23. September 1701 dessen Sohn, den sogenannten Pretender, als englischen König anerkannte, sahen dies die Seemächte als Bruch des Rijswijker Friedensschlusses, in dessen Rahmen Frankreich Wilhelm III. als englischen König akzeptiert hatte.22 Die Anerkennung des Pretenders stellte mindestens für die englische Öffentlichkeit einen veritablen Kriegsgrund dar.23 Hinzu kamen die ökonomisch und finanziell als bedrohlich angesehene Übernahme des spanischen Sklavenhandel-Monopols (des sogenannten Asiento) durch die französische Compagnie de Guinée im August 1701 sowie die explizite Ablehnung der Barriere durch Frankreich.24 Im September 1701 notierte John Evelyn in seinem Tagebuch, dass der franzö sische König englische Schiffe daran hindere, in französische Häfen einzulaufen, und überhaupt den Handel nach Frankreich unterbinde. Damit, so Evelyn, sei in gewisser Weise der Krieg ausgebrochen: „so as a Warr in a maner begun“25. Doch auch noch nach dem Zustandekommen der Großen Allianz wurde um Frieden gerungen, allerdings erfolglos.26 Während Ludwig – angesichts des Inhalts des Testaments nicht ganz zu Unrecht – behaupten konnte, der Krieg gehe von den Alliierten aus,27 hoben die Alliierten in ihren jeweiligen Kriegserklärungen, ihren 19 Vgl. van Nimwegen, Dutch Barrier; Hahlweg, Barriere. Zu den Überlegungen zu einer zusätzlichen Reichsbarriere siehe: Greiner, Schild; Braubach, Reichsbarriere. 20 Vertrag der Großen Allianz, 874. 21 Vgl. van den Haute, Relations anglo-hollandaises, 81 f. Zum Problem der kurzzeitigen Anerkennung Philipps V. durch die Seemächte siehe auch Malettke, Hegemonie, 470. 22 Vgl. Thomson, Louis XIV and William III. 23 Vgl. Hattendorf, England, 4. 24 Vgl. Auer, Österreichische und europäische Politik, 102 f.; ders., Wirtschaftliche Aspekte, 146. 25 Evelyn, Diary, Bd. 5, 477. 26 Vgl. Hattendorf, Ursprünge, v. a. 143. 27 Vgl. die Kriegserklärung Ludwigs XIV. an die Alliierten, 3. Juli 1702, in: Krieg und Frieden, 44 f.
46
Voraussetzungen
partikularen Interessen gemäß, sehr unterschiedliche Aspekte hervor. Kaiser Leopold behauptete, dass das Testament Karls II. das Papier nicht wert sei, auf dem es geschrieben stehe – vermutlich sei es gefälscht oder untergeschoben.28 Das Reich folgte dem Vorgehen Leopolds.29 Auch die Generalstaaten schlossen sich dieser Einschätzung an und warfen Ludwig vor, den zweiten Teilungsvertrag zu missachten, formulierten vor allem aber auch ihre Angst vor einer franzö sischen „Monarchie Universelle“30, ihre Sorge um wirtschaftliche Nachteile und schließlich ihr Interesse an einer Barriere 31. Die englische Königin Anne legte den Akzent in ihrer Kriegserklärung vor allem auf die Anerkennung des Pretenders durch Ludwig XIV .,32 und einige Monate später wurde die Anerkennung von Königin Anne durch die französische Krone als weitere offizielle Kriegsforderung eingeführt.33 Es gab also durchaus unterschiedliche Akzentsetzungen der unterschiedlichen Alliierten – genauso wie es auch unterschiedlich enge Verbindungen zwischen ihnen gab. Die Verbindung Wien-Den Haag etwa wäre bei einer anderen Haltung Ludwigs XIV. möglicherweise gar nicht zustande gekommen.34 Während die ältere Forschung, wie angedeutet, die Kriegsursachen vor allem im Expansionsstreben Ludwigs XIV. gesehen hat, hebt die jüngere Forschung weniger auf individuelle Motive und stärker auf systemische Zwänge ab. In dieser Perspektive war der Spanische Erbfolgekrieg ein letztlich unvermeidlicher „Systemkonflikt“35. Die Entwicklung des internationalen Staatensystems, der Entwicklungsstand der Staatsbildungsprozesse in den europäischen Ländern und die enge Anbindung dieser Prozesse an dynastische Interessen habe das Erbfolgeproblem zu einem konstitutiven diplomatischen und politischen Problem gerade der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit gemacht.36 Der Umstand, dass man es in vielen 28 Vgl. die Kriegserklärung des Kaisers an Ludwig XIV., 15. Mai 1702, in: Krieg und Frieden, 41 – 43. 29 Vgl. Reichskrieg um das spanische Erbe des Hauses Habsburg, Kaiserliches Kommissionsdekret, 6. Oktober 1702, in: Quellen zum Verfassungsorganismus, 272 – 274; siehe auch: Kampmann, Reichstag, sowie zu den komplizierten Reichstagsverhandlungen: Friedrich, Moment(um). 30 Vgl. die Kriegserklärung der Generalstaaten an Ludwig XIV., 8./15. Mai 1702, in: Krieg und Frieden, 36 – 40, hier 36; siehe dazu auch: Bosbach, Monarchia universalis, 107. 31 Kriegserklärung der Generalstaaten, in: Krieg und Frieden, 36 – 38. 32 Vgl. die Kriegserklärung Annes, 4. Mai 1702, in: Krieg und Frieden, 35 f. 33 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance, 191. 34 Vgl. Troost, Habsburg. 35 Schilling, Höfe und Allianzen, 258. 36 Vgl. Kunisch, Hausgesetzgebung; Kohler, „Tu felix Austria nube…“; Burkhardt, Friedlosig keit, v. a. 540.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
47
ällen mit lediglich dynastisch integrierten „composite states“ (oder auch „dynastic F agglomerations“) zu tun hatte,37 habe das Sukzessionsproblem gerade um 1700 zu einem politisch brisanten und gelehrt diskutierten Thema werden lassen.38 Denn diese Konstellation habe aus jeder Erbfolgekrise eine Krise des Staatensystems gemacht.39 Zusätzlich dazu sei der Spanische Erbfolgekrieg überdies auch durch universalistische Ansprüche etwa der Habsburger oder der Bourbonen charakterisiert, die den Krieg unausweichlich gemacht hätten.40 Insofern, so William Roosen in einem ausgezeichneten Aufsatz, seien nicht die Intentionen der Handelnden, sondern die Struktur des internationalen Systems die eigentliche Kriegsursache – nach dem Tod des bayerischen Kurprinzen sei eigentlich keine Verständigung mehr vorstellbar gewesen.41 Diese insgesamt überzeugende Position muss aber doch dahin gehend relativiert werden, dass – wie gesehen – bis 1702 immer wieder versucht wurde, den Frieden zu retten, und dass aus einer weniger system- als akteurszentrierten Perspektive auffällt, dass Ludwig XIV. lange Zeit versucht hat, Wilhelm III. auf seine Seite zu ziehen, dass aber sein „calculated gamble“ nach dem Tod des spanischen Königs schließlich doch zum Krieg führte.42 Insgesamt zeichnet sich also ab, dass eine systemische Perspektive durchaus den Kriegsausbruch erklären kann – dass aber dieser Perspektive komplementär eine akteurszentrierte Sicht zur Seite gestellt werden muss. Doch wie verlief der lange und verlustreiche Krieg? Und was bedeutet dies für den Komplex der Informationsgewinnung? 2.1.2 Der Spanische Erbfolgekrieg: Verlauf, Kriegsparteien, Ergebnisse
Es soll hier nicht versucht werden, den zahlreichen detaillierten, vor allem ereignisgeschichtlichen Beschreibungen des Spanischen Erbfolgekrieges eine weitere hinzuzufügen. Hier geht es nur um eine Skizze der wichtigsten Ereignisse, 37 Vgl. Elliott, Composite Monarchies; siehe auch Morrill, Uneasy Lies the Head, 11: „My suggestion is that we should consider the process as the development of a dynastic agglomerate rather than a composite monarchy. Dynastic agglomerate is an awkward, uncomfortable phrase for an awkward, uncomfortable entity. It helps us to keep at the front of our minds how unstable the evolving composite was.“ 38 Vgl. Wolf, Geographie. 39 Vgl. Kunisch, Staatsverfassung, 75. 40 Vgl. Burkhardt, Vollendung, 255 – 260. 41 Vgl. Roosen, Origins, 152 und 163. 42 Onnekink, Anglo-French Negotiations, 175.
48
Voraussetzungen
Kriegsparteien und Ergebnisse des Krieges, aber auch um einige Charakteristika der Kriegführung. Besonders auffällig ist in der älteren wie der jüngeren Literatur der Ehrgeiz, Schlachtenverläufe in großer Akkuratesse nachzuzeichnen. In der jüngsten, aber in der Durchführung sehr traditionellen Darstellung des Krieges wird dies sogar mit der kuriosen These begründet, der Erbfolgekrieg sei – anders als etwa der Dreißigjährige Krieg – „durch ein eigentümliches Primat militärischer Erwägungen gekennzeichnet“ gewesen.43 Diese Einschätzung scheint aber eher die Forschungslage zu reproduzieren als der Sachlage zu entsprechen. Richtiger, wenn auch unspezifisch, ist die Einschätzung, dass der Krieg über zehn Jahre dauerte, „weil Krieg und Politik nicht mit gemeinsamer Zielgenauigkeit zusammenarbeiteten“44, es also durchaus Divergenzen z wischen politischen und militärischen Zielen gab. Dies ist aber schon deshalb kaum verwunderlich, weil Krieg um 1700 nicht etwa die militärische Durchsetzung klar vorgegebener politischer Ziele bedeutete, sondern nur eines von vielen Mitteln darstellte, Politik zu betreiben. Für die beteiligten Parteien waren Diplomatie und kriegerische Aktion „co-equal instruments of policy to be used alternatively or concurrently“45. Wenn Heinz Schilling formuliert, Frankreich sei in diesem Zeitalter daran gewöhnt gewesen, „Europa militärisch in Schach zu halten, um es dann auf den Friedenskongressen matt zu setzen“,46 dann setzt dies voraus, dass die militärische Auseinandersetzung in der Regel nur ein Weg war, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern. Viel seltener wurde das militärische Ziel verfolgt, den Gegner endgültig zu vernichten oder ihn auch nur umfassend zu schwächen. Insofern war auch der Kriegszustand faktisch nicht strikt vom diplomatischen Friedenszustand unterschieden: Die Aufnahme von Friedensverhandlungen jedenfalls setzte keinen Waffenstillstand voraus – dadurch überlappten sich Krieg und Friedensprozess zeitlich.47 „In the age of Louis XIV it is impossible to differentiate between diplomacy and war; the two were the obverse and converse of the same coin and complemented each other at all times.“48
43 Smid, Erbfolgekrieg, 17. 44 Rill, Karl VI., 54. 45 Jones, Marlborough, 6. 46 Schilling, Höfe und Allianzen, 259. 47 Vgl. Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, 76. 48 Thompson/Padover, Secret Diplomacy, 102; vgl. jüngst auch: Dhondt, Op Zoek naar Glorie, 289. Die Parallelität von Diplomatie und Kriegführung ist ein Charakteristikum des Krieges um 1700, den Lynn mit dem Begriff ‚war-as-process‘ bezeichnet; weitere
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
49
Die Kriege des Ancien Régime waren begrenzte Kriege, und sie waren dies umso mehr, als die Kriegführung die finanziellen Möglichkeiten der beteiligten Mächte in aller Regel überstieg.49 Die sehr teuren Heere brachten die beteiligten Staaten auch im Spanischen Erbfolgekrieg teilweise an den Rand des Bankrotts,50 was die Finanzierung durch Subsidien unumgänglich machte.51 Charakteristisch für diese Art von Kriegführung waren daher die Vermeidung von Feldschlachten und die zentrale Bedeutung von Belagerungen, die angeb lich geringere menschliche und finanzielle Kosten hervorriefen.52 In den seltensten Fällen ging es, um die Begriffe Hans Delbrücks zu wählen, um die Verfolgung einer Vernichtungsstrategie – dies wäre viel zu teuer gewesen. Stattdessen wurde üblicherweise eine Ermattungsstrategie angewandt, der es um kleinere Raumgewinne ging, die eine vorteilhafte Verhandlungsposition ermöglichten.53 Gerade Marlborough scheint aber einer der wenigen Feldherren des Zeitalters gewesen zu sein, die tendenziell auf Feldschlachten setzten und eine offensive Grundhaltung verfolgten, die den Feind zur Schlacht zwingen sollte.54 Doch die in der Literatur von Zeit zu Zeit vertretene Idee einer kriegsentscheidenden Schlacht ist anachronistisch und entspricht selbst Marlboroughs Denken nur eingeschränkt: Ein geographisch so ausgedehnter Krieg wie der Spanische Erbfolgekrieg war mit einer noch so großen Schlacht unter den Bedingungen der Militärtechnik um 1700 nicht zu entscheiden.55 Im Anschluss an den Allianzvertrag von 1701 wurde das antifranzösische Bündnis in den Jahren bis 1704 durch eine Vielzahl von einzelnen, zum Teil auch bilateralen Verträgen ergänzt, um möglichst viele Mächte einzubeziehen.56 Dabei spielten unterschiedliche Motive und Kriegsziele eine Rolle: Mächte wie Savoyen (oder auch Bayern, das sich auf der französischen Seite engagierte) bemühten sich,
Charakteristika wären etwa die im Text beschriebene Ermattungsstrategie und die Bedeutung von Belagerungen. Vgl. Lynn, Wars, 367 – 376. 49 Zum Militärwesen um 1700 siehe: Luh, Kriegskunst; Kaiser, Das stehende Heer; einführend auch: Sicken, Kriegskunst; Schlürmann, Alltagsleben; Chandler, Art of Warfare. 50 Vgl. Sicken, Heeresaufbringung, v. a. 91 f. 51 Vgl. Wilson, Politics. 52 Vgl. de Schryver, Warfare, 133 f. 53 Vgl. mit Rückgriff auf Delbrück: Sicken, Kriegskunst, 36 f. 54 Vgl. Jones, Marlborough, 59. 55 Vgl. Perjés, Army Provisioning, 153; Hoppit, Land of Liberty, 117; siehe vor allem aber auch: Ostwald, „Decisive“ Battle. Zu Marlboroughs Unwillen oder Unfähigkeit zu Belagerungen siehe jüngst instruktiv: Ostwald, Marlborough. 56 Vgl. Hattendorf, England, 77 – 95.
50
Voraussetzungen
vorerst erfolglos, um eine Krone,57 während Preußen erfolgreich auf den Monarchisierungstrend der vorhergegangenen Jahrzehnte aufspringen konnte und dafür auch bereit war, als Subsidienempfänger in den Krieg zu ziehen.58 Der Krieg spielte auf verschiedenen Schauplätzen: in den südlichen Niederlanden, wo Marlborough sich die meiste Zeit aufhielt,59 in Italien 60, in Spanien selbst 61, schließlich in Übersee 62, aber auch in den europäischen Gewässern und im halbstaatlichen Freibeuterkrieg 63. Auch Süddeutschland wurde im Jahr 1704 zu einem wichtigen Kriegsschauplatz: Der logistisch spektakuläre Marsch von Marlboroughs Armee an die Donau im Frühsommer 1704 hat großes Interesse auf sich gezogen.64 Die einzige militärische Aktion Marlboroughs außerhalb der süd lichen Niederlande kulminierte in der Schlacht von Höchstädt vom August 1704, die sicher nicht in dem Maße kriegsrelevant war, wie dies die englische Historiographie gern hätte.65 Die Schlacht von „Blenheim“, weit entfernt davon, den Krieg zu entscheiden, ist schon zeitgenössisch und mit weitreichender Wirkung zum britischen Erinnerungsort geworden.66 Ihr Sinn lag vor allem darin, den baye rischen Kurfürsten Max Emanuel, den neben dem Kölner Kurfürsten einzigen relevanten Verbündeten Frankreichs im Reich, als potentielle Gefahrenquelle zu beseitigen.67 Das gelang auch: Nach der militärischen Niederlage wurde über Max Emanuel 1706 die Reichsacht verhängt.68 57 Vgl. Oresko, House of Savoy; siehe auch: Kraner, Bayern und Savoyen; Symcox, Britain. 58 Vgl. Duchhardt, Königskrönung; Plassmann, Preis der Krone. 59 Vgl. Echevarria Bacigalupe, Guerra de Sucesiön. 60 Vgl. Gallo, Una difficile fedeltà. In Italien fand auch der schlecht untersuchte letzte kaiser lich-päpstliche Krieg bzw. Lehnsstreit um Commachio 1709 statt; siehe dazu: Burkhardt, Vollendung, 291 – 293. Vgl. zum Kirchenstaat auch: Tabacchi, L’impossibile neutralità. 61 Vgl. Kamen, War of Succession. 62 Vgl. knapp: Selig, Erbfolgekrieg. Eine sehr enge Verbindung z wischen Erbfolgekrieg und Kolonien zieht: Saunders Webb, Marlborough’s America. Hierbei geht es allerdings weniger um die Verknüpfung der Kampfhandlungen als um den Einfluss, den Marlborough auf die weitere Entwicklung Nordamerikas nahm; dieser Einfluss wird von Saunders Webb v. a. über die militärische Sozialisation im Umkreis Marlboroughs konstruiert, die eine Reihe späterer amerikanischer Gouverneure erfuhren. 63 Vgl. Bromley, French Privateering War. 64 Vgl. Hattendorf, English Grand Strategy; Francis, Marlborough’s March; Mathis, Marlborough und Wratislaw; ders., Neue Aspekte; Delfiner, Saving an empire. 65 Vgl. Blanning, Victory Spoils. 66 Vgl. Steber, Famous Victory; siehe auch: Horn, Authorship. 67 Vgl. die umfassende Rekonstruktion bei: Junkelmann, Der blutige 13. August 1704 sowie: Birk, Lange und kurze Wege. 68 Vgl. de Schryver, Max II. Emanuel; Neumann, Die Rolle Kurbayerns.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
51
Auch auf dem südniederländischen Kriegsschauplatz konnten die Alliierten Erfolge verzeichnen: Die Schlacht von Ramillies im Mai 1706 brachte die wichtigsten Provinzen an die Alliierten. Der bayerische Kurfürst Max E manuel, der ja gleichzeitig Statthalter der Spanischen Niederlande war, musste Brüssel verlassen. Sein Hof in Mons (Bergen) im Hennegau wurde in den Jahren nach 1706 eines der wichtigsten Ziele alliierter Spionage; dies wird in den folgenden Kapiteln immer wieder deutlich werden. Im Oktober 1709 wurde auch Mons erobert. Max Emanuel verließ das Land in Richtung Frankreich, während sein Minister Bergeyck von Namur aus die Reste der Spanischen Niederlande regierte.69 Während Philipp V. (und sein Statthalter Max Emanuel) nur noch einen kleinen Teil der Spanischen Niederlande beherrschte, bauten England und die Niederlande gemeinsam ein Kondominat auf, das allerdings schwerer zu regieren als zu gewinnen war. Sehr schnell waren die neuen Herren der Südniederlande unpopulärer als die alten. Erschwerend wirkte die Uneinigkeit der beteiligten niederländischen und englischen Politiker.70 Dennoch war das Kriegsjahr 1706 (wie schon 1704) ein Erfolg – auch die erfolgreiche Einnahme von Turin durch Prinz Eugen fiel in d ieses Jahr. 1707 war dagegen ein Katastrophenjahr, weil sich mit der verlorenen Schlacht bei Almanza die Situation in Spanien langfristig zugunsten Philipps V. und zuungunsten der Alliierten entwickelte. Frankreich versuchte wiederholt, Schweden (und auch das Osmanische Reich 71) in den Erbfolgekrieg zu ziehen, um den Alliierten zu schaden und den Nordischen Krieg und den Spanischen Erbfolgekrieg zusammenzuführen.72 Das enge Verhältnis, das England während des Krieges zu Preußen aufbaute, sollte die Verbindung dieser beiden Großkonflikte verhindern.73 Es war jedenfalls partiell Marlboroughs Erfolg, die drohende Konvergenz beider Kriege zu verhindern, indem er den schwedischen König Karl XII. 1707 in einer persönlichen Audienz im sächsischen Altranstädt davon abhielt, dem Kaiser den Krieg zu erklären. Auch wenn Marlboroughs Einwirken sicher nicht der einzige Grund dafür war, dass Spanischer Erbfolgekrieg und Nordischer Krieg getrennt blieben und die britische 69 Vgl. de Schryver, Max II. Emanuel, 154 f. u. 178 f.; siehe auch: ders., De Zuidelijke Nederlanden. 70 Vgl. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium; Veenendaal, Het ontslag; van Houtte, Les occupations étrangères. 71 Vgl. Hochedlinger, Freundschaft, 128. 72 Vgl. Stamp, Meeting; Chance, England; Hartley, Charles Whitworth, v. a. 65; vgl. zum Kontext auch: Zernack, Zeitalter. 73 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 1.
52
Voraussetzungen
Forschung sein persönliches Verdienst möglicherweise übertreibt,74 gehörte doch diese Mission zu den großen diplomatischen Erfolgen Marlboroughs. Die letzten Kriegsjahre waren gekennzeichnet durch weitere Erfolge der Alliierten in den südlichen Niederlanden (Oudenaarde, Malplaquet, Lille), die aber zunehmend ambivalent erfahren wurden. Vor allem die enorm verlustreiche Schlacht von Malplaquet vergrößerte die Kriegsmüdigkeit der Alliierten. Obwohl Marlborough kurzzeitig glaubte, der Sieg von Malplaquet von 1709 werde es erlauben, Frankreich extrem harte Friedensbedingungen aufzuzwingen, ging der Krieg doch weiter und verlief in der Folge ohne große Schlachten.75 Marlboroughs alte Idee eines Einmarsches in Frankreich 76 war damit vom Tisch. Alle Beteiligten fürchteten sich vor einem solchen vorhersehbar verlustreichen Waffengang.77 Hinzu kam, dass Spanien kaum mehr für die Alliierten zu gewinnen war, aber auch, dass Spannungen innerhalb der Allianz auftraten: England etwa hatte den Krieg zunehmend unter der Devise „no peace without Spain“ geführt und die ungeteilte habsburgische Sukzession wurde das eigentliche alliierte Kriegsziel.78 Charakteristischerweise waren es die Seemächte, die diese Maxime hervorhoben, während die kaiserliche Seite vor allem an der Kontrolle Italiens interessiert war.79 Als Joseph I. 1709 seine wesentlichen Ziele in Italien erreicht hatte, flaute seine Unterstützung für den Krieg in Spanien ab – was die Alliierten wiederum verärgerte.80 Dass Spanien schwierig oder gar nicht zu gewinnen sein würde, begriffen die Tories schneller als die Whigs und Marlborough. Während die Whigs „no peace without Spain“ im Sommer 1707 geradezu zu einem Hauptkriegsziel ausriefen, äußerte der Tory Henry St. John im November 1708: „For God’s sake let us be once out of Spain.“81 Marlborough aber und die Politiker um den Schatzkanzler Godolphin meinten noch lange, dass Frieden und Sicherheit nur möglich seien, wenn Spanien den Habsburgern zufalle. Während Marlborough an der Strategie 74 Vgl. Simms, Three Victories, 55. Skeptischer zu Marlboroughs Rolle bereits: Milne, Diplomacy. 75 Vgl. die Karte der alliierten Eroberungen in Flandern, geordnet nach Kriegsjahren, bei: Ostwald, Marlborough, 131. 76 Vgl. Hattendorf, England, 150 – 153. 77 Vgl. Jones, Marlborough, 182 – 185. 78 Zur Ausweitung der Kriegsziele vgl. Thomson, Parliament, 136. Siehe auch: Hattendorf, England, 60 f. u. 81; Hugill, No Peace. 79 Vgl. Hattendorf, England, 60 – 63 u. 81; vgl. generell auch: Auer, Österreichische und europäische Politik; Klueting, Erbfolgekrieg. 80 Vgl. Auer, Österreichische und europäische Politik, 107. 81 Zitiert nach: Holmes, British Politics, 78.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
53
festhielt, Frankreich zu zermürben, indem man es von mehreren Seiten angreife,82 hatte Godolphin schon 1703, wenigstens zeitweise, erkannt, dass ein Krieg dieser Größenordnung kaum zu gewinnen war: „I doubt we have too many irons in the fire. We can’t be in the Mediterranean, in Portugal, upon the coast of France, and in the West Indies all at once.“83 Und doch schrieb Godolphin im August 1705 an Marlborough, England „will never consent to any peace that leaves Spain and the Indies, or either, in the hands of the Duke of Anjou“84. Zu den bereits erwähnten Kriegsparteien traten weitere, nichtstaatliche, die aber vor allem für die englische Politik während des Erbfolgekrieges eine große Rolle spielten: die Jakobiten, die Hugenotten und die ungarischen Aufständischen. Der Exilhof der Stuarts in St. Germain-en-Laye und die Anerkennung der Stuarts durch Ludwig XIV . stellten nämlich nicht nur Provokationen dar.85 Vor allem konfrontierten sie die englische Politik mit dem Problem, sich mit (echten, aber auch vorgetäuschten und eingebildeten) jakobitischen Verschwörungen und Invasionen befassen zu müssen.86 Der Jakobitismus wurde so zum „major issue in British politics in the early-eighteenth century“87. In diesen Kontext gehört auch die Union z wischen England und Schottland von 1707. Sie sollte unter anderem das potentiell stuartfreundliche Schottland politisch enger an England binden. Der Spanische Erbfolgekrieg stellte insofern zusätzlichen Druck her, als die Verhandlungen in gar keinem Fall zu einer militärischen Konfrontation führen durften, weil die Truppen auf dem Kontinent gebunden waren.88 Englische Politiker, unter ihnen auch Marlborough und Godolphin, unterhielten aber seit den 1690er Jahren immer wieder Kontakte mit St. Germain – einerseits wohl, um sich für den Fall einer Restauration abzusichern,89 andererseits aber auch im Sinne eines Doppelspiels und einer Verschleierungstaktik, die die jakobitische Partei ruhigstellen sollte.90 82 Dieses Problem wird unter dem Stichwort „grand strategy“ v. a. von John Hattendorf behandelt, der aber der englischen und alliierten Politik zu viel Kohärenz unterstellt; vgl. Hattendorf, England; ders., Alliance. 83 Godolphin an Harley, 28. März 1703, in: HMC Portland, Bd. 4, 59. 84 Godolphin an Marlborough, 18. August 1705, in: The Duke of Marlborough’s Letters, 119. 85 Vgl. Gregg, Protestant Succession. 86 Vgl. Hopkins, Sham Plots. 87 Bennett, English Jacobitism, 137; siehe zu den Jakobiten auch: Szechi, Jacobite Politics, sowie Monod, Jacobitism. 88 Vgl. Storrs, Union; Robertson, Union, v. a. 109 – 113. 89 Vgl. Jones, Marlborough, 49. 90 Vgl. Szechi, Jacobite Politics; Gregg, France, 60.
54
Voraussetzungen
Wiederholt wurde in Versailles und St. Germain über eine französisch unterstützte jakobitische Invasion in Schottland nachgedacht, der sich die Schotten anschließen sollten und die schließlich zur Restauration führen sollte. Insgesamt scheint es, als hätte der französische Hof daran selbst nie recht geglaubt. Ludwig XIV . ging es eher darum, die englische Krone dazu zu bringen, Truppen aus Flandern abzuziehen.91 Während des Erbfolgekrieges ist als wichtigster Invasionsversuch die Initiative vom Frühjahr 1708 zu nennen, ein rasch scheiternder Plan,92 der aber den Whigs zum englischen Wahlsieg von 1708 verhalf, weil sie glaubhafter als die Tories alle jakobitischen Verbindungen von sich weisen konnten. Das Jakobitenproblem war aber vor allem ein Problem der englischen Innenpolitik – die reale Gefahr war geringer als das Angstpotential, das die jakobitische Gefahr entfalten konnte.93 Nach 1708 wurde während des Krieges noch einmal eine schottische Invasion geplant; diese kurzlebige Idee wurde aber im Januar 1710 aufgegeben.94 Gegen Ende des Krieges musste dem Hof in St. Germain klar werden, dass Ludwig XIV . mittelfristig nicht um eine Anerkennung Königin Annes als rechtmäßige britische Monarchin herumkommen würde. Die Anerkennung der protestantischen Sukzession führte dann 1715 zu einem weiteren, verzweifelten und von vornherein zum Scheitern verurteilten Invasionsversuch.95 Eine weitere Akteursgruppe innerhalb des Krieges waren die Hugenotten: Einerseits stellten sie Offiziere und Soldaten in den verschiedenen antifranzö sischen Armeen – unter Wilhelm III . und Anne dienten 1400 hugenottische Offiziere und vermutlich über 10.000 Soldaten in der englischen Armee.96 Andererseits waren die Refugiés in England und den Niederlanden eine wichtige pressure group, die die Regierungen der Seemächte zu beeinflussen suchte.97 Die international durch Handel und Heiraten vernetzten Hugenotten gehörten zu den wichtigsten Propagandisten einer offensiven Kriegspolitik gegen Ludwig XIV .98 Die Hugenotten gerade in den Niederlanden betätigten sich 91 Vgl. Sinclair-Stevenson, Rebellion, 64; Szechi, Jacobite Politics, 43. 92 Vgl. Szechi, Jacobite Movement, 83; Gibson, Playing the Scottish Card. 93 Vgl. Bennett, English Jacobitism, 138. 94 Vgl. Rule, France, 102; Bennett, English Jacobitism, 140. 95 Vgl. Szechi, 1715. 96 Vgl. Gwynn, Huguenots; Minet, Huguenot Contribution; Glozier/Onnekink (Hrsg.), War. 97 Vgl. zusammenfassend jüngst: Thompson, Huguenots. Siehe auch: Yardeni, Birth. 98 Vgl. Bosher, Huguenot Merchants. Siehe auch: Onnekink, Models. Vgl. zum generellen Problem von Religion und Krieg um 1700 bzw. einer Säkularisierung der Außenbeziehungen: Onnekink (Hrsg.), War and Religion, und Emich, Confessions; siehe aus der älteren Literatur auch: Vogler, La dimension religieuse, 389; Livet, Les relations interna tionales, 102.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
55
auch als Organisatoren privater Geheimdienste und werden als s olche auch eine zentrale Rolle in dieser Studie spielen. Daneben ist hervorzuheben, dass der Spanische Erbfolgekrieg zeitweise mit dem Camisardenaufstand in den Cevennen konvergierte, einer protestantischen Aufstandsbewegung, die von den Exilhugenotten unterstützt wurde und eine Zeit lang eine bedeutende Rolle in den strategischen Erwägungen der Großen Allianz spielte.99 Doch die Zerstrittenheit und der Eigensinn der protestantischen Projektemacher in den europäischen Hauptstädten, die versuchten, die Alliierten für ihre Ziele zu instrumentalisieren, stießen die verantwortlichen Politiker zunehmend ab.100 Im Laufe des Krieges wurde den Hugenotten immer klarer, dass ihre religiö sen Interessen machtpolitischen, dynastischen und strategischen Erwägungen zu weichen hatten.101 Die Idee einer Invasion in (Süd-)Frankreich wurde zwar gerade von Marlborough immer wieder aufgegriffen, aber spätestens nach dem erfolglosen Versuch der Alliierten, im Jahr 1707 Toulon einzunehmen, hatte sich diese strategische Option erledigt – wenn hier auch die französische Flotte fast vollständig zerstört wurde.102 Ein anderer politischer Brandherd war Ungarn: Die Führer der Rákoczi-Revolte, einer 1703 beginnenden Ständerebellion, hofften auf Unterstützung durch die protestantischen Mächte gegen die Habsburger.103 In den Niederlanden und England wurde d ieses Problem durchaus kontrovers diskutiert: Die Frage war dabei immer, ob man aus religiösen Gründen gezwungen sei, die ungarischen Aufständischen zu unterstützen, oder ob dies nicht in erster Linie der Allianz mit dem Kaiser schade.104 Die Habsburger selbst bestritten jegliche Verbindung z wischen ungarischem Aufstand und Erbfolgekrieg, versuchten aber gleichzeitig, die Seemächte als Vermittler einzuschalten – auch weil sie eine Einmischung des Osmanischen Reichs befürchteten: Die Rebellion greife „die innerlichen viscera der Erbländer an, dauere sie lange, würden die Türken Lust bekommen, sich darein zu mischen“105. Dieser Konflikt, der langfristig die Autonomie Ungarns stärken sollte,106 hatte 99 Vgl. Boles, Huguenots. 100 Vgl. Jones, Antoine de Guiscard, 94. Zu anderen wichtigen Akteuren siehe auch: Glozier, Schomberg; Shears, Miremont. 101 Vgl. Boles, Huguenots, 143. 102 Vgl. die provokative Darstellung bei: Paoletti, Prince Eugene. 103 Vgl. Frey/Frey, Insurgency. 104 Vgl. Köpeczi, Hungarian Wars, 39. 105 Wratislaw an Gallas, 27. 12. 1704, in: Die Diplomatische Correspondenz des Grafen Johann Wenzel Gallas, 300. Siehe auch: Höbelt, Impact. 106 Vgl. Frey/Frey, Insurgency, 42 – 45.
56
Voraussetzungen
ittelfristig vor allem den Effekt, bei den Seemächten den Eindruck kaiserlicher m Eigenmächtigkeit zu verstärken. Denn Joseph I. ging nicht auf Vermittlungsvorschläge in der ungarischen Angelegenheit ein, was aus englischer und niederländischer Sicht die Allianz stabilisiert hätte. Daher zog sich England 1708 fast völlig aus dem Ungarnproblem zurück.107 Aufseiten der Seemächte verdichtete sich der Eindruck, dass der K aiser politisch unklug handele; dazu kam der bereits erwähnte Eindruck, dass die kaiserliche Seite nach dem Erreichen einiger Kriegsziele in Italien in ihrem antifranzösischen Engagement nachließ und die Kriegslast den Seemächten überließ.108 Am Ende des Krieges brach sich in England neben der Unzufriedenheit mit der habsburgischen Kriegführung zudem die anti-niederländische Grundstimmung wieder Bahn, die einen Vorlauf im 17. Jahrhundert besaß und im Wesent lichen auf der Handelskonkurrenz der Seemächte beruhte.109 Sie war durch die Thronübernahme Wilhelms III. nur kurzzeitig abgeschwächt, mittelfristig aber wegen dessen Bevorzugung einer niederländischen Entourage sogar noch stärker geworden.110 Auch wirtschaftliche Rivalitäten spielten dabei wieder eine Rolle: Die noch stärker als England auf Export angewiesenen Niederlande hatten das Verbot des Handels mit Spanien und Frankreich nur von 1703 bis 1704 durchhalten können. Dadurch sah England sich im Nachteil.111 Insofern ist die halbwegs reibungslose Zusammenarbeit der Allianz, vor allem Englands und der Niederlande, während des Erbfolgekrieges eher untypisch.112 Vor allem die englische Forschung hat die eher vorsichtige, defensive Grundausrichtung der Niederlande immer wieder kritisiert, obgleich sie ja angesichts der Erfahrungen der vorhergehenden Jahrzehnte durchaus nachvollziehbar ist.113 Die Republik besaß überdies kompliziertere politische Verfahren als England.114 Ein Punkt, der die englische Öffentlichkeit und auch Marlborough besonders ärgerte, war die Regelung, dass dem Haupt der Allianztruppen in Flandern – eben dem 107 Vgl. Hattendorf, Rákóczi Insurrection, 95 – 98. 108 Vgl. Symcox, Britain, 166 f. 1 09 Zu England und den Niederlanden im 17. Jahrhundert siehe: Jardine, Going Dutch; Speck, Britain and the Dutch Republic. 110 Vgl. Israel, General Introduction, 42 f.; vgl. zum ideengeschichtlichen Kontext auch: Ihalainen, Protestant Nations, 20 f. 111 Vgl. Auer, Wirtschaftliche Aspekte, 150 f.; Schnakenbourg, L’indispensable ennemi. Siehe dazu auch Kapitel 3.2.3. 112 Vgl. Coombs, Conduct, u. a. 2; Onnekink, Anglo-D utch Diplomatic Cooperation; Hattendorf, To Aid and Assist. 113 Vgl. Jones, Marlborough, 59 u. 63. 114 Vgl. Stork-Penning, Ordeal, 109.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
57
Herzog von Marlborough – von niederländischer Seite drei bis fünf Felddeputierte (theoretisch: bis zu acht) an die Seite gestellt wurden, die bei allen entscheidenden Fragen Rücksprache mit der Regierung im Haag halten sollten. Diese Regelung verkomplizierte militärische Entscheidungsprozesse in hohem Maße und wurde von Marlborough charakteristischerweise im Frühjahr 1704 – beim Plan, nach Bayern zu marschieren – einfach ignoriert.115 Allerdings changierte Marlboroughs Einschätzung der niederländischen Verbündeten stark: Neben der Kritik am unflexiblen System der Felddeputierten 116 und der bis zur Unbeweg lichkeit komplizierten politischen Entscheidungsfindung der Generalstaaten 117 stand die Hochschätzung der alliierten Zusammenarbeit: „thay lett mee command and doe more then if I were there own generall“.118 Zudem war Marlborough die prekäre und doch zentrale Rolle der Niederlande innerhalb der Allianz bewusst: „when thay are ruined wee are undone“.119 Die antiniederländische Stimmung kulminierte gegen Ende des Krieges in Jonathan Swifts Pamphlet „The Conduct of the Allies“. Sie war einer der Faktoren, die schließlich zu separaten Friedensverhandlungen z wischen Frankreich und England führten, die den Krieg beenden sollten.120 Während des Krieges war immer wieder, auf verschiedensten geheimen und öffentlichen Wegen, über Frieden verhandelt worden – mindestens zwischen Frankreich und den Seemächten.121 Die geheimen Friedensverhandlungen führten zeitweise zu hektischen, den beteiligten Öffentlichkeiten gerüchtehalber bekannten Initiativen und Präliminarverhandlungen.122 Wichtig an diesen Verhandlungen ist, dass sie selten die Kanäle der offiziellen Diplomatie nahmen, sondern dass eher informelle Vermittler genutzt wurden, wie etwa der kriegsgefangene französische Marquis d’Alègre oder der holstein-gottorpsche Gesandte im Haag Hermann 115 Vgl. Wijn, Le duc de Marlborough; Coombs, Augmentation. Als neueren Überblick siehe: Stapleton, ‚By thes difficultys‘. 116 Vgl. Marlborough an Godolphin, 16./27. Juli 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 462. 117 „[T]he truth is that everything here is in that distraction, that there is no government“: Marlborough an Godolphin, 14./25. Dezember 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 514. 118 Marlborough an Sarah, 9./20. April 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 166. 119 Marlborough an Godolphin, 30. September/11. Oktober 1703, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 1, 250. 120 Vgl. Swift, Conduct of the Allies; siehe auch: Hattendorf, England, 227. 121 Vgl. allgemein: Stork-Penning, Het Grote Werk. 122 Vgl. den Überblick von: Schmidt-Rösler, Prälimarfriedensverträge.
58
Voraussetzungen
Petkum, der sich von allen Seiten bezahlen ließ.123 Bereits ab 1705 wurden von französischer Seite immer wieder Friedensinitiativen unternommen, die aber daran scheiterten, dass Frankreich je nach militärischer Tageslage und je nach Befehlshaber einen Schlingerkurs fuhr.124 Wohl nicht ganz zu Unrecht wurden die französischen Initiativen gegenüber den Niederlanden und auch gegenüber England immer wieder der Unaufrichtigkeit verdächtigt. Im alliierten Lager kursierte die Auffassung, dass die französischen Friedensinitiativen primär dazu dienen sollten, die Alliierten auseinanderzudividieren.125 Immer wieder, vor allem im Jahr 1708, wurde auch versucht, den Herzog von Marlborough (vor allem durch die Kontaktherstellung seines Neffen, des französischen Generals Berwick) durch Bestechungsangebote friedenswillig zu stimmen. Doch auch aus diesen Initiativen wurde letztlich nichts.126 Warum diese Vorstöße nicht erfolgreich waren, ist in der Forschung umstritten: Zum Teil glaubte man wohl nicht an die Friedensabsichten Ludwigs XIV . Ein separater Friedensschluss der Niederlande oder Englands mit Frankreich, der immer wieder als Bedrohungsszenario beschworen wurde, wurde mindestens von Marlborough und seinem engsten niederländischen Verbündeten H einsius lange Zeit kategorisch ausgeschlossen. Ludwig XIV . weigerte sich lange, die eng lische Königin Anne offiziell anzuerkennen. Die Alliierten glaubten, Frankreich noch entscheidender schwächen zu können und verpassten damit den Zeitpunkt eines für sie noch vorteilhafteren Friedensschlusses. Zweimal, im Haag 1709 und in Gertruydenberg 1710, kam es zu Friedenskonferenzen, die aber ebenfalls scheiterten.127 Mit dem Sieg der kriegsmüden Tories bei der Unterhauswahl 1710 und dem Tod von K aiser Joseph 1711 verschob sich aber die gesamte europäische Situa tion: Während vorher die Niederlande der wahrscheinlichere Kandidat für einen Bruch der Allianz gewesen waren, strebte jetzt England einen Separatfrieden mit Frankreich an.128 Der habsburgische Anwärter auf den spanischen Thron, Karl III ., wurde als Karl VI . Kaiser. Zu Beginn des Krieges hatte das Schreckensbild einer französisch-spanischen Universalmonarchie die Haltung der Großen 123 Vgl. Petkums Korrespondenz in: HMC Buckinghamshire, 317 – 366. 24 Vgl. zur komplizierten, nicht eindimensionalen Strategieplanung der französischen 1 Regierung und Armee: Dhondt, Op Zoek naar Glorie, 423. 125 Vgl. v. a. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance. 126 Vgl. Legrelle, Une négociation inconnue; Compton, Marlborough’s Secret Negotiations. 127 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance; Rule, France; Reese, Ringen um Frieden; Stork-Penning, Ordeal; Bély, Les larmes. 128 Vgl. MacLachlan, Road to Peace, 200.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
59
Allianz befeuert – nun tat sich ein aus dem 16. Jahrhundert bekanntes Szenario einer habsburgischen Umklammerung Frankreichs auf.129 Swift kommentierte: „To have a Prince of the Austrian Family on the Throne of Spain, is undoubtedly more desirable than one of the House of Bourbon; but to have the Empire and Spanish Monarchy united in the same Person, is a dreadful Consideration.“130
England, so Swift, habe einen zu langen, zu teuren und insgesamt falschen Krieg gekämpft. Es hätte sich auf den See- statt auf den Landkrieg konzentrieren sollen (ein typisches Argument der Tories), und es habe sich vor allem von den niederländischen Verbündeten zu viel bieten lassen.131 Diese Einschätzung der neuen Regierung, als deren Sprachrohr Swift agierte, sollte die Öffentlichkeit auf einen Separatfrieden vorbereiten. Denn hinter dem Rücken der Alliierten führten England und Frankreich geheime Verhandlungen, die am 8. Oktober 1711 zur Unterzeichnung von Friedenspräliminarien führten.132 Nur wenig s päter veröffentlichte die whignahe Zeitung Daily Courant die geheime Absprache. Dieser Geheimnisverrat deckte für die englische und internationale Öffent lichkeit einen viel größeren politischen Verrat auf: den Verrat Englands an der Allianz. Dieser war angesichts der verfahrenen Situation möglicherweise unvermeidlich.133 Angesichts der innenpolitischen Umschwünge und auch der zunehmenden Abwendung der österreichischen Habsburger von einem Krieg, der doch eigentlich „ihr“ Krieg war, wird dieser separate Friedensschluss verständ licher.134 Und doch rief er vor allem bei der niederländischen Regierung Fassungslosigkeit hervor.135 Beendet wurde der Krieg schließlich mit den Friedensschlüssen von Utrecht, Rastatt und Baden.136 Dem großen Kongress, der 1712 und 1713 in Utrecht stattfand, kam angesichts der vorhergegangenen bilateralen Verhandlungen zwischen Frankreich und England keine echte Verhandlungsfunktion mehr zu; seine Funktion lag darin, „gewissermaßen die direkten Verhandlungen zu 129 Vgl. Schilling, Höfe und Allianzen, 264; Vierhaus, Deutschland, 167; konzise zum Zusammenhang: Aretin, Reichssystem. 130 Swift, Conduct of the Allies, 75. 131 Vgl. Swift, Conduct of the Allies, 20 f. 132 Vgl. Jarnut-Derbolav, Österreichische Gesandtschaft, 458 – 518. 133 Vgl. Black, Natural and Necessary Enemies, 3. 134 Vgl. Hattendorf, Rákóczi Insurrection, 100. 135 Vgl. Veenendaal, Who is in Charge, 15. Vgl. auch: Stork-Penning, J. G., Het gedrag. 136 Vgl. Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, 41 – 89.
60
Voraussetzungen
maskieren“137. Die Utrechter Ergebnisse liefen auf einen Kompromiss hinaus: Das spanische Weltreich wurde geteilt. Philipp V. erhielt Spanien und die überseeischen Besitzungen, den Habsburgern wurden die spanischen Nebenländer in den Niederlanden und Italien zugesprochen. Die Niederlande sicherten sich eine Barriere, Großbritannien erhielt die ökonomisch wichtigen Stützpunkte Gibraltar und Menorca, wichtige ökonomische Rechte in Nordamerika sowie das Asiento-Monopol und war damit – gemessen an der Ausgangssituation – der eigentliche große Gewinner des Konflikts. Trotz dieser eindeutigen Posi tionsgewinne Englands genoss der Friede, der mit einem Verrat an den Alliierten erkauft schien, letztlich zu spät kam und als Tory-Friede galt, nach der Übernahme des Throns durch die Hannoveraner keine gute Presse.138 Über die konkreten Vereinbarungen hinaus gilt Utrecht als ein Wendepunkt in der zwischenstaatlichen Geschichte der Frühen Neuzeit: Der Utrechter Frieden postulierte deutlicher noch als der Westfälische Frieden ein gleichberechtigtes System von Staaten.139 Er steht genauso für den Aufstieg Englands wie für den Verlust der niederländischen Großmachtstellung, die sich während des Krieges schon sehr deutlich angekündigt hatte.140 Darüber hinaus ist er bedeutsam für ein programmatisches Denken in der Kategorie des Mächtegleichgewichts oder der Balance of Power, aber auch für europäische Friedenspläne, die vom Utrechter Kongress aus ihren Ausgang in die Ideengeschichte des 18. Jahrhunderts nahmen.141 Der Rastatter Friedenskongress war kein Friedenskongress, sondern eine bilaterale Verhandlung zwischen dem Reich und Frankreich, die im Wesentlichen zwischen Prinz Eugen und Marschall Villars geführt wurde.142 Diese Verhandlung wurde nötig, weil Kaiser und Reich in den Utrechter Friedensvereinbarungen eine Bevorteilung Frankreichs sahen. In Rastatt wurde zwischen Frankreich und Österreich festgelegt, dass die Spanischen Niederlande, Neapel, Mailand
137 Braubach, Friedensverhandlungen, 295. Duchhardt, Staatenkonkurrenz, 8, spricht von einer „Farce“. Vgl. zum Utrechter Kongress auch Bély, Espions; ders., Méthodes; den besten jüngeren Überblick von: Onnekink, Treaty; aus der älteren Literatur siehe: Weber, Friede von Utrecht. 138 Vgl. MacLachlan, Road to Peace, 198; Bély, Les trois paradoxes, 138. 139 Vgl. zum großen Zusammenhang: Duchhardt, Friedenskongresse; Mancke, Utrecht; Roelofsen, Nimwegen; Scheuner, Friedensschlüsse. 140 Vgl. Onnekink, Een generale, goede en duyrsame vreede. 141 Vgl. Sheehan, Balance of Power, 106 f.; Dickmann, Krieg und Frieden, 132; Janssen, Friede, v. a. 566 – 570. 142 Vgl. Braubach, Friedensverhandlungen, 295.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
61
und Sardinien an die Habsburger fallen sowie die Kurfürsten von Bayern und Köln in ihre alten Rechte wieder eingesetzt werden sollten.143 Im schweizerischen Baden schließlich trat das Reich dem Friedensschluss bei – ohne dass der Badener Frieden wesentlich mehr gewesen wäre als eine Übersetzung des Rastatter Friedens ins Lateinische.144 Die Assoziationen der Reichskreise, die zu Beginn des Krieges kurzzeitig eine für die Reichsgeschichte außergewöhnlich eigenständige Rolle gespielt hatten, waren auf den Kongressen als eigene Parteien nicht mehr vertreten.145 Das Reich als eigenständiger Faktor der europäischen Politik begann langsam hinter die Großmachtinteressen Österreichs zurückzutreten. Der Spanische Erbfolgekrieg, so Heinz Duchhardt, habe sich in einer „staatengeschichtlichen Umbruchsphase“ abgespielt.146 Dies ist sicher richtig – wenn auch Duchhardts Argument, dass diese Phase vor allem dadurch gekennzeichnet sei, dass der kaiserliche Führungsanspruch innerhalb der europäischen Fürstengesellschaft nicht mehr anerkannt wurde, nur auf ein einziges Problem abhebt: Genereller ist (so auch Duchhardt in anderem Kontext) festzustellen, dass machtpolitische Aspekte um 1700 zunehmend an Bedeutung gewannen und die alteuropäische, an Rechts- und Zeremoniellnormen gebundene Fürstengesellschaft überformten.147 In der zeitgenössischen Perspektive etwa des Zedler waren es aber tatsächlich die beiden ‚größten‘ Mächte Europas, die hier Krieg führten – eben der Kaiser und Frankreich und nicht England und die Niederlande!148 Der militärhistorischen, mächte- und systemgeschichtlichen Perspektive werden in jüngster Zeit komplementäre Interpretationen an die Seite gestellt, und zwar ökonomie- wie religionshistorische. So betonen jüngere Beiträge, wie partiell schon die ältere Forschung, die ökonomische Bedeutung des Krieges wieder stärker und rücken ihn in eine auch kolonial-, wenn nicht globalgeschichtliche Perspektive.149 Sicher war der Zugang zum Asiento und zu den Ressourcen des spanischen Weltreichs ein zentrales Motiv für die europäischen Mächte, für die Seemächte und Frankreich allerdings mehr als für die Habsburger, und damit 143 Vgl. zum Kontext: Klueting, Friedensschlüsse. 144 Vgl. Burkhardt, Sprachen des Friedens; ders., Vollendung, 310. 145 Vgl. Aretin, Kreisassoziationen; siehe auch: Wunder, Diversion. 146 Vgl. Duchhardt, Staatenkonkurrenz, 3. Siehe zum Kontext auch: Duchhardt, Imperium und Regna. 147 Vgl. Duchhardt, Westfälischer Friede, 540. 148 Siehe Art. „Spanischer Succeßions-Krieg“, 1175 f. 149 Vgl. den Tagungsbericht: Pohlig/Schaich, War of the Spanish Succession; siehe auch: Auer, Wirtschaftliche Aspekte; Black, Natural and Necessary Enemies, 2; aus der älteren Literatur siehe instruktiv: Clark, War Trade.
62
Voraussetzungen
ein wichtiger Kriegsgrund.150 Auch ist der Erbfolgekrieg mindestens hinsicht lich einiger seiner Konfliktkonstellationen als Religionskrieg gedeutet worden.151 Wenn auch ein zeitgenössischer, und natürlich parteilicher, Beobachter wie Defoe resolut statuierte: „This is not a war of religion“152, zeigt dies doch, wie naheliegend ein solches Deutungsmuster gewesen sein muss. Auch der Staatssekretär Harley wehrte sich gegen Versuche, den Krieg primär entlang der Konfessionsdifferenz zu deuten: „the Court of Rome & France labor all they can to propagate the notion of a Religious Warr, & I am sorry they have had so many pretences to Colour the Storys they give out for promoting that designe.“153 Wenn also der Religionskrieg ein propagandistisch nützliches Deutungsmuster war, das einige der Kriegsparteien nutzten, während andere es ablehnten, so stellte doch gleichzeitig für mindestens einige der Kriegsparteien die Religionsfrage tatsächlich eine der vitalen Konfliktlagen dar, die aber mit anderen, eher machtpolitischen Fragen untrennbar verbunden war.154 So waren ja zum Beispiel die nichtregulären Krieg führenden Parteien der Hugenotten wie Jakobiten (auch) religiös motivierte Akteure. Auch Englands Interesse an einer protestantischen Sukzession zielt in diese Richtung. Für Marlborough jedenfalls war die protestantische Sukzession zentral; er bezeichnete sie als „the true intirest of England“155. Zwar führt es nicht weiter, ein Primat des Politischen gegen ein Primat des Ökonomischen oder des Religiösen auszutauschen und die politische gegen eine eher ökonomische oder religiöse Interpretation auszuspielen. Aber der Verweis auf die ökonomische wie die religiöse Dimension vermag doch deutlich zu machen, dass eine rein machtstaatsorientierte Deutung für die Zeit um 1700 eine begrenzte Reichweite besitzt. Für die Frage nach der Informationsgewinnung Marlboroughs und der eng lischen Regierung ist vor allem die Vielzahl von Motiven und offiziellen wie 150 Das berühmteste Quellenzitat in diesem Kontext stammt von Ludwig XIV., der – natürlich situativ – die Aussage traf: „le principal objet de la guerre présente est celui du commerce des Indes et des richesses qu’elles produisent […]“: Ludwig XIV. an seinen Botschafter Amelot in Madrid, 18. Februar 1709, in: Correspondance de Louis XIV, 121. 151 Vgl. González Cruz, Une guerre de religion; Riess, Kreuzzugsideologie; vgl. generell auch: Thompson, After Westphalia; Burkhardt, Konfession. 152 Warner, Unpublished Political Paper, 141. Diesem Text von 1704 steht ein früherer entgegen, in dem Defoe den Krieg dezidiert als Religionskrieg konzipiert: Defoe, The Danger of the Protestant Religion. 153 Harley an Marlborough, 19./30. August 1707, in: BL Add. 61125, 33r. 154 Vgl. zu dieser Konstellation im Überblick: Thompson, Britain; Gregg, Protestant Succession. 155 Marlborough an Sarah, 10. Dezember 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 259.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
63
inoffiziellen Kriegsparteien bedeutsam, weil sie das Spektrum dessen enorm ausweiteten, worauf der Herzog seine Aufmerksamkeit zu richten hatte und mit wem er für seine Informationsgewinnung kooperieren konnte. Zudem sind die fließenden Übergänge zwischen Friedens- und Kriegszustand bemerkenswert; für die Informationsgewinnung bedeutet dies, dass sie im Krieg zwar unter erschwerten Bedingungen stattfinden musste, sich in d iesem Bereich der Krieg aber nur graduell vom Frieden unterschieden haben dürfte. 2.1.3 John Churchill, Duke of Marlborough: Eine biographische Skizze
John Churchill wurde 1650 geboren.156 Er entstammte einer Gentry-Familie, die im Bürgerkrieg auf der royalistischen Seite gestanden hatte. Sein Vater brachte ihn als Pagen am Hof Karls II. unter. Seine primäre Rolle war also die eines Höflings.157 Aus dieser Sozialisation erklärt sich manches an Churchills Charakter – etwa seine immer wieder gerühmte ‚Höflichkeit‘158, aber auch die Fähigkeit zu diplomatischem Doppelspiel und Dissimulation. Der niederländische Felddeputierte Sicco van Goslinga, der während des Erbfolgekrieges mehrere Kampagnen mit Marlborough zusammen verbrachte, charakterisierte ihn so: „Le Duc est d’une dissimulation profonde, d’autant plus dangereuse, qu’il la couvre par des manieres et des expressions, qui paroissent exprimer la franchise meme.“159 Ab den 1670er Jahren wurde Churchill zum engen Vertrauten des Herzogs von York, des späteren englischen Königs Jakob II . Er forcierte nicht nur seinen höfischen Aufstieg, sondern auch – unter anderem unter Turenne – seine militärische Karriere. 1688 war er der wichtigste der Offiziere, die sich gegen Jakob II. wandten;160 deshalb wurde er von Wilhelm III. mit der Reorganisation der englischen Armee betraut und 1689 zum Earl of Marlborough erhoben. Aus
156 Die folgende Skizze orientiert sich an: Jones, Marlborough; Hattendorf, Churchill; H olmes, Marlborough; Showalter, Churchill; Schweizer, Churchill, John. 157 Vgl. Jones, Marlborough, 7 – 11. 158 Vgl. z. B. Evelyn, Diary, Bd. 5, 584. 159 Goslinga, Mémoires, 43. Zum Problemumkreis siehe auch: Asch, Höfling. 1 60 Vgl. Jones, Marlborough, 30. Die umstrittene These, dass Churchill als Anführer der desertierenden Offiziere im Zentrum der Glorious Revolution stand, die aber eigentlich ein „protestant putsch“ sei, wird vertreten von: Saunders Webb, Lord Churchill’s Coup; sehr kritisch dazu: Sommerville, Lord Churchill, v. a. 392: „Churchill’s desertion of James II helped to ensure the success of the Revolution; but there is little reason to suppose that the Revolution was Lord Churchill’s coup.“
64
Voraussetzungen
dieser Zeit stammen auch Teile seines militärischen Patronagenetzes.161 Doch wohl als „insurance policy“ im Falle einer jakobitischen Restauration blieb er vor allem in den 1690er Jahren, seltener auch während des Spanischen Erbfolgekrieges, mit dem Hof in St. Germain in einem zweideutigen Kontakt – auch dies ein Beispiel für Dissimulation.162 Der höfische Karrierist und Verräter des Königs erscheint manchen Beurteilern als „deeply unattractive character“163, andere Autoren beurteilen ihn günstiger, räumen aber ein, dass er – trotz einer unüberschaubaren Menge an Dokumenten – ein „enigma“ bleibe.164 Marlboroughs Verhältnis zu Wilhelm III. war gespannt, gestaltete sich aber zunehmend respektvoll. Näher stand er der potentiellen Thronfolgerin Anne, die dem König ebenfalls kritisch gegenüberstand. Marlborough bildete zusammen mit seiner Frau Sarah, dem gemeinsamen Freund Sidney Godolphin und Anne einen sich bewusst als unpolitisch und ‚privat‘ verstehenden Freundeskreis, der sich ab spätestens 1691 ‚bürgerliche‘ Tarnnamen gab und so auf der Ebene der privaten Korrespondenz eine Ranggleichheit herstellte, die im höfischen Verkehr nicht möglich war.165 Nach einigen Querelen kam es ab 1695 zu einer konstanten Wiederannäherung auch an Wilhelm III., weil dieser in Churchill zunehmend seinen militärischen Nachfolger sah, der seine europäische Politik fortführen würde, statt England in den Isolationismus zu führen.166 Marlborough wurde 1701, noch zu Lebzeiten Wilhelms III., englischer Unterhändler beim Abschluss der Großen Allianz.167 Ab 1702, bereits unter Anne, wurde er zum Captain-General, also zum militärischen Oberbefehlshaber nicht nur der englischen, sondern aller Allianztruppen erklärt. Als Oberbefehlshaber war er zu dieser Zeit noch relativ unerfahren (seine Ernennung beruhte eher auf seiner Nähe zur Königin), konnte sich aber innerhalb weniger Jahre großen Respekt erwerben.168 Dennoch: Der Posten des Oberbefehlshabers, die Verleihung des Hosenbandordens, einige finanzielle Vergünstigungen sowie schließlich, ebenfalls 1702, 161 Vgl. Jones, Marlborough, 40 f. 162 Vgl. ebd., 47 – 50; siehe auch Ashley, Marlborough, 101 – 107, sowie Holmes, Marlborough, 185. 163 Hoppit, Land of Liberty, 114. 164 Snyder, Introduction, XXIII. 165 Vgl. Gregg, Queen Anne, 81. 166 Vgl. Jones, Marlborough, 53. 167 Siehe die diplomatischen Instruktionen Wilhelms III. an Marlborough für die Verhandlungen 1701 vom 26. Juni 1701, ediert in: Churchill, Marlborough, Bd. 1, 1000 – 1003. 168 Vgl. Jones, Marlborough, 55 – 62. Zu Marlboroughs Unerfahrenheit siehe auch: Stapleton, ‚By thes difficultys‘, 148 – 152.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
65
die Erhebung zur Herzogswürde 169 lösten am Hof und anderenorts durchaus Neid und Erstaunen aus. John Evelyn notierte in sein Tagebuch, dies sei eine fast zu außerordentliche Karriere eines Mannes, dessen Vater „but a cleark of the Green-Cloth“ war und der durch die Patronage Jakobs II. aufgestiegen war: „Thus suddainly rising was taken notice of & displeased those who had him till now in greate esteeme.“170 Seine nach dem Marsch an die Donau erfolgte Belehnung mit dem kleinen Fürstentum Mindelheim durch den K aiser, die Marlborough aktiv betrieben hatte, trug nicht dazu bei, die Antipathien gegen ihn zu zerstreuen, war doch die Konsequenz dieser Belehnung ein Rang „closest to royal status that a person of non-royal birth could normally get in the stable, hierarchic society of seventeenth- and early eighteenth century western Europe.“171 Während die späteren englischen Historiker über Mindelheim und das Reich eher spöttelten, sahen die Zeitgenossen in der Belehnung eine große Ehre und auch einen politischen Gewinn. Der englische Gesandte am Reichstag schrieb dem Herzog: „It will be no small advantage to the whole Nation, to have the right of appearing by your Highness in the Diette of Ratisbonne, and having a share in the delibera tions and affairs of the Empire.“172 Marlborough war als Feldherr an den meisten wichtigen Schlachten des Krieges beteiligt: Dies waren Höchstädt 1704, Ramillies 1706, Oudenaarde 1708 und Malplaquet 1709; daneben steht als militärische Großtat die Belagerung von Lille 1709.173 Mindestens genauso wichtig für die Planungen Marlboroughs waren die logistischen Bemühungen, das Heer zu unterhalten, zu organisieren und zu ernähren.174 Dies galt vor allem während des halben Jahres von Frühling bis Herbst, in dem überhaupt Krieg geführt wurde. Marlborough scheint in dieser Hinsicht für seine Zeit relativ außergewöhnlich agiert zu haben und sich in besonderer Weise für logistische Probleme interessiert zu haben.175 169 Vgl. Hattendorf, Churchill, 618 f. 170 Evelyn, Diary, Bd. 5, 525. 171 Barber, Marlborough as Imperial Prince, 46 f.; vgl. auch: Cox, Property Law, sowie als Überblick über die frühneuzeitlichen Fürstungen, die auch eine Reihe nichtdeutscher Adliger umfassen: Klein, Erhebungen; Schlip, Die Neuen Fürsten. 172 Whitworth an Marlborough 15./26. Dezember 1705, in: BL Add. 61149, 46r. 173 Siehe anregend zu Lille: Aretin, Feldherrnruhm. 174 Vgl. Perjés, Army Provisioning; van Nimwegen, Subsistentie. 175 Vgl. Phelan, Marlborough; siehe auch: Scouller, Marlborough’s Administration; ders., Armies of Queen Anne, Oxford 1966; Chandler, Marlborough. – Auffällig ist in jedem Fall die hohe Meinung, die seine Soldaten von ihm hatten. Marlborough wurde als „Old Corporal“ oder auch „Corporal John“ bezeichnet. Vgl. Pearse, Marlborough’s Men, 72; Fortescue, A Junior Officer, 93.
66
Voraussetzungen
Neben seiner militärischen Tätigkeit, die ihn in den Jahren 1702 bis 1711 von Frühling bis Herbst meist in den südlichen Niederlanden festhielt, war Marlborough als Diplomat tätig. Er war ab 1702 als Ambassadeur im Haag akkreditiert und als Ambassador General der ranghöchste Diplomat. Zusätzlich zu diesen militärischen und diplomatischen Aufgaben war Marlborough bis zu seiner Entlassung im Dezember 1711 Minister und bis gegen Ende der 1710er Jahre auch Vertrauter der englischen Königin.176 Marlborough war, wenn er sich auch aus innenpolitischen Streitigkeiten herauszuhalten suchte, im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts neben dem Schatzkanzler Sidney Godolphin und Robert Harley (der erst als Speaker des Unterhauses, dann als Staatssekretär tätig war) der entscheidende Akteur der englischen Politik. Seine Frau Sarah war lange Zeit die engste Freundin der Königin.177 Sarah hat zwar im Nachhinein ihren Einfluss auf Anne wohl übertrieben, genoss aber dennoch mindestens in den ersten Jahren des Krieges noch den „status of absolute court favorite“178. Anne galt zeitgenössisch zeitweise geradezu als „puppet of the Marlboroughs“179. Als General wie auch als diplomatischer Akteur war Marlborough erfolgreich und hoch angesehen, wenn er auch die Möglichkeiten, Frankreich vernichtend zu schlagen, offenbar überschätzte und daher auch – und das wurde zu einem Problem – die richtige Gelegenheit versäumte, sich für den Frieden zu engagieren,180 auch weil er die Schwierigkeiten der Allianz in Spanien notorisch unterschätzte.181 Am Ende des Krieges, als Marlboroughs Stern zu sinken begann und ihm (im Jahr 1711) von der neuen Tory-Regierung zwar noch der Oberbefehl, nicht mehr aber die diplomatischen Ämter belassen wurden, kamen auch Vorwürfe auf, er würde den Krieg aus finanziellem Eigennutz geradezu verlängern wollen.182 Die Tory-Publizistik insinuierte zwar zu Recht, es sei viel Geld in Marlboroughs eigene Taschen geflossen: In der Tat ist es offenkundig, dass Marlborough nicht nur durch seine Stellung als Favorit erst Jakobs, s päter Annes reich geworden war. Auch vom Krieg hatte er in hohem Maße profitiert: etwa durch den Verkauf von Offiziersstellen, durch Ämterpatronage und 176 Vgl. zum Kontext: Metzdorf, Protestantische Thronfolge. 177 Vgl. Harris, Passion for Government; Schweizer, Churchill, Sarah. In gewissem Sinne erscheinen Marlborough und seine Frau also als höfische Variante des frühneuzeitlichen Arbeitspaares. Siehe dazu: Wunder, Überlegungen, 22. 178 Vgl. Bucholz, Augustan Court, 159. 179 Gregg, Queen Anne, 154. 180 Vgl. Snyder, Marlborough, 7. 181 Vgl. Hattendorf, England, 150; Ashley, Marlborough, 65 f. 182 Vgl. Bennett, Rezension, 155.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
67
anderes.183 Klar ist auch, dass Marlboroughs Quartermaster-General William Cadogan und auch der Paymaster of the Forces Abroad, James Brydges, sich in großem Stil bereicherten – etwa durch Insidergeschäfte auf der Grundlage von frühem Wissen über Truppenbewegungen.184 Marlborough wusste vermutlich davon, sah aber davon ab, den Verdächtigungen nachzugehen – einfach, weil er auf seine engsten Mitarbeiter angewiesen war.185 Doch die Idee, Marlborough habe aus Eigennutz gegen den Frieden gearbeitet, verkennt aus propagandistischer Perspektive die Komplexität auch seiner Motivlagen. Es ist wohl nicht falsch, Marlboroughs Sturz als Favoritensturz zu deuten.186 Die politische Entfremdung von der tory-nahen Königin Anne war, zusätzlich zur Abkühlung ihres Verhältnisses zu Marlboroughs Frau,187 einer der Gründe, warum Marlborough schließlich entlassen wurde. Er ging ins Exil und kehrte erst wieder, als sich die hannoversche Thronfolge abzeichnete. 1714 wurde er wieder in das Amt des Oberkommandierenden eingesetzt, aber seine sich verschlechternde Gesundheit machte eine ausgedehntere politisch-militärische Aktivität unmög lich. Marlborough starb 1722. In der offiziellen Propaganda erschien Marlborough als militärischer Heros in der Nachfolge Wilhelms III. Diese Stilisierung blieb der Königin versperrt.188 Doch sie konnte beiden, Marlborough wie Anne, nützlich sein; sie konnte unter bestimmten Bedingungen aber auch dysfunktional werden.189 In Tory-Kreisen galt Marlborough nach der erfolgreichen Belagerung von Lille 1709 endgültig als neuer Cromwell, der nach eigener Herrschaft strebte 190 und zuweilen als König John II . verspottet wurde.191 Selbst innerhalb der ihm wohlgesonnenen Regierung nannte man ihn manchmal „grand vizier“192. Sogar sein Freund Godolphin 183 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 41. 184 Vgl. Graham, Auditing Leviathan; Davies, Seamy Side; The Letters and Accounts of James Brydges. 185 Vgl. Sundstrom, Sidney Godolphin, 121 f. 186 Vgl. Jones, Marlborough, 224. 187 Vgl. Gregg, Queen Anne. 188 Vgl. Smith, ‚Last of all the Heavenly Birth‘, 146 f. Zu den Versuchen, Anne dennoch als militärische Heldin (im Einklang mit Marlborough zu deuten), siehe: Williams, Poetry, 136 f. 189 Vgl. zu dieser Ambivalenz: Claydon, A European General. 190 Vgl. Trevelyan, England, Bd. 2, 410. 191 Vgl. Snyder, The Duke of Marlborough’s Request, 83. Dass der Cromwell-Vergleich und die Angst vor Tyrannis auch in der Deutung Wilhelms III. eine Rolle spielten, zeigt Levillain, Cromwell Redivivus; siehe zur Deutung Wilhelms III. auch: Niggemann, Der mediale Umgang; ders., Herrschermemoria. 192 Vgl. Dickinson, Sidney Godolphin, 32.
68
Voraussetzungen
äußerte im Kontext der umfänglichen Ehrungen nach der Schlacht von Höchstädt Skepsis gegenüber Marlboroughs Überhöhung: „What merit soever a subject may have, I am doubtful that may set him upon too near an equality with one upon the t hrone.“193 Marlborough strebte zwar wohl nie danach, sich an die Stelle der Königin zu setzen 194 – das wäre auch absurd gewesen und entspricht eher den Fantasien des 19. Jahrhunderts. Doch in der Tat versuchte er zweimal, für sich und seine Familie eine Stellung zu sichern, die ihn von der Gunst der Krone unabhängiger gemacht hätte: einerseits im Hinblick auf die südniederländische Statthalterschaft, andererseits im Hinblick auf die Captain-Generalcy, die er sich für seine gesamte Lebenszeit zusprechen lassen wollte. Nach dem Sieg von Ramillies und der Gewinnung des größten Teils der süd lichen Niederlande für die Habsburger ernannte Joseph I. (für seinen Bruder) Marlborough im Juni 1706 zum Generalgouverneur. Finanziell wie machtpolitisch wäre das ein äußerst attraktiver Posten gewesen, den Marlborough gerne angenommen hätte – und Königin Anne hätte sogar zugestimmt. Hinter dieser Ernennung steckte aber unter anderem die Strategie der Habsburger, die Niederländer aus den südlichen Niederlanden hinauszudrängen; schon deshalb mussten diese die Ernennung Marlboroughs ablehnen, die sich folgerichtig auch in den nächsten Jahren nicht durchsetzen ließ.195 Gegen Ende des Krieges und in einer Phase abnehmender Nähe zur Königin, also in den Jahren 1709/10, bat M arlborough diese mehrfach darum, den Rang eines Captain-General auf Lebenszeit verliehen zu bekommen.196 Doch hierfür gab es keinen Präzedenzfall, es wäre politisch für Anne nur schwer durchsetzbar gewesen (1704 wäre das vielleicht möglich gewesen), und: Anne wollte auch nicht mehr.197 Diesem Bild des abnehmenden Einflusses Marlboroughs, das aufs Ganze gesehen zutrifft, muss aber eine andere Tatsache gegenübergestellt werden: Immer dann, wenn Marlborough in der zweiten Kriegshälfte äußerte, er wolle sich aus der englischen Politik zurückziehen und Anne nur noch als General, aber nicht mehr als Politiker und Diplomat dienen, wurde dies brüsk zurückgewiesen – von Anne selbst oder von seinem Mitstreiter Godolphin.198 193 Zitiert nach: Hattendorf, England, 358, Anm. 4: Godolphin an Harley, September 1704. 194 Siehe aber die böse Insinuation bei Swift, Conduct of the Allies, 66. 195 Vgl. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 36; Jones, Marlborough, 133 – 136; Hattendorf, Churchill, 624. 196 Vgl. Snyder, The Duke of Marlborough’s Request. 197 Vgl. Hattendorf, Churchill, 626 – 628; Foot, The Pen and the Sword, 42. 198 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1065 f. u. Bd. 3, 1506 – 1509; HMC Marlborough, 42.
Hintergründe: Der Spanische Erbfolgekrieg und der Herzog von Marlborough
69
Es ist schon angeklungen, dass selbst für die Phase größten Einflusses die Bedeutung Marlboroughs innerhalb der englischen Regierung unterschiedlich beurteilt worden ist: Ältere, aber auch jüngere Veröffentlichungen sprechen ihm zuweilen eine quasi-diktatorische Position zu – und reproduzieren so Lob des Helden und Kritik des Favoriten aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Ranke bringt diese ältere Sichtweise auf den Punkt: „Marlborough war Meister am Hof, im Staat, im Parlament, sowie in der Armee und in den auswärtigen Geschäften […] Ohne mit der Königin zu brechen, wollte er factisch von ihr unabhängig werden.“199 In einer anderen älteren Studie wird das Verhältnis der Königin, ihrer Minister und Marlboroughs so dargestellt, als sei eigentlich Marlborough der Monarch gewesen und die Minister seine Sprachrohre gegenüber der Königin: „they were the channels through which she (i. e. Anne, MP) received the instructions of an absentee sovereign.“200 Diese Einschätzung ist letztlich ein Echo von Voltaires einflussreicher Auffassung: „Il gouvernait alors la reine d’angleterre, et par le besoin qu’on avait de lui, et par l’autorité que sa femme avait sur l’esprit de cette reine […] Ainsi maître de sa cour, du parlement, de la guerre et des finances, plus roi que n’avait été Guillaume, aussi politique que lui, et beaucoup plus grand capitaine, il fit plus que les alliés n’osaient espérer.“201
Doch selbst ohne eine solche karikaturhafte Überzeichnung ist auch in der jüngeren Forschung die Sonderrolle Marlboroughs innerhalb der englischen Regierung betont worden: „The tremendously powerful political position held by the duke in the middle years of Anne’s reign has never received the attention it deserves. It was entirely owing to the war. […] Marlborough was virtually prime minister.“202
Mindestens als „the most influential figure in the government“ wird Marlborough öfter bezeichnet.203 Erst in der jüngeren Forschung wird deutlicher gesehen, dass 199 Ranke, Englische Geschichte, Bd. 7, 28 u. 33. 200 Oliver, Endless Adventure, Bd. 1, 135. 201 Voltaire, Œuvres complètes, Bd. 15, 492. Siehe auch Voltaires berühmte Charakterisierung Marlboroughs: „Cet homme, qui n’a jamais assiége de ville qu’il n’ait prise, ni donné de bataille qu’il n’ait gagnée, était à Saint-James un adroit courtisan, dans le parlement un chef de parti, dans les pays étrangers le plus habile négociateur de son siècle“: Voltaire, Œuvres complètes, Bd. 22, 143. 202 Speck, Birth of Britain, 11 u. 36. 203 Dickinson, Sidney Godolphin, 32.
70
Voraussetzungen
man Marlborough – wie stark, ist noch zu diskutieren – einordnen muss in „the framework and machinery of English constitutional government, with its characteristic forms of court, cabinet, committee, parliament, and governmental bureaucracy, involving both patronage and party politics.“204 Um diese Konstellation aber genauer zu verstehen – und dann auch nach ihrer Bedeutung für Marlboroughs Informationsgewinnung zu fragen –, müssen die institutionellen Mechanismen und die politischen Kräfteverhältnisse der englischen Regierung während des Spanischen Erbfolgekrieges skizziert werden.
2.2 Englische Innen- und Außenpolitik um 1700: Institutionelle Mechanismen und politische Kräfteverhältnisse Wie war Marlboroughs ‚System‘ der Informationsgewinnung mit der Informa tionsgewinnung der englischen Regierung verbunden? War es überhaupt damit verbunden, oder agierte Marlborough eher unabhängig? Um diese Fragen zu beantworten, ist zuerst genereller das institutionelle Gefüge der englischen Politik um 1700 zu beschreiben und herauszuarbeiten, welche Institutionen welche Art von Einfluss auf die Formulierung von Innenpolitik und Außenbeziehungen ausübten. Zudem ist es nötig, auch auf die politischen Kräfteverhältnisse einzugehen, die sich innerhalb des durch die institutionelle Struktur abgesteckten Rahmens im Zeitraum zwischen 1702 und 1711 durchaus verschoben. Beides zu trennen, wäre allerdings ein künstliches und auch wenig produktives Unternehmen: In einem modernen Staat könnte man möglicherweise Ämterstrukturen, Administration und ‚Verfassung‘ einerseits, politische Gewichtsverteilungen und persönliche Handlungsspielräume andererseits trennen. Für eine vormoderne, das heißt ungeschriebene und nur in actu bestehende Verfassung ist dies selbst dann kaum sinnvoll, wenn sich ein partiell bereits relativ hoher Grad an Organisationsförmigkeit der administrativen Institutionen etabliert hat. Deshalb soll versucht werden, im Folgenden sowohl die Institutionen und ‚Verfassung‘ der englischen Zentralverwaltung um 1700 zu beschreiben als auch deutlich zu machen, wie außeradminis trative Faktoren, aber auch im genuinen Sinne politische (in der Regel: innen- und parteipolitische) Kräfteverhältnisse auf diese Struktur einwirkten.205
204 Hattendorf, Churchill, 617. 205 Vgl. Dickinson, British Constitution. Vgl. zum Gesamtzusammenhang: Stollberg-Rilinger, Verfassungsgeschichte. Zum Begriff der Verfassung in actu siehe Holenstein, Huldigung, v. a. 512 f.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
71
Nach einigen allgemeinen Einschätzungen soll die institutionelle Position einiger einzelner Akteure im fragilen englischen Verfassungsgefüge beschrieben werden: die Rolle der Krone und des Hofes, des Kabinetts sowie der Secretaries of State. So wird es auch möglich sein, sowohl Marlboroughs Position als auch die Kanäle des Informationsflusses und der Informationsgewinnung präziser zu analysieren. 2.2.1 Parlament und Regierung nach 1688
Die Glorious Revolution von 1688 hatte – unabhängig davon, ob man sie eher als konservative oder eher als moderne Revolution deutet 206 – eine ganze Reihe von (auch unintendierten und eher mittelfristigen) Effekten, die für die politische Situation um 1700 zentral sind. Nach der Revolution wurde der Finanzstaat ausgebaut. Die Steuerlast und damit auch die administrative Durchdringung wuchsen erheblich. Dementsprechend konzentriert sich die Diskussion über Staat und Staatsbildung in England um 1700 in den letzten Jahren auf Themen wie das Anwachsen der Zentralverwaltung (vor allem der Steuerverwaltung) und den Ausbau des „fiscal-military state“.207 Die Armee wurde zur Parlamentsarmee: Durch den enormen Geldbedarf für Kriege und das Budgetbewilligungsrecht des Parlaments wurde das Parlament, vor allem das Unterhaus, dauerhaft aufgewertet.208 In diesem Kontext kommt dem langen Spanischen Erbfolgekrieg eine zentrale Rolle zu.209 Charakteristisch ist aber die große Bedeutsamkeit des 206 Die jüngere Forschung neigt wieder dazu, die „Modernität“ der Glorious Revolution zu betonen und sieht in ihr nicht einfach eine englische Palastrevolte oder eine externe Invasion, sondern ein ideologisch hoch aufgeladenes, blutiges Ereignis mit britischer und europäischer Dimension und weitreichenden Zukunftswirkungen. Provokativ hierzu: Pincus, 1688; Harris, Revolution. Dagegen stehen Interpretationen, die eher die konservative Natur der Revolution und ihr Bemühen um die Wiederherstellung eines Status quo ante betonen. Siehe: Morrill, Sensible Revolution. Mittelpositionen etwa bei: Dickinson, How Revolutionary; Kluxen, Glorreiche Revolution. 207 Vgl. Devereaux, Historiography, Part I u. Part II. Zum fiscal-military state siehe Brewer, Sinews of Power; Brewer, Eighteenth-Century British State. Zur Kriegsfinanzierung siehe außerdem: Jones, War and Economy; Horwitz, Political Economy. – Eine breitere Perspektive nimmt ein: Braddick, State Formation. 208 Vgl. Black, Parliament, 13 – 15. 209 Vgl. Hellmuth, British State, 20 f.; siehe auch: Reinhard, Staat und Heer, 209 – 211. – In den Publikationen Stephen Saunders Webbs wird ein Bild der administrativen Situation Englands in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gezeichnet, dem ich hier nicht folge
72
Voraussetzungen
House of Lords, dessen Bedeutung erst nach 1715 schwand. Das House of Lords war politisch einflussreich, aber auch deshalb wichtig, weil die Lords oftmals Patrone der Unterhausmitglieder waren.210 Die Bedeutsamkeit des Parlaments für die Tagespolitik wurde durch den Triennial Act von 1694 gestärkt (während des Spanischen Erbfolgekrieges fanden sechs Wahlen in zehn Jahren statt 211), schließ lich wurde 1701 mit dem Act of Settlement die protestantische Thronfolge durch einen Parlamentsbeschluss festgeschrieben.212 Das Parlament war aber weder berechtigt noch fähig, eine eigene Außenpolitik zu formulieren – dies blieb königliche Prärogative. De facto verschoben sich allerdings die Gewichte: Die Praxis Wilhelms III., das Parlament nicht über seine außenpolitischen Schritte zu informieren, führte im Februar 1701 zu einem (allerdings schnell versandenden) Impeachment-Verfahren gegen die vier Whig- Lords, die die Verträge zur Teilung der spanischen Monarchie mit ausgehandelt hatten.213 Was an dieser Episode unter anderem deutlich wird, ist der Umstand, dass bei aller Betonung königlicher Prärogative um 1700 auch kaum gegen das Parlament Außenpolitik gemacht werden konnte.214 In Annes Regierungszeit wurden außenpolitische Fragen zunehmend parlamentarisch verhandelt: „it quickly became normal for the monarch and his ministers to seek parliamentary approval of treaties they had negotiated, whether or not they had financial implications.“215 Wenn auch die zentrale außenpolitische Schaltstelle das Cabinet war, sind doch anders als in anderen Ländern mindestens die groben Leitlinien der englischen Außenpolitik um 1700 kaum als echtes Arkanum anzusehen – viel zu sehr waren das Parlament und die Öffentlichkeit in ihre Formulierung einbezogen.216 (und das im Übrigen in der Forschung höchst umstritten ist); angesichts der ‚Unterentwicklung‘ des englischen Staates sei nämlich der Armee (und der Kirche) die weitaus wichtigste politische und administrative Rolle zugekommen. Siehe Saunders Webb, Lord Churchill’s Coup, z. B. 267; kritisch dazu: Sommerville, Lord Churchill. 210 Vgl. Eagles, Geoffrey Holmes; Jones, House of Lords. Vgl. zum Kontext auch: Cannon, British Nobility, v. a. 66 f. 211 Vgl. Speck, Birth of Britain, 1. 212 Vgl. Harris, Revolution, 493. 213 Vgl. Kirby, Four Lords; zum Kontext siehe auch: Gibbs, Revolution. 214 Vgl. McJimsey, Shaping the Revolution; Black, Parliament, 13 – 39. 215 Jupp, The Governing of Britain, 15. Während das Parlament bei den Rijswijker Verhandlungen noch ausgeschlossen war, setzte es im Zuge der Debatten um die umstrittenen Teilungsverträge ein „Recht auf Informierung“ durch: Siehe Naujokat, England und Preußen, 29. 216 Vgl. McJimsey, Shaping the Revolution; Knights, Representation. Zur Presse siehe: Kapitel 3.5.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
73
In der Forschung wird einhellig betont, dass – wie immer sich die Situation in den kommenden Jahrzehnten veränderte – der Parteienstreit eines der grundlegenden Charakteristika der Regierungszeit Annes war. Es ist meist die Rede vom „first age of party“.217 Gemeint ist damit, dass traditionale Formen politischer Gruppenbildung wie der Gegensatz von court und country oder auch adlige Patronage zwar keineswegs verschwanden, aber doch überlagert wurden durch eine heftige Konfrontation zweier Parteien, der Whigs und der Tories. Zwar bildeten die Parteien (die Tories noch weniger als die Whigs) kaum feste Organisationen aus.218 Damit blieben Parteizugehörigkeiten fluide; es ist nicht immer möglich, einzelne politische Akteure klar einzuordnen. Nicht als Organisationen also, aber als ideolo gische Sammelbecken wurden die Parteien in dieser Zeit die wichtigste Instanz der politischen Auseinandersetzung. Sie waren damit nicht nur ein Ordnungsprinzip der parlamentarischen Politik, sondern strukturierten – weit über Westminster hinaus – Politik und Öffentlichkeit. Im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung orientierten sich die verschiedenen politischen Positionen zunehmend an der Parteiendichotomie. Damit wurden umgekehrt die Parteien selbst (da sie kaum Organisationen darstellten) zu „print communities“: Mark Knights spricht von einer „symbiotic relationship between party and print.“219 Auch Patronage, etwa literarische Patronage, richtete sich relativ eindeutig an Parteigrenzen aus.220 Die ideologischen Unterschiede betrafen zum Beispiel den Umgang mit der Sukzessionsfrage (die die Whigs tendenziell protestantischer, die Tories legitimistischer beantworteten)221 oder die Haltung zum dissent und die Einschätzung der Rolle der Church of England (die Tories galten als „Church Party“, während die Whigs eher für religiöse Toleranz standen).222 Ob zu den klaren inhaltlichen Unterschieden auch die strategische Differenz zwischen kontinentaler Kriegführung (Whigs) und Blue-Water-Policy (Tories) gehört, wie die ältere Forschung gemeint hat, wird derzeit wieder diskutiert.223 Angesichts einer solchen polarisierten
217 Vgl. Jones (Hrsg.), British Politics; siehe auch: Jones (Hrsg.), Britain in the First Age of Party. 2 18 Vgl. Jones, Parliamentary Organisation. Siehe aus der älteren Literatur auch: Johnson, Politics Redefined, 693; Snyder, Party Configurations. 219 Knights, Representation, 222 u. 242. 220 Dies betont mit Blick v. a. auf den Kit-Cat Club: Williams, Patronage; siehe dazu auch: Field, Kit-Cat Club. 221 Vgl. Holmes, British Politics, 64 u. 83. 222 Hoppit, Land of Liberty, 139 u. 284 f. 223 Vgl. dazu skeptisch: Pettigrew, Nation. Swifts „Conduct of the Allies“, ein typisches Tory-Pamphlet, vertritt diese Meinung jedenfalls emphatisch.
74
Voraussetzungen
Situation war es nicht überraschend, dass sich Verschwörungsängste und gegenseitige Schuldzuweisungen an das Parteiensystem anlagerten.224 Der Parteienstreit war also ein Charakteristikum der englischen Politik um 1700, gerade im Vergleich mit den kontinentalen Nachbarn. Er wurde noch dadurch verkompliziert, dass die führenden Politiker meist eine programmatische Vorliebe für Überparteilichkeit artikulierten. Trotz der wechselnden Parlamentsmehrheiten im Parlament waren die Regierungen des Zeitraums 1702 – 1711, eben weil die Minister der Königin verpflichtet waren und auch diese stark auf Überparteilichkeit setzte, durchweg sowohl mit Tories als auch mit Whigs besetzt – allerdings in wechselnden Akzentuierungen.225 Zudem manifestierte sich die Aufteilung in Regierung und Opposition mitnichten ebenso klar wie die Parteiendifferenzierung (Opposition galt im Grunde nach wie vor als illegitim 226). In der Forschung ist, in Abgrenzung zu älteren Einschätzungen, die Rolle der Parteien und des Parlaments so stark betont worden, dass andere politische Mechanismen und Institutionen – Hof oder Patronage etwa, aber auch die Funk tionsweise der Zentralverwaltung und des Kabinetts – lange weniger Aufmerksamkeit fanden.227 Bereits nach 1660, verstärkt aber nach 1688 war die englische Zentralverwaltung ausgebaut worden – zuweilen wird sogar von einer „administrative revolution“ gesprochen 228. Plausibler ist aber wohl die Annahme einer sehr langfristigen Entwicklung, die im 17. Jahrhundert auch über die beiden Revolu tionen hinweg eine eher prozesshafte Kontinuität aufweist.229 Wichtig ist aber, dass sich im Vergleich nicht nur zu einer modernen Regierung, sondern auch im zeitgenössischen Vergleich die englische Zentralverwaltung um 1700 durch „less, infinitely less, administration“ auszeichnete und neben der Treasury kaum große, intern ausdifferenzierte Ämter kannte.230 224 Vgl. Knights, Faults. 225 Vgl. Hoppit, Land of Liberty, 286. Eine gewisse Ausnahme stellt der Zeitraum 1708 – 1710 dar, in dem die Whig-Junto absolut beherrschend war – aber selbst in dieser Zeit haben in der zweiten Reihe einige einflussreiche Tory-Anhänger ihre Position behalten. Siehe Speck, Birth of Britain, 10. 226 Für ein zeitlich etwas späteres, instruktives Beispiel siehe: Skinner, Principles. Vgl. zur Ausbildung der legitimen Differenz von Regierung und Opposition als Ausdifferenzierung des politischen Systems: Luhmann, Politik der Gesellschaft, 94. 227 Vgl. Cowan, Geoffrey Holmes, v. a. 170. 228 Marshall, Sir Joseph Williamson, 19. 229 Vgl. einführend: Doe/Young, Law and Administration; Aylmer, From Office-Holding to Civil Service; Braddick, Administrative Performance. 230 Vgl. Plumb, Robert Walpole’s World, 151. Für die viel ausdifferenziertere französische Bürokratie siehe jetzt: Rule/Trotter, World of Paper.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
75
Hervorzuheben ist für die Zeit um 1700 das manchmal irritierende Nebeneinander von zum Teil hoch entwickelter Amtsrationalität (die es hier plausibel macht, den Organisationsbegriff mindestens als Grenzbegriff zu nutzen 231) und anderen Normsystemen, zum Beispiel dem der Patronage.232 Gleichzeitig fällt auf, dass vor und noch stärker nach 1688 neue Ämter geschaffen, aber alte nicht abgeschafft wurden, und dass eher unwichtige administrative Ämter wie das des Secretary at War sich während des Krieges, abhängig von der Besetzung durch bestimmte Personen, politisieren konnten.233 Man kann also kaum von einem stabilen, wachsenden oder ausdifferenzierten Verwaltungsgefüge ausgehen; die „administrative Revolution“ war eher ein kumulativer Wachstumsprozess ohne Reform. Dieses Wachstum steigerte die Möglichkeit der Ämterpatronage.234 Patronage beziehungen waren ein wichtiges komplementäres Element der Parteipolitik wie der militärischen Karriere. Oft waren es dieselben Patrone – etwa M arlborough –, die im Parlament, im Militär und in der Zentralverwaltung über Protektionsmög lichkeiten verfügten. Die Königin überließ ihren führenden Ministern wie Marlborough, Godolphin oder s päter Harley die Rolle der „manager“, die Patro nage und Loyalität im Parlament und anderenorts zu organisieren hatten – und dabei programmatisch möglichst überparteilich (faktisch dagegen oft parteigebunden) agierten.235 Angesichts dieser alteuropäisch typischen Situation ist es dann umgekehrt eher überraschend, wenn in Zeiten des Umbruchs innerhalb der Regierung kein kompletter Austausch von Personal nach Patronagekriterien vorgenommen wurde, sondern sich für das erste Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts durchaus auch ein Trend zu einer sachlichen und professionellen Besetzung von Stellen innerhalb der Zentralverwaltung konstatieren lässt.236 231 Vgl. Kapitel 3.1. 232 Vgl. Aylmer, From Office-Holding to Civil Service; Plumb, Robert Walpole’s World; Brewer, Servants. 233 Vgl. Burton, Secretary at War; Scouller, Secretaries at War; ders., Armies of Queen Anne, 10 – 21; Preston, William Blathwayt. 234 Vgl. Plumb, Growth of Political Stability, 101 u. 126; Dickinson, How Revolutionary, 139 f. 235 Vgl. Speck, Birth of Britain, 11; Holmes, British Politics, 189, definiert die Rolle der „managers“ folgendermaßen: „intermediaries between the Crown and the parties: men who served the dual purpose of buffers, protecting the monarch as far as possible from the importunities and encroachments of the partisans, and of brokers, negotiating with the party politicians on the Crown’s behalf whenever the King was forced to reconstruct his administration.“ Zum Phänomen der Patronagebroker siehe auch: Kettering, Historical Development. 236 Vgl. Holmes, Augustan England, v. a. 243.
76
Voraussetzungen
Charakteristisch für diesen Zeitraum – und zentral für die Einschätzung der Rolle Marlboroughs – ist die faktische Herausbildung einer Ministerhierarchie. Wenn die Bezeichnung „prime minister“ auch zeitgenössisch durchaus suspekt war, sind doch Sidney Godolphin und sein Amtsnachfolger Robert Harley als erste „first ministers“ anzusehen.237 Dass der erste Minister der Lord Treasurer war, bezeugt unmissverständlich die enorme Bedeutung der Finanzen für Staatsbildung und Krieg. Der Treasurer war neben den Secretaries of State der einzige Minister, der unmittelbar Zugang zur Königin besaß.238 Insgesamt wurde damit innerhalb von Annes Regierungen der Treasurer die dominante Figur innerhalb der Innenpolitik, die Secretaries of State aber für die Außenbeziehungen.239 Sidney Godolphin, ein alter Freund Marlboroughs und der Königin, wurde im Mai 1702 Treasurer und blieb dies bis 1710. Godolphin, wie Marlborough ein Gegner von Parteipolitik, musste sich dennoch viel stärker als dieser mit innenpolitischen Querelen abgeben. Hiermit und auch mit seinem Finanzmanagement hielt er Marlborough in seiner Rolle als General den Rücken frei.240 Die Forschung hat den unglamourösen Godolphin lange unterschätzt, doch er war Marlboroughs wichtigster Korrespondenzpartner und Freund; zeitgenössisch galten die beiden als ‚Duumvirn‘241. Im Zeichen des Tory-Wahlsiegs, aufgrund innenpolitischer Querelen vor allem um den missliebigen Prediger Sacheverell, wegen der wachsenden Friedenssehnsucht und der Entfremdung von Königin Anne wurde Godolphin 1710 schließlich entlassen.242 Ihn ersetzte Robert Harley, der bis 1708 der engste politische Mitstreiter Marlboroughs und Godolphins gewesen war. Godolphin und Marlborough hatten sich bereits ab 1701 der Unterstützung Robert Harleys bedient. Als Speaker des Unterhauses arbeitete er eng mit ihnen zusammen und wurde 1704, eher widerwillig, Secretary of State.243 Marlborough wurde durch die Zusammenarbeit mit Godolphin und Harley von der ungeliebten Pflicht entlastet, sich allzu sehr mit innenpolitischen Problemen befassen zu
237 Vgl. Jupp, The Governing of Britain, 18 f.; Dickinson, Sidney Godolphin, 36; Holmes, British Politics, 240 – 242. Zu ganz anders gelagerten Überlegungen Defoes, das Amt eines Prime Minister aus dem Secretary-Amt herzuleiten, siehe: Warner, Unpublished Political Paper. 238 Vgl. Snyder, Godolphin and Harley, 254. 239 Vgl. Plumb, Growth of Political Stability, 101. 240 Vgl. biographisch: Sundstrom, Sidney Godolphin. 241 Vgl. Hoppit, Land of Liberty, 288. 242 Vgl. Holmes, Robert Harley; Roberts, Fall of the Godolphin Ministry. 243 Harley blieb noch bis 1705 Speaker; zur zunehmenden Politisierung dieses Amtes siehe: Seaward, Speaker.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
77
müssen. Das Triumvirat Marlborough-Godolphin-Harley bildete bis 1708 den engsten Zirkel der Regierung, der sich – wenn Marlborough in London anwesend war – mindestens zweimal wöchentlich traf.244 Harley versuchte aber 1708, sich an die Stelle des Lord Treasurer Godolphin zu setzen, und wurde deshalb von d iesem und Marlborough aus dem Amt gedrängt.245 Doch 1710 gelang es ihm, die Whig-dominierte Regierung zu stürzen und – wie Godolphin vor ihm – de facto die Stellung eines ersten Ministers einzunehmen.246 Dies lag wie bei seinem Vorgänger nicht unwesentlich an persönlicher Nähe zur Königin.247 Marlboroughs Rolle war seit dem Sturz Godolphins 1710 prekär; er beschränkte sich zunehmend auf seine militärische Position. William Penn, ein regelmäßiger Korrespondent von Marlboroughs Frau Sarah, der den Tory-Aufschwung mit Skepsis beobachtete, schrieb schon am 3. Mai 1709 an Marlborough: „It is by no means pleasing that the Duke chooses the fields before the Cabinet, since the Enimys are so much abler there than in the fields.“248 Harley wiederum wollte den erfolgreichen General nicht fallen lassen, ihn aber gleichzeitig seine neue politische Überlegenheit deutlich spüren lassen. Beide hatten also 1710/11 zeitweise ein Interesse an einer wenigstens taktischen Versöhnung nach dem Bruch von 1708.249 Dies änderte sich aber im Jahr 1711 und führte schließlich zu Marlboroughs Sturz. 244 Vgl. McInnes, Appointment of Harley; Snyder, Godolphin and Harley, 242 – 248. 245 Vgl. instruktiv: Holmes/Speck, Fall of Harley. 246 Der genaue Ablauf dieser Regierungsumbildung wird untersucht und diskutiert in: Holmes, Robert Harley. 247 Vgl. Roberts, Fall of the Godolphin Ministry; siehe zu Harley: McInnes, Robert Harley; Hill, Robert Harley. 248 BL Add. 61366, 179r. 249 Vgl. Jones, Marlborough, 189 – 193, der aber die Machtposition Harleys wohl übertreibt; siehe die Korrespondenz z wischen Harley und dem in Amsterdam tätigen schottischen Kaufmann John Drummond, der sein Vermittlungsmann zu Marlborough war: HMC Portland, Bd. 4, v. a. 618 – 634. Auch Jones benutzt diese Quellen, kommt aber zu einer eher konfrontativen Sicht der Dinge. Zu Drummond, einem typischen informellen diplomatischen Akteur siehe: Hatton, John Drummond. – Im Gespräch wie in Briefwechseln versuchten Harley und Marlborough, den Bruch wenigstens temporär zu überbrücken: vgl. dazu Marlborough an Harley, Oktober 1711, in: BL Add. 61125, 133r sowie die Briefe Marlboroughs an John Drummond, 13. August 1711 u. 10. November 1711, in: HMC Eglinton, 141 u. 144 sowie Watkins an Drummond, 13. November 1711, in: ebd., 144. – Gleichzeitig denunzierte Marlborough Harley gegenüber dem ihm eng verbundenen hannoverschen Hof als Jakobiten: vgl. Robethon an den hannoverschen Kurfürsten, 30. August 1710, in: BL Stowe 241, 90r; Robethon an den hannoverschen Minister Bernstorff, 21. März 1711, in: Klopp, Fall des Hauses Stuart, Bd. 14, 672 – 677.
78
Voraussetzungen
2.2.2 Die Krone und der Hof
Die Revolution hatte die Macht der Krone begrenzt, aber dennoch blieb diese immens. Neben der königlichen Prärogative – die sich unter anderem eben darin äußerte, dass die Minister, wenigstens formal, der Krone und nicht dem Parlament verantwortlich waren – zeigte sich die königliche Macht auch in ihren finanziellen Möglichkeiten: etwa dem Erbbesitz und der vom Parlament bewilligten Civil List. Diese umfasste zum Beispiel Zölle und Steuern; aus ihr wurden sämtliche Regierungsaufgaben – abgesehen vom Krieg – bezahlt. Königliche und ‚staatliche‘ Ausgaben und Aufgaben blieben so eng miteinander verbunden.250 Im Act of Settle ment von 1701, der die protestantische Sukzession festlegte, wurde in gewissem Sinne die Revolution vollendet. Allerdings blieb die Nachfolgefrage noch bis 1714 strittig, und daher kam der Königin eine zentrale Rolle bei der Austarierung der politischen Richtungsstreitigkeiten zu. Sie konnte, glaubwürdiger als dies ihrem Schwager Wilhelm III. gelungen war, die Transformation hin zur konstitutionellen Monarchie verkörpern, weil sie traditionelle und neuere Politikelemente mitein ander verband.251 Anne vertrat politiktheoretisch wie zeremoniell eine eigene, tendenziell ambivalente Haltung: Sie äußerte sich mehrfach gegen die Idee des königlichen divine right, neigte aber dennoch zu sakralisierenden Selbstinszenierungen und hielt strikt am Konzept der Erbmonarchie fest.252 Anne bediente sich in relativ hohem Maße traditioneller zeremonieller Akte wie der Skrofelnheilung. Dies ist in der Forschung als Indiz für ihre – nur teilweise erfolgreiche – Politik gedeutet worden, den Parteienstreit und die Fraktionierung ihres Hofes mit einer nationalen Einigkeitssymbolik zu überwölben.253 Innerhalb des institutionell unfesten englischen Verfassungsgefüges kam der Person des Monarchen also eine zentrale Position zu – die aber individuell unterschied lich ausgefüllt werden konnte. Anne ist traditionell als schwache Königin gedeutet worden, doch seit den Forschungen der letzten Generation wird sie als sehr viel aktiver und eigenständiger eingeschätzt.254 Das alte Bild Annes, das in ihr primär einen Spielball von Politikern und Favoriten sieht, stammt pikanterweise von der
250 Vgl. Jupp, The Governing of Britain, 8. Der Civil List Act von 1698 gestand der Krone 700.000 Pfund jährlich zu; alle weiteren Ausgaben mussten eigens vom Parlament abgesegnet werden. Siehe dazu auch: Harris, Revolution, 492. 251 Vgl. Metzdorf, Protestantische Thronfolge, v. a. 109 – 111 u. 117. 252 Vgl. Smith, ‚Last of all the Heavenly Birth‘, 138 f. 253 Vgl. Bucholz, „Nothing but ceremony“. 254 Vgl. zur grundlegenden Umwertung Annes: Gregg, Queen Anne.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
79
gestürzten Hauptfavoritin: Sarah Churchill, Marlboroughs Frau.255 Tatsächlich unterschied sich Annes Regierungsstil von dem ihres Vorgängers durch eine stärkere Kooperation mit ihren führenden Ministern. Ob dies, wie die alte Forschung meinte, mit ihrem Geschlecht zusammenhängt, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls traf Anne sich täglich mit ihren Secretaries und ein- bis zweimal die Woche mit dem Kabinett.256 Damit blieb die Königin eine zentrale auch tagespolitische Akteurin. Doch der englische Hof als sozialer Raum besaß unter Anne nicht mehr dieselbe Bedeutung wie im 17. Jahrhundert. Heidrun Kugelers Hinweis, dass sich der frühneuzeitliche Hof gerade um 1700 in hohem Maße als Informationsbörse etablierte,257 ist für diese Untersuchung von besonderem Interesse. Doch ist er wohl gerade für England relativ zurückhaltend zu bewerten: Der Hof trat in der Regierungszeit Königin Annes (und bereits zur Zeit Wilhelms III.), anders als in den ersten zweieinhalb Jahrzehnten nach der Restauration und auch anders als später,258 innerhalb des politischen Systems hinter anderen Instanzen zurück. In einem politischen Kräftefeld, das vor allem von Parteienstreit und öffentlicher Meinung bestimmt war, konnte der Hof daher nicht dieselbe informationsrelevante Bedeutung gewinnen, wie sie zeitgleich etwa der französische einnahm.259 Dennoch blieb Annes Hof auch weiterhin der Ort, an dem innenpolitische Informationen, aber auch Informationen über die Monarchin und ihre Gemütslagen zu erlangen waren. Für Marlborough war der Hof damit eher Informationsgegenstand als Informationsbörse. Hier war Marlboroughs Frau Sarah seine wichtigste Quelle, die neben ihrer informellen Favoritenrolle auch die beiden wichtigsten Bedchamber Offices innehatte: Sie war Groom of the Stole und Mistress of the Robes.260 Marlboroughs Informanten am Hof kommunizierten vor allem mit Sarah.261 Allerdings ist Sarahs Informationsgewinnung im Einzelnen schwer zu rekonstruieren, schon weil Sarah selbst Marlborough bat, ihre Briefe zu verbrennen, sodass sich von ihr so gut wie keine Briefe aus dem Spanischen Erbfolgekrieg erhalten haben.262 Zusätzlich ist bedeutsam, dass Sarah als engste Vertraute am Hof sich der Königin im Laufe des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts zunehmend entfremdete 255 Vgl. Bucholz, Queen Anne, v. a. 105. 256 Jupp, The Governing of Britain, 15 f. 257 Vgl. Kugeler, „Ehrenhafte Spione“, 134. 258 Für die Jahrzehnte nach 1714 siehe: Smith, Georgian Monarchy, 193 – 242. 259 Vgl. Kugeler, „Ehrenhafte Spione“, 134. Für Annes Hof siehe: Bucholz, Augustan Court. 260 Vgl. Harris, Passion for Government, 87. 261 Vgl. Harris, Passion for Government, 171. Vgl. auch Holmes, Marlborough, 445. 262 Vgl. Marlborough an Sarah, 20. April/1. Mai 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 170.
80
Voraussetzungen
und die Königin sich ihrem Einfluss zunehmend entzog. War Sarah zu Beginn von Annes Regierungszeit noch die wichtigste höfische Patronagebrokerin, so änderte sich dies im Verlauf der 1700er Jahre zusehends.263 Sarah war ab spätestens 1705 bei Hof nicht mehr wohlgelitten (obwohl sowohl Whigs als auch Tories ihr nach wie vor einen fast unbeschränkten Einfluss auf die Königin zuschrieben). Im Zeitraum 1705 bis 1710, also in der Zeit der massiven Verschlechterung des Verhältnisses zur Königin, war Sarah oft wochen- und monatelang vom Hof abwesend.264 Wenn auch in der Forschung bisweilen betont wird, Sarah sei auch nach dem Ende ihrer engen Beziehung zu Anne weiterhin sehr gut mit höfischen Informationen versorgt gewesen,265 so dürfte doch spätestens seit ihrer Entfernung vom Hof im Januar 1711 diese Informationsquelle für Marlborough versiegt sein. Die sich verschlechternde Position Sarahs muss also Marlboroughs Informationsdichte negativ mitbeeinflusst haben, obwohl er einige enge Gefolgsleute wie Walpole oder James Craggs als höfische Informa tionsquellen behielt.266 Allerdings ist es, da Sarahs Briefe zum Großteil nicht mehr existieren und auch die Korrespondenz James Craggs nicht überliefert ist, fast unmöglich, ein genaueres Bild davon zu bekommen, w elche Informationen Marlborough während seiner Abwesenheit von England vom Hof erhielt.267 Auch dies ist ein Grund dafür, sich hier auf Informationen aus dem Bereich der Außenbeziehungen zu konzentrieren. Die Entfremdung zwischen Sarah und der Königin ab der Mitte des Jahrzehnts hatte mittelfristig auch Auswirkungen auf Marlboroughs Einfluss innerhalb der englischen Politik. Denn die Verschlechterung des Verhältnisses hatte neben persönlicheren Gründen auch mit Sarahs Nähe zu den Whigs und ihrer „confident assumption of a pseudo-ministerial role“ zu tun.268 Sarah, die oft p olitischen D issens
263 Zur höfischen Patronage und zu Sarahs Rolle darin vgl. Bucholz, Augustan Court, 64 – 84. 264 Vgl. Harris, Passion for Government, 110 u. 132. 265 Vgl. Bennett, Robert Harley, 737. 266 Vgl. ebd., 171. 2 67 Craggs wurde mindestens einmal, möglicherweise öfter, im Jahr 1708 von Godolphin nach Flandern geschickt, um Marlborough über innenpolitische Dinge auf dem Laufenden zu halten; vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 2, 354. Zu Craggs’ nicht überlieferten Briefen siehe auch: Snyder, Introduction, XXXIII. Auch im Exil blieb Craggs ein wichtiger Verbindungsmann; siehe Gregg, Marlborough in Exile, 596; Churchill, Marlborough, Bd. 2, 816. 268 Harris, Passion for Government, 93. Allerdings verdient Sarahs Rolle vor dem Hintergrund der Diskussionen über informelle politische Einflussmöglichkeiten von Frauen eine erneute Reflexion. Siehe erste Hinweise bei: Chalus, Ladies; weiter ausgreifend auch: Weil, Political Passions.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
81
zu ihrem Ehemann markierte,269 agierte in der zweiten Kriegshälfte also kaum mehr als Verbindungsfrau zur Königin, sondern eher als Vermittlerin zwischen den Duumvirn Marlborough und Godolphin auf der einen und der sogenannten Junto, also den wichtigsten Whig-Lords, auf der anderen Seite.270 Mit dem Wahlsieg der Whigs 1706, der Ernennung von Marlboroughs Schwiegersohn Sunderland zum Secretary of State, schließlich der Entlassung Harleys 1708 neigte sich zum Unwillen der eher torynahen Königin die politische Wagschale sehr stark zugunsten der Whigs. Die Anne ihrer Meinung nach aufgezwungene Ernennung Sunderlands zum Secretary im Jahr 1706 markierte denn auch einen entscheidenden Wendepunkt – zum Schlechteren – in ihren Beziehungen nicht nur zu Sarah, sondern auch zu Marlborough und Godolphin.271 Insofern ist es kaum verwunderlich, wenn Marlborough die Entlassung Sunderlands im Jahr 1710, wohl nicht zu Unrecht, als ein Vorspiel zu seinem eigenen Einflussverlust deutete.272 Für die Einschätzung der Rolle Marlboroughs im Gefüge der englischen Politik ist also nicht nur die mutmaßlich abnehmende Informationsdichte über Vorgänge am Hof von Interesse, sondern, damit zusammenhängend, die generell zunehmend prekäre Beziehung z wischen Sarah und der Königin, die auch Konsequenzen für das Verhältnis Marlboroughs zu den Secretaries of State hatte. 2.2.3 Die Secretaries of State
Das Amt der beiden Secretaries of State war aus dem Amt des königlichen Privat sekretärs entstanden.273 Sie waren neben dem Treasurer die wichtigsten Regierungsakteure und standen in täglichem engem Kontakt zum Monarchen; ihre Anweisungen galten als königliche Anweisungen. Der Aufgabenbereich der Secretaries umfasste sowohl die Innenpolitik als auch die Außenbeziehungen. Nominell war der sogenannte Northern Secretary zuständig für Russland, das Reich, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Polen, die südlichen Niederlande und die Hanse, der 269 Siehe dazu Harris, Passion for Government; Holmes, Marlborough, 36: „Whatever else united John and Sarah, it was certainly not politics.“ 270 Vgl. Harris, Passion for Government, 121 f. u. 137. Vgl. zur Junto, aber auch zu ihren innerpartei lichen Gegnern, den sogenannten Treasurer-Whigs, die sich eng an den Tory Godolphin anlehnten: Field, Kit-Cat Club, 179. Zu dieser Gruppe gehörten etwa Walpole und der Staatssekretär (von 1708 – 1710) Henry Boyle. Vgl. zu ihm auch: Holmes, British Politics, 224 f. 271 Vgl. Gregg, Queen Anne, 198, 219, 233; Sundstrom, Sidney Godolphin, 220. 272 Vgl. Townend, Political Career, 149. 273 Vgl. das nach wie vor unverzichtbare Buch von: Thomson, Secretaries of State.
82
Voraussetzungen
Southern Secretary für Frankreich, die Schweiz und Südeuropa.274 Allerdings wurde diese Zuständigkeitszuteilung oft pragmatisch durchbrochen.275 Die Secretaries – und daran zeigt sich die erst beginnende Institutionalisierung der Zentralverwaltung plastisch – besaßen als oberste Minister des Königreichs einen sehr kleinen Stab, der aus zwei Under-Secretaries (in Annes Zeit entweder aufstrebende Literaten wie Joseph Addison oder Politiker und professionelle Verwaltungsbeamte) und einer variierenden Zahl von clerks bestand, die im Übrigen bis 1718 nicht regulär entlohnt wurden, sondern über Gebühren bezahlt wurden.276 Für die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges sind zwei Secretaries besonders hervorzuheben: der Tory Harley (1704 – 1708) und der Whig Sunderland (1706 – 1710), der eine Marlboroughs enger Mitarbeiter und späterer Erzfeind, der andere sein ungeliebter Schwiegersohn.277 War in den Jahren bis 1706 die Administration erst torynah und dann gemischt besetzt gewesen, ergab sich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts ein klares Whig-Übergewicht. In jedem Fall aber – und dies ist an Ausnahmegestalten wie Harley und Sunderland deutlich zu sehen – war die Effizienz des Secretary-Amtes in sehr hohem Maße von der Person abhängig, die es innehatte. Amt und Person waren zwar sehr wohl getrennt, aber nicht durch eine starke bürokratische Routine gegeneinander ausdifferenziert: „the Secretaries could do much or little, as they pleased. In this as in other respects almost everything depended on the man.“278 Wie wenig formalisiert und auch wie wenig transparent das Amt des Secretary um 1700 noch war, lässt sich an einer Notizliste Harleys ablesen, die er – immerhin seit 1701 Speaker des Unterhauses und engster politischer Verbündeter Godolphins und Marlboroughs – am 15. Mai 1704 als Gedächtnisstütze für sich selbst anfertigte. Drei Tage, bevor er zum Secretary ernannt wurde, wollte Harley noch in Erfahrung bringen, wie d ieses Amt überhaupt funktionierte.
274 Vgl. Lane, Diplomatic Service, 87. 275 Dies verweist auf persönliche Nähen oder auf Patronageverhältnisse; so schreibt Marlborough am 13. Juni 1704 an Hedges: „I shall never fail of giving you a constant account of all that passes here, and beg that when you write, you will do it with all freedom, and not keep yourself in the province of the South, but write as to a friend that is very much yours.“: Letters and Dispatches, Bd. 1, 306. Auch kümmerten sich die Staatssekretäre um die Arbeitsgebiete des jeweils anderen, wenn ihr Kollege nicht in London war. Siehe Boyle an Marlborough, 9. September 1709, in: BL Add. 61129, 187r u. Sunderland an Marlborough, 13. April 1708, in: BL Add. 61126, 96r sowie BL Add. 61127, 144r. 276 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 128 – 136 u. 178 f. Zur Besetzung dieser Stellen siehe Marshall, Sir Joseph Williamson, 34 – 38. 277 Vgl. Townend, Political Career; McInnes, Robert Harley; Hill, Robert Harley. 278 Thomson, Secretaries of State, 96.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
83
„[O]f how many doth ye office consist? who nominates them? The home business how distributed? foreign business! how are ye letters answered? al by ye Principals own hand? Intelligence foreign domestic“279
Harleys Notiz führt schlagend die relativ geringe Formalisierung des Secretary- Amtes noch im frühen 18. Jahrhundert vor Augen. Dem späteren Leser zeigt sie, wie wenig selbst der politische Insider über die formalen Pflichten eines Amtes in Erfahrung bringen konnte – dass er aber gleichzeitig bereits annahm, dass es solche formalen Pflichten gäbe. Zugleich wird deutlich, welch zentrale Stellung das Sachgebiet der intelligence innerhalb der Pflichten des Secretary einnahm (oder ihr gerade von Harley zugeschrieben wurde). Dies belegt auch eine ungefähr zeitgleich geschriebene programmatische Skizze von Harleys Mitarbeiter Defoe,280 auf die zurückzukommen sein wird. 2.2.4 Das Cabinet
Das wichtigste Regierungsgremium in Annes Regierungszeit war das Kabinett oder auch Cabinet Council, das sich aus dem in dieser Zeit unbedeutender werdenden Privy Council ausdifferenziert hatte.281 Das Kabinett war das wichtigste der vielen Komitees, die theoretisch dem Privy Council zuarbeiten sollten.282 Eine Wurzel des Kabinetts war das restaurationszeitliche Foreign Committee – das oft auch als Committee of Intelligence bezeichnet wurde, weil hier Informationen diskutiert wurden, die durch Spionage gewonnen worden waren.283 Das Kabinett traf sich unter der Bezeichnung „the lords of the committee“ immer zuerst ohne Königin, dann – in der Regel am Sonntagnachmittag in Whitehall – als Cabinet mit der Königin, um Entscheidungen zu treffen. Die Entschlüsse des Cabinet wurden als Entschlüsse der Königin kommuniziert und
279 BL Add. 70334, 1 – 2. 280 Vgl. Warner, Unpublished Political Paper. 281 Vgl. Jupp, The Governing of Britain, 23. 282 Vgl. Burton, Committee of Council. 283 Turner, Cabinet Council, Bd. 1, 96.
84
Voraussetzungen
galten als bindend.284 Das Kabinett war damit die institutionelle Absicherung gegen Parteienstreit, aber auch gegen eine höfische Politik der Hintertreppe oder der „bedchamber“.285 Es befasste sich vor allem mit Außenpolitik: Hier wurden zum Beispiel die Korrespondenzen der Botschafter vorgelesen und ausgewertet, es wurden fremde Botschafter befragt und Arbeitsgruppen für spezifische Themen eingesetzt.286 Die Mitgliedschaft im Kabinett war nicht formalisiert. In der Regel nahmen daran aber der Lord President of the Privy Council, der Lord Privy Seal, der Lord Keeper, der Lord Treasurer, die Secretaries of State, der Lord-Lieutenant of Ireland, der Erzbischof von Canterbury und Marlborough teil.287 Damit waren für die spezifische Ausarbeitung der außenpolitischen Leitlinien nur sehr wenige Personen zuständig.288 Während die öffentliche Diskussion, die Presse und das Parlament in England eine für frühneuzeitliche Verhältnisse außergewöhnlich große Rolle spielten und auch Einfluss auf außenpolitische Großwetterlagen nahmen, blieb der konkrete außenpolitische Entscheidungsprozess in hohem Maße arkan.289 Die Zusammenkünfte des Kabinetts wurden nicht offiziell protokolliert; auch dies indiziert seinen informellen Charakter. Dennoch existieren einige inoffizielle Mitschriften, die vor allem von Sunderland und Harley aus ihrer Zeit als Secretaries stammen. Diese Texte sind allerdings oft unvollständig und manchmal weniger Protokolle als sozusagen To- do-Listen für die Secretaries selbst, die darin vermerkten, was verhandelt worden war und wem sie deswegen schreiben müssten.290 2.2.5 Marlboroughs Stellung im Gefüge der englischen Regierung
Bis 1710 spielte Marlborough eine zentrale Rolle innerhalb des Cabinet. Dies galt naturgemäß vor allem im Winterhalbjahr, wenn er in London anwesend war. Danach verlor Marlborough rapide an Einfluss, weil der ihn stützende
284 Plumb, Organization, 137 – 157. 285 Vgl. Plumb, Growth of Political Stability, 103. 286 Vgl. Plumb, Organization, 147 – 150. Themen der Kolonialpolitik wurden weniger diskutiert, weil sie als königliche Prärogative behandelt wurden; finanzielle Probleme wurden auch kaum verhandelt, weil sie als zu speziell galten. Vgl. Jupp, The Governing of Britain, 25 f. 287 Vgl. Townend, Political Career, 65; eine etwas abweichende Aufzählung bei: Jupp, The Governing of Britain, 23. 288 Vgl. so auch: Jupp, The Governing of Britain, 38. 289 Vgl. Hattendorf, England, 3. Zur ausgeprägten Arkanpraxis der englischen Regierung siehe auch: Elukin, Keeping Secrets. 290 Vgl. Plumb, Organization, 137; Hattendorf, England, 333, Anm. 30.
Englische Innen- und Außenpolitik um 1700
85
Treasurer Godolphin durch seinen früheren Mitarbeiter und jetzigen Rivalen Harley abgelöst worden war. Doch schon vorher war er innerhalb d ieses Gremiums, aber auch in der Zusammenarbeit mit eher innenpolitisch agierenden Akteuren wie Godolphin und Harley nicht etwa der alles beherrschende Akteur, als den ihn die ältere Forschung hat sehen wollen. Im Frühjahr 1710 – also bereits in einer Zeit abnehmenden eigenen Einflusses – bezeichnete sich Marlborough gegenüber Godolphin und dem Kabinett als „white paper“, auf das sie ihre Anweisungen schreiben könnten. 291 Die auffällige Metapher, die auch auf den hohen Grad an Schriftlichkeit innerhalb der Beziehungen Marlboroughs zur englischen Regierung verweist, sollte in ihrer Bedeutung nicht übertrieben werden und war sicher auch eine Demutsfloskel.292 Dennoch indiziert sie ein hohes Maß an Einbindung Marlboroughs in das Gefüge der englischen Regierung. Dies schließt nicht aus, ihm eine Sonderrolle zuzusprechen: Marlboroughs zweifellos durch seine militärischen Erfolge und die persönliche Nähe zur Königin noch gesteigerte Bedeutung lag darin, dass er als der Commander-in-Chief of the Armed Forces in den südlichen Niederlanden und als den alliierten Truppen vorstehender Captain-General zwar eigentlich keine Weisungsbefugnis gegenüber den Commanders- in-Chief in anderen Territorien (etwa Spanien) besaß, aber dennoch einen hohen Einfluss auf die militärische und politische Gesamtstrategie besaß. Als General war Marlborough nicht einfach Befehlsempfänger der englischen Regierung und auch in seiner Informationsgewinnung teilweise autonom (vor allem auf dem Kriegsschauplatz). Zudem wirkte er gleichzeitig als erster Diplomat Englands, als sogenannter Ambassador General, eng mit den Secretaries of State zusammen.293 Dazu kam jedenfalls in Zeiten der königlichen Gunst die sehr weitgehende Macht Marlboroughs (und Godolphins), de facto über die Besetzung diplomatischer und militärischer Ämter zu entscheiden.294
291 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 35. 292 Weniger naheliegend ist bei Marlborough die bewusste Bezugnahme auf die philosophische Metapher des weißen Papiers für den menschlichen Geist (und ihre Übertragung in einen politischen Kontext), die von John Locke populär gemacht worden war. Es ist allerdings schwer einzuschätzen, wie verbreitet die Metapher im allgemeinen Sprachgebrauch war. Siehe Pasanek, Metaphors, 227 – 248. 293 Vgl. Hattendorf, England, 37 u. 48. 294 Vgl. zur Besetzung diplomatischer Ämter: Snyder, Diplomatic Service; zum Militär Burton, Committee of Council, 81: „In particular, his was the ultimate sanction over all appointments, promotions, and resignations, and in consequence no ministry that did not enjoy his confidence could hope to exercise any real authority over the army.“
86
Voraussetzungen
Die Kopplung formaler Ämter mit informellen Einflussfaktoren, die Marlboroughs Machtstellung charakterisiert, hat die Forschung irritiert: Inte ressanterweise ist in der Forschung die Beziehung Marlboroughs zu den Secretaries als „obscure“ beschrieben worden:295 Er habe als Oberbefehlshaber, gleichzeitig aber auch als leitender Botschafter mit ihnen zusammengearbeitet – genauso wie sein Zusammenwirken mit Godolphin als die Kooperation von Treasurer und Ambassador General gedeutet wird.296 Das scheint mir insgesamt zu ‚unpolitisch‘, zu modern und zu stark von formalen Verfahrenswegen her gedacht. Faktisch liegt das Außerordentliche von Marlboroughs Position wohl in der variabel einsetzbaren Vielzahl unterschiedlicher Ämter, kombiniert mit persönlichem, nicht amtsgebundenem Einfluss auf die Königin und die wichtigsten ihrer Minister – was genau das Charakteristische des Favoritentyps ist, der in England nach 1688 entstand. Die „combination of royal favour, parliamentary management and organising the war effort“297, die Marlborough – allerdings immer im Verbund mit Sarah und Godolphin – kennzeichnet, verschaffte ihm Handlungsspielräume auch jenseits formaler Amtskompetenzen. Marlborough war also in das Regierungsgefüge eingebunden, besaß aber gleichzeitig eine partielle Autonomie. Diese Konstellation schuf die Rahmenbedingungen für sein politisches und militärisches Handeln, innerhalb derer seine Informationsgewinnung einen bedeutenden Platz einnimmt. Auch in dieser Hinsicht agierte Marlborough zwar einerseits (gebunden an seine außenpolitische und militärische Rolle) partiell autonom. Andererseits aber bestanden in vielfacher Hinsicht Verbindungen mit der Informationsgewinnung der englischen Regierung. Marlborough war „only part of the system of information and perception upon which the cabinet acted.“298 Gegenüber einer älteren Forschung, die die unumschränkte Position Marlboroughs weit überschätzt hat, ist es sinnvoll, sein Handeln – und damit auch seine Methoden der Informationsgewinnung – in enger Verzahnung mit den Maßnahmen der englischen Regierung zu untersuchen. Erst so kann deutlich hervortreten, in welchen seiner Funktionsbereiche (Diplomatie, Politik, Militär) Marlborough eng mit der Regierung kooperierte und wo er eigene Wege ging.
295 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 68. 296 Vgl. ebd., 92 u. 99. 297 Onnekink, Mynheer Benting, 713. 298 Hattendorf, England, 51.
3 Strukturen der Informationsgewinnung Ignorance is the first requisite of the historian – ignorance, which simplifies and clarifies, which selects and omits, with a placid perfection unattainable by the highest art. Lytton Strachey
3.1 Kommunikation und Strukturbildung: Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke Information und Kommunikation bilden Strukturen aus – sind aber auch von diesen Strukturen abhängig. Mit „Strukturen“ ist hier nichts anderes gemeint als „auf Dauer gesetztes Handeln“1 oder genauer: diejenigen Konfigurationen, die aus auf Dauer gesetztem Handeln entstehen, es aber wiederum auch ermöglichen.2 Damit beschränkt sich der Begriff nicht, wie in der Tradition der Annales und der Bielefelder Sozialgeschichte, primär auf sozioökonomische Zusammenhänge der longue durée 3, sondern zielt genereller auf Regeln und Regelmäßigkeiten des sozialen Lebens.4 Dabei ist – dies ist nach den kulturgeschichtlichen Diskussionen der letzten 20 Jahre vielleicht überflüssig zu erwähnen – nicht an einen reifizierten Strukturbegriff gedacht, sondern an ein Konzept, das Strukturen als wiederholbare und wiederholte Praxis beschreibt.5 Diese Praxis ist im vorliegenden Fall primär kommunikativ: Kommunikation wirkt strukturbildend – weil in ihr und durch sie interpersonale Beziehungen aufgebaut werden können, die Informationsgewinnung ermöglichen.6 Und zwar gilt dies erst einmal unabhängig von der Dauer oder Intensität der Strukturen. Entscheidend für die Gewinnung von Informationen ist also der Aufbau von neuen und die Nutzung bestehender Strukturen. Daher ist es sinnvoll, diese Strukturen
1 Mergel, Geschichte und Soziologie, 632. 2 Zur reziproken Beziehung von Struktur und Handeln siehe nur: Welskopp, Dualität; Sewell, Theory. Von Strukturen als „gleichzeitig Stützen und Hindernisse“ des Handelns spricht auch Braudel, Geschichte, 194. 3 Vgl. Pomian, Geschichte, 187; siehe auch: Welskopp, Strukturgeschichte. 4 Vgl. Pečar, Innovation. 5 Vgl. zur Praxistheorie: Reckwitz, Grundelemente sowie: Hörning/Reuter (Hrsg.), Doing Culture. 6 Vgl. Albrecht, Netzwerke.
88
Strukturen der Informationsgewinnung
der Informationsgewinnung unter die Lupe zu nehmen – und auch zu fragen, mit welchen Begriffen man sie am schärfsten erfassen kann. Um welche Strukturen geht es? In der eher in Andeutungen verbleibenden Literatur zu Marlboroughs Informationsgewinnung oder derjenigen der eng lischen Regierung haben sich – wie in der weiter ausgreifenden Literatur – zwei Begriffe eingebürgert, die auf ihre terminologische Brauchbarkeit hin befragt werden müssen: der Begriff des Netzwerks und der des Systems.7 So wird im Singular wie im Plural unter anderem von „spy networks“8, von einem „network of spies“9, einem „réseau d’espionnage“10, von einem „intelligence network“11 gesprochen, aber auch von einem „intelligence system“12, einem „system for gathering information“13 oder einem „system of information“14. Tendenziell, ohne dass dies jedoch immer durchgehalten würde, ist in Bezug auf Marlborough die Rede von Netzwerken, in Bezug auf die englische Regierung von Systemen. Allerdings stehen zuweilen auch beide Begriffe im selben Text undifferenziert nebeneinander.15 Ewa Anklam hat in ihrer Untersuchung zur militärischen Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg betont, dass man für das 18. Jahrhundert (noch) nicht mit einem „System“ militärischer Nachrichtendienste, sondern nur mit mehreren miteinander verbundenen „Konfigurationen“ rechnen dürfe.16 Wann genau allerdings die Verbindung von (wie vielen?) Konfigurationen sich zu einem System aufaddiert oder qualitativ in ein solches umschlägt, wird im Unklaren gelassen. Offenbar besitzt der Begriff des Systems aber Konnotationen von Effizienz und Stringenz, die der Situation des 18. Jahrhunderts nur partiell angemessen sind. Auch J. D. Alsop betont für die Spionage im Spanischen Erbfolgekrieg eher deren letztlich nicht effizienten Ad-hoc-Charakter und lehnt daher sowohl den Begriff des Systems als auch den des Netzwerks ab.17 Nun muss man diese Begriffe nicht zwingend 7 In der deutschen Forschung ist der Begriff des Systems zum Beispiel auf das frühneuzeit liche „Mediensystem“ angewendet worden. Vgl. Arndt, Mediensystem der politischen Publizistik“; Arndt/Körber (Hrsg.), Mediensystem im Alten Reich. 8 Rule, Gathering Intelligence, 739. 9 Deacon, History, 75. 10 Bély, Espions, 141. Zum Begriff „reseau“, den Bély mindestens für die französische Forschung für sich reklamiert, siehe auch: Bély, Répresentation, 219. 11 Gregg, Marlborough in Exile, 596; Hattendorf, England, 51. 12 McInnes, Robert Harley, 84; Snyder, Newsletters, 4; Fritz, Anti-Jacobite Intelligence System. 13 Trevelyan, England, Bd. 2, 350. 14 Hattendorf, England, 51. 15 Vgl. ebd., 28 u. 51. 16 Vgl. Anklam, Wissen, 18. 17 Vgl. Alsop, British Intelligence, 113.
Kommunikation und Strukturbildung
89
im Hinblick auf Erfolg und Effizienz akzentuieren. Dennoch sind die Informa tionskontakte Marlboroughs und der englischen Regierung, die sich für die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges identifizieren lassen, in der Tat häufig so diffus, offen und improvisiert, dass die strukturfunktionalistischen Konnotationen des Systembegriffs einen falschen Eindruck transportieren. Stattdessen sollen hier drei andere Begriffe gewählt werden: Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke (allerdings im Plural). Die Unterscheidung zwischen Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerken ist wichtig, weil sie erlaubt, die jeweiligen Spezifika der Strukturen der Informationsgewinnung präziser zu konturieren. Diese Strukturen werden heuristisch auf Marlborough hin perspektiviert; dies heißt gerade nicht, seinen absoluten Ausnahmerang innerhalb der englischen Politik zu postulieren, sondern diesen überhaupt erst zu untersuchen. Die Zentralstellung Marlboroughs ist eher eine methodische Hinsicht als eine empirische Behauptung.18 Die Begriffe Infrastruktur, Organisation und Netzwerk werden in der soziolo gischen Literatur zuweilen als identisch oder nah verwandt verstanden.19 Hier soll pragmatisch eine Unterscheidung z wischen einerseits Infrastrukturen (als materiellen Rahmenbedingungen für Informationsgewinnung) und andererseits personenbezogenen Strukturen getroffen werden, unter die erstens stärker formalisierte Organisationen und zweitens schwächer formalisierte, eher tauschförmige Netzwerke der Informationsgewinnung fallen.20 Alle drei Begriffe sind explizit idealtypisch gemeint – sie bezeichnen Extreme, die in der historischen Wirklichkeit in dieser Zuspitzung kaum existiert haben. Damit können sie als heuristische Instrumente dienen, um Abweichungen und Überlappungen überhaupt identifizieren zu können.21 Diese Übergänge, das A usfransen 18 Der partiell biographische oder mindestens personenzentrierte Zugang, wie er hier gewählt wird, folgt damit der Idee eines egozentrierten Netzwerks. Mit Friedrich Lenger kann man annehmen, dass es Akzentunterschiede zwischen Netzwerkforschung und biographischem Zugang gibt, die sich aber produktiv nutzen lassen; siehe: Lenger, Netzwerkanalyse. 19 Vgl. Diaz-Bone, Einführung, 4: „Netzwerke stellen Infrastrukturen für Austausch- und Kommunikationsprozesse zwischen Individuen, Gruppen und Organisationen dar.“ Siehe auch: Mol/Spaargaren, Umweltsoziologie, 142. 20 Materielle und personelle Seite sind nicht klar, aber doch tendenziell unterscheidbar; ihnen entsprechen unterschiedliche Herangehensweisen der historischen Akteure, die man als ‚Logistiken‘ und ‚Strategien‘ bezeichnen könnte: „Strategics are efforts to organise human relations while logistics are efforts to organise things.“ Mukerji, Impossible Engineering, 214; siehe hierzu auch Joyce, Social History, v. a. 231. 21 Idealtypen werden nach der viel zitierten Formulierung Webers gebildet „durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer
90
Strukturen der Informationsgewinnung
von Strukturen und das Anlagern einer Struktur an eine andere können erst mittels einer idealtypischen Grenzziehung adäquat beschrieben werden. Ob, wie von Thiessen für die frühneuzeitliche Diplomatie annimmt, „eine Trennung zwischen formellen Beziehungen und informellen Netzwerken […] keinen Sinn“ ergibt 22, muss sich erst erweisen. Es wäre ja auch möglich, dass es durchaus Differenzen und Differenzierungen, aber auch Verknüpfungen und Überlappungen gibt, ohne dass der Unterschied zwischen formaler, organisationsförmiger, amtsbezogener und informellerer, netzwerkartiger Struktur ganz verschwömme. „L’idée des réseaux implique qu’on les distingue des organisations.“23 Die Annahme der vorliegenden Studie ist jedenfalls, dass es durchaus möglich ist, zwischen eher amts- und organisa tionsförmigen und eher netzwerkartigen Strukturen der Informationsgewinnung zu unterscheiden, dass aber die Übergänge fließend sind. Die idealtypische Unterscheidung z wischen beiden dient genau dazu, diese fließenden Übergänge genauer beschreiben zu können. Wolfgang Behringers Postulat: „Politische Öffentlichkeit […] beruhte […] auf einer soliden Infrastruktur der Kommunikation“24 gilt für politische Informa tionsgewinnung generell. Mit dem Begriff der Infrastruktur sind in der Forschung meist auf Dauer angelegte technische Strukturen gemeint, die bestimmte gesellschaftliche Grundfunktionen zum Beispiel der Kommunikation und der Versorgung ermöglichen: Es sind „big, durable, well-functioning systems and services“25. Der Begriff meint, wenn man ihn weit fassen will, die Bereiche Verkehr, Telekommunikation, Unterricht und Wissenschaft, Verwaltung, Rechtspflege, öffentliche Sicherheit, Sozialwesen und den Umgang mit natürlichen Ressourcen. Ausgangspunkt staatlicher Infrastrukturpolitik seit der Frühen Neuzeit ist das Verkehrswesen.26 Infrastruktur, so wird in der Forschung betont, steht in einer engen, wenn auch variablen Beziehung zu Krieg und Militär. Neuzeitliche Kriege sind zunehmend auch Kriege um und mit Infrastrukturen.27 Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich zu jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde“ (Weber, Objektivität, 73). Ihre Funktion als heuristisches Instrument, das es ermöglicht, historische Wirklichkeit gerade kontrastiv zu beschreiben, stellt heraus: Ringer, Max Weber, 174. 22 Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 476. 23 Roche, Réseaux, 12 f. 24 Behringer, Im Zeichen des Merkur, 17. 25 Edwards u. a., Introduction, 365; siehe auch: van Laak, Infra-Strukturgeschichte, und Beyrer, Infrastruktur. 26 Vgl. Helmedach, Infrastrukturpolitische Grundsatzentscheidungen, 11 f. 27 Vgl. van Laak, Infra-Strukturgeschichte, 373; siehe auch: Anklam, Wissen, 76.
Kommunikation und Strukturbildung
91
Für die vorliegende Untersuchung wird der Infrastrukturbegriff etwas anders gefasst. Zwei Aspekte sind leitend: Erstens beziehen Infrastrukturen materielle Artefakte oder „Dinge“ mit ein, die in spezifischen Situationen menschliches Handeln konditionieren, formen, verhindern und qualifizieren.28 Damit muss also auch die agency der Dinge, ihre Akteursqualität in der Kooperation mit menschlichen Akteuren beleuchtet werden.29 Infrastrukturen mit ihrer Konzentration auf materielle Aspekte und mit ihrer tendenziellen Festigkeit sollten aber nicht vergessen lassen, dass die typischen frühneuzeitlichen Infrastrukturen im Grunde kaum mehr sind als auf Dauer gestellte persönliche Netzwerke mit technischen Hilfsmitteln. Es ginge zum Beispiel an der Sache vorbei, das frühneuzeitliche Verkehrs- und Postwesen lediglich als technische Struktur, sozusagen ohne Menschen, zu beschreiben.30 Das heißt aber auch: Die Grenzen zwischen Infra strukturen und Netzwerken sind unscharf. In vielen Fällen sind es eher mehr oder weniger etablierte Netzwerke als feste Infrastrukturen, die im Folgenden im Zentrum stehen. Zweitens und grundlegender sind mit Infrastrukturen jene Ressourcen gemeint, die überhaupt erst Rahmenbedingungen für Informationsgewinnung bereitstellten. Zu denken wäre dabei an finanzielle, mediale, aber auch materielle Notwendigkeiten. In diesem Sinne wären vier wichtige Infrastrukturen für Marlboroughs Informationsgewinnung namhaft zu machen: Geld, Briefe, Post und Kartographie. Nun fällt der Umstand, dass Geld gezahlt und Briefe geschrieben werden, klassischerweise nicht zwingend in den Bereich der Infrastrukturen. Sie bilden aber Infra-Strukturen, insofern sie die Basis für weitere Strukturbildungen, etwa von Organisationen und Netzwerken, legen. Wenn Infrastrukturen – beispielhaft materialisiert etwa in der Festigkeit von Straßen – auch dazu verführen, sie für dauerhaft und damit auch für plan- und machbar zu halten, so sind sie doch nicht ausschließlich als Ergebnis intentionaler Planung zu verstehen.31 So müssen sie etwa an immer neue Umweltbedingungen adaptiert werden. Für diese Prozesse des „growing“ und des „adjustment“ von 28 In einem Essay zur Neuorientierung der Politikgeschichte hat Tobias Weidner darauf aufmerksam gemacht, dass materielle Artefakte, also auch materielle Infrastrukturen, für die Geschichte des Politischen bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen. Vgl. Weidner, Geschichte des Politischen, 120. 29 Vgl. zu Dingen als Akteuren: Johnson, Mixing Humans. Siehe auch: Latour, Eine neue Soziologie, 123: „jedes Ding, das eine gegebene Situation verändert, indem es einen Unterschied macht, (ist) ein Akteur“. 30 Vgl. Fontius, Post und Brief, 270. 31 Vgl. van Laak, Infra-Strukturgeschichte, 387.
92
Strukturen der Informationsgewinnung
Infrastrukturen 32 ist auch der prozessuale, dynamische Begriff des „infrastructuring“ vorgeschlagen worden.33 Infrastrukturen mussten von Marlborough, von der englischen Regierung oder beiden geplant, organisiert, infra-strukturiert werden. Diese Akzentverschiebung weist – für den Kontext dieses Buchs – auf eine wichtige Tatsache hin: Die Diskussionen über die Finanzierung der Informationsgewinnung oder die dauernden Versuche, etwa die Briefbeförderung z wischen England und den Niederlanden schneller zu machen, müssen eher als kontinuierliche Versuche des „infrastructuring“ verstanden werden denn als schlichte Nutzung statischer Infrastrukturen. Wie Infrastrukturen sind auch Organisationen tendenziell auf Dauer gestellt – durch die stabilisierten, reziproken, formalisierten Erwartungshaltungen, die Organisationen als s oziale Gebilde ausmachen.34 Das Musterbeispiel für Organisa tionen dieser Art sind Verwaltungen. Insofern ist die Organisationssoziologie in Teilen deckungsgleich mit der Soziologie der Bürokratie. Beide schließen in hohem Maße an Webers Idealtyp bürokratischer Herrschaft an.35 Weber verweist etwa auf klar geregelte Kompetenzen, regelmäßige Besoldung, einen formalisierten Instanzenzug, schriftliche Aktenführung, eine Trennung öffentlicher und privater Belange und Räume und damit auch auf die Berechenbarkeit behördlicher Vorgänge ohne Ansehen der Person.36 Luhmann hat, schärfer noch als Weber, zwei weitere Aspekte hervorgehoben: Moderne Organisationen, vor allem also Verwaltungen, zeichnen sich durch die in der Regel schriftlich fixierte Formalisierung von Erwartungen aus – und sie legen klar fest, wie man Mitglied der Organisation wird und was dies bedeutet.37
32 Edwards u. a., Introduction, 369. 33 Vgl. Edwards u. a., Historical Perspectives, 1409, mit Rückgriff auf: Pipek/Wulf, Infrastructuring. 34 Vgl. Luhmann, Funktionen und Folgen, v. a. 38. 35 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 551 – 579; siehe auch: Kieser, Max Webers Analyse. Vgl. aber auch die Kritik an einer Identifizierung beider Begriffe bei: Mayntz, Max Webers Idealtypus. 36 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 551 – 579; Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 128 – 130. 37 Vgl. Luhmann, Funktionen und Folgen, 39 – 54, vgl. auch: Martens/Ortmann, Organisa tionen. Luhmanns Organisationsbegriff wird v. a. genutzt, um ihn von anderen sozia len Systemen, etwa Interaktionssystemen, abzusetzen. Vgl. Luhmann, Interaktion, aber auch: Kieserling, Interaktion; Goffman, Interaction Order. Die Unterscheidung Interak tion vs. Organisation spielt in diesem Buch eine geringere Rolle als die Unterscheidung Organisation vs. Netzwerk (s. u.).
Kommunikation und Strukturbildung
93
In d iesem modernen Sinn ist die englische Regierung um 1700 sicher noch keine Organisation; sie befindet sich aber in einem Entwicklungsprozess hin zur bürokratischen Organisation.38 So sind zum Beispiel noch kaum Mitgliedschaftsregeln formalisiert. Auch die Trennung von Amt und Person ist höchst prekär; schließlich folgen Amtsträger oft anderen Normensystemen als den im engeren Sinn bürokratischen. Noch stärker als in der Moderne ist also Organisation weniger als Sache denn als Prozess zu verstehen, als „an achievement, a process, a consequence, a set of resistances overcome, a precarious effect“39. In vielen Fällen wird es ausreichen, von „Amt“, „Behörde“ oder (politischem, diplomatischem, militärischem) „Dienstverhältnis“ zu sprechen.40 Dennoch wird hier überdies (und in bewusster, an Anachronismus grenzender Zuspitzung) der soziologische Begriff der Organisation gewählt. Dieser dient dazu, diese Art von Struktur von anderen Strukturen wie Netzwerken oder Infrastrukturen abzusetzen und den Befund zu markieren, dass ein Großteil von Marlboroughs Informationsgewinnung auf dem Amtswege, als Dienstpflicht, als Teil behörd licher Aufgaben oder wenigstens in enger Abstimmung mit diesen vor sich ging. Auch wenn die Organisationssoziologie die Modernität und „Organisiertheit“ bürokratischer Organisationen partiell als an die Organisationsumwelt gerichtete Rationalitätsfassaden entlarvt hat,41 ist doch davon auszugehen, dass die Ausbildung großer, formalisierter Organisationen – mit all ihren Problemen – in der Tat ein Element von Modernisierung gewesen ist. Doch auch in der Vormoderne, so hat die neuere Forschung wiederum im Anschluss an Luhmann herausgestellt, ist von komplexen Gemengelagen formaler und informeller Regeln, Strukturen und Verhaltensweisen auszugehen, die nicht einfach als Defizit einer nur unvollständigen Organisation zu sehen sind. Stattdessen erfüllt Informalität wichtige Komplementärfunktionen innerhalb formaler Organisationen.42 38 Vgl. für diese Mittelposition zwischen den Extremen des modernistischen Anachronismus und der übertriebenen Verfremdung als vormodern: Aylmer, From Office-Holding to Civil Service, sowie an einem Beispiel: Krischer, Förmlichkeit. 39 Law, Notes, 390. 40 Dies gilt z. B. auch für die frühneuzeitliche Diplomatie: „early modern diplomacy is more effectively analysed in terms of the role or office of the ambassador rather than in an abstracted sense of a ‚sphere of formalized actions‘“, wie Mark Netzloff mit Rückgriff auf Daniela Frigo (und im Einklang übrigens mit der deutschen Forschung, etwa Hillard von Thiessen) bemerkt; siehe Netzloff, Ambassador’s Household, 157. 41 Vgl. grundlegend: Meyer/Rowan, Institutionalized Organizations; siehe auch: Walgenbach, Institutionalistische Ansätze. 42 Vgl. Luhmann, Funktionen und Folgen, v. a. 196; siehe auch: Kühl, Informalität. Dass die Dichotomie formal vs. informell in hohem Maße perspektivabhängig ist und daher in
94
Strukturen der Informationsgewinnung
Man wird also die Formalisierung der englischen Behördenorganisation, aber auch der Diplomatie und des Militärs um 1700 nicht überschätzen dürfen und kann doch den Begriff der Organisation anwenden, um darauf hinzuweisen, dass die Informationsgewinnung des Herzogs von Marlborough in hohem Maße unter Nutzung amts- und dienstförmiger Strukturen ablief. Erst vor diesem Hintergrund gewinnen die nicht-organisationsförmigen Strukturen der Informa tionsgewinnung ihr Profil. Der Netzwerk-Begriff schließlich wird in dieser Studie für alle diejenigen Informationsbeziehungen Marlboroughs und der englischen Regierung verwendet, die nicht amtsförmig strukturiert waren, sondern informeller abliefen und nicht in derselben Weise auf Dauer gestellt waren. Ein Charakteristikum von Netzwerken ist also, dass sie nicht Organisationen sind.43 Damit ist nicht primär gemeint (obwohl auch dies eine Rolle spielen kann), dass sie Noch-Nicht- Organisationen sind.44 Die Charakterisierung von Netzwerken als informelle Strukturen impliziert weder eine Bewertung ihrer Effektivität noch die Angabe einer Entwicklungsrichtung. Stattdessen ist schlicht eine Verschiedenheit von Strukturierungsprinzipien gemeint: Während Organisationen Erwartungen als Dienstpflichten formalisieren können, erzeugen Netzwerke mit anderen Mitteln Verbindungen und Verbindlichkeit: etwa über Geld oder über Patronage, also über tauschförmige Arrangements. Der Begriff des Netzwerks wird hier – analog der angelsächsischen Forschung – terminologisch offen und pragmatisch gebraucht. Die Unterscheidung Organisa tion/Netzwerk entspricht näherungsweise den Differenzen offiziell/inoffiziell, amtsförmig/nicht-amtsförmig und formal/informell. Unter einem Netzwerk soll hier relativ allgemein eine Struktur verstanden werden, die Individuen verbindet,45 also ein Interaktions- und Informationsgeflecht mit Knotenpunkten, Zonen der
der Organisationsforschung durchaus Unterschiedliches meint, zeigt: Tacke, Formalität. Vgl. zum Problem Formalität/Informalität in der Frühen Neuzeit: Emich, Formalisierung; Stollberg-Rilinger, Frühe Neuzeit. 43 Aus einer anderen als der hier gewählten theoretischen Perspektive wäre es selbstverständ lich denkbar, gerade Organisationen als einen speziellen Typus von Netzwerken zu betrachten. Dies soll hier auf sich beruhen. 44 Dies ist auch der Ausgangspunkt der instruktiven Analyse von Teubner, Die vielköpfige Hydra. 45 Schweizer, Netzwerkanalyse, 1, definiert ein Netzwerk als „eine Menge von Akteuren […], die untereinander durch Beziehungen verbunden sind“. Aus systemtheoretischer Perspektive merkt Fuhse kritisch an, dass die Grundlage von Netzwerken eigentlich nicht Individuen, sondern Relationen seien; siehe Fuhse, Persönliche Netzwerke, 17.
Kommunikation und Strukturbildung
95
Verdichtung und Ausdünnung, „strong“ und „weak ties“46. Dieses Geflecht stellt sich im Rahmen dieser Untersuchung als Netzwerk von Korrespondenzen und Korrespondenten dar, das qualifiziert, aber nicht quantifiziert werden soll. Hergestellt und stabilisiert wird es meist über informelle Patronagebeziehungen oder über Geldzahlungen. Netzwerke sind keine Organisationen mit klaren Mitgliedschaftsregeln, sie sind aber in der Regel auch mehr als einmalige und ephemere Interaktionen 47 – oder anders, im Hinblick auf diese Studie formuliert: Ephemere Informationskontakte können eben, zuweilen besonders nützliche, „weak ties“ sein. Die Unterscheidung und zugleich Verknüpfung der Begriffe Organisation und Netzwerk ist deshalb wichtig, weil die Netzwerke, um die es geht, in enger Verknüpfung mit den Zentralbehörden der englischen Regierung (deren Organisationsförmigkeit für die Zeit um 1700 ja ebenfalls noch im Entstehen begriffen war) arbeiteten und diese ergänzten.48 Die relativ pragmatische Umgangsweise mit dem Netzwerkbegriff ist erklärungsbedürftig.49 Die soziologische Debatte ist breit und kontrovers; Historiker benutzen den Begriff meist relativ assoziativ.50 Für die Frühneuzeitforschung ist der Begriff in wissens- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungen 51 mit gewissen Überlappungen zur Diplomatiegeschichte 52 genauso einschlägig wie für die Erforschung transnationaler Strukturen.53 Als epochenspezifische Struktur wird der 46 Vgl. Granovetter, Strength of Weak Ties; siehe auch ders., Strength of Weak Ties: A Network Theory Revisited. 47 Vgl. zum Problemumkreis: Tyrell, Zwischen Interaktion und Organisation, als Ergänzung zu: Luhmann, Interaktion. 48 Vgl. ähnlich: Collin, Organisation, 353. 49 Eine strikte Begriffsverwendung wird auch dadurch erschwert, dass der Begriff außerwissenschaftlich sehr gängig ist (zum Beispiel in der üblichen Rede von den „sozialen Netzwerken“ im Internet) und er die Konnotationen des Unhierarchischen, des Flexi blen, des Dezentrierten transportiert, die sich einer allzu klaren Definition zu entziehen scheinen. Siehe: Gießmann, Netze und Netzwerke; Caldarelli/Catanzaro, Networks. 50 Vgl. z. B. Beaurepaire, Introduction, 28. Anders akzentuiert die Forschungslage Wolfgang Weber, der eher eine Übertheoretisierung und mangelnde empirische Unterfütterung diagnostiziert: Vgl. Weber, Pikante Verhältnisse. 51 Vgl. z. B. Bots, Exchange of Letters; für die aufgeklärte république des lettres einschlägig: Roche, Les primitifs du rousseauisme. 52 Vgl. z. B. Kohlndorfer, Jacques Bongars. 53 Vgl. Harris, Confession-Building; im Hinblick auf die (bereits frühneuzeitlichen) Globalisierungsprozesse ist der Begriff des Netzwerkes und der Vernetzung vor- und nichtstaatlicher Instanzen gleichfalls zentral. Vgl. Osterhammel/Petersson, Geschichte der Globalisierung, 20, 24 u. 109.
96
Strukturen der Informationsgewinnung
Netzwerkbegriff schließlich im Kontext der Patronageforschung verwendet. Daher ist es kein Zufall, dass Patronage einen Schwerpunkt in der Forschung zu Korrespondenznetzwerken ausmacht 54 und umgekehrt die Patronageforschung gern mit dem Begriff des Netzwerks operiert.55 Doch geht es dort meist um relativ stabilisierte Netzwerke, die in d iesem Buch natürlich auch eine Rolle spielen, denen aber improvisierte, zuweilen auch einmalige oder Ad-hoc-Vernetzungen an die Seite zu stellen sind.56 Dennoch, dies ist schon angeklungen, bleiben diese eher schwachen Vernetzungen peripher gegenüber dem Versuch Marlboroughs und der englischen Regierung, sich möglichst dauerhafte, wenn auch informelle Netzwerke aufzubauen. Das heißt methodisch: Der Begriff des Netzwerks wird hier zwar weit gefasst, lässt sich aber nicht einfach durch ‚Kontakte‘ ersetzen, weil er auf eine Struktur abzielt. Für die Vormoderne ist eine Rekonstruktion von Netzwerken, die dem methodischen Anspruch moderner Sozialwissenschaftler genügen würde, meist nicht durchführbar – selbst dann, wenn es nicht um Quantifizierung geht.57 Dies soll nicht die relativ große Abstinenz vieler Historiker gegenüber Methoden der empirischen Sozialforschung rechtfertigen.58 Doch die Vagheit des von Historikern benutzten Netzwerkbegriffs hat eben auch quellenmäßige Gründe. Es gibt Ausnahmen, die methodische Wege weisen und die gerade als Ausnahmen verdeutlichen, was in der Regel nicht möglich ist.59 Gerade weil die Forschung zum Beispiel zu gelehrten Korrespondenznetzen in den letzten Jahren einen massiven Aufschwung genommen hat, ist umso deutlicher zu erkennen, welche forschungspraktischen wie darstellerischen Probleme sich stellen.60 Für die vorliegende S tudie 54 Vgl. Stuber/Hächler/Steinke, Hallers Korrespondenznetz, 19. 55 Vgl. Kettering, Patronage, 839. 56 Allerdings ist hier lange auch mit dem Alternativbegriff der Verflechtung operiert worden. Vgl. Reinhard, Amici e creature, 312 sowie ders., Freunde und Kreaturen. 57 Anregend sind Reflexionen darüber, ob es neben einer streng statistischen Netzwerk analyse auch eher qualitativ verfahrende Methoden gibt; siehe Diaz-Bone, Qualitative Netzwerkanalyse. 58 Als Ausnahmebeispiel einer relativ technischen, mathematisch-graphischen historiographischen Umsetzung von netzwerktheoretischen Vorgaben siehe Pieper, Vermittlung, 63 – 68. 59 Für die Diplomatiegeschichte könnte es, wo dies denn möglich ist, weiterführend sein, eine Art „Netzwerkanalyse“ politischer Korrespondentennetze zu skizzieren und auch kartographisch Knotenpunkte, Ballungen und Informationsströme darzustellen – was interessante Aufschlüsse über die „mental map“ und die Vernetzungsnotwendigkeiten auch politischer Akteure verspricht. 60 Vgl. nur: Stuber/Hächler/Steinke, Hallers Korrespondenznetz, sowie die scharfsinnige programmatische Studie: Mauelshagen, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
97
heißt dies etwa: Selbst wenn etwa Marlborough mit einem Spionagenetzwerk zusammenarbeitete, liegt in der Regel nur die Korrespondenz Marlboroughs mit dem d ieses Netzwerk organisierenden Akteur vor, der bestenfalls Berichte seiner Spione weiterleitet. Spionagenetzwerke bleiben also – abgesehen von ihrer Spitze – konstitutiv unsichtbar und sind schon deshalb nicht im strengen Sinne netzwerkanalytisch zu bearbeiten. Infrastrukturen (als Rahmenbedingungen für weitere Strukturbildung), Organisationen (als bürokratische Strukturen der Informationsgewinnung) und Netzwerke (als nicht-bürokratische, auf Patronage oder Geldzahlungen beruhende Strukturbildungen) sind im Folgenden also die Begriffe, mit deren Hilfe das diffuse und komplexe Feld der politischen, diplomatischen und militärischen Informationsgewinnung um 1700 geordnet werden soll.
3.2 Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung In d iesem Kapitel sollen die Infrastrukturen behandelt werden, die (oft unter Nutzung von „Dingen“ materieller Natur) die Rahmenbedingungen für die Informationsgewinnung Marlboroughs und der englischen Regierung darstellten. Diese Rahmenbedingungen bildeten erst das Setting aus, innerhalb dessen Informationsgewinnung vor sich gehen konnte. Einschlägige Infrastrukturen in diesem Sinne waren Geld, Briefe, Post und Landkarten. Es wird deutlich werden, mit welchen Schwierigkeiten der Aufbau und die Nutzung von Infrastrukturen konfrontiert waren und wo die Chancen, aber auch die Grenzen von Informa tionsinfrastrukturen lagen. 3.2.1 Secret Service Money oder: Womit bezahlt man Informationen?
Informationen sind nicht nur Ressourcen – ihre Beschaffung erfordert auch Ressourcen, zuallererst finanzielle. Dass man für die Organisation der Informa tionsgewinnung Geld benötigt, ist selbstverständlich und wird auch oft betont – zum Beispiel im Kontext der Diskussion des fiscal-military state.61 Und dass die Frage der Finanzierung von Information ein zeitgenössisch drängendes Problem war, ist bereits zu Beginn dieser Studie deutlich geworden – im Rahmen der 61 Vgl. z. B. Brewer, Sinews of Power, 70.
98
Strukturen der Informationsgewinnung
Vorwürfe gegen Marlborough aus dem Herbst 1711, er habe Geld unterschlagen, und seiner Antwort, dieses sei für intelligence ausgegeben worden. Gegen Ende des Buches wird d ieses Problem noch ausführlich zur Sprache kommen. Versteht man Infrastrukturen als Rahmenbedingungen für weiteres Handeln und weitere Strukturbildung, gehört die Finanzierung unbedingt an den Anfang. Generell ist der Zusammenhang z wischen Geld und Informationsbeschaffung also offenbar unproblematisch, im Detail erweist er sich aber als diffus und kompliziert. Es ist zwar oft möglich, einzelne Finanztransaktionen, Bitten um Bezahlung, Verhandlungen über den ‚Preis‘ von Informationen zu identifizieren. Dies betrifft allerdings fast immer Kommunikationen z wischen einem Informationsanbieter, der eine bestimmte Summe erhofft oder fordert, und dem Herzog von Marlborough oder der englischen Regierung. Für die Regierungsseite selbst ist es überraschenderweise sehr schwierig, systematisch (nicht nur punktuell) festzustellen, wie viel Geld wann an wen gezahlt worden ist. Doch bereits ein Überblick darüber, wie viel Geld nominell für Informationsgewinnung bereitgestellt wurde (nicht einmal also: wie viel davon tatsächlich für was investiert wurde), bereitet erheb liche Schwierigkeiten. Bereits öfter ist aus einem unveröffentlicht gebliebenen programmatischen Text Daniel Defoes zitiert worden, den dieser 1704 anlässlich Robert Harleys Ernennung zum Staatssekretär schrieb. Dieser Text kann dazu dienen, sich dem nur teilweise aufzuklärenden Problem der Finanzierung der Informationsgewinnung zu nähern. Defoe konstatierte, dass dieser Bereich massiv unterfinanziert sei, vor allem im Vergleich zur verfeindeten Großmacht: „I have heard that our Secretaryes office is allowed 12000 £ per annum for this weighty article, and I am credibly informed the King of France has paid 11 millions in one year for the same article.“62 Defoe vermutete also, dass den Staatssekretären zusammen jähr lich 12.000 Pfund für intelligence zugestanden werde, und schlug vor, wenigstens für den Anfang für die Beschaffung von intelligence eine Summe von 100.000 Pfund im Jahr zu veranschlagen. Die von Defoe für skandalös gering gehaltene Summe von 12.000 Pfund war aber einerseits zu hoch, andererseits auch deutlich zu niedrig angesetzt. Nach 1688 hatten die Sekretäre pro Jahr zusammen erst 5000, ab 1707 dann 6000 Pfund – jeder 3000 – für Informationsgewinnung erhalten, die aber mindestens partiell wohl einfach als zusätzliches Gehalt aufgefasst wurden.63 Diese Summe wurde 62 Warner, Unpublished Political Paper, 135. 63 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 150; Shaw/Slingsby, Introduction, IX. Siehe so auch den Brief von Blathwayt an Godolphins Secretary of the Treasury, William Lowndes, vom 9./19. August 1700, der schreibt, es möge an den Secretary Vernon „the usual charge
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
99
von der Königin an die Sekretäre gezahlt und war Bestandteil der Civil List, also der der Monarchin durch das Parlament zugestandenen Summe für ihre eigenen Ausgaben – zu denen eben auch die Geheimdienstausgaben ‚ihrer‘ Sekretäre gehörten.64 Daneben wurden Spione hin und wieder durch außerordentliche Mittel finanziert, die den Secretaries zugestanden wurden oder den Informanten direkt durch die Treasury gezahlt wurden.65 Dazu trat aber weiteres Geld – in den 1700er Jahren belief sich dessen Höhe auf 27.000 Pfund jährlich –, das der Königin als Secret Service Money auch jenseits der Ausstattung der Secretaries zur Verfügung stand.66 Hinzu kam schließlich die Geheimdienstarbeit des Post Office, das ebenfalls den Staatssekretären unterstand und das faktisch für den Großteil der Kosten der Informationsgewinnung aufkommen musste. Allerdings wurden diese unterschiedlichen Töpfe auch und – dieser Eindruck ergibt sich bei der Auswertung der Secret Service-Abrechnungen – vor allem für Angelegenheiten benutzt, die mit ‚geheimdienstlichen Tätigkeiten‘ im engeren Sinne oder Informationsgewinnung im weiteren Sinne nichts zu tun hatten. Zwar finden sich zuweilen Hinweise auf die Bezahlung einzelner Informanten oder Kuriere,67 auch wurden einzelne hugenottische Informanten und Abenteurer bezahlt, die sich der englischen Krone anboten.68 Vor allem aber wurden Pensio nen und ‚annual allowances‘ damit finanziert.69 Schon unter Karl II. war dieses Geld für verschiedenste Zwecke ausgegeben worden: etwa für die Beeinflussung von Parlamentsmitgliedern, für Sonderausgaben der Krone, für Varia, die man nirgendwo anders verbuchen konnte oder wollte, schließlich auch für Informa tionsgewinnung.70 Diese Beobachtung gilt bis weit ins 18. Jahrhundert – und zwar nicht nur für das königliche Secret Service Money, sondern auch für das Post Office. Die Finanzierung der englischen Post im 18. Jahrhundert ist unzureichend of Intelligence and Secret Service in the Southern Province of Secretary of State, the allowance of seven hundred and fifty pounds pr. Quarter“, gezahlt werden (TNA SP 77/57, 163r). – Zur Finanzierung des ‚Geheimdiensts‘ im 16. und 17. Jahrhundert siehe knapp: Funnell, Secret Service, 32 – 34. 64 Zur civil list siehe: Harris, Revolution, 492. 65 Vgl. Horn, British Diplomatic Service, 282. 66 Vgl. Shaw/Slingsby, Introduction, IX. Disparate Hinweise auch bei: Leadam, Finance, 32, Anm. 4. 67 Vgl. Calendar of Treasury Books, Bd. 28, 399 – 504, hier z. B. 441, 452, 466. 68 Vgl. ebd., 442, 460. 69 Vgl. Payments made out of Her Ma.ts Secret-Service-Moneys since Micha.s 1708, in: BL Add. 28080, 74 – 74b. 70 Vgl. Calendar of Treasury Books, Bd. 4, 46 f. Zur Spionage in der Regierungszeit Karls II. siehe: Marshall, Intelligence and Espionage.
100
Strukturen der Informationsgewinnung
erforscht;71 allerdings geben die Quellen, soweit ich sehe, auch nur sehr unvollständig Auskunft. Das Problem besteht unter anderem darin, dass der Post nicht eine fixe Summe zur Verfügung gestellt wurde, sondern sie sich – anders als andere Ämter – über weite Strecken durch eigene, kommerzielle Einkünfte finanzierte, die sich um 1700 wohl auf etwa 148.000 Pfund jährlich beliefen.72 Auch von diesen Mitteln wurde ein stattlicher Teil – wohl bis zu einem Drittel – für sachfremde Pensionszahlungen verwendet.73 Die im Rahmen dieser Studie einschlägigste Pensionszahlung aus dem Post Office waren die 5000 Pfund jährlich, die M arlborough (und seinen männlichen Erben) 1702 im Rahmen der Verleihung seines Herzogstitels zugesprochen wurden.74 Das Geld für Secret Service, das die Krone, die Secretaries of State oder die Treasury abrechneten, hatte also bis auf wenige Ausnahmen mit ‚geheimdienst lichen Aktivitäten‘ nichts zu tun. Wo es damit zu tun hatte, wurde dies kaum nachvollziehbar belegt: Auffällig ist die Schwierigkeit, selbst bei einer großen Fülle administrativ-finanzieller Aufzeichnungen diejenigen Zahlungen zu identifizieren, die tatsächlich für Informationsgewinnung aufgewendet wurden. Nur für wenige Zeiträume des 18. Jahrhunderts liegen überhaupt belastbare Zahlen vor, die natürlich nicht einfach auf das erste Jahrzehnt des Jahrhunderts übertragen werden können. Für den Zeitraum von 1718 bis 1720 kann man von ungefähr 2500 Pfund für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgehen, der dem Post Office für die Organisation von Briefinterzeptionen gezahlt wurde. In den Jahrzehnten 1740 bis 1760 liegt die Summe bei etwas über 2000 Pfund pro Jahr.75 Diese verstreuten Zahlen sind für sich wenig interessant, belegen aber vor allem eines: dass Spionagezahlungen – selbst dort, wo Spionage organisations- und behördenförmig strukturiert wurde – kaum nachvollziehbar belegt wurden: „Nothing is more remarkable than the rigid silence which all the existing Treasury records preserve, with regard to the expenditure of the Secret Service money proper.“76 Von den Geldern, die die Secretaries of State direkt – oder indirekt, über das Post Office – für Secret Services einsetzten (oder eben auch nicht einsetzten), ist aber noch ein anderer Posten zu unterscheiden. Zwar profitierte Marlborough bei der Koopera tion mit den Secretaries of State auch von deren Informationsnetzwerken – oft 71 Siehe auch Kapitel 3.3. 72 Vgl. Whyman, Pen and the People, 53; Ellis, Post Office, 38. 73 Vgl. Robinson, British Post Office, 79 f. 74 Vgl. BPMA, POST 103/2, 25 – 28 (Abschrift der königlichen Zahlungsanordnung); BL Add. 61348, 153r–154r (Marlboroughs Exemplar). 75 Vgl. Ellis, Post Office, 69 u. 134. 76 Calendar of Treasury Books and Papers, Bd. 3, 3.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
101
ist sogar ununterscheidbar, ob die Informationsnetzwerke eher den Secretaries of State oder dem Herzog zuarbeiteten. Dennoch verfügte Marlborough als Captain-General der Allianztruppen auch über eigene Gelder, die für Informa tionsgewinnung vorgesehen waren. Dies wird deutlich aus den Angaben, die Marlborough im Rahmen des Unterschlagungsverfahrens machte (und die im Großen und Ganzen zutreffen dürften): Die Finanzierung von intelligence im Kriegsgebiet war bereits im vorherigen Krieg (dem Pfälzischen Erbfolgekrieg oder Nine Years’ War) im Parlament verhandelt worden. Beschlossen worden war am 22. Februar 1694 eine Summe von 10.000 Pfund für Secret Services jähr lich, zu der allerdings eine Summe von offenbar variabel einsetzbaren 40.000 Pfund für „contingencies“ trat.77 Nach Marlboroughs Aussage reichte aber dieses Geld kaum aus; König Wilhelm III. habe die Summe aus eigener Kasse in der Regel auf 70.000 Pfund jährlich aufstocken müssen.78 Trotz dieser Unterfinanzierung sei dem Oberbefehlshaber auch zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges (am 27. Januar 1702) nur eine Summe von 10.000 Pfund für intelligence bewilligt worden, von der überdies, so Marlborough, in der Regel ungefähr 3000 Pfund für andere Varia benutzt wurden.79 Der Grund für diese niedrige Summe (die aber vermutlich, jedenfalls nominell, eher 12.000 als 10.000 Pfund im Jahr betrug) sei die Tatsache gewesen, dass von den 40.000 von England gestellten Soldaten nur knapp die Hälfte Briten gewesen s eien (die anderen waren vor allem Iren) und das Parlament darin einen Grund sah, die Summe möglichst niedrig zu halten.80 Der Umstand, dass seine Gegner, die ihm in fast jedem Punkt Lüge, Inkorrektheit etc. nachzuweisen versuchten, diese Summe nicht monierten, scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass in der Tat eher 10.000 als 12.000 Pfund ausgezahlt wurden – genauso wie dafür, dass Marlboroughs Angaben insgesamt zutreffen. 77 Vgl. Cobbett, Parliamentary History, Bd. 5, Sp. 891. Ob die 40.000 Pfund für „contin gencies“ tatsächlich auch für die Beschaffung von Information eingesetzt werden sollten, ist schwer zu beurteilen. Allerdings heißt es in einer Schrift, die Marlborough gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit verteidigte: „Is not the Article of secret Service comprehended in Contingencies, and the principal Part of them? Is not the Money for Intelligence given under the Name of Contingencies, to avoid giving Umbrage to the Enemy?“: A Speech without Doors, 39. 78 Vgl. The Case of his Grace, 7. 79 Vgl. ebd.; siehe auch: Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1088. 80 Vgl. Calendar of Treasury Books, Bd. 18, V–XLVI, online: British History online, http:// www.british-history.ac.uk/report.aspx?compid=84285&strquery=18,328. Hier ist die Rede von 12.000 Pfund jährlich; Marlborough selbst spricht in seinen Verteidigungsschriften von 1711/12 von 10.000 Pfund jährlich; vgl. The Case of his Grace, 12 f.; The Information Against the Duke of Marlborough, 14.
102
Strukturen der Informationsgewinnung
Angesichts dieser unzureichenden Finanzierung, so führte Marlborough weiter aus, habe der König die Idee gehabt, die militärische Informationsgewinnung unter anderem durch einen Teil der an die Verbündeten zu zahlenden Subsidien zu finanzieren – eben dies war einer der Tatbestände, die im Herbst 1711 als Unterschlagung inkriminiert wurden. Darauf wird zurückzukommen sein. Hier reicht der Hinweis, dass (jedenfalls nach Marlboroughs Aussage, und eine andere gibt es nicht) durch die Subsidiengelder ein zusätzlicher Topf für Informationsgewinnung entstand, der ca. 15.000 Pfund im Jahr umfasste.81 Was mit diesem Geld allerdings genau geschah, ist kaum zu sagen. In dieser Hinsicht ist Marlboroughs Einschätzung richtig: Weder die ‚offiziellen‘, vom Parlament beschlossenen Summen für Secret Service noch auch irgendwelche zusätzlichen Summen wurden ordnungsgemäß abgerechnet oder belegt.82 Es verhält sich also mit den Ausgaben für Informationsgewinnung, die Marlborough direkt tätigte, ähnlich wie mit den Geldern, die den Staatssekretären für Secret Service zugestanden wurden. In den Aufzeichnungen des Paymaster der englischen Truppen auf dem Kontinent, Benjamin Sweet, kommt Informa tionsgewinnung praktisch nicht vor.83 Man kann allerdings indirekt erschließen, dass Sweet, der in Amsterdam ansässig war,84 Informanten Geld ausgezahlt hat. So schreibt Marlboroughs Sekretär Cardonnel am 8. Juli 1706 an den Amster damer Buchhändler Louis Renard: „Je vous remercie de la continuation de Vos Memoires dont My Lord Duc est fort content; Vous trouverez cy joint une lettre pour Mons.r Sweet Nôtre Tresorier a Amsterdam, qui Vous payera la Valeur de Cinquante Livres Sterling, dont Vous pouvez disposer comme Vous jugerez a propos.“85
Nur selten, dann aber umso auffälliger, ist in den Quellen direkt davon die Rede, die Entsendung von Spionen in feindliches Kriegsgebiet möge über das Post Office 81 Vgl. Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1082 f.; The Information Against the Duke of Marlborough, 15. 82 Vgl. The Information Against the Duke of Marlborough, 19. 83 Vgl. BL Add. 61135, 14r–92r; BL Add. 61330, 19r–55v; BL Add. 61406. 84 Auch nach der Eroberung großer Teile der südlichen Niederlande wurde es für sinnvoll gehalten, dass Sweet in Amsterdam – also im Zentrum der kontinentalen Finanzgeschäfte – blieb. Er schrieb 1706 deswegen an Marlborough: „let the Armery be in what part of the world soever either in Campagne or in Winter quarters: Amsterdam is the only Exchange in the world to supply them.“ (BL Add. 61406, 135v). 85 BL Add. 61398, 22r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
103
abgerechnet werden; Marlboroughs Sekretär Cardonnel schrieb im Oktober 1710 an John Macky in Dover: „What Expence you may have been at in sending a Man to Dunkirk and Calais for Intelligence of what was fitting out in those ports, My Lord Duke desires you will place to the Acc.t of the Post Office.“86 An dieser Stelle wird deutlich, dass Marlborough für die Bezahlung von Spionage erstens offenbar situativ auf unterschiedliche Finanzierungsressourcen (den Paymaster der Truppen, das Post Office) zurückgriff und damit zweitens die Grenzen z wischen der zentral (in London) und der lokal (in den südlichen Niederlanden) organisierten Spionage verschwimmen. Drittens ist aber eine solche Quellenstelle wenn nicht singulär, dann doch so wenig prominent, dass sie vor allem illustriert, wie schwierig synthetisierende Aussagen über die Finanzierung der Informationsgewinnung bleiben. Vor dem Hintergrund der unklaren Zuständigkeiten, der offenbar bewussten Verschleierung und der daher problematischen Quellenlage gewinnt die Verteidigung Marlboroughs gegen die Korruptionsvorwürfe vom Herbst 1711 einige Plausibilität. Dies heißt nicht, dass Marlborough sich während des Krieges nicht tatsächlich massiv bereichert hat; darauf wird zurückzukommen sein. Wenn die Quantifizierung der Summen, die für Informationsbeschaffung bereitgestellt wurden, sich als schwierig erweist, so ist es doch noch weitaus schwerer, sich genaue Rechenschaft über den Umfang anderer Währungen abzulegen, die zum Einsatz kamen. Denn die eklatante Unterfinanzierung der eng lischen intelligence hing auch damit zusammen, dass es andere Kapitalien gab, in denen Informationsgewinnung entlohnt werden konnte. Wenn intelligence Teil einer Amts- oder Dienstpflicht darstellte, musste sie nicht separat bezahlt werden – und sie gehörte ja zu den offiziellen Aufgaben der Diplomaten. Wenn sie das Medium war, in dem Patronagebeziehungen angebahnt und aufrechterhalten wurden, waren Gunst und Protektion die Währung, in der bezahlt wurde. Die finanzielle Unterversorgung dieses Bereichs dürfte also durchaus einen Grund in dem Bewusstsein haben, dass es in einem gewissen Maße auch ohne Geldzahlung möglich war, Informationsgewinnung zu betreiben. Oder andersherum: Man war gezwungen, auf andere Wege zurückzugreifen, wenn und weil der Bereich der Informationsgewinnung unterfinanziert war. Wofür wurden aber die genannten Summen nun ausgegeben? Im Wesentlichen lässt sich diese Frage beantworten, indem man drei verschiedene Strukturen in den Blick nimmt: erstens eine weitere infrastrukturelle Rahmenbedingung, die die Informationsgewinnung überhaupt erst ermöglichen sollte: die Post; zweitens organisationsförmig strukturierte Informationsgewinnung, die über die Secretaries 86 Cardonnel an John Macky, 30. Oktober 1710, in: BL Add. 61401, 118v.
104
Strukturen der Informationsgewinnung
of State, die Diplomaten und das Militär lief; drittens schließlich ad hoc oder längerfristig funktionierende informelle Netzwerke der Informationsgewinnung. In allen drei Bereichen war Marlborough auf die eine oder andere Weise ein zen traler Akteur, in allen drei Bereichen kooperierte er aber auch mit der Regierung, allen voran mit den Secretaries of State. 3.2.2 Der Herzog liest und schreibt: Briefe als Grundlage von Epistolarpolitik
Briefe sind die hauptsächliche Quellenbasis dieses Buches – und Briefe stellten eine wichtige Infrastruktur dar, insofern sie eine zentrale (mediale) Rahmenbedingung für Marlboroughs Informationsgewinnung bildeten.87 Europa wurde während des Spanischen Erbfolgekrieges mit einem Netz von Korrespondenzen überzogen. Von Jacob van der Poel, als Postmeister im niederländischen Brielle ein Pensionsempfänger der englischen Regierung,88 stammt eine Aufstellung der Briefe, die über diesen Hafen im Laufe der ungefähr sechs Kriegsmonate der Jahre 1703 bis 1709 an Marlborough verschickt wurden und für die van der Poel bezahlt werden wollte. Es ergeben sich zwischen 1300 und 2000 Briefe pro Feldzug.89 Das ist – aus Mangel an weiteren Quellen – nicht seriös hochzurechnen, aber zu Brielle kamen ab 1706 Ostende sowie die gesamte kontinentale Post dazu. Marlboroughs Nachlass umfasst 313 dickleibige Bände, die zum allergrößten Teil Korrespondenz enthalten. Ist dies schon viel Material, ist doch festzuhalten, dass große Teile der Korrespondenz nicht aufbewahrt wurden oder sich aus anderen Gründen nicht erhalten haben. Auch die Briefe, die Marlborough selbst schrieb, sind hier zum größten Teil nicht enthalten – man kann aber von einer ebenfalls stattlichen Größenordnung ausgehen. Der weitaus überwiegende Teil dieser Dokumente stammt aus der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges und enthält die 87 Der Begriff des Mediums wird angesichts der Diffusität seines Gebrauchs hier nur en passant, nicht in einem terminologischen Sinne verwendet; ich spreche eher von medialen Rahmenbedingungen, die Infra-Strukturen für weitere Strukturbildungen (etwa für Netzwerke und Organisationen) bereitstellen. Am ehesten orientiere ich mich dabei an den medientheoretischen Überlegungen etwa von Krämer, Medium, die gegenüber der in der Forschung vorherrschenden, manchmal hypertrophen Betonung der Eigenlogik des Medialen vor allem deren Heteronomie betont. Für eine pragmatische definitorische Annäherung siehe auch Wenzel, Einleitung, 16 sowie: Würgler, Medien, 2. 88 Siehe BPMA, POST 103/1, 17. Juli 1702, 146 f. sowie BPMA, POST 1/3, 30. Juli 1702. 89 Vgl. BL Add. 61348, v. a. 47v; siehe aber auch ebd., 44r–45v, 47r–48v, 89r–89v, 90r–91v,117r– 118v; BL Add. 61130, 34r, 36r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
105
Korrespondenzen mit englischen Politikern: mit Godolphin (wöchentlich, meist öfter), mit den Secretaries (wöchentlich, meist öfter). Weitere Briefpartner sind eng lische Gesandte in ganz Europa, nordniederländische Politiker und Militärs, allen voran Anthonie Heinsius; die südniederländische Regierung nach 1706; Wiener Politiker, aber auch preußische, hannoversche, pfälzische, savoyische und lothrin gische, schwedische und portugiesische Amtsträger und Höflinge; hugenottische Refugiés, schließlich eine große Zahl von Generälen, Festungskommandanten, Soldaten auf dem Kriegsschauplatz. Schließlich finden sich auch Newsletters und Spionagekorrespondenz.90 Marlboroughs vielfältige Korrespondenz entspricht der besonderen Vielzahl seiner Funktionen: Als General benötigte er strategische und taktische Informa tionen, als Diplomat wie als Innenpolitiker politische, militärische, religiöse und kulturelle Informationen. Diese triviale Feststellung ist nur deshalb nötig, weil die (vor allem ältere englische) Forschung dazu neigt, die Diversität von M arlboroughs Funktionen nicht zur Kenntnis zu nehmen und seine Rolle als Kriegsheld ganz in den Vordergrund zu rücken. „To consider Marlborough purely as a general is as misleading as it would be to see, say, Paul McCartney as only a classical composer, Alexander Borodin as just a chemist, or Winston S. Churchill as a simple historian.“91 Die große Bedeutung von Briefen lässt sich aber daneben auf zwei Charakteristika zurückführen. Erstens sind Briefe „Medien der Vergesellschaftung […], in denen soziale Beziehungen über räumliche Distanzen hinweg geknüpft und aufrecht erhalten wurden“92. Briefe erlaubten also eine Ausbildung von Strukturen als dauerhaften Handlungszusammenhängen, weil schriftliche Distanzkommunika tion die einzige Möglichkeit war, die Kooperation zwischen London und den verschiedenen Kriegsschauplätzen zu koordinieren. Nur so war ein europäischer Krieg dieser Größenordnung überhaupt möglich. Daher sind es vor allem brief liche Kommunikationsakte, aus denen im vorliegenden Fall Strukturen entstehen, ja: die die Infra-Struktur für weitere Strukturbildungen darstellen. Briefe sind das Beispiel par excellence für eine „Wirkungschance […] trotz Abwesenheit“93. Der zweite Grund für die Bedeutung brieflicher Korrespondenzen besteht in der generellen Affinität von Schriftlichkeit zu dauerhafter Strukturbildung.94 Mündlichkeit dagegen steht in einem schwierigen Verhältnis zur Ausbildung von 90 Vgl. Catalogue of Additions, 3 f. Siehe auch: Snyder, Introduction. 91 Holmes, Marlborough, 6. 92 Mauelshagen, Netzwerke des Vertrauens, 119. 93 Hengerer, Abwesenheit beobachten, 27. 94 Vgl. Schlögl, Kommunikation, v. a. 178, 207, 217.
106
Strukturen der Informationsgewinnung
Strukturen; diese müssen sich zwar nicht vollständig, aber doch in hohem Maße „gegen Interaktionskommunikation ausdifferenzieren“95. Mündliche Kommunikation erscheint im Hinblick auf Strukturbildungen also als eher defizitär; empirisch ist sie im vorliegenden Fall ohnehin nur sehr begrenzt fassbar. So lässt sich etwa die interne militärische Kommunikation und Informationsgewinnung Marlboroughs vor Ort weitgehend schon deshalb nicht rekonstruieren, weil die Offiziere M arlboroughs 96 Anweisungen mündlich weitergaben. Auch die regierungsinterne Kommunika tion mit englischen Regierungsmitgliedern verlief dann mündlich, wenn Marlborough sich während des Winterhalbjahrs in London aufhielt. Ähnliches gilt für Marlboroughs Informanten am englischen Hof, die vor allem mit seiner Frau Sarah kommunizierten.97 Mündliche Kommunikation war daher mutmaßlich wichtig, ist aber nur im Einzelfall erschließbar. Schriftliche Kommunikation ist gegenüber Mündlichkeit durch eine gewisse Akzentuierung der Informationsfunktion von Kommunikation gekennzeichnet.98 Schon dies macht Briefe für die Untersuchung von Marlboroughs Informationsgewinnung zentral. Allerdings versuchen Briefe oft, eine Mündlichkeitsfiktion aufzubauen; sie verbinden sogar – wegen der Praxis des Vorlesens und der Weitergabe von Briefen – verschiedene Anwesenheitssitua tionen und ermöglichen eine (fiktive) „Interaktion auf Distanz“99. In der neueren Forschung werden Briefe daher als „key vehicle for government, statecraft and diplomacy“100 gedeutet. Damit ist die alte Sicht, die Briefe pauschal als ‚privat‘ klassifizierte,101 überwunden. Stattdessen wird der Brief als zentral für die politische Kommunikation des Ancien Régime interpretiert.102 95 Schlögl, Interaktion und Herrschaft, 120. Mündliche, also Interaktionskommunikation, kann die Kommunikationstrias von Information, Mitteilung und Verstehen nicht ausdifferenzieren. So kann zum Beispiel „die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der Kommunikation nicht einfach vertagt werden“: Kieserling, Kommunikation, 58. 96 Vgl. Scouller, Armies of Queen Anne, 53 f.; zur Umstellung der internen Heereskommunika tion von Mündlichkeit auf Schriftlichkeit im Zuge der allmählichen Etablierung der Generalstäbe im 18. Jahrhundert siehe auch Anklam, Wissen, 38. 97 Vgl. Harris, Passion for Government, 171. Vgl. auch Holmes, Marlborough, 445. 98 Vgl. Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, Bd. 1, 275. 99 Weber, Arkanum, 59. 100 Daybell, New Directions, 1. 101 So noch: Maurer, Briefe; auch bei Schmid, Briefe, 125, heißt es: „Der Brief ist also eine schriftliche Mitteilung persönlichen Inhalts, gewechselt zwischen Partnern, die in rein persönlicher, nicht amtlich oder geschäftlich bedingter Beziehung zueinander stehen – unabhängig davon, ob und welche Ämter oder Funktionen sie anderweitig bekleiden.“ 102 Vgl. Weber, Arkanum, 72. Dass Briefe nicht etwa ein „Privat“-Medium waren, betonen auch: Boutier/Landi/Rouchon, Introduction, v. a. 12 sowie Mauelshagen, Netzwerke des
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
107
Auch der Blick auf die Quellen dieser Studie ergibt, dass eine Klassifizierung der Briefe nach öffentlich und privat, offiziell und inoffiziell, Amtsbrief und Privatbrief zeitgenössisch zwar angelegt war und auch manchmal durchgehalten, aber auch relativ oft unterlaufen wurde. Und doch gab es durchaus ein Bewusstsein für diese Trennung, wenn etwa Marlboroughs Deputy Judge Advocate Henry Watkins in einem Brief an einen Freund die Korrespondenzkonventionen karikiert: „Were you and I divines, lawyers, physitians, sharpers, stockjobbers, pickpockets, or any thing in the world but just what we are, We should take care to let as little of Our profession as possible enter into our Correspondences. I was born as free as any of them, and therefore will exempt my self as much as I can from the servitude custom has so long lain us under. I will not therefore so much as tell you when I receiv’d your last letter, what date it bore, nor whether you honour’d, favour’d or oblig’d me with it.“103
Dass Amts- und Privatkorrespondenz in der Praxis oft nicht getrennt wurden, ist zum Beispiel schon daran abzulesen, dass zentrale Informationslieferanten Marlboroughs gleichzeitig oft auch anderes lieferten (etwa Luxusgüter) und in ihren Briefen übergangslos zwischen den verschiedenen Lieferungen wechseln konnten: So arbeiteten etwa François Jaupain und John Lawes – zwei Personen, die noch eine große Rolle spielen werden – auch als Zwischenträger für Geld und Waren wie Spiegel oder gar Tee.104 Auch der Rotterdamer Kaufmann Etienne Caillaud, Organisator eines zentralen Spionagerings, lieferte gleichzeitig Wein an die englischen Generäle und auch an Marlboroughs Hauptquartier.105 Die für das spätere 18. Jahrhundert verwaltungsgeschichtlich charakteristische Entwicklung, dass als Folge formaler Organisation in der Regel ein Schriftstück Nachrichtenaustauschs. Zu frühneuzeitlichen Briefen siehe auch: Furger, Briefsteller, sowie die Materialien der großen, vor allem auf gelehrte Korrespondenz abzielenden Onlineplattform „Cultures of Knowledge. Networking the Republic of Letters, 1550 – 1750“ (http://www.culturesofknowledge.org/) sowie die digitale Zeitschrift „Lives and Letters. A journal for early modern archival research“ unter http://journal.xmera.org/. 103 Henry Watkins an Horatio Walpole, 19. Juni 1710, BL Add. 38500, 255r. Zu Watkins siehe: Frey/Frey/Rule, Introduction, XV–XVI. Watkins karikiert hier etwa die allenthalben zu beobachtende und z. B. Diplomaten eingeschärfte Regel, wegen der Unkalkulierbarkeit der Post den Briefempfang zu bestätigen. 104 Vgl. BL Add. 61348, 54v u. 63r. Auch seine Frau bat der Herzog um die Beschaffung von Tee „that is fitt to be drunk“ – offenbar war der in Flandern erhältliche Tee ungenießbar. Siehe Marlborough an Sarah, 10./21. April 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 417. 105 Vgl. BL Add. 38710, 100r, 119v; BL Add. 61399, 141v.
108
Strukturen der Informationsgewinnung
nur ein Thema behandelt und damit formale und informelle Kommunikation getrennt werden,106 ist hier also noch nicht zu beobachten: „In einer nicht differenzierten Verwaltung ohne Ablaufroutinen kann man nicht sinnvoll zwischen formalen und nicht-formalen Kommunikationen unterscheiden. In einer zentralen Registratur dagegen verschwinden die nicht formalen, nicht dienstlichen Kommunikationen aus den Akten.“107
Doch wie sah Marlboroughs Umgang mit Briefen aus? Die Situation im Feldlager wird nicht häufig thematisiert und ist schwer zu rekonstruieren. „It remains difficult to make out what he actually did as a commander in the field on a day-to-day basis.“108 Marlboroughs „Stab“ bestand aus einer unklaren Zahl von Personen, die verschiedene Aufgaben wahrnahmen. Militärhistoriker rekonstruieren 20 bis 40 Ämter und Aufgaben, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass neben dem Feldprediger und Chefpropagandisten Francis Hare und dem Deputy Judge Advocate der Armee, Henry Watkins, vor allem zwei Mitarbeiter zentral sind: Marlboroughs Quartermaster-General William Cadogan und sein Privatsekretär Adam de C ardonnel.109 Cadogan war für Rekognoszierung, Nachschub und Logistik zuständig; gleichzeitig war er der verantwortliche Offizier, wenn Marlborough (im Winter oder sonst) nicht bei der Armee war.110 Marlboroughs Privatsekretär Cardonnel war hugenottischer Abstammung und nicht nur für die 106 Vgl. Meier, Niklas Luhmanns Systemtheorie, 142. 107 Ebd., 136. 108 Guy, John Churchill, 105. 109 Vgl. Kemp, Weapons and Equipment, 9 f.; Scouller, Armies of Queen Anne, 57 u. 61, Anm. 2. Das Oxford Dictionary of National Biography hat zwar einen Artikel zu Marlboroughs Stab, versteht diesen aber diffus als Gruppe derjenigen „generals and senior civilian officials who played an important supporting role to John Churchill, first duke of Marlborough, in his capacity as commander-in-chief of the British and allied forces in the Netherlands during the War of the Spanish Succession.“: Hanham, Marlborough’s staff. Verstreute Hinweise zum „Stab“ siehe auch in: Fortescue, A Junior Officer, 178 u. 183; Chandler, Marlborough, behauptet, Abb. 32 seines Buches stelle „Marlborough and his staff“ dar. Das abgebildete Gemälde von Pieter van Bloemen und Balthasar van den Bossche (von 1714) zeigt aber, wie die Onlinepräsentation vermerkt, zwar Marlborough, Cadogan und einige Offiziere während der Schlacht von Höchstädt, ist aber kaum eine Darstellung „des Stabes“. Siehe http://www.gac.culture.gov.uk/work.aspx?obj=10131&sid=134689&tb=2. – Zu Francis Hare siehe Metzdorf, Politik. – Die Entwicklung von festeren Generalstäben ist generell eher ein Phänomen, das im Laufe des 18. Jahrhunderts an Bedeutung gewinnt; siehe Nowosadtko, Krieg, 57 f. 110 Vgl. Holmes, Marlborough, 213.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
109
Verbesserung von Marlboroughs dürftigem Französisch, sondern überhaupt für den Großteil seiner Korrespondenz mindestens mitverantwortlich.111 Cardonnels Einfluss auf Marlborough wurde als sehr hoch eingeschätzt; französische Minister meinten zu wissen, „qu’il est absolument necessaire de persuader le secretaire pour réussir aupres du maître“112. Marlborough selbst bemerkte: „all the business I have with the foraine courts goes thorow his hands.“113 Die Korrespondenten schrieben häufig nicht nur an Marlborough, sondern auch an seinen Privatsekretär: Oft ergab sich so eine gewisse Doppelung der Korrespondenz, wenn Cardonnel an Sekretäre oder nachgeordnete Amtsträger schrieb, an deren Herren Marlborough Briefe sandte (die wiederum von Cardonnel geschrieben wurden). Diese Doppelung hat zweifellos mit Rangfragen zu tun, aber auch damit, dass klar war, dass Cardonnel die wichtigen Informationen an Marlborough weitergeben würde.114 Offenbar ließ man organisatorische Probleme eher über Cardonnel laufen, während die im engeren Sinne politischen (natürlich aber auch die repräsentativen) Materien von Marlborough direkt bearbeitet wurden. Cadogan und Cardonnel übernahmen auch Funktionen, die in der Literatur oft als geheimdienstlich klassifiziert werden. Ihre Aufgaben lassen sich annäherungsweise mit Bélys Unterscheidung z wischen einer großräumigen, strategischen Makrospionage und einer kleinräumigen Mikrospionage 115 erfassen: Cardonnel war mit der diplomatischen Korrespondenz befasst und beschäftigte sich also auch mit der Organisation von Spionage; Cadogan war als Quartermaster-General für die Rekognoszierung auf dem Kriegsterrain zuständig. Ob diese Tätigkeiten allerdings sinnvollerweise so vollmundig charakterisiert werden können, wie dies in der Literatur oft geschieht, wird in den folgenden Kapiteln erörtert werden: Cadogan erscheint in der Forschung als „chief of intelligence and master spy“116 111 Vgl. Treasure, Cardonnel, 29 f.; Watson/Wynne, Cardonnel; siehe auch: Snyder, Introduc tion, XXXI f. – Das auch mündlich schlechte Französisch Marlboroughs ist für den Zeitgenossen Voltaire sogar ein weiteres Plus des Herzogs, weil es seine charismatische Überzeugungskraft noch deutlicher hervortreten lässt: „plus d’une fois les états- généraux ayant résolu de s’opposer que le duc de Marlborough devait leur proposer, le duc arrivait, leur parlait en français, langue dans laquelle il s’exprimait très mal, et les persuadait tous. C’est que le lord Bolingbroke m’a confirme.“: Voltaire, Œuvres complètes, Bd. 22, 143. 112 So Chamillart an Torcy, 2. November 1708, in: The Collection of Autograph Letters, Bd. 2, 74. 113 Zitiert nach: Treasure, Cardonnel, 29. 114 Vgl. explizit so: BL Add. 61413, 141r; Letters and Dispatches, Bd. 1, 384. 115 Vgl. Bély, Espions, 230. 116 Watson, Marlborough’s Shadow, XII; siehe auch: Dickson, Cadogan’s Intelligence Service, 161.
110
Strukturen der Informationsgewinnung
oder „Chief of the Staff and Director of Intelligence“117; Cardonnel habe, so kann man lesen, ein „bureau“ unterhalten, das die Spionageinformationen auswertete; auch er war „master spy“118. Cardonnel hatte in der Tat eine (unbestimmte) Anzahl von Mitarbeitern; er selbst spricht von „my people“119. Während Cadogans Informationsgewinnung damit weitgehend vor Ort und überwiegend mündlich stattfand und daher schwer zu rekonstruieren ist,120 waren Cardonnels Aufgaben eng an die infrastrukturelle Rahmenbedingung brieflicher Kommunikation geknüpft. Wenn Marlborough sich auf dem Kontinent aufhielt, las ihm oft, nicht immer, Cardonnel die eingegangenen Briefe vor.121 Es war auch Cardonnel, der in Absprache mit Marlborough die Zirkularbriefe für die Gesandten, die Staatssekretäre und die London Gazette verfasste.122 Dabei wurden auch die individuellen Briefe einem größeren Kreis zugänglich gemacht: Godolphin etwa leitete die Briefe, die Marlborough ihm schickte, in der Regel an Sarah weiter, nachdem er sie der Königin vorgelesen hatte.123 Auch die Briefe an Sarah wurden in der Regel über Godolphin geschickt, wohl, weil das als sicherer galt.124 Lange Zeit war Sarah gleichberechtigt in die Briefwechsel zwischen Anne, Marlborough und Godolphin einbezogen. Zuweilen liefen sämtliche Briefe, auch Sarahs und Godolphins, über die Staatssekretäre.125 Dies war administrativ auch so vorgesehen; insgesamt ergibt sich damit, allerdings vor allem in den Zeiten des politischen Einverständnisses zwischen Marlborough und der Regierung, eine weitgehende Kommunikationsgemeinschaft zwischen Marlborough, Godolphin und den wechselnden Staatssekretären. Dies wird zum Beispiel deutlich, wenn Marlborough dem Secretary Harley unter Bezugnahme auf Godolphin schreibt: „The person I proposed to you to give intelligence does now correspond with my Lord treasurer, so that you will be equally master of his news as if it came directly to yourself.“126
117 Churchill, Marlborough, Bd. 1, 466. 118 Zitate: Rule, Gathering Intelligence, 737; Backscheider, Daniel Defoe, 2. 119 Cardonnel an John Lawes, 14. September 1707, in: BL Add. 61398, 249r. 120 Vgl. Kapitel 3.3.3. 121 Vgl. z. B. BL Add. 38500, 243r; BL Add. 61399, 92r; BL Add. 61394, 45v. 122 Vgl. BL Add. 38500, 273r–274r, 311, 349v. Eine Sammlung dieser Zirkularbriefe findet sich in BL Add. 61403. 123 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 138 u. 184. 124 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 293, Anm. 3. Siehe auch Snyder, Introduction, XVI u. XXXII. 125 Vgl. etwa Harley an Marlborough, 15./26. August 1707, in: BL Add. 61125, 31v. 126 Marlborough an Harley, 9. Mai 1706, in: Letters and Dispatches, Bd. 2, 498 f.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
111
Marlborough selbst schrieb oft, dass seine Hauptaufgabe im Schreiben von Briefen bestehe. So erwähnte er im Frühjahr 1711 gegenüber Harley, der eine Nachricht von ihm nicht erhalten hatte (was auf Probleme mit der Post hinweist): „I was very much surpriz’d to understand from Watkins the letter I immediall writ in answer to that Coll: Guise brought me from your Lordship was not come to your hands, the pen is so seldom out of mine, that I am scarce ever reproached with silence.“127
Man kann erschließen, dass Marlborough nach einem langen Tag oft abends noch eine Vielzahl von Briefen zu beantworten hatte. Zu Beginn des Krieges schilderte er seiner Frau seinen Alltag: „I am a horseback, or answering of letters all day long. For besides the business of the army, I have letters from the Hague, and all places where her Majesty has ministers. So that if it were not for my zele for her (der Königin, M. P.) Service, I should certainly desert, for you know of all things, I doe not love writing.“128
Diese Aussage – „I doe not love writing“ – fällt ins Auge: Offenbar war dem Höfling und General zu Beginn des Krieges noch nicht klar, dass seine Aufgabe in den nächsten zehn Jahren zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Epistolarpolitik bestehen sollte.129 Dies war unter anderem deshalb zentral, weil Marlborough zwar im Winter in London sein konnte, aber eben die Hälfte des Jahres außerhalb Englands verbrachte.130 Cardonnel schrieb einmal: „I have had my pen in my hand these twenty four hours and have still a good deale to write.“131 Selbst seiner Frau schrieb Marlborough manchmal, sie möge ihn angesichts einer Vielzahl noch zu schreibender Briefe davon entbinden, ihr von der Kriegssituation zu berichten, und stattdessen Zeitung lesen: „I have not time to write to you what passes. The publick papers will informe you.“132 127 BL Add. 61125, 132v. 128 Marlborough an Sarah, 6./17. Juli 1702, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 84. Siehe auch den Brief an Harley, 10. August 1704: er habe ihm nicht geschrieben, „having been on horseback almost the whole day“: Letters and Dispatches, Bd. 1, 387. 129 Analog spricht ein neuerer Sammelband von den das Feld des Politischen strukturierenden Funktionen des Briefs als „politique par correspondance“; siehe: Boutier/Landi/ Rouchon (Hrsg.), La politique par correspondance. 130 Vgl. Snyder, Introduction, XXVI. 131 Zitiert nach: Snyder, Introduction, XXXI. 132 Marlborough an Sarah, 29. November 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1153. Siehe auch den Brief an Sarah, 7./18. Juni 1705, in: ebd., Bd. 1, 445: „I am fitter to go to bed then to write.“
112
Strukturen der Informationsgewinnung
Nur selten, dann aber mit einiger Befriedigung, schreiben seine Briefpartner dem Herzog: „I thought it would be some satisfaction to let yr Grace know we have no news“133 – ein Hinweis darauf, dass im Moment weder geschrieben noch gehandelt werden musste. Diese Situation hatte, wenn sie auftrat, in der Regel damit zu tun, dass die Newsletters von den anderen Kriegsschauplätzen noch nicht eingetroffen waren, denn Marlborough, Godolphin und die Staatssekretäre hielten sich jeweils auf dem Laufenden, indem sie dem Briefpartner die Befunde der von ihnen erhaltenen Nachrichten mitteilten.134 „There being no forreign letters since my last, I shall give you very little trouble by this post.“ 135 Doch geschrieben wurde immer – schon um den Adressaten auf dem Laufenden zu halten, dass es keine Neuigkeiten gab, aber auch um den Eingang von dessen Briefen zu bestätigen.136 Zuweilen wird das Lesen und Schreiben bei Kerzenlicht nach einem aufreibenden Tag erwähnt: „my eyes are soe bad that I doe not see what I doe“137. Oft musste das Briefeschreiben wegen anderer Aufgaben kurzfristig unterbrochen und später wieder aufgenommen werden: „You may see by the several dates that I have every day attempted to write, but have been always disturbed.“138 In Einzelfällen, die später noch zur Sprache kommen werden, traten weitere Probleme auf, die mit der Beschaffenheit der Quellen zu tun haben: Der in der Arbeit mit Manuskriptquellen immer virulente Umstand der Unleserlichkeit von Handschriften geriet in einer Situation, in der Informationsgewinnung unter Zeitdruck betrieben wurde, zu einem echten Problem für die Akteure.139 Chiffren und das damit verbundene zeitaufwendige Geschäft der Dechiffrierung, das oft nicht vor Ort geleistet werden konnte, werden s päter ebenfalls ausführlicher behandelt,140 bilden aber auch eine wichtige Eigenschaft der brieflichen Kommunikation und ihrer Konsequenzen für Marlboroughs Alltagspraxis. Im Umgang mit den Briefen, die abgefangen wurden, um kopiert und dechiffriert zu werden, war besondere 133 Hedges an Marlborough, 3. Juli 1705, BL Add. 61121, 179r; siehe auch BL Add. 61122, 19r. 134 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 142 u. 537; ebd., Bd. 3, 1292. 135 Godolphin an Marlborough, 28. März 1710, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1448. 136 Vgl. Sunderland an Marlborough, 12. Oktober 1708, in: BL Add. 61127, 27r: „I have nothing to trouble you with this Post but to acknowledge the favour of y.rs of ye 11th & 13th.“ 137 Marlborough an Godolphin, 19./30. Juli 1703, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 1, 223. 138 Marlborough an Sarah, 24. April 1710, in: Coxe, Memoirs, Bd. 3, 42. 139 Vgl. z. B. Caillaud an Sunderland, 30. August 1707, in: BL Add. 61548, 28r, mit einer Entschuldigung für die unleserliche Handschrift eines Spions. 140 Vgl. Kapitel 3.3.1.3.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
113
Sorgfalt vonnöten: So musste etwa darauf geachtet werden, die Originale – und nicht etwa die angefertigten Kopien – an den ursprünglichen Empfänger weiterzuschicken, um die Interzeption nicht auffliegen zu lassen.141 Wenn, wie schon in der Einleitung zitiert, „Geheimhaltung und Geheimnis aufdeckung zu entscheidenden Faktoren internationaler Politik“ avancierten,142 so hat dies in hohem Maße mit dem Umstand zu tun, dass die Kommunikation zwischen politischen Entscheidungsträgern im Spanischen Erbfolgekrieg auf der Basis von Briefen ablief: „La lettre était une necessité, mais aussi le plus grande risque.“143 Daher ist der Brief besonders geeignet, das Ineinander von Geheimnis und Öffentlichkeit, das die Außenbeziehungen um 1700 charakterisiert, genauer zu betrachten. Beide werden in der jüngeren Forschung nicht als absolute Gegensätze, sondern eher als graduelle Parameter in einer Kommunikationssituation gefasst,144 was es ermöglicht, mit Blick auf den unterschiedlichen Radius verschiedener Kommunikationen „Teilöffentlichkeiten“ zu konturieren.145 In diesem Sinne waren Briefe weder vollständig geheim (geschweige denn privat) noch vollständig öffentlich. In einer Kriegssituation noch mehr als im normalen diplomatischen und politischen Verkehr stellte Briefkommunikation die Akteure vor besondere Herausforderungen und sogar vor eine paradoxe Konstellation: Einerseits ermutigte erst die „Unterstellbarkeit von Geheimhaltung“ briefliche Kommunikation, andererseits besitzt Schriftlichkeit „ein aller Geheimhaltung entgegengesetztes Wesen“.146 Briefe waren zentrales Element politischer Kommunikation, ja, sie stellten sogar eine politische Teilöffentlichkeit her (etwa innerhalb der eng lischen Regierungskreise) – sie waren aber auch unauffällig genug, um sich für 141 Cardonnel an Jaupain, 24. März 1709, in: BL Add. 61400, 127r: „Son Altesse espere que les deux lettres en Chiffre de la Haye ne sont pas des Originaux de crainte que nous ne perdions cette correspondence, qui peut etre d’une grande utilité.“ In einem anderen Fall teilte der Postmaster General John Evelyn Marlborough mit, ein mitgesandter Brief sehe zwar so aus, als sei er von feindlicher Seite geöffnet worden, dies sei aber nicht so – was zeigt, wie präsent die Furcht vor Interzeption war. Siehe Evelyn an Marlborough, 13. Oktober 1710, in: BL Add. 61368, 11v. 142 Kugeler, „Ehrenhafte Spione“, 132. 143 Bély, Espions, 51. 144 Vgl. Hoffmann, ‚Öffentlichkeit‘, 82. 145 Es ist charakteristisch für die konzeptionell wie empirisch komplexe Situation, vor der sich die Öffentlichkeitsforschung gestellt sieht, dass sie häufig auf Begriffe wie eben „Teilöffentlichkeit(en)“ zurückgreifen muss. Siehe nur: Malz, Begriff, 21; Rau/ Schwerhoff, Öffentliche Räume, v. a. 18 – 20; zur Kritik an diesem Begriff: von Moos, Das Öffentliche, 35. 146 Zitate: Simmel, Soziologie, 429 u. Hahn, Geheim, 24.
114
Strukturen der Informationsgewinnung
die Übermittlung geheimer Informationen zu eignen.147 Gerade dies machte sie wiederum anfällig für Geheimnisaufdeckung, und alle Akteure wussten dies und versuchten, sich darauf einzustellen. Dies erforderte ein gewisses Maß an Planung und auch Verwirrungstaktik, aber auch an kontrafaktischem „Geheimhaltungsvertrauen“148. Marlborough etwa schrieb seiner Frau einmal: „[T]hough I dare not to write anything by the post but what I must expect may be seen by the French, so that I cannot give the account which otherways I should of what passes, yet you may, and beg you will lett me have your thoughts of what passes in England, for by the cypher you have the French will not know what you write.“149
Weil Briefe oft geheim bleiben sollten und doch oft öffentlich wurden, neigten manche Akteure dazu, sie zu lesen und dann zu vernichten. Sarah, dies ist schon erwähnt worden, bat ihren Mann darum, ihre Briefe zu verbrennen, sodass sich von ihr so gut wie keine Briefe erhalten haben.150 Marlborough selbst verbrannte öfter potentiell kompromittierende Briefe vor allem innenpolitischer Natur.151 Die materielle Zerstörung des Briefs als „höchste Form des Briefgeheimnisses“152 macht natürlich bestimmte Rekonstruktionen quellenmäßig von vornherein unmöglich, zeigt aber auch die Schwierigkeit für die Akteure selbst, die Notwendigkeiten einerseits der Geheimhaltung, andererseits der politischen Kommunikation auszutarieren. Wie grundlegend Briefe für Marlboroughs Informationsgewinnung waren, mag noch einmal ein beliebig herausgegriffenes Beispiel erhellen: Am 8./19. Mai 1707 schreibt Marlborough an den Treasurer Sidney Godolphin: „Since my last wee have had noe letters from England, nor anything more from Spain. But from Dunkerk we have the ill news of two of our man of war being braught into that place with several marchant men. By letters of the 30th of the last month from Turin, I find Lord Pitterborow was gone from thence, and that he had told the Duke of Savoye he would call upon mee in his way to England. […] I do not send you the news 147 Vgl. Weber, Arkanum, 67 f. 148 Hahn, Geheim, 26. 149 Marlborough an Sarah, 8./19. Oktober 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1127. 150 Vgl. Marlborough an Sarah, 20. April/1. Mai 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 170. 151 Vgl. Snyder, Introduction, XXXIII. 152 Bohn, Ins Feuer damit, 49.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
115
we have from Mons, the postmaster telling me that he sends itt to Lord Sunderland. I beg you will make my excuses to the Queen and Prince that I did not sooner send the enclosed letters.“153
Das Zitat zeigt erstens die zentrale Bedeutung von Briefen für Marlboroughs Alltagspraxis. Zweitens belegt es die inhaltliche Vielfältigkeit seiner Korrespondenzen. Es war wichtig, sich in möglichst viele Richtungen und auf möglichst verschiedene Weisen um Information zu bemühen: in der Kooperation mit oder Konkurrenz zu den Secretaries of State, durch Spione vor Ort, in Zusammenarbeit mit niederländischen Offizieren oder englischen Soldaten, durch die meist kommerzielle Nutzung von Netzwerken. Vor allem aber verweist die zitierte Passage drittens auf die zentrale Bedeutung der Post als wichtiger Infrastruktur, die als Nächstes genauer beleuchtet werden soll. 3.2.3 The safest but also the quickest way: Die Post zwischen England und dem Kontinent
Für Marlboroughs Informationsgewinnung war die Post in mehrfacher Hinsicht zentral. Die Post war erstens alltägliche Informationsinfrastruktur. Dies erscheint trivial, ist aber gerade für die Kriegssituation einschlägig. Zweitens war die Post die Hauptagentur obrigkeitlicher Spionage. Um diesen zweiten Punkt soll es in Kapitel 3.3 gehen – hier sind erst einmal die Rahmenbedingungen des normalen Funktionierens der Post von Interesse. Denn dieses war Gegenstand dauernder Sorge und Reflexion: Waren Briefe verloren gegangen? Auf welchem Weg wurden sie gesandt? Wie alt waren die Informationen, die schließlich ankamen? Was war der optimale Beförderungsweg? Was bedeutete es, wenn Briefe ausblieben? All dies wird aus einem Brief Marlboroughs an den Secretary Hedges vom 2. Juni 1704 deutlich: „Yesterday morning we received five mails from England of the 28th of April, 2nd, 5th, 9th, and 12th past, but I had none from you by the three latter, which makes me conclude your letters have been carried to the Hague or directed some other way, my Lord Treasurer’s and my Lady Marlborough’s letters by those posts being likewise wanting.“154
153 Marlborough an Godolphin, 8./19. Mai 1707, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 2, 771. 154 Letters and Dispatches, Bd. 1, 290.
116
Strukturen der Informationsgewinnung
Angesichts der zentralen Bedeutung der postalischen Briefbeförderung war eine gewisse Selbstreferentialität (also der briefliche Bezug auf vorherige angekommene oder nicht angekommene Briefe sowie auf die Transportwege und deren Stärken und Schwächen) unvermeidlich: „our want of Posts keeps us heer in ignorance“155. Diese Selbstreferentialität resultierte letztlich aus Unsicherheit angesichts einer weithin als kontingent erfahrenen Situation.156 Oben sind bereits die beeindruckenden Zahlen der an Marlborough versandten Briefe erwähnt worden. Eine andere Aufstellung spricht für den kurzen Zeitraum vom 30. Mai 1707 bis zum 22. September 1707 von vielen Hunderten Briefen, die nur über Ostende von England aus an die in den südlichen Niederlanden stehende Armee geschickt wurden.157 Eine ältere Darstellung zur Postgeschichte spricht von einen „first major postal service for an army overseas“, der im Spanischen Erbfolgekrieg eingerichtet worden sei.158 Von der Post waren aber nicht nur Regierungen und Armeen, Händler und Untertanen, sondern zum Beispiel auch die Zeitungen abhängig: Dies zeigen schon die Titel Londoner Zeitungen um 1700 (Post Man, Post Boy etc.) wie auch die Tatsache, dass ihre Erscheinungstage mit dem Postrhythmus koordiniert waren.159 Überraschend ist, wie stark auch in geheimen oder sensiblen Kontexten die Post genutzt wurde und wie selten außerordentliche Beförderungsmethoden, also vor allem Kuriere, zum Einsatz kamen. Kuriere galten zwar als schneller, doch auch als teuer. Zudem waren sie auffälliger als die reguläre Post und deshalb gefährdet.160
155 Harley an Marlborough, 9./20. November 1705, in: BL Add. 61124, 96r. 156 Siehe auch Blathwayt an Cardonnel, 7. Mai 1703, in: BL Add. 61411, 130r. Für den Bereich der Diplomatie bemerkt Netzloff, Ambassador’s Household, 159, zutreffend: „Diplomatic letters are surprisingly self-referential, and acutely aware of the precariousness of their bureaucratic project: preoccupied with the numbers of letters lost or delayed, the missing gaps in news and intelligence; the deeply personal resentment stemming from having written more often or more fully than one’s correspondent.“ 157 Vgl. BL Add. 61398, 259v–261v: Postage of Letters from England for Officers & Soldiers of the Army in Flanders by the Ostend Packet Boats. 158 Kay, Royal Mail, 151. Je nach Definition wird man diskutieren können, ob es bereits vorher eine Feldpost gab oder nicht. Die meisten Autoren setzen die Entwicklung einer Feldpost eher s päter, z. B. im Siebenjährigen Krieg, an. Vgl. Anklam, Wissen, 83, mit Verweis auf Andreas Gestrich. Daher scheint mir der Hinweis auf den Spanischen Erbfolgekrieg geboten. 159 Vgl. Cottrell, London, 166; zum Zusammenhang von Post und Zeitung siehe grundlegend: Behringer, Im Zeichen des Merkur. 160 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 130 f.; vgl. etwas anders: Ellis, British Communications, 160 f.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
117
Marlborough benutzte zwar öfter auch Kuriere und griff in der Korrespondenz mit der Königin und den Secretaries immer wieder auf die King’s messengers zurück, den offiziellen Kurierdienst, der von den Staatssekretären organisiert wurde.161 Die hohen Kosten für diese offiziellen Kuriere und ihr oft relativ eigenmächtiges Agieren wurden aber von den Staatssekretären mehrfach als Problem identifiziert.162 Allerdings nutzte Marlborough Kuriere oft für die Korrespondenz mit Offizieren, weil die Kuriere das Kriegsgebiet leichter durchqueren konnten, allerdings auch öfter gefangen genommen wurden.163 Dies konnte zur Gefahr für diplomatische Korrespondenzen werden: „I am extreamly uneasy to find by yours that my letters by the messanger were not come to your hands, having written more fully and plainly by that man, than I used to doe, nott thinking there was much danger of his being taken betwixt Helvoetsluys and Brusseles. He was also charged with dispatches for Turin which I fear may bee much wanted there, and were judged proper to bee sent by a messenger for more safety, and more dispatch, but it seems it has proved otherwise.“164
In der Zeit kurz vor seinem Sturz neigte Marlborough dazu, bestimmte sensible Briefe zum Beispiel an seine Frau eher Kurieren als der Post anzuvertrauen, weil er annahm, dass die neue englische Regierung seine Briefe überwache.165 Wenn auch aus Gründen der Vorsicht in Einzelfällen eine Doppelung von Post und Kurier berwiegendem dienst zu beobachten ist,166 war doch insgesamt die Post in weit ü
161 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 142; siehe auch: Wheeler-Holohan, History. Vgl. zur Bezahlung von Kurieren zwischen Marlborough und Anne auch: Calendar of Treasury Books, Bd. 28, 452. 1 62 Vgl. Harleys Kabinettmitschrift von Anfang 1708 (undatiert) mit einem Entwurf für „Regulations & orders directed by Mr Secretary Harley & to be observed by such messengers that come to be allowd by Mr Harley“, in: BL Add. 70338, unpag.; siehe auch die Korrespondenz Sunderlands mit potentiellen Kurier-Kandidaten, die plastisch die Probleme vor Augen führt, in: BL Add. 61596, 97 – 100, 108. 163 Vgl. als Beispiel den Brief des niederländischen Generalmajors Keppel an Marlborough vom 10. September 1706, der schreibt, er berichte noch einmal das, was er schon am Vortag geschrieben habe, weil der Kurier noch nicht zurückgekehrt sei und er deshalb Böses befürchte (BL Add. 61310, 62). 164 Godolphin an Marlborough, 15. Juni 1707, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 820. Vgl. auch: Vaillé, Le cabinet noir, 111. 165 Siehe z. B. Marlborough an Sarah, 11./22. Oktober 1711, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1684. 166 Vgl. den Hinweis darauf im Brief von Harley an Marlborough, 18./29. August 1705, in: BL Add. 61124, 21.
118
Strukturen der Informationsgewinnung
Maße die Infrastruktur, auf die Marlborough und die englische Regierung zurückgriffen und für die sie sich auch engagierten.167 Die Post wurde von den (seit 1690) beiden Postmasters General organisiert, die den Secretaries of State unterstanden. Für die Postmasters wiederum arbeiteten sowohl englische Amtsträger als auch – mit unregelmäßiger Bezahlung oder auf Pensionsbasis – private Akteure, etwa die niederländischen Postmeister.168 Nach der Durchsetzung der kommerziellen, dann aber von den Herrschern mitgetragenen oder mindestens privilegierten Post ab dem 16. Jahrhundert bestand das Hauptproblem um 1700 darin, die Strecken zu optimieren und die Verkehrsfrequenz zu erhöhen.169 Die Geschwindigkeit der postalischen Briefübermittlung erreichte in der Frühen Neuzeit – mit wenigen Verbesserungen bis ins 18. Jahrhundert – bis zu 150 Kilometer am Tag, allerdings nur dort, wo der Pferdewechsel an den Relaisstationen einwandfrei funktionierte.170 Die Post als „System der Raumportionierung“ galt zeitgenössisch als schnell und effizient und dürfte einen entscheidenden Anteil an der Veränderung der Wahrnehmung von Raum und Zeit in der Frühen Neuzeit besessen haben.171 Geschwindigkeit und Zeitgewinn – auch die Geschwindigkeit der Informationsübermittlung – wurde so im Laufe der Frühen Neuzeit nicht nur zu einem Selbstwert, sondern auch zu einem tendenziell erreichbaren Ziel.172 Allerdings dürfte dies die Klagen über die Langsamkeit der Post eher nicht abgeschwächt, sondern noch einmal angefeuert haben.173 Für eine funktionierende Post waren ein Streckennetz, ein System von Relaissta tionen zum Pferdewechsel, exakte Fahrpläne und Karten notwendig, aber auch 167 Vgl. z. B. den Brief des englischen Gesandten in der Schweiz, Stanyan, an Marlborough, in dem dieser um Protektion für die Berner Postmeister, die Brüder Fischer, bittet, die wegen ihrer proalliierten Haltung angefeindet würden: Siehe BL Add. 61145, 122r (29. August 1708). 168 Siehe Ellis, Post Office, passim; Robinson, British Post Office, 77 – 89. 169 Vgl. North, Kommunikation, 4. Siehe zur Postgeschichte v. a. Behringer, Im Zeichen des Merkur; Beyrer, Brieftransport. Siehe auch: Heimann, Neue Perspektiven; ders., Brievedregher. 170 Vgl. Beyrer, Wege der Nachrichtenübermittlung, 67; siehe auch: Gerteis, „Postkutschenzeitalter“. 171 Behringer, Im Zeichen des Merkur, 21. Vgl. auch: Behringer, Veränderung der Raum- Zeit-Relation. 172 Vgl. Behringer, Reisen, 73: „Geschwindigkeit der Kommunikation wurde erst mit dem Beginn der Neuzeit zu einem Wert an sich“. Angaben zur Geschwindigkeit der Post um 1700 bei: Roosen, Age of Louis XIV, 132 f.; Frey/Frey/Rule, Introduction, XXII. Zur Erfahrung von Geschwindigkeit im 18. Jahrhundert siehe: Studeny, L’invention de la vitesse. 173 Zu Einschätzungen der Post durch englische Benutzer des 18. Jahrhunderts siehe: Whyman, Pen and the People, 58 – 64.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
119
einigermaßen ausgebaute Straßen 174 – ein auch für die militärische Logistik viru lentes Problem.175 Über Marlborough ist gesagt worden, er stehe am Anfang der „transition from ‚heroic leadership‘ to the ‚managerial‘ concept of military command“176, habe sich also mehr und umfassender um logistische Probleme gekümmert als Generäle vor ihm; dies gilt ganz sicher auch für seine Bemühungen um eine funktionierende Post. Für Marlborough und die englische Regierung war die Post zwischen England und den nördlichen wie südlichen Niederlanden zentral. Daher wurde hier ein erstaunliches Maß an Engagement aufgeboten, um die Post auszubauen und zu verbessern. Die Postschiffe, die sogenannten packet boats, sind ausgesprochen schlecht erforscht.177 In den Jahren 1697 bis 1699, also nach dem Rijswijker Frieden, war bereits (zum wiederholten Male) eine Postschifflinie zwischen Flandern und England eingerichtet worden.178 Die Verhandlungen vor allem zwischen den Generalpostmeistern Taxis in Brüssel und den Postmasters General in London, Robert Cotton und Thomas Frankland,179 führten im Jahr 1699 zur Einrichtung eines Dienstes, der im Winterhalbjahr z wischen Dover und Ostende fuhr, im Sommerhalbjahr zwischen Dover und Nieuwpoort.180 Diese alternierende Lösung trug der ökonomischen Rivalität z wischen Ostende und Nieuwpoort Rechnung. Ebenfalls wirtschaftliche Ursachen sorgten dafür, dass der flämische Postdienst überhaupt, wenn auch erst nach komplizierten Unterhandlungen, eingerichtet werden konnte: Die Generalstaaten hatten nämlich während des vorigen Krieges die Post von England zum Kontinent monopolisiert. Allerdings war die Postbeförderung über den niederländischen Hafen Brielle nach Flandern langsamer als eine direkte Verbindung. Der englische Unterhändler erläuterte in einem Brief an Cotton und Frankland: 174 Vgl. Beyrer, Mail-Coach Revolution, 375. Siehe auch: Gerteis, Straßen. 175 Vgl. Perjés, Army Provisioning; van Nimwegen, Subsistentie. 176 Phelan, Marlborough, 116. 177 Siehe Grasemann/McLachlan, English Channel Packet Boats, u. Fraser, Intelligence, 60. Für einen späteren Zeitraum vgl. Malet, Packet Boat Age; zu den besser erforschten Postschiffen in die Kolonien siehe: Steele, English Atlantic, 168 – 188. 178 Vgl. für die Zeit vor 1688: Fraser, Intelligence, 60 f. 179 Vgl. Cruickshanks/Harrison, Cotton; Cruickshanks/McGrath, Frankland. Siehe auch: Robinson, British Post Office, 78. 180 Vgl. BPMA, POST 43/1, 6. Oktober 1699. Im September allerdings war schon einmal für Ostende optiert worden; vgl. Cotton und Frankland an Richard Hill, September 1699, in: BPMA, POST 43/1: „Ostend was by all Men agreed to be the better port for the Pacquet boats to go in and out at all tymes of the Tide, and much more convenient for the Passengers, Though Newport might be something nearer.“
120
Strukturen der Informationsgewinnung
„[A]ll the English Letters doe come thro Holland, which are for Brabant, or Flanders: they are alwayes detained in Hollande untill ye next Brabant post departs. By which means ye said English Letters arrive sometimes 3. 4. 5 or 6 days at ye Briel, before they come to Anvers, Bruxelles, & Gand, Bruges & Ostend, to ye great distress & calamity of his Maj.ties armyes, which are all quartered in Flanders.“181
Der englische Postmeister in Amsterdam allerdings hielt die angebliche Langsamkeit des Weges über Brielle für einen Vorwand, einen „trick of the flemmings to gett their paquet Boats again“182. Aber auch er äußerte sich, wie alle Beteiligten, pro domo. 1698 wurde auch ein Vertrag für eine Postschifflinie z wischen Dover und Calais abgeschlossen,183 die aber mit Kriegsbeginn ebenso zum Erliegen kam wie die Verbindung nach Ostende und Nieuwpoort. Schon in diesen Diskussionen der 1690er Jahren war eine Person zentral, die auch während des Spanischen Erbfolgekrieges eine große Rolle spielen sollte: John Macky. Macky, ein engagierter Antikatholik, war seit den frühen 1690er Jahren als englischer Spion tätig gewesen. Zur Belohnung für frühere, aber durchaus auch in der Hoffnung auf weitere Dienste dieser Art wurde ihm aufgetragen, nach dem Rijswijker Frieden den Postdienst von England nach Calais, Ostende und Nieuwpoort zu organisieren. Der Posten eines Coastal Director bot ihm dabei die Möglichkeit, Reisende zu überwachen, den Postmasters General verdächtige Personen zu melden, aber auch selbst Spione zu entsenden.184 Allerdings, und das war Mackys dauerndes Leid, unterstand er zwar den Postmasters und wurde von ihnen auch bezahlt, musste aber die Kosten für seine fünf Schiffe selbst tragen. Diese Public-private Partnership war ein riskantes Geschäft, und in den späten 1690er Jahren und zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges brachte sich Macky daher immer wieder in Erinnerung, weil er sich von der englischen Regierung für seine Dienste finanziell nicht genügend gewürdigt sah.185 Sein Vertrag war am 25. März 1701 verlängert worden: Macky sollte drei 181 Richard Hill an Cotton und Frankland, 17./27. Mai 1697, in: BPMA, POST 43/1. 182 Brief Aglionby, Den Haag, 11. Juni 1697 mit Verweis auf den englischen Postmaster Muilman, in: BPMA, POST 43/1. 183 Vgl. BPMA, POST 46/19. 184 Vgl. Alsop, Macky, John; in den Wertungsperspektiven abwegig: Scott, Secret Services. Siehe auch Mackys eigene apologetische Darstellung in: Memoirs of the Secret Services, v. a. III–XI. 185 Vgl. die Petitionen von 1697 in: Calendar of Treasury Papers, Bd. 2, 11 f. u. 15; Mackys Memorial, ca. 15. Februar 1703, in: Calendar of Treasury Papers, Bd. 3, 112; siehe auch
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
121
Schiffe zwischen Dover und Ostende und Nieuwpoort und zwei zwischen Dover und Calais fahren lassen und dafür 1400 Pfund jährlich erhalten. Er trug im Wesentlichen alle Verluste selbst. Im Kriegsfalle sollte der Vertrag ausgesetzt werden – was dann im Dezember 1702 eintrat. Allerdings waren schon seit Februar 1702 keine Schiffe mehr gefahren.186 Zu Beginn des Jahres 1703 stand Macky also ohne Arbeit und Gehalt da, und auch seine Boote wurden zuerst nicht für andere Zwecke in Betracht gezogen, schließlich aber doch als Beiboote für die Marine benutzt. Auch hier fühlte sich Macky, vermutlich zu Recht, finanziell übervorteilt – wenn er auch aus dem Post Office eine einmalige Pension von 75 Pfund zugesprochen bekam.187 Macky ging zeitweise nach Italien, wo er ebenfalls versuchte, sich als Postschiffunternehmer und englischer Spion zu etablieren.188 1705 jedoch kehrte er nach England zurück.189 Marlborough sicherte ihm seine Unterstützung zu und setzte sich auch beim Secretary of State Harley für ihn ein,190 aber vorerst gab es keinen Posten für Macky. Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges wurden also die Postdienste nach Frankreich, aber auch in die südlichen Niederlande eingestellt. Die Verhinderung von Handel und Kommunikation z wischen Frankreich und den Alliierten war ein zentrales politisches Thema der ersten Kriegsjahre. Bereits im September 1701 hatte Ludwig XIV. den Import britischer Waren verboten, um dem Feind die Nachteile eines Krieges drastisch vor Augen zu führen.191 Damit war, wie John Evelyn bemerkte (oben wurde es bereits zitiert), noch vor der offiziellen Kriegserklärung Mackys Briefwechsel mit dem Under-Secretary John Ellis aus den Jahren 1697 – 1701 in: BL Add. 28884; BL Add. 40772; BL Add. 28886. Für außerordentliche Kurierdienste nach Paris allerdings erhielt Macky am 30. Juni 1699 eine Summe von 73 Pfund, 7 Schilling und 9 Pence zugesprochen, die von den Postmasters General bezahlt werden sollten. Siehe BPMA, POST 103/1. 186 Vgl. den Bericht vom 31. Juli 1712 in: TNA SP 34/19, 55r–56r: The case of the Post Office in relation to the contract with Mr Macky to operate various packet boat services […]. 1 87 Vgl. Godolphin an Frankland und Cotton, 28. August 1703, in: BPMA, POST 103/2, 43 – 44. Siehe auch: Certificate by R[obert] Cotton and Sir Tho[mas] Frankland, Postmasters General, as to the terms of their contract with John Macky, 16. Februar 1702/3, in: TNA SP 34/15, 188r. 188 Vgl. BL Add. 37351, 300r–301r; BL Add. 37352, 44r–v. 189 Vgl. Memoirs of the Secret Services; siehe auch Alsop, Macky, John. 190 Vgl. Marlborough an Harley, 9. Juni 1705, in: Letters and Dispatches, Bd. 2, 87. Vgl. auch die Briefe Mackys an Ellis vom 28. April 1705 und 1. Mai 1705, in: BL Add. 28893, 129 – 131v, wo Macky u. a. auf die Patronage des Herzogs von Shrewsbury verweist („a father instead of a friend“, 131v), aber auch die freundliche Aufnahme durch Marlborough erwähnt. 191 Vgl. Clark, War Trade, 268.
122
Strukturen der Informationsgewinnung
„a Warr in a maner begun“192. Doch auch die englische Regierung verbot ihrerseits den Handel mit dem Feind. Vor allem aber versuchte sie in den Jahren 1702 und 1703, nicht nur den englischen, sondern auch den niederländischen Handel mit Frankreich zu unterbinden. Dieses Thema war eng mit dem Problem der Information verbunden: Der Briefverkehr mit Frankreich bot den niederländischen Kaufleuten die Möglichkeit des Einlösens von Wechseln auf brieflichem Wege.193 In einem Vorschlag, den John Macky zwei Tage vor der Kriegserklärung, am 2. Mai 1702, einreichte, sprach er sich dafür aus, entweder den Postdienst in die südlichen Niederlande aufrechtzuerhalten oder, falls dies unmöglich sei, den Niederländern die Postkommunikation mit Frankreich ebenfalls zu untersagen. Falls dies nicht geschehe, würden wie schon im letzten Krieg auch die englischen Briefe über die Niederlande nach Frankreich gelangen und umgekehrt – „and the only result was that our merchants paid double for their letters; the Dutch had all the benefit of the postage, and their intelligence of all Italian trade and of prices c arried into France at least two days before us“.194
Die englische Regierung verbot also ihren Untertanen diese Praxis und verlangte dasselbe von den Niederländern – die allerdings noch stärker auf den Exporthandel angewiesen waren.195 Dieses Problem heizte die nur verdeckte anti-niederländische Grundstimmung der englischen Bevölkerung wieder an.196 Der Staatssekretär Vernon berichtete dem Herzog von Marlborough im Juni 1702: „[I]f our pacquet Boats have not liberty to goe to France as well as ye Dutch mails do, it will be impossible to stop ye clamors of our people for giving ye dutch so much advantage. We are persuaded yt nothing can give a greater disturbance to France at this time, then a speedy conclusion of this businesse, it being ye Gen.ll opinion here, yt if commerce by letters could be stopt, & ye mony hindred from coming from ye West Indies, France would soon be obliged to comply with reasonable terms.“197 192 Evelyn, Diary, Bd. 5, 477. 193 Vgl. Clark, War Trade, 269; siehe auch: Barrie, Prohibition. 1 94 Mr. Macky’s memorial in relation to the intercourse of letters between England and France, 2. Mai 1702, in: Calendar of State Papers, Bd. 1, 45. 195 Vgl. Auer, Wirtschaftliche Aspekte, 150 f. 196 In der Tat wurde dieses Problem gegen Ende des Krieges in der Tory-Propaganda ausgeschlachtet; siehe Clark, War Trade, 272. 197 BL Add. 61119, 29r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
123
Auch Marlborough glaubte an die Effektivität dieses Mittels, um Frankreich zu schwächen – „it is most certaine there is nothing the French dread soe much as a totall prohibition of commerce by letters“198. Daher bemühte er sich 1702 darum, bei den Niederländern ein Verbot der brieflichen Kommunikation mit Frankreich zu erwirken. Das Ergebnis der komplizierten und langwierigen Verhandlungen war ein Vertrag zwischen England, dem Kaiser und den Niederlanden, der für ein Jahr probeweise das Verbot von Handel und Kommunikation mit Frankreich und Spanien festlegte.199 Die Unterbrechung von Handel und Kommunikation traf Frankreich hart,200 aber sie traf eben nicht nur Frankreich. Die Generalstaaten litten ökonomisch derart unter dem Verbot, dass sie – so fürchteten jedenfalls englische Diplomaten – bereits 1703 kurz davor standen, einen Separatfrieden mit Frankreich abzuschließen.201 Auch der Rotterdamer Kaufmann Etienne Caillaud beschwerte sich im Juni 1703 über die ruinösen Auswirkungen auf die hugenottischen Emigranten in den Niederlanden.202 Selbst 1703/04 wurde das Verbot oft umgangen, und 1704 wurde es nicht mehr erneuert, auch weil sich das kommerzielle Interesse der Engländer immer stärker auf das spanische Kolonialreich verschob und Handelssank tionen gegen Frankreich weniger bedeutsam erschienen.203 Godolphin dachte zu Beginn des Jahres 1709 noch einmal über eine solche Maßnahme nach, um Frankreich zum Frieden zu zwingen: „this stopp of letters will in great measure disable the French from paying their armys, and consequently oblige them more than anything else, to a speedy and good peace.“204 Dies war allerdings gegenüber den Amsterdamer Handelsinteressen nicht durchzusetzen.205 198 Marlborough an Heinsius, 18. Juli 1702, in: The Correspondence 1701 – 1711, 19. Vgl. auch Marlborough an Godolphin, 13./24. Juli 1702, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 88: „I am perswaided it is of all things what would hurt France most.“ 199 Vgl. Clark, War Trade, 271; siehe auch: Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 259. 200 Vgl. BL Add. 61264, 23r–26v: Reflections on prohibition of commerce with France 1703. 201 Vgl. Schnakenbourg, L’indispensable ennemi, 101, Anm. 79. 202 Vgl. Caillaud an James Vernon, 15. Juni 1703, in: Dedieu, Rôle politique, 347. Allerdings hatte sich Caillaud im Juni 1702 selbst für ein Briefverbot ausgesprochen. Vgl. Dedieu, Rôle politique, 344: „C’est le plus grand coup qu’on puisse lui porter, outre que cela privera ses armateurs et ses émissaires de toutes intelligences qu’ils ont en ce pays, et qui nous ont fait tant de tort dans la dernière guerre.“ 203 Vgl. Clark, War Trade, 273. 204 Godolphin an Marlborough, 4. Januar 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1192. 205 Vgl. so: Marlborough an Godolphin, 27. Dezember/7. Januar 1709, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1189. Godolphin war damit allerdings überhaupt
124
Strukturen der Informationsgewinnung
Mit der Schließung der südniederländischen Post wegen des Krieges blieb wie vor 1697 nur der Postdienst über die nördlichen Niederlande bestehen. Das Amt des Postmeisters in den benachbarten niederländischen Häfen Brielle und Hellevoetsluis hatte bereits seit den 1680er Jahren Jacob van der Poel inne.206 Er erhielt eine jährliche Pension von 100 Pfund aus dem Post Office von der eng lischen Königin und hatte drei Aufgaben: den Postverkehr z wischen England und den Niederlanden, den Transport verwundeter englischer Soldaten sowie die Beobachtung verdächtiger Reisender.207 Generell waren die Postmeister und ihre clerks gehalten, Listen der durchreisenden Passagiere anzulegen und sie an die Postmasters General Cotton und Frankland oder an die Secretaries weiterzugeben; auch sollten sie verdächtige Passagiere aufhalten oder festsetzen.208 Von Anfang an waren es drei Themenfelder, die die Korrespondenz van der Poels mit den englischen Staatssekretären, den Postmasters General, dem Herzog von Marlborough oder dessen Privatsekretär Cardonnel dominierten: erstens das Problem der Geschwindigkeit der Post, zweitens das Problem der Sicherheit. Als drittes Problem wurde die Geldfrage diskutiert: Die Post sei zu teuer, obwohl die englische Königin den Großteil der Kosten für die Postboote trage; unterstellt wurde also überzogene Profitgier der niederländischen Postmeister.209 Das Geldproblem erweist sich als zentral, aber nicht wegen des ökonomischen Handelns einzelner Personen, sondern eher wegen der notorischen Unterfinanzierung
nicht einverstanden und sah Großbritannien dadurch gegenüber den Niederlanden enorm benachteiligt: „you are afraid the secrett commerce (as you call it) with France is like to continue. I don’t very well know why it is called secrett. Methinks it is but too open, and I confess it is my opinion that the rest of the Allyes ought to be as open and plain […]“: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1239, Godolphin an Marlborough, 3. April 1709. 206 Vgl. den Brief der Postmasters General an St. John, 3. Juni 1712, in: TNA SP 34/18, 141 – 142. 2 07 Vgl. BPMA, POST 103/1, 17. Juli 1702 (146 f.); BPMA, POST 1/3, 30. Juli 1702. Auch reguläre Soldatentransporte wurden manchmal über die Postschiffe abgewickelt. Vgl. Calendar of State Papers, Bd. 2, 451. Ein Postschiff-Kommandant schilderte die Lage so (Barnaby Burleigh an Frankland und Cotton, 28. März 1707/08, in: BL Add. 61601, 18 – 19): „our vessels are so small, that wee have not any place or room to secure any trunks […] always full of Recruits, and my cabbin of officers and passengers with servants, that it is impossable for me to secure Passengers, Baggage, or things of Bulk.“ Außerdem führen zu oft Kuriere ohne ordentliche Pässe mit. 2 08 Dies wird aus der Korrespondenz Sunderlands mit den Postmasters General deutlich; siehe z. B. BL Add. 61601, 121, 197v–198v; 156r u. passim. 209 Vgl. den Bericht Cardonnels an die Postmasters General, 8. Mai 1710, über die Zustände in Den Haag, in: BL Add. 61401, 19v–20r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
125
des Postschiffdienstes, die die Probleme von Geschwindigkeit und Sicherheit erst hervorbrachte. Für die Zeitgenossen am offensichtlichsten war das Sicherheitsproblem. Van der Poel musste immer wieder auf Klagen über verspätete oder verlorene Post reagieren – und seine Begründung war immer dieselbe: Das Wetter und die Freibeuter s eien schuld, nicht aber die nachlässigen Schiffskommandeure.210 In der Tat war der Ärmelkanal während des Spanischen Erbfolgekrieges ein Kampfplatz für Freibeuter. Der Freibeuterkrieg gilt sogar als „the most important aspect of the war at sea“211, wenn der Ärmelkanal hierbei auch nur einer von mehreren (auch außereuropäischen) Schauplätzen war. Insgesamt verlor die englische Marine während des Krieges einige Tausend Schiffe, die von französischen Freibeutern gefasst oder zerstört wurden.212 Auch ohne exakte Zahlen ist deutlich, dass die Freibeuterei ein massives Problem für die englischen Postschiffe darstellte. Es wurde zu Beginn des Krieges sogar darüber nachgedacht, die Schiffe von einem Konvoi begleiten zu lassen, dies wurde allerdings nicht weiterverfolgt.213 Die Postmeister wurden stattdessen angewiesen, im Notfall die Post ins Meer zu werfen 214 – eine Situation, auf die die Briefschreiber mit dem Wunsch reagierten, wenigstens in Auszügen noch einmal geschrieben zu bekommen, was in den verlorenen Briefen gestanden hatte.215 Die Freibeuter machten also den Ärmelkanal in nicht unbeträchtlichem Maße zum Schauplatz eines Postkrieges, in dem
210 Vgl. van der Poel an Cotton und Frankland, 17. Juni 1705, in: Calendar of State Papers, Bd. 3, 293. 211 Hoppit, Land of Liberty, 112. Zum französischen Freibeuterkrieg siehe v. a. Villiers, Les corsaires du Littoral, 281 – 339. 212 Die Zahlenangaben variieren; sie reichen von 3600 (Bromley, French Privateering War, 299) bis zu über 6000 (Villiers, Les corsaires du Littoral, 315). – Für die von Dünkirchen aus zerstörten Schiffe geht Villiers von 1600 aus; gleichzeitig s eien 16.000 Seeleute gefangen genommen worden: Villiers, Les corsaires dunkerquois, 249. Zur quantitativ weniger starken englischen Freibeuterei siehe: Meyer, English Privateering. 213 Vgl. Cardonnel an van der Poel, 7. Juni 1702 u. 11. Juni 1702, in: BL Add. 61394, 9r; 14r. 214 Vgl. Cardonnel an van der Poel, 7. Juni 1702, in: BL Add. 61394, 9r: „avoir soin en cas de danger, que les Mailles ne tombent point entre les mains des ennemis, et de se tenir tousjours prest de les jetter dans la mer en cas de necessité.“ Siehe auch Cardonnel an Macky, 20. Juni 1710, in: BL Add. 61401, 53r: „I need not tell you that in case of accident the Master of the Packet Boat must be ready to sink it.“ Vgl. auch: Calendar of State Papers, Bd. 1, 614; Calendar of State Papers, Bd. 4, 80 u. 255 f. 215 Vgl. z. B. Marlborough an Sarah, 22. Mai/2. Juni 1704, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 308; Marlborough an St. John, 21. April 1711, in: Letters and Dispatches, Bd. 5, 316.
126
Strukturen der Informationsgewinnung
die Alliierten für den Aufbau einer stabilen Postinfrastruktur kämpften.216 Das Problem der Freibeuter war dabei nur eine spezifische Ausprägung der generellen riskanten Konstellation der Post. Neben den Sicherheitsaspekt trat das Problem der Geschwindigkeit. Dieser Punkt scheint trivial, war aber für die zeitgenössischen Akteure zentral.217 Die Postbeförderung war in einem internationalen, sich über große Entfernungen erstreckenden Krieg das Zeitmaß, ja sogar die kleinste Zeiteinheit für politisch- diplomatisches Handeln und wurde auch zum Terminus für eine bestimmte Dauer. Dies wird deutlich, wenn Marlborough etwa meint, „in a post or two“ genauere Lageeinschätzungen liefern zu können.218 „If we have no ill news from France by the next post, we shall have good reason to hope it goes well for us.“219 Die eng lischen Politiker in London genau wie die Militärs in Flandern klagten über die Langsamkeit der Postbeförderung (und unterstellten oft Schlampigkeit der Postmeister).220 Geklagt wurde aber auch über die Weiterverschickung von Brielle an die Armee, die zu lange dauere: Cardonnel etwa beschwerte sich – wohl im Auftrag Marlboroughs –, dass die niederländischen Generäle ihre Briefe bereits mittags, der englische Stab aber erst abends erhalte.221 Um Abhilfe zu schaffen, experimentierten van der Poel und andere niederländische Postmeister mit Expresskurieren sowie unterschiedlichen Wegen zwischen Brielle und der Armee.222 216 Vgl. auch: Bély, Espions, 138: „dans la zone des combats, les courriers et la poste étaient souvent menacés, contre toutes les conventions.“ 217 Vgl. auch Roosen, Age of Louis XIV, 129 – 134. 218 Marlborough an Godolphin, 12./23. Juni 1707, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 2, 815. 219 Marlborough an Godolphin, 9./20. Mai 1706, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 1, 543. Der Abtransport der Post war zudem eine Zäsur im Alltag: Vgl. Marlborough an Sarah, 20. Juni/1. Juli 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 209: „I am told that the post is a going, soe my dear soull farwell.“ 220 Dies betraf auch die Post nach Den Haag – auch hier wurde „negligence of your people in Harwich“ beklagt; vgl. Cardonnel an Frankland, 12. April 1709, in: BL Add. 61400, 130v. – Rhetorisch kompensiert wird die Langsamkeit der Postbeförderung, wenn etwa Harley, im Sinne des aere perennius, die Langsamkeit der Post mit der Dauerhaftigkeit von Marlboroughs Ruhm vergleicht: Die Informationen über Marlboroughs Erfolge kämen zwar spät, würden aber dafür die Zeiten überdauern. Vgl. Harley an Marlborough, 18./29. April 1707, in: BL Add. 61124, 166r. 221 Vgl. Cardonnel an Van der Poel, 12. Juli 1702, in: BL Add. 61394, 55r. 222 Vgl. van der Poel an Marlborough, 13. Juni 1702, in: BL Add. 61336, 140r–v; ders., Proposall about the Dispatche off Mylord Dukes and other letters from and for England directed to her Majestys Forces to and from the Army in the year 1705, in: BL Add. 61366, 148r–v; siehe auch die Denkschrift des Utrechter Postmeisters Herman Cignet in: BL
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
127
Vor allem die Nichtplanbarkeit der Postgeschwindigkeit machte den eng lischen Politikern zu schaffen: Briefe überkreuzten sich ständig, weil die Postschiffe sich verzögerten oder wichtige Briefe nicht mehr mitnehmen konnten.223 Daher musste in den Briefen immer darauf Bezug genommen werden, welche Briefe der Gegenseite bereits angekommen waren und welche nicht.224 Wenn die Kapitäne auf beiden Seiten des Kanals permanent aufgefordert wurden, auf relevante Post der Regierung oder der Armee zu warten, musste dies systematisch zu Verzögerungen führen. Die Postmasters General hielten in der Tat auf Anweisung der Staatssekretäre die Postschiffe häufig zurück.225 Auch Marlborough neigte dazu, die Brieller Boote auf seine Post warten zu lassen, doch sein Sekretär Cardonnel hielt dies für keine gute Praxis. Während es Marlborough im Sinne eigener Imagepflege offenbar für zwingend erachtete, dass die englische Regierung so rasch wie möglich von seinen militärischen Aktionen erfuhr, war es Cardonnel wichtiger, dass der Postdienst überhaupt funktionierte: „’tis contrary to My inclinations if they are stopt, for I am never easy till the Letters are gone, however His Grace desires the Mailes may not go off without our Dispatches, because it would putt them under apprehensions at home, and occasion many fals reports.“226
Add. 61336, 142r–v. Auch während des Donaufeldzugs 1704 gab es Überlegungen, die Post zur Armee zu verbessern: Siehe Cardonnel an van der Poel, 3. August 1704, in: BL Add. 61396, 126r–v. Siehe auch den „Plan for connection with Osnabrück by British royal messengers“, der sich in der Korrespondenz Sunderlands befindet: BL Add. 61596, 106r–107v. 223 Vgl. Frankland an Hedges, 21. Oktober 1706, in: Calendar of State Papers, Bd. 1, 242; van der Poel an Hedges, 31. Oktober 1706, in: ebd., 248. Siehe auch Harley an Marlborough, 25. Juli/5. August 1704, in: BL Add. 61123, 42r: „Yesterday we had letters from Holland, but none from yr Graces Camp. I observe that frydays Post from Holland comes away too soon to receive any letters from yr Grace.“ 224 Vgl. als plastisches Beispiel Stepney an Sunderland, 21. April 1707, in: BL Add. 61534, 136r: „Half an hour after I had seen my Lord Duke into his Coach at Utrecht, at 5 this morning, I rec.d by an Express the letters of 5 mails from England, & immediately forwarded to his Grace the Pacquets I had for him wch will have overtaken him at Amersfort; of this I think fit to acquaint your Lordship, that you might be assured y.t letters you have writt to his Grace as far as the 4th Just have been rec.d before the 15 yett out of these provinces.“ 225 Vgl. die Korrespondenz Sunderlands mit den Postmasters General, in: BL Add. 61653, 90 – 213, passim. 226 Cardonnel an van der Poel, 6. September 1708, in: BL Add. 61399, 244r.
128
Strukturen der Informationsgewinnung
Letztlich wäre dieses Problem nur mit mehr Booten zu lösen gewesen – doch die Postdienste blieben dauerhaft unterfinanziert.227 Die Empfänger der Briefe führten die Probleme meist jedoch wiederum auf Nachlässigkeiten der Bootbetreiber zurück: Oft kamen kein Postschiff und keine Post, oft kamen auch mehrere Schiffe auf einmal an.228 Angesichts dieser Unzufriedenheit kündigte Harley an: „I am endevoring to find a way to cure this irregularity of the foreign Post; for we can hardly now have the letters come ’til three or four Packquets come together.“229 Offenbar gab es wiederholt sogar Überlegungen, van der Poel als Postmeister abzulösen, aber sie führten zu keinem Resultat. Dies lag auch an Marlboroughs konstanter Unterstützung für van der Poel: „I find you continue uneasy as to the packet boates. I am ignorant of the methode that might be taken to help itt, but I am very confident the Post Office can never find a man more willing nor diligenter then Van der Pool.“230
Marlborough empfahl sogar mehrfach, van der Poels Post sei englischen Kurieren vorzuziehen, die nicht mit den regulären Postschiffen fuhren, weil die Kuriere Pässe bräuchten, die manchmal schwer zu beschaffen seien.231 227 Vgl. die Hinweise im Brief der Postmasters General an St. John, 26. März 1712, in: TNA SP 34/18, 58r–v. 228 Am 4. Februar 1709 schrieb Marlborough an Boyle, er habe sieben Postlieferungen auf einmal bekommen. Siehe: Letters and Dispatches, Bd. 4, 425. Vgl. auch Marlborough an Hedges, 2. Juni 1704, in: Letters and Dispatches, Bd. 1, 290: „Yesterday morning we received five mails from England of the 28th of April, 2nd, 5th, 9th, and 12th past, but I had none from you by the three latter, which makes me conclude your letters have been carried to the Hague or directed some other way, my Lord Treasurer’s and my Lady Marlborough’s letters by those posts being likewise wanting.“ 229 Harley an Marlborough, 8./19. September 1704, in: BL Add. 61123, 74r. 230 Marlborough an Godolphin, 28. Juni/9. Juli 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 455. 231 Vgl. Marlborough an Harley, 20. Juni 1707, in: Letters and Dispatches, Bd. 3, 425. Vgl. auch: Godolphin an Marlborough, 15. Juni 1707, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 2, 820. Das Problem der Pässe war (für Kuriere, aber auch darüber h inaus) virulent. Vgl. die vielfältigen Passanfragen an Marlborough in: BL Add. 61282. In der Tat hatte z. B. Kaiser Leopold den Taxis’schen Posten aus Flandern ins Reich im April 1705 die Beförderung von Kurieren ohne Pass und Erlaubnis untersagt; vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 267 f. Marlborough selbst sandte wohl öfter Kuriere ohne Pass, die zuweilen vom Feind aufgegriffen wurden. Vgl. Vaillé, Le cabinet noir, 131. Zu Pässen vgl. Bély, Espions, 610 – 653, aber auch: Warneke, Coastal ‚Hedge of Laws‘; Torpey, Invention.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
129
Ein Problem, das die Postmeister beim besten Willen nicht abstellen konnten, war – wie schon van der Poel bemerkt hatte – das Wetter. Vor allem der Wind wurde in der Korrespondenz englischer Politiker und Militärs ständig thematisiert: Er war ein wichtiger Akteur des Krieges und gleichzeitig ein unverfügbarer, kontingenter Faktor, der sich jeder Planung entzog.232 Vom Wind hing unmittelbar die Geschwindigkeit von Information ab. Der jeweils „gute“ und schnelle Wind war schon zeitgenössisch, spätestens seit der Invasion Wilhelms III . im Jahr 1688, als „Protestant wind“ sprichwörtlich.233 Über ihn wurde aber viel weniger gesprochen als über „contrary winds“234. Man könnte seitenweise die immer gleichen Formulierungen zitieren, doch einige Beispiele sollen genügen. Harley schrieb Marlborough im Sommer 1704 nach Bayern: „The winds continue westerly so that we have no packet come in & two are due: all long to heare of yr Grace’s further progress, we have very unfitting returns to make for the news we have from your Grace, you send us accounts of a glorious victory, & we can only returne yr Ld.sp an account of a series of follys committed in Portugal.“235
Die politischen Akteure waren sich über die Bedeutung des Windes sehr wohl im Klaren. Godolphin etwa schrieb aus Windsor an Harley in London, der Wind wehe so stark und aus der falschen Richtung, dass Harley sicher keine neuen Briefe aus dem Ausland erhalten habe: „I hear the wind so strong in my windows here that I have no hope you can have any foreign letters at London, unless from Lisbon, which will not bring much when they do come.“236 Im Herbst 1707 wurde angesichts der Windverhältnisse sogar die Fortsetzung der Parlamentssitzungen verschoben: Harley schrieb Marlborough, der herrschende Westwind verhindere nicht nur die Beförderung von Briefen, sondern natürlich auch von Personen, „and it has been thought proper to adjourne the Parliament (after the Speaker was approv’d) until Thursday next, in hope of either seeing, or hearing from your 232 Akteur war der Wind im Sinne Bruno Latours: „jedes Ding, das eine gegebene Situa tion verändert, indem es einen Unterschied macht, (ist) ein Akteur“: Latour, Eine neue Soziologie, 123. Vgl. auch: Johnson, Mixing Humans. 233 Vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 1, 246. 234 Marlborough an Godolphin, 31. März 1707, in: BL Add. 61109, 21r. Siehe auch Lieutenant- General Cutts an Marlborough, in: BL Add. 61162, 43v: „the contrary winds have been my enimy“. 235 Harley an Marlborough, 11./22. Juli 1704, in: BL Add. 61123, 34r. 2 36 Godolphin an Harley, 4. Juli 1707, in: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 177.
130
Strukturen der Informationsgewinnung
Grace before that day“237. Die Episode illustriert sicher genauso die Bedeutung des Herzogs wie die Bedeutung des Windes. Selbst bei gutem Wind in die richtige Richtung konnte sich die Post verzögern, weil angesichts der geringen Zahl an Postschiffen sich manchmal alle auf der einen – in diesem Fall: der falschen – Seite des Kanals befanden.238 Allerdings klagten die Akteure oft für einige Tage über Unsicherheit darüber, ob nicht doch auch Freibeuter die Boote angegriffen hatten.239 Und wenn bei sehr wichtigen Nachrichten alle Boote auf der falschen Seite lagen, wurde kurzzeitig sogar erwogen, ob die Postmasters General nicht zusätzliche Boote mieten sollten – diese Pläne wurden allerdings oft aus Furcht vor Freibeutern wieder aufgegeben.240 Diese Konstellation zeigt deutlich, dass die beiden Parameter Geschwindigkeit und Sicherheit kaum in Einklang zu bringen waren. Selbst freudige Anlässe konnten zu Klagen über die Postgeschwindigkeit führen. Am 23. Mai 1706 (englische Datierung: 12. Mai) schlug die alliierte Armee die Franzosen bei Ramillies. Marlborough schrieb einen Tag später einen Brief über diesen Sieg an Godolphin; Godolphin erhielt den Brief am 16. Mai abends.241 Diese Geschwindigkeit von dreieinhalb Tagen entsprach ungefähr dem zeitgenös sischen Durchschnitt (Briefe von London nach Den Haag zum Beispiel brauchten im Durchschnitt drei bis vier Tage 242), aber dennoch wurde im Cabinet Council über die Langsamkeit der Post debattiert. Harley notierte in der Kabinettssitzung 237 Harley an Marlborough, 31. Oktober/11. November 1707, in: BL Add. 61125, 70. 238 Vgl. Marlborough an Godolphin, 1./12. Juni 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 438. Siehe auch Harley an Marlborough,14./25. Juli 1704, in: BL Add. 61123, 36r. 239 Vgl. Harley an Marlborough, 12./23. August 1707, in: BL Add. 61125, 27r: „The wind has been fair heer for above two days ’till this morning, & neither of the Holland mails are come in, tho the three from Ostend are, wch makes us suppose that the Boat is either taken or chas’d.“ 240 Vgl. aber Cotton und Frankland an Ellis, 19. September 1703, in: BL Add. 28891, 206r: „There being no Packett boat on this side to carry the Mailes of Tuesday and this night for Holland, wee desire your Directions whether wee should Endeavour to Hire a boat, thou wee beleive it will be very difficult to do, there being many Privateers upon this Coast, wee have bought a new boat to supply the Place of that which was lately taken, but she cannot be ready before Munday if the Prince could spare one of ye light vessells – belonging to the Navy to carry these two Mailes, it would be not only the safest but most Expeditious way of sending them.“ Vgl. auch Under-Secretary Hopkins an die Postmasters General, 5. März 1707/08, in: BL Add. 61653, 131r. 241 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 545 u. 550; siehe auch Luttrell, Brief Historical Relation, Bd. 6, 47. 242 Vgl. Frey/Frey/Rule, Introduction, XXII.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
131
vom 2. Juli 1706 für sich selbst, er müsse „write to quicken the Packet, & examine into the Reason why the good news was so long in going“243. Eine Möglichkeit für eine Verbesserung ergab sich aber eben nach der Schlacht von Ramillies, also ab dem Sommer 1706, und zwar durch die Einnahme Ostendes am 6. Juli. Nach der Regierungsübernahme durch Philipp V. hatte die Familie Taxis ihr Postmonopol in den südlichen Niederlanden verloren. Philipp hatte es an Léon Pajot verpachtet; die Alliierten hatten den Taxis mehrfach garantiert, dass sie ihr Monopol im Falle der Rückeroberung der südlichen Niederlande zurückerhalten sollten. Nach der Schlacht von Ramillies und der Eroberung der südlichen Niederlande 1706 wurde das Postmonopol dann allerdings an François Jaupain vergeben; Pajot musste in die Restniederlande, erst nach Mons, später nach Namur zurückweichen. Jaupain übernahm Pajots Organisation, arbeitete aber eng mit den Alliierten zusammen.244 Die Taxis beschwerten sich, aber erfolglos.245 Mit dieser neuen militärischen Situation ergab sich auch die Möglichkeit eines „shortening of Marlborough’s communications“246, weil jetzt Ostende als schnellere Postverbindung nach England wieder genutzt werden konnte. Was allerdings als Vorteil im Hinblick auf das Problem der Geschwindigkeit erschien, war im Hinblick auf das Sicherheitsproblem ein Nachteil: Denn Ostende benachbart lag der französische Freibeuterhafen Dünkirchen.247 Offenbar war das Problem so wichtig, dass man bereits vor der militärischen Rückgewinnung des entsprechenden Gebiets Pläne für die Verbesserung der Postkommunikation durchspielte. Schon vor dem endgültigen Fall Ostendes hatten die Postmasters General 243 Vgl. BL Add. 70337, 2. Juli 1706. Diskussionen im Cabinet Council über die Post finden sich auch in Sunderlands Aufzeichungen: BL Add. 61498, 36, 100 u. 127. 244 Siehe das apologetische Schreiben Jaupains: Raisons d’estat pour le maintien du commis des Postes du Roy Charles troisieme dans l’armée de ses Hauts Alliez aux Pays-Bas, in: BL Add. 61336, 150 f. Vgl. Vaillé, Post; van Houtte, Les postes; Janssens/Meurrens, Vorstelijke en private post; Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 1, 130 – 133. – Zu den südlichen Niederlanden nach 1706 vgl. Veenendaal, Het Engels- Nederlands condominium. 245 Vgl. den Brief an Marlborough vom 23. September 1706, BL Add. 61365, 19r. 246 Trevelyan, England, Bd. 2, 145. 247 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 547, Anm. 3. Auch Ostende selbst war ein wichtiger Freibeuterhafen gewesen; vgl. Trevelyan, England, Bd. 2, 145. In den Verhandlungen über eine niederländische Barriere spielten beide eine Rolle: Godolphin war der Ansicht, ein Frieden sei nur dann sinnvoll, wenn Ostende nicht den Franzosen in die Hände falle und Dünkirchen zerstört werde, was nach dem Krieg auch geschah. Siehe Godolphin an Marlborough, 16. April 1708, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 2, 955 sowie ebd., Bd. 1, 547, Anm. 3 und 563.
132
Strukturen der Informationsgewinnung
vorgeschlagen, einen direkten Postservice zwischen England und den südlichen Niederlanden einzurichten.248 Der Chronist Narcissus Luttrell berichtet schon im Juli 1706 von der Einrichtung eines zweimal wöchentlich fahrenden Schiffs von Margate nach Ostende.249 Doch bis diese Verbindung stabil war, sollten noch Monate vergehen. Godolphin nutzte sie versuchsweise,250 aber Marlborough dämpfte seine Hoffnungen: „It is certainly the quickest passage, but much the daingerous, so that whenever you write that way, it would be well that you send a copie by the way of Holland. I could wish for the rest of this campagne that the Post Office would regularly send all the letters that are for the army by the way of Holland, for should thay devide them and send some tims by Ostende and some tims by Holland, the letters on this side the watter will be neglected at both places, and so we shall receive them very irregularly.“251
Für den regulären Ostender Postdienst, der in der zweiten Jahreshälfte 1706 aufgebaut wurde, war wiederum John Macky vorgesehen: Die Postmasters Cotton und Frankland hatten schon vor dem Fall Ostendes Boote herstellen lassen und schickten Macky nach Flandern, um mit Marlborough (der ihn wiederum an Jaupain verwies) über die Modalitäten zu verhandeln. Marlborough allerdings wollte die Niederländer in die Diskussion einbezogen wissen; nachdem in Den Haag das Placet gegeben worden war, wurde der Ostender Postdienst in den folgenden Monaten verstetigt.252 Allerdings war Macky in dieser ersten Zeit nur der Organisator des Unternehmens; die Schiffe gehörten ihm nicht. Direkt nach der Aufnahme des Postboot-Dienstes nach Ostende kam es von August bis Oktober 1706 noch einmal zu Irritationen, etwa ob dieser Dienst – angesichts 248 Vgl. Calendar of State Papers, Bd. 4, 157. Die positive Antwort der Königin siehe ebd., 162. Auch Godolphin sprach sich schon im Juni 1706 dafür aus; siehe Godolphin an Marlborough, 11. Juni 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 581 f. 249 Vgl. Luttrell, Brief Historical Relation, Bd. 6, 67. 250 Vgl. Godolphin an Marlborough, 22. Juli 1706, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 1, 629. 251 Marlborough an Godolphin, 29. Juli/9. August 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 635. 252 Vgl. Cotton und Frankland an Hedges, 9. August 1706, in: Calendar of State Papers, Bd. 4, 197 f.; siehe auch ebd., Nr. 1444, 1642, 1655. Zu den Verhandlungen z wischen Jaupain, Macky und dem Ostender Postmeister Bouwens siehe auch Cardonnels Briefe an Jaupain, in: BL Add. 61398, 8. August 1706 (40v–41r); 14. August 1706, 48v; 16. August 1706 (51r).
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
133
der geringen Zahl an Schiffen – Priorität gegenüber der Post nach Portugal haben sollte.253 Am 1. Oktober schlossen die Postmasters General und der südniederländische Staatsrat, jeweils vertreten durch Macky und Jaupain, einen Vertrag über einen zweimal wöchentlichen Dienst, der von Häfen in Kent nach Ostende fahren und von England bezahlt werden sollte. Für die Wege innerhalb der südlichen Niederlande sollten die Niederländer aufkommen.254 Die Boote fuhren üblicherweise montags und freitags.255 Mackys Aufgabe bestand wieder darin, „to settle an Intercourse of Letters directly between England and these Countries“, aber auch „to have a watchful Eye over the Naval Preparations from Time to Time at Dunkirk“, also die französische Aufrüstung in Dünkirchen zu beobachten.256 Macky informierte aus Dover die Postmasters in London auch über Truppenverschiebungen in Flandern und die daraus entstehenden Konsequenzen für die Post.257 Marlborough scheint Ostende von Beginn an zumindest ambivalent gegenübergestanden zu haben. Einerseits sprach er sich im August 1706 dafür aus, mindestens für das laufende Jahr die Post nach wie vor über den gewohnten Weg, also über Brielle, laufen zu lassen, weil diese (noch) ungefähr 24 Stunden schneller sei.258 Andererseits plädierte er im September gegenüber Harley entschieden für einen Ostender Postdienst.259 Zu Beginn, dies wird aus der Divergenz der Voten deutlich, konnte Ostende also selbst im Hinblick auf die Geschwindigkeit nicht mit Brielle mithalten – unter Sicherheitsaspekten konnte es das ohnehin nicht. Es war eher Godolphin, der (auch mit Blick auf den englischen Handel) sehr früh und nachhaltig Ostende favorisierte.260
253 Vgl. Hedges an Cotton und Frankland, 16. August 1706, in: Calendar of State Papers, Bd. 4, 203; siehe aber auch ebd., 236. Cardonnel schrieb am 3. September 1706 an Henry Watkins: „The letter from Brussels was cheifly about the Ostend post, upon the packet- boats being recall’d, but I hope they will be settl‘d again.“: The Collection of Autograph Letters, Bd. 2, 61. Vgl. zu diesem Kontext auch: Letters and Dispatches, Bd. 3, 81, 84 f., 115. 254 Vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 274. 255 Vgl. die Hinweise in: TNA SP 34/19, 35v. 256 Memoirs of the Secret Services, XII f. 257 Vgl. Macky an Cotton und Frankland, 2. Juli 1708, in: BL Add. 61601, 80r. 258 Vgl. Marlborough an Hedges, 9. August 1706, in: Letters and Dispatches, Bd. 3, 68. Siehe auch Cardonnel an Cotton und Frankland, 9. August 1706, in: BL Add. 61398, 43r. 259 Vgl. Marlborough an Harley, 20. September 1706, in: TNA SP 87/2, 512r. 260 Vgl. Godolphin an Marlborough, 13. September 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 678: „our merchants will soon bee very clamorous, if they must be obliged to send all their letters to Holland, when Ostend, is in the hands of our friends.“
134
Strukturen der Informationsgewinnung
Damit war eine primär ökonomische Konkurrenz z wischen Ostende und Brielle etabliert – und auch eine Konkurrenz z wischen den Postmeistern dort oder zwischen dem Brieller Postmeister van der Poel und Macky, der in Dover für die Postboote nach Ostende zuständig war (der Ostender Postmeister Bauwens spielte eine geringere Rolle). Dabei bedienten sie sich unterschiedlicher Strategien, um sich die Londoner Regierung geneigt zu machen: Während van der Poel vor allem auf seine Erfahrung, seine über Jahrzehnte bewiesene Sorgfalt und damit also vor allem auf den Parameter der Sicherheit der Briefbeförderung hinwies 261 und noch 1711 (allerdings erfolglos) versuchte, die englische Regierung zu einer Vorzugsbehandlung für Brielle zu überreden, die Ostende massiv geschadet hätte,262 profilierte Macky sich eher durch Aktionismus und Eigeninitiative. Im Zuge der alliierten Erfolge träumte Macky davon, mittelfristig einen Postdienst in einer französischen Hafenstadt einzurichten, und argumentierte mit der öffentlichen Resonanz eines solchen Schrittes gerade in England: „the verie name of a Seaport Towne though of small consequence will get you more glory in England amongst the trading and common people than ten Wall’d citys.“263 Mackys Initiative war auch nötig, denn der Ostender Postdienst wurde immer wieder harsch kritisiert und lief auch in den Jahren nach seiner Einrichtung nicht reibungslos. Marlborough bestand auch im Jahr 1707 darauf, dass die Briefe, mindestens diejenigen an Generäle und hohe Offiziere, eher über Brielle als Ostende geschickt werden sollten, „till ye Ostend packets are better settled“264. Cardonnel hinterbrachte Macky die Einschätzung der Postmasters, seine Boote seien Schnecken („meer sluggs“), und der Umstand, dass sie immer wieder von Freibeutern gefasst würden, habe wohl vor allem mit „ill sailing“ zu tun.265 Macky selbst beschwerte sich darüber, dass zeitweise ein privates Boot vor seinen Postbooten auslaufe, um die Informationen schneller von der Armee nach England zu bringen. Dieses Boot wurde offenbar von englischen Kaufleuten finanziert, die ebenfalls Briefe erwarteten.266 Macky war sich des Problems bewusst: 261 Vgl. van der Poel an einen ungenannten Secretary oder Under-Secretary, 17. November 1708, in: TNA SP 84/574, 255r–v: „jamais lettres qui me sont venues en main et dont j’ai pris le soin, n’étant égarées ni perdues pendant toutes les guerres; Vous pouvez savoir que toutes les Lettres de Sa Majesté soyent toujours envoyéez en la plus grande sûreté qu’il se puisse être.“ 262 Vgl. Cardonnel an die die Postmasters General, 17. März 1711, in: BL Add. 61401, 168r sowie ders. an dies., 21. April 1711, in: BL Add. 61402, 15r. 263 Vgl. Macky an Cardonnel, 7. Oktober 1710, in: TNA SP 87/4, 588r. 264 Cardonnel an Frankland, 30. Mai 1707, in: BL Add. 61398, 154r. 265 Cardonnel an Macky, 8. Februar 1706/7, in: BL Add. 61398, 135r. 266 Vgl. Macky an einen ungenannten Under-Secretary, 1. Juni 1707, in: TNA SP 34/9, 43r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
135
„[I]f letters are to goe more regularly and quicker by the way of Holland, and this passage is not to Hire extraordinary Boates although almost at no Expence to the Queen, when Mails lye here with a fair wind, then all the Arguments used for this Intercourse are to no purpose“.267
Zwar sei die Ostender Verbindung schon jetzt sehr vorteilhaft für den englischen Handel mit Italien und auch mit Flandern selbst, aber insgesamt müsse etwas geschehen. Schon seit dem Sommer 1706 schlage er folgende Konstellation vor: „I offered to the Postmasters generall at the beginning, and do offer it still, to furnish Boates, seamen, runn all risks, and be at all charges to carry on this correspondence regularly twice a Week, without delay, for two thousand pounds a year.“268
Macky spezifizierte seinen Plan weiter: Die von der Regierung gestellten Schiffe seien zu groß; er schlage von ihm selbst finanzierte kleinere Boote vor. Diese vier Schiffe sollten 20 bis 30 Tonnen schwer sein und mit zehn Mann Besatzung fahren – statt wie bisher 50-Tonner mit 16 Mann fahren zu lassen, die für die Freibeuter viel leichtere Ziele darstellten. Macky versprach, den Weg von Ostende nach Dover mit diesen neuen Booten „in six Hours be the Wind how it will“ zurückzulegen.269 So wurde also ein neuer Vertrag mit Macky abgeschlossen, der später noch einmal bis zum Kriegsende verlängert wurde.270 Und doch: Auch am Ende des Jahres 1707 war Marlborough noch der Meinung, Macky erfülle seine Aufgaben nicht korrekt, und drohte ihm unverhohlen, ihn fallen zu lassen: „I fear it will not be in any bodys power to support your Interest much longer. `tis not only this winter season but most part of the summer the letters came over by four, five and six mailes at a time. You know what you are obliged to by your Contract and I am persuaded I would never engage yourself in impossibilitys, and `tis as certain if all opportunitys were minded the letters might go at least once if not twice a week.“271
267 Macky an Sunderland, 5. Februar 1706/07, in: BL Add. 61601, 169r. 268 Ebd., 169r. Allerdings müsse der englischen Regierung klar sein, dass sie Geld für notfalls zu mietende Zusatzboote bereitstellen müsse; ebd., 170r. 2 69 Macky an Sunderland, 25. Juli 1707, in: BL Add. 61601, 173r–v; Postmasters General an Sunderland, 25. Juli 1707, in: ebd., 174r–v; vgl. auch Sunderland an die Postmasters General, 1. August 1707, in: BL Add. 61652, 29r. 270 Vgl. TNA SP 34/19, 55v und 130v. Mackys Vertrag wurde 1709 verlängert. 271 Cardonnel an Macky, 26. Dezember 1707, in: BL Add. 61399, 49v; vgl. auch Cardonnel an Jaupain, 23. Dezember 1707, in: BL Add. 61399, 46r.
136
Strukturen der Informationsgewinnung
Allerdings passierte: nichts. Weder wurde der Ostender Dienst merklich effektiver, noch verlor Macky seine Stellung. Auch später wurde manchmal darüber nachgedacht, die durch Freibeuter bedrohten Postboote durch einen bewaffneten Konvoi zu sichern, dies wurde aber nie in die Tat umgesetzt.272 Doch wies der Kaiser die Taxis’sche Post im Februar 1708 an, die Berichte der österreichischen Gesandten in London in Zukunft wieder über Den Haag zu transportieren; der kaiserliche Resident Gallas hatte sich über die Unsicherheit und Langsamkeit der Versendung über Ostende beklagt.273 Wichtig war aber neben allen anderen Detailproblemen, dass die Ostender Post direkt im Kriegsgebiet lag und schon deshalb objektiv im Nachteil gegenüber den nordniederländischen Konkurrenten war.274 Vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 1708 gelang es der französischen Armee immer wieder, die Kommunikation der alliierten Armee mit dem Posthafen Ostende zu stören (was sich auch auf Nachschub und Truppentransporte auswirkte). Durch die Flutung von Kanälen wurde zum Beispiel das Gebiet um Ostende und Nieuwpoort überschwemmt.275 Auch ohne feindliche Einwirkungen war die Region öfter Überschwemmungen durch Hochwasser ausgesetzt.276 Dazu kam die Schwierigkeit, die Briefe über die 272 Vgl. das undatierte und anonyme, möglicherweise von Jaupain stammende „Memoire touchant la sureté des Pacquetboats qui servent à transporter les lettres d’ostende en Angleterre“, in: BL Add. 61601, 235 – 241, hier v. a. 235v. Auch der Repräsentant Karls III., Bernardo de Quiros, und der Ostender Bürgermeister baten Marlborough im Sommer 1708 darum, Ostende vor den Franzosen zu s chützen (eine Bitte, die auch den Postdienst betraf ), aber Marlborough legte auf den Schutz Ostendes keinen besonderen Akzent. Vgl. Quiros an Marlborough, 16. August 1708, in: BL Add. 61196, 180 – 183. Siehe den Entwurf der Antwort Marlboroughs ebd., 17. August 1708, 185r. 273 Vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 282. 274 Am 25. März 1707 informierte Sunderland Marlborough über einen Vorschlag George Stepneys (der seit 1706 nicht mehr in Wien, sondern erst in Den Haag, dann zusätz lich in Brüssel diplomatisch tätig war, siehe Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 133 – 135) „in relation to the securing the Packettboats, & the Correspondance between England & Ostend“, der vom Kabinett approbiert worden sei; dieser Vorschlag, dessen Inhalt nicht überliefert ist, wurde aber charakteristischerweise (wohl wegen des Widerstands der Generalstaaten) nicht umgesetzt. Siehe BL Add. 61126, 35r. 275 Vgl. Marlborough an Godolphin, 13./24. September 1708, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1101; Godolphin an Marlborough, 2. Oktober 1708, in: ebd., Bd. 2, 1124; Marlborough an Godolphin, 8./19. Oktober 1708, in: ebd., Bd. 2, 1126. Siehe auch: BL Add. 61127, 19r u. 23r; John Lawes an Sunderland, 8. Oktober 1708, in: TNA SP 77/57, 361r; 363r; 371r. 276 Godolphin hoffte im Oktober 1708, die Überschwemmungen z wischen Ostende und der Armee seien „occasioned more by the Spring tides, than by the enemy“: Godolphin
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
137
Schelde zu transportieren, die zum Teil von den Franzosen kontrolliert wurde.277 Dies betraf vor allem die Kommunikation der Armee mit der südniederländischen Hauptstadt Brüssel.278 Dieses Problem führte dazu, wie Marlborough in einem Brief an seine Frau bemerkte, dass zeitweise nichts Relevantes einem Brief anvertraut werden durfte: „we are obliged to be upon our garde of what we write, if we would not have them know itt, so that you must not expect perticulars as to news.“279 Im harten Januar 1709 waren dann allerdings die Wetterbedingungen in den nördlichen Niederlanden so katastrophal, dass Brielle als Posthafen zeitweise ausfiel und es keine Alternative zu Ostende gab.280 Es ist nicht rekonstruierbar, wer eigentlich die größte Schuld an dem häufigen Nichtfunktionieren der Ostender Post trug. Zu diverse Interessen der Akteure und eine daher zu diffuse Problembeschreibung verhinderten offenbar eine umfassende Neuordnung. Die Konkurrenz z wischen Brielle und Ostende führte aufseiten der englischen Akteure zu permanenten Diskussionen über die Vor- und Nachteile der beiden Routen und zu Experimenten hinsichtlich der Sicherheit und Geschwindigkeit der Post. Während zum Beispiel Godolphin von London aus in hohem Maße daran interessiert war, die direktere und seiner Meinung nach schnellere Verbindung via Ostende zu nutzen, fand Marlborough immer neue Argumente für seine Bevorzugung Brielles, die viel mit seinem Vertrauen in van der Poels Zuverlässigkeit zu tun haben dürfte, aber wohl auch damit, dass Marlborough unmittelbar mit dem schwierigen Kriegsterrain konfrontiert war. Godolphin sah in Ostende „certainly the quicker and I should think the safer way“281, weil auch die Strecke von der Armee an Marlborough, 14. Oktober 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1129. 277 Vgl. Marlborough an Boyle, 27. November 1708, in: Letters and Dispatches, Bd. 4, 323. Siehe auch Cardonnel an John Lawes in Brüssel, 28. September 1708, BL Add. 61400, 2v: „The uncertainty of our letters getting over the Schelde discourages my writing to you“. 278 Vgl. Cadogan an Sunderland, 8. Oktober 1708, in: TNA SP 77/57, 371r. Vgl. auch Cardonnel an John Lawes, 28. September 1708, in: BL Add. 61400, 2v. 279 Marlborough an Sarah, 20. September/1. Oktober 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1107. 280 Vgl. Godolphin an Marlborough, 6. Januar 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1196. Siehe auch Boyle an Marlborough, 11. Februar 1709, in: BL Add. 61129, 35r: „The letters of Tuesday last from Holland are wanting tho the wind has been strong and fair, but I suppose the boats are stopped by the frost wch is returned here wth great violence.“ Ähnliches gilt wohl für den Feldzug von 1710; siehe John Lawes aus Brüssel, 7. Mai 1710, an den Under-Secretary Pringle, in: TNA SP 77/59, 117r. 281 Godolphin an Marlborough, 24. September 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1113; einige Tage s päter ließ Godolphin Marlborough wissen,
138
Strukturen der Informationsgewinnung
zum Hafen kürzer sei. Er betonte also – jedenfalls zeitweise – die Sicherheitsprobleme, die auch mit Brielle verbunden waren,282 legte aber den Hauptakzent auf seinen Eindruck, die Briefe über Ostende würden einen oder zwei Tage schneller arlborough wiederholt dazu in London eintreffen.283 Daher forderte Godolphin M auf, die Verbindung zwischen Ostende und der sich immer weiter in Richtung Frankreich bewegenden alliierten Armee aufrechtzuerhalten. Godolphin schlug vor, die Post nicht über Brüssel, sondern direkt von der Armee nach Ostende zu schicken, was nur zeitweise funktioniert zu haben scheint.284 So wies er Macky an, einen eigenen Berichterstatter über die Verhältnisse der Armee in Gent oder Lille zu installieren, „to have the satisfaction of knowing everything 2 or 3 days sooner than by the Dutch post“285. Macky war von Dover aus tätig und fuhr nur auf den Kontinent, wenn es die Postmasters General, zum Beispiel wegen der wachsenden Entfernung der Armee von Ostende, für nötig erachteten – so etwa während und nach der Belagerung von Lille 1708, als er mit Marlborough die Modalitäten des Postverkehrs zwischen der Armee und Ostende aushandelte.286 auch dessen Sekretär Cardonnel sei dieser Meinung, vgl. ebd., 1114. 282 Vgl. Godolphin an Marlborough, 5. November 1708, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1144; Godolphin an Sarah, 21. November 1708, in: ebd., Bd. 2, 1155. 283 So schreibt Godolphin an Marlborough, 28. Juni 1709, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1297: „to show you the advantage of establishing the posts by Ostend, I have seen this morning a letter of the 1st of July by your camp, whereas our last letters by the way of Holland were but of the 27th.“ Siehe auch ders. an dens., 3. und 6. Juni 1709, in: ebd., Bd. 3, 1274 u. 1277. Die Einschätzung G odolphins scheint diejenige der Londoner Regierung gewesen zu sein; siehe den Brief des Secretary of state Sunderland an den Brüsseler Gesandtschaftssekretär Lawes, 18. April 1710, in: BL Add. 61651, 216v: Ostende „often brings us News sooner than the Dutch Maile“. 284 Vgl. Marlborough an Godolphin, 9./20. Juni 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1280; Godolphin an Marlborough, 13. Juni 1709, in: ebd., Bd. 3, 1281. 2 85 Godolphin an Marlborough, 17. Juni 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1287. Vgl. auch ders. an dens., 23. Juni 1709, in: ebd., Bd. 3, 1290. 286 Vgl. den Bericht der Postmasters General an St. John, 14. April 1711, in: TNA SP 34/15, 66v. Auch nach der Einnahme von Lille sollten drei Postillione zwischen Ostende und Lille beschäftigt werden; Marlboroughs eigene Briefe sollten per Expresskurier befördert werden. Vgl. Calendar of Treasury Papers, Bd. 4, 128 (18. Juli 1709). Der Ostender Postmeister Bauwens hatte sich über Cardonnel vergeblich darum bemüht, die Post zur Armee selbst zu befördern; siehe Cardonnel an Bauwens, 14. November 1708, 5. Februar 1709, in: BL Add. 61400, 40r u. 93v.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
139
Godolphin schrieb mehrfach Briefe parallel über beide Häfen, um zu erkunden, welcher der schnellere sei – „only for the experiment“287. Mit einiger Befriedigung konnte Marlborough ihm antworten: „In yours of the 15 by Ostend, you desire to be informed which came first. Though the winds were very contrary that of the same date by Holland came the first“288 – gestand aber gleichzeitig zu, dass es sich um einen Fehler handeln müsse, da andere Briefe vom gleichen Tag schneller über Ostende eingetroffen s eien. Im Sommer 1710 ließ Godolphin sogar mit schnelleren Booten experimentieren: Ein von dem berühmten Marineingenieur Edward Dummer eigens für diesen Postdienst gebautes Boot namens „Dolabella“ fuhr (mindestens) im Juli und August 1710 zwischen Gravesend und Ostende; Godolphin schien es schnell und sicher zu sein.289 Dass Dummer sich zuvor mit dem Transport nach Westindien befasst hatte, lässt vermuten, dass hier praktische koloniale Erfahrungen auf innereuropäische Schauplätze übertragen wurden. Schon anderthalb Jahre zuvor hatte der Staatssekretär Boyle an M arlborough geschrieben: „the ill success all correspondence had by the common road made one desirous of trying new paths, and my Ld Treasurer did the same.“290 Marlborough stimmte allen diesen Ideen grundsätzlich zu, betonte aber, dass die Ostender Post manchmal schneller, immer aber unsicherer sei. Daraus folge, „that not only the safest but also the quickest way will be by Holand“291. Seine Skepsis gegenüber Ostende war zu Beginn wohl der unzureichenden Sicherheit geschuldet. Am Ende des Krieges fand er, jedenfalls gegenüber seiner Frau, ein weiteres Argument: Macky sei ein Klient Shrewsburys, so schrieb Marlborough im August 1710, und daher sei es angesichts der neuen Tory-Regierung, der S hrewsbury angehörte, möglich, dass Macky seine Post ausspioniere.292 Dieses an sich nicht unrealistische Szenario scheint aber in diesem besonderen Falle eher die Paranoia 287 Godolphin an Marlborough, 15. Juli 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1312. 288 Marlborough an Godolphin, 28. Juli/8. August 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1326. 289 Vgl. Godolphin an Marlborough, 12. Juli 1710; 27. Juli 1710, 20. August 1710, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1566, 1580, 1611. Zu Dummer siehe ebd., Bd. 3, 1566, Anm. 1232; Fox, Ingenious Mr Dummer. 290 Boyle an Marlborough, 30. November 1708, in: BL Add. 61128, 195r. 291 Vgl. Marlborough an Godolphin, 7./18. Juli 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1306. Vgl. auch ders. an dens., 30. Juni/11. Juli 1709, in: ebd., Bd. 3, 1297. 292 Vgl. Marlborough an Sarah, 5./16. August 1710, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 3, 1591. Zu Macky als Klient Shrewsburys siehe auch: HMC Buccleuch, Bd. 2, Teil 2, 746, 785, 788.
140
Strukturen der Informationsgewinnung
des Generals anzudeuten, der seinen Stern sinken sah: Denn Macky war der neuen Regierung nicht wohlgesonnen. Das Problem Ostende oder Brielle wurde bis zum Kriegsende nicht gelöst. Am Ende des Krieges, so geht aus einem Bericht des Post Office hervor, wurden fünf Boote in die nördlichen Niederlande, vier nach Flandern, daneben drei nach Irland, fünf nach Amerika sowie fünf weitere in europäische Häfen unterhalten.293 Als sich aber im Jahr 1711 ein Frieden mit Frankreich abzeichnete, begannen Planungen über eine direkte Postlinie von Dover nach Calais. Trotz des noch anhaltenden offiziellen Kriegszustandes erklärte sich die Königin Anne schon im Februar 1712 dazu bereit.294 Man verfuhr bereits jetzt „as in time of Peace“295: Im August 1712 wurde dementsprechend ein Postdienst nach Calais, aber auch nach Dünkirchen etabliert. Für die Linie nach Dünkirchen, die mit zwei Booten fahren sollte, wurde eines der Boote eingesetzt, die bisher nach Ostende gefahren waren.296 Hier wird wieder das strukturelle Problem der Unterfinanzierung der eigentlich als unabdingbar angesehenen Postschiffe deutlich. John Macky, der als eingefleischter Whig im Allgemeinen und durch die Aufdeckung der geheimen französisch-englischen Friedensverhandlungen von 1711 im Besonderen die neue Tory-Regierung gegen sich aufgebracht hatte,297 verlor (nachdem er zunächst inhaftiert worden war) seinen Posten. Wie im Jahr 1700 stand er vor dem wirtschaftlichen Aus. Er eröffnete einen unprofitablen Postdienst nach Dublin, bevor er sich unter Walpole wirtschaft lich wieder erholte.298 Zusammengefasst zeigt sich bei der Untersuchung des Postschiffdienstes nach Flandern also erstens die Bedeutung, die die Akteure, und auch Marlborough, einer funktionierenden Informationsinfrastruktur beimaßen; zweitens die über die gesamte Kriegsdauer anhaltenden Bemühungen, die Post einem effizienten „infrastructuring“ zu unterwerfen; drittens, dass dies angesichts struktureller Unterfinanzierung und unterschiedlicher Lagebeurteilungen nur sehr partiell gelang; 293 Vgl. An account of the numbers of packet boats employed in the various routes carrying the mails overseas, 19. November 1711, in: TNA SP 34/16, 218r. 294 Vgl. TNA SP 34/17, 132r–v. 295 Postmasters General an Bolingbroke, 9. September 1712, in: TNA SP 34/19, 130v. 296 Vgl. Postmasters General an Bolingbroke, 9. September 1712, in: TNA SP 34/19, 130v. Harley hatte ursprünglich vorgesehen, dass von den vier Ostender Booten nun zwei nach Dünkirchen fahren sollten. Vgl. Harley an Postmasters General, 7. August 1712, in: BPMA, POST 103/2, 223. 297 Vgl. Alsop, Detection. 298 Vgl. Memoirs of the Secret Services, XVIII f.; TNA SP 34/19, 56r.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
141
viertens, dass staatliche und private Akteure hier in unentwirrbarer Kooperation zusammenwirkten, um während des Krieges die Probleme der Sicherheit und der Geschwindigkeit von Information zu lösen; fünftens, dass diese Parameter kaum miteinander in Einklang zu bringen waren. 3.2.4 De quelque usage a Mylord Duc: Der Nutzen der Landkarte
Als viertes Beispiel für die Nutzung von Infrastrukturen soll der Einsatz von Landkarten beleuchtet werden. Infrastrukturen der Informationsgewinnung sind sie insofern, als sich in ihnen Informationen materialisieren und kommunizieren lassen, die für Krieg führende Akteure (auch für Marlborough) von Interesse gewesen sein dürften. Doch vor allem überlieferungsbedingt sind sie quellenmäßig sehr viel schlechter zu greifen als die Postinfrastruktur. Am Einsatz der Kartographie soll im Folgenden vor allem gezeigt werden, wo die Grenzen der Infrastrukturen der Informationsgewinnung lagen, die es besonders notwendig machten, auch auf andere Strukturen – amts- oder netzwerkförmiger Art – zurückzugreifen. Landkarten, so schrieb Christian Weise 1676, spielten im Krieg die Rolle eines Wegweisers oder fast besser: eines Verräters.299 Land- und Routenkarten gehörten bereits seit dem 16. Jahrhundert zu den im großen Stil produzierten Druck erzeugnissen 300 und waren wichtige infrastrukturelle Hilfsmittel: Der Aufstieg von Briefpost und s päter Postkutsche war eng an die Existenz von Landkarten gekoppelt.301 Aus wirtschaftlichen wie administrativen Motiven heraus meinte auch der entstehende Territorialstaat, immer genauere Karten zu benötigen. Karten wurden so, neben der Generierung serieller Daten, zum Instrument der Durchdringung und Beherrschung des Territoriums.302 Die Forschung hat diese Herrschaftsnutzung relativ stark betont und sie oft in den etwas diffusen Foucault’schen Konnex von gelehrtem Wissen und Macht eingeordnet.303 Dazu passt, dass Karten oft 299 Vgl. Weise, Schediasma, 5; deutsche Version: Weise, Interessanter Abriß, 53. 300 Vgl. Würgler, Medien, 16. 301 Vgl. Beyrer, Mail-Coach Revolution, 375; ders., Infrastruktur. Ab ca. 1685 gab es in England benutzbare Straßenkarten, die aus dem Postkontext stammen; siehe Behringer, Communications Revolutions, 360. 302 Vgl. Bitterling, Der absolute Staat; Kagan/Schmidt, Maps; Buisseret (Hrsg.), Monarchs. Zu den technischen Problemen der Kartographie, die in engem Konnex zu Landvermessung und Astronomie stand, siehe: Lindgren, Land Surveys. 303 Vgl. z. B. Edney, Bringing India.
142
Strukturen der Informationsgewinnung
geheim gehalten wurden, nicht publiziert werden sollten (was dennoch zuweilen geschah) und manchmal zum Objekt von Spionage wurden.304 Die Praxis des Kartengebrauchs ist viel schlechter erforscht als ihre Produktion. Natürlich ist die praktische Funktion von Karten für militärische Zusammenhänge bekannt – „Cartography became an instrument of rule in the sixteenth century. It was initially adopted for war“.305 Doch ist gerade für diesen offensichtlichen Zusammenhang die Quellenlage schwierig. Daher müssen verstreute Hinweise aus Marlboroughs Korrespondenz zusammengeführt werden, um auch in dieser Hinsicht größere Klarheit über die infrastrukturellen Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung zu erhalten. Der Spanische Erbfolgekrieg setzte einen kräftigen Impuls zur Produktion und auch zur technischen Verbesserung der Kartographie.306 Wien und Paris waren Zentren der Kartographie. Bekannt sind etwa der kaiserliche Militärkartograph Cyriacus Blödner und sein von 1702 bis 1713 entstandenes Theatrum Belli 307 oder auch die Familie Naudin. Doch haben sich nur wenige im engeren Sinne militärisch relevante Karten erhalten. Dies liegt auch daran, dass die meisten Militärkarten (die eher handgezeichnet als gedruckt wurden und auch nicht für eine Veröffent lichung bestimmt waren) im Feld benutzt wurden, vermutlich dementsprechend aussahen und s päter weggeworfen wurden.308 Die Tatsache, dass militärische Nahaufklärung im 18. Jahrhundert einen so hohen Stellenwert besaß, hatte aber natürlich auch damit zu tun, dass genaue Karten oft immer noch Mangelware waren.309 Das, was sich an Karten erhalten hat, diente oft eher illustrativen oder repräsentativen als militärischen Zwecken.310 Militärkartographie zu erforschen, ist also methodisch besonders heikel; hier gilt noch mehr als sonst die Maxime, dass die historische Methode „auf Versuche hinausläuft, früheres Geschehen hypothetisch so zu rekonstruieren, dass sich die Existenz und die Eigenart der vorhandenen Quellen daraus erklären lassen“.311
304 Vgl. Barber, Procure. 305 Biggs, Putting the State, 380. 306 Vgl. Grenacher, Anfänge, 98 – 109; vgl. auch: Huguenin, Naudin Familiy, 77; Anklam, Wissen, 98 f.; Behringer, Mit der Karte, 84 f. 307 Vgl. Sperling, Militärkartographie, 13 – 16. 308 Vgl. Hellwig, Kartographie, 208. 309 Vgl. Anklam, Wissen, 99. 3 10 Vgl. Grenacher, Anfänge, 75; Brendecke, Imperium, 98. Siehe aber: Aubele, Der Spanische Erbfolgekrieg. 311 Albert, Methodologischer Individualismus, 222.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
143
In Marlboroughs Nachlass sind, anders als bei einigen späteren Heerführern, nur relativ wenige Karten überliefert.312 Einige davon, vor allem sehr großformatige und prächtig gestaltete, dienten repräsentativen oder dokumentarischen Zwecken: etwa eine 90 mal 128 cm große kolorierte Karte der Schlacht von Höchstädt, die nach der Schlacht von Jan van Vianen gezeichnet wurde,313 oder auch die kleinformatigen Karten zu den Schlachten am Schellenberg und von Höchstädt, die die Nouvelle des Cours de l’Europe, ein Haager Periodikum, von Juli bis Oktober 1704 publizierte und die Marlborough aufbewahrte.314 Andere Karten könnten eine repräsentative, aber daneben auch möglicherweise eine instrumentelle Funktion besessen haben. Ihre Funktion erschließt sich nicht unmittelbar: so im Fall einer großen Karte der südlichen und nördlichen Niederlande 315, einer Karte Tirols von 1701316, einer relativ detaillierten Karte Gibraltars 317 oder einer Karte der katalonischen Stadt Lérida 318. Offenbar dienten diese Karten weniger der Kriegssituation vor Ort als einem umfassenderen Überblick gerade über diejenigen Kriegsgebiete, die Marlborough nicht aus eigener Anschauung kannte. Mittels dieser Hilfsmittel konnte er sich die Kriegsschauplätze vor allem in Spanien und Italien wenigstens partiell vor Augen stellen und so eine übergreifende mental map der Kriegssituation konstruieren.319 Operativ einschlägiger waren vier Gruppen von Karten. Zuerst sind dies einige erhaltene Pläne flämischer Städte und Festungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einzelnen Belagerungsaktionen stehen: ein Plan von Roermond 320, eine Karte des französischen Feldlagers in Thines von 1705321, eine Karte von Menin und seiner Umgebung von 1706322, eine Skizze der Belagerung von Menin vom 14. August 1706323, eine Karte der Gegend um Ath von 1706324, eine Karte der Festung von Courtrai, die der niederländische General Ouwerkerk im Dezember 1706 (im Kontext der alliierten Diskussionen 312 Vgl. Lemoine-Isabeau, Les militaires, 25. 313 Vgl. BL Add. 61343 F. 314 Vgl. BL Add. 61265 B, 186, 187, 232, 233. 315 Vgl. BL Add. 61343 D. 316 Vgl. BL Add. 61342, 111 f. 317 Vgl. BL Add. 61343 E. 318 Vgl. BL Add. 61342, 137r–138v. 319 Vgl. dazu: Langenohl, Mental Maps. 320 Vgl. BL Add. 61342, 113r–114v. 321 Vgl. BL Add. 61342, 125r–126v. 322 Vgl. BL Add. 61342, 127r–128v. 323 Vgl. ebd., 129r–130r. 324 Vgl. ebd., 131r–132v.
144
Strukturen der Informationsgewinnung
über die Verteidigung dieser relativ nah an Frankreich gelegenen Festung) an Marlborough schickte 325 und die d iesem offenbar ein plastischeres Bild der Lage vor Ort ermöglichen sollte, sowie die Karte von Stadt und Festung Mons aus dem Jahr 1696, die Marlborough offenbar schon aus der Zeit vor dem Spanischen Erbfolgekrieg besaß und bei der Belagerung von Mons im September 1709 eingesetzt haben könnte.326 Zweitens sind aus dem Kontext des Marsches an die Donau im Frühling 1704 – also einer militärisch spektakulären Aktion, die gleichzeitig auf fremderem Gebiet spielte – eine Reihe von Karten erhalten. Diese Karten scheinen zur Vorbereitung studiert worden zu sein und dokumentieren die Stellung der kaiserlichen und französischen Truppen an der Donau im Jahr 1703 (eine Arbeit eines niederländischen Kartographen)327 oder geben einen kartographischen Überblick über die „Staaten am Rhein von Manheim biss Rastatt“ von 1704, in den Cardonnel noch weitere Spezifika (die Stollhofener Linie als Verteidigungslinie der Alliierten) eingetragen hat.328 Nutzungsspuren dieser Art sind aber noch seltener als Militärkarten ohnehin. Über den tatsächlichen Gebrauch der Karten kann man also nur spekulieren. Die dritte Gruppe umfasst die feindlichen Schlachtordnungen, an die Marlborough auf meist nicht rekonstruierbaren Wegen gelangte und die eine wertvolle Information gewesen sein müssen. Diese Schlachtordnungen konnten textlich oder listenförmig, manchmal aber auch graphisch und kartographisch aussehen. In Marlboroughs Nachlass finden sich die Kopie einer Schlachtordnung des französischen Generals Villars für die Aufstellung der französischen und bayerischen Truppen im Juli 1704329 und eine bayerisch-französische Ordnung „de l’armée de Flandres sous S: A: Elect: de Baviere et Monsg. Le Duc de Vendome“ von 1707330. Wer Marlborough diese Ordnungen besorgte und was damit gemacht wurde, ist nicht rekonstruierbar. In einem anderen Fall aber ist feststellbar, woher die Information kam: Auf eine Schlachtordnung des bayerischen Kurfürsten in Flandern 1705 notierte Cardonnel, er habe sie von Stepney erhalten, dem eng lischen Gesandten in Wien,331 der auch sonst zuweilen wertvolle Informationen 325 Vgl. Ouwerkerk an Marlborough, 2. Dezember 1706, in: BL Add. 61180, 66v–67; zu den Debatten der alliierten Generäle siehe ebd., 52r–63r. 326 Vgl. BL Add., 61343 C. 327 Vgl. BL Add. 61342, 115 f. 328 Vgl. BL Add. 61342, 121r–122v. 329 Vgl. BL Add. 61342, 85 f.; Cardonnel hat fälschlich „1703“ vermerkt. 330 Vgl. ebd., 105r. 331 Vgl. ebd., 94v.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
145
über Max Emanuel beisteuern konnte.332 Das heißt: Manchmal kam der englische Feldherr in den südlichen Niederlanden an die besten Informationen über seinen unmittelbaren Gegner, wenn sie ihm aus Wien geschickt wurden. Die vierte Gruppe schließlich umfasst relativ viele Pläne vor allem der südfranzösischen Küste. Sie gehören in den Kontext der fast jährlich wiederkehrenden, oft eher dubiosen Projekte, die südfranzösische Küste anzugreifen oder von Savoyen aus in Südfrankreich einzufallen.333 Die Autoren waren hugenottische Projektemacher, die ihre Landkarten offenbar als Konkretisierung ihrer schrift lichen Pläne mitsandten; unter den Landkarten findet sich zum Beispiel eine Denkschrift eines gewissen „Ch. P.“ mit einer gezeichneten Karte der südfranzö sischen Küste von 1703334 oder eine italienische Karte Toulons von vor 1707, die auch die französischen Befestigungen anzeigt.335 Die hugenottischen Autoren schickten ihre Projekte an Marlborough, an die Königin oder an die Staatssekretäre.336 Allerdings war Marlborough, was diese oft waghalsigen Pläne anging, immer skeptischer als etwa Godolphin.337 Für die Frage, was militärisch relevante Karten enthielten oder enthalten sollten, gibt eine Werbeschrift, die der Ingenieur Jean Thomas Marlborough irgendwann in den ersten Kriegsjahren zukommen ließ, einige Aufschlüsse.338 An ihr wird aber auch deutlich, dass Kartographie mit kommerziellen Interessen einerseits und Patronagebemühungen andererseits verbunden sein konnte. Thomas stellt sich in seinem Schreiben als langjährigen Mitarbeiter Vaubans vor.339 In der Tat hatte Thomas, obwohl er Protestant war, zwischen 1685 und 1695 mit einer Sondergenehmigung als Ingenieur unter Vauban gedient, war aber danach in eng lische Dienste übergegangen und gehörte zu einer Spezialeinheit von Ingenieuren, die Wilhelm III. bis 1700 unterhielt.340 Militäringenieure wie Thomas waren im 332 Vgl. BL Add. 61338, 12r–14v; Stepney schickte 1704 Informationen über zwei Projekte des Kurfürsten an Marlborough, die von Bedeutung für den Donaufeldzug waren: dass nämlich Max Emanuel vorhatte, nach Linz zu marschieren und mittelfristig den antihabsburgischen ungarischen Rebellen zur Hilfe zu kommen. Stepney hatte selbst diese Information auch evaluiert: „This agrees with the assurances I mentiond by last post to have been given Ragotzi by the Residents of France & Bavaria“: ebd., 12r. 333 Vgl. Hattendorf, England, 150 – 153. 334 Vgl. BL Add. 61258, 175 – 177. 335 Vgl. BL Add. 61342, 133r–134v. 336 Vgl. etwa BL Add. 61648, 1 – 35, 157r–158v, 163r–164v, gezeichnete Landkarte hier 53r–54v. 337 Vgl. Jones, Marlborough, 163; Snyder, Formulation, 149. 338 Vgl. BL Add. 61342, 139r–140r. 339 Vgl. ebd., 140r. 340 Vgl. Virol, Savoirs, 36 – 38.
146
Strukturen der Informationsgewinnung
inblick auf Kartographie, aber auch genereller für die Informationsbeschaffung H vor Ort im 18. Jahrhundert von einiger Bedeutung,341 auch wenn dies im Fall Marlboroughs kaum jemals sichtbar wird. Der Festungsbauingenieur Thomas jedenfalls sandte dem Herzog eine Liste derjenigen Landkarten, die „pourroient etre de quelque usage a Mylord Duc de Marlborough et aux autres Generaux de l’armée des Alliés en cas qu’ils poussent leurs conquetes du coté de la Flandre francoise et du coté de la Lorraine“.342 Thomas bot Stadtkarten von Nieuwpoort, Dünkirchen, Ypres, Calais und anderen Städten sowie eine Landkarte der flämischen Küste an, die er als außerordentlich detailliert anpries: „[A]vec tous les Canaux, les Rivieres, les Ruisseaux […], tous les chemins grands et petits, Les Forts, les chateaux, les Maisons de Campagne, & le principales fermes, avec tous les vilages & hameaux, les bois, les marais, les lacs et les inondations, que les Ennemis y peuvent faire par leurs Ecluses, les lieux deserts, et les Dunes et les camps ou les Armées peuvent camper, et fourager ou lon marque distinctement les lieux ou la cavallerie peut agir et ceux qui ne sont praticables qu’a l’infanterie dans tous lesquels endroits l’auteur a marqué tous les retranchemens & les lignes que les Ennemis y ont fait et les Redoutes et autres ouvrages qu’ils ont construit en divers postes fortifiés Et enfin les bancs, les fosses, les Rades, les anchorages et lieux de dessente.“343
Auch machte Thomas deutlich, dass er bereits im vorherigen Krieg als Kartograph tätig gewesen war. Er offerierte eine Karte, die bereits von 1696 stamme und die er auf Geheiß Wilhelms III . angefertigt habe. Allerdings habe er auch Kopien an Ludwig von Baden und die pfälzischen und hannoverschen Kurfürsten verkauft. Auf dieser Karte s eien, nach dem Wunsch des englischen Königs, „les mouvem.s & les campemens de l’armée des Alliés & de celle des Francois durant ladite année 96“ eingezeichnet,344 die der König wohl nicht nur zur Gedächtnisstütze gewünscht hatte: Es ging wohl auch darum, vorbildhaft das Kriegsgebiet (das ja absehbar auch zukünftig wieder Kriegsgebiet werden würde) zu strukturieren. Was aus Thomas‘ Initiative geworden ist, darüber lässt sich wenig sagen. Es scheint aber, dass Marlborough darauf nicht reagiert hat. Dies wiederum hängt vermutlich damit zusammen, dass Thomas nach 1702 in Marlboroughs Ungnade gefallen war; er hatte sich geweigert, auf Geheiß des Herzogs auf den karibischen 341 Vgl. Anklam, Wissen, 110. 342 BL Add. 61342, 139r. 343 Ebd., 139r. 344 Ebd., 139v.
Infrastrukturen als Rahmenbedingungen der Informationsgewinnung
147
Kriegsschauplatz zu gehen. Damit fiel er aus Marlboroughs Gunst. Der vorgestellte Brief stellt vermutlich Thomas‘ Versuch dar, diese Gunst wiederzugewinnen.345 Aus Thomas‘ Initiative wird daher nicht nur der Versuch von Kartographen deutlich, sich als kommerzielle Lieferanten kartographischer Information anzubieten, die zweifellos nützlich und notwendig war. Deutlich wird aus ihr auch, dass Nütz lichkeitserwägungen (denn Thomas war als Vauban-Schüler sicher sehr nützlich) hinter Normen von Gehorsam und Protektion zurückzustehen hatten. In d iesem Sinne ist Thomas‘ ausführliche Werbeschrift auch ein Gesuch um erneute Patro nage, das allerdings scheiterte. Außer den wenigen erhaltenen Karten dürfte eine Vielzahl tagesaktueller lokaler Karten existiert haben, die nicht überliefert sind und die dem alltäg lichen Vormarsch oder der Rekognoszierung dienten. Aus der Korrespondenz Marlboroughs geht allerdings hervor, dass andere Maßnahmen für mindestens genauso zentral wie Landkarten gehalten wurden. Für die Rekognoszierung des Gebiets und der Erstellung einer mental map des Kriegsschauplatzes war die persönliche Inaugenscheinnahme unabdingbar. 346 Natürlich schickte Marlborough Offiziere zum Sondieren des Terrains. Er erwähnt dies zwar relativ selten, aber vermutlich nur, weil es so selbstverständlich war: Zusammen mit „advices We have from the Enemy“347 (also geheim übermittelten Spionageinformationen oder durch Trompeter überbrachte Befunde) konnte so ein Eindruck von der Lage gewonnen werden – offenbar auch, ohne dass immer Landkarten im Spiel waren. Für dieses mental mapping vor Ort gab es nämlich weitere Hilfsmittel. Diese gehören allerdings eher in den Kontext militärischer Organisation oder informeller Netzwerke und sollen an den entsprechenden Stellen behandelt werden. Infrastrukturen als Rahmenbedingungen für weitere Strukturbildung spannten also das Setting auf, innerhalb dessen Marlboroughs Informationsgewinnung sich abspielte. Geld, Briefe, Post und Karten waren in unterschiedlicher Weise Voraus setzungen für Informationsgewinnung. Sie schufen die Möglichkeit, Informa tionsgewinnung auch auf andere Weisen (in dienst- oder netzwerkartiger Form) zu organisieren; ihre Defizite – dies wird an der Kartographie am deutlichsten – machten dies aber auch erst notwendig.
345 Vgl. Virol, Savoirs, 40 f., v. a. aber Mason/Barber, Captain Thomas, 280 f. 346 Wie schwierig dies aber gerade in einer Schlachtensituation war, schildert plastisch: Keegan, Antlitz des Krieges, 147 – 154. 347 Marlborough an Boyle, 24. Juni 1709, in: TNA SP 87/5, 9v.
148
Strukturen der Informationsgewinnung
3.3 Informationsgewinnung und Organisation In diesem Kapitel wird an drei unterschiedlichen Bereichen die im weitesten Sinne organisations-, amts- und dienstförmige Informationsgewinnung M arlboroughs beschrieben. Es geht also um Informationsgewinnung auf dem Amtsweg. Die Untersuchungsfelder sind der Bereich der politischen Ämter, vor allem der Secretaries of State (1), der Diplomatie (2) sowie des Militärs (3). Während Marlboroughs Informationsgewinnung im letzten, im militärischen Bereich relativ unabhängig von den Bemühungen der englischen Regierung verlief, ist auf den Feldern der politisch und diplomatisch organisierten Spionage eine weitgehende Koopera tion festzustellen. Auf allen drei Feldern ist allerdings auch zu sehen, wie formale Strukturen sich informellerer bedienten oder umgekehrt: wie sich eine Anlagerung informeller Netzwerke an formale Organisationen vollzog. 3.3.1 Marlborough und die Secretaries of State: Kooperation und Konkurrenz 3.3.1.1 „Spionage“ um 1700: Interzeption und Initiative
Die Secretaries of State standen im Zentrum der englischen Informationsgewinnung, im Inneren wie im Äußeren. Marlborough arbeitete in hohem Maße mit ihnen zusammen. Wiederum kann Defoes unveröffentlichte Programmschrift für Harley von 1704 als Führer dienen, um die den eingeweihten Zeitgenossen wohlbekannten Strukturen der durch die Staatssekretäre organisierten Informationsgewinnung zu erhellen. Defoe kannte die Problemlagen; er war selbst als Spion tätig, allerdings nicht auf dem Kontinent, sondern in Schottland.348 Defoe verbindet die zentrale Aussage „Intelligence is the soul of all publick business“ sofort mit der bereits erwähnten Einschätzung, dass der Bereich der Informationsgewinnung in England, im Kontrast zur französischen Monarchie, eklatant unterfinanziert sei.349 Er beklagt, dass die Bemühungen der englischen Regierung um systematisches Wissen über die europäischen Länder – also deren Geographie, politisches System, Regierungsmitglieder, Streitkräfte usw. – nicht hinreichend seien.350 Die beiden Bereiche der landeskundlichen Informationen 348 Vgl. Backscheider, Daniel Defoe. 349 Vgl. Warner, Unpublished Political Paper, 135. 350 Vgl. ebd., 135 f.
Informationsgewinnung und Organisation
149
und der Spionage fließen für Defoe im Begriff der intelligence zusammen. Dieser Bereich, so Defoe, sei eines der wichtigsten, zuweilen aber auch unterschätztesten Tätigkeitsfelder der Secretaries of State. Wichtig sei in der gegenwärtigen Lage die Etablierung von Spionen (die aus Gründen der Unauffälligkeit am einfachsten Kaufleute sein sollten) in Paris, aber auch in den militärisch und politisch zentralen Hafenstädten Toulon, Brest und Dünkirchen.351 Zudem müsse Gegenspionage durch eine effizientere und vorsichtigere Alltagspraxis der englischen Regierungsbüros verhindert werden: „Tis plain the French out do us at these two things, secrecy and intelligence, and that we may match them in these points is the design of the proposall.“352 Defoe illustriert dies an einem Beispiel, in dem auch Marlborough eine Rolle spielt: „I have been in the Secretarys office of a post night when, had I been a French spye, I could ha’ put in my pockett my Lord Nottinghams letters directed to Sir Geo. Rook and to the Duke of Marlebro’ laid carelessly on a table for the doorkeeper to carry to the post. How many miscarriages have happen’d in England for want of silence and secresy!“353
„Intelligence“ und „secrecy“ gehörten zusammen und müssten, so Defoes Plädoyer, von den Secretaries finanziell wie organisatorisch gemeinsam bearbeitet werden. Die Aufgaben der Secretaries im Bereich der Informationsgewinnung waren also vielfältig: Sie bildeten erstens den institutionellen Knotenpunkt, über den die außenpolitische Korrespondenz mit den englischen Diplomaten und allen anderen wichtigen Akteuren lief. „The secretary of state was the focal point of eighteenth-century administration. With the exception of the treasurer, all communications with the sovereign were normally conducted through a secretary of state […] he became in addition the official channel of communication between the queen, the cabinet, and Marlborough.“354
Zweitens oblag den Secretaries die Kontrolle der Armee und der Koordination der verschiedenen Truppenteile – dies allerdings oft in Kompetenzüberschneidungen mit dem Secretary at War (der natürlich parallel auch mit Marlborough
351 Vgl. ebd., 136. 352 Ebd., 137. 353 Ebd. 354 Snyder, Godolphin and Harley, 254.
150
Strukturen der Informationsgewinnung
korrespondierte 355), der Treasury und dem Board of Ordnance.356 An dritter Stelle stand die Organisation der regierungsamtlichen Zeitung, der London Gazette, also die Oberhoheit über die zentrale Informationspolitik und Propaganda.357 Viertens aber, und eng damit verbunden, bestand die Aufgabe der Secretaries im Organisieren von intelligence – wie ja auch die bereits zitierte Frageliste Harleys deutlich macht. Harley benannte dort „Intelligence“, „foreign“ wie „domestic“, als zentralen Tätigkeitsbereich der Secretaries.358 Die Informationsgewinnung lief im Wesentlichen auf zwei Arten ab: Einmal bestand sie im Abfangen und falls nötig Entschlüsseln von Korrespondenz. Diese Form der Spionage, die man vielleicht „Interzeptionsspionage“ nennen kann, war auf feindlichen Briefverkehr angewiesen und insofern reaktiv. Neben der Interzep tionsspionage stand aber der Typus der „Initiativspionage“, bei der aktiv (durch Spione oder Korrespondenten) versucht wurde, Informationen vor allem über den Feind zu erlangen. Diese „Initiativspione“ berichteten dann brieflich, entweder in individuellen Briefen oder auch in geschriebenen Zeitungen, den sogenannten Newsletters. Allerdings gelang es nur selten, Spione im Zentrum feindlicher Behörden oder im Umfeld von Entscheidungsträgern zu platzieren – dagegen war die Interzeption feindlicher Korrespondenz vergleichsweise einfach. Auch war es leichter, Informationen über Flotten- und Truppenstärken zu erlangen als über Strategie oder Taktik. Ein weiterer Vorteil der Interzeption lag in der scheinbaren oder jedenfalls angenommenen Authentizität der Informationen, die durch sie zu gewinnen waren – dies machte eine weitere Evaluation hinsichtlich ihres faktischen Informationsgehaltes weniger dringlich.359 Für die englischen Secretaries lag der Schwerpunkt der Informationsgewinnung also einerseits auf der effektiven Organisation der Interzeptionsspionage, andererseits auf der Organisation eines Systems von handgeschriebenen Newsletters als besonders hochorganisierter Spielart der Initiativspionage. Die Expansion geheimdienstlicher Tätigkeiten gerade in England muss, so stellt eine neuere Studie 355 Vgl. BL Add. 61133. 356 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 65; Scouller, Armies of Queen Anne, 2 – 4. Zum Secretary at War siehe: Burton, Secretary at War; zum Board of Ordnance, das für die Waffenversorgung zuständig war, siehe: Tomlinson, Guns and Government. Marlborough war ab 1702 Master-General of the Ordnance, erklärte aber seiner Frau in einem Brief, dass sein Einfluss auf das Board relativ gering sei, solange er sich außerhalb Englands befinde. Vgl. Marlborough an Sarah, 31. Mai/11. Juni 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 195. 357 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 149; Marshall, Sir Joseph Williamson, 21. 358 Vgl. BL Add. 70334, 1 – 2. 359 Zur Evaluationspraxis siehe Kapitel 4.2.1.
Informationsgewinnung und Organisation
151
heraus, als Antwort auf die zwei relativ neuen Herausforderungen des königlichen Arkanums einerseits durch die Herausbildung politischer Parteien, andererseits durch die Entwicklung einer öffentlichen Meinung bewertet werden.360 Das ist sicher richtig, doch sollte man trotz der Expansion des ‚Geheimdienstes‘ die Schwächen und Geburtsfehler der eben nur partiell ‚staatlichen‘ Spionage nicht zu gering gewichten.361 Abgesehen von der ausdifferenzierten Briefspionage im Post Office blieb die englische Spionage um 1700 hochgradig personell und situativ gebunden.362 Dies gilt auch für die auswärtigen Diplomaten wie für Marlborough, die neben der Kooperation mit den Spionagestrukturen der Secretaries auch eigene, meist selbst finanzierte Spionagenetzwerke aufbauten.363 Es gilt aber auch für das, was anachronistisch als „military intelligence“ bezeichnet wird.364 In allen diesen Bereichen wurden Strukturen der Informationsgewinnung ausgebildet, die aber in hohem Maße von individuellen Personen abhingen. Weil dies so ist, soll im Folgenden die Informationsbeziehung Marlboroughs zu den wichtigsten Secretaries of State skizziert werden. Danach wird der Bereich der Interzeptionsspionage vorgestellt und ein Blick auf die Gestalt des offiziellen Dechiffrierers der englischen Regierung geworfen. Daran anschließend folgt eine Erkundung der Initiativspionage der Secretaries, die mittels zweier Beispiele ( John Macky und John de Fonseca) vertieft werden soll. 3.3.1.2 Die Secretaries und der Herzog
Die Secretaries schrieben Marlborough sehr regelmäßig, und umgekehrt. Den Briefen beider Seiten lagen oft Newsletters, aber auch Extrakte von Gesandtenbriefen bei. Die Königin wurde von den Secretaries täglich informiert; auch Godolphin tauschte sich als Treasurer und Freund Marlboroughs mit ihm über
360 Vgl. Backscheider, Daniel Defoe, 13. 361 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 154 – 157. Diese Schwächen sind auch der Hintergrund der satirischen Beschreibung des Geheimdienstes von Liliput bei: Bovey, Military Intelligence Analysis – ein Text, der im Rückgriff auf Swifts allegorische Beschreibung des englisch-französischen Gegensatzes moderne Anforderungen an Geheimdienste durchspielt und sie einem rational-choice-Kalkül unterwirft. Eben dies verfehlt aber die Situation um 1700. 362 Die Diskontinuität englischer ‚Geheimdienste‘ wegen ihrer Abhängigkeit von einzelnen Akteuren, die sich besonders für sie engagierten, betont: Marshall, Intelligence and Espionage. 363 Vgl. Walker, Secret Service. 364 Vgl. Bovey, Military Intelligence Analysis.
152
Strukturen der Informationsgewinnung
die hereinkommenden Informationen aus.365 Auch wurde etwa die Korrespondenz zwischen dem Treasurer Godolphin und Marlborough oft zusätzlich den Secretaries zugänglich gemacht. Am 31. August 1702 schrieb Marlborough an den Secretary Nottingham: „I know, when there is any thing in mine worth your knowing, Lord Treasurer does not fail to communicate it.“366 Damit waren die Secretaries ein Element innerhalb des bereits genannten Kommunikationsgeflechts, das auch Marlborough und Sarah, Anne und Godolphin umfasste. Die schon angesprochene Doppelung der Korrespondenz findet sich auch im Briefverkehr mit den Secretaries: Während im Wesentlichen Marlborough selbst mit den Secretaries korrespondierte, schrieb Cardonnel den entsprechenden Under-Secretaries, oft zu denselben Themen.367 Ähnliches gilt für das Kabinett, wenn Marlborough nicht in England war: Auch dieses korrespondierte parallel oder alternativ mit ihm und Cardonnel.368 Marlborough beauftragte Godolphin damit, zu entscheiden, was aus seiner Korrespondenz im Cabinet Council verlesen wurde,369 und Marlboroughs Korrespondenz oder die von ihm gesandten Newsletters waren ein Hauptinhalt der Kabinettssitzungen.370 Damit ist eine gewisse Professionalisierung der Abläufe unverkennbar. Doch war die Pflicht der Amtskorrespondenz gegenüber sozialen Pflichten noch so wenig ausdifferenziert, dass Marlborough sich beim Secretary Hedges am 6. Juli 1704 für langes Schweigen entschuldigte, „but would not defer it any longer for fear of losing so good a correspondent“371. Marlborough überspielte im Fall von Hedges bewusst die Amtszuordnung der Secretaries rhetorisch zugunsten eines ‚Freundschafts‘-Verhältnisses, wenn er ihn bat, ihm „as to a friend“ zu schreiben.372 Dabei war, wie bemerkt, die dauerhafte Korrespondenz der Secretaries mit den Ambassadors (und Marlborough war ja im Haag akkreditiert) vorgesehen. Hedges hätte gar nicht aufhören dürfen, Marlborough zu schreiben. In der zeitgenössischen Wahrnehmung 365 Siehe etwa The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 142 und 537; ebd., Bd. 3, 1292. 366 Letters and Dispatches, Bd. 1, 26. Vgl. auch: Hattendorf, England, 29. 367 Vgl. BL Add. 61494, 50. Siehe auch: Letters and Dispatches, Bd. 1, 384. 368 Vgl. Sunderlands Mitschrift, 23. April 1709, BL Add. 61499, 176r. 369 Vgl. Marlborough an Godolphin, 4./15. Mai 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 536. 370 Vgl. Harleys Mitschriften in: BL Add. 70336. 371 Vgl. Letters and Dispatches, Bd. 1, 345. 372 Marlborough an Hedges, 13. Juni 1704: „I shall never fail of giving you a constant account of all that passes here, and beg that when you write, you will do it with all freedom, and not keep yourself in the province of the South, but write as to a friend that is very much yours“: Letters and Dispatches, Bd. 1, 306.
Informationsgewinnung und Organisation
153
handelt es sich bei der Beziehung Marlborough-Hedges aber nicht (nur) um eine Korrespondenz qua Amt, sondern (auch) um eine s oziale Beziehung außerhalb der Amtsverpflichtungen oder um eine Amtsverpflichtung, die immer auch als soziale Beziehung kommuniziert werden musste.373 Darüber hinaus liegt es nahe, an ein Verhältnis, wenn nicht der stabilisierten Patronage (denn Hedges war kein Klient Marlboroughs), dann doch einer sozialen Beziehung zweier im Status ungleicher Gentlemen zu denken, die gleichzeitig als Amtsträger aufeinander angewiesen waren. Bei aller Routinisierung der Abläufe ist also daran zu erinnern, dass die sozialen Verpflichtungen eine ebenso große Rolle spielten wie – gerade im Hinblick auf die Gewinnung von Information – das persönliche Interesse und Engagement der Secretaries. „Almost everything depended on the man.“374 Neben Amtsträgern, die sich in hohem Maße für die Gewinnung außenpolitischer Informationen engagierten, stehen auch solche, für die dieses Thema kaum eine Rolle spielte. Robert Harley und Marlboroughs Schwiegersohn Sunderland waren in besonders hohem Maße an Informationsgewinnung interessiert. An ihnen wird daher besonders deutlich, wie sehr Marlborough in die Informationsgewinnung der englischen Regierung eingebunden war und von ihr profitierte. Andere Secretaries engagierten sich in diesem Bereich viel weniger.375 Während die Korrespondenz etwa mit dem Secretary Nottingham (im Amt von 1702 bis 1704) in dieser Hinsicht vollkommen blass bleibt,376 wird aus der Korrespondenz mit Charles Hedges (1700 – 1701; 1702 – 1704)377 deutlich, dass 3 73 Ein ähnliches Beispiel wäre Marlboroughs Versicherung gegenüber dem Secretary Nottingham, es tue ihm leid zu hören, „that you can think your letters troublesome when you have not in command something for me“ (Letters and Dispatches, Bd. 1, 142 f.) – ein weiterer Beleg für die Überschneidung von Amts- und sozialen Pflichten. Vgl. zum Verhältnis der Secretaries zu Marlborough bzw. zur Frage, in welcher Rolle Marlborough mit ihnen kommunizierte, auch Thomson, Secretaries of State, 92, Anm. 5: „Marlborough however, corresponded with both Secretaries, qua Ambassador, rather than qua Captain-General.“ Genau diese klare Amtszuteilung scheint mir fraglich. 374 Thomson, Secretaries of State, 96. 375 Die große Masse von Spionageberichten oder Newsletters finden sich in den Blenheim Papers in Sunderlands Papieren, während z. B. TNA SP 101/24 (Newsletters Frankreich 1704 – 1735) eine schmale Sammlung ist, die bestenfalls dokumentiert, dass vieles nicht aufgehoben wurde oder dass bestimmte der Secretaries die Organisation von Newsletters nicht sehr wichtig nahmen. 376 Vgl. BL Add. 61118. Der whig-nahe Bischof von Salisbury Gilbert Burnet unterstellte gerade Nottingham komplette Unfähigkeit im Bereich der intelligence; siehe Horn, British Diplomatic Service, 267 f. 377 Hedges trat auch anderweitig als Organisator von intelligence in Erscheinung. Vgl. die Korrespondenz um einen gewissen Thomas Knox, der Hedges im Mai 1704 vorschlug, in
154
Strukturen der Informationsgewinnung
beide sich gegenseitig über ihre jeweiligen Newsletters auf dem Laufenden hielten. Hedges teilte mit Marlborough vor allem seine Informationen aus Spanien und Portugal, auch über die Botschafterberichte hinaus, die M arlborough ja ebenfalls erhielt.378 Seltener schickte Hedges Informationen aus dem Reich 379 oder aus Frankreich 380; bei Letzteren wird es sich im Wesentlichen um Berichte gehandelt haben, die von Etienne Caillaud stammten und die Marlborough ebenfalls vorlagen.381 Unterdessen unterhielt Cardonnel auf der Sekretärs ebene eine ausgedehnte Korrespondenz mit John Ellis, der von 1695 bis 1705 für Hedges und andere Secretaries als ein ausgesprochen engagierter Under- Secretary tätig war.382 Ellis erhielt und sammelte ebenfalls Newsletters 383 und war seit den 1690er Jahren einer der wichtigsten Ansprechpartner des Spions John Macky. Henry Boyle (1708 – 1710), im Gegensatz zu seinem Kollegen Sunderland ein moderater Whig, der sich eng an Godolphin anschloss,384 ließ in seiner Korrespondenz immer wieder seine Bewunderung für Marlborough durchklingen und versorgte ihn im Rahmen des Üblichen mit vielen Auszügen aus den Newsletters, die er selbst erhielt. In seine Amtszeit fällt die verhinderte jakobitische Invasion von 1708, ein Thema, das die englische Regierung noch lange beschäftigte.385 Gegen Ende des Krieges, als Marlboroughs Einfluss langsam schwand, ist aus der Korrespondenz mit den ihm politisch ferner stehenden Secretaries indirekt zu erschließen, dass sich auch seine Informationslage verschlechterte. Dies ist etwa plausibel zu machen an der Korrespondenz mit Henry St. John, der von 1710 bis 1713 das Amt des Secretary of State innehatte und eng mit Marlboroughs Rivalen Harley zusammenarbeitete. St. John, der spätere Viscount Bolingbroke, war ein High Tory, ein Gelehrter und ein zeitgenössisch berüchtigter Wüstling zugleich. Er bewunderte Marlborough lebenslang, genoss als Nachwuchspolitiker seine Protektion, wuchs aber immer mehr in die Rolle eines politischen südfranzösischen Häfen zu spionieren; ein Plan, aus dem nichts wurde. Siehe Calendar of State Papers, Bd. 2, 13, 30, 39, 45, 73. 378 Vgl. z. B. BL Add. 61120, 96r; BL Add. 61122, passim. 379 Vgl. Marlborough an Hedges, 25. April 1704, in: Letters and Dispatches, Bd. 1, 249. 380 BL Add. 61121, passim. 381 Siehe Kapitel 3.4.3. 382 Vgl. BL Add. 61412. 383 Vgl. BL Add. 28923. 384 Vgl. Field, Kit-Kat Club, 179. 385 Vgl. z. B. BL Add. 61129, 55 u. 113; HMC Marlborough, 32 – 35; TNA SP 87/5, 266r–267r, 279r.
Informationsgewinnung und Organisation
155
Gegners hinein: Gegen Ende des Krieges ließ er Marlborough fallen, um den Krieg zu beenden.386 St. John war der Auftraggeber von Swifts „Conduct of the Allies“, dem publizistischen Großangriff gegen Marlborough im Herbst 1711.387 Über die Geheimverhandlungen mit Frankreich ließen Harley und St. John Marlborough im Dunkeln – Marlborough war also 1711 in die wesentlichen politischen Entscheidungen der neuen Regierung nicht mehr involviert.388 Allerdings hatte St. John länger als Harley geglaubt, dass eine Zusammenarbeit mit Marlborough weiter möglich sein werde. Ohne ihn und seinen Einfluss in der Armee, so glaubte St. John, sei der Krieg kaum zu beenden.389 Das Misstrauen, das Harley in diesem Punkt gegenüber St. John artikulierte, hat wohl auch damit zu tun, dass St. John als früherer Protegé Marlboroughs auch mit dessen engsten Vertrauten, etwa Cadogan und dem Paymaster of the Forces Abroad, James Brydges, befreundet war.390 Marlborough tauschte mit St. John im amtsüblichen Rahmen Informationen aus.391 Bereits 1710 – und dies dürfte Marlboroughs Informationshorizont nicht unwesentlich eingeschränkt haben – war jedoch Marlboroughs Vertrauter Cadogan auf Druck der neuen Regierung (wenn auch nicht St. Johns selbst) als englischer Repräsentant im südniederländischen Staatsrat ersetzt worden.392 Der bis dahin wichtige Brüsseler Informant John Lawes 393 fiel damit für Marlborough aus. Zudem behandelte St. John Marlborough je länger desto mehr als letztlich nur ausführendes Militärorgan der englischen Staatssekretäre.394 Während also die Korrespondenz der bisher vorgestellten Secretaries kaum Besonderheiten aufweist, spielt der Earl of Sunderland, Staatssekretär von 1706 bis 1710, in mancher Hinsicht eine Sonderrolle. Marlboroughs Schwiegersohn 386 Vgl. Dickinson, Henry St. John; Holmes, British Politics, 269. Eine sehr offene Einschätzung der unglücklichen Rolle, die Marlborough in den letzten Kriegsjahren spielte, findet sich im Brief St. Johns an John Drummond, 23. Januar 1710, in: BL Stowe 241, 131v–133v. Zur späteren Würdigung Marlboroughs durch Bolingbroke siehe z. B. B olingbroke, Letters, 23 f. 387 Vgl. MacLachlan, Road to Peace, 210. 388 Vgl. Jones, Marlborough, 195 – 199. Zu St. Johns Rolle bei der Aufdeckung der Friedensverhandlungen im Umkreis Mackys und Marlboroughs siehe: Alsop, Detection. 389 Vgl. Burton, Committee of Council, 84. 390 Vgl. Gregg, Queen Anne, 321 – 323; Davies, Seamy Side, 40; Letters from James Brydges. 391 Vgl. z. B. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 198 f. 392 Vgl. Frey/Frey/Rule, Introduction, XIII; siehe die Korrespondenz Cadogan-St.John in diesem Kontext in: TNA SP 77/59, 242r–244r, 300r–v. 393 Siehe Kapitel 3.3.2.2. 394 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 150.
156
Strukturen der Informationsgewinnung
Sunderland war ein radikaler Whig,395 und seine Einsetzung als Staatssekretär geschah gegen den Willen der Königin, die sich aber dem überwältigenden politischen Druck (und auch dem Druck ihrer Patronagemanager Marlborough und Godolphin) nicht entziehen konnte.396 Da die Erhebung Sunderlands auch auf die Initiative Sarahs zurückging, führte sie mittelfristig zu einer ganzen Reihe negativer Konsequenzen: die weiter fortschreitende Entfremdung Sarahs von der Königin; die wachsende Abscheu der Königin gegenüber der Parteienherrschaft;397 die wachsende Distanz Marlboroughs zu den Tories.398 Die dem Secretary Harley sehr missliebige Einsetzung Sunderlands als unmittelbarer Kollege markierte auch den Beginn des Bruchs z wischen Harley einerseits und Godolphin und Marlborough andererseits.399 Diese Negativkonsequenzen für Marlborough und Godolphin waren deshalb so bitter, weil deren Verhältnis zu Sunderland nicht gut war, sie sich aber politisch weitgehend mit ihm verbunden hatten. Beide hielten ihn für einen parteiischen Querulanten, während Sunderland in ihnen (ohne dies natürlich offen zu äußern) tendenziell unsichere Kantonisten, weil Jakobiten, sah.400 Dies war zwar unzutreffend, belastete aber die Beziehung. Angesichts des angespannten Verhältnisses zwischen Sunderland und Marlborough erscheint es ironisch, dass die Königin, die ab 1708 darüber nachdachte, Sunderland zu entlassen, dies aus Rücksicht auf Marlborough aufschob.401 Als Sunderland 1710 schließlich doch entlassen wurde, 395 Der Wiener Politiker Wratislaw, ein Vertrauter Marlboroughs, sprach von Sunderlands „republican zeal“, den Marlborough mäßigen müsse; siehe Coxe, Memoirs, Bd. 1, 340. Zu Wratislaw siehe Mathis, Marlborough und Wratislaw. 396 Vgl. Roberts, Party. 397 Zu Annes Abneigung gegen das Parteienwesen siehe den Brief an Sarah, 17. November 1704, in: HMC Marlborough, 51: „I have the same opinion of Whig and Tory that I ever had. I know both their principles very well, and when I know myself to be in the right nothing can make me alter mine. It is very sertin (!) there are good and ill people of both sorts, and I can see the faults of the one as well as of the other […] because there are some hott headed men among those that are called Torys, I can‘t for my life think it reasonable to brand them all with the name of Jacobit.“ 398 Vgl. Gregg, Queen Anne, 198, 219 u. 233. 399 Vgl. Snyder, Godolphin and Harley, 260. 400 Am 9. August 1708 beklagte sich Sunderland in einem Brief an seinen Freund, den Duke of Newcastle, über das Vordringen der Jakobiten. Die englische Politik sei insgesamt „a declaration to the whole world […] against the Protestant succession.“ Wenn man dies durchgehen lasse, könne man auch gleich aufgeben und Godolphin und Marlborough erlauben, den jakobitischen Pretender auf den Thron zu setzen. Vgl. BL Lansdowne 1236, 244v–245r. 4 01 Vgl. Anne an Marlborough, 18. Juni 1708, in: HMC Marlborough, 42. Siehe auch ebd., 43.
Informationsgewinnung und Organisation
157
sah Marlborough darin einen Schritt, der sich gegen ihn richtete 402 – obwohl Anne, anders als zum Beispiel Harley, dies wohl nicht beabsichtigte. M arlborough dachte jedenfalls auch jetzt wieder über einen Rücktritt nach, den ihm aber ein (in dieser Form sehr außergewöhnlicher) Brief fast des gesamten Cabinet ausredete.403 Doch diese angespannte politische Konstellation führte nicht zu einer schlechten Kooperation im Hinblick auf die Weitergabe von Informationen. Sunderland war ein äußerst engagierter Behördenchef, ein „outstanding administrator“404. Er kümmerte sich, in enger Abstimmung mit Marlborough, um die Organisation verschiedenster Newsletters (und wird deshalb in den folgenden Kapiteln sehr oft auftauchen), die er, anders als Marlborough, auch archivierte.405 Dies ist übrigens der Hauptgrund dafür, warum bestimmte wichtige Informanten Marlboroughs von der Forschung übersehen wurden, weil sie zu Unrecht allein Sunderland zugeordnet worden sind.406 Von allen Secretaries, die während des Spanischen Erbfolgekrieges amtierten, arbeitete er am kontinuierlichsten mit den Postmasters General zusammen, um Postinfrastruktur und Interzeptionsspionage zu organisieren.407 Er koordinierte in besonders hohem Maße die Informationsnetzwerke etwa François Jaupains, Etienne Caillauds oder John Mackys und drängte auch Diplomaten wie den Gesandtschaftssekretär in Brüssel, John Lawes, mit außergewöhnlicher Emphase immer wieder zur Informationsweitergabe.408 Sunderland ist neben Harley der einzige Secretary, von dem sich Mitschriften der Kabinettssitzungen erhalten haben.409 Aus den Mitschriften Harleys geht allerdings ex negativo hervor, dass Sunderland in den Kabinettssitzungen zwar oft Gesandtenberichte vorlas, 402 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 30 f. 403 Vgl. BL Add. 61134, 14. Juni 1710, 202r–203v: Gemeinsamer Brief von Godolphin, Cowper, Somers, Newcastle, Halifax, Orford, Devonshire und Boyle an Marlborough; siehe dazu auch Coxe, Memoirs, Bd. 3, 91 – 95. 404 Townend, Political Career, 93. 405 Vgl. Snyder, Introduction, XXXV. 406 Alsop, British Intelligence, 116 f., stellt fest: „The secretary of state’s office contained the great majority of newsletters received by government agencies in this period […] By comparison Marlborough’s newsletter archive is far less extensive (under 200 folios) and is focused upon Parisian and northern French newsletters.“ Dies trifft zwar zu, aber – wie v. a. das Kapitel 3.4.3 zeigen wird – dennoch darf daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Informationsgewinnung der Secretaries an Marlborough vorbeilief. 407 Vgl. seine Korrespondenz mit Cotton und Frankland, in: BL Add. 61653, 90 – 213. 408 Vgl. die Korrespondenz mit Lawes, in: BL Add. 61651, passim. Siehe auch Kapitel 3.3.2.2. 409 Vgl. BL Add. 61498 – 61500.
158
Strukturen der Informationsgewinnung
aber seltener Informationen aus den von ihm gesammelten Newsletters preisgab.410 Marlborough wurde von Sunderland, wenn er in Flandern war, sowohl detailliert über Gespräche mit ausländischen Gesandten in London informiert 411 als auch mit Newsletters und Informationen aus ganz Europa, etwa vom spanischen Kriegsschauplatz 412 sowie aus der Karibik versorgt.413 Sunderland war also trotz eines angespannten persönlichen wie politischen Verhältnisses in den Jahren 1706 bis 1710 zentral für Marlboroughs Informationsgewinnung. Ähnliches gilt für Robert Harley. Es ist in gewisser Weise eine Verkürzung, Harley primär als einen der Secretaries of State zu behandeln: Harley war schon als Speaker des Unterhauses ab 1701 einer der engsten Mitarbeiter Godolphins und Marlboroughs gewesen 414 und als Secretary von 1704 bis 1708 in besonders enger Weise mit ihnen verbunden.415 Nach seinem Sturz 1708 und seiner Rückkehr in die Politik zwei Jahre später – er folgte Godolphin 1710 im Amt des Treasurer nach – wurde er zum erbittertsten Gegner Marlboroughs. Harley galt zeitgenössisch als rätselhafte Persönlichkeit, als wendig und intri gant.416 In der Öffentlichkeit und am Hof wurde er als „Robin the trickster“417 bezeichnet – Sarah nannte ihn den „sorcerer“418. Harley war ein agiler Parlamentarier,419 der erste konservative Politiker, der aktive Pressepolitik betrieb,420 und er gilt als einer der großen „spymaster“ der englischen Geschichte.421 Wie im Fall 410 Vgl. BL Add. 70338, passim. Doch nahm er sie zuweilen mit in die Sitzung: Eine Mitschrift Sunderlands findet sich auf der Rückseite eines aktuellen Newsletter aus Spanien, den er mit in die Kabinettssitzung genommen hatte. Vgl. BL Add. 61499, 121r. 411 Vgl. z. B. BL Add. 61126, 94r. 412 Vgl. die spanischen Newsletters in BL Add. 61600; BL Add. 61562; siehe auch die Weiter sendung an Marlborough z. B. in BL Add. 61126, 39r. 413 Vgl. dazu BL Add. 61126, 130r. 414 Vgl. Seaward, Speaker; McInnes, Appointment of Harley. 415 Vgl. Snyder, Godolphin and Harley. 416 Vgl. Gregg, Protestant Succession, 26: „Harley’s greatest political asset, and the source of his ultimate ruin, was his ability to be all things to all men.“ 417 Vgl. Metzdorf, Politik, 75. Harley galt als jemand „to love tricks when not necessary, but from an inward satisfaction in applauding his own cunning“ – so der Lord Chancellor William Cowper; vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 1, 378. Eine instruktive Schilderung seines familiären Hintergrundes und seiner Persönlichkeit bei: Hayton, Harley. 418 Vgl. Watson, Marlborough’s Shadow, 180. 419 Memoirs of the Secret Services, 155 f.: „no Man understands more the Management of that Chair (i. e. des Speaker des Unterhauses) to the Advantage of his Party, nor knows better all the Tricks of the House.“ 420 Vgl. Downie, Robert Harley. 421 Vgl. Marshall, Intelligence and Espionage, 4.
Informationsgewinnung und Organisation
159
Marlboroughs sind allerdings die Konturen seiner Spionagebemühungen hinter diffusen Elogen verborgen: Die Rede ist von einem „admirable system for gathering information“422 oder von einem „extensive and efficient intelligence service that was remarkable for his time“423. Henry Snyder etwa postuliert, dass Harleys größter Anteil an der englischen Diplomatie sein inner- wie außerenglischer Geheimdienst gewesen sei.424 In der Tat stach Harley unter allen Secretaries des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts dadurch hervor, dass er die formale Aufgabe, Informationen zu sammeln und weiterzugeben, sehr weit auslegte und ein eigenes Spionagenetzwerk unterhielt,425 während Sunderland eher das bestehende Newsletter-System perfektionierte. Vergleichsweise bekannt ist Daniel Defoes Spionagetätigkeit für Harley in Schottland (es ging dabei inhaltlich um die Jakobiten und die Union mit Schottland),426 aber Harley unterhielt generell in Großbritannien und in sehr viel geringerem Maße auf dem Kontinent, vor allem in Frankreich, Spione.427 Die Befunde dazu, inwiefern Harley sein Spionagenetz als Ergänzung oder als Konkurrenz zu anderen Informationsquellen der englischen Regierung ansah, sind widersprüchlich. So wurde, so weit man sehen kann, über den Amsterdamer Kaufmann John Drummond die Entsendung von Spionen an den Exilhof in St. Germain-en-Laye oder in die nordfranzösischen Hafenstädte organisiert. Dies stellte aber wohl weniger ein Konkurrenzunternehmen zu dem von Marlborough präferierten (und sehr viel umfangreicheren) Caillaud’schen Geheimdienst dar; Drummond arbeitete daneben auch Marlborough zu.428 Da aber Harley – wie alle Akteure – in Bezug auf die Identität der eigenen Informanten verschwiegen war, ist schwer zu beurteilen, wie sich die Bemühungen Harleys und diejenigen Marlboroughs zueinander verhalten. Allerdings verlief die Zusammenarbeit zwischen Harley und Marlborough, soweit dies ihrer Korrespondenz zu entnehmen ist, über die Amtsbeziehung hinaus sehr kooperativ und wirkt relativ vertraut: Harley schmeichelte Marlborough oft 429 422 Trevelyan, England, Bd. 2, 350. 423 Snyder, Reports of a Press Spy, 330. 424 Vgl. Snyder, Godolphin and Harley, 258. 425 Vgl. McInnes, Robert Harley, 77. 426 Vgl. McInnes, Robert Harley, 84 f.; Backscheider, Daniel Defoe; vgl. auch: Downie, Secret Service Payments; Backscheider, Robert Harley; Roosen, Daniel Defoe. 427 Vgl. McInnes, Robert Harley, 79 – 83. 428 Vgl. Bély, Espions, 232. Für einen Bericht eines von Harleys Spionen aus St. Germain-en-Laye siehe: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 187 f. 429 Vgl. Harley an Marlborough, 1./12. September 1704, in: BL Add. 61123, 68v; 11./22. April 1707, in: BL Add. 61124, 162r; 18./29. April 1707, in: ebd., 166r.
160
Strukturen der Informationsgewinnung
und schimpfte wie dieser über den Streit der Parteien; auch Harley war Anhänger einer sich überparteilich gebenden Parteipolitik.430 Vor allem aber besaß er Selbstbewusstsein genug, Marlborough (anders als die anderen Secretaries) strate gische Vorschläge für diplomatisches Handeln zu machen.431 Auch Harley suchte, gemeinsam mit Marlborough, „a way to cure this irregularity of the foreign Post“ vom Kontinent.432 Auch Harley schickte Marlborough interzipierte Korrespondenz weiter und umgekehrt.433 Es ergibt sich also das Bild einer Zusammenarbeit, nicht einer Rivalität, auch auf dem Felde des Informationsmanagements. Diese dauerte bis 1708, verkehrte sich dann aber ins Gegenteil. Auffällig an Harleys Tätigkeit als Secretary ist der Umstand, dass er in seinen Mitschriften des Cabinet Council regelmäßig die Verlesung von aus Frankreich stammenden Spionageberichten vermerkt – im Unterschied zu Sunderland, der dies kaum erwähnt, obwohl sie auch aus seinen Informationsquellen stammen müssen.434 Aus den Cabinet Minutes von 1707 stammt auch eine Notiz, die anschaulich zeigt, für wie drängend die Gefahr feindlicher Spionage gehalten wurde. Harley notierte die Fragen, die er einem enttarnten feindlichen Spion stellen wollte, der ‚umgedreht‘ werden sollte. „1 what Intelligence have you already given? 2 Are you willing while you stay in England to give an acc.t of what you heare from France or ye west Indies, & also to give notice before hand what intelligence you send to France? 3 Are the cap.ts you named in ye west Indies commissiond by France as Private men of warr? 4 How are they mand? Set down the names of their ships, their number of men, & Guns, & whether mand by registerd Seamen, or how else, as also as near as you can what Prices they have taken for ye two last years, & where Generally they cruise, & what terms they ask for to come under the Queens protection.“435
430 Vgl. Harley an Marlborough, in: BL Add. 61124, 122r; 126r. 4 31 Vgl. z. B. Harley an Marlborough, 10./21. Juli 1705, in: BL Add. 61123, 170v–171r. Dass Harley kaum Einfluss auf die englische Diplomatie besaß, behauptet dagegen: Snyder, Godolphin and Harley, 257. 432 Harley an Marlborough, 8./19. September 1704, in: BL Add. 61123, 74r. 433 Vgl. BL Add. 61124, 136v; 209v; 211 – 212v; BL Add. 61125, 25r; 33r. 434 Vgl. BL Add. 70335, 13. Februar 1704/05; 9. Juli 1705; 21. September 1705; 9. Oktober 1705; 30. Oktober 1705; BL Add. 70336, 13. November 1705; 20. November 1705; 22. November 1705; 2. Dezember 1705; 23. Dezember 1705; 10. Februar 1705/06; 24. Februar 1705/06. – Auffällig ist es dann, wenn Sunderlands intelligence einmal erwähnt wird; vgl. BL Add. 70337, 12. Januar 1706/07. 435 BL Add. 70338, 9. Juli 1707.
Informationsgewinnung und Organisation
161
Diese Notizen sind auch deshalb von einiger Brisanz, weil Harley wenig später in seiner eigenen Behörde mit einem ganz ähnlichen Fall konfrontiert wurde – nicht im Hinblick allerdings auf militärische, sondern auf diplomatische Informationen. Ein clerk Harleys, William Gregg, der zuvor für Harley in Schottland spioniert hatte, hatte aus Geldmangel Geheimnisverrat begangen.436 Zu Greggs Aufgaben hatte es gehört, die Korrespondenz hochrangiger französischer Kriegsgefangener (etwa des ehemaligen Ambassadeurs und Generals Tallard) zu zensieren. Mindestens einmal hatte Gregg einen Brief der Königin an den K aiser abgeschrieben und ihn zusammen mit Tallards Brief an den französischen Minister Chamillart geschickt. Dieser Brief wurde vom südniederländischen Generalpostmeister Jaupain in Flandern interzipiert und gelangte über Marlborough an die Königin zurück.437 Zeitgleich wurden zwei von Harleys Spionen in Frankreich als Doppelagenten enttarnt.438 Zwar fiel kein Verdacht auf Harley – aber er hatte politisch zu verantworten, dass unter seiner Ägide Gegenspionage betrieben worden war. Es war die von Defoe gerade gegenüber Harley beklagte Nachlässigkeit im Amt, etwa das Herumliegenlassen geheimer Papiere,439 die Harley selbst fast zu Fall brachte: Gregg wies in seinem Prozess darauf hin, dass die Arbeit für Harley oft nachts stattfinde, der Behördenleiter die Aufsicht eher vernachlässige und geheime Akten für jedermann einsehbar seien.440 Aber, so betonte Gregg bis zu seiner Hinrichtung am 28. April 1708, Harley habe nichts von der Sache gewusst und auch nichts damit zu tun.441 Wegen der zeitlichen Nähe zu Harleys Sturz wurde gemutmaßt, die Whigs hätten Gregg angestiftet – Harleys Feinde stünden hinter der Affäre.442 Der wirkliche Grund für Harleys Sturz war aber wohl, dass dieser 1708 versuchte, 436 Vgl. zu dieser Affäre: A Complete Collection of State Trials, Bd. 14, Sp. 1371 – 1396; Sunderlands Kabinettsmitschriften in: BL Add. 61498, 102, 108, 112, 116, 122, 124; sowie Taylor, The Wars of Marlborough, Bd. 2, 76 – 91; Minty, Looking in a Dark Room, 130 – 135. Relativ hoch setzt den Konnex Gregg-Affäre/Harleys Sturz an: Trevelyan, England, Bd. 2, 351 – 353; die Gregg-Affäre gewichten im Hinblick auf den Sturz Harleys 1708 geringer Holmes/Speck, Fall of Harley. 437 Vgl. A Complete Collection of State Trials, Bd. 14, 1371. 438 Vgl. ebd., 1373 sowie TNA SP 34/9, 162 – 166 u. TNA SP 34/10, 10v: Report of Sir Ja[mes] Montagu, Solicitor-General, to Earl of Sunderland, on the evidence against Alexander Valiere, John Barra, William Bland, Daniel Pope and others, who were suspected of carrying intelligence to France. 439 Vgl. Warner, Unpublished Political Paper, 137. 440 Vgl. A Complete Collection of State Trials, Bd. 14, Sp. 1383 – 1387. 441 Vgl. HMC Portland, Bd. 4, 488. 442 Vgl. Taylor, The Wars of Marlborough, Bd. 2, 89.
162
Strukturen der Informationsgewinnung
sich an die Stelle Godolphins zu setzen. Daher erwirkten Godolphin und Marlborough bei der Königin und eigentlich gegen deren Willen, dass Harley entlassen wurde.443 Die Unwilligkeit der Königin, Harley zu entlassen, wurde auch anderswo bemerkt; der hannoversche Sekretär Robethon schrieb an den englischen Residenten Davenant: „Rien ne m’a deplû dans la demission de Mr Harlay (!) que la repugnance que la Reyne a temoigné à y proceder.“444 Diese Episode weist auch auf die spätere Feindschaft zwischen Harley und Marlborough voraus – eine Feindschaft, die das alte, in Interzeptions- wie Initiativspionage eher kooperative Verhältnis des Secretary zum General und Ambassadeur weit hinter sich ließ. 3.3.1.3 Interzeptionsspionage und das Amt des Dechiffrierers
„Briefe abzuschreiben war die frühneuzeitliche Form der Spionage.“445 Auch wenn diese Aussage Esther-Beate Körbers für das frühe 18. Jahrhundert kaum vollständig zutrifft, weist sie doch auf die zentrale Rolle des Briefs für die, auch geheime, Informationsbeschaffung im England des Spanischen Erbfolgekrieges hin. Im Post Office, das den Secretaries of State unterstand, wurden Briefe geöffnet und ausgewertet; diese Interzeptionsspionage war bei Weitem der effektivste Typus der Spionage.446 Die Entwicklung der organisierten Briefspionage erhielt in ganz Europa durch den Spanischen Erbfolgekrieg einen kräftigen Schub.447 Dies galt auch für England: 1711 wurde den Secretaries of State sogar per Gesetz erlaubt, Briefe öffnen zu lassen – eine Praxis, die auch vorher schon gängig gewesen war.448 Während die ältere Forschung darin primär „abuse“ erkennt,449 war den zeitgenössischen Akteuren die systemische Funktion der Interzeptionsspionage bewusst: Alle euro päischen Akteure wussten, dass ihre Briefe potentiell interzipiert werden konnten, und mussten mit diesem Faktum umgehen. Das Interzipieren von Briefen 443 Vgl. Holmes/Speck, Fall of Harley; siehe zum Kontext auch: Bennett, Robert Harley. 444 Robethon an Davenant, 16. März 1708, in: BL Add. 4745, 51r. 445 Körber, Der soziale Ort, 255. 446 Vgl. Fraser, Intelligence; Hattendorf, England, 31. 447 Vgl. Ernstberger, Post; Grillmeyer, Habsburgs langer Arm, 55 – 57; Hubatschke, Die amt liche Organisation, 357; Boislisle, Secret; skeptischer: de Leeuw, Black Chamber, 141. Vgl. aus soziologischer Sicht auch: Bohn, Ins Feuer damit. 448 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 154; Report from the Secret Committee, v. a. 7; R obinson, British Post Office, 120 f. 449 Robinson, British Post Office, 113.
Informationsgewinnung und Organisation
163
war „part of a system of multiple inputs to ministers, both a cat and mouse game played by all European governments“450. In Phasen besonderer Interzeptionsintensität wurde daher versucht, einerseits die Sicherheit der Postinfrastruktur zu verbessern und andererseits, wo dies mög lich war, mündlich zu kommunizieren. Marlborough schreibt dem Gesandten in Wien George Stepney am 22. Juni 1703, er wolle nichts zu Papier bringen, sondern lieber mündliche Kommunikationswege n utzen, „while the conveyance of our letters is so uncertain“451. Auch fällt auf, dass durch das gegenseitige Interzipieren feindlicher Korrespondenz oft nicht nur Wissen über Handeln und Denken des Feindes gewonnen wurde, sondern auch darüber, dass der Feind genauso mit der Interzeption kalkulierte wie man selbst: Aus einem abgefangenen Brief des bayerischen Gesandten in Paris, dem Grafen von Monasterol, erfährt man, dass die bayerisch-französische Seite punktuell von der englischen Interzeption Kenntnis hatte.452 Und auch Marlborough konnte sich selbst, auf einer weiteren Metaebene, als Objekt und Subjekt der Informationsgewinnung sehen: Aus einem abgefangenen Brief des französischen Unterhändlers Rouillé von 1707 erfuhr er, dass er selbst gerade „continuellement“ Nachrichten aus Deutschland erhalte und dass er auf dem Weg nach Den Haag sei, um mit den Generalstaaten zu beraten.453 Marlborough konnte also durch das Instrument der Interzeption (jedenfalls punktuell) wissen, dass der Feind wusste, was er wusste. „Postal interception and deciphering were the most important British espionage activities.“454 Diese Aussage Jeremy Blacks stimmt im Hinblick auf die Interzep tion – schon weniger trifft sie im Hinblick auf das Entziffern zu. Diplomaten und auch Spione etwa waren zwar gehalten, ihre Briefe zu chiffrieren 455, oft, sehr 450 Black, Intelligence, 371. Zentral gesammelt werden die Interzeptionen (heute in den National Archives) erst ab 1726. Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 134 f.; Duchhardt, Balance of Power, 38. 451 Letters and Dispatches, Bd. 1, 121. Zuweilen schreibt ein Korrespondent an Marlborough, er wisse, dass seine Briefe interzipiert würden, daher könne er nichts Genaues berichten. Vgl. den Brief des Gesandten Whitworth in Petersburg an Marlborough, 29. Mai/9. Juni 1706, in: BL Add. 61149, 48r. Zu Whitworth siehe: Hartley, Charles Whitworth. 452 Vgl. BL Add. 61264, 63r. 453 Interzipierte und dechiffrierte Kopie eines Briefs Rouillés, 12. Juni 1707, in: BL Add. 61567, 71r–74r, hier 73r. 454 Black, Eighteenth-Century Intercepted Despatches, 138. 455 Vgl. Callières, De la manière de négocier, 163 – 166; generell zur frühneuzeitlichen Krypto graphie siehe auch: Kahn, Codebreakers sowie jüngst Rous/Mulsow (Hrsg.), Geheime Post, und Láng, People’s Secrets.
164
Strukturen der Informationsgewinnung
oft taten sie dies aber nicht. Die Praxis der Verschlüsselung blieb weit hinter den theoretischen Möglichkeiten der (wissenschaftlichen) Kryptographie zurück.456 Die üblichste, recht einfache Chiffrierungsmethode war, Wörter durch Zahlen zu ersetzen. Meistens wurden zwei- oder dreistellige Zahlen verwendet, oft auch nur für bestimmte Passagen oder gar einzelne Wörter. Zum Beispiel wurden Namen relativ häufig chiffriert.457 So sehr Chiffrierung auch zeitgenössisch angemahnt wurde, so sehr ist doch festzuhalten: „Als Resümee nach der Lektüre Tausender Korrespondenzbriefe bleibt, dass die meisten Diplomaten offenbar nur geringe Anstrengungen der Verschlüsselung unternahmen, zumal diese Arbeit viel Zeit kostete.“458 Chiffren werden daher im Folgenden immer wieder eine Rolle spielen, sind aber insgesamt überraschenderweise nicht sehr zentral. Marlborough selbst benutzte Chiffren eher selten, nur in hochwichtigen politischen Korrespondenzen, und auch dort nur in extrem brisanten Zeiten – innenpolitisch etwa im Briefwechsel mit G odolphin, Sarah 459 oder punktuell den Secretaries of State 460, außenpolitisch mit dem Rats pensionär Heinsius, dem er sogar schrieb: „For want of a cypher I can’t write you a thing that I have a mind to let you know.“461 Die Furcht vor Interzeption war groß, ohne dass dies zwingend zur Nutzung von Chiffren führte: „The treu (!) reason of my not writting oftener is, that in prudence nothing should be said but what might be seen by the enemy.“462
456 Vgl. Strasser, Rise of Cryptology, 294. 457 Vgl. die vorgedruckten Formulare in: BL Add. 32305 sowie: The Marlborough-Godolphin Correspondence, passim, wo deutlich wird, wie punktuell Chiffren eingesetzt wurden. Dort finden sich auch die Entschlüsselungen der chiffrierten Namen; vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1688 – 1699. 458 Droste, Im Dienst der Krone, 183. 459 Siehe Marlborough an Sarah, 23. April/4. Mai 1705, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 427. 460 Vgl. Marlborough an Harley, 10. Juni 1704, in: TNA SP 87/2, 65v; dass hier über Chiffrierung nachgedacht wird, hat sicher mit dem sensiblen zeitlichen Kontext (dem Marsch an die Donau) zu tun. Harley, so schreibt Marlborough, möge sich der Chiffre bedienen, die „from the Office to the foreign Ministers to correspond with each other abroad“ gegeben werde, also der generellen diplomatischen Chiffre, die aber auch nur selten benutzt wurde; siehe Hattendorf, England, 27 f. Im Briefwechsel Sunderland-Marlborough, dort wo es mutmaßlich um das missliebige politische Agieren Harleys im Jahr 1707 geht, sind ebenfalls oft Namen chiffriert. Vgl. BL Add. 61126, 70v und passim. 461 The Correspondence 1701 – 1711, 111 (Marlborough an Heinsius, 11. Juni 1704), siehe auch ebd., 114. 462 Marlborough an Heinsius, 16. November 1706, in: The Correspondence 1701 – 1711, 409.
Informationsgewinnung und Organisation
165
Doch wer entzifferte die interzipierten Briefe, wenn sie denn entziffert werden mussten? In den 1670er Jahren sollte der Dechiffrierexperte noch einer der clerks der Staatssekretäre sein. Diese Position wurde dann allerdings im Post Office fest installiert, wenn auch der Entzifferer weiterhin direkt den Staats sekretären zuarbeitete.463 Die Professionalisierung und Formalisierung des Amtes blieb aber in dreierlei Hinsicht rudimentär: Erstens wurde die Existenz der ‚decyphering branch‘ (auch: Secret Office) geheim gehalten; sie besaß kein Büro, der oder die Entzifferer arbeiteten meist zu Hause.464 Mindestens dem Cabinet Council war aber – über die Secretaries hinaus – die Existenz des Amtes und auch der Name des Amtsträgers bekannt. 465 Zweitens: Das Amt wurde innerhalb der Familie vererbt. Unter Wilhelm III . war der berühmte Mathematiker John Wallis als offizieller Dechiffrierer angestellt; nach seinem Tod wurde das Amt 1703 an seinen Enkel William Blencowe übertragen, den Wallis angelernt hatte.466 Sein Gehalt lag bei 100 Pfund jährlich; ab 1709 wurden ihm 200 Pfund jährlich gezahlt.467 Drittens wurde Blencowe nach der Entlassung seines Patrons, des Whig- Staatssekretärs Sunderland im Sommer 1710, in eine Affäre hineingezogen, die die unvollständige Formalisierung der britischen Regierungsämter in besonders schlagender Weise zeigt. Blencowe profitierte gleichzeitig von einer Fellowship des Oxforder All Souls College – was aber bedeutete, dass er innerhalb von vier Jahren nach dem Master-Abschluss ein Kirchenamt anzutreten hatte.468 Der A ttorney General Edward Northey, ein Gegner Marlboroughs und der Whigs, der die Oxforder Universität vertrat, berichtete der Königin im Dezember 1710, B lencowe wolle sich mit Unterstützung Sunderlands von dieser Pflicht freistellen lassen: 463 Vgl. Marshall, Sir Joseph Williamson, 34 f.; Barber, Diplomacy, 106. 464 Vgl. Ellis, Post Office, 127. Zur Ausdifferenzierung von Ämtern im Hinblick auf private Räume und Amtsräume siehe: Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 552. Zur regierungsseitigen Geheimhaltung von geheimdienstlichen Zusammenhängen siehe: Minkley/ Legassick, „Not Telling“. 465 Harley erwähnt Blencowe in einer seiner Mitschriften aus dem Cabinet Council; siehe BL Add. 70334, 1 – 2 (30. Mai 1704). 466 Vgl. Henderson, Blencowe; Kahn, Codebreakers, 167 – 169. Siehe auch: Calendar of Treasury Books, Bd. 17, 375 f.: Am 8. Juli 1702 wird Wallis und Blencowe ein jährliches Gehalt von 100 Pfund angewiesen „for the said Wallis’s services in instructing his nephew in the art of decyphering“; allerdings war Blencowe Wallis‘ Enkel, nicht sein Neffe. 467 Vgl. Ellis, Post Office, 128; für Hinweise auf seine Bezahlung siehe unter anderem: Calendar of Treasury Books, Bd. 22, 319; Calendar of Treasury Books, Bd. 23, 189 f.; Calendar of Treasury Books, Bd. 25, 526. 468 Vgl. The Warden’s Punishment Book, 97.
166
Strukturen der Informationsgewinnung
„[H]e being employed by Y.r Majesty to decypher Letters & in wch Letter ’tis alledged such service frequently requires a great deal of Labour & would be liable in the dispatch thereof to many inconvenient Interruptions by the prosecution of a new Study & profession.“469
Die Oxforder Universität wies dies zurück – Blencowes Großvater habe schließ lich auch beide Ämter miteinander vereinen können.470 Blencowe selbst äußerte dazu, dass die Zahl der zu dechiffrierenden Dokumente immer weiter wachse: „Our Enemies abroad are come to a greater Portion in difficult Cyphers than ever before.“471 Wenn auch die Königin den sich einige Monate hinziehenden Streit salomonisch entschied (sie beließ Blencowe einerseits sein Gehalt, forderte ihn aber andererseits auf, sich der Universität zu beugen)472 und der Streit letztlich dazu führte, dass die Residenzpflicht im All Souls College aufgehoben wurde,473 verlor Blencowe doch als Klient Sunderlands die politische Unterstützung, um sein Amt fortzuführen. Er wurde schwer krank und erschoss sich im August 1712.474 Seinen Testamentsvollstreckern wurden am 5. Dezember 1713 noch einmal 300 Pfund für Blencowes „pains and good services in the art of deciphering“475 gezahlt. Die Briefe, die Blencowe von den Secretaries zum Entziffern vorgelegt wurden, stammten im Wesentlichen aus zwei Quellen: Von dem südniederländischen Generalpostmeister Jaupain, der nach 1706 ein Spionagenetzwerk unterhielt,476 und aus dem militärischen Umkreis Marlboroughs aus den südlichen Niederlanden. Die Briefe, die Blencowe zu entziffern hatte, deckten damit nicht etwa die politisch-diplomatisch-militärische Korrespondenz aus ganz Europa ab, nicht einmal primär aus Frankreich stammende Korrespondenz. Dass diese kaum in den Blick geriet, lag auch daran, dass seit 1669 die französische Post nach und über Den Haag an der Taxis’schen und s päter Jaupain’schen Post vorbeilief und daher im Haag überwacht werden konnte und musste.477 469 Report of the Attorney- and Solicitor-General on Dr Bernard Gardiner’s petition relating to Blencowe’s fellowship of All Souls College, Oxford, 1710, 23. Dezember 1710, in: BL Add. 61575, 45. 470 Vgl. ebd. 471 Ebd., 47. 472 Siehe die folgenden Dokumente: TNA SP 34/14, 112 f.; TNA SP 34/15, 31 f.; TNA SP 34/29, 34 f.; BL Add. 61303, 119 f. 473 Auch später wurden die Dechiffrierer persönlich durch die Staatssekretäre in Oxford und Cambridge rekrutiert; vgl. Gibson, An Eighteenth-Century Paradox, 70. 474 Vgl. Henderson, Blencowe; Ellis, Post Office, 128. 475 Calendar of Treasury Books, Bd. 27, darin: Queen Anne’s Civil List Lottery, hier 527. 476 Vgl. Kapitel 3.4.2. 477 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 144; siehe auch: Benschop, Het postwezen, 60 – 64.
Informationsgewinnung und Organisation
167
Daher stammten die Briefe, die Blencowe vorlagen, vor allem vom niederländischen Statthalter und bayerischen Kurfürsten Max Emanuel in Brüssel (später Mons), seinem Minister Bergeyck oder seinem Rat Malknecht 478 oder generell aus dem Umkreis dieses Hofes. Sie dokumentierten die geheimen Friedensgespräche um 1709 z wischen den Niederlanden, dem französischen Unterhändler Rouillé und dem holstein-gottorpschen Gesandten im Haag Hermann Petkum, der als Vermittler tätig war (und die auch daran scheiterten, dass die Engländer davon erfahren hatten),479 oder die Meinungen der franzö sischen Diplomaten zu den Chancen, den schwedischen König Karl XII . auf die Seite Frankreichs zu ziehen.480 Blencowe entzifferte die Briefe, schickte sie an die Secretaries zurück, und diese sandten sie an Marlborough weiter: „I send your Grace the decypher’d letter wch I mention’d the last post, and wch I have since reciev’d from Mr. Blencowe.“481 Die Praxis des Dechiffrierens war nicht nur deshalb kompliziert, weil die verwendeten Chiffren so schwierig waren.482 Dies waren sie – verglichen mit den zeitgenössisch verfügbaren Möglichkeiten – gar nicht. Das Problem bestand mindestens ebenso sehr darin, dass Blencowes Auftraggeber, allen voran die Secretaries und Marlborough, immer auf besondere Eile drängten.483 In seinen Eingangsbestätigungen an die Secretaries oder Under-Secretaries bemerkt Blencowe oft, dass wegen der Kürze der Briefe und/oder der Komplexität der Chiffre die Entzifferung sehr schwierig sei. Deshalb benötige er möglichst mehr und längere Briefe in derselben Chiffre: 478 Vgl. zum Kontext: de Schryver, De Zuidelijke Nederlanden; ders., Max II. Emanuel. 479 Vgl. BL Add. 61567, 28r–31r; 52r–55r; 60 f.; BL Add. 61246, 122r–125v; siehe auch BL Add. 61568 – die Korrespondenz zwischen Jaupain und Sunderland, die Spuren von Blencowes Arbeit belegt – sowie BL Add. 32306. Siehe auch: de Leeuw, Black Chamber, 144. 480 Vgl. nur: BL Add. 32258, 25r–31v. Siehe auch: Marlborough an Godolphin, 4./15. Mai 1707, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 769. 481 Boyle an Marlborough, 10. Mai 1709, in: BL Add. 61129, 72; siehe auch Harley an Marlborough, 22. August/2. September 1707, in: BL Add. 61125, 37v. 482 Blencowe benutzte, wie auch seine Nachfolger, gedruckte Hilfsmittel, etwa Listen oder Formulare mit durchlaufenden (meist dreistelligen) Zahlen untereinander, neben die dann die jeweiligen Wortbedeutungen eingetragen werden konnten. Vgl. die Formulare in BL Add. 32305. 483 Das Drängen Marlboroughs ist z. B. zu ersehen bei zwei Nachfragen Sunderlands bei seinem Under-Secretary Pringle, in denen er auf Marlboroughs Wunsch verweist, die dechiffrierten Dokumente möglichst schnell zurückzuerhalten: Vgl. Sunderland an Pringle, 20. April 1710 und 19. Mai 1710, in: BL Add. 61494, 55r u. 61r.
168
Strukturen der Informationsgewinnung
„I have here sent the Decyphering of the last letter I rec.d from you so far as I am able to discover it. It is very imperfect and very probably not free from mistakes, For the most common characters appear so seldom in so short a letter, that there is not means of confirming ye conjectures I make upon one place of ‘em Upon another. Besides the cypher being large and without any method, (wch adds mightily to ye Difficulty of it) It is impossible by so short a letter to discover it fully & certainly in every particular.“484
Ob also, wie in der jüngeren Literatur behauptet,485 Blencowe schlicht nicht besonders begabt war, scheint mir unentscheidbar. Möglich wäre auch, dass die Eile, die gefordert wurde, der häufige Chiffrenwechsel und der Mangel an längeren interzipierten Schriftstücken die Dechiffrierarbeit tatsächlich erschwerten. Zuweilen gelang die Arbeit nämlich auch sehr schnell.486 Doch in der Tat fällt auf, dass die Schwierigkeiten Blencowes, die ihm zugesandten Briefe in der vorgesehenen Zeit zu entziffern, seine Korrespondenz dominieren: „I am sorry the Nature of this work of Decyphering & ye Difficulty of it is such as renders it impossible to comply with the Haste wch the Circumstances of it often require.“487 Insofern baten die Secretaries Marlborough (wenn die in Rede stehenden Briefe von ihm geschickt worden waren) wiederholt darum, noch weitere Briefe in derselben Chiffre abzufangen.488 Manchmal gelang aber das Dechiffrieren gar nicht. Viele Briefe haben sich daher unentschlüsselt in den Blenheim Papers erhalten.489 Wichtiger aber als die retrospektive Entschlüsselung historischer Briefe scheint mir das Faktum, dass die Zeitgenossen eine Information nicht erhalten haben, die sie gerne gehabt hätten. Oben ist gefragt worden: Wer entzifferte die interzipierten Briefe, wenn sie entziffert werden mussten? Dies ist mit Verweis auf Blencowe beantwortet worden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Zwar fand eine kryptographische Zusammenarbeit mit den Alliierten so gut wie gar nicht statt (ein Austausch 484 Blencowe an einen Under-Secretary Sunderlands, 10. Februar 1709/10, in: BL Add. 61575, 25; ähnlich auch ebd., 9; aber auch: Blencowe an Sunderland z. B. zwischen 18. Februar 1706/07 und 5. Juni 1710, BL Add. 61575, 1, 13, 23, 36. Für einen reflektierenden Einblick in die Praxis des Dechiffrierens und ihre Probleme siehe auch BL Add. 61567, 26v–27. 485 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 143. 486 Vgl. Blencowe an Boyle, 5. Mai 1709, in: TNA SP 34/10, 251; Joseph Addison an B lencowe, 5. März 1706/07, in: BL Add. 61653, 97r. 487 Blencowe an Boyle, 26. März 1709, in: TNA SP 34/10, 217v. Siehe auch ebd., 222r; 242v; TNA SP 34/12, 3v. 488 Siehe z. B. Harley an Marlborough, 8./19. August 1707, in: BL Add. 61125, 25. 489 Siehe z. B. BL Add. 61567, 60 f.
Informationsgewinnung und Organisation
169
diplomatischer Geheiminformationen allerdings sehr wohl), die Blencowe in Konkurrenz zu anderen Dechiffrierern gebracht hätte. Nur in Ausnahmefällen ist eine Kooperation etwa zwischen den Generalstaaten und Hannover 490 oder zwischen England und Hannover zu beobachten.491 Während in den 1690er Jahren die Interzeption französischer Post nach Ost- und Nordeuropa vor allem im braunschweig-lüneburgischen Celle äußerst erfolgreich war,492 wurde während des Spanischen Erbfolgekrieges, spätestens ab 1706, das Haager cabinet noir um Heinsius‘ Privatsekretär Abel Tasien d’Alonne immer wichtiger.493 Eine Koopera tion zwischen London und/oder Marlborough mit den Niederländern scheint es aber auf diesem Gebiet nicht gegeben zu haben.494 Eifersüchtig wahrte man die eigenen Schätze, vor allem in Zeiten des Misstrauens, dass der Verbündete die Allianz verlassen wolle. Blencowe war als offizieller Dechiffrierer dennoch nicht der Einzige, der für englische Regierungsmitglieder Briefe entzifferte. Schon während des Bayernfeldzuges 1704 hatte Marlborough vor Ort offenbar mit Amateurdechiffrierern experimentiert.495 Der Grund dafür war wohl die Entfernung von England, die eine Entzifferung in London unsicher und langsam erscheinen ließ. Auch besaßen einige Spionagenetzwerke, etwa die Spionagefirma Etienne Caillauds,496 einen oder mehrere Dechiffrierer. Nach der Eroberung der südlichen Niederlande 1706 etablierte sich zudem mit John Lawes, dem Brüsseler Gesandtschaftssekretär, nicht nur ein
490 Vgl. de Leeuw, Cryptology, 343. 491 Vgl. Ellis, Post Office, 76. Der hannoversche Sekretär Jean de Robethon fragte aber 1706 bei Marlborough nach „s’il est vray, comme on veut me l’assurer que vous avez en Anglet.e un tres habile dechiffreur. J’ay des raisons pour le demander.“ – eine Bitte, auf die in der späteren Korrespondenz leider nicht mehr zurückgekommen wird, die aber zeigt, dass Blencowe nicht ganz so unbegabt gewesen sein kann. Siehe Robethon an Marlborough, 12. Februar 1706, in: BL Add. 61235, 68v. Gleichzeitig bat Robethon Cardonnel im Zusammenhang mit der im Text erwähnten William-Gregg-Affäre um eine Abschrift der interzipierten chiffrierten Briefe und ggf. sogar der beiliegenden Chiffren; ob diese Bitte erfüllt wurde, ist nicht zu ersehen. Vgl. Robethon an Cardonnel, 10. Februar 1708, in: BL Add. 61236, 58 f. 492 Vgl. Oakley, Interception; de Leeuw, Black Chamber, v. a. 139. 493 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, v. a. 155. Siehe zu den Niederlanden auch: Hardenberg, De organisatie. 494 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 143 f. 495 Siehe Marlborough an Harley, 19. September 1704: Marlborough sendet Harley aus Weißenburg einen interzipierten Brief der bayrischen Kurfürstin an ihren Mann, „which we have deciphered“; siehe: Letters and Dispatches, Bd. 1, 474. 496 Siehe Kapitel 3.4.3.
170
Strukturen der Informationsgewinnung
engagierter Spionageorganisator,497 sondern auch ein offenbar begabter Kryptograph. Lawes, der sich um Sunderlands Patronage bemühte, eröffnete seine Korrespondenz, sozusagen als Gesellenstück, mit der Sendung eines von ihm selbst dechiffrierten diplomatischen Briefs: „I shall continue to send the Ordinary occurrences to Mr Addison (Sunderlands Under-Secretary Joseph Addison, M. P.), but humbly beg leave to lay before your L.op an intercepted Letter in Cypher concerning the Affairs of Hungary.“498 Auch später schickte Lawes manchmal interzipierte und von ihm selbst entzifferte Briefe an Sunderland.499 Erst als Lawes als Laie mit der Dechiffrierung eines von Marlborough weitergegebenen Briefes nicht weiterkam, wandte er sich mit einem halb dechiffrierten Brief an Sunderland. Hier kam B lencowe wieder ins Spiel. Lawes schrieb, er habe Marlborough mitgeteilt, „I believ’d a Person was employ’d by your L.op or Mr Secretary Boile, who had formerly made some Discoveries of that Kind“.500 Marlborough klärte ihn offenbar nicht darüber auf, dass er selbstverständlich den Namen des offiziellen Kryptographen kannte. Deutlich wird an dieser Situation sowohl, dass Blencowe (wegen mangelnden Talents, schwindender Patronage oder aus anderen Gründen) nicht unangefochten agieren konnte, aber auch, dass Marlborough zwar meist auf die Regierung angewiesen war und mit ihr kooperierte, wenn es um das Dechiffrieren interzipierter Briefe ging, aber offenbar auch nicht unglücklich darüber war, mit Lawes zeitweise einen engagierten Hobby-Kryptographen vor Ort zu haben. 3.3.1.4 Initiative statt Interzeption: Newsletters und Spione
Während die Interzeptionsspionage im diplomatischen Verkehr der wichtigere Typus war, besaß mindestens innerbritisch im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert die Initiativspionage eine vergleichbare Bedeutung. Hier konzentrierte sich die Regierung auf das Jakobitenproblem vor allem innerhalb Englands und Schottlands.501 In geringerem Umfang organisierten die Secretaries aber auch Spionageaktivitäten im Ausland; am Beispiel Harleys ist dies bereits erwähnt worden.502 497 Siehe Kapitel 3.3.2.2. 498 Lawes an Sunderland, 6. Oktober 1707, in: TNA SP 77/57, 198v. 499 Lawes an Sunderland, 8. März 1708/09, in: TNA SP 77/58, 12v; 25. April 1709, in: ebd., 43r; siehe auch: ebd., 110v, 130v, 132r, 159r, 209r, 299r. 500 Lawes an Sunderland, 15. Juli 1709, in: TNA SP 77/58, 152v–153r. 501 Vgl. Walker, Secret Service; siehe auch: Hopkins, Sham Plots; Douglas, Jacobite Spy Wars; Fritz, Anti-Jacobite Intelligence System. 502 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 150 – 153; siehe generell: Fraser, Intelligence; zu Harley siehe: Backscheider, Daniel Defoe.
Informationsgewinnung und Organisation
171
Im Unterschied zum reaktiven ‚Abfischen‘ feindlicher Korrespondenz wurde im Rahmen der Initiativspionage aktiv Information beschafft. Dies verlief allerdings meist nicht so spektakulär, wie die Literatur nahelegt. Dass man dennoch dazu tendiert, die sensationellen Konnotationen zu betonen, liegt daran, dass frühneuzeitliche Spionage oft an mehr oder minder pittoresken Einzelfällen erforscht worden ist.503 Insofern trifft es zu, wenn Jonathan Dewald zu dem Schluss kommt, die besten Untersuchungen frühneuzeitlicher Spionage „have been close examinations of specific cases rather than general histories“504 – was aber eben daran liegt, dass die landläufige Vorstellung von Spionage diese oft viel farbiger malt, als sie im Regelfall gewesen sein dürfte. Schon die Zeitgenossen nahmen dieselbe sensationsheischende Perspektive auf Spione ein. Sie spielten in der politischen Kommunikation wie auch der Literatur um 1700 eine bedeutende Rolle und bildeten geradezu ein literarisches Lieblingsphantasma der Zeitgenossen.505 Gerade weil Spionage so schwierig effizient zu organisieren war, wurde so viel über sie spekuliert und fabuliert. Oft befassten sich die Spionageromane der Zeit zwar weniger mit außenpolitischer Informa tionsgewinnung als mit aus der Froschperspektive erzählten pikanten Anekdoten oder durch das Schlüsselloch betrachteten Klatschgeschichten. Allerdings artikulierten diese Romane sämtlich die Überzeugung, dass unter der Oberfläche verborgene Geheimnisse und Skandale zu vermuten seien.506 In diesen Texten wurde auch das Problem moralischer Infamie von Spionage bei gleichzeitiger politischer Notwendigkeit diskutiert – die Spione zeigten darin ihre Tätigkeit „in its true, natural, ugly shape“.507 Die Berichte der Informanten, die der englischen Regierung zuarbeiteten, waren inhaltlich wie strukturell viel weniger sensationell. Sie fielen nämlich häufig in den Bereich der für mehr oder minder große Kreise kommerziell erwerbbaren periodische Newsletters.508 Diese handgeschriebenen Zeitungen waren für 503 Vgl. etwa: Benna, Doppelspionage; Hellin, Espionnage. 504 Dewald, Espionage, 325. 5 05 Vgl. zum Spion als literarischer Figur um 1700 nur: Porada, Turkish Spy; McBurney, Authorship; Aravamudam, Fiction/Translation/Transnation, 55 – 62. 506 Darüber hinaus passt das zeitgenössische Interesse an secret histories und Spionageromanen zur gerade in England um 1700 engagiert geführten Diskussion über die Trennung oder Unterscheidung von fact und fiction, in der Defoe eine Schlüsselrolle einnimmt; siehe Davis, Factual Fictions, 238, Anm. 27. 507 Courtilz de Sandras, The French Spy, unpag. Preface. Zu zeitgenössischen moralischen Bewertungen siehe auch: Preto, I servizi segreti, 41. Siehe aus dem mittleren 18. Jahrhundert als instruktives Beispiel auch: M., Ist es erlaubt. 508 Vgl. Barbarics/Pieper, Handwritten Newsletters; Weil, Les gazettes manuscrites.
172
Strukturen der Informationsgewinnung
arlborough wie die englische Regierung viel wichtiger als gedruckte ZeitunM gen, obwohl sie sich inhaltlich nicht immer von diesen unterschieden. Dieses exklusivere und teurere Medium wurde zwar im 18. Jahrhundert gegenüber der Presse zunehmend marginaler, war aber für nicht- oder halböffentliche eng lische Regierungsbelange während des Spanischen Erbfolgekrieges zentral.509 Gerade für innenpolitische Themen stützte sich Marlborough komplementär zu seinen eigenen Informanten auch auf kommerzielle Newsletters.510 „Faktisch blieben beide Formen der Nachrichtenverbreitung […] bis ins 18. Jahrhundert hinein nebeneinander bestehen, ergänzten einander oder waren sogar aneinander gekoppelt.“511 Oft waren also die Texte, die die ältere Forschung als Spionageberichte klassifiziert, nichts anderes als Newsletters, die lediglich einem kleineren Rezipientenkreis zugäng lich gemacht wurden. Die Unterscheidung z wischen „spies“ und „regular correspondents“, die eine ältere Arbeit vorschlägt, trifft also für die Informationsgewinnung der englischen Regierung dort Unterscheidungen, wo die Zeitgenossen nicht differenzierten.512 Gleichzeitig wäre aber der Eindruck falsch, als s eien die Newsletters und Berichte, die der englischen Regierung vorlagen, sämtlich ‚öffentlich‘ gewesen – auch dies wäre eine falsche Vereindeutigung.513 Die Newsletters, die zeitgenössisch gesammelt und nach dem Amtsende der Secretaries archiviert wurden,514 zeigen diese fließenden Übergänge: Neben offensichtlicher Spionagekorrespondenz stehen thematisch diverse Berichte von Armeeangehörigen.515 Selbst die offiziellen Berichte Cardonnels aus Marlboroughs Feldlager sind hier zum Teil eingeordnet,516 waren 509 Vgl. Fraser, Intelligence, 3 f. und 45; Snyder, Newsletters. Für einen früheren Zeitraum vgl. Arblaster, Posts. 510 Vgl. Barber, It is Not Easy, v. a. 296. 511 Mauelshagen, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs, 414. Davies/Fletcher, Introduction, betonen zwar die Wichtigkeit von Newsletters (6), stellen aber bei ihrer Behandlung von „news“ dennoch weitgehend auf Printmedien ab. Vgl. zum Verhältnis geschriebener zu gedruckten Zeitungen generell: Droste, Heiko, Einige Wiener; Böning, Handgeschriebene und gedruckte Zeitung; Wilke, Korrespondenten. 512 Vgl. Fraser, Intelligence, 3. 513 Vgl. in diesem Sinne: Alsop, British Intelligence, 116. 514 Die Papiere Sunderlands sind Teil der Blenheim Papers in der British Library; auch einige andere der Amtspapiere befinden sich dort, andere in den State Papers in den National Archives. Die Secretaries waren gehalten, ihre Papiere abzugeben, wenn sie entlassen wurden oder aus dem Amt ausschieden, aber dies geschah nur sehr unregelmäßig; siehe Thomson, Secretaries of State, 143 f. 515 Vgl. BL Add. 28923, z. B. 190r. 516 Vgl. TNA SP 101/7.
Informationsgewinnung und Organisation
173
also für einige der Secretaries eine Informationsquelle, die sich prinzipiell nicht von Spionageberichten unterschied. Typologisch erscheinen demnach die Übergänge zwischen dem kommerziellen, einer breiten Öffentlichkeit potentiell zugänglichen Newsletter am einen Ende der Skala und dem ganz exklusiven, in Auftrag gegebenen Spionagebericht am anderen Ende fließend. Oft sind nur graduelle Unterschiede auszumachen. Beide verbindet die Periodizität – die natürlich für Spionageberichte nicht generell anzusetzen ist, aber doch meist erstrebtes Ziel war. Im Hinblick auf die Beschaffung dieser Informationen war der Übergang zum Zeitungswesen unscharf.517 Auch die Frage, auf w elche Öffentlichkeit, Teil- oder abgestufte Öffentlichkeit die Newsletters zielten, w elche sie tatsächlich erreichten, ob es (für wen?) mög lich war, Berichte kommerziell zu erwerben, lässt sich letztlich nur mit Verweis auf fließende Übergänge beantworten.518 Dies legt es wiederum nahe, eine Vielzahl von Maßnahmen zur Informa tionsgewinnung, unter denen „Spionage“ nur eine ist, gemeinsam zu analysieren. Allerdings sind im Rahmen dieser Untersuchung diejenigen Newsletters von besonderem Interesse, die aus relativ exklusiv für die englische Regierung arbeitenden Netzwerken hervorgingen. Diese Netzwerke, etwa diejenigen François Jaupains, John Lawes‘ oder Etienne Caillauds, kooperierten eng mit der englischen Regierung. An Organisationen lagerten sich also netzwerk artige Strukturen an. 3.3.1.5 At ye peril of my life & ruine of my familly: Macky und Fonseca
An zwei eng zusammenhängenden Beispielen ( John Macky und John Fonseca) soll die Initiativspionage der Secretaries of State vertieft untersucht werden. An ihnen wird deutlich, wie die englische Regierung versuchte, Spionageämter im Rahmen der Postinfrastruktur zu schaffen. Es wird aber auch klar – und dies ist im Übrigen ein Befund, der sich auch auf noch weniger amtsförmige Spionagebeziehungen ausweiten ließe –, dass im Zweifelsfall informellere, netzwerkartige, eher tausch- als organisationsförmige Beziehungen sich an diese formalisierteren Ämter anlagerten. Hier wie in später zu beschreibenden Fällen ist eine eingehende ‚Netzwerkanalyse‘ aber schon deshalb unmöglich, weil die Köpfe der Spionagenetzwerke (unabhängig davon, ob sie in einer Amts-, einer Patronage- oder einer
517 Vgl. Opitz, Diplomacy, 77. 518 Siehe zum Problem der „Teilöffentlichkeit(en)“ die Ausführungen zum Brief in Kapitel 3.2.2.
174
Strukturen der Informationsgewinnung
kommerziellen Beziehung zu Marlborough und/oder der Regierung standen) zwar sichtbar werden, die netzwerkartigen Strukturen, die ihnen zuarbeiteten, aber regelmäßig nur schattenhafte Konturen besitzen. Schon im Kapitel über die Postinfrastruktur z wischen England und den süd lichen Niederlanden ist John Macky ausführlich erwähnt worden, eine schillernde Gestalt, die seit den 1690er Jahren sowohl im Bereich der Postorganisa tion als auch – damit verbunden – der Spionageorganisation eine bedeutende Rolle spielte. Über Mackys Leben geben vor allem seine autobiographischen Aufzeichnungen Auskunft. Teile d ieses Textes beruhen auf einer Petition an die Regierung von ungefähr 1718, die gemeinsam mit anderen Beilagen von Mackys Sohn veröffentlicht wurde.519 Hier erfährt man, dass Macky von W ilhelm III . nach der Glorious Revolution als Spion an den jakobitischen Exilhof in St. Germain- en-Laye und nach Paris entsandt worden war.520 Von dort hatte er 1692 erste Hinweise auf eine bevorstehende Seeschlacht (die Schlacht von La Hogue) liefern können und war als Belohnung dafür mit dem Posten eines Coastal Director versehen worden. Seine Aufgabe hatte darin bestanden, Reisende von und nach Frankreich zu überwachen und verdächtige (jakobitische) Personen aufzudecken.521 Ab 1698 organisierte Macky, wie erwähnt, im Auftrag der Postmasters General die Postschiffe nach Frankreich (von Dover nach Calais, aber auch nach Ostende und Nieuwpoort) – auch dies ein spionagerelevantes Amt. Macky selbst behauptet, durch ihn sei der König „entirely Master of the Jacobite Correspondence“ geworden. So habe er etwa zwei weibliche Spione in St. Germain platzieren können.522 Nun ist ein autobiographischer Text, der, wie in d iesem Fall, auch noch eine Petition ist, sicher nicht der primäre Ort, den man auf belastbare Fakteninforma tionen (allerdings noch viel weniger auf Interpretationen) befragt.523 Dennoch ist der Text Mackys eine der wenigen längeren Aufzeichnungen eines Spions und Spionageorganisators, sodass es schwerfällt, auf ihn zu verzichten. Mackys 519 Siehe die Hinweise in: Memoirs of the Secret Services, XVIII f., sowie bei: Scott, Secret Services, 73. 520 Vgl. Memoirs of the Secret Services, III–V. 521 Die biographischen Hinweise folgen: Alsop, Macky, John, ergänzt durch Mackys eigenen Bericht: Memoirs of the Secret Services. 522 Memoirs of the Secret Services, VIII–X, Zitat: VIII. 523 Ob man Petitionen oder Suppliken als Ego-Dokumente lesen kann, wird in der Forschung diskutiert; als zustimmende Position siehe: Ulbricht, Supplikationen. Siehe genereller zum Forschungszusammenhang Petition/Supplikation: Würgler, Voices; Kümin/Würgler, Petitions.
Informationsgewinnung und Organisation
175
„Memoirs“ sind sicher auch im englischen Kontext eine außergewöhnlich reiche, vergleichsweise wenig stereotype Quelle und sind daher in jedem Fall für biographische Zusammenhänge heranzuziehen. Zudem bestätigt die Forschung die von Macky geschilderten Fakten: So wird darauf hingewiesen, dass Macky in den 1690er Jahren tatsächlich eine zentrale Rolle bei der antijakobitischen Spionage einnahm (die ohne ihn ziemlich kläglich ausgesehen hätte), aber auch, dass er eine individuelle Ausnahme darstellte.524 Macky erhielt seine Aufträge, soweit man sehen kann, bis zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges vor allem vom Staatssekretär Vernon 525 und vom Under- Secretary Ellis, der für den Secretary Hedges tätig war.526 Aus diesen Korrespondenzen wird deutlich, dass Macky eine Vielzahl von Aufgaben für die Regierung erfüllte: dass er Reisende überwachte und der Regierung verdächtige Personen (vor allem an- und abreisende Jakobiten) meldete;527 dass er von möglichen Kriegsvorbereitungen und Aufrüstungen in den Hafenstädten Dünkirchen und Ostende berichtete, wohin er Spione entsandt hatte;528 dass er schließlich offenbar immer wieder Spione in den Umkreis des jakobitischen Exilhofs schickte.529 So schreibt er etwa im März 1702: „I have sent a man to St Germans to know how matters go there, since his Majestys death and learn what other news there is, and shall take all imaginable care in this nice juncture.“530 Aus der Korrespondenz mit der Londoner Regierung geht aber auch hervor, mit welchen Problemen beide Seiten zu kämpfen hatten: Die Secretaries als Auftraggeber und Vorgesetzte hatten immer wieder Zweifel, ob die eingesetzten Spione auch vertrauenswürdig waren und verließen sich deshalb, wie eben im Fall Mackys selbst, tendenziell gern immer wieder auf dieselben Personen.531 524 Vgl. Hopkins, Sham Plots, 91; Alsop, British Intelligence, 113; siehe auch: Alsop, Macky, John. 525 Vgl. z. B. BL Add. 40771, 40772. 526 Vgl. z. B. BL Add. 28882 – 28888. 527 Vgl. Macky an Ellis, 3. September 1699, in: BL Add. 28884, 217r; Macky an Ellis, 27. März 1702, in: BL Add. 28882, 147r. 528 Vgl. Macky an Ellis, 22. Februar 1700/01, in: BL Add. 28886, 336v; 7. April 1702, in: ebd., 164r. 529 Daneben übernahm er offenbar für Hedges die Aufgabe, die Wahlberechtigten, die für ihn arbeiteten, im Sinne Hedges‘ (der für Dover ins Parlament einziehen wollte) zu beeinflussen. Vgl. Macky an Ellis, 23. März 1702, in: BL Add. 28888, 138r; vgl. auch: Vernon an Macky, 9. Oktober 1701, in: BL Add. 40775, 262r. Macky scheint also auch zu Hedges in einem Patronageverhältnis gestanden zu haben. 530 Macky an Ellis, 23. März 1702, in: BL Add. 28888, 138r. 531 Vgl. so Vernon an Macky, 1698, in: BL Add. 40772, 345r.
176
Strukturen der Informationsgewinnung
Auch wollten sie offenbar nicht immer wieder große Summen für Spionage ausgeben, ohne die Ergebnisse vorab klar kalkulieren zu können. Sie drängten also eher darauf, dass Spione wie Macky finanziell in Vorleistung gehen sollten: Zuerst sollten sie brauchbare Informationen liefern, bevor sie bezahlt wurden 532 – eine Praxis, die nicht unüblich war (auch weil sie den Gepflogenheiten der höfischen Welt entsprach)533, die aber Macky natürlich nicht recht sein konnte. Macky selbst hatte unter der zurückhaltenden Zahlungsmoral der Secretaries oder der ihnen untergebenen Postmasters General zu leiden; das ist an seiner recht regelmäßigen Petitionspraxis abzulesen, die auch zeigt, dass er sich zwar in einer formalen Dienstbeziehung sah, aber den Eindruck hatte, dass die andere Seite ihre Pflichten nicht exakt erfüllte.534 Die Unterfinanzierung schuf ein sicherheitsrelevantes Dilemma für Macky: Er musste seine Mitarbeiter in Dover, Calais oder s päter Ostende sorgfältig auswählen, um zu verhindern, dass er an französische Doppelagenten geriet.535 Gleichzeitig aber konnte er sie nicht angemessen bezahlen und öffnete damit einer heimlichen Abwerbung durch andere Auftraggeber Tür und Tor.536 Als Mackys Dienste zu Kriegsbeginn nicht mehr vonnöten waren, wurde er entlassen und ging wegen privater Geschäfte nach Italien.537 Auch von dort aus versuchte er, sich bei der englischen Regierung in Erinnerung zu bringen: etwa durch den Vorschlag, in der Adria einen alliierten Postbootdienst zu installieren 538 oder durch die Übersendung eines detaillierten Berichts der Schlacht um
532 Vgl. Vernon an Macky, 11. Oktober 1701, in: BL Add. 40775, 272r. 533 Vgl. Stollberg-Rilinger, Zur moralischen Ökonomie, 192. 534 Siehe z. B. die Petitionen Mackys vom 5. März 1697 in: Calendar of Treasury Papers, Bd. 2, 15; ca. 15. Februar 1703, in: Calendar of Treasury Papers, Bd. 3, 112. 535 Vgl. die Diskussionen zwischen Vernon und Macky zur Aufdeckung verdächtiger Mitarbeiter 1698 in: BL Add. 40772, v. a. 11r. 536 Vgl. Macky an Ellis, 18. Januar 1697/98, in in: BL Add. 28882, 45r: „I received yours, and would rather receive a Clerk of your Recomending then anybodies but I am afrayed it will hardly be worth while, the PostMr Generall does not allow me one, and whoever I employ must serve me in other thinges as well as Copying my letters, eat wt my other servants, and not verie great wages.“ 537 Vgl. Alsop, Macky, John; Memoirs of the Secret Services, XI. 538 Vgl. BL Add. 37351, 300r (Memoire pour S. A. S. Monseig.r le Prince Eugene de Savoye President de guerre et Generalissime des Armées de S. M. I. en Italie contenant quelques propositions par Mons.r Mackay Directeur de Pacquetboats d’angleterre, pour le Transport des Trouppes et des provisions par la Mer Adriatique); BL Add. 37352, 44r–v.
Informationsgewinnung und Organisation
177
Gibraltar 1704.539 Er blieb in Kontakt mit Ellis 540 und versuchte seine Verbindungen mit englischen Regierungsmitgliedern und Diplomaten (Godolphin, Stepney) für sich auszunutzen.541 Vor allem aber nutzte er seine Patronagekontakte zum früheren Secretary Shrewsbury, der sich in Rom aufhielt.542 Shrewsbury stellte möglicherweise den Kontakt zur hannoverschen Kurfürstin und potentiellen englischen Thronfolgerin Sophie her, für die Macky – vielleicht mit Shrewsburys Hilfe – auch eine Abhandlung über die wichtigsten englischen Adligen und Politiker schrieb.543 Auch traf er im Haag, wo er sich 1705 aufhielt, mit Marlborough zusammen, dem er sich auf Empfehlung Shrewsburys und des hannoverschen Hofes annähern konnte. Tatsächlich bat Marlborough auch den Secretary Harley darum, Macky zu unterstützen.544 Offenbar erschienen Mackys Spionageerfahrungen der Regierung wieder als nützlich; seine notorischen Geldprobleme versuchte er durch autoritative Referenzen, wenn nicht zu lösen, dann zu überspielen: „I have made the Duke of Shrewsbury a father instead of a friend, I have my court very well at Hannover, and have procured me more of the Duke of Marlboroughs friendship then ever I could have done by staying in England, he having very kindly writt to Mr Harley about me.“545
Nach der Eroberung großer Teile der Spanischen Niederlande erhielt Macky, wie bereits oben dargestellt, 1706 seinen Posten zurück und war (meist von Dover aus) an der Organisation des Ostender Postdienstes genauso beteiligt wie an der Organisation der südniederländischen Post generell. In den südlichen Niederlanden agierte er in den nächsten Jahren als Verbindungsmann zum Generalpostmeister
539 Vgl. BL Add. 37352, 368r–370v. 540 Siehe BL Add. 28891, 228r–v; 232r. 541 Vgl. BL Add. 28891, 248r u. 271r. 542 Vgl. HMC Buccleuch, Bd. 2, Teil 2, 746, 785, 788. 543 Diese Abhandlung, die sog. „Characters“, wurden s päter in Mackys Memoirs of the Secret Service eingefügt; siehe Scott, Secret Services, 77 f. Dort sind auch zwei Briefe Sophies an Macky von 1703 und 1706 abgedruckt; vgl. Memoirs of the Secret Services, XXXIV u. XXXVI, die wiederum zeigen und zeigen sollen, wie eng Mackys Kontakte zu verschiedenen Herrschern und hohen Adligen war. 544 Vgl. Macky an Ellis, 28. April 1705, in: BL Add. 28893, 129r; Letters and Dispatches, Bd. 2, 87 (Marlborough an Harley, 9. Juni 1705). 545 Vgl. Macky an Ellis, 1. Mai 1705, in: BL Add. 28893, 131v.
178
Strukturen der Informationsgewinnung
François Jaupain. In d iesem Kontext trat er enger mit Marlborough und seinem Umfeld in Verbindung,546 arbeitete aber auch für die Secretaries of State.547 Godolphin gab Macky den Auftrag, „to settle an Intercourse of Letters directly between England and these Countries, and gave him the Direction of the Pacquet-Boats to Ostend, with Instructions to have a watchful Eye over the Naval Preparations from Time to Time at Dunkirk, which was easy to be done from Ostend, most of the Dunkirkers being Navigated by Ostenders“.548
Mackys Aufgabenbereich umfasste also wiederum sowohl die Postorganisation als auch die Beschaffung vor allem militärischer Informationen. Seine Stellung wurde formalisiert: Er unterstand dem Post Office, das ihn regelmäßig bezahlte, und zwar explizit für seine Post- wie für seine Spionagedienste. Dies geht unter anderem aus einem Brief Cardonnels hervor: „What Expence you may have been at in sending a Man to Dunkirk and Calais for Intelligence of what was fitting out in those ports, My Lord Duke desires you will place to the Acc.t of the Post Office.“549 Die Schwierigkeiten der Postorganisation gefährdeten jedoch auch in der Folgezeit immer wieder Mackys Posten.550 Er versuchte, der Gefahr, erneut seine Stelle zu verlieren, durch verschiedene Strategien zu begegnen: So stellte er gegenüber seinen Vorgesetzten, den Postmasters General, seine Nähe zur hanno verschen Dynastie (also den prospektiven Thronfolgern) heraus.551 Daneben 546 Vgl. die Korrespondenz Cardonnels aus dem Jahr 1706, in: BL Add. 61398, z. B. 43r; 126r; 40v–41r; 48v; 51r; 135r. Zur Kooperation Macky/Jaupain/Cardonnel/Marlborough siehe auch Cardonnel an Frankland, 22. Juli 1709, in: BL Add. 61400, 175v sowie Marlborough an Godolphin, 30. Juni/11. Juli 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1297. 547 Vgl. Macky an die Postmasters General, 12. Oktober 1710, in: TNA SP 77/59, 226r. 548 Memoirs of the Secret Services, XII f. Siehe auch Cotton und Frankland an Hedges, 9. August 1706, in: Calendar of State Papers, Bd. 4, 197 f. sowie oben, Kapitel 3.2.3. 549 Cardonnel an Macky, 30. Oktober 1710, in: BL Add. 61401, 118v. Vgl. auch den Bericht über Mackys Aktivitäten, den die Postmasters General am 14. April 1711 dem Secretary of state St. John erstatteten; siehe TNA SP 34/15, 66r. 550 Vgl. z. B. Cardonnel an Macky, 26. Dezember 1707, in: BL Add. 61399, 49r–v. 551 Vgl. den Brief der Postmasters General an Sunderland vom Oktober 1708, die berichten, dass Macky den hannoverschen Erbprinzen von der flämischen Armee nach Seeland begleitet habe; siehe BL Add. 61601, 104r; die kontinuierliche Nähe zur Kurfürstin Sophie wird auch deutlich aus einem Brief von 1713, aus einer Zeit also, als Macky bereits wieder ohne Stellung war; siehe BL Stowe 225, 137r–v.
Informationsgewinnung und Organisation
179
versuchte er seine ideologische Nähe zu den Whigs dadurch zu n utzen, dass er Sunderlands Protektion zu erlangen suchte, und zwar auf dem Weg über Cardonnel und mittels eines Memorandums zur versuchten jakobitischen Invasion von 1708.552 Wenn er von Dover nach Ostende übersetzte, fragte er bei Sunderland an, ob dieser etwas Spezifisches vom Festland zu erfahren wünsche.553 Auch vermittelte er Sunderland den Kontakt zu einem Spion, der sich bei ihm beworben hatte und den er Sunderland als Berichterstatter aus Flandern vorschlug (wobei nicht klar ist, was daraus wurde): „Last night I received the inclosed advertisement from Flanders by a verie good Hand who will give your Lordship constant advices of every thing that passes in the French Flanders if your Lordship requires it.“554 Vor allem aber suchte Macky sich zu profilieren, indem er seine Spionage- und Informationsmöglichkeiten möglichst breit streute und auf vielen verschiedenen Feldern spielte: Er bemühte sich darum, Dünkirchen und andere französische Häfen von Spionen überwachen zu lassen – ein Aufgabe, die vor allem im Umkreis der Invasion von 1708 unmittelbare Dringlichkeit besaß, aber auch danach fortgeführt wurde. 555 Er organisierte Newsletters, die zum Beispiel über die Situation an der Front informierten,556 und sandte Spione zur französischen Armee.557 Während der Belagerung Lilles durch die Alliierten 1708 schickte Godolphin Macky von Dover nach Lille, um mit Marlborough über eine Verbesserung der Postverbindungen zwischen Lille und Ostende zu konferieren.558 552 Vgl. Cardonnel an Macky, 16. März 1708, in: BL Add. 61399, 106r. Überhaupt scheint Cardonnel Macky gestützt zu haben; der herzliche Ton in seinem Brief vom 10. Oktober 1710 weist in diese Richtung (BL Add. 61401, 119r). 553 Vgl. Macky an einen von Sunderlands Under-Secretaries, 1. Juni 1707, in: TNA SP 34/9, 43r. 554 Macky an Sunderland, 7. Februar 1706/07, in: BL Add. 61601, 171r. 555 Vgl. Macky an Cotton/Frankland, 31. Mai 1707, in: BL Add. 61601, 33r, siehe aber auch z. B. Macky an die Postmasters General, 31. Mai 1707/08, in: BL Add. 61601, 33r; BL Add. 61579, 149r–v (8. September 1708); Cardonnel an Macky, 23. Oktober 1710, in: BL Add. 61401, 115r. 556 Vgl. Macky an die Postmasters General, 2. Juli 1708, in: BL Add. 61601, 80r; die Frontsitua tion war auch deshalb relevant, weil aus ihr Schwierigkeiten der Postübermittlung resultierten. Siehe darüber hinaus auch den von Macky organisierten Newsletter aus Paris und Toulon vom 21. Juli 1707, in: BL Add. 61601, 36r–v. 557 Vgl. den Bericht Mackys an die Postmasters General, in: BL Add. 61601, 98r–101r. 558 Siehe den Bericht der Postmasters General an St. John, 14. April 1711, in: TNA SP 34/15, 66v. Auch die Belagerung von Tournai wurde von Macky beobachtet; siehe Postmasters General an Sunderland, 29. Juli 1709, in: BL Add. 61601, 129r–133r.
180
Strukturen der Informationsgewinnung
Macky trat also gerade während der zweiten Hälfte der 1700er Jahre immer wieder im engsten Umfeld Marlboroughs in Erscheinung. Eine wichtige Aufgabe in dieser Periode war die Überwachung verdächtiger Reisender.559 Diese sei aber, so schrieb Macky Anfang 1710, ohne größere finanzielle Anstrengungen nicht durchzuführen: „I think it my duty (having had the management of that matter last Warr) to represent to your Lordship the improbability of doing that service effectually without you have people abroad to give notice of the Imbercation, as well as officers at Home to look after their Landing.“560
Macky verband die Mängeldiagnose wie immer mit einer Petition und einem waghalsigen Plan, aus dem nichts geworden zu sein scheint: Er selbst wollte als englischer Konsul in den Spanischen Niederlanden nicht nur die Namen aller nach England Reisenden, sondern auch die Namen derjenigen vielen Kinder beiderlei Geschlechts zu übermitteln, „that goe hence every year to be Educated in principles contrary to our Civil and Ecclesiastical Constitution in the Colledges and Monasterys of the Low Countrys“561. Der Plan, katholische Bildungsinstitutionen auszukundschaften, verweist zurück auf eine frühere Aktion und legt gleichzeitig ein mutmaßliches Motiv von Mackys Engagement offen: Der fanatische Antikatholik Macky hatte bereits 1707 der englischen Regierung unaufgefordert eine detaillierte Aufstellung und Beschreibung der aus seiner Sicht hochgefährlichen englischen Priesterseminare in Flandern geliefert.562 Mackys Sturz 1711 schließlich war eng an Marlboroughs Machtverlust gekoppelt: Die geheimen Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und England, die die neue Regierung an Marlborough vorbei initiierte, wurden von Macky aufgedeckt, und zwar, weil er die reisenden Unterhändler erkannte und identifizierte. Einer der Unterhändler war schließlich „his old Acquaintance Mr. Prior“, M atthew Prior.563 Die Regierung, die er benachrichtigte, reagierte v erständlicherweise 559 Siehe Macky an Frankland, 12. März 1706/07, in: BL Add. 61601, 14r–v; vgl. auch die Hinweise im Brief des Bürgermeisters von Canterbury an Sunderland, 29. Juli 1708, in: BL Add. 61608, 29r–32r. 560 Macky an Sunderland, 23. Februar 1709/10, in: BL Add. 61601, 191r; mit „imbercation“ meint Macky wohl „embarkment“, Einschiffung. 561 Ebd. 562 Vgl. Macky an Sunderland, 7. Januar 1707/08, in: BL Add. 61601, 176r–179r; siehe dazu: Alsop, John Macky’s 1707 Account. 563 Memoirs of the Secret Services, XVII. Zum Dichter und Diplomaten Prior siehe: Legg, Matthew Prior.
Informationsgewinnung und Organisation
181
nicht, sodass Macky sich an Marlborough wandte, der diese Nachricht wiederum an die Secretaries weitergab 564 – entweder, weil er sie nicht glaubte oder weil er Macky als Klienten Shrewsburys (der der neuen Regierung angehörte) i nzwischen selbst misstraute.565 Die Konsequenz dieser Affäre war jedenfalls einerseits, dass Marlborough früher, als er sollte, von den geheimen Friedensverhandlungen erfuhr,566 andererseits, dass Macky von der Regierung inhaftiert wurde.567 Mackys Versuch, durch die Aufdeckung der geheimen Friedensverhandlungen der verhassten Tory-Regierung zu schaden, war also gescheitert, hatte ihn sein Amt und seine Freiheit gekostet und Marlboroughs ohnehin fragile Position noch einmal weiter geschwächt.568 Erst Georg I. schließlich entließ Macky aus dem Gefängnis. Doch kämpfte er noch Jahre um wirtschaftliche Erholung und um Rehabilita tion – aus diesem Kontext stammt auch die Petition, der viele biographische Details entnommen sind. Macky ist nur ein, wenn auch besonders hervorstechendes Beispiel für eine amtsförmige Spionageorganisation. Gleichzeitig ist er eine Zentralfigur der engen Kooperation z wischen den Secretaries of State und dem Herzog von Marlborough – eine Kooperation, die allerdings am Ende des Krieges nicht mehr funktionierte. Wichtiger, als dem notorischen Projektemacher Macky weiter zu folgen, ist im Zusammenhang dieses Kapitels die Verbindung zu einem weiteren Spion. Schon bei der Beschreibung der englischen Priesterseminare in Flandern von 1707 hatte Macky die Hilfe eines Mannes namens John de Fonseca in Anspruch genommen: „To Dunkirk, Aire, Douai, and St. Omer where I could not go I sent one Fonseca who had been bred at St. Omer.“569 John de Fonseca war der uneheliche 564 Memoirs of the Secret Services, XVII. 565 Zum Misstrauen Marlboroughs gegen Macky siehe den Brief an Sarah, 5./16. August 1710, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1591 sowie Alsop, Macky, John. Shrewsbury hatte an sich ein gutes Verhältnis zu Marlborough, war aber seit 1710 in Diensten der neuen Tory-Regierung; siehe Coxe, Memoirs, Bd. 3, 57. 566 Siehe den Brief von Brydges an Marlborough, 23. August 1711, in: The Letters and Accounts of James Brydges, 137. 567 Vgl. Memoirs of the Secret Services, XVIII f. 568 Vgl. Alsop, Detection, 63, der sogar vermutet, dass die ganze Situation von St. John absichtlich herbeigeführt wurde; entweder weil dieser darauf spekulierte, dass Macky Prior erkennen würde, oder weil d iesem, als dies einmal geschehen war, die öffentliche Konfrontation mit Marlborough als vorteilhaft erschien. Dies kann hier nicht entschieden werden. Siehe ebd., 64. 569 Alsop, John Macky’s 1707 Account, 338. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Macky sich auf diesen Bericht bezieht, wenn er am 18. Februar 1707/08 Sunderland informiert: „This
182
Strukturen der Informationsgewinnung
Sohn eines früheren spanischen Gesandten in England und späteren Rates der spanischen Regierung in Brüssel. Er war selbst in Brüssel ansässig und besaß viele Kontakte zu den Offizieren der spanisch-französischen Armee, präsentierte sich aber gleichzeitig als extrem pro-alliiert.570 Er hatte sich bereits 1706 mit einem Memorandum über die soziale, politische und kulturelle Lage Flanderns an Marlborough gewandt, um d iesem für den Fall der Eroberung der südlichen Niederlande Hinweise für die zukünftige Regierung zu geben.571 Fonseca spionierte auch nach 1707 für Macky – hatte aber anders als Macky kein Amt inne. Fonseca arbeitete aber auch unabhängig von Macky für die eng lische Regierung oder einzelne ihrer Mitglieder. An ihm ist also abzulesen, wie sich eher informelle Spione mit eher amtsförmig organisierten verbanden und dass es ein Kontinuum zwischen formaler und informeller Informationsgewinnung gab. Während Macky ein reguläres jährliches Gehalt erhielt, musste Fonseca von der spezifischen und punktuellen Bezahlung einzelner geleisteter Spionagedienste plus hin und wieder zusätzlichen Gratifikationen leben.572 Gleichzeitig musste er auf die Fürsprache einflussreicher Bekannter vertrauen.573 Dies hatte unter anderem damit zu tun, dass er Katholik war. Aus einem Brief Sunderlands an Cadogan geht hervor, dass die Regierung Fonseca zwar „favour, & protection“ zukommen lassen wollte, dass aber „his religion renders him uncapable of ye rewards & encouragement he might have expected“574. Die einzige Möglichkeit, ihm wirklich zu nützen, bestehe also darin, ihm einen Posten in den Spanischen Niederlanden (und eben nicht in England) zu beschaffen.575 Fonseca assisted me verie much in the matter which I had the Honour to lay before your Lordship last Sunday“ (BL Add. 61601, 180r). 570 Vgl. Alsop, John Macky’s 1707 Account, 337; Snyder, Introduction, XXX, Anm. 5. 571 Vgl. Fonseca an Marlborough, in: BL Add. 61365, 72r–81v. 572 Vgl. den Brief des Postmaster General Frankland an Sunderland, 30. Juli 1708, in: BL Add. 61601, 94r, in dem es heißt, dass Fonseca, weil er so gute Dienste geleistet habe, nicht nur „reimbursed“ werden solle, „but have some gratification“. Die Bezahlung Fonsecas lief wohl über Macky; dieser legte das Geld aus und ließ es sich aus dem Post Office zurückzahlen. Dies geht jedenfalls aus einem Brief Mackys an Sunderland vom 28. Februar 1708 hervor; siehe BL Add. 61601, 184r. 573 Offenbar war Fonseca relativ gut mit dem ehemaligen envoyé in den Spanischen Niederlanden (später in Savoyen), Richard Hill, bekannt, der am 12. April 1708 die Postmasters General bat, Fonseca den Kontakt zu Sunderland zu vermitteln. Siehe diesen Brief als Kopie in Harleys Korrespondenz mit Fonseca, BL Add. 70191, 18r. 574 Vgl. den Brief Sunderlands an Cadogan, 9. Mai 1709, in Kopie in der Korrespondenz Harleys mit Fonseca, BL Add. 70191, 17r. 575 Vgl. ebd.
Informationsgewinnung und Organisation
183
Offenbar erhielt Fonseca aber erst im Frühjahr 1710 eine Stellung innerhalb der Finanzverwaltung (conseil des finances) des Brüsseler Raad van State und trat schon aus d iesem Grunde mit Marlborough in Verbindung.576 Vorher war Fonseca darauf angewiesen, seine Dienste für die englische Regierung möglichst teuer zu verkaufen und sich die Patronage immer einflussreicherer Personen zu sichern: Auf Ermunterung Mackys schrieb er direkt an die Postmasters General,577 die er wiederum darum bat, den Kontakt zum für die Spanischen Niederlande zuständigen Secretary Sunderland herzustellen. Seine Situation in drastischer Rhetorik ausmalend, schrieb er: „My Lord Sunderland being come to town, I desire you will do ye favour to represent my case his Lordship who I do not doubt but will consider ye time I have lost, & the expences I have made at ye peril of my life & ruine of my familly to do my native Country service. I am advised from Brussels & elsewhere yt ye French if they ketch me, will breake me upon ye wheele, and have ye Odium of all Ro. Catholicks & Jacobite faction.“578
Zusätzlich eröffnete Fonseca am 29. August 1707 aus Brüssel eine Korrespondenz mit Harley und berief sich ebenfalls auf Macky.579 Harley war in dieser Zeit Secretary of State im Northern Department, also für die protestantischen Staaten zuständig. Dass Fonseca auch ihm schrieb und ankündigte, ihn mit Newsletters aus Spanien und Frankreich versehen zu wollen,580 deutet auf dreierlei hin: erstens auf die nicht ganz klare Trennung der Kompetenzen des Northern und des Southern Secretary; 576 Jedenfalls finden sich in Marlboroughs Korrespondenz auch zwei Berichte aus diesem Zusammenhang, die von Fonseca mitunterzeichnet wurden. Vgl. BL Add. 61193, 122r–130v. Die Anstellung könnte auf Sunderlands Protektion zurückgegangen sein, der am 28. März 1710 Cadogan (den englischen Vertreter in der niederländisch-englischen Regierung) darum bat, Fonseca einen Posten zu beschaffen; siehe BL Add. 61651, 213r. Fonseca hatte sich am 1. März bei Sunderland darüber beschwert, dass Cadogan nichts für ihn tue; offenbar hatte sich Sunderland schon vorher für Fonseca verwendet. Siehe Fonseca an Sunderland, 1. März 1710, in: BL Add. 61534, 193v. Siehe auch Fonseca an Sunderland, 30. März 1710, in: TNA SP 77/59, unpag. 577 Macky an Fonseca, 5. August 1707, in: BL Add. 70191, 9r: „at ye same time, yt you write to me, send such an other letter, to Mr. Waterhouse Secretary of ye Post office in London, because your letters are so well liked, & I am often out of town, the Court desires y.r letter may come to hande, as soone as possible.“ 578 Fonseca an den Postmaster General Thomas Frankland, 28. Oktober 1708, in: BL Add. 61601, 111r. 579 Vgl. Fonseca an Harley, 29. August 1707, in: BL Add. 70191, 1r. 580 Vgl. ebd., 1v.
184
Strukturen der Informationsgewinnung
zweitens auf Harleys Ruf, an Spionageinformationen besonders interessiert zu sein; drittens und am wichtigsten aber auf Fonsecas finanzielle Not. Offenbar war Fonseca einer der wichtigsten unter Mackys Spionen. Auch wenn er ihn in seinen „Memoirs“ nicht namentlich erwähnt, dürfte es sich doch bei dem Spion, den Macky im Umkreis der Aufrüstungen von 1708 nach Dünkirchen sandte, um Fonseca handeln: „Mr. Macky sent an Inhabitant of the Country with a French Pass, under pretence of making some old Accompts with Pigault, a Merchant in Calais, to which Dunkirk was his Road, he very luckily fell in with the Troops on their March, that were designed for this Expedition, and soon found they were bound for Scotland; he brought Mr. Macky the Name of every Battalion and every Ship, which Mr. Macky immediately transmitted to my Lord Sunderland then Secretary of State.“581
Die Hauptaufgabe Fonsecas war die Überwachung der Schiffsrüstungen im französischen Freibeuterhafen Dünkirchen, von dem im Frühjahr 1708 aus die jakobitische Invasion nach Schottland startete. Auch wenn er bereits vorher im Umkreis Cardonnels/Marlboroughs und auch des englischen Gesandtschafts sekretärs John Lawes auftaucht,582 verdichtet sich doch Fonsecas Korrespondenz mit englischen Regierungsmitgliedern ab dem Februar 1708. Fonseca ging selbst (inkognito) nach Dünkirchen, was nicht ungefährlich gewesen sein dürfte,583 und versorgte die englische Regierung mit Zahlen und Namen französischer Kriegsschiffe, schickte Newsletters aus Frankreich weiter und stellte gesicherte Informa tionen und Gerüchte über das zusammen, was in Dünkirchen vorging.584 581 Memoirs of the Secret Services, XIV f. 582 Vgl. Cardonnel an Lawes, 3. Oktober 1707, in: BL Add. 61399, 9r: „I hear nothing yet of Mr. Fonseca who I should be glad to see here.“ Siehe auch Cardonnel an Lawes, 6. Oktober 1708, in: BL Add. 61400, 11v. 583 So schildert es jedenfalls der Postmaster General Thomas Frankland, der 1714 Fonseca ein „Certificate“ ausstellte, das diesem bescheinigte, sehr früh die Dünkirchener Rüstungen aufgedeckt zu haben. Darin heißt es: „I doe beleive that the Said Mr. Fonseca did run great hazard by goeing to Dunkirk in order to obtain those Informations.“ Vgl. BL Add. 61604, 69r. 584 Vgl. Fonseca an Mowat (einen Mitarbeiter Mackys), 27. Februar 1708, in: BL Add. 61601, 182r–183r; Fonseca an Macky, 5. März 1708, in: ebd., 186r–187r; Fonseca an die Postmasters General Cotton und Frankland, 12. März 1708, in: ebd., 53r–v; Newsletter vom 9. März 1708, in: ebd., 55r–v; Fonseca an Cotton und Frankland, 14. März 1708, in: ebd., 57v–58v; F onseca an Frankland und Cotton, 15. März 1708, 59r–v; Newsletter aus Paris, 12. März 1708, in: ebd., 60v.
Informationsgewinnung und Organisation
185
Obwohl Fonseca nicht der einzige Informant der Regierung über die Vorgänge in Dünkirchen oder in der Umgebung war (geschweige denn der einzige, der über die Reise des jakobitischen Pretenders nach Flandern berichtete, deren Zweck im Laufe des Februar und März immer klarer wurde), scheint er doch der Erste gewesen zu sein, der „certain advices“ gab. Dies geht jedenfalls aus einem – wiederum für Patronagezwecke zu verwendenden – „Certificate“ hervor, das der Postmaster General Frankland Fonseca 1714 ausstellte.585 Die Frage danach, welche Informationen aus welchen Gründen der englischen Regierung als ‚certain‘ erschien, erweist sich als nicht befriedigend beantwortbar 586 – in Kapitel 4.2 wird darauf zurückzukommen sein. In der Folgezeit verlegte sich Fonseca auch auf andere Spionageaktivitäten: Zum Beispiel sandte er Sunderland detaillierte Berichte über die Belagerung Lilles, die er möglicherweise gemeinsam mit oder für Macky angefertigt hatte.587 Im Frühjahr 1710 schickte Fonseca wiederum an Sunderland einige Berichte über die Situation der französischen Armee, aber auch über die militärische Lage in Spanien.588 Auch Marlborough berichtete er im Sommer 1710 über die militärische Situation in Spanien.589 Harley, dem Fonseca sich bereits 1707 genähert hatte, wurde ebenfalls ab 1710 ein regelmäßiger Adressat, dem Fonseca – der offenbar weiterhin über gute Kontakte
585 Vgl. BL Add. 61604, 69r–v; Fonseca legte d ieses Zertifikat 1720 Sunderland vor, um diesen wiederum zu einer finanziellen Unterstützung zu bewegen; siehe ebd., 67r–v. 586 Marlborough etwa verband die erste sichere Information über die Vorgänge in Dünkirchen mit dem südniederländischen Schatzkämmerer Pierre Gaspard van der Gote (siehe Letters and Dispatches, Bd. 5, 162). Snyder schreibt: „Van der Gote may have received the information in turn from John de Fonseca, who took credit for giving early notice of the Pretender’s invasion“ (Snyder, Introduction, XXX, Anm. 5; siehe auch Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1298, 1504 f., 1638). Es ist sicher, dass Marlborough immer wieder Informationen von van der Gote, dem einzigen pro-englischen Mitglied des Brüsseler Staatsrats, erhielt; es ist möglich, dass Fonseca und van der Gote sich kannten; aber die Konjektur Snyders ist insgesamt dennoch sehr zweifelhaft. Die Informationen Fonsecas liefen ja eindeutig über Macky und Sunderland. Van der Gote mag einen eigenen Informanten gehabt haben. 587 Vgl. Fonseca an Sunderland, 31. August 1708, in: BL Add. 61601, 229r–230v. 588 Vgl. Fonseca an Sunderland, 1. Februar 1710 und 27. Februar 1710, in: BL Add. 61534, 187r–v u. 191r–v. 589 Vgl. BL Add. 61314, Briefe vom 27. Juli 1710 (78r), 31. August 1710 (111v), 10. September 1710 (130r–v). In dieser Zeit erhielt Fonseca zweimal wöchentlich Newsletters aus Madrid. Vgl. Fonseca an einen Secretary oder Under-Secretary, 27. August 1710, in: TNA SP 77/59, 172v.
186
Strukturen der Informationsgewinnung
nach Spanien verfügte – Newsletters von dort schickte.590 Unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen sah Fonseca zu Recht im Treasurer Harley den einflussreichsten Förderer; daher bemühte er sich gerade um seine Patronage.591 An Marlborough schrieb er nach 1710 nicht mehr – dies entspricht dem Machtverfall Marlboroughs wie dem Aufstieg Harleys. Am Beispiel Mackys und Fonsecas lässt sich also klar ablesen, dass und wie die Informationsgewinnung der englischen Regierung einerseits amtsförmig strukturiert und wo sich andererseits andere Strukturen an die Organisationen der Regierung anlagerten. Formale und informelle Strukturen verschwimmen dabei nicht, aber sie kooperieren. Dies ist in vergleichbarer Weise auch im Bereich der diplomatischen Informationsgewinnung zu beobachten. 3.3.2 Honorable espions: Diplomatische Informationsgewinnung 3.3.2.1 Marlborough und die englische Diplomatie um 1700
Information war das „raw material of diplomacy“.592 Diplomatische Korrespondenzen waren damit neben der Kooperation mit den Secretaries of State der zweite wichtige Amtskontext, in den Marlboroughs Informationsgewinnung eingebettet war. In d iesem Kapitel sollen also die diplomatischen Kanäle beschrieben werden, die Marlborough zur Informationsgewinnung nutzte. Im ersten Schritt wird dabei überblicksartig Marlboroughs Korrespondenz mit englischen Diplomaten in den Blick genommen. Im zweiten Schritt wird ein besonders eindrucksvolles Beispiel diplomatischer Informationsgewinnung beschrieben: Am Beispiel des Brüsseler Gesandtschaftssekretärs John Lawes wird allerdings auch deutlich werden, dass die diplomatischen Informationskanäle, die Marlborough nutzte, nicht einfach Teil ‚seines‘ Informationsgewinnungsdienstes waren, sondern auch andere Mitglieder der englischen Regierung mit Informationen versorgten. Insofern ist auch dieses Beispiel ein Beleg für die enge Kooperation mit den Secretaries of State. 590 Vgl. Fonseca an Harley, 24. September 1710, in: BL Add. 70191, unpag. sowie 28. Januar 1711, in: ebd., 7r, siehe auch ebd., 12v. Hier beschwert sich Fonseca auch über den englischen Repräsentanten in Brüssel, Cadogan – dass er dies gegenüber Harley tut, verweist auf relative Vertrautheit mit den englischen Gegebenheiten, denn Cadogan stand im Herbst 1710 bereits kurz vor seiner Rückberufung durch die neue Tory-Regierung, der Harley vorstand. 591 Vgl. Fonseca an Harley, undatiert (1711?), in: BL Add. 70191, 21r–v. 592 Roosen, Age of Louis XIV, 129; vgl. generell ebd., 129 – 161 sowie: Bély, Espions, 49 – 286.
Informationsgewinnung und Organisation
187
Die Übergänge z wischen Diplomatie und Spionage waren um 1700 relativ fließend.593 Insofern steht neben der oft zitierten Trias diplomatischer Aufgaben – Repräsentation, Verhandlung und Informationsbeschaffung – eine andere: „lie, spy, bribe“594. Obwohl sich in der Diplomatietheorie um 1700 ein wachsendes Bewusstsein für die durchaus auch strategische Bedeutung von Ehrlichkeit und Offenheit zeigt,595 wird doch die Idee des Diplomaten als honorable espion in den Diplomatietraktaten um 1700 geradezu topisch artikuliert, so etwa bei Callières: „On appelle un Ambassadeur un honorable Espion; parce que l’une de ses principales occupations est de découvrir les secrets des Cours òu il se trouve, & il s’acquitte mal de son emploi, s’il ne fait pas faire les dépenses necessaires pour gagner ceux qui sont propres à l’en instruire.“596
Abraham de Wicquefort kennzeichnete als Spion im engeren Sinne denjenigen Diplomaten, der sich heimlich dem Empfängerland und damit dem potentiellen Feind andiene. Tue er dies nicht, sondern gehe seinen Aufgaben loyal nach, dann sei er zwar auch ein Spion, aber eben ein ehrenhafter: „Quand on dit que l’Ambassadeur est un espion honorable, on entend parler de celui qui sert son maistre, & non de celui qui le trahit. Hors cette fonction honnorable, le mestier d’espion est infame, & celui qui s’en mesle est pendable.“597
Die bereits erwähnte moralische Ambivalenz von Spionage wurde auf diese Weise erkannt, gleichzeitig aber stillgestellt. Dies lag selbstverständlich daran, dass man ihr Nützlichkeit unterstellte. Gerade bei der Vorbereitung von Verhandlungen wie auch im Krieg, so Callières, sei das für Spionage aufgewendete Geld besonders gut angelegt – ein Argument, das auch Marlborough im Winter 1711 verwendete. 593 Vgl. auch: Opitz, Diplomacy, v. a. 68. 594 Thompson/Padover, Secret Diplomacy, 57. Zu den diplomatischen Aufgaben siehe: K ugeler, „Le parfait ambassadeur“, 182. – Zum Verhandeln siehe Waquet, Verhandeln sowie Köhler, Strategie und Symbolik; zum Komplex diplomatischer Repräsentation siehe: Krischer, Souveränität; Roosen, Early Modern Diplomatic Ceremonial. 595 Vgl. Anderson, Rise of Modern Diplomacy, 45 f.; Externbrink, Kommunikation, 160. Siehe zu den zeitgenössischen Sichten auf die Diplomatie auch: Hönn, Betrugs=Lexicon, Art. „Abgesandte“, 1 – 3. 596 Callières, De la manière de négocier, 24. 597 Wicquefort, L’Ambassadeur, 133.
188
Strukturen der Informationsgewinnung
„Il vaudroit beaucoup mieux qu’un General eût un Regiment de moins dans son armée, & qu’il fût bien instruit de l’état et du nombre de l’armée ennemie & de touts ses mouve mens: & qu’un Ambassadeur retranchât de ses dépenses superfluës, pour employer ce fond à decouvrir ce qui se passe dans le Conseil du Pays où il se trouve.“598
Wie sah der englische diplomatische Dienst um 1700 aus? In England hatte sich erst mit dem verstärkten Engagement auf dem Kontinent seit der Glorious Revolution die Diplomatie verstetigt und verdichtet.599 Doch trotz dieser Entwicklung sollte man für die Zeit um 1700 ihre Professionalität nicht überschätzen: Diplomatische Rollen waren kaum oder nur schwach gegenüber anderen sozialen Rollen, etwa der adligen, ausdifferenziert. Eine fachspezifische Ausbildung und ein distinktes Berufsethos existierten praktisch noch nicht.600 Eine ‚Professionalisierung‘ der Ausbildung bestand auch in anderen europäischen Staaten kaum, nicht einmal im Vorreiterland Frankreich.601 Die hohen Diplomaten – also vor allem diejenigen mit Ambassadeursrang – waren Adlige, um 1700 zudem oft Militärs.602 „Diplomatie war nur in Ansätzen ein Amt und keinesfalls eine Berufslaufbahn.“603 Dies galt besonders auch für England. Wenn also die im engsten Sinne diplomatische Informationsgewinnung hier im Kontext formaler Strukturen erörtert wird, so geschieht dies nicht aus einer Überschätzung des Organisa tionsgrades und des Amtscharakters von Diplomatie um 1700, sondern allein deshalb, um sie typologisch von nicht-amtsförmigen, netzwerkartigen, informellen Strukturen abzusetzen. Dies ist sinnvoll, will man in einem zweiten Schritt deren Verflechtung in den Blick bekommen. Schaut man etwa vom Gesichtspunkt des Zeremoniells auf die Diplomatie um 1700, ist ihr nicht-organisa tionsförmiger Charakter einigermaßen offenkundig, weil in ihr weniger Dienst und Amt als Status und s oziale Schätzung verhandelt wurden.604 Will man allerdings genauer bestimmen, wie die englische Regierung die Gewinnung von 598 Callières, De la manière de négocier, 23. 599 Vgl. Scott, Britain’s Emergence, 432; Recker, Wilhelm III., 85. Zum englischen diplomatischen Dienst siehe: Black, British Diplomats; Horn, British Diplomatic Service. Zu einer relativ typischen Diplomatenkarriere um 1700 vgl. Hartley, Charles Whitworth; siehe auch: Jacobsen, Luxury and Power. 600 Die generelle These, dass man die Professionalität der Diplomatie bis etwa 1800 nicht zu hoch ansetzen sollte, formuliert Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 499 – 502. Als knappen europäischen Überblick siehe auch: Müller, Klaus, Diplomatie. 601 Vgl. dazu: Klaits, Men of Letters; Schweizer, François de Callières. 602 Vgl. Black, Évolution, 143; Duchhardt, Balance of Power, 28. 603 Köhler, Strategie und Symbolik, 105; siehe auch ebd., 161. 604 Vgl. Krischer, Souveränität, v. a. 25.
Informationsgewinnung und Organisation
189
Information organisierte, besteht eben doch ein Unterschied zwischen formaleren und informelleren Informanten, zwischen solchen, die als offizielle Diplomaten agierten, und solchen, die dies nicht taten. Wenn auch während Annes Regierungszeit Gesandte vom Cabinet ernannt wurden, nahm doch Marlborough über weitläufige Patronagebeziehungen großen Einfluss auf die Besetzung des diplomatischen Personals.605 Dieser Einfluss nahm erst im Zuge seines Machtverlustes um 1710 ab.606 Entsprechend der Teilung z wischen den beiden Secretaries of State wurden die Diplomaten dem Southern oder dem Northern Department zugeteilt. Marlboroughs Einfluss im Northern Department, zu dem die wichtigsten und begehrtesten Posten Wien und Den Haag gehörten, war größer als im südlichen; doch auch auf d ieses erhielt M arlborough mit der Ernennung seines Schwiegersohns Sunderland ab 1706 erheblichen Einfluss.607 Marlboroughs Rolle innerhalb der englischen Diplomatie lag vor allem in der Koordination der verschiedenen europäischen Regionen und Kriegsschauplätze sowie strategischer und politischer Entscheidungen.608 Marlborough koordinierte aber nicht nur; er war selbst Diplomat. Er wurde im Zuge der Allianzverhandlungen im Haag akkreditiert und blieb bis 1711 Ambassadeur. Gleichzeitig war er Ambassador General und als solcher Primus inter pares. In dieser Position unterhielt er engste Kontakte zu den englischen Diplomaten in den verschiedenen Ländern. Im Haag allerdings war er naturgemäß fast nie anwesend und wurde meist durch zeremoniell minder wichtige Residenten vertreten.609 1709 wurde mit Charles Townshend ein zusätzlicher Ambassadeur in den Niederlanden ernannt. Ob dies bereits mit einer beginnenden Entfremdung Marlboroughs von der Regierung zu tun hat, die Townshend sozusagen als ‚Wächter‘ M arlboroughs nach Den Haag gesandt habe,610 scheint mir angesichts der klaren Regierungsunterstützung vor dem Tory-Wahlsieg von 1710 unwahrscheinlicher als die Mög lichkeit, dass die häufige Abwesenheit Marlboroughs vom Haag angemessen kompensiert werden sollte.611 605 Eine Auflistung aller englischen Diplomaten dieser Zeit findet sich bei: Horn, British Diplomatic Representatives. 606 Vgl. Snyder, Diplomatic Service, 63. 607 Vgl. Lane, Diplomatic Service, 105; Snyder, Diplomatic Service, 48. 608 Vgl. Hattendorf, Churchill, 620. 609 Vgl. Snyder, Diplomatic Service, 48. 610 Vgl. Reese, Ringen um Frieden, 189. 611 Wenn Marlborough im Haag war, schrieb er seine Berichte gemeinsam mit Townshend an die Secretaries of State. Vgl. etwa: Letters and Dispatches, Bd. 4, 645 f., Brief vom 5. November 1709 an Sunderland von Townshend und Marlborough gemeinsam.
190
Strukturen der Informationsgewinnung
Marlboroughs diplomatische Missionen spielten sich eher auf Reisen ab. Neben seinen Feldzügen war Marlborough oft auf Reisen durch Europa: nach Wien, nach Hannover, nach Berlin und Den Haag. Er stand in ständigem brieflichem Kontakt sowohl mit Prinz Eugen 612 als auch mit dem De-facto-Außenminister der Generalstaaten, Heinsius.613 Die Zeitgenossen sahen in Marlborough die zentrale Figur für den Zusammenhalt der Allianz.614 Er korrespondierte mit allen wichtigen Akteuren der ersten und auch der zweiten Reihe, mit englischen Diplomaten, mit den auswärtigen Souveränen und ihren wichtigsten Beratern und galt deshalb zeitgenössisch als Politiker „to whom the secrets of all the courts in Europe were known“615. Der Informationsfluss unter den englischen Gesandten lief über die Zirkularbriefe: Alle Gesandten waren gehalten, einmal in der Woche die Londoner Regierung wie auch alle anderen Gesandten über den letzten Stand der Dinge zu informieren.616 Dies unterschied die englischen Gesandten von anderen, etwa den preußischen, die explizit nicht miteinander korrespondieren sollten.617 Diese dezentrale Struktur, die idealiter allen Gesandten eine identisch gute Informa tionssituation ermöglichte, besaß aber ein Zentrum, auf das sie ausgerichtet blieb: die Londoner Secretaries of State, die die Informationen unter anderem für die regierungsamtliche London Gazette auswerteten, sich mit ausländischen Gesandten besprachen 618 und schließlich auch die Newsletter-Korrespondenz koordinierten. Marlborough war in dieser Konstellation sowohl Empfänger von Nachrichten als auch selbst Sender. Er stand als Ambassadeur in engem Kontakt mit den Secretaries of State und den anderen Gesandten, denen er als Ambassador General 612 Vgl. Otruba, Prinz Eugen; Schmidt, Prinz Eugen. 613 Vgl. Veenendaal, Marlborough and Anthonie Heinsius. 614 Vgl. Hattendorf, England, 266: „As a court favorite, key diplomat and victorious general, Marlborough was regarded by many as the cement of the alliance.“ 615 Coxe, Memoirs, Bd. 2, 98. 616 Diese Briefe sind allerdings zu unterscheiden von den ebenfalls als ‚circular‘ bezeichneten Briefen, die Cardonnel als Berichte aus dem Feldlager an die Regierung schickte. 617 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 7 f.; Frey/Frey/Rule, Introduction, XXVI. Allerdings tendierten Annes Staatssekretäre dazu, separate Berichte ihrer Diplomaten anzufordern, während unter Wilhelm III. die diplomatische Korrespondenz im Cabinet Council vorgelesen wurden. Vgl. Onnekink, Britain, 33. Für eine Typologie des diplomatischen Schriftguts siehe auch: Wild, Formen. 618 Im Zusammenhang mit der Jakobiteninvasion wurde der niederländische Gesandte Vrijberge sogar zu einer Kabinettssitzung zugelassen; vgl. Sunderlands Protokoll in: BL Add. 61498, 127r. Zur Rolle ausländischer Gesandter vgl. auch: Jarnut-Derbolav, Österreichische Gesandtschaft.
Informationsgewinnung und Organisation
191
seinerseits Anweisungen geben konnte. Gleichzeitig war er Captain-General und als solcher formal Befehlsempfänger der Königin respektive ihrer Secretaries und damit Akteur innerhalb eines komplexen Netzes von diplomatischer Kommunika tion. Die intrikate und hinsichtlich der „Amts“-Kompetenzen wiederum nicht ganz geklärte Situation, die aus Marlboroughs Sonderrolle entstand, wird deutlich, wenn Marlborough angesichts seiner Überlegung, sich aus dem diplomatischen Geschäft zurückzuziehen, an Godolphin schreibt: „I am withdrawing myself, as fast as the Service will permit, out of all that sort of intelligence with the foraine courts, so that it may naturally fall into the hands of the two Secritarys.“619 Inhaltlich war die generelle politisch-militärische Strategie Englands während des Spanischen Erbfolgekriegs, auf die sich im Wesentlichen auch die Bemühungen der Diplomatie erstreckten, darauf gerichtet, durch die Eröffnung mehrerer Kriegsschauplätze die französischen Kräfte aufzuspalten. Dissens herrschte allerdings über die Chancen und Risiken eines Einmarsches in Frankreich, vor allem aber über die Frage einer Invasion in Frankreich von der Mittelmeerseite aus. Marlborough selbst tendierte dazu, den Krieg (auch den Krieg in Spanien) letztlich durch einen vollständigen Sieg auf den flämischen Schlachtfeldern entscheiden zu wollen.620 Dass dieser Plan nicht aufging, ist bekannt. Die verschiedenen Länder, in die England Diplomaten entsandte und über deren politische Ziele, ihre höfischen Kabalen, ihre religiösen Probleme Marlborough und auch die englische Regierung sich informieren ließen, spielten natürlich unterschiedlich gewichtige Rollen innerhalb der englischen Kriegs politik. Zentraler Bündnispartner waren die Generalstaaten, und Den Haag galt zeitgenössisch als ein wichtiger Nachrichtenumschlagplatz, „the centre of business and intelligence“621. Den für die Kooperation innerhalb der Allianz wichtigsten Botschafterposten im Haag hatte, wie gesagt, Marlborough selbst inne; seine Korrespondenz mit Heinsius wird unten behandelt.622 619 Marlborough an Godolphin, 25. Mai/5. Juni 1710, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1506; Godolphins abwehrende Reaktion siehe ebd., 1508 f. 620 Vgl. Hattendorf, English Grand Strategy; Jones, Marlborough, 163; Snyder, Formulation, 149. 621 So die Formulierung Robert Harleys 1710, siehe Mr. Harley’s Plan of Administration, 30. Oktober 1710, in: Miscellaneous State Papers, Bd. 2, 485 – 488, hier 485. Die Kehrseite dieses Befundes ist der Umstand, dass wegen ihrer politischen Dezentralität und der hohen Anzahl beteiligter politischer Akteure den Niederlanden ein eklatanter Mangel an Geheimhaltung attestiert wurde. Vgl. Franken, General Tendencies, 23; Gestrich, Absolutismus, 88 f.; dieser schon zeitgenössische Befund wird von de Bruin, Geheimhouding, auf vielfältige Weise differenziert und relativiert. 622 Vgl. Kapitel 3.4.1.
192
Strukturen der Informationsgewinnung
Während es in den Beziehungen mit dem Kaiser eher darum ging, die an sich gute Zusammenarbeit – Marlborough galt geradezu als „the Emperor’s man in London“ – nicht durch Irritationen welcher Art auch immer zu stören,623 war es im Falle Preußens Englands wichtigstes Ziel, das neue Königreich davon abzuhalten, auch nur mit dem Gedanken zu spielen, in den Nordischen Krieg einzutreten.624 Die Kooperation mit Hannover hatte (neben der Bindung, die sich durch die Sukzessionsregelung in England ergeben hatte) auch den unter dem Aspekt der Informationsgewinnung wichtigen Effekt, dass die englische Regierung so vergleichsweise effektiv an die Korrespondenz z wischen Paris und den französischen Gesandten im Norden und Osten Europas gelangte.625 Vom Celler cabinet noir war schon die Rede, sein Organisator Robethon wird unten noch eingehender vorgestellt. Im Reich war darüber hinaus auch der Frankfurter Resident bei den Reichskreisen, Davenant, ein wichtiger Informant über die deutschen Angelegenheiten (er vermittelte wohl zwischen Ludwig von Baden und Marlborough und hielt Marlborough auf dem Laufenden über den Reichsgeneralfeldmarschall 626). Auch in Russland hatte England einen Gesandten (sogar einen Ambassadeur), dessen Aufgabe es war, die Politik Peters des Großen zu beobachten – war dieser doch die beste Garantie dafür, dass die Kräfte Karls XII. von Schweden im Nordischen Krieg gebunden waren und eine Vermischung beider Kriege nicht zu erwarten war.627 Marlborough äußerte 1707: „It is better that the King of Sweden turns his arms against the Czar rather than stay to cause trouble for the Allies.“628 Die Schweizer Orte galten auch wegen der Nähe zu Frankreich als wichtige Informationszentren.629 Der Marquis d’Arsellières, der als englischer Gesandter ohne Rang in Genf arbeitete, war als Hugenotte ein Verbindungsmann zu den französischen Protestanten in den Cevennen. Er agierte als Paymaster, der die alliierten Hilfszahlungen an die Camisarden weiterleitete,630 und verschaffte 623 Vgl. Hochedlinger, Friendship. Zur Reichstagsgesandtschaft siehe: Schütz, Gesandtschaft. 624 Vgl. Naujokat, England und Preußen; Kroener, Only thing. Siehe auch unten die Bemerkungen zu Grumbkow. 625 Vgl. Bély, Espions, 140 – 142. 626 Vgl. BL Add. 61154, 53r–56v. 627 Vgl. Hartley, Charles Whitworth. 628 Zitiert nach: ebd., 65. Daneben sollte der Ambassadeur Whitworth aber auch generell landeskundliche Informationen über „that unknown country“ (ebd., 89) geben. 629 Marlborough war der Ansicht, dass gerade für die Informationsgewinnung diese Region besonders wichtig sei. Vgl. Storrs, British Diplomacy. Siehe auch Godolphin an Harley, 27. September 1704, in: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 63. 630 Vgl. Storrs, British Diplomacy, 14; The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 576, Anm. 4.
Informationsgewinnung und Organisation
193
arlborough und Godolphin Informationen über die südfranzösischen Zustände M und vor allem über Größe und Bewaffnung der französischen Flotte.631 Trotz dieser Bedeutung trat die Schweiz in den diplomatischen Erwägungen der eng lischen Regierung hinter Savoyen zurück: Von Savoyen aus konnte relativ leicht Kontakt mit südfranzösischen Aufständischen aufgenommen werden, von hier aus sollte ein Einfall von der Mittelmeerseite geschehen. Savoyen war aber auch deshalb wichtig für England, weil die Habsburger in der zweiten Kriegshälfte, zumal nach dem Erreichen einiger Ziele in Italien, immer weniger energisch gegen Frankreich auftraten.632 Von umso größerer Bedeutung war es, dass die englische Regierung, anders als die anderen Alliierten, während des gesamten Krieges einen Gesandten in Turin beschäftigte.633 Der englische envoyé Hill beschäftigte sich stark mit der Frage, wie ein protestantischer Aufstand in Südfrankreich anzuregen und zu unterstützen sei,634 und auch Marlborough befasste sich immer wieder mit diesem Problem, oft auch in Kooperation mit den Secretaries.635 Im Rahmen der Informationsgewinnung Marlboroughs war Hills Nachfolger Chetwynd noch wichtiger, der sich in auffälliger Weise bei der Beschaffung von Newsletters über die Situation in Südfrankreich und bei der Entsendung von Spionen nach Frankreich engagierte, gerade in der Zeit der Vorbereitung der dann gescheiterten Toulon-Expedition.636 Im Mittelmeerraum wurden, komplementär zum Gesandten in Savoyen, auch Konsuln als Informanten genutzt.637 Diese auch wirtschaftspolitischen Akteure, die in anderen Kontexten zentrales diplomatisches Gewicht besaßen,638 631 Vgl. seinen Brief an Marlborough, 4. Juli 1704, in: BL Add. 61145, 10r–13r. Siehe zu ihm auch Godolphin an Marlborough, 5. Juni 1706 und Marlboroughs Antwort, 6./17. Juni 1706, in: The Marlborough-Godolphin-Correspondence, Bd. 1, 576 f. 632 Vgl. Symcox, Britain, 166 f. 633 Vgl. Onnekink, Anglo-D utch Diplomatic Cooperation, 57. 634 Vgl. Boles, Huguenots, 104 – 108. Richard Hill war sich allerdings auch bewusst, dass den hugenottischen Projektemachern oft nicht zu trauen sei und es ihnen auch immer darum ging, für sich selbst Geld zu ergattern: „there is a great difference between the zeal of a Camisard in the coffee-houses of London, and on the frontiers of Languedoc“ (The Diplomatic Correspondence of the Right Hon. Richard Hill, Bd. 1, 386, Brief an den Secretary Hedges, 4./15. Juli 1704). 635 Vgl. BL Add. 61258; BL Add. 61648. 6 36 Vgl. BL Add. 61151 (die Korrespondenz Chetwynd-Marlborough), z. B. 118r–119r; 151v und passim. Zu Toulon siehe zuletzt: Paoletti, Prince Eugene. 637 Vgl. Fraser, Intelligence, 5. 638 Vgl. als Einstieg in dieses Forschungsfeld nur: Poumarède, Consuls; Ulbert/Le Bouedec (Hrsg.), La fonction consulaire.
194
Strukturen der Informationsgewinnung
spielten für Marlborough (und sein alles beherrschendes Interesse am flämischen Kriegsschauplatz) eine deutlich untergeordnete Rolle, auch wenn nordund südniederländische Konsuln durchaus gelegentlich als Informanten in Erscheinung traten.639 Bedeutender waren aber die Konsuln in Italien. Im Zuge der Vorbereitung der Toulon-Expedition 1707, also des Angriffs auf Frankreich vom Mittelmeer aus, häufen sich in der Sunderland-Korrespondenz Briefe des englischen Konsuls in Venedig, George Broughton, der mit den kaiserlichen Truppen in Neapel in Verbindung stand und Kontakte in den Kirchenstaat und nach Savoyen besaß.640 Wie nun gelangten die englischen Diplomaten an Informationen? Sie besuchten Audienzen, sprachen mit Herrschern und Politikern, aber auch mit Untertanen der Länder, in denen sie akkreditiert waren; sie lasen die gedruckte Presse sowie handschriftliche Zeitungen – die sie deutlich ernster nahmen als die Presse.641 Doch sie unterhielten oder organisierten auch Informations- oder Spionagenetzwerke.642 Welche Art von Informationen die englischen Diplomaten sammelten, ist leicht und zugleich schwer zu beantworten. Die Herrscher wiesen ihre Diplomaten an, ihre Aufmerksamkeit breit zu streuen. Es wurde also sehr viel und über sehr vieles berichtet: von Politik über Hofklatsch, vom Gesundheitszustand der Herrscher bis hin zum Nationalcharakter des Landes.643 Die inhaltliche Seite der Information, die Marlborough von englischen Diplomaten aller Ränge erhielt, ließe sich nur narrativ darstellen, würde aber der strukturellen Skizze kaum etwas hinzufügen. Daher verzichte ich auf inhaltliche Details. Ein Leseeindruck ist aber der, dass die Korrespondenz mit den Diplomaten für militärische oder politische Planungen weniger wichtig gewesen sein dürfte als die von deren Spionagenetzen oder Korrespondenten angefertigten Berichte über Detailprobleme. Angesichts von Fremdheitserfahrungen und kultureller Differenz ist die in der Forschung geäußerte Vermutung nicht abwegig, dass Gesandtenberichte zuweilen einer gewissen Wahrnehmungsverzerrung 639 Siehe den Brief des Amsterdamer Konsuls Joseph Kerby an Cardonnel, 30. Juni 1703, in: BL Add. 61412, 232r–v. John Macky bemühte sich 1709/10, allerdings erfolglos, um die Stellung eines südniederländischen Konsuls; auch dies zeigt die Nähe zwischen Informationsgewinnung und Konsulsamt. Siehe den Brief Mackys an Sunderland, 23. Februar 1709/10, in: BL Add. 61601, 191r. 640 Vgl. z. B. BL Add. 61534, 95r–v; 98. 641 Vgl. zur Lektüre handschriftlicher Newsletters durch englische Diplomaten siehe: Frey/ Frey/Rule, Introduction, XXII f.; Fraser, Intelligence, 41. Siehe zur gedruckten Zeitung: Friedrich, Beobachten und beobachtet werden, v. a. 169 – 171; Gestrich, Absolutismus, 83; siehe zum Umkreis Diplomatie und Druck auch: Bosbach, Gedruckte Informationen. 642 Vgl. Bély, Espions, 116; Hattendorf, England, 46. 643 Vgl. auch: Roosen, Age of Louis XIV, 143 – 147.
Informationsgewinnung und Organisation
195
unterlagen oder „Scheinempirie“644 darstellten, die stereotype Wahrnehmungsmuster eher bestätigte als nuancierte. Auffälliger aber sind bei der großen Vielzahl und Diversität von Informationen, die englische Diplomaten während des Spanischen Erbfolgekrieges beschafften, die relativ große Unvoreingenommenheit und die positivistische Faktenberichterstattung, zu der sich natürlich bestimmte Themen eher eigneten als andere: Wenn die Diplomaten oder ihre Mitarbeiter nicht über Nationalcharaktere, sondern über Schiffszahlen berichteten, schlichen sich weniger leicht Deutungsmuster des Eigenen und Fremden ein. Callières schrieb, banal aber schlagend: „Pour découvrir ce qui se passe dans un pays étranger, il faut savoir par qui & comment.“645 Während sich englische Diplo maten in den verbündeten und neutralen Staaten unter anderem mit Informa tionsgewinnung beschäftigten, blieben Frankreich, die südlichen Niederlande (beziehungsweise ab 1706 deren spanisch-französische Teile) sowie Spanien selbst für die englische Regierung relativ intransparent. Es ist trivial und dennoch zentral, dass die Länder und Höfe, die während des Spanischen Erbfolgekrieges die englische Regierung am meisten interessierten, nicht mit englischen Diplomaten besetzt werden konnten. Diese Regionen mussten weitgehend auf anderem Wege erkundet werden. Während für Frankreich das Fehlen einer diplomatischen Vertretung in hohem Maße durch hugenottische Spionagedienste kompensiert werden konnte,646 galt der Kriegsschauplatz Spanien unter dem Aspekt der Informa tionsgewinnung als besonders problematisch. Obwohl Sunderland Marlborough in hohem Maße auch mit privaten oder kommerziellen Newsletters von der Iberischen Halbinsel versorgte, war doch Marlboroughs Interesse derart auf Frankreich und Flandern gerichtet, dass er – wie er nach dem Krieg selbst zugab – die Newsletters aus Spanien nur sehr selektiv zur Kenntnis nahm.647 Wichtiger war ihm der Versuch, durch Spionage im Grenz- und Kriegsgebiet, vor allem in Flandern, die black box der feindlichen Staaten zu durchleuchten. Dies soll an einem besonders prägnanten Beispiel untersucht werden. 3.3.2.2 John Lawes berichtet aus Brüssel
Nachdem die alliierte Armee in der Schlacht von Ramillies und in den darauffolgenden Monaten große Teile Flanderns erobert hatte, wurde in den besetzten südlichen Niederlanden als Übergangslösung ein niederländisch-englisches 644 Reinhard, Historische Anthropologie, 58. 645 Callières, De la manière de négocier, 72. 646 Siehe unten, vor allem Kapitel 3.4.3. 647 Vgl. Ashley, Marlborough, 65 f.
196
Strukturen der Informationsgewinnung
Kondominat eingeführt.648 Der Brüsseler Staatsrat stand ab 1707 unter der Oberherrschaft der beiden Alliierten. Der vorherige Wiener Gesandte George Stepney wurde 1706 als envoyé extraordinaire in Brüssel (wie auch im Haag) akkreditiert.649 Nach seinem Tod 1707 fielen beide Posten an William Cadogan, Marlboroughs Quartermaster-General – ein Indiz dafür, dass Marlborough die Oberhoheit in Brüssel behalten wollte, aber auch dafür, dass die Stelle einige militärische Relevanz besaß.650 Cadogan gelang es innerhalb kürzester Zeit, sich wegen Grobheit, administrativer Konfusion und Bestechlichkeit unbeliebt zu machen. Seine „Gewinnsucht“ war in der Tat zeitgenössisch berühmt,651 und diese Reputation bestand wohl zu Recht.652 Diese Disposition war umso schlimmer, als die Koopera tion der Alliierten im Kondominat sich (auch wegen der Kommunen, die sich zwischen alten und neuen Herren zu positionieren suchten) dauerhaft schwierig gestaltete.653 Die Niederländer beklagten sich bei der englischen Königin über Cadogan und in geringerem Maße auch über Marlborough.654 Intern hieß es sogar: „We should be happier to be governed by the Turks than by that British theif (!) Cadogan.“655 Ab dem Sommer 1710, mit dem Regierungswechsel, geriet Cadogan auch von London her unter Beschuss. Er versuchte zwar noch, bei seinem Freund, dem neuen Secretary of State St. John, zu intervenieren – auch indem er auf die Nützlichkeit 648 Vgl. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium. Diese Übergangslösung entspricht den Charakteristika einer Okkupationssituation (allerdings in diesem Fall durch Allianztruppen), die Horst Carl systematisiert hat: Carl, Militärische Okkupation. 649 John Macky charakterisierte ihn folgendermaßen: „No Englishman ever understood the Affairs of Germany so well, and few Germans better“: Memoirs of the Secret Services, 142. 650 Vgl. Veenendaal, Het ontslag, 476 f. Die beste biographische Skizze bei: Hanham, Cadogan. 651 Art. „Cadogan, Wilhelm“, Sp. 54. 652 Vgl. Davies, Seamy Side; siehe jüngst auch: Graham, Auditing Leviathan. 653 Vgl. exemplarisch das Memorandum Marlboroughs und der Generalstaaten zum Zustand der südlichen Niederlande, 11. März 1709, in: TNA SP 77/58, 18r. 654 Vgl. die Klagen des Staatsrats gegen Cadogan an Anne, 24. Februar 1711, in: Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 283 – 292. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 137, macht als proenglische Ausnahme den südniederländischen Schatzkämmerer Pierre Gaspard van der Gote namhaft, der in der Tat ein wichtiger Vertrauens mann war; doch selbst er schrieb pikiert (?), er brauche Marlborough nichts über Flandern zu berichten, „parce que M. Cadogan luy en peut rendre un compte tres iuste en ayant une connoissance plus parfaite que ceux qui y ont este long-temps“ (van der Gote an Marlborough, 16. April 1708, in: BL Add. 61195, 59r). 655 Zitiert nach: Veenendaal, Het ontslag, 487.
Informationsgewinnung und Organisation
197
hinwies, die ein Marlborough nahestehender englischer Repräsentant bringe.656 Dieses Argument war allerdings gegenüber den Tories 1710 nicht mehr opportun. Ende 1710 wurde Cadogan abgesetzt. Doch in den Jahren z wischen 1706 und 1710 agierte er als Organisator oder zumindest als Schirmherr der diplomatischen Informationsgewinnung in den südlichen Niederlanden. Brüssel wurde im Zeitraum ab 1706 für die Alliierten nicht nur ein politisches Zentrum; es wurde auch als Knotenpunkt antifranzösischer Spionage ausgebaut. Hier spielte die Postinterzeption François Jaupains 657 eine bedeutende Rolle, daneben aber auch die im engeren Sinne diplomatische Informationsgewinnung, die in Marlboroughs Umkreis installiert wurde. In der spärlichen Forschung dazu wird immer wieder Cadogans Rolle hervorgehoben, der ja ohnehin – weithin ohne Belege – als „chief of intelligence and master spy“ Marlboroughs oder gar als „the Allies‘ director of intelligence“ gilt.658 Wenn dies zutrifft, dann vor allem im engeren militärischen Bereich der Rekognoszierung.659 Für die politische und diplomatische Spionage mittels Interzeption und Spio nen war Cadogan erst ab 1707 zuständig, seit er in Brüssel auch diplomatische Aufgaben wahrnahm. Der einzige Artikel, der sich explizit mit Cadogans ‚Geheimdienst‘ in dieser Zeit befasst, ist eher hagiographisch ausgerichtet und unterlässt den Hinweis darauf, dass es weniger Cadogan war, der die in der Tat eindrucksvolle englische Spionageaktivität in Flandern nach 1707 organisierte,660 sondern sein Gesandtschaftssekretär John Lawes. Wo dies in der Literatur bemerkt wird, geschieht das auf derart beiläufige Weise, dass sein Vorname aus unerfindlichen Gründen von „John“ zu „William“ wird.661 Mit John Lawes ist also ein unbekannter und für einige Jahre äußerst wichtiger Akteur der Informationsgewinnung in Marlboroughs Umkreis zu entdecken. Dass Lawes die englische Spionage in Flandern koordinierte und nicht Cadogan, ist nicht untypisch. Zwar befassten sich auch die Ambassadeure mit
656 Vgl. Cadogan an St. John, 23. Oktober 1710, in: TNA SP 77/59, 242r–244r. Nach seiner Absetzung bat Cadogan St. John um seine Protektion; vgl. seinen Brief vom 5. Januar 1711, in: TNA SP 77/59, 300r–v. 657 Siehe Kapitel 3.4.2. 658 Zitate: Watson, Marlborough’s Shadow, XII u. 98; vgl. auch: Holmes, Marlborough, 214; Churchill, Marlborough, Bd. 1, 466. 659 Siehe Kapitel 3.3.3. 660 Vgl. Dickson, Cadogan’s Intelligence Service. Dicksons Artikel kommt ohne Belege aus und ist ein Beispiel von vielen für die von halbprofessioneller Seite betriebene, latent hagiographische Militär- und Spionagegeschichte. 661 Vgl. Frey/Frey/Rule, Introduction, X.
198
Strukturen der Informationsgewinnung
Informationsgewinnung, oder besser: mit ihrer Organisation. Meist waren es aber eher untere Chargen, die die praktische Arbeit der Informationsgewinnung übernahmen.662 Der englische Resident in Frankfurt, Davenant, beschwerte sich geradezu darüber, dass der Residentenrang einen „inactive character in Politics“ darstelle: „ministers of that rank being onely emploid in writing of news“663. Lawes war Sekretär von George Stepney, des englischen Gesandten in Wien und dann in Brüssel, gewesen.664 Nach dessen Tod im September 1707 blieb längere Zeit unklar, was mit Lawes geschehen würde. Da aber offensichtlich war, dass Cadogan wegen seiner militärischen Aufgaben selten würde in Brüssel sein können, ließ Marlborough Lawes vorerst dort bleiben. Er sollte als Verbindungsmann zum Brüsseler Staatsrat fungieren 665 und Marlborough mit Informationen über dessen Arbeit versorgen.666 Ohne Akkreditierung konnte Lawes allerdings nicht langfristig an den Sitzungen der sogenannten ‚Conference‘ (dem Gremium der niederländischen und englischen Diplomaten) teilnehmen.667 Durch wiederholte Anfragen an die Secretaries of State gelang es Lawes im August 1708 endlich, in untergeordneter Funktion akkreditiert (und auch wieder bezahlt) zu werden.668 Schon im Oktober 1707 hatte Lawes – dies war oben erwähnt worden – im Rahmen seiner Anfrage auf Weiterbeschäftigung einen interzipierten und selbst entschlüsselten Brief an Sunderland geschickt.669 Und auch generell etablierte sich Lawes als im Bereich der Informationsgewinnung überdurchschnittlich engagierter 662 Dass die Diplomatiegeschichte nicht nur die envoyés und Residenten, sondern vor allem auch das Personal ohne Rangstufen vernachlässigt, betont: Windler, Normen aushandeln, 181. 663 Vgl. Davenant an Marlborough, 22. November 1704, in: BL Add. 61154, 39r. 664 Zu seiner Korrespondenz vor seiner Brüsseler Zeit siehe etwa BL Add. 4741 u. BL Add. 61413 (Brief an Cardonnel aus Wien). 665 Vgl. Lawes an Davenant, 5. Oktober 1707, in: BL Add. 4741, 46v–47r; Lawes an Harley, 6. Oktober 1707, in: BL Add. 70191, 27r. Marlborough empfahl Lawes schon am 15. September 1707 dem Vorsitzenden des Raad van State Johan van den Bergh; siehe Letters and Dispatches, Bd. 3, 563. 666 Siehe Cardonnel an Lawes, 3. Oktober 1707, in: BL Add. 61399, 9v. Vgl. auch die Briefe von und an Lawes in diesem Aufgabenfeld, BL Add. 61398, BL Add. 61400, TNA SP 77/57. 667 Vgl. Lawes an Marlborough, 26. Juni 1708, in: BL Add. 61311, 165v. Zur ‚Conference‘ siehe Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 119; er weist auch auf die weit gehenden Machtbefugnisse der Conference gegenüber dem Raad van State hin. 668 Vgl. Cadogan an Sunderland, 6. August 1708, in: TNA SP 77/57, 339r; siehe auch Veenendaal, Het ontslag, 478. 669 Vgl. Lawes an Sunderland, 6. Oktober 1707, in: TNA SP 77/57, 198v.
Informationsgewinnung und Organisation
199
diplomatischer Akteur. Dies ist unter anderem an seinen Abrechnungen zu ersehen, die in hohem Maße Kosten für intelligence namhaft machen.670 Seine Korrespondenz richtete er dabei via Cardonnel an Marlborough. Cardonnel versicherte ihm: „What you send me, I always lay with the first opportunity & in the most favorable manner before my Lord Duke.“671 Daneben korrespondierte Lawes auch mit Sunderland (und mit dessen Kollegen Boyle) sowie mit Sunderlands Under-Secretaries. Teilweise schrieb auch Cadogan an die Secretaries (die ja den Diplomaten de jure Anweisungen gaben, während diese de facto oft über große Handlungsspielräume verfügten), während Lawes parallel oder komplementär auf der Ebene darunter korrespondierte.672 Doch diese Doppelung der brieflichen Kommunikation fällt vor allem in die kürzeren Zeiträume, in denen Cadogan in Brüssel war, während Lawes in der restlichen Zeit die gesamte Korrespondenz allein führte.673 Schon dies spricht nicht dafür, dass Cadogan die organisatorischen Fäden komplett in der Hand hielt. Dagegen spräche im Übrigen auch die unkomplizierte Fortsetzung von Lawes‘ Informationsgewinnungsaktivität nach dem Ende von Cadogans Brüsseler Tätigkeit; Lawes arbeitete ab Ende 1710 in ebenso produktiver Weise wie vorher mit Cadogan und Marlborough mit der neuen Tory-Regierung und dem neuen Gesandten zusammen.674 Dies alles belegt eine relativ hohe Eigeninitiative Lawes‘ als Organisator von Spionage. Es legt aber auch nahe, dass sich Marlboroughs Versorgung mit Informationen aus den südlichen Niederlanden ab Ende 1710 deutlich verschlechtert haben dürfte, weil Lawes jetzt für Marlboroughs politische Gegnern tätig war. Was Marlborough 1710 noch blieb, war das Spionageengagement des südniederländischen Generalpostmeisters François Jaupain.675 Jaupain hatte zuvor zuweilen Cadogan mit Newsletters oder abgefangenen Briefen versehen 676 und auch mit Lawes kooperiert. Allerdings bleibt diese 670 Vgl. die Abrechnung im Brief an den Under-Secretary Thomas Hopkins, 22. April 1709, in: BL Add. 61534, 147r, 151r, 156r. 671 Cardonnel an Lawes, 10. Februar 1708, in: BL Add. 61399, 82v. 672 Vgl. Lawes an Hopkins, 9. Mai 1709, in: BL Add. 61534, 162r. 673 Vgl. die Hinweise in: Lawes an Pringle, 2. Januar 1709/10, in: TNA SP 77/58, 358v sowie ebd., 338r. 674 Vgl. Lawes an St. John, 13. Oktober 1710, in: TNA SP 77/59, 228r–v; siehe dann auch für die Jahre bis 1712 TNA SP 77/60 und TNA SP 77/61, passim. Vgl. Frey/Frey/Rule, Introduction, XI. 675 Siehe Kapitel 3.4.2. 676 Vgl. Cadogan an Marlborough, 22. April 1709, in: BL Add. 61160, 109v. Siehe auch Jaupain an Sunderland, 26. Juli 1708, in: BL Add. 61562, 62r: „Mon homme doit partir pour aller continuer ses services a Mylord Duc, & a Mr Cadogan.“
200
Strukturen der Informationsgewinnung
Kooperation etwas schattenhaft: Einerseits ist punktuell zu erschließen, dass Lawes und Jaupain sich gut kannten 677 und dass Lawes von Jaupain Informa tionen (zum Beispiel über den Zustand der französischen Truppen) erhielt und weiterschickte.678 Insgesamt ergibt sich aber andererseits eher der Eindruck, dass beide weitgehend unabhängig voneinander arbeiteten – trotz aller punktuellen Kooperation und auch trotz der Tatsache, dass beide, Lawes wie Jaupain, die englischen Secretaries of State (vor allem Sunderland) und auch Marlborough mit interzipierten Briefen und eigenen Newsletters versorgten. Auch dies wäre wiederum nicht untypisch – eine große Diskretion kennzeichnet alle Akteure der Informationsgewinnung, formale wie informelle. Diese Unabhängigkeit voneinander führte dazu, dass Marlborough z wischen 1706 und 1710 aus zwei verschiedenen Quellen über ganz ähnliche Themen auf dem Laufenden gehalten wurde – was ja wiederum einen Vorteil darstellte. Lawes interzipierte Briefe „from the Hague to Paris, opening mail that passed from Namur to the Dutch Netherlands, sending agents to the Jacobite court at St. Germain-en-Laye, to Dunkirk, Arras, Lille, Ghent, and as far afield as Lorraine and the German Rhenish cities“679. Ein Schwerpunkt seiner Interzeptionsaktivität war die Korrespondenz des südniederländischen Statthalterhofes. Max Emanuel, der geächtete bayerische Kurfürst und zugleich Statthalter der südlichen Niederlande, residierte zwischen 1706 und 1709 in Mons. Es gelang Lawes, Zugriff auf die Korrespondenz des Rats Malknecht zu erhalten, wobei nicht klar ist, ob Lawes die Korrespondenz abfing oder von einem Spion vor Ort abschreiben ließ.680 Aus 677 Dies mag eine Skandalepisode belegen: Die Niederländer sahen ihren Verdacht auf antiholländische Machenschaften der englischen Verbündeten bestätigt, als Lawes im Februar 1708 im Hause Jaupains versehentlich einen Brief Cardonnels an Cadogan liegen ließ, in dem sich dieser bzw. Marlborough über die Holländer beschwerte. Versehent lich sandte Jaupain diesen Brief an die niederländischen Felddeputierten weiter; siehe Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 157. Nicht nur Cadogan, sondern auch Lawes wurde von den Niederländern in Brüssel gehasst; siehe Veenendaal, Het ontslag, 487. – Auch kleinere Gefälligkeiten für Marlborough wurden von Lawes und Jaupain gemeinsam ausgeführt; als im Juli 1707 für Marlborough in Brüssel ein Spiegel bezahlt werden musste, bekam Jaupain das Geld von Lawes (der es wiederum von Cardonnel hatte); vgl. BL Add. 61348, 54v. 678 Vgl. Jaupains Newsletter vom 27. Oktober 1708 in: TNA SP 77/57, 395r–398v, der laut Dorsalvermerk an Lawes geschickt worden ist; siehe auch Lawes an Sunderland, 8. April 1709, in: TNA SP 77/58, 36r mit Verweis auf Jaupain. 679 Frey/Frey/Rule, Introduction, X f. 680 Vgl. TNA SP 77/58, 53r; 55r; 61r–v; 76v; 88r; 97v; 110v; 130v; 132r; 159r; 209r; 299r; siehe z. B. auch Lawes an Sunderland, 8. März 1708/9, in: TNA SP 77/58, 12v; 25. April 1709, in: eBd. 43r; TNA SP 77/59, 194v; BL Add. 61312, 172r.
Informationsgewinnung und Organisation
201
Malknechts Briefen, so Lawes, sei „the Deplorable State of the Elec:rs Court“681 zu ersehen. Doch nicht nur Lawes organisierte eine Überwachung des bayerischen Statthalterhofs, in d iesem Fall war auch Cadogan beteiligt, der offenbar mit dem Oudenarder Gouverneur Chanclos zusammenarbeitete: „I shall take such measures with Mons.r Chanclos for intelligence that nothing shall pass att Mons or the Camp but what your Grace shall be forthwith informed of, att my coming here my first care was to send two People I could rely on to Mons and Ath who are both returned this morning with an account that the Elector waited for the coming back of the Detachment from Dermond att Ath, and went from thence this morning to Mons. I have sent the same Persons back again, and Mons.r Chanclos has likewise employed two others, so that by the means of some one of them I shall allways know what passes.“682
Einen zweiten Schwerpunkt von Lawes‘ Spionage bildete die Interzeption der französischen Diplomatenkorrespondenz, vor allem im Kontext der geheimen Friedensgespräche mit den Niederländern.683 Daneben standen zum Beispiel aus eigens beschafften Newsletters stammende Informationen über den spanischen Kriegsschauplatz,684 „letters“ aus Frankreich mit militärischen Einzelheiten aus nordfranzösischen Häfen oder über den Standort der französischen Armee.685 Zeitweise bezahlte Lawes offenbar einen Agenten im Umfeld des französischen Außenministers Torcy.686 All diese Bereiche wurden auch von Jaupain abgedeckt; beide Initiativen verliefen also parallel und komplementär. Effektiver als Jaupain war Lawes in der Berichterstattung aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet. Teile seiner Korrespondenz lesen sich, als sei es seine Hauptaufgabe gewesen, der englischen Regierung über 681 TNA SP 77/58, 283v. 682 Cadogan an Marlborough, 23. Juni 1706, in: BL Add. 61160, 31r–v. Chanclos war offenbar mehrfach mit relativ komplexen Spionageaufgaben befasst; der niederländische Feldmarschall Ouwerkerk informierte Marlborough darüber, siehe dessen Brief vom 6. April 1708, in: BL Add. 61180, 112r u. 115r. 683 Siehe Sunderland an Cadogan, 29. November 1709, in: BL Add. 61651, 199r; BL Add. 61160; Cadogan an Marlborough, in: BL Add. 61160, 71r; 110r; 116r–118r; 122r–v; Lawes an Sunderland: TNA SP 77/58, 119v–120r; 302 – 304r; siehe auch TNA SP 84/233, passim. 684 Siehe Cardonnel an Lawes, 17. Februar 1708, in: BL Add. 61399, 83v; Lawes an Hopkins, 22. April 1709, in: BL Add. 61534, 150r; Lawes an Hopkins, 9. Mai 1709, in: BL Add. 61534, 164r–v. 685 Vgl. Lawes an Sunderland, 24. März 1707, in: BL Add. 61534, 131v; an Hopkins, 25. April 1709, ebd., 153r–156v. 686 Vgl. Lawes an Sunderland, 10. Juni 1709, in: TNA SP 77/58, 88r.
202
Strukturen der Informationsgewinnung
die Kriegssituation Bericht zu erstatten. Informationen „from the frontier“, also aus dem noch nicht von den Alliierten eroberten Gebiet an der französischen Grenze, bilden einen wichtigen Teil seiner Korrespondenz.687 Ganz besonders wichtig war im Frühjahr 1708, aber als Reaktion darauf in wechselnden Konjunkturen auch in den kommenden Jahren, die Überwachung des nahe gelegenen französischen Hafens Dünkirchen, von dem aus die jakobitische Invasion in Richtung Schottland startete und der von Lawes (und Cadogan) dementsprechend besonders sorgfältig beobachtet wurde.688 Cadogan schickte mindestens einen, vermutlich mehrere Spione dorthin, die dauerhaft über mögliche Rüstungen berichteten. Ein sehr auffälliger Charakterzug in der Korrespondenz vor allem zwischen Lawes und dem Secretary Sunderland muss noch erwähnt werden. Sunderland neigte dazu, den Gesandtschaftssekretär geradezu obsessiv und gleichzeitig formelhaft dazu aufzufordern, ihn mit Informationen welcher Art auch immer zu versehen. „I thank you for your constant accounts of all that has passed before Brussells, and desire you will continue to lett me know every thing material that passes in those parts.“689 Nun war die Gewinnung und Übermittlung von Information eine zentrale Aufgabe diplomatischer Akteure. Insofern ist auch die geradezu ritualisierte Bitte um Informationen ganz generell ein Kennzeichen der diplomatischen, politischen und militärischen Korrespondenz etwa auch Marlboroughs,690 zeigt sich aber in der Briefbeziehung Lawes-Sunderland in besonders drastischer Weise. Gerade in militärisch angespannten Situationen wie im Frühjahr 1708 (im Kontext also der befürchteten jakobitischen Invasion von Dünkirchen aus) ist es nicht erstaunlich, dass auf eine besonders hohe Informa tionsdichte gedrungen wurde. Dennoch hinterlässt gerade die rituelle Informa tionsforderung Sunderlands den Eindruck, dass es hier um anderes gegangen sein könnte als um politisch vitale Informationen. Daher wird auf diesen Zug 687 Vgl. z. B. Lawes an Addison, 24. März 1707, in: BL Add. 61534; an Hopkins, 29. April 1709, in: ebd., 158r–159r; an Hopkins, 6. Mai 1709, ebd., 160r; an Hopkins, 9. Mai 1709, ebd., 162r; an Pringle, 26. August 1709, ebd., 174r. 688 Frühjahr 1708: Lawes an Sunderland, Februar und März 1708, in: TNA SP 77/57, 243r–268v; BL Add. 61494, 1r; Sunderland an Cadogan, BL Add. 61651, 93r; Cadogan an Marlborough, 60r–64r. – April/Mai 1709: Cadogan an Sunderland, in: TNA SP 77/58, 46r–49r; TNA SP 84/233, 15v; Boyle (der Hinweise von Lawes weiterschickt) an Marlborough, in: BL Add. 61129, 55r. – November 1709 bis Mai 1710: Sunderland an Cadogan und Lawes, in: BL Add. 61651, 195v–222r; Lawes an Pringle, in: TNA SP 77/58, 325r–362v. – August 1710 – September 1710: Boyle an Marlborough, in: BL Add. 61130, 169r; 194r. 689 3. Dezember 1708, in: BL Add. 61651, 140v. 690 Vgl. etwa Letters and Dispatches, Bd. 2, 168.
Informationsgewinnung und Organisation
203
der Korrespondenz zwischen Sunderland und Lawes dann zurückzukommen sein, wenn nach Funktionen der Informationen gefragt wird.691 An Lawes ist jedenfalls deutlich abzulesen, wie diplomatische Informationsgewinnung auf besonders schwierigem Terrain organisiert werden konnte; wie stark dies von der persönlichen Initiative von Einzelpersonen abhing; und schließlich wiederum, wie eng auch auf d iesem Feld die Zusammenarbeit Marlboroughs mit der englischen Regierung war. 3.3.3 Militärs als Informanten
„No General of the age was so well served with intelligence as Marlborough“692: So urteilt, wie üblich in vollmundiger Pauschalität, die ältere Forschung. Auch dies ist wieder eine Aussage, die weder einfach belegt noch widerlegt werden kann; dies wäre nicht einmal durch einen Vergleich mit anderen Generälen möglich, denn die militärische Informationsgewinnung war zu einem nicht unbeträchtlichen Teil mündlich organisiert und hat sich in den Quellen nur punktuell niedergeschlagen.693 Insofern bleiben „the numerous and admirable sources of intelligence which he constantly employed“694, von denen in der Literatur gesprochen wird, oft im Halbdunkel. Daher ist dieses Kapitel kürzer, als es seiner Bedeutung entspricht. Die relative Kargheit der Quellen gilt allerdings vor allem im Hinblick auf Militärangehörige als Informanten – dass militärisch relevante Informationen durchaus auch auf anderen Wegen kommuniziert wurden, wird im folgenden Kapitel über die Netzwerke der Informationsgewinnung deutlich werden. Zwei relativ triviale Annahmen liegen diesem Kapitel zugrunde: Erstens war die Gewinnung von Informationen etwa über den Ort und die Stärke der feind lichen Truppen ein wesentlicher Bestandteil des militärischen Alltags und als solcher Teil eines institutionalisierten militärischen Kontextes. Marlborough muss sich als in besonders hohem Maße an logistischen Zusammenhängen interessierter General (in der Literatur wird er geradezu als Logistikmanager beschrieben 695) 691 Siehe Kapitel 4.4.1. 692 Trevelyan, England, Bd. 3, 44. 693 Bisweilen wird das ex negativo sichtbar, etwa in BL Add. 61309, in der Korrespondenz kurz vor der Schlacht von Ramillies am 23. Mai 1706; hier ist wenig bis gar nichts an brieflich fixierter taktischer Vorbereitung zu finden. 694 Taylor, The Wars of Marlborough, Bd. 1, 457. 695 Vgl. Phelan, Marlborough, 116.
204
Strukturen der Informationsgewinnung
auch in umfassender Weise für die Logistik militärischer Informationsgewinnung engagiert haben. Allerdings ist die lokale militärische Informationsgewinnung meist kaum bis auf die Ebene einzelner (oft eben auch halb- oder informeller) Zuträger rekonstruierbar. Ein Blick in die Literatur zum späteren 18. Jahrhundert 696 macht aber zweitens deutlich, dass sich der Bereich der militärischen Informationsgewinnung um 1700 kaum von späteren (und mutmaßlich auch früheren) Zeiten unterscheidet. Das, was in diesem Kapitel vorgestellt wird, ist in noch höherem Maße als im Bereich der organisationsförmigen politischen und diplomatischen Informationsgewinnung relativ typisch mindestens für die zweite Hälfte der Frühen Neuzeit und insofern eher ein strukturgeschichtlicher Befund am konkreten Beispiel als eine Fallstudie – weil deren Charakteristika das nur Regelmäßige und Regelhafte in irgendeiner Weise transzendieren müssten.697 Eine in der Literatur öfter erwähnte emblematische Szene soll am Anfang stehen: Am 12. August 1704, einen Tag vor der Schlacht von Höchstädt, bestiegen Marlborough und Prinz Eugen den Kirchturm des Dorfes Tapfheim. Mittels eines Fernrohres konnten sie sich über die Schwäche der gegnerischen Forma tionen (die offensichtlich nicht auf eine Schlacht eingestellt waren) informieren. Dies, so die Literatur, verschaffte ihnen einen massiven Vorteil.698 Die Episode verdeutlicht ex negativo ein Grundproblem militärischer Informationsgewinnung im 18. Jahrhundert: In der Regel wusste man weder genau, wo sich die gegnerischen Armeen befanden, noch wie groß sie waren, vor allem, wenn sie mehr als ein paar Kilometer entfernt lagerten.699 Dass man also (auf archaische und doch moderne Weise) eine Autopsie per technischem Hilfsmittel vornehmen konnte, dürfte eher die Ausnahme als die Regel gewesen sein. Gerade diese Verbindung von Augenschein und Technik ist es aber wohl, die diese Szene so beliebt gemacht hat, dass sie immer wieder erzählt wird; sie ist nämlich viel anschaulicher als die Art von Informationsgewinnung, die im militärischen Kontext der Regelfall war. In der Regel wäre an andere Maßnahmen zur Informationsgewinnung zu denken: zum Beispiel die (morgendliche) Rekognoszierung durch leichte Truppen,
696 Vgl. v. a. Anklam, Wissen. 697 Zum Unterschied von Beispiel und Fallstudie siehe Pohlig, Vom Besonderen zum Allgemeinen. 698 Vgl. Falkner, Marlborough’s Wars, 387 f.; Churchill, Marlborough, Bd. 1, 843; Birk, Lange und kurze Wege, 41. 699 Vgl. Sikora, Disziplin, 91 f.
Informationsgewinnung und Organisation
205
die Marlboroughs Quartermaster-General Cadogan vornahm oder organisierte.700 Hier galt: „Das Maß der Informationsvermittlung über den Gegner war die Geschwindigkeit und Ausdauer der Pferde.“701 Und auch hier geistert durch die Literatur ein eher exzeptionelles Beispiel: Im Vorfeld der Schlacht von Malplaquet wurde die Rekognoszierung durch die Generäle Dopff und Cadogan vorgenommen. Während aber Dopff wie üblich mit einer kleinen Kavallerieeskorte unterwegs war, verkleidete sich Cadogan als Bauer, um unerkannt weiter in feindliches Gebiet vordringen zu können.702 Auch sonst, so meldeten Offiziere dem H erzog von Marlborough, wurden manchmal (echte) Bauern zur Rekognoszierung eingesetzt 703 – was immer dann leichter fiel, wenn die Bevölkerung der eigenen Seite zuneigte.704 Die Rekognoszierung ist allerdings wegen der mündlichen Kommunikationssituation kaum angemessen zu rekonstruieren; besser greifbar ist die schriftliche Distanzkommunikation innerhalb der Armee, obwohl auch hier zuweilen über Aktionen vor Ort berichtet wird. Dass es zu den Pflicht- und Dienstaufgaben militärischer Untergebener gehörte, ihren obersten General generell auf dem Laufenden zu halten, ist nicht überraschend. Cadogan etwa war während Marlboroughs Abwesenheit (vor allem während der Wintermonate) dazu verpflichtet, seinem Herrn regelmäßig über den Zustand der Truppen und etwaige Vorkommnisse Bericht zu erstatten.705 Die Offiziere der alliierten Armeen schrieben Marlborough häufig, um Ordres zu bestätigen und eben auch, um spezifische lokale Informa tionen weiterzugeben. In Marlboroughs Nachlass befindet sich eine große Anzahl von Briefen, die Offiziere und Kommandanten südniederländischer Festungen an ihn schrieben. Deutlich wird, dass diese Offiziere den alliierten 7 00 Watson, Marlborough’s Shadow, 65. Vgl. Childs, Cadogan; siehe zur Rekognoszierung generell auch: Anklam, Wissen, 20. 701 Sikora, Diszipin, 92. 702 Vgl. den Hinweis Marlboroughs an Boyle, 24. Juni 1709, in: TNA SP 87/5, 9r sowie die Schilderung bei: Pearman, First Earl, 63. 703 Vgl. die Briefe des in niederländischen Diensten stehenden Generalmajors Stocken an Marlborough, BL Add. 61313, 87r, 104r u. 108r; ebenso den Bericht des in niederländischen Diensten stehenden Generalleutnants Wilcke, in: BL Add. 61313, 91r. Der pfälzische Generalleutnant Aubach spricht unspezifisch von „habitants“; siehe Brief an Marlborough, 8. Juni 1705, in: BL Add. 61308, 77r. 704 Vgl. Falkner, Marlborough’s Wars, 160. 705 Siehe die Instruktionen an Cadogan in: BL Add. 61373, 41r; vgl. auch Holmes, Marlborough, 213. Auch seinem Generalmajor Cutts gab Marlborough entsprechende Instruktionen, die also der Regel entsprochen haben dürften. Vgl. Marlborough an Cutts, 9./20. November 1702, in: BL Add. 61369, 232r.
206
Strukturen der Informationsgewinnung
Oberkommandierenden über das Kriegsgebiet und die Bewegungen der feind lichen Truppen auf dem Laufenden halten wollten. Schon daher erklärt sich eine gewisse Häufung bestimmter Korrespondenzen in bestimmten Zeitphasen: Nicht alle Offiziere der alliierten Armeen hatten zu jeder Zeit viel zu berichten. Die Briefe wurden innerhalb des Kriegsgebiets per Post oder Kurier befördert; dies hing ganz von den aktuellen Gegebenheiten, vor allem von der Stellung des Feindes ab.706 Aus der Korrespondenz ist zu erschließen, dass Kuriere zuweilen gefangen genommen wurden.707 Auch in diesem Zusammenhang wurde wieder darüber diskutiert, ob mehr Geld in die Postinfrastruktur zu investieren sei, um Geschwindigkeit und vor allem Sicherheit zu verbessern.708 Und auch hier ist zuweilen zu beobachten, wie Marlborough selbst die Nutzung der Postinfrastruktur im Kriegsgebiet zu regulieren suchte.709 Worüber berichteten die Offiziere, die Marlborough schrieben? Zuerst einmal erhielt Marlborough eine große Zahl von Briefen, die von in Spanien kämpfenden Militärs geschickt wurden. Durch sie konnte er sein Bild der spanischen Ereignisse ergänzen, das er vor allem aus den Newsletters der Secretaries of State und den Berichten des portugiesischen Botschafters gewann.710 Stärker noch war Marlboroughs Interesse am Kriegsgebiet, in dem er selbst stand; hier ging es für ihn ja nicht um einen Eindruck von der Großwetterlage, sondern um relativ unmittelbare Handlungsnotwendigkeiten. Der Großteil der Briefe der Offiziere und Kommandanten oder Gouverneure der Festungen in den südlichen Niederlanden fällt in den Zeitraum nach 1706, als große Teile des Landes in alliierter Hand waren. Sie schickten etwa Listen von Rekruten, generelle Berichte über den Zustand der Truppen 711 oder Listen französischer Offiziere und Soldaten 712. Man liest Klagen über Nachschubmängel (in entsetzlichem Französisch)713; Berichte 706 Vgl. Anklam, Wissen, 75. 707 Vgl. die Befürchtung des niederländischen Generalmajors Keppel, 10. September 1706, in: BL Add. 61310, 62r. 708 Siehe den Brief des Oudenaarder Kommandanten Voogt, 7. Juni 1706, in: BL Add. 61309, 117v. 709 Siehe die Ordre Marlboroughs (22. Juni 1706) an alle Offiziere, die Postillons und Postpferde „a la posterie a l’enseigne de la Sirene pres du Village de Ruddervorde“ nicht zu benutzen, weil sie akut gebraucht würden; vgl. BL Add. 61398, 5v. 710 Vgl. die Briefe von der Iberischen Halbinsel, BL Add. 61308, 9r, 15r, 26r, 132r; BL Add. 61309, 49r–50r; 56r; BL Add. 61310, 24r, 40r, 42r, 56r, 90r, 118r, 122 – 125v; 161r–164r, 223r, 235r; BL Add. 61314, 192r, 202r; BL Add. 61315, 13r, 58r, 96r. 711 Vgl. BL Add. 61309, 20r–23r; 45r; 198r; BL Add. 61311, 113r, 125r. 712 Vgl. Richard Temple an Marlborough, 30. Mai 1706, in: BL Add. 61309, 81r. 713 Vgl. Melvil, Kommandant von Weerde, an Marlborough, 1702, in: BL Add. 61306, 33 f.
Informationsgewinnung und Organisation
207
über Aufenthaltsort und Marsch einzelner gegnerischer Truppenteile 714 oder über die französischen Winterquartiere 715, zuweilen auch Schilderungen, die t agesaktuell die feindlichen Bewegungen durchgeben (in diesem Fall aus dem Kontext des Marsches an die Donau): „On a veu aujourdhuy pendant toute le jour la marche de l’armée ennemie de l’autre coste du Rhin vis a vis de Steinmaur, elle campe cette nuit a Motteren“716 – oder die Ankündigung kleinerer feindlicher Angriffe, die man nicht aufzuhalten vermochte.717 Eine an sich unspektakuläre Korrespondenz mit dem kaiserlichen General Erlach fällt deshalb auf, weil die spätere Forschung Erlach als wichtigen franzö sischen Spion identifiziert hat.718 Erlach berichtete vor allem im August und September 1707 über die französischen Truppenbewegungen am Oberrhein und über die Stimmung bei den kaiserlichen Offizieren.719 Es ist bemerkenswert, dass Erlach, der im Frühsommer 1706 auch mit dem englischen Residenten in Frankfurt, Davenant, korrespondierte,720 Marlborough im Januar 1707 vom Gesandten in der Schweiz, Stanyan, als besonders vertrauenswürdiger Informant über die oberrheinische Situation empfohlen worden war: „I doubt not but your Grace receives particular accounts from other hands of the ill state of affairs upon the Rhine, however I thought it my duty to send you this also because it comes from a man who by serving all this war under Prince Lewis had opportunity of being informed of the truth, and is a man of too much honour to be suspected of giving a false account.“721
Allerdings spricht, soweit man sehen kann, nichts dafür, dass Erlach relevante Informationen aus dem Kontext der Marlborough-Korrespondenz weitergegeben hat. Eine auf Sensation setzende Spionagegeschichtsschreibung würde dies bedauern.
714 Vgl. Briefe verschiedener Offiziere, in: BL Add. 61306, 25r–28v; 43r; General Evans, 25. Juli 1705, BL Add. 61308, 118r–v. 715 Vgl. den Briefe des niederländischen Obersten van Wassenaer, 25. November 1706, in: BL Add. 61310, 136r. 716 Graf Vehlen an Marlborough, 5. Juni 1704, in: BL Add. 61307, 44r; siehe auch ebd., 42r. 717 Vgl. van Wassenaer an Marlborough, 17. Oktober 1706, in: BL Add. 61310, 96r. 718 Vgl. Mercier, Secret d‘état. 719 Vgl. BL Add. 61311, 36r–37v; 40v–41r; 46r; 52r–55r; 60r. 720 Vgl. BL Add. 4745, 232r–236v. 721 Stanyan an Marlborough, 22. Januar 1707, in: BL Add. 61145, 57v–58r.
208
Strukturen der Informationsgewinnung
Aus den Berichten der Offiziere ergibt sich Weiteres: Die aides-de-camp, also die Flügeladjutanten im Hauptquartier, wurden zur Überbringung von Nachrichten z wischen verschiedenen Truppenteilen, aber auch zuweilen zum Feind eingesetzt.722 Wurden sie gefangen genommen, tauschte man sie ohne Murren wieder aus – dies war Teil des militärischen Kodex.723 Dies barg die (akzeptierte) Gefahr, dass sie Informationen über den Zustand des gegnerischen Heeres übermittelten. Im August 1702 wurde einer von Marlboroughs aides-de-camp festgenommen und wieder freigelassen, der, wieder im alliierten Feldlager, einen Lagebericht abliefern konnte: „He counted 72 battalions and 109 squadrons, but he says that our battalions are much stronger than theirs.“724 Ähnliches gilt für die Trompeter: Diese hatten die Aufgabe, Depeschen zu überbringen, wurden aber auch zum Auskundschaften des gegnerischen Feldlagers geschickt.725 Auch hier wurde in der Regel (und in der Regel zutreffend) davon ausgegangen, dass die Trompeter nicht gefangen genommen wurden.726 Falls sie zeitweise gefangen genommen wurden, konnte sich die Möglichkeit ergeben, ihnen Informationen zu entlocken; Cardonnel etwa ließ einem gefangenen Trompeter während dessen Schlaf seinen Mantel stehlen, in dem er dechiffrierte Korrespondenz fand, die er dem Secretary of State weitersandte.727 Besonders wertvoll waren die Informationen, die Trompeter aus dem feindlichen Lager mitbrachten, nachvollziehbarerweise dann, wenn sie mit anderen Quellen abgeglichen werden 722 Vgl. Kemp, Weapons and Equipment, 9; Scouller, Armies of Queen Anne, 61, Anm. 2, nimmt für 1709 acht aides-de-camp an. Siehe auch Coxe, Memoirs, Bd. 1, 198. Chandler, Great Captain-General, 83, skizziert ohne weitere Belege die Bedeutung von „running footman“, die – weil sie nicht ritten – weniger auffällig waren und von Marlborough zuweilen den aides-de-camp vorgezogen wurden. 723 Siehe die Bitte um Zurücksendung eines aide-de-camp durch einen Generalleutnant im Dienst Philipps V. in: BL Add. 61308, 153r und die zustimmende Antwort, ebd., 164r. 724 Marlborough an Godolphin, 16./27. August 1702, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 103. 725 Vgl. Anklam, Wissen 107; die Bezahlung der Trompeter wurde, offenbar absichtlich unspezifisch, für „extraordinary services“ geleistet; siehe BL Add. 61370, 74r; 179r; BL Add. 61371, 46v; 131r; 202v; BL Add. 61372, 84v; 253r; BL Add. 61373, 42v. – Zuweilen wurden auch Trommler (tambours) eingesetzt; siehe BL Add. 61306, 16r, 100r. 726 Vgl. den Brief des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel an Marlborough bzw. an seine von den Alliierten festgehaltene Ehefrau, BL Add. 61262, 10r: „J’envoy mon tres cher coeur cette lettre toute ouverte a Mr le Duc de Marlboroug par un trompette que je prie de faire passer jusques a vous, et me le renvoyer avec votre reponse, connoissant qu’il est trop honnete home (!) pour refuser cette consolation a un epous desolé et en paine.“ 727 Siehe Cardonnel an Harley, 22. September 1704, in: HMC Portland, Bd. 4, 135.
Informationsgewinnung und Organisation
209
konnten.728 Doch in aller Regel waren die so zu gewinnenden Informationen eher anekdotischer Natur. Es wurde über eine Schlacht von einem anderen Kriegsschauplatz berichtet, was sich durch andere Quellen bestätigen ließ;729 oder es ging schlicht um atmosphärische Eindrücke vom moralischen Zustand des Gegners: „A Trumpet of ours, who was yesterday in their Army, says he could read Our success in their looks.“730 Weitere Informanten waren die zahlreichen Deserteure; Desertion war bekanntermaßen ein massives Strukturproblem der Heere des 18. Jahrhunderts.731 Gerade im Umkreis von Schlachten und Belagerungen stieg die Zahl der Deserteure an.732 „Die Häufigkeit der Desertionen sorgte also für einen mehr oder weniger kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen den Heeren.“733 Deserteure wie andere Informanten konnten über Truppenstärken, auch über die Stimmung im gegnerischen Lager berichten – brachten aber höchst selten strategisch relevante Informationen.734 Desinformation war hier leichter als Information: Im Vorfeld der Schlacht von Höchstädt ließen sich alliierte Soldaten absichtlich gefangen nehmen, um falsche Informationen zu verbreiten.735 Schließlich gab es militärische Spione – nicht nur die gekauften Bauern, die zur Rekognoszierung eingesetzt wurden. Deserteure und Spione waren natürlich anders als Offiziere formal keine Militärangehörigen. Wenn sie nicht nur einmalig, sondern regelmäßig eingesetzt wurden, gehören sie im Sinne der Typologie dieser Studie eher in die Rubrik netzwerkförmiger Kontakte. Hier 728 Siehe Marlborough an Godolphin, 7./18. September 1706, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 2, 671. 729 Vgl. Marlborough an Harley, 18. September 1706, in: Letters and Dispatches, Bd. 3, 139 f.; ebenso auch Cardonnel an Davenant, in: BL Add. 4743, 121v. 730 Henry Watkins aus dem Feldlager an Townshends Sekretär Horatio Walpole im Haag, 21. August 1710, BL Add. 38501, 31v. 731 Vgl. Sikora, Disziplin. 732 Vgl. die Briefe des niederländischen Generalmajors Frederik Johan van Hüffel an Marlborough aus dem September 1709 (also vor und nach der Schlacht von Malplaquet) in: BL Add. 61313, 134r–136r: Marlborough bat ihn, ihm alle vier Tage eine Liste der franzö sischen Deserteure zu schicken, die zu dieser Zeit in hoher Zahl aufgegriffen wurden. 733 Sikora, Disziplin, 95. 734 Vgl. ebd., 93. Vgl. als Beispiele dafür den Bericht des niederländischen Brigadegenerals van Welderen, 10. September 1706, in: BL Add. 61310, 66v–67r; Cardonnel vermerkt in seinem Bericht aus dem Feldlager auch öfter Deserteure als Informanten, siehe BL Add. 4742, z. B. 4r u. 17r. 735 Coxe, Memoirs, Bd. 1, 211.
210
Strukturen der Informationsgewinnung
verschwimmen also die Grenzen von der eher dienst- zur eher netzwerkförmigen Informationsgewinnung ein weiteres Mal, und ein weiteres Mal wird deutlich, wo die dienstförmige Informationsgewinnung als nicht hinreichend eingeschätzt wurde. In den Briefen der Offiziere in Flandern ist von Spionen oft die Rede: von „spyes“736, von „nos amis“737, von „un homme que j’avais envoyé a l’armée de Vendosme“738 oder von „mon homme en question avec lequel i’ay depuis longtemps correspondance“739. Einige der Festungskommandanten schickten Newsletters, die sie aus unterschiedlichen Quellen erhalten hatten, und konnten so Informationen etwa über Frankreich und Spanien beitragen.740 Marlborough selbst bezahlte 1702 einen Spion, der vom französischen General Boufflers als Spion auf ihn selbst angesetzt worden war – ein Doppelagent also, an dessen Zuverlässigkeit ihm gerade deshalb Zweifel angebracht erschienen: Er beschreibt ihn als „a spye of his which I gained some time agoe, soe that he has had an oportunity ever since of cheating us both“741. Wie ein Echo von Marlboroughs Verteidigung wegen angeblich undurchsichtiger Finanzhandhabung klingt der Zedler-Autor, wenn er schreibt, Spione würden „von einem klugen Feld=Obersten mit Fleiß ohne Sparung derer Kosten unterhalten, weil sie offt zu großen Siegen und Vortheilen Anlaß geben. Es wird auch bey denen Feld-Caßen gewöhnlich eine ansehnliche Summe auf Kundschafft anzuwenden verordnet, davon keine deutliche Rechnung geführet wird, damit die Kundschaffter verschwiegen bleiben.“742
Ein Charakteristikum der Briefe, die Festungskommandanten und Offiziere an Marlborough schrieben, fällt schließlich besonders ins Auge: Im Vergleich zur politischen oder diplomatischen Korrespondenz Marlboroughs ist die Prominenz von Patronagegesuchen in den militärischen Briefen viel ausgeprägter. Nicht nur, dass Marlborough dauernd Gratulationen zu militärischen Erfolgen erreichten, 736 Vgl. etwa den Brief des schottischen Obersten in niederländischen Diensten Swintoun an Marlborough, 2. August 1708, in: BL Add. 61312, 12r. 737 So der niederländische Hauptmann Cochet, 11. April 1711, in: BL Add. 61315, 9r. 738 Brief des niederländischen Obersten Lynden, 26. August 1708, in: BL Add. 61312, 54r. 739 So der pfälzische Major Alberty, 28. Januar 1711, in: BL Add. 61314, 204r. 740 Vgl. die Briefe des Lütticher Kommandanten Brunet de Rochebrune zwischen 1707 und 1710, BL Add. 61204, 65r–105v. 741 Marlborough an Godolphin, 15./26. Oktober 1702, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 128. 742 Art. „Kundschafft“.
Informelle Informationsgewinnung
211
über deren Zweck man spekulieren kann 743 – im Falle der militärischen Korrespondenz scheinen generell Informationsübermittlung und Patronage in noch höherem Maße miteinander verknüpft als in thematisch anders gelagerten Korrespondenzen. Die Verbindung von Information und Patronage verweist bereits auf eine (Neben-)Funktion von Information, die über die schlichte Vorstellung einer instrumentellen, für bestimmte Handlungen notwendigen Information hinausweist. In Kapitel 4 wird genau diese Frage nach der Funktion oder den Funktionen von Information noch einmal systematisch aufgegriffen; dort werden Beispiele aus dem militärischen Kontext eine besonders große Rolle spielen. Die Informationsgewinnung in Regierung, Diplomatie und Militär, die in diesem Kapitel vorgeführt wurde, zeigt erstens, in welcher Weise amts- und dienstförmige Informationsgewinnung funktionierte, und zweitens, in welcher Weise sie auf Infrastrukturen wie Geld, brieflicher Kommunikation oder Post beruhte. Die Informationsgewinnung der Secretaries of State (die wiederum in Interzep tions- und Initiativspionage aufgeteilt werden kann), die diplomatische und die militärische Informationsgewinnung konstituierten drittens die Kontexte, in denen Marlboroughs eigene Bemühungen sich abspielten. Marlborough war in hohem Maße in solche formalen Kontexte eingebunden – seine Informationsgewinnung, so hat sich erwiesen, ist ohne die Informationsgewinnung etwa der Secretaries of State nicht vorstellbar. Ähnliches gilt für die nicht-organisationsförmigen, netzwerkartigen Strukturen, die im nächsten Kapitel untersucht werden: Auch im Hinblick auf sie wirkte Marlborough mit der Regierung zusammen. Zeigte sich schon bei der Untersuchung von Macky und Fonseca, wie amtsförmige Informa tionsgewinnung mit informeller Spionage zusammenhing und wie sich informelles Handeln an amtsförmige Strukturen anlagerte, so kann diese Konstellation im Weiteren noch eingehender beobachtet werden.
3.4 Informelle Informationsgewinnung: Marlboroughs Netzwerke 3.4.1 Grauzonen formaler Diplomatie: Heinsius, Robethon, Grumbkow
Es ist schon mehrfach deutlich geworden, dass auf dem Feld der Informations gewinnung die Grenze z wischen formalen und informellen Strukturen häufig verschwimmt oder doch beide miteinander verbunden sind. Trotz dieser Verbindungen 743 Vgl. BL Add. 61313, passim.
212
Strukturen der Informationsgewinnung
oder Überlappungen ist es sinnvoll, die Unterscheidung z wischen organisations-, amts- und dienstförmiger Informationsgewinnung, die im letzten Kapitel dargestellt wurde, und informelleren, patronage- oder handelsförmigen Strukturen (denen dieses Kapitel gewidmet ist) beizubehalten, um die Übergänge so überhaupt in den Blick zu bekommen. Wenn im Folgenden Netzwerke und informelle Kanäle der Informationsgewinnung behandelt werden, geht es also um Strukturen, die nicht an Dienst- oder Amtsbeziehungen geknüpft sind oder diese doch auf so eklatante Weise in Richtung Tauschförmigkeit überschreiten, dass die von ihnen ausgehende Informationsgewinnung nicht mehr sinnvoll als Amtsaufgabe beschreibbar ist. In der Forschung zu Diplomatie und Außenbeziehungen wird seit einiger Zeit verstärkt darauf hingewiesen, dass im Rahmen vormoderner Staatlichkeit neben den sich nur langsam etablierenden formalen Kanälen zwischenstaat lichen Austauschs auch andere, ‚informelle‘ Kanäle standen. Gerade das Verhältnis von formalen zu informellen Normen und Strukturen in diesem Bereich verspreche besonderen Aufschluss über die Funktionsweisen der Diplomatie. Allerdings wird das Verhältnis von formalen zu informellen Normen und Strukturen im Bereich der Außenbeziehungen unterschiedlich akzentuiert. Die Grenze z wischen formal und informell wird im Bereich der Außenbeziehungen einerseits z wischen verschiedenen Akteursgruppen gezogen:744 Neben den offiziellen Diplomaten unterschiedlicher Ränge wurden zunehmend auch andere, informelle diplomatische Akteure einbezogen, bei denen die Grenze zur Spionage verschwamm.745 Waren die wichtigsten Diplomaten um 1700 militärische Akteure, traten ihnen auch Künstler 746, Abenteurer 747, Kaufleute 748 oder Frauen (etwa Gesandtengattinnen oder Fürstinnen)749 an die Seite. Dennoch scheint es mir wichtig, gerade um die Übergänge zwischen beiden Strukturmustern genauer beschreiben zu können, die Unterschiede zwischen beiden
744 Siehe in diesem Sinne: Nolde, Was ist Diplomatie, die allerdings, anders als die vorliegende Arbeit, den Bereich der informellen Diplomatie auf Höfe beschränkt. 745 Schon Wilhelm III. hatte in den Niederlanden, aber auch in England einen festen Stamm inoffizieller diplomatischer Akteure im Spannungsfeld von Diplomatie und Spionage beschäftigt. Vgl. Roorda, Secret. 746 Vgl. als Fallstudie zur Anbahnung diplomatischer Manöver durch Kunstpatronage: Barber, Marlborough, Art and Diplomacy. 747 Vgl. Braubach, Geschichte und Abenteuer, 37 u. 56 f. 748 Vgl. Hatton, John Drummond. 749 Vgl. Bastian, Verhandeln, sowie dies., Diplomatie; Reinhardt, Les relations internationales; Pons, Dame; Nolde, Was ist Diplomatie; Daybell, Gender.
Informelle Informationsgewinnung
213
Gruppen konzeptionell nicht allzu sehr einzuebnen, sondern die Unterscheidung von formal und informell so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Diese Differenzierung wird in der vorliegenden Studie durch die Unterscheidung von (formalen) Ämtern oder Organisationen und (informelleren) Netzwerken nachvollzogen. Auf der anderen Seite wird die Grenze formal/informell in der neueren Diplo matiegeschichte aber nicht nur z wischen verschiedenen Akteursgruppen gezogen, sondern auch z wischen unterschiedlichen Normensystemen, denen dieselben Akteure folgten. Der Riss z wischen formal und informell läuft hier durch die einzelne Person, den einzelnen Diplomaten hindurch. Dies ist in der Forschung am Problem der Patronagenormen verdeutlicht worden, die dazu führten, dass Diplomaten ihrem Herrscher, aber auch sich selbst und ihrer Familie dienen mussten.750 Daraus ergibt sich eine charakteristische Ambivalenz: So ist etwa gezeigt worden, wie sich durch das Nebeneinander formaler Ämter und informeller Patronagenormen eine Normenkonkurrenz entwickeln konnte, die insgesamt formal ausgerichtetes Handeln eher erschwerte.751 Gleichzeitig ist aber darauf hingewiesen worden, wie informelle Strukturen etwa der Patronage geradezu supplementär oder komplementär neben noch nicht voll ausgebildete staatliche Strukturen traten und so den Staatsbildungsprozess beförderten.752 Wenn auch die Forschungen zur Diplomatiegeschichte am eindringlichsten auf die Übergänge z wischen formalen und informellen Beziehungen hingewiesen haben, ist das Phänomen doch nicht auf den engsten Bereich der Diplomatiegeschichte beschränkt. Im Folgenden soll an verschiedenen Beispielen gezeigt werden, in welcher Weise im Bereich der Informationsgewinnung entweder formale Dienst- oder Amtskompetenzen überschritten wurden oder informelle, an Patronage- oder Handelsverhältnisse geknüpfte Netzwerke agierten. Auch an diesen Beispielen ist abzulesen, dass informellere Strukturen oder Netzwerke nicht etwa komplett anderen Regeln folgten als formale und staatliche; eher arbeiteten sie komplementär.753 750 Vgl. Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 476. 751 Vgl. Thiessen, Diplomatie und Patronage. Zum Konzept der Normenkonkurrenz siehe auch: Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz sowie Karsten/Thiessen (Hrsg.), Normenkonkurrenz. 752 Vgl. Droste, Im Dienst der Krone; eine ähnliche Tendenz – Komplementarität statt Konkurrenz von informellen Netzwerken und Formalisierungsbemühungen – konstatiert: Köhler, Strategie und Symbolik, 294, Anm. 388. 753 Im Anschluss an die These des Soziologen Manuel Castells von der gegenwärtigen „network society“ – Castells meint damit primär Informationsnetzwerke! –, die den
214
Strukturen der Informationsgewinnung
Bei den im Folgenden zu beschreibenden diplomatischen Korrespondenzen ist es nicht einfach zu bestimmen, in w elche Kategorie ‚informeller‘ Kontakte sie fallen und ob sie überhaupt als formal oder informell zu klassifizieren sind. Die drei vorzustellenden Kontakte spielen sich also in einer ‚Grauzone‘ von formaler und informeller Diplomatie ab. Das heißt: In allen drei Beispielen wird die Informa tionsbeziehung, ausgehend von einem formalen diplomatischen oder politischen Amt, in Bereiche erweitert, die man durchaus als informell(er) charakterisieren kann, weil in ihnen neben Dienstpflichten auch Patronageabsichten oder Geldzahlungen eine Rolle spielten. Im Anschluss daran sollen in den nächsten Kapiteln informelle, netzwerkförmige Strukturen dargestellt werden, die den Rückbezug auf eine Amtsbeziehung nicht mehr besaßen. Insgesamt ergibt sich damit ein graduelles Kontinuum abnehmender Amts- und zunehmender patronage- oder handelsförmiger Netzwerkbeziehungen. Am Anfang steht Anthonie Heinsius, eine der zentralen politischen Gestalten des Erbfolgekriegs. Voltaire meinte, Heinsius habe gemeinsam mit Marlborough und Prinz Eugen „tout le poids des alliés contra la France“ geschultert.754 Heinsius dirigierte als holländischer Ratspensionär nach dem Tod Wilhelms III. faktisch, aber in enger Abstimmung mit den komplizierten Gremien der Republik, die niederländische Außenpolitik.755 In militärische Zusammenhänge war Heinsius allerdings nur insoweit involviert, als sie eine außenpolitische Dimension besaßen. Dies unterschied seine Position von derjenigen Marlboroughs, der in beiden Bereichen agierte.756 Marlborough war, wie dargestellt, als Ambassadeur im Haag akkreditiert und kompensierte seine häufige Abwesenheit vor allem durch einen extensiven Briefwechsel mit Heinsius.757 Marlborough schrieb englisch, Heinsius französisch (was mindestens bedeutet, dass beide beide Sprachen lasen und dass Marlborough diese Korrespondenz nicht seinem Sekretär überließ). Doch seine Zusammenarbeit mit Heinsius beschränkte sich nicht auf das formale Verhältnis eines Ambassadeurs zu einem Vertreter einer auswärtigen Macht. Schon insofern Staat weitgehend entmachtet habe, wäre weiter zu diskutieren, welche Rolle informelle Informationsnetzwerke und -monopole in einer Epoche spielten, in der die Etablierung von Staatlichkeit auch auf dem Gebiet der Information eine massive Herausforderung darstellte. Vorerst sehe ich weniger Konkurrenz als Komplementarität. Vgl. Castells, Toward a Sociology; ders., Materials; siehe dazu auch Behringer, Communications Revolutions, 369. 754 Voltaire, Œuvres complètes, Bd. 22, 143; in dieser Tradition bezeichnet Goubert die drei Politiker als Triumvirat, was zu weit geht; siehe: Goubert, Louis XIV, 286. 755 Vgl. Veenendaal, Who is in Charge; Franken, General Tendencies; Stork-Penning, Ordeal. 756 Vgl. Stapleton, Grand Pensionary, 200. 757 Vgl. The Correspondence 1701 – 1711.
Informelle Informationsgewinnung
215
überschreitet die Verbindung zu Heinsius die Grenzen dessen, was formale Amtskompetenzen nahegelegt hätten. Der Befund einer engen und vertraulichen Zusammenarbeit, die über das hinausgeht, was durch die Amtsaufgaben umschrieben wird, hat die Forschung wohl nicht zufällig dazu geführt, das Verhältnis beider in informelle Kategorien zu fassen. Da formale Beziehungen auf der Trennung von Amt und Person beruhen, muss es sich in d iesem Fall, der klare Amtszuordnungen schwer macht, um informelle, ja möglicherweise sogar in substantiellem Sinne um persönliche Kontakte handeln. Im ähnlich gelagerten Fall des Verhältnisses von Marlborough zu Prinz Eugen etwa wird bis in die jüngere Forschung hinein mit dem Deutungsmuster einer persönlichen Freundschaft (in einem modernen, emo tionalen Sinn) gearbeitet.758 In der jüngsten Studie zu Heinsius und Marlborough wird das Problem zugespitzt auf die drei Optionen „Friends, Colleagues, or just working together for the Common Cause?“. Das unbedingte Vertrauen, das z wischen ihnen geherrscht habe, lasse es vielleicht nicht zu – so der Autor –, von Freundschaft zu sprechen, aber beide hätten mehr als kollegial zueinander gestanden.759 Zwei Dinge irritieren an einer solchen Einschätzung: erstens der psychohisto rische Wille zur Charakterschau großer Männer, zweitens der Anachronismus der Kategorien. Denn Marlborough und Heinsius konnten formal gesehen ja keine Kollegen sein (weil sie unterschiedliche Ämter in unterschiedlichen Ländern ausfüllten). Vor allem aber verweist die Klassifizierung als ‚Freunde‘ auf das Register des Emotionalen und des Persönlichen. Plausibler ist es, das Verhältnis Heinsius-Marlborough (und zwar inklusive der zeitgenössischen Freundessemantik) politisch zu deuten.760 Wenn Marlborough im Kontext der Haager Friedensverhandlungen 1709 an Heinsius schrieb:
758 Vgl. Schmidt, Prinz Eugen. 759 Veenendaal, Marlborough and Anthonie Heinsius. 760 Dass man es kaum mit einer ‚Freundschaft‘ im emotionalen Sinn zu tun hat, legt auch Heinsius‘ Verhalten nach 1711 nahe. Vgl. Gregg, Edward, Marlborough in Exile, 597, der darauf hinweist, dass sich Heinsius aus politischen Rücksichten einem Treffen mit Marlborough verweigerte; vgl. auch Watson, Marlborough’s Shadow, 176. – Eine andere Lesart findet sich im 18. Jahrhundert: Lord Chesterfield beschreibt im Brief an seinen Sohn vom 18. November 1748 das Verhältnis beider als Dominanz Marlboroughs: „The Pensionary Heinsius, a venerable old minister, grown grey in business, and who had governed the republic of the United Provinces for more than forty years, was absolutely governed by the Duke of Marlborough, as that republic feels to that day“ (Lord Chesterfield’s Letters, 118).
216
Strukturen der Informationsgewinnung
„In publick I durst not be of any other opinion then what I write to Ld Townsend (seinem Mit-Ambassadeur im Haag, M. P.), but to you as a friend I will frankly own that I think it very unreasonable to presse France to do so treacherous a thing as to deliver towns in Spaine“761,
und damit eine Dichotomie zwischen „in publick“ und „as a friend“ statuierte, so entspricht dies zwar einem Einsatz von Vertrauen als kommunikativer politischer Ressource, nicht aber einer affektiven Bindung.762 Dieses politische Vertrauensverhältnis zwischen Marlborough und Heinsius zeigte sich unter anderem an regelmäßigen Treffen im kleinen Kreis (zuweilen mit dem Sekretär des Staatsrates, Slingelandt) im Haag vor dem Beginn oder nach dem Ende eines Feldzugs. Ganz offensichtlich war Heinsius für Marlborough die Instanz, die die komplizierte politische Dynamik der Generalstaaten im Sinne der Allianz modellieren konnte.763 Denn schließlich war die Beziehung der Seemächte untereinander die tragende Achse der Allianz. Allerdings verschob sich im Laufe des Krieges das Gewicht immer mehr in Richtung England,764 und auch das politische Verhältnis Marlboroughs zu Heinsius und umgekehrt blieb nicht ungetrübt. Marlboroughs Wunsch, die südniederländische Statthalterschaft zu erlangen, scheiterte etwa an den Niederlanden und Heinsius.765 Auch die im Laufe des Krieges divergierenden Vorstellungen über die Bedingungen, unter denen Frieden mit Frankreich zu schließen sei, entfremdeten beide zunehmend voneinander.766 Doch wie übersetzte sich das (wenn auch nicht ungetrübte) politische Vertrauens verhältnis z wischen Heinsius und Marlborough in den enger gefassten Bereich der Informationsgewinnung? Was wurde zwischen beiden, die immerhin zwei unterschiedliche, allerdings verbündete Staaten repräsentierten, an Informationen ausgetauscht? Denn nicht nur Marlboroughs, auch Heinsius‘ Informationsnetz galt zeitgenössisch als äußerst effektiv.767 Zuerst einmal ist zu konstatieren, wie weit die Kooperation beider im Bereich der Informationsgewinnung ging: Beide hielten sich in einem Maße über die 761 Marlborough an Heinsius, 20. Dezember 1709, in: The Duke of Marlborough’s Letters, 120. 762 Ähnliche Probleme diskutiert im Kontext der Patronageforschung: Droste, Patronage, v. a. 559 – 563. 763 Vgl. Veenendaal, Marlborough and Anthonie Heinsius, 179 f. 764 Vgl. Onnekink, Anglo-D utch Diplomatic Cooperation, 45. 765 Vgl. Veenendaal, Marlborough and Anthonie Heinsius, 186 f. 766 Vgl. Trevelyan, England, Bd. 2, 428. 767 Vgl. Frey/Frey/Rule, Introduction, X; Rule, Gathering Intelligence, 742.
Informelle Informationsgewinnung
217
jeweilige heimische Politik, vor allem aber über äußere Entwicklungen auf dem Laufenden, das über ein normales Bündnisverhältnis hinauszugehen scheint 768 – und angesichts der Personalunion unter Wilhelm III . war das Verhältnis beider Staaten ja tatsächlich kein normales Bündnisverhältnis. Dass es ansonsten selbst unter Verbündeten eine große Reserve gab, Geheimnisse miteinander zu teilen, zeigen plastisch die Vorsichtsbestimmungen in der Korrespondenz des kaiserlichen Gesandten in London, Gallas.769 Man muss also annehmen, dass Marlborough und Heinsius zeitweise ihre oberste Loyalität der Stabilität der Allianz schenkten oder dass sie es mindestens für politisch sinnvoll hielten, so zu kommunizieren, als ob dies der Fall sei. Beispielsweise informierte Marlborough Heinsius früh (schon Anfang 1707) und ausdrücklich vertraulich von seinem Vorhaben, nach Sachsen zu reisen, um den schwedischen König von einem Eingreifen in den Erbfolgekrieg abzuhalten.770 Beide berichteten regelmäßig, manchmal sogar mit Weitersendungen interzipierter Briefe, über diplomatische oder militärische Pläne des Feindes oder auch verbündeter Mächte, die sie in Erfahrung hatten bringen können,771 oder sie glichen die eingegangenen Informationen miteinander ab. Charakteristisch dafür ist Marlboroughs Formulierung: „Our intelligences from Denmark give us great apprehensions that the present ministry in that court are in the interest of France; I doe not doubt but you have the same intelligence.“772 Schon d ieses Zitat deutet an, dass es ein großes Maß an Überschneidungen der Informationsquellen gab: Heinsius unterhielt wie Marlborough eine enge, auch persönliche Verbindung zum hannoverschen Sekretär Robethon und erhielt wie Marlborough eine große Zahl interzipierter französischer diplomatischer Briefe von diesem.773 Der schottische Kaufmann Drummond in Amsterdam arbeitete für Heinsius wie für die englische Regierung.774 Auch das hugenottische Spionagenetzwerk Etienne Caillauds belieferte Heinsius und die englische Regierung. Generell war in den südlichen wie auch den nördlichen Niederlanden, wo zahlreiche formale und informelle Informationsbeschaffer unterschiedlicher Art 768 Vgl. Onnekink, Anglo-D utch Diplomatic Cooperation, 52. 769 Vgl. Die Diplomatische Correspondenz des Grafen Johann Wenzel Gallas, 299. 770 Vgl. Stamp, Meeting, 109. 771 Vgl. The Correspondence 1701 – 1711, z. B. 5, 101, 138, 140, 156, 376. Siehe auch The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 747. 772 Marlborough an Heinsius, 4./15. Januar 1703/4, in: The Correspondence 1701 – 1711, 99. Vgl. ähnlich auch z. B. Heinsius an Marlborough, 27. Mai 1704, in: ebd., 107. 773 Vgl. Oakley, Interception, 109. 774 Vgl. Hatton, John Drummond.
218
Strukturen der Informationsgewinnung
arbeiteten, kaum etwas wirklich geheim zu halten.775 Charakteristisch ist die folgende Episode: Als Marlborough im Januar 1708 Cadogan auf geheime Mission in den Haag schickte, um dort über den bevorstehenden Feldzug zu beraten, wusste die Exilregierung des südniederländischen Statthalters Max Emanuel in Mons wenige Tage später davon; Heinsius wiederum erfuhr davon durch eigene Spione und berichtete Marlborough bereits am 20. Januar davon, dass er wisse, dass der Feind wisse, was man vorhabe. Auffällig ist wiederum, dass die Identität der Informationsquellen nie preisgegeben wurde, aber auch, dass, wie oben schon angedeutet, eine Zusammenarbeit bei der Dechiffrierung interzipierter Briefe (im Unterschied zur Weitergabe bereits dechiffrierter Briefe) nicht praktiziert wurde.776 Die schon erwähnte Bruchstelle im Verhältnis Heinsius-Marlborough war die immer drohende oder unterstellte Gefahr jeweils separater geheimer Friedensverhandlungen mit Frankreich, also eines einseitigen Aufkündigens der Allianz – genau das Szenario also, das am Ende des Krieges schließlich die Generalstaaten empörte.777 Noch 1706 berichtete Heinsius Marlborough vertraulich über eine Friedensinitiative Ludwigs XIV. Im Bewusstsein, dass die Niederländer vor allem den Krieg in Spanien gerne beendet hätten, ließ Marlborough in d iesem Kontext gegenüber Heinsius zum ersten Mal die s päter so zentrale programmatische Maxime „No peace without Spain“ fallen.778 In den folgenden Jahren – dies legt jedenfalls die Forschung zu d iesem im Halbdunkel liegenden Komplex nahe – wurden die Friedensinitiativen des französischen Königs und seines Außenministers gegenüber Den Haag regelmäßiger, und ihre Erfolgsaussichten stiegen. Heinsius neigte zunehmend dazu, Marlborough über die Gespräche (die weit davon entfernt waren, bereits ‚Friedensverhandlungen‘ darzustellen, sondern mehr einem Tasten, Vorfühlen, Ausloten von Möglichkeiten glichen) im Unklaren zu lassen.779 Die geheimen Separatverhandlungen 1709 z wischen den Niederlanden, dem französischen Unterhändler Rouillé und dem holstein-gottorpschen Gesandten im Haag, Hermann Petkum, der als Vermittler tätig war, scheiterten schließlich 775 Vgl. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium; Veenendaal, Opening Phase, 35; siehe zur Überkreuzung verschiedener Informationsnetzwerke in dieser Zeit auch: Bély, Espions, 107 – 110. 776 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 143 f. 777 Vgl. Stork-Penning, Het gedrag; Veenendaal, Who is in Charge, 15. 778 Vgl. Gregg, Queen Anne, 217; Jones, Marlborough, 111 u. 129; siehe auch Godolphins Einschätzung gegenüber Harley aus dem Februar 1706, die Generalstaaten würden den Krieg in Spanien gern beenden: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 80. 779 Vgl. Reese, Ringen um Frieden, 27 f., 80, 83 f.
Informelle Informationsgewinnung
219
unter anderem daran, dass die englische Regierung (und zwar auf dem Weg über François Jaupains Spionage für Marlborough) davon erfahren hatte und daher in die Gespräche einbezogen werden musste.780 In der Forschung wird Marlboroughs Agieren in dieser Zeit unterschied lich beurteilt, denn parallel zur Aufdeckung der geheimen Friedensvorgespräche z wischen Frankreich und den Generalstaaten verhandelte Marlborough selbst heimlich, auf dem Wege über den französischen General Berwick (seinen Neffen), mit dem französischen Außenminister Colbert de Torcy. Diese Episode wird einerseits als Ausdruck von Jakobitismus, Bestechlichkeit und Verrat gedeutet, andererseits als Ausdruck einer kreativen Parallelaktion zu Heinsius‘ Verhandlungen: Marlborough habe seine Gespräche entweder als Erweiterung der oder als Alternative zu den holländischen Friedensgesprächen gesehen.781 Bei Heinsius jedenfalls verstärkte sich in der Folge immer mehr die Tendenz, im Zweifel M arlborough fallen zu lassen, um entweder unabhängig von England Frieden schließen zu können oder von der neuen englischen Regierung ohne und gegen Marlborough in einen Frieden einbezogen zu werden.782 Während also, vor allem für die ersten Kriegsjahre, eine enge Kooperation im Bereich der Informationsgewinnung zu erkennen ist, bildet sich auch auf d iesem Feld die zunehmende Entfremdung zwischen den Alliierten in der zweiten Kriegshälfte ab. Das Agieren in einer Grauzone von formaler und informeller Diplomatie wich zunehmend wieder einem formalen Verhältnis. Der Übergang von formaler zu informeller Diplomatie und Informations gewinnung lässt sich auch an einem anderen wichtigen Kontaktmann Marlboroughs aufzeigen: an dem schon öfter erwähnten hannoverschen Politiker Jean de Robethon. Robethon war als ehemaliger Privatsekretär Wilhelms III., der danach als Privat sekretär erst Georg Wilhelms von Braunschweig-Lüneburg und ab 1705 des Kurfürsten Georg Ludwig tätig war, mit der englischen Politik vertraut. Im Zuge der hannoverschen Erbfolge begleitete er Georg I. nach England zurück.783 Robethon kannte Marlborough noch aus England und korrespondierte mit ihm primär als Sekretär seines Kurfürsten,784 im Rahmen also einer diplomatischen 780 Vgl. BL Add. 61567, 28r–31r; 52r–55r; 60 f.; BL Add. 61246, 122r–125v; BL Add. 32306. 781 Vgl. zu diesem Zusammenhang: Legrelle, Une négociation inconnue; Compton, Marlborough’s Secret Negotiations; Petrie, Marshal Duke, 230 – 233; Churchill, Marlborough, Bd. 2, 497 f.; Reese, Ringen um Frieden, 31. 782 Vgl. Hatton, John Drummond, 83; Weber, Friede von Utrecht, 111; in diese Richtung auch, allerdings übertrieben: Reese, Ringen um Frieden. 783 Vgl. zu ihm: Chance, John de Robethon; Pauli, Jean Robethon; Flick, Celler Hof, 72 f. 784 Vgl. die Korrespondenz in BL Stowe 222 u. BL Stowe 223, 14 – 474.
220
Strukturen der Informationsgewinnung
Korrespondenz zwischen einem englischen Minister und einem verbündeten Herrscher beziehungsweise z wischen dessen Sekretär. In der Regel schrieb Cardonnel (der auch eine eigene Korrespondenz mit Robethon unterhielt) Marlboroughs Briefe an Robethon auf Französisch 785 und schickte Robethon auch seine für die englischen Diplomaten und Regierungsmitglieder bestimmten regelmäßigen Berichte aus dem Feldlager.786 Damit wurde Robethon in gewisser Weise als eine Art außerordentlicher englischer Gesandter behandelt. Robethon war ein wichtiger Kontakt, weil er England kannte und ab 1705 für seinen Kurfürsten, den potentiellen Thronfolger, eine enge Verbindung zu Englands politischer Elite aufbaute; diese Verbindung zu whiggistischen und hannoverfreundlichen Politikern spiegelt sich auch darin, dass er mit Marlborough eine zunehmend enge Beziehung auch über die Zeit von dessen schwindendem Einfluss und Sturz hinweg unterhielt.787 Er konnte aber darüber hinaus Interna des hannoverschen Hofes berichten (und unterhielt generell weit gespannte Korrespondenzen 788). Viel wichtiger war aber ein anderes Charakteristikum. Weit über die Korrespondenz seiner Fürsten geht seine eigene Korrespondenz etwa mit Marlborough hinaus, und zwar deshalb, weil Robethon von außergewöhn lichen Informationsquellen Gebrauch machen konnte. Robethon organisierte die Celler Postüberwachung, die seit den 1690er Jahren eine enorme Bedeutung besaß. Über Celle lief die (auch französische diplomatische) Korrespondenz nach
785 Dies ist ersichtlich aus einem Brief Marlboroughs an Robethon, 18. August 1710, in: BL Stowe 241, 109r, in dem sich Marlborough entschuldigt, auf Englisch zu schreiben, weil Cardonnel krank sei. Während Robethon in den ersten Kriegsjahren tendenziell eher (oder wenigstens auch) Cardonnel schreibt, verschiebt sich dies in der zweiten Kriegshälfte; am 14. Januar 1706 schreibt er an Marlborough, er nehme sich die Freiheit, ihm „directement“ zu schreiben, was darauf hindeutet, dass der Regelfall die Korrespondenz mit Cardonnel ist; allerdings schreibt Robethon in der Folge zunehmend auch an Marlborough selbst. Siehe BL Add. 61235, 51r. 786 Vgl. z. B. BL Add. 61394, 52r; BL Add. 61235, 17r. 787 Vgl. zu ihrem Verhältnis auch: Gregg, Marlborough in Exile, 593. – Im März 1711 führten Robethon und Marlborough im Haag ein vertrauliches Gespräch über die jakobitische Gefahr, die England drohe, und Marlboroughs Zukunft; vgl. den Bericht Robethons an den Minister Bernstorff in Hannover, 21. März 1711, in: Klopp, Fall des Hauses Stuart, Bd. 14, 672 – 677. – Vgl. auch seinen Unterstützungsbrief vom 19. Februar 1712, in einer Zeit also „où le silence auroit quelque chose de criminel, et où l’indignation est une excuse legitime pour le rompre“; der gesamte hannoversche Hof, so Robethon, stehe an Marlboroughs Seite. Siehe BL Add. 61236, 121r. 788 Siehe den Überblick bei: Chance, John de Robethon, 57.
Informelle Informationsgewinnung
221
Ost- und Nordeuropa.789 Dies ermöglichte es Robethon, seinen Kurfürsten, vor allem aber Marlborough mit interzipierten Briefen der Franzosen zu versorgen.790 Daraus aber, wie Bély, mittels der Generalisierung impressionistischer Befunde den Schluss abzuleiten, Robethon sei Marlboroughs „source essentielle“ gewesen, führt viel zu weit.791 An Robethon lässt sich stattdessen eindrücklich zeigen, wie stark die Literatur zur Spionage im frühen 18. Jahrhundert mit Übertreibungen, halb verstandenen Zusammenhängen und Generalisierungen operiert.792 In der Tat war Robethon ein wichtiger Informationslieferant Marlboroughs (mit einer Spezialisierung auf ost- und nordeuropäische Diplomatie und Politik) –, aber nicht sein wichtigster oder gar einziger. Die Generalisierungstendenz der Forschung ist auch zu konstatieren, wenn als Beleg für Robethons Bedeutung immer wieder eine – in der Tat spektakuläre – Episode geschildert wird, die aber durchaus ein Extremfall ist. Robethon gelang es im Frühjahr 1704, mehrere Briefe des französischen Kriegsministers Chamillart an den General Marsin vom Januar abzufangen, die die genauen Instruktionen Ludwigs XIV. für den Feldzug 1704 enthielten. Diese sahen einen schnellen und überraschenden Marsch großer Teile der französischen Truppen nach Bayern und die Vereinigung mit der bayerischen Armee vor; gegebenenfalls könne man dann auch Böhmen oder den Kaiser angreifen.793 Robethon sandte diese Informationen im Mai 1704 an Marlborough und an Prinz Eugen.794 Cardonnel dankte ihm wenige Tage s päter und bemerkte, man finde in dem Brief „les desseins ulterieurs des Ennemis […] et J’espere que nous pourrons les traverser.“795 Wenn auch in der Literatur zuweilen der Eindruck erweckt wird, diese Informationen s eien Marlboroughs Motiv für den Marsch an die Donau (was durchaus zutreffen könnte) und letztlich der Schlüssel für den Sieg bei Höchstädt gewesen, 796 fällt doch auf, dass Marlborough selbst die 789 Vgl. Oakley, Interception; Bély, Espions, 140 – 142; Kilburn, Robethon; Backscheider, Daniel Defoe, 2. 790 Vgl. Snyder, Introduction, XXX. 791 Vgl. Bély, Espions, 91. 792 Die in der populären Literatur öfter geäußerte Meinung, Robethon sei ein ‚Agent‘ Cardonnels gewesen, ist unzutreffend; sie beruht auf Unverständnis hinsichtlich Robethons Position. Vgl. z. B. Piekalkiewicz, Weltgeschichte, 159. 793 Vgl. BL Add. 61264, 31r–47v. 794 Vgl. Robethon an Marlborough, 19. Mai 1704, in: BL Add. 61235, 13r–14r. 795 Siehe Cardonnel an Robethon, 28. Mai 1704, in: BL Stowe 222, 233r. 796 Vgl. Holmes, Marlborough, 260 f.; Piekalkiewicz, Weltgeschichte, 159.
222
Strukturen der Informationsgewinnung
kopierten Briefe sowohl an Heinsius als auch an Godolphin mit dem Hinweis weiterschickte, sie seien „of an old date, but you will see by it what was then the thoughts of the Court of France“797. Damit ist die Nützlichkeit dieser Information nicht bestritten, aber relativiert. Die Episode ist zudem, anders als in der Literatur suggeriert, nicht der Normalfall. In der Regel waren Robethons Berichte und mitgesandte Interzepte eher Bestandteil einer über das diplomatische Normalmaß zwar etwas, aber nicht weit hinausgehenden Beziehung im Graubereich z wischen Diplomatie und Spionage. Die Episode wird deshalb so oft kolportiert, weil sie klischeehaften Vorstellungen vom Sinn der Spionage entspricht: Sie handelt vom Abfangen militärischer Instruktionen für einen ganzen Feldzug (statt, wie sonst meist, von Gerüchten, fragmentarischen Informationen, atmosphärischen Einschätzungen). Sie öffnet ein „loophole on Marlborough’s elaborate secret service“798 (was es zu erlauben scheint, sich von einer breiteren strukturgeschichtlichen Perspektive und der Frage nach der Repräsentativität der Episode zu dispensieren). Sie scheint schließlich unmittelbare Entscheidungsrelevanz besessen zu haben – was man erstens, wie Marlboroughs eigene Einschätzung nahelegt, bestreiten könnte und was zweitens eine unterkomplexe Vorstellung davon transportiert, wie Information und Entscheidung miteinander zusammenhängen.799 Ohne diese Episode also zu gering gewichten zu wollen, muss sie doch in die Korrespondenz Marlboroughs mit Robethon eingebettet werden, will man ihre Bedeutung zutreffend einschätzen. Robethon hatte im April 1703 einen Briefwechsel mit Marlborough aufgenommen, offenbar weil dieser ihn gebeten hatte, ihn mit Informationen zu versehen. Mit einiger Courtoisie schrieb Robethon: „Je commence aujourd‘huy à me servir de la permission que Votre Excellence m’a donnée de luy mander ce qui merite de luy etre communiqué, à present que Leurs Altesses n’ont plus de Ministres àportée de l’en informer, et je me donnera l’honneur de continuer si cette correspondence luy fait quelque plaisir.“800
797 So Marlborough an Heinsius, 27. Mai 1704, in: The Correspondence 1701 – 1711, 106; fast wortgleich an Godolphin, 16./27. Mai 1704, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 303. 798 Churchill, Marlborough, Bd. 1, 760. 799 Siehe zu diesem Komplex: Kapitel 4.2. 800 Robethon an Marlborough, 17. April 1703, in: BL Add. 28056, 9r–14v.
Informelle Informationsgewinnung
223
Robethon versteht seine Korrespondenz also als Supplement zu Berichten der englischen Gesandten und berichtet ausführlich über den Nordischen Krieg und den Aufstand in Ungarn. Auch – dies zeigt sich auch später immer wieder – stellt er über den reinen Bericht oder gar die schlichte Kopie abgefangener Briefe hinaus eigene strategische Überlegungen an: „V. E. jugera apres ce detail si on doit fort s’empresser à terminer la guerre du Nord, et si au contraire il n’est pas plus advantageux aux allies de la laisser continuer au moins jusqu‘à que l ’electeur de Bav.e soit reduit.“801 Wenn auch Cardonnel sich zuweilen über Robethons ausgedehntes geostrategisches Räsonnement ärgerte und ihm zuschrieb, die Alliierten wie Dummköpfe und Sklaven zu behandeln,802 so wünschte doch Marlborough offenbar genau diese Einbettung fragmentierter Einzelinforma tionen: Robethon solle ihm alles mitteilen, was er für die „cause commune“ für sinnvoll erachte.803 Marlborough gab Robethons Korrespondenz zumindest an Godolphin weiter, aber auch eine wenigstens punktuelle Weitergabe an die Secretaries of State fand statt 804 – was das Bild Robethons als ‚Agenten‘ eines exklusiv für Marlborough arbeitenden ‚Spionagesystems‘ weiter relativiert. Auch im Fortgang des Jahres 1703 berichtete Robethon vor allem über die schwedische Kriegspolitik, sandte interzipierte Briefe 805 und kündigte an, er wolle Marlborough mindestens einmal wöchentlich schreiben, wenn dieser erlaube.806 Hier scheinen sich bereits Patronageabsichten an die formalere diplomatische Beziehung anzulagern.807 Robethons Interesse an Patronage dürfte sich vor allem aus der Hoffnung gespeist haben, enge Verbindungen zum wichtigsten Politiker des Landes aufzubauen, in dem sein eigener Landesherr voraussichtlich König werden würde. 801 Ebd., 10v. 802 Vgl. den verärgerten Brief Cardonnels an Robethon, 24. Juni 1707, in: BL Add. 61398, 170v–171r. 803 Vgl. Cardonnel an Robethon, 6. Juli 1707, in: BL Add. 61398, 180r–v. 804 Vgl. Marlborough an Godolphin, 30. Mai 1707, in: BL Add. 61109, 125v. Am 17. Juni 1707 schrieb Robethon an Sunderland, um ihn (anstelle des abwesenden hannoverschen Gesandten) über die Entfremdung des Kaisers von den Alliierten zu unterrichten; siehe BL Add. 61492, 162r. 805 Vgl. Robethon an Marlborough, 18. Mai 1703, in: BL Add. 61235, 2v. 806 Vgl. Robethon an Marlborough, 19. Juni 1703, in: BL Add. 61235, 9r. 807 Auch im März 1706 fragt Robethon noch einmal bei Cardonnel nach, ob seine Art zu berichten Marlborough angenehm sei; siehe BL Add. 61235, 74v. Ohne weitere Belege gehen Coxe, Memoirs, Bd. 2, 58 u. Churchill, Marlborough, Bd. 1, 760, davon aus, dass Marlborough Robethon für seine Berichte bezahlt habe – was nicht auszuschließen, aber auch nicht zu beweisen ist.
224
Strukturen der Informationsgewinnung
In den nächsten Jahren versuchte Robethon hin und wieder, die Verbindungswege zu Marlborough zu verbilligen und sicherer zu machen 808 und versorgte ihn vor allem mit Berichten über den schwedischen König und dessen ab der Mitte des Jahrzehnts zu beobachtende aggressivere Politik gegenüber Sachsen und dem Reich: „[L]’entrée des Suedois en Saxe est un evenement si delicat, et si capable de donner une nouvelle face aux aff.s de l’europe que j’ay crû faire plaisir à V. A. de luy communiquer les advis que nous en avons recus ce matin, Et comme nous les aurons toujours icy de la premiere main, j’auray l‘honneur, Monseigneur, de vous en faire part, si Mr Cardonnel me marque que cela vous sera agreable.“809
Damit wurde Robethon in den Jahren 1706 bis 1708 Marlboroughs hauptsäch liche Quelle für die schwedische Politik und auch für die Verbindungen, die Frankreich zu Schweden als einem potentiellen Verbündeten herzustellen suchte. Marlborough erfuhr von Robethon, dass Karl XII. nicht als Vermittler im Erbfolge krieg auftreten wolle.810 Gerade im Jahr 1707 fürchtete Robethon aber auch um die Geheimhaltung seiner Korrespondenz (es ist unklar, ob er sich vor Feinden innerhalb der englischen Regierung oder vor französischen Spionen fürchtete) und bat Marlborough um äußerste Diskretion.811 Im April 1707 begleitete Robethon Marlborough offenbar sogar auf seinem Besuch im Feldlager Karls XII. in Altranstädt 812 – was angesichts dieser ungewöhn lichen Reise eine besondere Auszeichnung dargestellt haben dürfte. Marlborough wollte Karl XII. davon abhalten, sich in irgendeiner Weise im Spanischen Erbfolge krieg zu engagieren, was schließlich auch gelang. Die weiteren Informationen, die Robethon im nächsten Jahr für ihn abfing, überzeugten Marlborough, dass vom schwedischen König tatsächlich keine Gefahr mehr für die Allianz ausging.813 In 8 08 Vgl. Robethon an Cardonnel, 14. Juli 1705, in: BL Add. 61235, 21r: „Je vous prie de mettre à l’advenir toutes vos lettres et vous nouvelles pour moy sous un couvert à Mons. Newbourg secret.e des depesches de S. A. S. il n‘y a point d’inconveient qu’il les ouvre, et cela m’epargnera le port des paquets, qui me seront aussi rendus quelques heures plustost.“ 809 Robethon an Marlborough, 7. September 1706, in: BL Add. 61235, 82r. 810 Siehe Robethon an Marlborough, 10. September 1706, in: BL Add. 61235, 92v; 25. November 1706, in: ebd., 96v. Vgl. auch: BL Add. 61235, 112r–114v;123r–125r; 138r–139r; 148r–v. 811 Vgl. Robethon an Marlborough, 5. August 1707, in: BL Add. 61236, 6r. 812 Vgl. Robethon an Sunderland, 17. Juni 1707, in: BL Add. 61492, 163r. 813 Vgl. z. B. Robethon an Marlborough, 21. Juni 1707, in: BL Add. 61235, 154r u. 157r–v; 24. Januar 1708, in: BL Add. 61236, 50r; 31. Januar 1708, in: ebd., 56.
Informelle Informationsgewinnung
225
einem interzipierten Diplomatenbrief vom 28. April 1707 konnte Marlborough sogar ziemlich zutreffend lesen, wie die Verhandlungen in Sachsen abgelaufen seien (die Franzosen unterhielten also ebenfalls Spione in Altranstädt), dass aber die Franzosen darüber rätselten, wie er es geschafft habe, Karl XII. in Altranstädt auf neutralem Kurs zu halten.814 Wenn auch Robethon 1708 einige Nachrichten über die bevorstehende jakobitische Invasion sandte,815 verlor er doch angesichts der sinkenden Bedeutung Schwedens für die alliierte Politik als Informant nach 1707 an Bedeutung. So wichtig Robethon also für Marlborough war und so sehr seine Rolle auch die eines formalen diplomatischen Korrespondenten übertraf: Von der ‚source essentielle‘ kann keine Rede sein. Noch einmal anders ist das Verhältnis von formaler und informeller Diplomatie und Informationsgewinnung im Falle Friedrich Wilhelm Grumbkows gelagert. Der preußische Oberst, der s päter zu den wichtigen Politikern seines Landes gehören sollte,816 wurde für Marlborough der wichtigste Informant aus Berlin, wichtiger selbst als der dortige englische Gesandte. Auch an Grumbkow lässt sich zeigen, wie aus einem (militärischen) Dienstverhältnis ein informelles Informantenverhältnis wurde. Das wichtigste diplomatische Ziel, das England gegenüber der neuen brandenburgisch-preußischen Monarchie verfolgte, war die Herstellung einer engen Bindung an die Große Allianz und damit die Sicherung der Subsidientruppen einerseits, die Verhinderung eines Eingreifens Preußens im Nordischen Krieg andererseits. Preußen war für England vor allem als Truppenlieferant interessant, England für Preußen als Subsidienzahler und Unterstützer bei der diplomatischen Anerkennung der Krone und dem Versuch, die oranische Erbfolge zu sichern.817 Zu Beginn von Annes Regierungszeit wurden die englischen Belange in Preußen von Philip Plantamour wahrgenommen.818 Nach seinem Abzug aus Berlin im Frühjahr 1703 versuchten Marlborough und Godolphin durchzusetzen, ihn weiterhin auf der englischen Gehaltsliste zu führen, was aber offenbar nicht gelang.819 814 Vgl. den mitgeschickten Brief in: BL Add. 61235, 133r; siehe dazu: Coxe, Memoirs, Bd. 2, 56 – 58. 815 Vgl. BL Add. 61236, 68r–70r; 71v; 73r–74r; 77r–78r; 87r. 816 Vgl. Klein, Grumbkow. 817 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 45, 58 u. passim; Kroener, Only thing; vgl. auch: Feckl, Preußen, das allerdings durch das Buch von Naujokat weitgehend ersetzt ist, sowie die kurze Analyse von: Frey/Frey, Foreign Policy. 818 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 66. Siehe Plantamours Briefe in: BL Add. 61142, 1 – 31. 819 Vgl. Cardonnel an Plantamour, 7. April 1703, in: BL Add. 61395, 54r; Plantamour an Cardonnel, 12. Mai 1703, in: BL Add. 61412, 153r–154r; Marlborough an Godolphin, 26. Juli 1703, in: Letters and Dispatches, Bd. 1, 149.
226
Strukturen der Informationsgewinnung
Seit 1703 war Thomas Wentworth, Lord Raby, als Envoyé extraordinaire in Berlin tätig; als einem der relativ wenigen englischen Gesandten wurde ihm 1706 sogar der Ambassadeurtitel verliehen.820 Diese Ehre für Raby war gleichzeitig eine diplo matische Anerkennung der jungen preußischen Monarchie und eine Belohnung für kurz zuvor zugestandene zusätzliche Truppen.821 Berlin galt zeitgenössisch als schwierigster Hof Europas, als ein Hof voller Kabale und Intrigen.822 Nach dem Sturz Eberhard von Danckelmanns war Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg zum wichtigsten preußischen Minister aufgestiegen.823 Wartenberg aber hatte einflussreiche Gegner, etwa den Geheimen Rat Ilgen, den „Vordenker der preußischen Außenpolitik“.824 Wenn auch beide in ihrem proalliierten Kurs übereinstimmten, gab es doch genügend politische und persönliche Spannungen, die potentiell auf das Verhältnis zu den Verbündeten zurückwirken konnten. Raby war in die höfische Kabale involviert, weil er sich in hohem Maße in den Berliner Hof integriert hatte: Er unterhielt eine besonders enge Beziehung zu Wartenberg, trotz oder gerade, weil er vermutlich eine Affäre mit dessen Frau (gleichzeitig maitresse en titre des Königs) hatte.825 In die Affäre des knapp vermiedenen Sturzes Wartenbergs im Mai 1706 war der englische Diplomat ebenfalls verwickelt; in Berlin kursierten Gerüchte, Raby und die Gräfin Wartenberg seien die eigentlichen Herren des Hofs.826 Kurzzeitig sah es so aus, als müsse und wolle die englische Königin den für Friedrich I. so prestigereichen Ambassadeur Raby abziehen; dies wusste der König aber durch die Drohung zu verhindern, seinen eigenen Londoner Botschafter im Rang herabzustufen.827 820 Zur relativen Zurückhaltung bei der Vergabe d ieses Titels siehe: Horn, British Diplomatic Service, 45. Zu den Gesandtenrängen siehe auch: Krischer, Gesandtschaftswesen. 821 Vgl. Stollberg-Rilinger, Höfische Öffentlichkeit, 174 f. 8 22 Vgl. Naujokat, England und Preußen, 76. Harley sprach von „that Mercurial Court“; siehe Harley an Marlborough, 31. Oktober/11. November 1704, in: BL Add. 61123, 94r. Harley sah im preußischen König ohnehin einen schwierigen Alliierten: So berichtet er Marlborough am 30. Juni/11. Juli 1704, Friedrich verbreite in ganz Europa, dass der bayerische Kurfürst Max Emanuel kurz davor stehe, zu den Alliierten überzugehen – eine während des Donaufeldzuges natürlich kontraproduktive Nachricht. Siehe BL Add. 61123, 28r. 823 Vgl. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 128 f.; siehe als Hintergrund auch: Hintze, Hohenzollern, 259 – 265. 824 Naujokat, Mylord Raby, 79. 825 Vgl. ebd., 77 – 79. 826 Vgl. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 271. 827 Vgl. Stollberg-Rilinger, Höfische Öffentlichkeit, 175.
Informelle Informationsgewinnung
227
Raby wurde also von der Londoner Regierung ambivalent eingeschätzt: einerseits sehr einflussreich und bestens vertraut mit den lokalen Gegebenheiten, andererseits parteiisch und eigenwillig. Im Verhältnis von Marlborough und Raby kam persönliche und politische Antipathie hinzu. Marlborough verhinderte wiederholt eine Berufung des als verkappter Jakobit geltenden Raby auf militärische Posten; er besuchte lieber selbst Berlin, um über Subsidienverträge zu verhandeln, als Raby verhandeln zu lassen.828 Raby rächte sich für diese Demütigung, indem er (mindestens einmal) Briefe Marlboroughs mit großer Verspätung an den König weitergab, um Marlborough zu diskreditieren.829 Wegen des schwierigen Verhältnisses zu Raby (der später charakteristischerweise einer der eng lischen Unterhändler beim Utrechter Frieden wurde, den Marlborough so verab scheute 830) startete Marlborough eine Art „Parallelpolitik“831, in der Grumbkow eine besondere Rolle zukam. Neben Informationen über die Intrigen am Berliner Hof und ihre mutmaß lichen Rückwirkungen auf die politischen Beziehungen beider Länder musste Marlborough auch konkreter mit Informationen zu den Subsidienverträgen versorgt werden. Marlborough hatte im November 1704 mit dem König einen Subsidienvertrag geschlossen, der den Alliierten 8000 Soldaten für den italienischen Kriegsschauplatz zusicherte. Dieser Artikel wurde im Dezember 1705 erneuert.832 In diesem Zusammenhang sandte Friedrich I. Grumbkow ab 1704 wiederholt als Verbindungsmann zwischen Berlin und der alliierten Armee in Marlboroughs Feldlager. Seine Aufgabe bestand erst einmal darin, Nachrichten von der Front nach Berlin zu melden,833 in der Folgezeit wurde er aber zum offiziellen diplomatischen und militärischen Mittelsmann, der Briefe zwischen Marlborough und Friedrich bzw. Wartenberg überbrachte 834 oder als inoffizieller Gesandter zu Marlborough nach London geschickt wurde.835 828 Vgl. Naujokat, Mylord Raby, 74 u. 79 f. 829 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 17. Januar 1707/08, in: BL Add. 61231, 196v. 830 Cardonnel beklagte in diesem Zusammenhang die Feindschaft zwischen Marlborough und Raby; die Machtverhältnisse z wischen beiden hatten sich fast umgekehrt. Siehe Cardonnel an Henry Watkins, 21. November 1711, in: The Collection of Autograph Letters, Bd. 2, 83. 831 Naujokat, Mylord Raby, 79. 832 Vgl. Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 204 f. und 247; Plassmann, Preis der Krone, 242. 833 Vgl. die Empfehlungsbriefe Friedrichs an Marlborough, 9. Juni 1704, in: BL Add. 61228, 85 f.; 19. September 1705, in: BL Add. 61229, 23r; 2. April 1707, in: BL Add. 61230, 3r; 24. März 1708, in: BL Add. 61230, 48r. 834 Vgl. BL Add. 61229, 96r, 100r, 170r; BL Add. 61230, 5v; 9r; 38r. 835 Vgl. Friedrich I. an Marlborough, 18. Februar 1710, in: BL Add. 61230, 139r.
228
Strukturen der Informationsgewinnung
Dies war aber nur der offizielle Teil der Verbindung. Weit darüber hinaus reichte der informelle, ja geheime Teil: Das vertrauliche Verhältnis, das sich zwischen Marlborough und Grumbkow entwickelte, führte dazu, dass Grumbkow für Marlborough zum ständigen Informanten über den Berliner Hof (inklusive des englischen Gesandten), die Launen seines königlichen Herrn und dessen sprunghafte Politik wurde. „Grumbkow galt als Vertrauter Ilgens, und Marlborough sollte über ihn in der Folgezeit einerseits einen eigenen Kontakt zu Ilgen und zum Kronprinzen aufbauen, und andererseits durch Grumbkow über den aktuellen Stand der Politik und der Gruppierungen am Berliner Hof informiert werden.“836 Diese Informantenposition legt durchaus die Frage nahe, gegenüber wem der preußische Oberst eigentlich Loyalität zeigte.837 Grumbkow informierte Marlborough zum Beispiel über den häufig schlechten Zustand der preußischen Truppen.838 Im Auftrag Marlboroughs redete Grumbkow dem König, der in der Korrespondenz wie ein verzogenes Kind erscheint, ins Gewissen, seine militä rischen Zusagen nicht zu brechen.839 Grumbkow schrieb über Rabys angeb liche Affäre mit Wartenbergs Gattin,840 aber auch generell über Rabys Stellung am Hof.841 Im März 1707 teilte Grumbkow Marlborough mit, der König sei so aufgebracht über die ihn übervorteilenden Niederländer (es ging nicht nur um die militärische Unterstützung der Allianz, sondern immer auch um das oranische Erbe und um Geldern) und auch den Kaiser, dass es unmöglich gewesen sei, mit ihm über die Verstärkung der preußischen Truppen zu sprechen, was Marlborough gewünscht hatte.842 Friedrich I. fühlte sich von den Generalstaaten und England nicht genügend gewürdigt und sah sich zuweilen in einer virtuellen Konkurrenz mit Savoyen, einem Mitglied der Allianz von ähnlichem Gewicht.843 8 36 Naujokat, England und Preußen, 91; zu Unrecht sieht Hinrichs in diesem Verhältnis einen Schachzug Ilgens: Hinrichs, Friedrich Wilhelm I., 235. Im Brief vom 4. Dezember 1706 (BL Add. 61231, 163r–v) klingt es eher so, als erkläre Grumbkow Marlborough, wer Ilgen ist; dieser scheint Ilgen also vorher nicht gekannt zu haben. 837 Snyder (The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 603, Anm. 2) kommentiert: Grumbkow „worked so closely with Marlborough that he often appeared to be acting at his behest rather than his master’s“. 838 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 9. Februar 1706, in: BL Add. 61231, 159. 839 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 19. April 1706, in: BL Add. 61231, 161v–162r. 8 40 Vgl. Marlborough an Godolphin, 20./31. Mai 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 555; siehe auch ebd., 564. 841 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 4. Dezember 1706, in: BL Add. 61231, 163r–165r. 842 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 5. März 1706/07, in: BL Add. 61231, 183r. 843 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 21. Dezember 1709, in: BL Add. 61231, 230r–v.
Informelle Informationsgewinnung
229
arlborough las die von Grumbkow übermittelten Briefe Friedrichs I., die zeigM ten, wie stark sein Ressentiment gegenüber den Generalstaaten war, sogar im Kabinett vor;844 immerhin ging es darum, beide Verbündete bei der Stange zu halten. Grumbkow beriet Marlborough, wie er im Hinblick auf eine Truppenverstärkung am Erfolg versprechendsten mit Wartenberg kommunizieren solle (und empfahl hemmungslose Schmeichelei, allerdings nur in Briefen, die dem König nicht vorgelegt werden sollten – dieser hätte darin eine Zurücksetzung für sich gesehen).845 Immer wieder drohte Friedrich damit, seine Subsidientruppen aus Italien abzuziehen und sie am Oberrhein einzusetzen (also näher der Heimat, aber auch außerhalb der unmittelbaren Kampfzonen)846 – worüber Marlborough im Übrigen bereits von Robethon informiert worden war.847 Wiederum beriet Grumbkow Marlborough dabei, wie der König auf geschickte Weise von diesen Plänen abzubringen sei 848 und betätigte sich als Vermittler zwischen beiden.849 Die besondere Stellung Grumbkows blieb Raby nicht verborgen. Dieser suchte Grumbkow als Kreatur Marlboroughs anzuschwärzen, um dessen Stellung zu untergraben.850 Im Briefwechsel mit seinem engen Freund Cadogan (Marlboroughs Vertrautem!), sprach er seinen Hass auf „that pretty fellow Gromkau“ und seine „little cobweb intrigues“ offen aus, den Cadogan voll und ganz teilte. Grumbkow sei „as silly as he is false“851. „He is the Last Person I know that I would either believe or trust, for he will outlye a Dutch Gazette and is no more capable of keeping a secret than a woman. However as a whisperer is the most dangerous creature, I live civilly with him so as neither to have him for my Friend or my Enemy.“852
844 Vgl. Marlborough an Godolphin, 7./18. Oktober 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1394; siehe auch Godolphin an Marlborough, 5. März 1709/10, in: ebd., 1428. 845 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 5. März 1706/07, in: BL Add. 61231, 186r. 846 Vgl. z. B. Grumbkow an Marlborough, 10. Dezember 1707, in: BL Add. 61231, 189r; siehe zu diesen Plänen, die die englische Regierung sehr beunruhigten, auch den Brief Sunderlands an Marlborough, 5. Oktober 1708, in: BL Add. 61127, 19v–22r. 847 Vgl. Robethon an Marlborough, 15. November 1707, in: BL Add. 61236, 27r. 848 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 17. Januar 1707/08, in: BL Add. 61231, 194r–198r. 849 Vgl. ebd., 202r. 850 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 5. März 1706/07, in: BL Add. 61231, 183r. 851 BL Add. 22196, 214r; Cadogan an Raby, 12. November 1706, in: BL Add. 22196, 45v. Vgl. auch BL Add. 22196, 49v; siehe auch Frey/Frey, Grumbkow. 852 Cadogan an Raby, 19. April 1707, in: BL Add. 22196, 69v.
230
Strukturen der Informationsgewinnung
Die Abneigung war gegenseitig; Grumbkow bezeichnete Raby als „ce terrible Ambassadeur“.853 Grumbkow brachte gegenüber Marlborough oft die Notwendigkeit der Geheimhaltung der Korrespondenz zum Ausdruck – schon dies deutet an, wie sehr sich seine Position vom Formalen zum Informellen verschoben hatte. Marlborough dürfe das, was er ihm schreibe, auf gar keinen Fall bekannt machen: „puisque sans cela ma sincerité me pourroit couter cher“854. Seine Versuche, den König davon zu überzeugen, seine Bündnispflichten zu erfüllen, müssten sehr vertrau lich behandelt werden.855 Auch vor Rabys Einfluss auf Wartenberg und den König fürchtete er sich so sehr, dass er Marlborough einmal darum bat, einen Brief zu verbrennen, der eine besonders maliziöse Schilderung von Wartenberg und Raby enthielt.856 (Dies geschah offenbar nicht.) Denn wenn seine wahre Meinung über Raby (oder Wartenberg, das geht aus dem Brief nicht klar hervor) d iesem bekannt würde, müsse Grumbkow damit rechnen, in Festungshaft genommen zu werden: „il n’auroit point de repos, qui ne m’ait a Spando.“857 Während aber der Bericht über Hofinterna vielleicht gefährlich, aber kaum per se hochverräterisch war, sah dies in anderen Fällen anders aus. An der Grenze dessen, was Grumbkow erlaubt war, liegen wohl noch die Berichte über seine diplomatische Mission nach Leipzig zu Beginn des Jahres 1707: Grumbkow suchte im Auftrag seines Königs die Absichten Karls XII. von Schweden zu eruieren, der Sachsen besetzt hatte und möglicherweise ein Bündnis mit Frankreich erwog. In mehreren langen Briefen schilderte Grumbkow Marlborough die für die Allianz heikle atmosphärische Annäherung Preußens an Schweden.858 Diese Situation bewog Robethon in Hannover, der die französische Diplomatenkorrespondenz überwachte, Marlborough zu bitten „de n’en pas confier la moindre chose aux personnes de la Cour de Prusse qui ont acces aupres d’elle (d. i. Marlborough, ‚son Altesse‘), car la confidence de cette Cour pour la Suede va un dernier degré“.859 Doch Grumbkow war für M arlborough als Informant offenbar so wichtig, dass er sich auf Vertrauen einlassen musste. 853 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 10. Dezember 1707, in: BL Add. 61231, 190v. 854 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 4. Dezember 1706, in: BL Add. 61231, 163r. 855 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 2, 371 – 373 u. 481; diese absolute Vertraulichkeit wurde Grumbkow von Cardonnel zugesichert; siehe Cardonnel an Grumbkow, 22. März 1709, in: BL Add. 61400, 125r. 856 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 10. Dezember 1707, in: BL Add. 61231, 192r. 857 Ebd. 858 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 11. Januar 1706/07, in: BL Add. 61231, 171r–175r; 31. Januar 1706/07, in: ebd., 177v–186r; siehe auch Coxe, Memoirs, Bd. 2, 40 – 42. 859 Robethon an Marlborough, 5. August 1707, in: BL Add. 61236, 6r.
Informelle Informationsgewinnung
231
Die ohnehin prekäre Lage wurde in dem Moment noch heikler, als der preußische König, habituell unzufrieden mit seiner Position innerhalb der Allianz, im Winter 1709 kurzzeitig in Versuchung geführt wurde. Die französische Seite versuchte, separate Friedensverhandlungen unter anderem mit Preußen anzubahnen, um die Allianz zu sprengen. Im Hintergrund standen wiederum Friedrichs Unmut über Geldern und die oranische Herrschaft, aber auch finanzielle Engpässe sowie der Eindruck, von den Seemächten ausgenutzt zu werden.860 Grumbkow wurde von Friedrich I. auch in dieser diplomatischen Mission eingesetzt und agierte als Mittelsmann.861 Gleichzeitig berichtete er aber Marlborough über diese geheimen Friedensinitiativen, die sich gegen die Allianz richteten. Da dies aber ganz offensichtlich in den Bereich des Hochverrats fiel, schrieb Grumbkow ohne Unterschrift, mit leicht verstellter Schrift und etwas kryptisch, aber immer noch verständlich. „Je dirai de plus et je sais que V. A. ne me trahira pas, qu’on est actuellement en negotia tion avec le party contraire et que l‘homme qui vous ecrit, y a eté employe, ce qui n’auroit jamais fait, s’il ne l’avoit dans le dessein de traverser la negotiation, et la faire echouer.“862
Grumbkow behauptete also gegenüber Marlborough, er habe alles versucht, um die Friedensverhandlungen scheitern zu lassen – und bat Marlborough darum, seinem König neue Angebote zu machen, die diesen von der Seite Frankreichs abziehen könnten.863 Eben dies geschah auch: Grumbkow selbst setzte einen Brief auf, in dem seinem König finanzielle und diplomatische Vergünstigungen versprochen wurden. Der Brief wurde von Marlborough an Godolphin übergeben; dieser wiederum leitete ihn an die englische Königin weiter, die ihn als persön lichen Brief an Friedrich I. schickte und ihm damit vorgeblich spontan schmeichelte – was den König wiederum zumindest mitbewog, die geheime Annäherung an Frankreich aufzugeben.864
860 Vgl. zum Kontext: Naujokat, England und Preußen, 207 – 213. 861 Vgl. Rule, France, 105, Anm. 34. 862 Grumbkow an Marlborough, 21. 12. 1709, in: BL Add. 61231, 235. 863 Vgl. ebd., 235 f. 864 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 2, 482. Ob dieser Brief tatsächlich von Grumbkow stammte oder von Marlborough selbst, ist unklar; während Coxe Grumbkows Autorschaft behauptet, sieht Naujokat, England und Preußen, 213, Marlborough als Autor. Aus der Korrespondenz Marlboroughs mit Godolphin geht dies nicht klar hervor; siehe The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1438 u. 1443.
232
Strukturen der Informationsgewinnung
Die Episode zeigt schlagend, wie stark die Bindung an den eigenen Herrscher in der Kriegssituation durch persönliche, aber auch politische Loyalitäten anderer Art überlagert werden konnte – gerade angesichts eines politisch sprunghaften Herrschers inmitten eines von Intrigen dominierten Hofes. Die Loyalität Grumbkows gegenüber Marlborough war dagegen relativ konstant: Grumbkow fühlte sich ihm, anders als die meisten anderen Korrespondenten, so verbunden, dass er ihm nach seinem Sturz eine Art Beileidsbrief sandte, ihm aber auch zur Wiedereinsetzung in seine Ämter im Jahr 1714 gratulierte.865 Dies zeigt: Grumbkow sah in Marlborough einen Patron in einer transnationalen Patronagebeziehung.866 Grumbkows Interesse an Patronage dürfte dabei wesentlich mit der überragenden Machtstellung Marlboroughs zusammenhängen, ohne dass unmittelbarere Anreize für die nicht ungefährliche Beziehung zu ersehen wären. Marlborough wiederum sah in Grumbkow einen Informanten, der nur deshalb so wertvoll war, weil er in einer Grauzone formaler Diplomatie agierte.867 3.4.2 En quelque sorte sous mes yeux: François Jaupain
Ebenfalls in den Bereich der informellen oder mindestens informelleren Informa tionsgewinnung fällt François Jaupain. Er ist schon in der Einleitung erwähnt worden – der Generalpostmeister der südniederländischen Post galt als ‚größter Feind Frankreichs‘ noch nach Marlboroughs Sturz. Seine Gefährlichkeit, so die zeitgenös sische Fremdeinschätzung, beruhte auf der Kapazität, die gesamte südnieder ländische Post zu interzipieren: „Car le maître de cette poste est notre plus grand ennemi, et nous ne devons point douter que dans la plupart des villes d’Hollande ou soumises aux États généraux il n‘y ait des ordres pour les ouvrir.“868 Jaupain war also vor allem wichtig, weil er, auch für Marlborough, Interzeptionsspionage 865 Vgl. Grumbkow an Marlborough, 26. Januar 1712, in: BL Add. 61231, 245 f.; 16. Oktober 1714, in: ebd., 247r. 866 Vgl. zu transnationaler Patronage: Thiessen, Diplomatie und Patronage. 867 Ab den späten 1720er Jahren arbeitete Grumbkow in einer ähnlichen Konstellation auch für Prinz Eugen; vgl. Braubach, Geheimdiplomatie, 26 – 30. Im Spanischen Erbfolgekrieg dagegen war Grumbkow noch nicht für beide, Marlborough und Eugen, tätig. Überhaupt ist im Kontext des Spanischen Erbfolgekrieges kaum eine tiefer gehende oder systematische Spionage-Zusammenarbeit zwischen Marlborough und Prinz Eugen zu erkennen. 868 Zitiert nach: Bély, Espions, 162. Trotz Jaupains Bedeutung wird er in einigen Kurzbeschreibungen von Marlboroughs ‚System‘ der Informationsgewinnung nicht einmal erwähnt; siehe Snyder, Introduction.
Informelle Informationsgewinnung
233
durchführte. Daneben unterhielt er aber auch ein Netzwerk von Spionen, die vor allem den Statthalterhof der südlichen Niederlande und die Grenzregion zu Frankreich überwachten. Bei der Untersuchung des Postschiffverkehrs z wischen Flandern und England ist bereits geschildert worden, dass die Familie Taxis nach der Besetzung der südlichen Niederlande durch die Truppen Philipps V. ihr Postmonopol an den profranzösischen Postmeister Léon Pajot verloren hatten. Eugen Alexander von Thurn und Taxis wurde für den Fall einer Rückgewinnung der Niederlande die Restitution zugesichert. Allerdings hielten sich die Alliierten nicht an diese Abmachung, sondern setzten nach dem Sieg von Ramillies Jaupain ein.869 Pajot musste sich in den noch nicht besetzten Teil der Spanischen Niederlande zurückziehen (zuerst nach Mons, später nach Namur) und versuchte, gemeinsam mit den Taxis in Verträgen mit Jaupain wenigstens einen Teil dessen zu retten, was ihm finanziell zustand, wie er meinte.870 Einem profranzösischen Postmeister Pajot, der 1706 sein Amt verlor, standen also zwei Bewerber auf der alliierten Seite entgegen: Taxis und Jaupain. Zwar hatte noch am 4. Juni 1706 Kaiser Joseph I. die Restitution der Familie Taxis bestätigt und versichert, dass Marlborough und der Brüsseler Staatsrat sich darum kümmern würden.871 Die darauf folgende Einsetzung Jaupains anstelle der Taxis durch die Alliierten war eine politische Entscheidung, mit der Niederländer und Engländer dem K aiser zeigten, wer jetzt Herr der südlichen Niederlande war. Zudem scheint Jaupain, der zuvor Postmeister in Brüssel und Pajots Mitarbeiter gewesen war, die Familie Taxis finanziell überboten zu haben.872 Auch in den kommenden Jahren versuchten die Habsburger, die Taxis wieder einzusetzen, drangen damit aber nicht durch.873 Obwohl sich Eugen Alexander von Thurn und Taxis auch bei Marlborough selbst beschwerte,874 war Jaupain schon Anfang Oktober (gemeinsam mit John Macky) daran beteiligt, einen Vertrag über die Einrichtung der Postlinie von Ostende nach England zu schließen, die oben beschrieben worden ist.875 Jaupain, der Anfang August ernannt 869 Vgl. van Houtte, Les postes, 19; Delepinne, Geschiedenis, 93 – 95. 870 Vgl. Vaillé, Post, 16 – 18. 871 Vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 272 f. 872 Vgl. Behringer, Im Zeichen des Merkur, 575 f. 873 Vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 284 (17. Oktober 1709). 874 Vgl. Brief an Marlborough, 23. September 1706, in: BL Add. 61365, 19r; die südniederländische Post sei „iamais eté hors de ma famille“. 875 Siehe Cardonnels Brief an Cotton und Frankland, 9. August 1706, in: BL Add. 61398, 43r; vgl. auch Cotton/Frankland an Hedges, 9. August 1706, in: Calendar of State Papers,
234
Strukturen der Informationsgewinnung
worden war, unterstand der Kontrolle Marlboroughs und des Staatsrats und übernahm weitgehend Pajots Postinfrastruktur. 876 Er schickte Marlborough noch 1706 ein Antrittsschreiben, in dem er seine Einsetzung geradezu als Ausdruck der staatsmännischen Vernunft zu verkaufen suchte. Gleichzeitig zeigte er sich aber durchaus offen für einen zukünftigen finanziellen Vergleich mit anderen Bewerbern.877 In den kommenden Jahren war es eine von Jaupains Hauptaufgaben, die alliierte Kommunikationssituation z wischen den verschiedenen Kriegsschauplätzen zu verbessern.878 Doch dies machte nicht Jaupains eigentliche Bedeutung aus. Karl de Leeuw stellt fest, dass mit der Einsetzung Jaupains eine lange Phase der Zusammenarbeit mit Marlborough und der englischen Regierung begann, „which went far beyond Jaupain’s responsibilities as a post master“879. Worin Jaupains Rolle aus Sicht der Alliierten vor allem bestand, ist aus einem Brief zu ersehen, den Marlborough dem neuen K aiser Karl VI . am 15. Februar 1712 – also nach seinem Sturz – schrieb. Er bat den K aiser darin um Jaupains Weiterbeschäftigung und begründete dies nicht nur mit seiner guten Arbeit als Generalpostmeister, sondern machte den Kaiser vor allem auf Jaupains außergewöhnlich umfangreiche Spionageaktivitäten aufmerksam. Dieser habe seit der Schlacht von Ramillies sowohl die Post in den alliierten Gebieten der Spanischen Niederlande überwacht und interzipiert als auch Spione und geheime Korrespondenten im feindlichen Gebiet organisiert. Er habe also Initiativ- wie Interzeptionsspionage betrieben, und zwar „dans les villes et armées des ennemis sans rien diminuer de l’attention Bd. 4, 197 f.; Cardonnel an Jaupain, 14. August 1706; ders. an Macky und an Jaupain, 16. August 1706, in: BL Add. 61398, 48v; 50v–51r; 51r; Quellen zur Geschichte des euro päischen Postwesens, Teil 2, 1. Oktober 1706, 274. 876 Vgl. Janssens/Meurrens, Vorstelijke en private post, 86. Die Autoren gehen (ebd., 79) vom Ernennungsdatum 9. September aus. Dass Jaupain aber schon Anfang August zum Generalpostmeister gemacht wurde und dass dies maßgeblich auf die englische Initiative zurückging, geht aus einem enthusiastischen Glückwunschbrief Cardonnels vom 8. August 1706 hervor: „J’ay esté ravi d’apprendre par l‘hon.r de Vôtre lettre de hier que Vôtre affaire estoit fini a Vôtre satisfaction et qu’enfin on Vous a Declaré Directeur General des postes estant persuadé que le Public en sera tres bien servi“ (BL Add. 61398, 40v–41r). 877 Vgl. Jaupain an Marlborough, 1706, in: BL Add. 61336, 150r–151r. 878 Vgl. etwa seine Pläne für die Einrichtung einer reguläre Postlinie von Flandern nach Katalonien über Mailand und Genua, Brief Jaupains an Cotton und Frankland, in: BL Add. 61601, 49r. Siehe auch die punktuellen Anweisungen Cardonnels an Jaupain zur Verbesserung der militärischen Kommunikation in den südlichen Niederlanden, 11. Oktober 1710, in: BL Add. 61372, 273v. 879 De Leeuw, Black Chamber, 142.
Informelle Informationsgewinnung
235
qu’il a eue de veiller sur les villes soumises“. Diese Arbeit sei unter Marlboroughs Überwachung oder in seinem Auftrag geschehen: „Il a rendu tous ces services en quelque sorte sous mes yeux“.880 Schon aus Dank dafür, aber auch, weil sein Geheimdienst auch in Zukunft nützliche Dienste leisten könne, solle der Kaiser Jaupain das Amt des Generalpostmeisters belassen. Der K aiser folgte dieser Bitte: Jaupain behielt sein Amt bis 1725 (als die Postpacht in den österreichischen Niederlanden an Anselm Franz von Thurn und Taxis überging), wurde 1712 sogar nobilitiert und spionierte in der Folgezeit auch für den Wiener Hof.881 Jaupain wurde also von Marlborough protegiert. Er war als Generalpostmeister zwar formal dem Staatsrat und damit indirekt auch Marlborough unterstellt, wichtiger war aber das informelle, verhältnismäßig enge Patronageverhältnis zwischen Marlborough und Jaupain.882 Marlborough bat Jaupain mehrfach darum, längere Zeit in seinem Feldlager zu verbringen, „ou votre personne pourra nous estre u tile“.883 Worin genau die Nützlichkeit persönlicher Anwesenheit bestanden hat, ist schwer abzuschätzen; deutlich wird aber eine enge informelle Bindung und eine Schätzung, die im Wesentlichen auf Jaupains Spionagediensten für Marlborough beruhte. Seine Bedeutung für Marlborough illustriert eine spätere Episode: Im Herbst 1710 unterstützte Marlborough Jaupain zusätzlich dabei, eine Stelle als Lieutenant Colonel im alliierten Heer zu erlangen – und zwar deshalb, weil dieser Status es erlaubt hätte, ihn im Falle seiner Gefangennahme leichter auszutauschen. Da aber der Brüsseler Staatsrat dabei mitzureden habe, wollte Marlborough dies nicht allein entscheiden. Aus den Quellen geht nicht hervor, ob die Initiative erfolgreich war, wichtiger ist aber die Bedeutung Jaupains, die aus dem Versuch spricht.884 880 Letters and Dispatches, Bd. 5, 576. 881 Vgl. Zedinger, Verwaltung, 55. – Über Jaupains weitere Karriere unter den Habsburgern ist wenig bekannt, aber immer noch mehr als über seine frühere Biographie: Man weiß über ihn, dass er überzeugter Anhänger der Alliierten war; dass er und seine Familie sich in einem jansenistischen Umfeld bewegten; dass er schließlich 1712 nobilitiert wurde und 1726 starb. Siehe die verstreuten Hinweise bei de Leeuw, Black Chamber, aber auch: Wouters, Placcaerten, Bd. 7, 21; Sheridan, Life and Works, 63 f. 882 Siehe z. B. den Neujahrsbrief Jaupains an Marlborough, 31. Dezember 1711, BL Add. 61368, 87r–88r. 883 Siehe die Briefe von Marlboroughs Sekretär Cardonnel, die zeigen, dass Jaupain mindestens in den Jahren 1708 und 1709 Teile der Kampagne im Lager des Herzogs verbrachte; BL Add. 61366, 120r (hier das Zitat); BL Add. 61400, 50v. Marlborough selbst spricht von drei Feldzügen, die Jaupain „avec nous“ mitgemacht habe; siehe Letters and Dispatches, Bd. 5, 576. 884 Vgl. die Briefe von Cardonnel an Lawes, 18. September u. 5. Oktober 1710, in: BL Add. 61401, 88v u. 102v.
236
Strukturen der Informationsgewinnung
Jaupain begann im Dezember 1706 auch eine Korrespondenz mit S underland, 885 dem er sich über Marlborough genähert hatte. Darin bot er Sunderland an, „a luy communiquer toutes les semaines ce qui viendra a ma connaissance“.886 Im Mai 1707 teilte Marlborough Godolphin bereits mit, Sunderland bekomme von Jaupain regelmäßige news aus Mons, also vom feindlichen Hof Max E manuels.887 Der Befund, dass die mit der Jaupain-Korrespondenz mitgeschickten Newsletters und interzipierten Briefe im Wesentlichen in Sunderlands – und eben nicht Marlboroughs – Nachlass aufbewahrt wurden, ist also, anders als in der Forschung vermutet, kein Beleg für Marlboroughs mangelhafte Informa tionsgewinnung und auch nicht dafür, dass sich die Secretaries of State umfassender um die Organisation von Spionage bemühten als der Herzog.888 Er belegt stattdessen nur, dass Sunderland (der sich in London aufhielt) anders als Marlborough (der sehr viel reiste und die meiste Zeit im Feldlager verbrachte) seine gesamte Korrespondenz aufhob und archivierte. Alles spricht dafür, dass im Fall Jaupain Sunderland und Marlborough sehr eng zusammenarbeiteten und beide an den Nachrichten teilhatten, die Jaupain ihnen übermittelte. Dies wird auch durch weitere Indizien belegt: durch die punktuelle und ganz beiläufige Erwähnung Jaupains in ihrer Korrespondenz,889 aber auch dadurch, dass Sunderland Jaupain über Cardonnel eine Chiffre schickte,890 schließlich durch den Umstand, dass offensichtlich an Cardonnel oder Marlborough geschickte Briefe Jaupains sich im Nachlass Sunderlands finden.891 Auffällig ist allerdings auch, dass Marlborough und Sunderland sich kaum inhaltlich über die Berichte 885 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 27. Dezember 1706, in: BL Add. 61398, 114r. Cardonnel empfahl Jaupain, Sunderland, der von Jaupains Berichten profitieren wollte, direkt zu schreiben, damit er nicht immer den Kommunikationsweg über Marlborough und sein Umfeld nehmen musste. Vgl. Cardonnel an Jaupain, 24. Januar 1706/07, in: BL Add. 61398, 127v. 886 Vgl. Jaupain an Sunderland, 31. Dezember 1706, in: BL Add. 61567, 3r–4r (Zitat 4r). 887 Marlborough an Godolphin, 8./19. Mai 1707, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 2, 771: „I do not send you the news we have from Mons, the postmaster telling me that he sends itt to Lord Sunderland.“ 888 So: Alsop, British Intelligence, 116 f. 889 Vgl. z. B. Sunderland an Marlborough, 2. August 1708, in: BL Add. 61126,130v–131v. 890 Vgl. Jaupain an Sunderland, 24. Februar 1706/07, in: BL Add. 61567, 14r. 891 Jaupain an Cardonnel, 14. Januar 1707, in: BL Add. 61567, 12v: „Je vous prie Monsieur si vous croyez la chose bonne de communiquer les nouvelles et les copies des lettres a son Excellence Milord Sunderland, n’ayant pas eu assez de tems pour en faire un double pour ladite Excellence“. Dass ein von Jaupain interzipierter Brief in Sunderlands Nachlass ein Regest in Cardonnels Handschrift besitzt, spricht ebenfalls für einen engen Austausch; vgl. BL Add. 61568, 217r.
Informelle Informationsgewinnung
237
Jaupains austauschten.892 Dies dürfte allerdings mehr mit Fragen des Umgangs mit Information, also mit deren Funktion(en) zu tun zu haben.893 Jaupain erledigte seine Spionagearbeit für Marlborough und Sunderland als Teil seiner so verstandenen Aufgaben als Generalpostmeister. Seine Ernennung dürfte insofern auch mit seinen bereits vorher geleisteten Diensten auf diesem Gebiet zu tun haben: Er hatte sich als Mitarbeiter der Taxis’schen Post in Brüssel als fähiger Spionageorganisator gezeigt. Daher kann seine Ernennung zum Generalpostmeister auch als Versuch verstanden werden, seine Position in einem bestimmten Maße zu konsolidieren, seinen informellen Status als Organisator von Informationsgewinnung also in gewisser Weise formal zu rahmen. Für diese Deutung spricht auch Jaupains Entlohnung durch die englische Regierung, die gezielt für Spionage gezahlt wurde: Sunderland sicherte Jaupain im Sommer 1707 einen Lohn von 40 Pfund alle drei Monate zu, und Jaupain versprach darauf, er werde fortfahren, „avec beaucoup de plaisir a informer VE. de tout ce qui viendra a ma connoissance“.894 Ob diese Bezahlung auch in den nächsten Jahren regelmäßig gezahlt wurde (ein Element von Formalisierung), ist unsicher und erscheint eher unwahrscheinlich. Denn eine Bitte Cardonnels aus dem Herbst 1709, Jaupain möge weiterhin Korrespondenten an der Grenze nach Frankreich unterhalten, dies aber möglichst kostengünstig tun, spricht eher für den Befund, dass Jaupain nicht pauschal, sondern spezifischer entlohnt wurde: „le mieux que Vous pourrez a peu des frais“.895 Dass aber Jaupains Beziehung zur englischen Regierung keinesfalls in einem Amtsverhältnis aufging, ist schon daran ablesbar, dass er gleichzeitig auch Interzeptionsspionage für den Brüsseler Staatsrat, aber auch für Heinsius betrieb.896 Die abgefangenen und abgeschriebenen Briefe vor allem des Statthalterhofs wurden also durch Jaupain den wichtigsten politischen Akteuren der Seemächte und der südlichen Niederlande zugänglich gemacht. Wie oben bereits bemerkt, fand allerdings die Dechiffrierung unabhängig voneinander statt, wenn sie nötig war – für die Engländer erledigte sie Blencowe in London. Um Jaupain noch präziser im Kontext der englischen Informationsgewinnung in den Spanischen Niederlanden zu situieren: Er stand in relativ engem Kontakt mit Cadogan und Lawes in Brüssel, deren Spionagenetzwerk bereits oben
892 Auffällig ist dies in BL Add. 61127, passim. 893 Siehe Kapitel 4. 894 Jaupain an Sunderland, 9. Juni 1707, in: BL Add. 61567, 67r. 895 Cardonnel an Jaupain, 9. November 1709, in: BL Add. 61400, 217v. 896 Vgl. Veenendaal, Het Engels-Nederlands condominium, 190; de Leeuw, Black Chamber, 150.
238
Strukturen der Informationsgewinnung
beschrieben wurde; jedenfalls kommt er in deren Korrespondenz zuweilen vor.897 Da sie alle mit Marlborough und auch dem Secretary Sunderland zusammenarbeiteten, wurden mindestens in Einzelfällen Briefe an Jaupain aus London auf dem Wege der diplomatischen Post via Lawes gesendet.898 Gerade deshalb ist allerdings die weitgehend fehlende Zusammenarbeit zwischen beiden Netzen umso auffälliger: Jaupain arbeitete für sich, Lawes ebenfalls, obwohl beide Marlborough mit Information belieferten, partiell die gleichen Themen bearbeiteten und dieselben Kanäle nutzten.899 Sehr selten lässt sich im Bereich der Informationsgewinnung eine Kooperation z wischen Lawes und Jaupain aufzeigen; vereinzelt schickte Jaupain Newsletters an Lawes.900 Oben war bereits erwähnt worden, dass ein Schwerpunkt von Lawes’ Spionageaktivität darin bestand, die Korrespondenz des bayerischen Statthalterhofes in Mons zu überwachen. Da genau dies auch eines der Hauptziele Jaupains war, ist es naheliegend, dass beide beim Versuch, in Mons einen Spion zu installieren, zusammengearbeitet haben. Allerdings geht genau dies aus der Korrespondenz nicht hervor.901 Da Lawes‘ Interzeptionsbemühungen in Mons vor allem in das Jahr 1709 fallen, Jaupain aber, wie gezeigt werden wird, schon vorher dort jemanden beschäftigte, ist es wahrscheinlicher, dass entweder beide voneinander unabhängig agierten oder dass die Initiative in d iesem Fall von Jaupain ausging. Lawes begann seine Spionagearbeit in den südlichen Niederlanden erst in der zweiten Jahreshälfte 1707. Doch schon Anfang August 1707 erhielt M arlborough von seinem Hannoveraner Korrespondenten Robethon einen interzipierten Brief, der deutlich macht, dass Jaupain vermutlich schon um diese Zeit begonnen hatte, den Hof in Mons zu infiltrieren.902 Der Brief, den Robethon in Celle hatte interzipieren lassen, stammte vom bayerischen Diplomaten Monasterol 903 und war an den schwedischen Gesandten in Polen, Hermelin, gerichtet. Monasterol 897 Vgl. Cadogan an Marlborough, 22. April 1709, in: BL Add. 61160, 109v. 898 Vgl. den Brief Jaupains an einen von Sunderlands Under-Secretaries, 16. Oktober 1709, in: BL Add. 61568, 231r–v. 899 Vgl. den vereinzelten Brief Jaupains an einen der Secretaries, 28. Januar 1710, in: TNA SP 77/59, 17r, der zwischen den Briefen Lawes‘ und Cadogans abgelegt ist. 900 Vgl. Jaupain an Lawes, 27. Oktober 1708, in: TNA SP 77/57, 395r–398v; ähnlich auch Lawes an Sunderland, 8. April 1709 mit beigelegtem Newsletter von Jaupain, allerdings mit der Bemerkung, dass Lawes diesen nur mitschicke, weil Jaupain befürchte, dass sein eigener Brief Verspätung habe. 901 Vgl. TNA SP 77/58, 53r; 55r; 61r–v; 76v; 88r; 97v; 110v; 130v; 132r; 159r; 209r; 299r. 902 Vgl. BL Add. 61236, 9r. Der im Folgenden besprochene Brief Monasterols stammt vom 30. Juli 1707; Robethon schickte ihn bereits am 5. August an Marlborough weiter. 903 Vgl. Frey/Frey, Ferdinand Solar.
Informelle Informationsgewinnung
239
informierte diesen über „une lettre digne de foy venant de l’armée du Duc de Marlborough“ – also über eine Angelegenheit, die er aus Marlboroughs Feldlager erfahren hatte. Dort gab es zu dieser Zeit offenbar einen französischen Spion. Neben der Tatsache, dass es Marlborough angeblich gelungen war, im Umfeld des französischen Ministers Chamillart „à force d’argent“ einen Spion zu installieren, unterhalte er auch mindestens eine weitere Korrespondenz, die ihm alle Dinge zugänglich mache, die am Hof des bayerischen Kurfürsten in Mons vor sich gingen: „par la voye de cette correspondence secrette, et d’une autre qu’il a ailleurs, Il scait tout ce qui se passe à la Cour de l’electeur de Bavieres.“904 Marlborough erfuhr also sowohl, dass es in seiner Armee ein Leck gab, als auch, dass der Feind wusste, dass er mindestens einen hocheffektiven Spion in Mons unterhielt. Angesichts des Datums ist es höchst wahrscheinlich, dass der hier vermutete Spion für Jaupain arbeitete. Auch im Falle Jaupains kann man, zugunsten einer übersichtlicheren Darstellung, aber auch anschließend an Marlboroughs eigene Kategorisierung im Brief an Karl VI., z wischen Initiativ- und Interzeptionsspionage unterscheiden.905 Die Berichte des erwähnten Spions gehören in den Bereich der Initiativspionage. Hierher gehört auch die Vielzahl von Newsletters, die Jaupain organisierte und weiterschickte, die aber zum Teil vermutlich nicht exklusiv für ihn angefertigt wurden. Jaupain schrieb die Berichte ab oder schickte sie so weiter, wie sie ihm vorlagen. Entziffert wurden sie, falls nötig, dann in London. Sunderland und auch Marlborough übersandte Jaupain zum Beispiel Newsletters aus Spanien 906 oder Polen 907, vor allem aber von der südniederländisch-französischen Front. Offenbar unterhielt Jaupain dort immer mehrere Kuriere, die ihn vor allem über den Standort der Truppen, deren Stärke, Feindesbewegungen und mögliche Pläne informierten. Zuweilen schrieben offenbar auch Offiziere der spanisch-franzö sischen Truppen Berichte für Jaupain, vermutlich gegen Geld.908 Unklar ist, ob
904 BL Add. 61236, 9r. 905 Daneben befasste sich Jaupain für die Alliierten auch mit der Beobachtung und Meldung verdächtiger Reisender; vgl. Marlboroughs Brief an van den Berg, 28. Juni 1708, in: Letters and Dispatches, Bd. 4, 87; Cardonnel beauftragte ihn überdies damit, für Marlborough gedruckte Zeitungen aus Frankreich zu besorgen – auch dies eine Aufgabe, die einem Postmeister leichter fiel als anderen. Siehe Cardonnel an Jaupain, 12. April 1709, in: BL Add. 61400, 129v. 906 Vgl. BL Add. 61568, 23r; Add. 61264, 116r. 907 Vgl. BL Add. 61554, 139r. 908 Vgl. die Letters of Spanish officers in Elector of Bavaria’s camp 1707, in: BL Add. 61567, 56r–57v.
240
Strukturen der Informationsgewinnung
alle diese Korrespondenten exklusiv für ihn arbeiteten.909 Dafür spricht aber, dass Jaupain mindestens einmal den Staatsrat um Geld für ein oder zwei zusätzliche Kuriere bat. Marlborough unterstützte ihn darin, um ihn in Stand zu setzen „de nous donner des avis f réquents et justes de tous les mouvements des ennemis“910. Dafür spricht auch, dass Jaupain Postillione speziell damit beauftragte, das feind liche Feldlager auszukundschaften 911 und einmal sogar einen Korrespondent einen „affidé“ nennt, einen Getreuen also.912 Einer der Korrespondenten beschäftigte sogar offenbar selbst mehrere Kuriere, die über Standorte des feindlichen Feld lagers Auskunft gaben.913 Jaupain unterhielt also eine Reihe von Spionen, die ihm Newsletters von der Front schickten. In diesem Zusammenhang ergab sich offenbar punktuell eine Kooperation mit dem Spionagenetzwerk Etienne Caillauds aus Rotterdam.914 Unklar ist, ob beide im französischen Grenzgebiet auf dieselben Spione zurückgriffen. Ihr Verhältnis zueinander bleibt im Dunkeln, aber zuweilen sandte Jaupain Newsletters, die Caillaud dechiffriert und abgeschrieben hatte, an Sunderland weiter und kommentierte sie kurz.915 Dies hieße, dass manchmal Berichte von Spionen aus den südlichen Niederlanden zuerst nach Rotterdam gegangen sein müssen, um, von Caillaud transkribiert, wiederum über Brüssel ( Jaupain) nach England geschickt zu werden. Warum dieser Weg gewählt wurde, ist nicht aufzulösen. Es legt aber den Schluss nahe (ähnlich wie im Fall Lawes), dass fallweise, wenn auch selten, die Spionagenetzwerke, die unter anderem für die Londoner Regierung arbeiteten und eng mit Marlborough verbunden waren, miteinander kooperierten. Spektakulärer als die meist mit militärischen Einzelheiten gespickten Newsletters aus dem Grenzgebiet sind die Berichte seiner Spione vom Hof des bayerischen Kurfürsten und Statthalters Max Emanuel. Oben war bereits die Rede davon, dass die Gegenseite im Sommer 1707 einen Spion in Mons 909 Vgl. z. B. BL Add. 61561, 105r; 121r–128v; 133r; 145r; 149r; 179r; BL Add. 61568, 79r; 99v; 101r; 109r; 117r; 120r; 123r; 129r–v; 131v–132r; 147; 149r. 910 Vgl. Marlborough an van den Bergh, 4. Juni 1708, in: Letters and Dispatches, Bd. 4, 48. 911 Vgl. Jaupain an Sunderland, im Mai 1707, in: BL Add. 61567, 58r: „Raport d’un Postillon que J’ay envoyé pour prendre langue des Ennemis“. An anderer Stelle spricht Jaupain vom „Raport d’un home que J’envoye tous les jours vers l’armee des Ennemis“; siehe Jaupain an Sunderland, 3. Juni 1707, in: BL Add. 61552, 62r. 912 Jaupain an Sunderland, 13. Juni 1707, in: BL Add. 61567, 75r. 913 Vgl. Beilage in: Jaupain an Sunderland, 2./3. Juni 1708, in: BL Add. 61568, 107r–v. 914 Siehe nächstes Kapitel. 915 Vgl. BL Add. 61550, 112r; die obige Beobachtung beruht darauf, dass es sich um Caillauds und Jaupains Handschriften handelt. Siehe auch BL Add. 61548, passim.
Informelle Informationsgewinnung
241
vermutete. Doch schon Ende Dezember 1706 begann Jaupain, Sunderland mit Berichten aus Mons zu versorgen. Aus ihnen geht hervor, dass sich Max Emanuel von der schwedischen Besatzung Sachsens eine derart durchgreifende Verschiebung der Machtverhältnisse im Reich erhoffte, dass er bereits auf eine Wiedereinsetzung als Kurfürst spekulierte, dass dies allerdings auch im französischen Lager bezweifelt wurde. Zudem wurde deutlich, dass der französische König eventuelle Friedenshoffnungen begraben hatte und sich, allerdings erschwert durch Geldmangel, auf den nächsten Feldzug vorbereite.916 Die ökonomisch schwierige Lage Frankreichs bildete in den kommenden Jahren ein Hauptthema auch anderer Newsletters, die die englische Regierung erhielt;917 das Retablissement des Kurfürsten erwies sich schnell als vergeb liche Hoffnung.918 Bereits im Januar 1707 legte Jaupain offen, woher er Informationen wie diese hatte – in außergewöhnlicher Offenheit berichtete er: „J’ay un homme a moy, a qui je donne un bonne pension mais il est encore nouveau. J’ay cependent lieu d’esperer qu’il fera quelque chose de plus positif par la suitte. Il passe son tems avec le secretaire de Malknecht et voit une partie de ses lettres.“919
Es war Jaupain also gelungen, einen Spion im Umkreis des bayerischen Rats Malknecht (einem der wichtigsten Mitglieder der Exilregierung 920) zu platzieren oder einen Untergebenen Malknechts durch Bestechung zu gewinnen. Diese zweite Option ist wahrscheinlicher. Wie Jaupain sie genau bewerkstelligte, kann nicht rekonstruiert werden. Jaupain schätzte die Zuverlässigkeit seines Spions hoch ein: „les avis sont sur“921. „Mon homme de Mons“ – so nennt Jaupain seinen Spion meist 922 – zeigt 916 Vgl. Jaupain an Sunderland, 31. Dezember 1706 (der mitgeschickte Brief ist vom 29. Dezember), in: BL Add. 61567, 5r–6r. 917 Vgl. etwa auch ein Memoire über die extreme Geldknappheit in Frankreich, das Jaupain aus Douai erhielt und an Sunderland weitersandte; BL Add. 61550, 105r–106r. 918 Zur zeremoniellen Achterklärung im April 1706 siehe: THEATRI EUROPAEI Sieben zehender Theil, Teil III, 84 f.; siehe zum Kontext auch: de Schryver, Das dynastische Prinzip; Neumann, Die Rolle Kurbayerns. 919 Jaupain an Cardonnel, 14. Januar 1707, in: BL Add. 61567, 7r–v. 920 Vgl. Frey/Frey, Malknecht. 921 Jaupain an Sunderland, 24. Februar 1706/07, in: BL Add. 61567, 14r. 922 Jaupain an Cardonnel, 14. Januar 1707, in: BL Add. 61567, 7v. Manchmal spricht Jaupain auch von seinem „correspondant que j’ai a la Cour de Baviere“; siehe Jaupain an Sunderland, 28. Februar 1707, in: BL Add. 61567, 20r.
242
Strukturen der Informationsgewinnung
in seinen Briefen eine charakteristische Unklarheit darüber, welcher Seite er sich zugehörig fühlt. Jaupain ist sein „cher ami“923, doch die französisch-bayerische Seite ist ‚nous‘, während Jaupain und die alliierte Seite mit ‚vous‘ positioniert werden. Dennoch wird eine Niederlage der Allianz als „triste et facheuse nouvelle“ bezeichnet.924 Auf der anderen Seite wird ein erfolgreicher Vorstoß der alliierten Truppen in Richtung Lille als „des mauvaises nouvelles […] elles sont tres mechantes“ charakterisiert: „Je viens de voir un ministre de notre Cour Regarder le Ciel avec des yeux plains de larmes en disant n‘y aurat il jamais de fin a nos malheures.“925 Mon homme berichtete schwerpunktmäßig über Politik und Diplomatie zwischen Mons und Paris sowie über die fortdauernde enge Beziehung z wischen Mons und der schwedischen Regierung, aber auch über militärische Details. Er konnte Briefe Malknechts und andere diplomatische Korrespondenz einsehen und abschreiben (etwa Briefe an Philipp V.) und leitete sie an Jaupain weiter.926 Mon homme hatte wiederholt Zugang zu Kopien von Briefen Max Emanuels etwa an Ludwig XIV.927 Darüber hinaus lieferte er Stimmungsberichte (die die militärische Situation Frankreichs eher düster zeichneten)928 und berichtete von Hoffnungen und Ängsten am bayerischen Hof, die mit den Aufrüstungen in Dünkirchen und dem jakobitischen Invasionsversuch von 1708 zusammenhingen.929 Auch machte er Jaupain darauf aufmerksam, dass Max Emanuel einen Spion im Umkreis Marlboroughs unterhalte, und wies ihn auch im eigenen Interesse zur Vorsicht an: „je vous prie de ne comuniquer mes lettres qu’a gens que vous connoissez bien.“930 Er dürfte also der Spion sein, von dem Marlborough s päter selbst erfuhr und der oben erwähnt wurde. 923 Vgl. mon homme, weitergeleitet von Jaupain an Sunderland, 5. Mai 1708, in: BL Add. 61552, 102r. 924 Vgl. der Brief von mon homme, weitergeleitet von Jaupain an Sunderland, in: BL Add. 61552, 19r u. 37r. 925 Vgl. ebd., 7. April 1708, 91r–92r. 926 Vgl. die Briefe von mon homme, die Jaupain an Sunderland schickte, in: BL Add. 61552, 1v, 5r, 9r;17v; 53r. Vgl. auch: ebd., 15r; 21r (26. März 1707). 927 Vgl. z. B. Jaupain an Sunderland, 15. Januar 1707, in: BL Add. 61562, 17r. 928 Vgl. BL Add. 61552, 3v (2. März 1707). 929 Vgl. BL Add. 61562, 85r u. passim; Jaupain an Sunderland, 8. u. 10. März 1708, in: BL Add. 61550, 107r u. 109r; Jaupain an Marlborough, BL Add. 61264, 131r–132v; Beilage in Jaupain an Sunderland, 2. April 1708, in: BL Add. 61568, 60r–62r. Auch im folgenden Jahr überwachte Jaupain Dünkirchen; siehe Jaupain an Sunderland, 16. Oktober 1709, in: BL Add. 61568, 231r: „J’ay envoye un homme a Dunkerque qui m’informera de tout ce que s‘y passera pendant tout l’hiver“. 930 Brief von mon homme, 23. April 1707, in: BL Add. 61552, 29v.
Informelle Informationsgewinnung
243
Jaupain schätzte die französisch-schwedische Verbindung als eine Gefahr für die Alliierten ein,931 auch wenn sein Korrespondent diese Gefahr als weniger groß beschrieb.932 Mon homme versuchte offenbar auch, einen Sekretär des Grafen Monasterol (also des bayerischen Gesandten in Frankreich) als weiteren Spion anzuwerben, was nicht gelang. Mindestens erfuhr er von ihm wieder Details über die ökonomische Misere Frankreichs.933 Mon homme wurde im April 1708 verhaftet. Für Jaupain war dies gerade zu dieser Zeit (also im Umkreis der versuchten jakobitischen Invasion von Dünkirchen aus) besonders ärgerlich: „L’homme que j’aurois a la cour de Baviere qui me fournissoit les avis que j’ay eu l’honneur de communiquer a VE est arresté et mis au Prison dont je suis tres faché. Je feray mon possible pour en avoir un auttre entre tems je continueray de donner part a VE de tout ce qui viendra a ma connoissance et de luy envoyer les copies des lettres des ministres ennemis que je pourray intercepter. Je suis bien faché d’un Pareil contretems dans la conjoncture presente.“934
Es ist unwahrscheinlich, dass es derselbe Spion war (auch er wurde als mon homme bezeichnet), der Jaupain aus dem Feldlager der Franzosen in Gembloux schrieb. Jedenfalls hatte Jaupain 1707 auch dort einen Informanten.935 Dieser bewegte sich offenbar im engsten Umfeld Vendômes und speiste offenbar manchmal an dessen Tisch.936 Einmal ist die Rede davon, dass er mit Vendôme selbst, mit seinen Sekretären, aber auch dessen Dienern engen Umgang pflegte.937 Offenbar stand er mindestens mit seinem Cousin, der ebenfalls für die Alliierten spio nierte, und einem weiteren regulären Informanten (den er „l’homme connu“ nannte) im Einvernehmen.938 Er berichtete über Vendômes Unwillen, Frieden 931 Vgl. Jaupain an Cardonnel, 14. Januar 1707, in: BL Add. 61567, 7v–8v. 932 Vgl. Jaupain an Cardonnel, 14. Januar 1707, in: BL Add. 61567, 10v–11r; Jaupain an Sunderland, 19. März 1707, in: BL Add. 61552, 11r. 933 Vgl. ebd., 11r–v. 934 Jaupain an Sunderland, 26. April 1708, in: BL Add. 61568, 73r. 935 Vgl. Jaupain an Sunderland, 13. Mai 1707 (Beilage), in: BL Add. 61567, 77r. Vgl. zum militärischen Kontext: Junkelmann, Kurfürst Max Emanuel, 277; Dhondt, Op Zoek naar Glorie. 936 Vgl. Jaupain an Sunderland, 17. Juni 1707, in: BL Add. 61567, 80r. 937 Siehe Jaupain an Sunderland, 11. Juli 1707 (der Bericht von mon homme stammte vom 7. Juli), in: BL Add. 61567, 103r; siehe auch ebd., 95v. 9 38 Vgl. BL Add. 61567, 131r (12. August 1707); ebd., 136r (17. August). Beim homme connu könnte es sich allerdings auch um jemanden aus Marlboroughs Feldlager handeln, mit
244
Strukturen der Informationsgewinnung
zu schließen, und über vage französische Pläne, die Reichskreise Schwaben und Franken für neutral erklären zu lassen;939 er schrieb, er habe die französischen Generäle eine Karte von Marlboroughs Feldlager studieren sehen – offenbar sollten Kundschafter dorthin ausgesandt werden: „vous ne feres pas mal d’avertir milord d’etre sur les gardes pour apres demain car on irat voir son camp.“940 Hin und wieder gelang es ihm, französische und bayerische Schlachtordnungen zu entwenden und zu kopieren.941 Interessant sind die Hinweise auf die Schwierigkeiten, denen der homme bei seiner Spionagetätigkeit begegnete: Er war selten allein, musste dies aber sein, um seine Berichte schreiben zu können;942 eigentlich sollte er Jaupain täglich schreiben, was aber nicht immer gelang.943 Im August 1707 marschierte die französische Armee nach St. Denis – dies stellte mon homme vor neue logistische Schwierigkeiten: „J’ay touttes les peines du monde a vous envoyer mes lettres parce que la poste ne parte pas quand nous marchons, si les lettres alloient en voiture ie pourrois souvent vous dire bien des choses mais il n‘y a que les moments pour cela, a ce moment nous venons d’envoier le rest de nos bagages a Marimont, nous avons peur que Milord nous attaque et nous feront tout ce que nous pourons pour eviter une action mais l‘homme connus croit que nous n’echaperons pas a ce qu’il ma dit hier suivant qu’il connoit l‘humeur de milord.“944
Politische und militärische, strategische und taktische Informationen unterschied lichsten Stellenwertes gingen permanent durcheinander; aufgeschnappte Gerüchte und eigene Beobachtungen wurden unhierarchisiert weitergemeldet. Klar war nur, dass an der Kriegsbereitschaft Frankreichs und auch am französischen Bündnis Bayerns vorerst nicht zu rütteln war. Marlboroughs Sekretär Cardonnel (der ohnehin manchmal ruppige oder schnippische Briefe schrieb) war über die Berichte dieses und anderer Spione von der Front nicht begeistert. Im August 1707 schrieb er Jaupain, Marlborough sei unzufrieden mit ihm: Er schreibe zu selten, vor allem aber schicke er keine Informationen aus Paris oder Südfrankreich, sondern verzettele sich damit, unnütze dem mon homme korrespondierte. 939 Vgl. BL Add. 61567, 82r–v. 940 Vgl. ebd., 19. Juni 1707, 83r. 941 Vgl. Jaupain an Sunderland, 9. Juni 1707, in: BL Add. 61567, 67r; siehe auch die Schlachtordnung ebd., 69r–70v; vgl. eine ähnliche Situation ein Jahr später, ebd., 103r. 942 Vgl. BL Add. 61567, 89r. 943 Vgl. ebd., 105v. 944 BL Add. 61567, 131r (Bericht vom 12. August 1707).
Informelle Informationsgewinnung
245
Spione an die Front zu s chicken, die nur Klatsch berichteten: „Je ne puis m’empecher de Vous dire aussi, que tout ce que vous avés envoié depuis assés long temps de l’armée Enemie, ne signifie pas la moindre chose, et encore vient-il toujours tard.“945 Diese Einschätzung bildet aber nicht den Tenor der Briefe Cardonnels an Jaupain (eher scheint ihr Verhältnis herzlich gewesen zu sein 946), sondern zeigt eher temporäre unterschiedliche Interessenschwerpunkte an. Wenige Monate später schrieb Cardonnel, er gebe alle Briefe Jaupains an Marlborough weiter, der sie sehr schätze.947 Jaupain selbst hatte schon Anfang 1707 in einem Brief an Marlborough eine Art Spionagemaxime formuliert, die das unermüdliche Zusammentragen auch scheinbar unwichtiger Kleinstinformationen rechtfertigte: „j’ay jugé qu’il valoit mieux donner un avis superflux que d’en negliger un necessaire.“948 Was dem Auftraggeber wichtig war, was nicht, ließ sich aus Sicht des Spions nicht immer leicht beurteilen. Diese unspezifische Funktionalität geht aus Jaupains Briefen oft hervor: Er unterstellte, dass mit den von ihm besorgten Informationen etwas anzufangen sei, wusste aber nicht immer, was. Daher finden sich in diesem Zusammenhang oft unspezifische Formulierungen: „J’ay l‘honneur d’envoyer cy joint a V. E. une copie de lettre d’un Ministre Ennemy par la quelle Elle pourra voir les dispositions des Ennemis.“949 In der Tat aber lobten Cardonnel und Marlborough Jaupain weniger für seine Spionageberichte als für seine Interzeptionsinitiativen. Es hat den Anschein, dass das Abfangen und Kopieren von Briefen ab 1708 in den Vordergrund von Jaupains Engagement trat, und Cardonnel teilte ihm mehrfach Marlboroughs Zufriedenheit darüber mit.950 Auf dem Feld der Interzeptionsspionage profitierte Jaupain von der finanziellen und organisatorischen Zusammenarbeit mit seinem Vorgänger Pajot. Pajot betrieb nach wie vor die Post in den Teilen der südlichen Niederlande, die ‚spanisch‘ geblieben waren. Im August 1707 wurde z wischen dem neuen (alliiert überwachten) Staatsrat, der Statthalterregierung Max Emanuels in Mons und den Franzosen vereinbart, dass der Postverkehr z wischen dem Kondominatsteil der südlichen Niederlande und den spanisch-französischen Gebieten unverändert fortgeführt werden sollte. Pajot ließ sich darauf ein, weil Jaupain ihn 945 Cardonnel an Jaupain, 22. August 1707, in: BL Add. 61398, 226r. 946 Siehe etwa die eher persönlich wirkende Schlussformel im Brief Cardonnels an Jaupain, 26. April 1709, in: BL Add. 61400, 140r. 947 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 5. März 1707/08, in: BL Add. 61399, 97r. 948 Jaupain an Marlborough, 6. Januar 1707, in: BL Add. 61264, 129r. 949 Jaupain an Sunderland, 6. August 1708, in: BL Add. 61568, 137r. 950 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 12. April 1709 u. 3. Dezember 1709, in: BL Add. 61400, 50v u. 129v.
246
Strukturen der Informationsgewinnung
gut bezahlte.951 Dadurch wurde es möglich, zum Beispiel Briefe von Brüssel nach Mons und umgekehrt zu schicken.952 Dies bot Jaupain die Möglichkeit, Briefe aus dem spanisch-französischen Teil des Landes zu interzipieren, während die Post aus Versailles bereits seit 1669 nicht über Brüssel lief, sondern erst im Haag interzipiert werden konnte.953 Ob diese Interzeptionskapazität Jaupains wichtiger war als seine Spione, wie Karl de Leeuw unterstellt, ist schwer zu beurteilen. In jedem Fall gelang es Jaupain, „to get control of all mail delivery between the part of the country still under Bavarian or French control and the north of Europe.“954 Die Interzepte, die er weiterschickte, sind in verschiedenen Quellenbeständen überliefert und daher relativ mühsam zusammenzutragen. Sie finden sich in der Korrespondenz Marlboroughs, aber auch Cardonnels, in Sunderlands Nachlass sowie im French Ministers Letterbook, einer Sammlung von Interzepten, die von Blencowe dechiffriert wurden.955 Jaupain hatte sie selbst abfangen können – oder erhielt sie als Beilage in den Briefen seiner Spione aus Mons oder von der Armee. Die zweite Option wird in einigen Briefen deutlich: Der homme in Mons konnte offenbar öfter Briefe Malknechts abschreiben.956 Auch der homme im Feldlager schickte ihm vor Ort abgeschriebene Briefe und verdeutlichte en passant auch wieder die Nöte des Spions: Er habe einen Teil eines Briefs abgeschrieben und dechiffriert (was Jaupain oder Blencowe sicher auch für ihn übernommen hätten), doch habe die Zeit nicht mehr gereicht, um in der „secretairerie“ des Lagers den Rest des Briefs zu erhalten.957 Die abgefangenen Korrespondenzen, die Marlborough und Sunderland von Jaupain übersandt wurden, stammten von vielen verschiedenen Absendern und waren thematisch sehr divers. Darunter waren interzipierte Briefe vom baye rischen Hof oder aus der französischen Armee;958 Informationen vom J akobitenhof
951 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 143. 952 Vgl. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, Teil 2, 279 f. 953 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 144. 954 Vgl. ebd., 142. 955 Vgl. ebd., 144. Seltener finden sich Jaupains Interzepte in der Korrespondenz anderer Secretaries of State als Sunderland; siehe aber z. B. TNA SP 77/60, 41r. 956 Siehe etwa den Brief an den bayerischen Gesandten Monasterol vom 27. November 1707, beigefügt in: BL Add. 61567, 193r. 957 Vgl. BL Add. 61567, 158r. 958 Siehe z. B. Jaupain an Marlborough, 1706, in: BL Add. 61264, 110r–113v; 127r. Siehe auch: BL Add. 61568, 245r–v; BL Add. 32306. 6r–7v.
Informelle Informationsgewinnung
247
in St. Germain; Nachrichten über heimliche englische Jakobiten 959 oder über jakobitische Invasionspläne;960 Informationen über die Uneinigkeit des feind lichen Lagers.961 Marlborough erfuhr via Jaupain von der Verschwörung, die 1708 Antwerpen dem Zugriff der Alliierten entziehen sollte;962 Jaupain war es auch, der Harleys clerk William Gregg als französischen Spion enttarnte, wie oben beschrieben wurde.963 Neben dem sozusagen normalen Interzeptionsgeschäft sind zwei Hochphasen zu vermerken, die beide mit dem französischen Gesandten bei Max Emanuel, Pierre Rouillé, zu tun haben. Das heißt: Offenbar war es von Zufall, persönlichen Kontakten und dem Grad der Nähe oder Ferne zu bestimmten Personen abhängig, was interzipiert wurde. Denn obwohl Rouillés Korrespondenz für die Alliierten von Interesse war, war er doch nicht der einzige oder gar wichtigste französische Diplomat, dessen Korrespondenz man hätte interzipieren wollen. Die erste Phase fällt in das Jahr 1707. Jaupain gelang es offenbar, Rouillés Korrespondenz mit dem französischen Gesandten beim schwedischen König, Jean-Louis d’Usson de Bonnac, zu interzipieren, der sich mit dem schwedischen Heer in Polen aufhielt, aber in Danzig blieb, als die schwedische Armee Sachsen einnahm. Jaupains Hauptquelle dürfte der homme am Hof in Mons gewesen sein; dieser schickte jedenfalls öfter Briefe Rouillés.964 Selbst Briefe seines Sekretärs an einen Freund wurden interzipiert: offenbar einfach deshalb, weil man dazu in der Lage war.965 Dieses Übermaß an Informationen führte aber auch dazu, dass gar nicht mehr alle Briefe dechiffriert wurden.966 Blencowe kam nicht mehr nach, vielleicht schien aber Rouillés Korrespondenz ab einem gewissen Zeitpunkt auch nicht mehr ergiebig genug. Seine Briefe müssen der englischen Regierung, neben allgemeinen Einschätzungen der Kriegssituation unter anderem in Spanien, einen Eindruck davon vermittelt haben, wie groß die Hoffnungen Frankreichs auf eine Verbindung mit 959 Vgl. Jaupain an Sunderland, 26. Februar 1707, in: BL Add. 61567, 22r–23v sowie 42v; siehe auch: 22. Oktober 1708, in: BL Add. 61568, 16r–v. 960 Vgl. die Beilage im Brief Jaupains an Sunderland, 1708, in: BL Add. 61568, 169r–170v; siehe auch BL Add. 32306, 20. März 1708, 110r–v. 961 Vgl. ein interzipierter Brief des Ministers Bergeyck, der an Sunderland geschickt wurde, 31. Februar 1710, in: BL Add. 61568, 237r–239r. 962 Vgl. Veenendaal, Opening Phase. 963 Vgl. A Complete Collection of State Trials, Bd. 14, 1371. 964 Siehe Jaupain an Sunderland mit Beilagen des homme aus Mons, 2. u. 10. Oktober 1707, in: BL Add. 61567, 170r u. 174r. 965 Vgl. BL Add. 61152, 7v. 966 Nicht dechiffrierte Briefe Rouillés in Sunderlands Unterlagen: BL Add. 61567, 60r–61r; 109r–110r; 127r, 131r, 139r, 141r, 148r.
248
Strukturen der Informationsgewinnung
Schweden waren, aber auch, dass diese Hoffnungen im Frühjahr 1707 langsam schwanden,967 dass es eine (berechtigte) Angst der französischen Seite vor dem Besuch Marlboroughs bei Karl XII. gab 968 und dass die Idee, Karl könne als Vermittler im Erbfolgekrieg auftreten, immer weniger wahrscheinlich wurde.969 Im Vergleich zum umfassenden Überblick über die schwedische Politik, den Marlborough durch Robethon erhielt, dürften allerdings die Jaupain’schen Interzeptionen der Briefe Rouillés bestenfalls ergänzende Stimmungsbilder geliefert haben. Zweifellos interessanter für Marlborough und die englische Regierung war die zweite Hochphase von Jaupains Interzeptionstätigkeit. Sie betraf die geheimen Friedensgespräche z wischen Frankreich und den Niederlanden im Jahr 1709, in denen wiederum Rouillé eine entscheidende Rolle spielte. Vermittler z wischen Rouillé und der niederländischen Regierung war der holstein-gottorpsche Gesandte im Haag, Hermann Petkum.970 Die Gespräche gehörten in eine lange Reihe von Versuchen Ludwigs XIV. ab 1705, das Bündnis durch einen Separatfrieden mit den Niederlanden zu sprengen.971 Für Marlborough und Jaupain ging es darum, die Gefahr auszuloten, ob der niederländische Verbündete die Allianz verlassen würde. Dass die englische Regierung über diese Verhandlungen informiert war, war der älteren Forschung durchaus bewusst.972 Dass sie dies Jaupains Interzep tionen – und nicht einem unspezifischen ‚Geheimdienst‘ Marlboroughs – zu verdanken hat, wird selten gesehen.973 Rouillé als Unterhändler zu schicken, erwies sich als Fehler Ludwigs XIV.: Rouillé war in den nördlichen, aber auch den südlichen Niederlanden bekannt, seine Reisen etwa nach Den Haag ließen sich kaum geheim halten.974 Schon deshalb kamen die Verhandlungen kaum voran, und schließlich reiste Ludwigs Außenminister Colbert de Torcy selbst in die Niederlande – was wiederum von den Engländern und Jaupain genau registriert wurde. Außerdem traf sich die Tatsache, dass der König einen so hochrangigen Amtsträger entsandte, mit den 967 Vgl. die Interzepte im Briefwechsel Jaupain-Sunderland, BL Add. 61567, 32v, 36r, 79r. 968 Vgl. die Interzepte, von Blencowe dechiffriert, in: BL Add. 32306, 97v–98r. 969 Vgl. BL Add. 32306, 96v, 98v; siehe auch die interzipierte Korrespondenz z wischen Rouillés Nachfolger Besenval, dem französischen Minister Chamillart und Rouillé, in: BL Add. 32258, 25r–27v; 28r–31v; 32r–35r. 970 Siehe detailliert zu den Verhandlungen: Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance; Stork-Penning, Het Grote Werk. Vgl. die Korrespondenz zwischen Petkum und Torcy, in: HMC Buckinghamshire, 317 – 366. 971 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance. 972 Vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 2, 527. 973 Siehe aber: de Leeuw, Black Chamber, 144. 974 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance, 203.
Informelle Informationsgewinnung
249
Befunden aus Jaupains Interzepten: dass nämlich Ludwig XIV . aus ökonomischen und finanziellen Gründen im Frühjahr 1709 dringend auf Frieden angewiesen war. Dasselbe gelte für Max Emanuel. Dessen Rat Malknecht schrieb im Februar 1709 in einem von Jaupain abgefangenen Brief: „L’argent est plus rare en France que jamais et je n’oserais confier au Papier en quelle situation affreuse cela mit les Finances de S. A. E. (d. i. Max Emanuel, M. P.)“.975 Marlborough und die englische Regierung gelangten also zu der Überzeugung, dass Frankreich dringend Frieden suche. Ein Separatfrieden mit den Niederlanden musste daher verhindert werden, um dem Feind noch härtere Friedensbedingungen für einen allgemeinen Frieden aufzuzwingen. Die Korrespondenz Rouillés, Torcys und Petkums, die Marlborough von Jaupain zugänglich gemacht wurde, war in diesen Frühjahrsmonaten 1709 besonders dicht.976 Blencowe arbeitete offenbar unter Hochdruck an der Dechiffrierung.977 Aus einem Brief Cardonnels lässt sich erschließen, dass es wenigstens zeitweise wieder der (oder ein) homme de Mons war, dem es gelang, Rouillés Korrespondenz abzuschreiben.978 Noch Anfang März 1709 formulierte Cardonnel nur als sichere Vermutung, dass es bei Rouillés Aktivitäten um Friedensverhandlungen gehe.979 Die Angst Marlboroughs, dass hier ein Frieden ohne England geschlossen werden könne, hielt sich aber in Grenzen. Cardonnel bat zwar um die fleißige Fortsetzung der Berichte – die „curieux“ s eien 980 –, teilte Jaupain aber noch im April mit: „S: A: vous en remercie, mais Elle ne croit pas que ces Coquins meritent qu’elle se met en peine, cependant Elle vous prie de Luy envoyer ce que Vous recevrez de tems en tems des memes Mains.“981 975 23. Februar 1709, in: BL Add. 32306, 104v. 976 Vgl. die Briefe Petkums an Heinsius und Torcy, 21. März 1709; 11. April 1709; 19. April 1709; 30. April 1709; 4. Mai 1709, in: BL Add. 32306, 1r–v; 7r–v; 42v–44r; 46r–v; 48r; vgl. auch BL Add. 61246, passim. In diesem Bestand finden sich auch für das folgende Jahr eine Reihe von Briefen, v. a. von Petkum an Marlborough, die die verschiedenen Friedens initiativen dieser Zeit genauer dokumentieren. 977 Im April 1709 bat Cardonnel Jaupain darum, noch weitere Briefe in derselben Chiffre zu s chicken, weil dies die Dechiffrierung erleichtern würde. Vgl. Cardonnel an Jaupain, 26. April 1709, in: BL Add. 61400, 140r. 978 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 4./15. März 1709, in: BL Add. 61400, 112v. 979 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 4./15. März 1709, in: BL Add. 61400, 113r. 980 Cardonnel an Jaupain, 4./15. März 1709, in: BL Add. 61400, 113r; ähnlich im Januar 1709/10, als wieder über Frieden verhandelt wurde; Cardonnel an Jaupain, 24. Januar 1709/10, in: BL Add. 61400, 236r: „les pieces estant assez curieuses, & donnent beaucoup de lumieres, c’est pourquoy S. A. vous recommande que rien ne Vous eschappe, s’il est possible.“ 981 Cardonnel an Jaupain, 26. April 1709, in: BL Add. 61400, 140r.
250
Strukturen der Informationsgewinnung
Schon am 14. März 1709 hatte der Vermittler Petkum Torcy anvertraut, dass er wisse, dass Rouillés Reise in die Niederlande nicht habe geheim gehalten werden können. Auch Marlborough wisse bereits davon. Diese zutreffende Feststellung (dass er bereits davon wisse) konnte Marlborough kurze Zeit später wiederum in einem von Jaupain interzipierten Brief lesen.982 Ab Anfang März hatte Marlborough sich mithilfe von Jaupains Interzepten ein zunehmend klareres Bild vom Stand der geheimen Vorgespräche machen können und war schließlich in die Gespräche einbezogen worden.983 Von einem bestimmten, nicht klar zu bestimmenden Zeitpunkt an ging es also nicht mehr um ein Geheimnis im Hinblick auf den Inhalt der Korrespondenz. Dennoch wollte und konnte Marlborough auch im Fortgang der Gespräche, an denen er selbst teilnahm, begleitend die geheime Korrespondenz seiner Gesprächspartner verfolgen (um zum Beispiel zu erfahren, dass seine Gesprächspartner ihn für in England allmächtig, für „ambitieux et averitieux“ und für ein Friedenshindernis hielten)984. Am 9. April konferierte Marlborough mit Heinsius über Rouillés Friedensvorschläge.985 Schließlich kam es im Mai zu Verhandlungen im Haag, an denen auch Marlborough teilnahm, und zur Unterzeichnung der (am Ende scheiternden) Friedenspräliminarien.986 Die Effektivität von Jaupains Interzeption war also gerade in diesen ersten Monaten des Jahres 1709 besonders beeindruckend. Durch sie wie über andere Kanäle erhielt die englische Regierung Informationen, die sie in einer bestimmten Weise beeinflussten – sie in diesem Fall zu der Überzeugung führten, dass ein Friedensschluss kurz bevorstehe. Dass dieser nicht zustande kam, ist bekannt. Die harten Friedensforderungen der Alliierten umfassten unter anderem den berüchtigten Artikel 37, der Ludwig XIV . verpflichtete, im Notfall Philipp V. militärisch aus Spanien zu vertreiben.987 Der englischen Regierung erschien die schließliche Ablehnung des Friedens durch den französischen König allerdings
982 Vgl. den interzipierten Brief Petkums an Torcy vom 14. März 1709, in: BL Add. 61246, 112r–115r, 116r–117v. 983 Vgl. de Leeuw, Black Chamber, 144. 984 Vgl. den interzipierten Brief Petkums (an Torcy?) vom 21. März 1709, in: BL Add. 32306, 46v. 985 Vgl. den interzipierten Brief Petkums (an Torcy?) vom 11. April 1709, in: BL Add. 32306, 43v. 986 Vgl. Schnettger, Erbfolgekrieg, 87 – 91; Schmidt-Rösler, Prälimarfriedensverträge, v. a. 62; Coxe, Memoirs Bd. 2, 395 – 397. 987 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance, 207; Rule, France, 97; Schmidt-Rösler, Prälimarfriedensverträge.
Informelle Informationsgewinnung
251
nicht einmal zwingend als Nachteil. Sunderland schrieb am 3. Juni 1709 an Lawes, von dem er die Nachricht über das Scheitern der Verhandlungen erhalten hatte, dies sei „something surprising, yet I believe, is not displeasing to any here, since probably it may end in forcing them to accept of other conditions than these offer’d to him, which may be more for the Advantage of the Allies“.988 Das Wissen, das man inzwischen über die desaströse französische Situation zu haben meinte, hatte sich verdichtet; früher oder s päter musste Ludwig XIV . Frieden schließen. In diesem Sinne beeinflussten Jaupains Interzepte wie andere Spionageberichte die Dispositionen und Kalkulationen der englischen Regierung, die das Durchhaltevermögen Frankreichs und die Entschlossenheit Ludwigs XIV ., für seine gloire zu kämpfen, unterschätzt haben mögen. Ein Grund für die Unnachgiebigkeit der Alliierten dürfte durchaus auch darin liegen, dass durch Briefe wie den zitierten von Malknecht, aber auch anderen von Jaupains Interzepten, ein Bild der französischen Misere gezeichnet wurde, das es den alliierten Anführern unvorstellbar machte, dass Ludwig XIV . den Frieden noch würde ablehnen können. Eine vergleichbare Konstellation ergibt sich im Blick auf das Spionagenetzwerk Etienne Caillauds, dem das nächste Kapitel gilt; auch dort werden die Friedensverhandlungen von 1709 eine Rolle spielen, und mit Caillaud gerät ein ebenso wichtiger informeller Akteur von Marlboroughs Informationsgewinnung in den Blick. Im Unterschied zu Jaupain spielt aber im Fall Caillaud Interzeption kaum eine Rolle – hier wird es eher um die Frage gehen, wie man im Krieg ein Spionagenetzwerk im Feindesland aufbaute und unterhielt. 3.4.3 Il est vrai qu’il est souvent bien averti: Das Netzwerk Etienne Caillauds
Aus der Perspektive der Informationsgewinnung ist der hugenottische Rotter damer Kaufmann Etienne Caillaud eine der zentralen Gestalten des Spanischen Erbfolgekrieges. Der Forschung ist er nicht unbekannt – doch weder die edierten 989 noch die nicht edierten Quellen sind bisher systematisch genutzt worden. Daher ist er in seiner Bedeutung massiv unterschätzt worden. David Onnekink hat en passant bemerkt, dass „the exiled Huguenots obviously did not conduct any foreign policy as such“.990 Wenn dies auch grosso modo zutrifft, so besitzt doch 988 Sunderland an Lawes, 3. Juni 1709, in: BL Add. 61651, 173r. 989 Vgl. Dedieu, Rôle politique, v. a. 339 – 353. 990 Onnekink, Models, 195.
252
Strukturen der Informationsgewinnung
gerade Caillaud durch sein Spionagenetzwerk eine derartige Bedeutung, dass man ihn als einen außenpolitischen Akteur sui generis klassifizieren muss, der durchaus entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Spanischen Erbfolgekrieges nahm.991 Zudem war Caillaud neben seiner Spionagetätigkeit auch Kontaktmann der niederländischen und auch englischen Regierung zu den südfranzösischen Camisarden.992 Den Kriegsparteien war die Bedeutung Caillauds als Organisator des wohl wichtigsten Spionagerings in Frankreich durchaus bewusst: Der französische Außenminister Torcy etwa schrieb an seine Gesandten bei den Gertruydenberger Friedensverhandlungen 1710 über Caillaud: „Ce particulier se mêle depuis long temps du metier de faire passer des nouvelles de France en Hollande, et il est vrai qu’il est souvent bien averti.“993 Caillaud und sein Netzwerk arbeiteten auf kommerzieller Basis für die alliierten Regierungen vor allem der Niederlande und Englands. Anders als etwa Macky hatte Caillaud kein Amt inne. In der Terminologie dieser Untersuchung war Caillauds Spionagedienst sowohl ein Handelsakteur als auch ein Netzwerk mit eigenen Zielen, aber auch Patronagebedürfnissen. Es ist wichtig, dies zu betonen, weil in der Literatur suggeriert wird, Caillaud sei schlicht ein Befehlsempfänger zum Beispiel von Heinsius gewesen.994 Richtiger wäre die Feststellung, dass der Rats pensionär zu seinen Kunden zählte 995 – was aber eben heißt, eine Netzwerk- und Handelslogik statt einer bürokratischen Beziehung in den Vordergrund zu stellen. Die Caillaud’schen Newsletters, also seine eigenen Briefe und die Briefe seiner Spione, sind in Marlboroughs Nachlass nicht enthalten. Dies ist wohl der Grund dafür, dass Caillaud im Rahmen der Beschäftigung mit Marlboroughs 991 Für Caillaud trifft eine Beobachtung von G. C. Gibbs in besonderer Weise zu: „British history in early eighteenth century was a part of European history, and, indeed, of Dutch history, and this because of the activities of the Huguenots.“ Siehe Gibbs, Intellectual and Political Influences, 287. 992 Vgl. Caillaud an Heinsius, 11. November 1703, in: De Briefwisseling van Anthonie Heinsius, Bd. 2, 535; Jurieu an Heinsius, 2. Dezember 1704, in: ebd., Bd. 3, 451 f.; Jurieu an Heinsius, 5. Januar 1705, in: ebd., Bd. 4, 6. Vgl. auch die von Caillaud geschriebenen oder weitergeleiteten militärischen Pläne, die er Marlborough zukommen ließ, in: BL Add. 61337, 125r–126v; 240r–246v; BL Add. 61338, 44r–48v; BL Add. 61399, 105r–115v sowie exemplarisch die Korrespondenz Caillauds mit den Camisarden, die er an Sunderland weitersandte; BL Add. 61563, 31r–32r. 993 Zitiert nach: Das, Pierre Jurieu, 381. 994 Vgl. tendenziell so: Veenendaal, Inleiding, XXIX. 995 Vgl. etwa: Caillaud an Heinsius, 28. Februar 1708, in: De briefwisseling van Anthonie Heinsius, Bd. 7, 103.
Informelle Informationsgewinnung
253
‚Spionagesystem‘ bisher nicht zentral erschien. Wie im Fall Jaupains verhält es sich so, dass Caillaud für die Secretaries, vor allem Sunderland, und gleichzeitig für Marlborough tätig war. Während aber, wie bereits erwähnt, Sunderland diese Korrespondenz archivierte, ist Marlboroughs enge Verbindung zu Caillaud nur indirekt zu erschließen.996 Dieses Kapitel soll daher zweierlei leisten: Einmal sollen Caillauds Netzwerk und seine Spionageaktivitäten beschrieben werden – die anders als im Fall Jaupain fast vollständig aus Initiativspionage bestehen. Zum anderen soll gezeigt werden, dass Marlborough in großem Umfang Informationen über dieses Netzwerk bezog. Im Hinblick auf Marlboroughs Informationsgewinnung erlaubt die Beschäftigung mit Caillaud zwei Beobachtungen: erstens, dass Marlborough zu einem nicht geringen Ausmaß Informationen erhielt, die ein bereits vor dem Spanischen Erbfolgekrieg eingerichtetes Netzwerk beschaffte. Marlborough stützte sich also auch auf bereits etablierte Strukturen, statt neue zu schaffen. Zweitens ist an Caillauds Netzwerk wiederum abzulesen, dass die Vorstellung von ‚Marlboroughs Geheimdienst‘ in die Irre führt: Gerade die Nichtexklusivität der Informationsgewinnung ist charakteristisch für Caillauds Spionagenetzwerk, das Marlborough, aber auch andere Regierungsmitglieder sowie andere Regierungen mit Informationen versorgte. Um dies zu zeigen, soll zuerst die Vorgeschichte des Netzwerks vor 1702 und die Organisation während des Erbfolgekrieges beschrieben werden, um anschließend die Arbeit Caillauds für Marlborough und Sunderland strukturell und inhaltlich genauer zu beleuchten. Bereits seit den 1690er Jahren hatten einige hugenottische Exulanten von Rotterdam aus ein Spionagenetz in Frankreich errichtet. Pierre Jurieu, einer der wichtigsten Theologen der reformierten Spätorthodoxie und bekannt vor allem als Gegner Pierre Bayles 997, war der Gründer und erste Hauptorganisator.998 Jurieu 996 Oben war bereits dargestellt worden, dass etwa Alsop, British Intelligence, 116 f., aus dieser Tatsache den nicht aufrechtzuerhaltenden Schluss einer relativ schlechten Versorgung Marlboroughs mit Newsletters aus Frankreich zieht. Selbst wenn Godolphin in einem Brief an Marlborough die Caillaud’schen Newsletters einmal als „Our French newsletter which comes to my Lord Sunderland“ bezeichnet (25. Mai 1708, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 2, 993) und Marlborough selbst einmal von „Lord Sunderland’s newsletter“ spricht (Marlborough an Godolphin, 10./21. Februar 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1224), darf dies doch nicht zu der Annahme verleiten, nur Sunderland habe Caillauds Spionageberichte bezogen; in jedem Fall teilten Sunderland, Godolphin und Marlborough auf die eine oder andere Weise ihre Informationen miteinander. 997 Vgl. Dingel, Orthodoxie; Matytsin, Fictional Letters. 998 Vgl. Das, Pierre Jurieu; kaum darüber hinaus nützlich: Vaultier, Espionnage.
254
Strukturen der Informationsgewinnung
etablierte von Rotterdam aus ein Spionagenetz vor allem in französischen Hafenstädten, das über die dort eventuell stattfindenden Rüstungen informieren sollte.999 Darüber hinaus wurden Agenten im protestantischen Süden Frankreichs und in Paris angeworben. Von Anfang an arbeitete Etienne Caillaud als Schreiber und Dechiffrierer für Jurieu.1000 Dieser Informationsdienst wurde von verschiedenen hugenottischen Gemeinden, aber auch von Wilhelm III. und Heinsius finanziert.1001 Die englische Regierung war daher eine wichtige Anlaufstelle für Jurieu. Jurieu bot dem englischen Staatssekretär Nottingham schon im Mai 1692 seine Dienste an.1002 Zu dieser Zeit entsandte er Spione nach Rochefort, Brest, Toulon, aber auch Paris – mit Tendenz zum Wachstum d ieses Netzes (Marseille, St. Malo, Dünkirchen).1003 Die englische Regierung interessierte sich am meisten für die nordfranzösischen Häfen, die Schiffe, die dort ein- und ausliefen, und deren Besatzung und Bewaffnung: „Ce qui nous est nécessaire, c’est d‘être bien instruits de tout ce qui se passe à l‘égard de l‘équipement des vaisseaux de guerre, quand ils doivent sortir, en quel nombre, de quelle force ils sont, où ils vont […]“1004 Jurieu selbst war dagegen mindestens genauso daran inte ressiert, mittelfristig protestantische Aufstände in Südfrankreich zu ermöglichen;1005 ein Thema, das der englischen Regierung meist weniger dringlich erschien. Jurieu korrespondierte regelmäßig mit den verschiedenen englischen Staatssekretären und erklärte in d iesem Zusammenhang wiederholt die Funktionsweise des Spionagenetzes.1006 Er wies etwa darauf hin, dass neben den Agenten auch ein (später mehrere) Schreiber und ein Dechiffrierer beschäftigt werden müssten 1007 – denn natürlich waren die Briefe der hugenottischen Spione verschlüsselt, wurden in Rotterdam entschlüsselt und abgeschrieben und so an die Interessenten weiterverkauft.1008 Die Briefe, so wird aus einer Notiz Caillauds von 1702 deutlich, 999 Vgl. Das, Pierre Jurieu, 377. 1000 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 208. 1001 Vgl. Rule, Gathering Intelligence, 740. 1002 Vgl. Jurieu an Nottingham, 10./20. Mai 1692, in: Dedieu, Rôle politique, 281. Rule, Gathering Intelligence, 740, sieht Heinsius als Hauptfinancier und sieht, Bély und letztlich Dedieu folgend, die Bedeutung der englischen Unterstützung in den 1700er Jahren nicht. 1003 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 282 f. 1004 Shrewsbury an Jurieu, 11. Oktober 1695, in: ebd., 295. 1005 Vgl. Goldgar, Impolite Learning, 199; Bély, Espions, 91. 1006 Vgl. Jurieu an Trenchard, 14./24. November 1693, in: Dedieu, Rôle politique, 284. 1007 Vgl. ebd. 1008 Sie waren also nicht etwa „public newsletters“, wie Alsop, British Intelligence, 116, annimmt.
Informelle Informationsgewinnung
255
brauchten immer ungefähr zwei Wochen, um (wohl auf dem Postweg) von Frankreich nach Rotterdam zu gelangen, dort entschlüsselt und kopiert zu werden und dann – in der Regel gebündelt – weitergesendet zu werden.1009 Die Informationen, die in England eintrafen, waren also in der Regel etwa zweieinhalb Wochen alt. Ein Hauptproblem war von Beginn an die zögerliche Zahlungsaktivität der englischen Regierung. Diese unterstützte und ermutigte Jurieu zwar.1010 Einige der Staatssekretäre (Shrewsbury etwa) zeigten sich auch überaus beeindruckt von der Effizienz des Jurieu’schen Netzwerkes; Shrewsbury las die Berichte aus Frankreich sehr genau und stellte auch Nachfragen (was insgesamt nicht sehr üblich war).1011 Aber die Organisation des Spionagedienstes war äußerst kostspielig, auch wenn die Spione meist Glaubensbrüder waren – Katholiken zu rekrutieren war natürlich noch viel teurer.1012 Die zögerliche Bezahlung war ein ständiges Thema der Korrespondenz.1013 Oft schoben die Secretaries vor, die Treasury sei mit Zahlungen im Rückstand.1014 Ein zweites, damit zusammenhängendes Problem war die Sicherheit der Informanten. Jurieu schärfte seinen Korrespondenten immer wieder die Geheimhaltung zum Schutz seiner Spione ein, und auch die Bezahlung musste so geheim wie möglich abgewickelt werden: Die englische Regierung zahlte in den 1690er Jahren – wenn sie zahlte – in Wechselbriefen über Amsterdamer Bankiers. Die Wechsel sollten, um Spuren zu verwischen, nicht an Rotterdamer Banken gehen.1015 Auch sonst legte Jurieu höchsten Wert auf Geheimhaltung: Als im Juli 1695 ein Brief eines Jurieu’schen Spions wortgleich in holländischen Zeitungen erschien, kam Angst auf; Jurieu vermutete, es s eien geheime Informationen seines Netzwerkes von der englischen Regierung weitergegeben worden. Der Secretary Vernon bestritt dies aber.1016 Die Geheimhaltung war offenbar nur schwer dauerhaft durchzuhalten. Ab März 1696 wurden Jurieus Spione sukzessive enttarnt, inhaftiert und zum Teil 1 009 Vgl. TNA SP 101/23, 3. u. 10. Juli 1702. Dass Caillaud die Newsletters seiner Korrespondenten gebündelt verschickte, geht hervor aus: BL Add. 61554, 91v. 1010 Vgl. z. B. Trenchard an Jurieu, 1./11. Dezember 1693, in: Dedieu, Rôle politique, 286. 1011 Vgl. Shrewsbury an Jurieu, 25. Mai 1695, in: ebd., 289. 1012 Vgl. Jurieu an Shrewsbury, 14./24. Mai 1695, in: ebd., 288. 1013 Vgl. als Beispiel nur Jurieu an Shrewsbury, 10./20. Januar 1696, in: ebd., 297, aber auch „Mémoire de ce qui est dû au 1 er de janvier 1696“, ebd., 297. 1014 Vgl. Jersey an Jurieu, 8. Dezember 1699, in: ebd., 324. 1015 Vgl. Jurieu an Shrewsbury, 30. Mai/10. Juni 1695 sowie Jurieu an Vernon, Juni 1695, in: ebd., 291. 1016 Vgl. Vernon an Jurieu, 19. Juli 1695, in: ebd., 291.
256
Strukturen der Informationsgewinnung
hingerichtet. Anfang Mai war das Netz zusammengebrochen.1017 Während die eng lische Regierung sich darüber beklagte, nun keine Informationen aus französischen Häfen mehr (vor allem aus Brest) zu bekommen,1018 richtete sich das Interesse der Rotterdamer Hugenotten auf ganz andere Probleme: Sie hatten Verwandte und Freunde verloren – Caillauds Schwager etwa, der in Rochefort spioniert hatte, wurde gehängt.1019 Sie drängten auf einen Austausch der Gefangenen, was die englische Regierung nicht einmal halbherzig unterstützte, während Heinsius zumindest Hilfe in Aussicht stellte.1020 Caillaud bemühte sich jetzt mit Jurieus Hilfe um eine englische Pension als Belohnung für seine Dienste und Entschädigung für seine familiären Verluste, die ihm im November 1696 in Höhe von 200 Pfund jährlich gewährt wurde.1021 Daneben aber machte man sich an eine rasche Reorganisation des Spionagenetzes.1022 Ab dieser Zäsur von 1696 trat Etienne Caillaud an die Spitze der Organisa tion; Jurieu verblieb die Rolle des „intellectual godfather“.1023 In relativ kurzer Zeit gelang es, neue Spione anzuwerben: Caillaud konnte mehrfach Gerüchte über französische Invasionen oder Mordanschläge auf den englischen König melden.1024 1698 konnte oder musste Caillaud sogar einen weiteren Schreiber einstellen und wies den zuständigen Secretary darauf hin, dass er Caillauds Briefe hin und wieder auch in einer anderen Handschrift erhalten werde und sich darüber nicht beunruhigen möge.1025 Die Rotterdamer bemühten sich in dieser Zeit (erfolglos) darum, ihre Kontakte auch politisch auszunutzen und den englischen Secretaries die hugenottischen Interessen im Hinblick auf die Rijswijker Friedensverhandlungen nahezubringen.1026 Nach einem gescheiterten Aufstand in La Rochelle 1699 wurde es aber erneut schwieriger, Spione in französischen Häfen zu platzieren.1027 1017 Vgl. Jurieu an Vernon, 20./30. März 1696, in: ebd., 301; Jurieu an Shrewsbury, 4./14. Mai 1696, in: ebd., 305 f. 1018 Vernon an Jurieu, 28. April 1696, in: ebd., 304. 1019 Vgl. ebd., 382. 1020 Vgl. Jurieu an Vernon, 12./22. Juni, in: ebd., 308. 1021 Vgl. ebd., 336 sowie: Calendar of Treasury Books, Bd. 17, 1108. Siehe aber auch die Nachfrage Caillauds vom 12. März 1698 an Vernon: Er wisse um die schlechte Finanzlage Englands, bitte aber dennoch um die Auszahlung seiner Pension. Vgl. Dedieu, Rôle politique, 339. 1022 Vgl. Jurieu an Vernon, 2./12. Juli 1696, in: Dedieu, Rôle politique, 309. 1023 Rule, Gathering Intelligence, 740. 1024 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 316 f. 1025 Vgl. Caillaud an Vernon, 25. April 1698, in: ebd., 339. 1026 Vgl. Jurieu an Shrewsbury, 3./13. Dezember 1697, in: ebd., 323. 1027 Vgl. ebd., 234.
Informelle Informationsgewinnung
257
Das Verhältnis zwischen der englischen Regierung oder einzelnen englischen Amtsträgern und dem Rotterdamer Netzwerk kühlte sich aber zwischenzeitlich ab. In den ersten Jahren nach 1700 ging die Korrespondenz sehr zurück. Hatte man sich in der Vergangenheit manchmal über die mangelnde Präzision der Informationen beschwert und behauptet, die gelieferten Berichte stimmten zu oft nicht mit anderen Informationen überein,1028 stand nun zur Debatte, ob die Kooperation zwischen Caillaud und der Regierung in London überhaupt fortgesetzt werden würde. Die Staatssekretäre Manchester, Hedges und Vernon äußerten zu Beginn des Erbfolgekrieges ihre Unzufriedenheit mit Caillaud immer deutlicher: Dessen Berichte kämen verspätet, die Geheimhaltung werde nicht gewahrt. Generell scheinen bestimmte eng lische Politiker die Refuge-Politik und die an sie gekoppelte Informationsgewinnung für ein sinkendes Schiff gehalten zu haben.1029 Zudem waren die Interessen einiger englischer Sekretäre deutlich enger gefasst als diejenigen Caillauds: Der Secretary Vernon etwa äußerte im Juli 1701, Caillauds Korrespondenten sollten eingehender über Flottenbewegungen und Schiffe in nordfranzösischen Häfen berichten: „les informations de cette sort nous importent plus que tout le reste.“1030 Während Caillaud – und dies sollte sich durchziehen – also an der politisch-diplomatisch- militärischen Gesamtsituation interessiert war, beschränkte sich das Interesse der englischen Regierung oft auf die Frage der französischen Invasionsfähigkeit. Diese Verschlechterung der Beziehungen beruhte nicht nur, aber auch auf gewissen innerhugenottischen Uneinigkeiten, die gleichzeitig einen Kampf um die Gunst des englischen Königs darstellten. Jean de Robethon beschwerte sich 1698, noch als Sekretär Wilhelms III., über die mangelnde Geheimhaltung des Caillaud-Kreises.1031 Dies ist deshalb auffällig, weil Wilhelm III. Jurieu und Caillaud finanziell in großem Maßstab unterstützte und sie sich immer wieder auf die Gunst und die Befehle des Königs beriefen (auch als dieser bereits nicht mehr lebte).1032 Möglicherweise war Robethon auch ein Dorn im Auge, dass der einfache Kaufmann Caillaud durch seine Aktivitäten mit Regierungsmitgliedern und Hochadligen korrespondieren konnte – eine Aufwertung, die im Ancien Régime immer skeptisch beäugt wurde.1033 1028 Vgl. Vernon an Jurieu, 2./12. Februar 1697, in: ebd., 319. 1029 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 235 f. u. 239; Das, Pierre Jurieu, 382. 1030 Vernon an Caillaud, 18. Juli 1701, in: BL Add. 40775, 24r. 1 031 Vgl. Caillaud an Blathwayt, 25. Februar 1698, in: Dedieu, Rôle politique, 337 f. Siehe auch ebd., 234. 1032 Vgl. z. B. Caillaud an Vernon 13. Juni 1702, in: ebd., 344. 1033 Caillaud selbst behauptete, ein relativ enges Verhältnis zu Heinsius zu haben, das ihm auch erlaube, mit d iesem in politische Diskussionen einzutreten (siehe Caillaud an
258
Strukturen der Informationsgewinnung
Jurieu und Caillaud ihrerseits waren davon überzeugt, dass der Zusammenbruch ihres Spionagedienstes im Jahr 1696 auf den Verrat pro-bourbonischer Hugenotten in Rotterdam zurückgehe: Sie verdächtigten gegenüber der englischen Regierung mit scharfen Worten den Rotterdamer Prediger Jacques Basnage und dessen Familie.1034 Diese Anschuldigungen, deren Berechtigung nicht nachzuprüfen ist, verweisen auf die politischen Divergenzen innerhalb des niederländischen Refuge: Während Jurieu auf einen aggressiven antiludovizianischen Kurs und innerfranzö sische Aufstände setzte, empfahl Basnage den in Frankreich verbliebenen Protestanten Glaubensfestigkeit und Geduld.1035 Allerdings hinderten diese bis zur offenen Feindschaft gehenden Gegensätzlichkeiten Jurieu und Basnage gegen Ende des Spanischen Erbfolgekrieges nicht daran, den Herzog von Marlborough gemeinsam um Unterstützung für die protestantische Sache bei den anstehenden Friedensverhandlungen zu bitten.1036 Die innercalvinistische Feindschaft zu Basnage war aber nur eine Front, an der das Caillaud’sche Unternehmen zu kämpfen hatte. In den Jahren um 1700 verschärfte sich die Konkurrenzsituation zu anderen Informationsanbietern, die ebenfalls von der englischen Regierung beschäftigt und bezahlt werden wollten. Die Konkurrenzunternehmen waren zum einen das „bureau“ M armande in Brüssel, zum anderen das „bureau“ Lamberty im Haag. Dass die ältere Forschung von „bureaux“ spricht,1037 zeigt eine gewisse Ratlosigkeit dem Phänomen gegenüber. Denn wenn man die Spionageunternehmen von Caillaud, Marmande und Lamberty auf eine Stufe stellt – und die englische Regierung tat dies in gewisser Weise –, verschwimmt die Unterscheidung zwischen Diplo maten und Spionen, zwischen offiziellen und privaten Akteuren: Schließlich war das Caillaud’sche Unternehmen (wie auch das von Lamberty) privat und strukturell kommerziell, während Marmande als englischer Diplomat arbeitete, aber eben auch als solcher in einer Konkurrenzsituation mit nicht-offiziellen Spionagenetzen stand. Jacob a Cere Marmande war während der 1690er Jahre englischer Spion in den Spanischen Niederlanden gewesen. Von 1699 bis mindestens 1701 arbeitete Blathwayt, 1703, in: BL Add. 29323, 26v); falls dies zuträfe, wäre dies eine Erklärung für Caillauds Selbstbewusstsein auch gegenüber der englischen Regierung. 1034 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 304 f., 314 – 316, 320. 1035 Zu Basnages und Jurieus Rolle im niederländischen Refuge und deren unterschied lichen theologischen und politischen Haltungen siehe: Knetsch, Pierre Jurieu u. Cerny, Theology. 1036 Vgl. Jurieu an Marlborough, 22. März 1708, in: BL Add. 61366, 166r. 1037 Vgl. Das, Pierre Jurieu, 382.
Informelle Informationsgewinnung
259
er als englischer Legationssekretär und Envoyé Extraordinaire in Brüssel.1038 Als solcher korrespondierte er vor allem mit dem Secretary Vernon und dem Under- Secretary Ellis;1039 er berichtete eingehend über den Gesundheitszustand des spanischen Königs und war wohl einer der Ersten, die die englische Regierung von dessen Tod in Kenntnis setzten.1040 Gerade im Jahr 1700 korrespondierte er mit großer Regelmäßigkeit mit der englischen Regierung und wurde zur Konkurrenz für Caillaud.1041 Ein weiteres Konkurrenzunternehmen war der Newsletter-Dienst Guillaume Lambertys. Dieser war von 1698 bis 1700 Sekretär des Grafen von Portland gewesen und agierte meist von Den Haag aus.1042 Lamberty korrespondierte 1703/04 etwa mit dem Gouverneur der Isle of Wight, Lord Cutts.1043 In der zweiten Kriegshälfte verdichtete sich seine Beziehung zur englischen Regierung; sein Newsletter aus Den Haag wurde von der englischen Regierung abonniert.1044 Doch schon zu Beginn des Krieges versuchten einige mit Caillaud unzufriedene englische Politiker, Lamberty als Konkurrenzunternehmen zu etablieren.1045 Als Lamberty 1705 kurzzeitig verhaftet wurde, ließ Caillaud seiner Schadenfreude freien Lauf und bemerkte gegenüber Cardonnel: „Vous n’aures pas esté surpris d’aprendre que Le Sr Lemberty a este arresté. Ce qui me surprend c’est qu’on l’ait sy long temps laisé faire un sy mauvais manege dont on a esté les dupes.“1046 Auf die Konkurrenzsituation (also die Tatsache, dass er kein De-facto- Monopol ergattern konnte, was er durch unrealistisch niedrige Preise mög licherweise hätte erreichen können) reagierte Caillaud, indem er sich bestimmte Mitglieder der englischen Regierung gewogen zu machen suchte und dafür ältere Kontakte mobilisierte. So korrespondierte er etwa mit dem Secretary at War William Blathwayt, der in den 1690er Jahren ein wichtiger Akteur in der Kriegsadministration gewesen war und dementsprechend zu Beginn des
1038 Vgl. Horn, British Diplomatic Service, 31; siehe auch: Calendar of Treasury Books, Bd. 15, 443; Calendar of Treasury Books, Bd. 17, 151. 1039 Vgl. z. B. BL Add. 28903, 79 f.; TNA SP 77/57, v. a. 149r, 164r. 1040 Vgl. BL Add. 28906, 74v–76; 92r;103 f. 1041 Vgl. TNA SP 77/57. 1042 Vgl. Frey/Frey, Lamberty. 1043 Vgl. BL Add. 69379 art. 2; HMC Frankland-Russell-Astley, 126 – 142. 1044 Vgl. z. B. TNA SP 84/574, 250r. Siehe auch: Frey/Frey/Rule, Introduction, XXIII; Bély, Espions, 195. 1045 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 245; siehe auch Cardonnel an Caillaud, 12. Juli 1702, in: BL Add. 61394, 54v–55. 1046 Caillaud an Cardonnel, 22. Mai 1705, in: BL Add. 61413, 54r.
260
Strukturen der Informationsgewinnung
Spanischen Erbfolgekrieges seinen Einfluss geltend machen konnte. 1047 Caillaud führte Blathwayt vor Augen, dass etwa Marmande schon deshalb kaum konkurrenzfähig sei, weil ein Informationsdienst sich nicht von heute auf morgen einrichten lasse: „Je ne sais si on veut me couper l‘herbe sous le pied, mais je doupte que Mons. de Marmande, n‘y d’auttre puisse parvenir de longues année a establir un commerce comme celuy que j’ay.“1048 Als der Staatssekretär Nottingham versuchte, eigenständig Spione in Frankreich zu rekrutieren, und diese sich dann, ohne um dessen Rolle zu wissen, um Unterstützung an Caillaud wandten, schien dies erst eine Gefahr (weil nicht recht klar war, ob man es tatsäch lich mit loyalen pro-alliierten Leuten zu tun habe), die aber zum Triumph für die Rotterdamer wurde – weil es ihnen gelang, die neuen Spione in ihr Netz einzubinden.1049 Auch wenn Caillauds Position gegenüber der englischen Regierung in Zukunft nie unangefochten war, besteht doch kein Grund, die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges als Niedergang des Refuge-Spionagedienstes zu beschreiben, wie es die einschlägige Monographie Dedieus tut 1050 – eher im Gegenteil. Der Grund für diese Fehlinterpretation liegt in einer selektiven Quellenlektüre – die sich vor allem auf die State Papers stützt, aber die Korrespondenz Marlboroughs und vor allem Sunderlands außer Acht lässt. Im Jahr 1706, so lässt sich erschließen, arbeiteten etwa zehn von Caillauds Korrespondenten in verschiedenen franzö sischen Städten, vor allem Hafenstädten.1051 Dies entsprach, so Caillaud, wieder dem Stand der 1690er Jahre.1052 Marlborough setzte, anders als manche unter den Secretaries of State, auf das Jurieu-Caillaud’sche Unternehmen.1053 Eine Begründung dafür dürfte die Nähe Jurieus und Caillauds zu Heinsius darstellen. Marlborough besuchte Jurieu, als er 1047 Vgl. Burton, Secretary at War; Jacobsen, William Blathwayt. 1048 Vgl. Caillaud an Blathwayt, 1702, in: BL Add. 29323, 22v. 1049 Vgl. Jurieu an Nottingham, 20./30. Juni und 14./24. August 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 328 f.; Caillaud an Nottingham, 30. Juni 1702, in: ebd., 343. 1050 Vgl. Dedieu, Rôle politique. 1051 Vgl. Caillaud an einen Secretary of State (Hedges?), 12. März 1706, in: Dedieu, Rôle politique, 351: „Il est vrai, Monseigneur, que vous donnez 12,000 florins pour cette correspondance, établie depuis dix-huit années. Je suis en état de rendre compte sur cela de notre conduite, et je laisse à Votre Excellence à juger si, dans un commerce de cette nature, où il y a près de dix personnes d’employées qui exposent leur vie, on peut donner moins d’argent.“ 1052 Vgl. Caillaud an Sunderland, 30. August 1707, in: BL Add. 61548, 29v. 1053 Bély, Espions, stellt die Verbindung zu Marlborough nicht explizit her, weil er kaum über die Quellen in Dedieu, Rôle politique, hinausgeht.
Informelle Informationsgewinnung
261
zu Beginn des Krieges 1702 in die Niederlande reiste.1054 Er traf auch Caillaud und versicherte ihn seiner Unterstützung und (was so nicht zutraf ) der Unterstützung der englischen Regierung.1055 Offenbar hatte Cardonnel, der Caillaud schon vorher gekannt hatte, diesen dem Herzog vorgestellt. Marlborough beauftragte ihn, ihn mit Spionageberichten und Korrespondenzen zu versorgen. M arlborough, so Caillaud, habe ihm den Auftrag gegeben, „luy envoyer la coppie des nos avis ou il sera“.1056 Caillaud wurde sogar zu Marlboroughs Klienten.1057 In der kritischen Situation des Jahres 1702 konnte Caillaud sich Marlboroughs soziales Kapital in gewisser Weise ausleihen und es dazu n utzen, sich die skeptischen Staatssekretäre gewogen zu machen: Dass Marlborough ihn gebeten hatte, ihm seine Berichte ebenfalls zuzusenden und auch, dass er sie schätze, teilte Caillaud den Secretaries wiederholt mit.1058 Aus der Korrespondenz Caillauds mit Cardonnel ist zu ersehen, dass Marlborough sich die Berichte Caillauds oft vorlesen ließ 1059 und dass Cardonnel seinem Glaubensbruder eine gewisse – vielleicht strategische – Herzlichkeit entgegenbrachte.1060 Mit Marlboroughs Unterstützung gelang es Caillaud offenbar wieder, bei der englischen Regierung eine gewisse Monopolstellung als Spionagenetz des Refuge zu erreichen.1061 Im Januar 1703 war die Stellung Caillauds so gefestigt, dass seine Bezahlung in Zukunft nicht mehr über Wechsel, sondern direkt über den Paymaster der englischen Truppen auf dem Kontinent, Benjamin Sweet, 1054 Vgl. Das, Pierre Jurieu, 381; Veenendaal, Inleiding, XXIX. 1055 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 235. 1056 So Caillaud an Blathwayt, 20. März 1703, in: BL Add. 29323, 32r–v. 1 057 Caillaud versuchte während des Krieges mehrfach, die Patronage Marlboroughs zu nutzen, um seinen Bruder in einem (englischen) Regiment unterzubringen. Vgl. Cardonnel an Caillaud, 24. Juni 1702, in: BL Add. 61394, 34v; Caillaud an Marlborough, in: BL Add. 61284, 3. Mai 1706: 154r–v, 14. Mai 1706, 155r–v. 1058 Vgl. Caillaud an Vernon, 31. März 1702, 7. April 1702 und 13. Juni 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 340 f. u. 344; Caillaud an Nottingham, 6. Juli 1702 und 10. Juli 1702, in: ebd., 343 f. 1 059 Vgl. zum Beispiel: Cardonnel an Caillaud, 4. u. 12. Juli 1702, in: BL Add. 61394, 45v u. 54v; 24. u. 27. Februar 1708, in: BL Add. 61399, 87r u. 92r ; 6. Januar 1709, in: BL Add. 61400, 76v; 8. Juli 1710, in: BL Add. 61401, 66r. 1 060 Vgl. Cardonnel an Caillaud, 6. Januar 1709, in: BL Add. 61400, 76v, wo es heißt, er hoffe, ihn in Rotterdam bald zu sehen und zu umarmen (embrasser). 1061 Allerdings werden Caillaud und Jurieu in der diplomatisch einschlägigen Korrespondenz mit dem Secretary Nottingham (BL Add. 61118) nirgendwo erwähnt – dort spielen andere, strategische Themen eine Rolle, aber es ist doch auffällig, dass der von beiden genutzte Informationsdienst dort an keiner Stelle auftaucht.
262
Strukturen der Informationsgewinnung
abgewickelt wurde. Dies war nicht nur ein Schritt zur besseren Geheimhaltung der Caillaud’schen Dienste,1062 sondern damit wurde das Caillaud’sche Netz faktisch auch zu einem mehr oder minder offiziellen Teil der englischen Truppen auf dem Kontinent – ohne dabei die netzwerkförmige Handelslogik ganz aufzugeben.1063 Formale und informelle Beziehung verbanden sich also miteinander. Teilweise – dies entspricht der bereits bei Jaupain beobachteten Praxis – gab es also aus Gründen des Schutzes von Informanten die Tendenz, ihre Stellung in irgendeiner Weise zu formalisieren, sie also in Dienst- und Amtspflichten einzuspannen. Die Rivalität Caillauds zu anderen bureaux und auch deren weitgehende Überwindung ist deshalb wichtig, weil sie eines der wenigen Beispiele aus dem Spanischen Erbfolgekrieg darstellt, in dem sich eine offene Konkurrenzsituation zwischen zwei ‚Produzenten‘, also Anbietern von Information, beobachten lässt. Die Konkurrenzsituation, die immer auch die gegenseitige Beobachtung der rivali sierenden Produzenten sowie die daraus folgenden Preiskalkulationen umfasst, ist ein konstituierendes Merkmal eines Marktes.1064 Im Fall der Rivalität z wischen Caillaud und anderen bureaux ist also – jedenfalls im Hinblick auf das Moment der Konkurrenz – zeitweise eine Quasi-Marktsituation zu beobachten. Weitere in der Literatur oft genannte Marktcharakteristika wären die Nutzung von Geld (die im Fall Caillauds eine immense Rolle spielt), aber eben auch die Tatsache, dass auf dem Markt ‚ohne Ansehen der Person‘ agiert wird und dieser auch keine sozialen Bindungen stiftet.1065 Diese letzteren Punkte sind im Fall Caillaud ganz offensichtlich nicht zutreffend – Ansätze zur amtsmäßigen Formalisierung, vor allem aber Patronage stehen einer reinen Marktlogik entgegen. Wenn man es also durchaus mit dem kommerziellen Handel von Informationen zu tun hat, dann doch nicht in einer eigentlich marktförmigen Weise.1066 1062 Vgl. Caillaud an Nottingham, 5. Januar 1703, in: Dedieu, Rôle politique, 330. 1063 Daneben belieferte Caillaud als Kaufmann die englischen Offiziere mit Wein (siehe The collection of Autograph Letters, Bd. 2, 69; Caillaud an Blathwayt, 20. November 1703, in: BL Add. 38710, 100r, 119v; Cardonnel an Caillaud, 21. Mai 1708, in: BL Add. 61399, 141v) und arbeitete wenig erfolgreich als Agent des Regiments des Baron Walef, geriet damit allerdings 1708 in finanzielle Schieflage – was sein Drängen auf Bezahlung gegenüber der englischen Regierung zusätzlich plausibel macht. Siehe Letters and Dispatches, Bd. 5, 179. 1064 Vgl. so: White, Markets. 1065 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 382 f. 1066 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 152: „Information was almost like an item of trade in diplomatic circles“; vgl. so auch: Bély, Espions, 59; de Bruin, Geheimhouding, 63; Opitz, Diplomacy, 73; eher als Gabentausch beschreibt diese Mechanismen: Anderson, Rise of Modern Diplomacy, 56.
Informelle Informationsgewinnung
263
Was aber vor allem auffällt, ist der Umstand, dass die Akteure nicht auf einem Markt agieren wollten. Vor allem Jurieu und Caillaud empfanden die offene Marktsitua tion als nachteilig und strebten eine Monopolstellung an, die sie durch persönliche Kontakte zu erlangen hofften. Sie versuchten also, die für Marktsituationen charakteristische Irrelevanz persönlicher Bindungen zu umgehen. Auch die englische Regierung tendierte im Zweifelsfall eher dahin, informelle Netzwerke wenigstens teilweise zu formalisieren, als sie in einer marktförmigen Konkurrenzsituation gegeneinander auszuspielen – und zwar offenbar, weil neben Geld auch durch langjährige Arbeit erworbenes Vertrauen einen wichtigen Grund für die Kooperation darstellte. Die auf diese Vertrauensressource rekurrierende Praxis der Berufung unter anderem auf Marlborough behielt Caillaud auch später bei, um sich bei neuen Staatssekretären einzuführen. Als Sunderland 1706 Secretary wurde, stellte sich Caillaud ihm brieflich vor. Etwas unbestimmt ließ er ihn wissen, dass seine Vorgänger nicht immer eine große Unterstützung gewesen s eien. Auch daher strich Caillaud seine langjährigen Kontakte zu Blathwayt, vor allem aber zu Marlborough und Cardonnel heraus.1067 Auch Henry Boyle erhielt 1710 einen entsprechenden Brief, der ihn darüber aufklärte, dass „milord Sunderland ainsi que milord Duc de Malborough, en ont toujours témoigné être satisfaits“.1068 Ein wichtiger Punkt, der die Korrespondenz mit neuen Secretaries stets eröffnete, war die Forderung, die zu Beginn jedes Vierteljahres zu zahlenden 3000 niederländischen Gulden weiter zu erhalten.1069 Auch Caillaud beklagte immer wieder die mangelnde Zahlungsmoral der Londoner Regierung, die ihm als ein Haupthinder nis seiner Arbeit erschien.1070 Mit einigem Selbstbewusstsein formulierte Jurieu: „Car nos correspondents en France continuent aussi bien que jamais. Il ne s’agit que de les bien payer.“1071 Das entspricht den Beobachtungen zur Vorkriegszeit, 1067 Vgl. Caillaud an Sunderland, Sommer 1706, in: BL Add. 61548, 5r, 7r–v. 1068 Vgl. Caillaud an Boyle, 14. Juli 1710, in: Dedieu, Rôle politique, 353. Diesem Brief geht ein anderer Cardonnels an Caillaud voraus, der diesen an Boyle weiterverweist (bis zu Sunderlands Sturz im Sommer 1710 war dieser Caillauds Hauptansprechpartner gewesen); dieser Brief zeigt wiederum die enge Verbindung zwischen Marlborough/ Cardonnel und Caillaud. Vgl. Cardonnel an Caillaud, 8. Juli 1710, in: BL Add. 61401, 65v–66r. 1069 Vgl. z. B. Jurieu an Nottingham, 27. Mai/4. Juni 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 327; Caillaud an Boyle, 14. Juli 1710, in: ebd., 353. 1070 Vgl. z. B. Caillaud an Blathwayt, 8. Januar 1704, in: BL Add. 38711, 4v–5r; Jurieu an Ellis, 2. März 1705, in: BL Add. 28916, 96r; Caillaud an Sunderland, 18. März 1707, in: BL Add. 61548, 15r–v; Caillaud an Sunderland, 1. April 1707, in: BL Add. 61548, 25r; Cardonnel an Caillaud, 19. Dezember 1707, in: BL Add. 61399, 42v. 1071 Jurieu an Sunderland, 1706, in: BL Add. 61548, 1r.
264
Strukturen der Informationsgewinnung
was bedeutet, dass selbst die einigermaßen dramatische Kriegssituation und eine dadurch gesteigerte Notwendigkeit, schnell und sicher an Informationen zu kommen, die Zahlungspraktiken der Regierung kaum veränderten. Mit dem Regierungswechsel von 1710 und vor allem den Friedenspräliminarien mit Frankreich aber passte Caillauds antifranzösische Stoßrichtung der eng lischen Regierung immer weniger, und im September 1712 wurde sein Engagement aufgekündigt.1072 Nach dem Regierungsantritt von Georg I. nahm Caillaud seine Dienste für die neue Whig-Regierung wieder auf (er berichtete jetzt allerdings weniger aus Frankreich als aus den Niederlanden) und erhielt ab 1715 auch seine zwischenzeitlich unterbrochene Pension wieder ausgezahlt.1073 Es sind krisenhafte Momente wie die Aufkündigung von Caillauds Engagement, aber auch Augenblicke alltäglicher Schwierigkeiten, in denen deutlicher als sonst über die Funktionsweise, den Nutzen und die praktischen Probleme des in Frankreich operierenden Spionagenetzwerks reflektiert wird. Der Under-Secretary Lewis, der Caillaud 1712 aus englischen Diensten entließ, hatte diesem offenbar vorgeworfen, seine Spionage sei insgesamt nutzlos gewesen – ein Vorwurf, den Caillaud nicht auf sich sitzen ließ. Er selbst habe bei diesem Spionagegeschäft Familienmitglieder und Freunde verloren; die Vorgängerregierungen s eien immer zufrieden gewesen; die Spionageberichte schließlich hätten die englische Regierung „avec la dernière exactitude“ über alles informiert, „ce qui se passait dans tous les ports de mer de France“.1074 Und wenn die gegenwärtige Londoner Regierung Caillauds Newsletters nutzlos finde – könne das vielleicht daran liegen, dass sie keine spezifischen Wünsche geäußert habe, worüber sie informiert werden wolle? „Autrefois, Messeigneurs les Secrétaires d’etat me faisaient donner des ordres de temps en temps, sur ce qu’ils voulaient savoir. On les a suivis et ils en ont été contents.“1075 In der Tat bat Caillaud die Secretaries von Zeit zu Zeit – gerade in Briefen zum Amtsantritt der Staatssekretäre – um Instruktionen oder spezielle Informa tionswünsche, betonte also den kommerziellen Dienstleistungscharakter seiner Spionage: „Sy votre grandeur desire estre informée de quelque chose de particulier 1072 Vgl. Caillaud an den Under-Secretary Lewis, 13. September 1712, in: Dedieu, Rôle politique, 354. 1073 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 357 f. Jahre später, im August 1721, bat Caillaud Sunderland noch einmal darum, seine Pension von 200 Pfund auch weiterhin zu erhalten, weil er immer sein „attachement inviolable pour la cause commune“ gezeigt habe; siehe BL Add. 61548, 70r–71r. 1074 Vgl. Caillaud an den Under-Secretary Lewis, 13. September 1712, in: Dedieu, Rôle politique, 355. 1075 Ebd.
Informelle Informationsgewinnung
265
de France ou d’ailleurs, vous n’auras que donner vos ordres, nous les suiverons et les fairons Executer autant qu’il nous sera possible.“1076 Dagegen ist relativ selten zu beobachten, dass englische Regierungsmitglieder Caillaud direkt um spezi fische Informationen baten. Als Beispiel wäre aber zu nennen, dass Cardonnel im Herbst 1708 für Marlborough bei Caillaud nachfragte, wie die Niederlage von Oudenaarde in Versailles aufgenommen worden sei.1077 Ebenfalls relativ selten findet sich in der Korrespondenz offene Kritik an Caillauds Berichten. Wenn etwas kritisiert wurde, dann die Trockenheit der Berichte, aber auch, dass diese bereits veraltet seien.1078 Diese Kritik konterte Caillaud in der Regel erstens mit dem unspezifischen Hinweis auf sein persönliches Engagement und die Tatsache, dass er selbst Familienmitglieder und Freunde verloren habe,1079 verwendete also ein eher emotionalisierendes Argument. Politisch immunisierte er sich gegen Kritik, indem er immer wieder auf die ‚gemeinsame Sache‘, die cause commune hinwies – ein Begriff, der selbstverständlich Verschiedenes meinen konnte.1080 Vor allem aber führte Caillaud seinen Kritikern unter den Secretaries of State immer wieder die immensen Schwierigkeiten seines Unternehmens vor Augen. Seine Erklärungen zeigen, dass Spionage eine teure, schwierig zu organisierende und gefährliche Arbeit war. Dies betraf das Problem der Postinfrastruktur (denn auch der Caillaud’sche Dienst litt natürlich unter dem erschwerten und zeitweise verbotenen Posttransport zwischen den Niederlanden und Frankreich).1081 Dazu trat die Gefahr der Interzeption der Briefe 1082 und der Aufdeckung der Spione.1083 1076 Caillaud an Sunderland, Sommer 1706, in: BL Add. 61548, 8r; siehe auch Jurieu an Manchester, 2./12. Mai 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 326; Caillaud an Nottingham, 5. Januar 1703, in: ebd., 330. 1077 Vgl. Cardonnel an Caillaud, 18. Juli 1708, in: BL Add. 61399, 208v. 1078 Vgl. Caillaud an einen Secretary of state (Hedges?), 12. März 1706, in: Dedieu, Rôle politique, 351. 1079 Vgl. ebd. 1080 Vgl. Caillaud an Sunderland, Sommer 1706, in: BL Add. 61548, 7v. Wenn Caillaud gegenüber Blathwayt bemerkt, die englische Königin sei „si utile a la cause commune“ (BL Add. 29323, 22r), wird deutlich, dass die cause commune des Krieges für Caillaud primär auf das Schicksal der Hugenotten bezogen blieb. 1081 Siehe Caillaud an Vernon, 15. Juni 1703, in: Dedieu, Rôle politique, 347; Caillaud an Sunderland, 18. März 1707, in: BL Add. 61548, 15v. 1082 Vgl. Caillaud an Sunderland, 10. April 1708, in: BL Add. 61549, wo es um veränderte Postwege und daher längere Zustellungsdauern aufgrund vermuteter feindlicher Interzep tion geht; siehe auch Caillaud an Sunderland, 18. März 1707, in: BL Add. 61548, 15v. 1083 Vgl. Caillaud an einen Secretary of State (Hedges?), 12. März 1706, in: Dedieu, Rôle politique, 351; Caillaud an Sunderland, 1. März 1707, in: BL Add. 61548, 9r–v; Caillaud an Sunderland, 1. März 1708, in: BL Add. 61562, 177r. Caillaud schlug in einem solchen
266
Strukturen der Informationsgewinnung
Einmal beschwerte sich Sunderland offenbar darüber, dass er Caillauds Abschriften der Spionagebriefe nicht lesen konnte – was Caillaud wiederum veranlasste, über sein Unternehmen Auskunft zu geben: Das Problem bestehe darin, dass in Rotter dam so viel abzuschreiben sei, dass nicht immer nur er, Caillaud (dessen Schrift Sunderland gut lesen konnte), die Briefe abschreiben könne.1084 Dazu komme aber, dass seine Korrespondenten in Frankreich oft derart im Geheimen arbeiten müssten, dass ihre Briefe schwer zu lesen und langsam oder unpräzise zu dechiffrieren s eien.1085 Caillaud scheint Korrespondenten überall in Europa gehabt zu haben und konnte immer wieder mit vermischten Nachrichten aus Deutschland, der Schweiz oder gar England aufwarten.1086 Eindeutiger Schwerpunkt aber war Frankreich; dazu kamen die Niederlande und die Verbindungen zwischen Frankreich und den vor allem nördlichen Niederlanden. Um nur wenige Beispiele zu geben: Caillaud wies auf Überläufer im Umkreis des Jakobitenhofes hin 1087 – er hatte also offenbar entweder Korrespondenten in St. Germain oder mindestens Kontakte dorthin. Er organisierte die Überwachung des in Paris lebenden niederländischen Arztes Adriaan Helvetius, der von den Franzosen im Herbst 1705 in den Haag geschickt worden war, um die Möglichkeiten für einen französisch-niederländischen Separatfrieden auszuloten, und sich dort mit niederländischen Politikern traf.1088 Caillaud war der Meinung, die englische Regierung solle „avec fermeté“ mit der niederländischen Regierung reden, um einen möglichen Riss in der Allianz zu vermeiden.1089 Caillaud informierte aber Sunderland auch über geheime Friedensinitiativen der Haager Regierung, die im Frühjahr 1707 einen Unterhändler nach Paris schickte.1090 Fall (vermutlich nicht erfolgreich) vor, die gefangen genommenen Spione gegen noch gefangen zu nehmende französische Spione in England auszutauschen. Vgl. Caillaud an Sunderland, 1. April 1707, in: BL Add. 61548, 22r. 1084 Vgl. Caillaud an Sunderland, 30. August 1707, in: BL Add. 61548, 28r. 1085 Vgl. ebd., 28v: „comme le correspondant est obligé descrire en jnvisibles il ne peut pas y aporter toute l’exactitudes qu’on y pourroit avoir s’il escrivait autrement: et il nous faut de temps pour deschifre toutes leurs lettres.“ Für Hinweise auf Schwierigkeiten von Caillauds Dechiffreur vgl. auch BL Add. 61557, 204v–206r. 1 086 Vgl. Caillaud an Blathwayt, in: BL Add. 29323, passim; Caillaud an Sunderland, in: BL Add. 61548, 41v. 1087 Vgl. Caillaud an Marlborough, 19. April 1706, in: BL Add. 61264, 99r–v. 1088 Vgl. Caillaud an Marlborough, 14. Oktober 1705 u. 12. Januar 1705/06, in: BL Add. 61264, 89r–924r. Siehe auch zu Helvetius‘ geheimen Berichten nach Frankreich: van der Bijl, De franse politieke agent. 1089 Caillaud an Marlborough, 14. Oktober 1705, in: BL Add. 61264, 92r. 1090 Vgl. Caillaud an Sunderland, 18. März 1707, in: BL Add. 61548, 15v–16r; 22. März 1707, in: ebd., 17v–19v.
Informelle Informationsgewinnung
267
Als es zu größeren multilateralen Verhandlungen kam, lieferte er den Secretaries eine (zu Unrecht eher optimistische) Einschätzung der Gertruydenberger Friedensverhandlungen von 1710,1091 die die Secretaries komplementär zu den Berichten der englischen Teilnehmer, etwa Marlboroughs, lesen konnten. Daniel Defoe hatte in seiner Programmschrift für Harley von 1704 angeregt, für eine bessere Versorgung der englischen Regierung mit Informationen aus Frankreich Spione in Paris, aber auch in den Hafenstädten Toulon, Brest und Dünkirchen zu installieren.1092 Er wies auf die offensichtliche Bedeutung von Spionage in Frankreich hin – wusste aber nichts davon, dass in den von ihm genannten Städten und vielen mehr seit anderthalb Jahrzehnten ein ausgedehntes Spionagenetzwerk tätig war, das zwar nicht von den Staatssekretären organisiert, aber doch von ihnen mitfinanziert wurde. Caillaud gelang im großen Stil, was ansonsten nur punktuell möglich war: der englischen Regierung nämlich ein umfassendes, regional differenziertes, militärisch wie politisch relevantes Bild der Situation in Frankreich zu liefern. Damit erschloss er ein Land, das ansonsten wegen der durch die Kriegssituation massiv erschwerten oder gekappten Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten eine Art black box darstellte, über die man nur vage Informationen besaß. Während in Caillauds Briefen manchmal das politische Räsonnement überhandnimmt, verhält es sich in der Regel mit den von ihm mitgeschickten Newsletters seiner Spione anders. Der Korrespondent in Brest etwa beschränkte sich darauf, ein- und ausfahrende Schiffe, bewaffnete und unbewaffnete Schiffe zu registrieren. Dies diente eher routinemäßig dazu, die englische Regierung auf dem Laufenden zu halten.1093 Ähnlich verhielt es sich etwa mit den Korrespondenten in Bordeaux (der eine Zeit lang Rochefort und La Rochelle mit abdeckte)1094, in Cambrai 1095, in La Rochelle 1096, Rochefort 1097, St. Malo 1098 1091 Vgl. Caillaud an den Under-Secretary Hopkins, 7./18. April u. 26. April/6. Mai 1710, in: BL Add. 64928, 123v–124r u. 128r–130v. Siehe auch Caillaud an Sunderland, in: BL Add. 61562, 108v–123v. Auch die Übergänge z wischen geheimen und offenen Friedensverhandlungen hatte Caillaud notiert; siehe Caillaud an Hopkins, 3. Mai 1709, in: BL Add. 61548, 51r–59r. 1092 Vgl. Warner, Unpublished Political Paper, 136. 1093 Vgl. BL Add. 61548, November 1706 – 1709, 104r–187v. Bei Gefahr begab sich der Korres pondent nach Quimper und berichtete von dort aus; siehe Brief vom 13. Februar 1708, in: BL Add. 61548, 162r. 1094 Vgl. BL Add. 61548, 72r–103v. 1095 Vgl. BL Add. 61548, 188r–202v. 1096 Vgl. BL Add. 61551, 1r–102v. 1097 Vgl. BL Add. 61561, 9r–44v. 1098 Vgl. BL Add. 61561, 45r–54v.
268
Strukturen der Informationsgewinnung
und Toulon 1099, die zeitweise alle mehrfach im Monat (meist wöchentlich) an Caillaud schrieben. Nicht zu Unrecht brüstete sich Caillaud: „Quand au correspondance des ports de la Mer elles sont sur un pied si solides que j’ose bien assurer que l’on auroit bien de la peine a en soutenir de semblable, et qu’il est plus difficile qu’on ne pense d’avoir de telles habitudes en France, car malgre toutes les diffi cultes nous avons toujours este informé en temps de ce qui ce fait dans les ports.“1100
Auch in Dünkirchen hatte Caillaud einen Spion platziert. Dieser Hafen sollte im Vorfeld des jakobitischen Invasionsversuchs von 1708 zum Hauptobjekt der alliierten Spionage werden. Auch Macky und Jaupain – dies ist bereits dargestellt worden – hatten Spione dorthin gesandt. Doch auch wegen der Nähe zum Kriegsgebiet war die Frequenz der Dünkirchener Spionageberichte noch höher als bei anderen französischen Kriegshäfen. Der Korrespondent schrieb wöchentlich, und daher ergibt sich gerade für die Jahre 1707 und 1708 eine sehr hohe Dichte an Spionageberichten, die allerdings gerade für 1707 kaum mehr als Hafenbeobachtung darstellen und etwa Listen von Schiffen und deren Bewaffnung enthalten.1101 Militärisch relevant wurden die Berichte aus Dünkirchen allerdings im Frühjahr 1708 im Kontext des jakobitischen Invasionsversuchs. Caillaud schickte offenbar noch mindestens einen weiteren Spion dorthin, wies aber seine Briefpartner auch darauf hin, wie gefährlich für seine Spione die Situation dort gerade in diesem Zeitraum war: „La Correspondance de ce Lieu est a present difficile, on a arresté et visité plusieurs Lettres, Les amis n’oseroient escrire en droiture.“1102 Auch an anderen Orten als in den französischen Hafenstädten, und dies macht Caillauds Spionagedienst noch eindrucksvoller, waren seine Spione und Korrespondenten am Werk: Sie lieferten kleinteilige Kriegsberichterstattung vom südniederländischen Kriegsschauplatz (die weniger für Marlborough als für die Secretaries in London von Interesse gewesen sein dürfte) und aus dem südniederländisch-französischen Grenzgebiet. Komplementär zu Jaupain (mit dem es punktuell eine Zusammenarbeit gegeben haben muss: Caillauds Berichte wurden zuweilen von Jaupain weitergeschickt) und dessen Spion in Mons unterhielt auch Caillaud Berichterstatter im Umkreis Max Emanuels und der franzö sischen Armee.1103 1099 Vgl. BL Add. 61561, 57r–68v. 1100 Caillaud an Sunderland, 30. August 1707, in: BL Add. 61548, 29r–v. 1101 Vgl. BL Add. 61549. 1102 Caillaud an Sunderland, 1. März 1708, in: BL Add. 61562, 177r. 1103 Vgl. z. B. BL Add. 61561, 105r–179v; 196 – 201 und passim.
Informelle Informationsgewinnung
269
Dem Korrespondenten Caillauds in Brüssel gelang es im Mai 1708 offenbar, seinerseits einen homme zu rekrutieren, der ins französische Lager geschickt wurde.1104 Dieser berichtete über den Zustand der französischen Truppen und traf öfter heimlich mit Cardonnel und Cadogan zusammen, was wiederum auf die Zusammenarbeit Caillauds mit Marlborough hindeutet.1105 Caillauds Korrespondent spricht sogar explizit von „ses services a Mylord Duc, & a Mr Cadogan“.1106 Diese Dienste bestanden auch darin, französische Spione in der alliierten Armee aufzudecken.1107 Dieser und möglicherweise weitere Korrespondenten sandten (vor allem im Spätsommer 1709) eine große Zahl von Berichten, die direkt aus dem französischen Feldlager stammten.1108 Öfter wurden auch hier (listenartige) Beschreibungen französischer Garnisonen mitgeschickt.1109 Allenthalben wird in den Berichten die angespannte Lage innerhalb der französischen Armee deutlich, aber auch, wie gefährlich es gewesen sein muss, dort zu spionieren.1110 Für Marlborough könnten hier unter anderem die Hinweise auf die zerstrittene französische Generalität von Interesse gewesen sein.1111 Quantitativ wichtiger als die Kriegsberichterstattung aus den südlichen Niederlanden aber waren andere Spionageberichte. Caillaud besaß nämlich nicht nur in den französischen Hafenstädten, sondern weit darüber hinaus geheime Korrespondenten. Allein die geographische Streuung der vor allem ab 1707 von Caillaud an Sunderland und Marlborough gesandten Newsletters ist beeindruckend. Caillaud sandte Berichte aus Münster, Berlin, Hannover, Stuttgart, aus Ungarn, Genua, Livorno, Neapel, Rom, San Remo, Turin, aus Warschau, Lissabon, Bern 1104 Vgl. Brief an Caillaud, 24. Mai 1708, in: BL Add. 61562, 38r. 1105 Vgl. Brief vom 2. Juli 1708, in: BL Add. 61562, 48r: „notre homme a resté cinq jours a l’armée de France, il arriva hyer au soir, et on a depesche un Courrier a Mr.s Cadogan et Cardonnel aussy tôt pour leur faire scavoir ce que cet homme raporte“; am 9. Juli wird sogar berichtet, der „homme“ sei durch den Wald geschlichen, um Cardonnel persönlich einen Bericht zu erstatten: ebd., 50v. 1106 Brief vom 26. Juli 1708, in: BL Add. 61562, 62r. 1107 Vgl. Brief vom 27. September, in: BL Add. 61562, 84r. 1108 Vgl. BL Add. 61552, 139r–176v; siehe auch BL Add. 61550. In Maubeuge arbeitete im Jahr 1709 eine Person aus dem Gefolge des französischen Marschalls Villars für C aillaud, die man hatte bestechen können. Siehe Brief aus Maubeuge, 25. September 1709, ebd., 208r u. 211v. 1109 Vgl. BL Add. 61561, 96r–v; 101r; 120r (alle 1709). 1110 Vgl. Brief an Caillaud aus Quesnoy, 14. November 1709, in: BL Add. 61561, 3r: „Vous ne sauriez croire, combien le danger est grand en voyageant en ces quartiers ici l’on trouve toujours des personnes egorgées, et d’autres depouillées.“ 1111 Vgl. 9. Dezember 1708, in: BL Add. 61548, 188r.
270
Strukturen der Informationsgewinnung
oder Neuchâtel.1112 Noch wichtiger als diese meist vereinzelten Newsletters, die Caillaud eher gekauft als selbst organisiert haben dürfte, waren die Berichte seiner eigenen Spione aus Lyon 1113, Marseille 1114 und, allerdings unregelmäßig, vielen anderen Städten.1115 Für die Transmission französischer Newsletters und Spionagekorrespondenz wurde, soweit sich dies erschließen lässt, um 1709 Genf als Knotenpunkt immer wichtiger. Es scheint, als habe Caillaud seine Berichterstatter angewiesen, aus Sicherheitsgründen ihre Berichte nach Genf zu s chicken, von wo sie gesammelt weitergesandt wurden. Offenbar hatte Caillaud auch dort einen Verbindungsmann, der seinerseits selbst Korrespondenten in Frankreich unterhielt, deren Briefe er an Caillaud weiterverkaufte. Jedenfalls unterstützte M arlborough Caillaud bei seinem Vorstoß, von Sunderland für den anonymen Genfer Korrespondenten zusätzliche Mittel zu erhalten.1116 Aus den über Genf weitergesandten Newsletters aus Frankreich muss die englische Regierung vor allem einen Eindruck gewonnen haben: den Eindruck nämlich vom spätestens 1709 manifesten finanziellen und ökonomischen Elend der französischen Armee und Frankreichs generell.1117 Dies ist nun auch das Thema, das die Berichte von Caillauds vielleicht spektakulärstem Spion durchzieht. Schon 1702 pries Jurieu dem Secretary of State Manchester den aktuellen Korrespondenten in Paris an. Auch wenn er etwas zu viel räsoniere und sich nicht auf Fakteninformationen beschränke, sei er doch der beste Berichterstatter, den das Jurieu-Caillaud’sche Unternehmen jemals in Paris gehabt habe. Er habe Kontakte an den Hof und in die Regierung,1118 es sei unmöglich, einen besseren Spion zu finden – außer es würde gelingen, jemanden direkt im Conseil du Roi zu platzieren: „C’est un homme qui est d’une famille considérable, qui a de bonnes habitudes chez les ministres et ailleurs, qui écrit bien, bon politique, qui entend parfaitement bien les intérêts des princes, qui nous a envoyé plusieurs dissertations politiques qui lui font beaucoup
1112 Vgl. BL Add. 61566, passim. 1113 Vgl. BL Add. 61551, 103r–116v; BL Add. 61564, 176v. 1114 Vgl. BL Add. 61551, 117r–206v; BL Add. 61563, 3r. 1115 Vgl. BL Add. 61564, passim. 1116 Vgl. Caillaud an Sunderland, 23. Juli 1709, in: BL Add. 61564, 175r. 1117 Vgl. etwa BL Add. 61564, 92r–99v, 164r–172r; BL Add. 61563, 155r–159r (alle 1709); siehe aber auch schon den Bericht des Genfer Bürgers Jacob Grenus von 1707, den Caillaud Sunderland schickte: BL Add. 61548, 11r–13v. 1118 Vgl. Jurieu an Manchester, 2./12. Mai 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 326.
Informelle Informationsgewinnung
271
d‘honneur. C’est un bon protestant, plein de zèle pour la bonne cause. Il sérait très difficile de trouver dans un autre sujet tant de bonnes qualités.“1119
Es ist nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht beweisbar, dass es sich bei d iesem Spion um denselben handelt, den auch Caillaud fünf Jahre s päter gegenüber Sunderland lobt: Der Berichterstatter „nous donne des nouvelles de la Cour de St Germain, de celle de Versailles, et de la Mer“. Auch er wird dadurch charakterisiert, dass er gerne ausführlich seine eigenen Einschätzungen darlege.1120 Jedenfalls sind in den Sunderland Papers etwa 400 Berichte eines anonymen Informanten enthalten, die von 1706 bis 1710 (also bis zu Sunderlands Entlassung) reichen.1121 Seine Identität ist schon deshalb letztgültig nicht festzustellen, weil die Berichte, jedenfalls in der mir vorliegenden Version (weitere Abschriften mögen anderswo liegen), von Caillaud und mindestens zwei seiner Schreiber kopiert wurden. Klar ist aber: „The writer must have been a man of position and intelligence, and his contacts were wide and various.“1122 Am wahrscheinlichsten ist, dass es sich bei dem Spion um den für Hessen-Kassel, Hannover und Preußen arbeitenden Agenten Daniel de Martine handelt, der sich einen lukrativen Nebenverdienst versprach. 1123 Martine, der nach dem Krieg Resident für Hessen-Kassel in Paris wurde,1124 hatte sich bereits 1702 an den englischen Staatssekretär Manchester gewandt, um mit diesem eine geheime Korrespondenz anzuknüpfen.1125 Insofern ist es gut mög lich, dass es sich bei dem Korrespondenten, den Jurieu im Jahr 1702 so pries, und 1119 Vgl. Jurieu an einen der Secretaries of State, 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 342. 1120 Caillaud an Sunderland, 30. August 1707, in: BL Add. 61548, 29r. 1121 Dies spricht neben anderem für die Weiterleitung der Berichte via Caillaud in Rotter dam an Sunderland (in dessen Nachlass die Berichte erhalten sind) in London und ggf. parallel oder zeitlich versetzt an Marlborough. In der Literatur wird ohne Begründung (aber vermutlich, um die Vorstellung eines eigenständigen Marlborough’schen ‚Geheimdienstes‘ zu belegen) vermutet, die Berichte s eien erst an Marlborough, dann an Sunderland geschickt worden (vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 2, 549) oder gar, dass Marlborough die Berichte von Robethon aus Hannover (statt von Caillaud aus Rotterdam) erhielt – was angesichts der Identifikation als hannoverscher Gesandter Martine nicht abwegig ist (siehe Chance, John de Robethon, 57), aber dennoch nicht zutrifft; siehe so: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 993, Anm. 1. 1122 Churchill, Marlborough, Bd. 2, 549. Spekulationen über seine Identität bei: Dedieu, Rôle politique, 232 f.; Falkner, Marlborough’s Wars, 15; Piekalkiewicz, Weltgeschichte, 159. 1 123 Vgl. für diese Interpretation: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 993, Anm. 1; Rule, Gathering Intelligence, 738. 1124 Vgl. Schmidt, Die deutschen diplomatischen Vertreter, 32; weitere biographische Hinweise bei Externbrink, Carnaval, 264, Anm. 18. 1125 Vgl. HMC Manchester, 14.
272
Strukturen der Informationsgewinnung
ebenfalls bei demjenigen, den Caillaud 1707 lobte, um Martine handelt. Zwar war Martine allgemeiner als Informant der Reichsstände tätig, die im Krieg gegen Frankreich standen 1126 und daher mit Sicherheit kein exklusiver Korrespondent Caillauds. Doch mindestens Teile der Berichte in Sunderlands Nachlass sind persönlich an Caillaud gerichtet, stellen also keine semi-öffentlichen Newsletters dar. Gelegentlich wird jedenfalls deutlich, dass „Martine“ an Caillaud und nur an ihn schreibt: „On m’a rendu votre lettre, et je tascheray toujours a m’acquitter le mieux que je pourray de vos commissions, et à vous mander fidellement toutes choses.“1127 Natürlich ist es dennoch möglich, dass Teile von „Martines“ Berichten Serienbriefe darstellten. Die „Martine“-Berichte aus Versailles und Paris bieten, als Ganzes gelesen, eine interessante geheime Chronik von Hof und Regierung Frankreichs in den Jahren 1706 bis 1710 – geschrieben von einem nahen Beobachter mit guten Kontakten, der oft mehrmals pro Woche Berichte schickte. Winston Churchill vergleicht sie sogar mit Saint-Simon.1128 Hier kann es nur um die groben inhaltlichen Konturen dieses äußerst umfangreichen Quellenkorpus sowie um die Frage gehen, was sie über die Struktur von Caillauds Spionageunternehmen aussagen. Es wäre allerdings im Hinblick auf französische Innen- und Außenpolitik, aber auch die Funktionsweise des Versailler Hofes interessant, sie eingehender auszuwerten, als dies hier geschehen kann. Es würde sich daraus vermutlich ein relativ geschlossener Stimmungs- und Lagebericht aus Paris und Versailles in der zweiten Hälfte der 1700er Jahre ergeben.1129 „Martine“ traf sich mit Mitarbeitern von Ministern, berichtete sogar – wenn auch wohl aus zweiter Hand – aus dem Conseil secret, ging zum Lever du Roi 1130, war bei hohen Adligen oder Offizieren zu Gast, verschaffte sich Zugang zu Briefen, berichtete über Hofklatsch, Intrigen, politische Pläne.1131 Er legte Newsletters aus Spanien oder Frankreich bei;1132 schickte Pamphlete und gedruckte Gedichte mit, die über die öffentliche Meinung in Frankreich informierten 1133 1126 Externbrink, Carnaval, 265. 1127 Siehe etwa den Brief vom 18. Mai 1708, in: BL Add. 61156, 146r. 1128 Vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 2, 549. 1129 Vgl. BL Add. 61553 – 61560. Snyder schreibt zu Recht über „Martines“ Berichte: „They have been almost totally ignored, but undeservedly so“ (Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 993, Anm. 1). 1130 Siehe Brief vom 30. Dezember 1709, in: BL Add. 61559, 192r. 1131 Vgl. BL Add. 61553, passim; siehe auch BL Add. 61555, 107r, 113r, 177r. 1132 Vgl. z. B. BL Add. 61555, 28r u. 143r; BL Add. 61558, 219r–220r; BL Add. 61159, 95r–98v; 139v. 1133 Vgl. BL Add. 61554, 102r–v; BL Add. 61556, 123r–123v; BL Add. 61558, 93r–v; BL Add. 61559, 165r–166v.
Informelle Informationsgewinnung
273
oder sandte gedruckte oder abgeschriebene militärische und politische Anweisungen Ludwigs XIV.1134 Vor allem aber schrieb „Martine“ selbst, fragte auch bei Caillaud nach, welche Art von Informationen dieser wünsche 1135 – und räsonierte über die Lage Frankreichs und den Krieg im Allgemeinen. Die englische Regierung und Marlborough müssen aus diesen Berichten neben vielen Details auch erfahren haben, wie in Frankreich über bestimmte Kriegsereignisse, Niederlagen wie Siege, gedacht wurde – und offenbar war dies genau das, was Caillaud seinem Korrespondenten auftrug: „Vous me demandés ce qu’on pense icy de l’expedition de Toulon, il est certain comme je vous l’ay dejà dit, qu’on attribue au Duc de Savoye le manque de succes.“1136 „Martine“ informierte die englische Regierung darüber, wenn militärische Niederlagen Frankreichs in Spanien vor der französischen Öffentlichkeit geheim gehalten wurden;1137 schrieb über die desolate französische Finanzlage;1138 gab Caillaud auf Nachfrage Auskunft zu französischen Agenten, die scheinbar für England spionierten.1139 Im Frühjahr 1708 stand, wie auch in der übrigen Spionagekorrespondenz der englischen Regierung, die versuchte jakobitische Invasion von Dünkirchen aus im Fokus der Berichte „Martines“.1140 Da dieser weit vom Geschehen entfernt war und Caillaud auch selbst Spione in Dünkirchen unterhielt, konnte die Bedeutung von „Martines“ Berichten nicht im Faktischen liegen. Stattdessen musste und sollte er sich auf eine Beobachtungsebene zweiter Ordnung konzentrieren und über Wahrnehmungen und Deutungen in Paris berichten. „Martine“ war offenbar bewusst, dass es seinen Briefpartnern nicht nur um Fakten, sondern auch um politische Stimmungslagen ging. So schrieb er im August 1708, Caillaud wisse
1134 Vgl. BL Add. 61554, 112r; BL Add. 61555, 5r–8r; 50r; 87r–88v; 111r–112v; 181r–181v. 1135 Vgl. Brief vom 21. Mai, in: BL Add. 61556, 150v: „On me fait un tres grand plaisir de me faire des questions sur ce qu’on desire scavoir cela me donne lieu de m’informer des choses, et a remplir mon devoir, autant qu’il est possible.“ 1136 Brief vom 12. September 1707, in: BL Add. 61554, 113r. 1137 Vgl. Brief vom 17. Januar 1707, in: BL Add. 61553, 36r. 1 138 Vgl. Brief vom 16. September 1707, in: BL Add. 61553, 121r, wo es sogar heißt: „Je vous ay promis par ma derniere de m’etendre un peu sur le chapitre de nos finances“. Generell spricht „Martine“ von „nos“, wenn er Frankreich meint, und den „ennemis“, wenn er die Alliierten meint; dies ist aber mehr eine neutrale Positionsbestimmung als eine (affektive) Loyalitätsbekundung. Siehe z. B. Brief vom 10. Oktober 1707, in: BL Add. 61554, 184r. 1139 In den Kontext der William-Gregg-Affäre aus dem Frühjahr 1708 (siehe oben, Kapitel 3.3.1) gehört wohl der Brief „Martines“ vom 17. Februar 1708, in: BL Add. 61556, 21r. 1140 Vgl. BL Add. 61556, passim.
274
Strukturen der Informationsgewinnung
genauso gut oder besser als er, was in Flandern vor sich gehe – „mais je ne laisseray pas, de vous mander ce que nous en aprenons icy“.1141 In den Jahren 1709 und 1710 legen „Martines“ Berichte vor allem Zeugnis darüber ab, wie katastrophal die französische Lage und wie stark die Friedenssehnsucht der französischen Regierung, aber auch der Bevölkerung war. Es sei zweifelhaft, schreibt „Martine“ zu Beginn des Jahres 1709, ob der kommende Feldzug überhaupt bezahlt werden könne – schon deshalb wolle man Frieden und müsse ihn wollen.1142 Auf explizite Nachfrage Caillauds bestätigte „Martine“ diese Angaben noch einmal. Er übertreibe nicht: Der Zusammenbruch Frankreichs stehe kurz bevor.1143 Friedensgerüchte schwirrten in Versailles umher; „Martine“ war sicher, dass der König die Unterstützung für Philipp V. nicht mehr lange würde aufrechterhalten können: „on sera obligé icy d’abandonner les Interest du Roy Philippe.“1144 In Übereinstimmung mit den Berichten anderer Spione Caillauds ist gerade Anfang 1709 auch sehr viel von der extremen, ja lebensbedrohlichen Kälte die Rede.1145 Der Winter 1708/09 war so hart (und Frankreich hatte ihm noch weniger entgegenzusetzen als die anderen Krieg führenden Länder), dass er durchaus in direktem Zusammenhang mit den 1709 aufgenommenen Friedensverhandlungen im Haag steht.1146 Andere Korrespondenten Caillauds berichteten seitenlang von der Teuerung und vom Zusammenbruch des Handels. Es sei so kalt, dass der Wein erfriere.1147 Ein anderer Autor schreibt: „Tout est icy dans une misere Extreme, point d’argt point de bleds, les officiers point payes, qui y meurent de faim, et de Misere.“1148 „Martine“ vermerkt, dass wegen der großen Kälte seine 1141 Brief vom 31. August 1708, in: BL Add. 61557, 69r. 1142 Vgl. Briefe vom 11. u. 15. Februar 1709, in: BL Add. 61558, 35r, 75r, 83r. Vgl. Rowlands, Keep Right. 1143 Vgl. Brief vom 26. April 1709, in: BL Add. 61158, 128. Siehe ähnlich auch die Antwort auf eine Nachfrage Caillauds zum ökonomischen Zustand Frankreichs, 13. Dezember 1709, in: BL Add. 61559, 167r. 1144 Brief vom 9. April 1709, in: BL Add. 61158, 134. 1145 Die im Folgenden zitierten Kälteschilderungen scheinen relativ gebräuchlichen Topoi der Kältebeschreibung zu folgen; siehe erste Hinweise dazu bei: Landsteiner, Bäuer liche Meteorologie, v. a. 61. Diese Topoi dürften der sozialen und klimatischen Realität nicht exakt entsprochen, sondern stattdessen als bekannte kommunikative Chiffren fungiert haben. Siehe zum Toposproblem: Bornscheuer, Topik, 91 – 108. 1146 Vgl. Goubert, Louis XIV, 304 f.; zum „Extremwinter 1708/09“ siehe auch Mauelshagen, Klimageschichte, 70 f. 1147 Vgl. BL Add. 61548, 12. u. 29. Januar 1709, 73r–74v. 1148 BL Add. 61548, 7. März 1709, 184r.
Informelle Informationsgewinnung
275
Tinte immer wieder einfriere,1149 malt Bilder von Hunger und Skorbut und schließt: „Depuis la Creation du monde on n’a point veu un tems si dur.“1150 Insofern ist es kein Wunder, dass das letzte Jahr seiner Berichte (vom Sommer 1709 bis zum Sommer 1710) vom Thema Frieden beherrscht wird – vom Wunsch danach, von der Sicherheit, dass ein separater Friedensschluss mit den Niederlanden oder ein allgemeiner Frieden kurz bevorstehe, von den Zweifeln daran, ob und wann es dazu komme.1151 Auch wenn noch nicht sicher sei, wie der König mit dem jakobitischen Exilhof verfahren werde – eines sei sicher, so „Martine“ im F ebruar 1710: „Il est donc certain que nous sommes forcez à faire la paix, faute de pouvoir soutenir la Guerre.“1152 In der Forschung wird darüber gerätselt, warum die Alliierten im Jahre 1709 Frankreich so harte Friedensbedingungen stellten, dass es schließlich zu einem für die Alliierten überraschenden Abbruch der Gespräche kam.1153 Dies war im Zusammenhang mit Jaupain bereits angesprochen worden; für Caillaud stellt sich dieselbe Frage, und auch die Antwort ist ähnlich. Warum also riskierten die Alliierten eine Demütigung des Sonnenkönigs, indem sie ihn dazu zwingen wollten, bei der Vertreibung Philipps V. aus Spanien mitzuwirken? Hier kann der Leser der aus Frankreich stammenden und von Caillaud übermittelten Berichte mutmaßen, dass die über Monate eingehenden Schilderungen über den extrem kalten Winter, die Missernten, die Inflation bei den alliierten Verhandlungsführern ein übertriebenes Bild davon erzeugt haben, wie stark die Franzosen auf Frieden angewiesen seien. Ohne dass dies beweisbar wäre, ist es doch plausibel anzunehmen, dass Caillauds Berichte für die alliierten und vor allem die englischen Politiker die Referenzgröße waren, wenn es um allgemeine politische Stimmungsberichte aus Frankreich ging. Caillaud war mit seinem kommerziellen Spionageunternehmen auch in dieser Hinsicht ein durchaus einflussreicher Akteur des Spanischen Erbfolgekrieges: Caillauds Spionagenetz diente dazu, den Krieg so zu führen, wie er geführt wurde.1154 1149 Brief vom 11. Januar 1709, in: BL Add. 61558, 15r. 1150 Brief vom 5. Mai 1709, in: BL Add. 61558, 144r. 1151 Vgl. etwa BL Add. 61559, 5. August 1709 (43r); 26. August 1709 (67r); 26. November 1709 (139r); BL Add. 61560, 20. Januar 1710 (25r); 28. Februar 1710 (68r); 21. April 1710 (135r). 1152 Brief vom 28. Februar 1710, in: BL Add. 61560, 68r. 1153 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance, 207; Reese, Ringen um Frieden, 235; Rule, France, 97; Schmidt-Rösler, Prälimarfriedensverträge. 1154 Auch gegenüber Heinsius vertrat Caillaud die Position, Frankreich werde den Krieg nicht mehr länger weiterführen können: Caillaud an Heinsius, 25. November 1709, in: De briefwisseling van Anthonie Heinsius, Bd. 9, 455. Aus Marlboroughs Briefwechsel
276
Strukturen der Informationsgewinnung
Es bildete, weil sein Spionagedienst so groß, seine Informationen über Frankreich so umfassend und seine Beziehungen zur englischen Regierung so dauerhaft waren, ein „strong tie“ innerhalb von Marlboroughs Informationsnetzwerken. „Strong ties“ aber, so die Netzwerkforschung, sind zwar innerhalb eines Netzwerkes leichter zu organisieren als „weak ties“, sind in ihrer Informationsreichweite auch eingeschränkter. Sie reproduzieren eher als die schwachen Informationskontakte, die ein Akteur besitzt, bereits vorhandenes Wissen. Überraschende, neue Informa tionen werden nicht selten gerade von „weak ties“ geliefert.1155 Caillaud als starke, stabile Verbindung besaß in gewisser Weise ein Monopol darauf, wie Marlborough die aktuelle Lage Frankreichs einschätzte. Daher dienten Caillauds Aktivitäten auch dazu, den Krieg zu verlängern – ohne dass dies beabsichtigt gewesen wäre. Diese Deutung führt jedoch bereits weit über die Frage nach der Struktur von Caillauds Informationsunternehmen und dessen Arbeit für Marlborough und die englische Regierung hinaus. Sie verweist voraus auf die Frage nach den Funktionen und Funktionalisierungen der gewonnenen Informationen, die s päter eingehend behandelt werden soll. Hier war vor allem zu zeigen, wie Caillaud als informeller Akteur der Informationsgewinnung agierte, wie stark seine Spionageaktivitäten handelsförmig organisiert waren und wie er mit Marlborough und der englischen Regierung, vor allem Sunderland, zusammenarbeitete. 3.4.4 Wem kann man trauen? Individuelle Spionage als Problem
Nach der Analyse der Netzwerke Jaupains und Caillauds soll es in d iesem letzten Kapitel um individuelle Spione gehen – um Informationsakteure also, bei denen weder Dienst- oder Amtspflichten noch eine Einbindung in eine umfassendere netzwerkartige Struktur erkennbar sind. Denn während etwa Macky im Dienst der englischen Regierung einzelne Spione wie Fonseca dauerhaft an sich band und Caillaud als Organisator und Sprachrohr einer äußerst ausgefeilten kommerziellen Geheimdienststruktur erkennbar wird, findet sich am anderen Ende des Spektrums eine Vielzahl einzelner, offenbar allein handelnder Berichterstatter geht allerdings hervor, dass Heinsius anders als Caillaud und die englische Regierung nicht vom kurz bevorstehenden Zusammenbruch Frankreichs überzeugt war. Siehe Marlborough an Godolphin, 5./16. April 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1241: Die Niederländer glaubten, „France is not in the bad condition wee think them in“. Insofern war vielleicht bei Caillaud der Wunsch der Vater des Gedankens. 1 155 Vgl. Granovetter, Strength of weak ties.
Informelle Informationsgewinnung
277
und Informanten. Gerade an ihrem Beispiel ist besonders gut zu diskutieren, ob und wie eigentlich in einer unübersichtlichen Situation die Vertrauenswürdigkeit von Informanten sichergestellt wurde. Die Überlieferung (etwa die Nachlässe Marlboroughs und Sunderlands in den Blenheim Papers) konfrontiert den Historiker oft mit einem Halbdunkel, aus dem einzelne Spione oft völlig kontextlos auftauchen, aufgeregt dies und das berichten und wieder verschwinden. Um mit einem Beispiel zu beginnen, das die Arbeit mit diesen Quellen gut charakterisiert: Marlborough berichtete dem Secretary Nottingham im Februar 1704 zweimal von einem gewissen Nerinx, der unter falschem Namen, angeblich aber ohne zu wissen, worum es sich handelte, pseudonyme feindliche Briefe weitergeschickt hatte.1156 An anderer Stelle der Überlieferung taucht Nerinx nicht mehr auf. Marlborough war offenbar unklar, was das sollte und wie man weiter verfahren könne. Dem späteren Historiker geht es nicht ganz anders. Solche anekdotischen Einzelheiten häufen sich in der Korrespondenz Marlboroughs und der Secretaries of State: Man könnte erzählen von franzö sischen Bankiers, die auf Finanzgeschäfte mit der englischen Regierung hofften und als Informationsquelle angezapft wurden oder mindestens werden sollten,1157 von Gerüchten über jüdische Kuriere, die angeblich Marlboroughs Briefe nach England weiterleiteten,1158 von Rotterdamer Druckern, die gedruckte und geschriebene Zeitungen miteinander verglichen und auf dieser Grundlage empfahlen, die Printmedien stärker zu zensieren, um dem Feind nicht allzu viel über die alliierte Strategie zu verraten,1159 von Württemberger Ministern, die Marlborough über angeblich jakobitische Attentatspläne auf die englische Königin informierten,1160 1156 Vgl. Letters and Dispatches, Bd. 1, 225 f., 238. 1157 Marlborough an Sunderland, in: BL Add. 61303, 185r. 1158 Dies wird behauptet in einem Brief des französischen Ministers Torcy an Shrewsbury aus Marlboroughs Exilzeit, der Marlborough irgendwie zugänglich gemacht worden sein muss; dort (BL Add. 61263, 33r), heißt es: „That his correspondent who passes his Letters to England and forwards those that are writ to him, is a Jew att Amsterdam nam‘d Alexander Fayl.“ Bély, Espions, 172, liest fälschlich „Fayt“; er diskutiert die Frage nach jüdischen Spionen und kommt zu der Einschätzung, sie seien eher marginal gewesen; ein Befund, der sich an meinem Material bestätigt. 1159 Vgl. Reynier Leers an Marlborough, 16. Januar 1705, in: BL Add. 61308, 7 – 8. 1160 Vgl. die Briefe des Württemberger Ministers Jacquin de Bethoncourt an Marlborough, 20. Februar 1710, 3. März 1710, 12. Juni 1710, in: BL Add. 61227, 19r–36r; siehe auch die Antworten Marlboroughs, 29. Juni 1710 u. 13. November 1710, in: BL Add. 61401, 58r u. 127v. Ob die englische Regierung diese Hinweise ernst nahm, ist nicht zu ermitteln; in einem Brief des Ambassadeurs Townshend an Marlborough klingt dies zumindest
278
Strukturen der Informationsgewinnung
von Genfer Bürgern, die von brandgefährlichen neu erfundenen französischen Waffen berichteten, diese aber – so stellte sich im Laufe des Briefwechsels h eraus – eigentlich der englischen Regierung verkaufen wollten.1161 Insgesamt also: ein Gestrüpp von Nachrichten. Die Knappheit d ieses Kapitels entspricht damit nicht der Quantität der Überlieferung – die sich aber eben nur narrativ (worum es hier nicht gehen kann), kaum strukturell und analytisch erschließen ließe. Was lässt sich aber über individuelle Spione überhaupt generalisierend sagen, ohne einfach individuelle (und oft dazu meist unvollständige) Geschichten zu erzählen? Laut Lucien Bély gab es für Spione um 1700 drei Hauptmotivationen: Religion, Geld, Liebe.1162 Während Liebe (also etwa durch Liebesbeziehungen initiierte höfische Spionage) in den Quellen, die dieser Studie zugrunde liegen, keine Rolle zu spielen scheint, sind Religion und Geld oft als Antrieb zu erkennen. Welche Funktionen die Spione mit ihrem Tun verbanden und was sie sich davon erhofften, wird in Kapitel 4 noch einmal zur Sprache kommen. Auffällig ist aber, dass viele dieser Informanten kaum ‚im Auftrag‘ der englischen Regierung oder M arlboroughs handelten, sondern eher von Eigeninitiative geleitet waren. Zusätzlich kann man feststellen, dass sie insofern in besonderem Maße als Einzelne handelten, als sie sich – dies wird jedenfalls nicht sichtbar – nicht auf einem Informationsmarkt bewegten und etwa ihr Angebot und dessen Preis nach Beobachtung konkurrierender Anbieter modellierten. Ihnen ging es also um das Verkaufen von Informationen, aber nicht im Rahmen eines Marktes.1163 Viele Spione berichteten auch, anders als zum Beispiel Caillaud, nicht in regelmäßigen Abständen, sondern, so darf man annehmen, auf der Suche nach punktueller finanzieller Unterstützung. Im Bereich der individuellen Spionage tritt an die Stelle von Bélys Trias (Geld – Liebe – Religion) eine leicht veränderte: diejenige von Glauben, Geld und Geltungsdrang – drei Motive, die oft nicht getrennt, sondern in enger Verzahnung auftraten. Über die subjektive Motivseite ist aber fast nichts zu sagen. Ohne also allzu sehr spekulieren zu wollen: Im Bereich der individuellen informellen Spionage ist das Spektrum, das vom ‚Seriösen‘ und ‚Nützlichen‘ zum Obskuren und Skurrilen reicht, besonders groß. nicht so. Vgl. Townshend an Marlborough, 28. Januar 1710, in: BL Add. 61148, 190r. Zu Jacquin siehe auch: Steinemann, Neutralitäts- und Wirtschaftspolitik. 1161 Vgl. die Briefe eines Gallatin an Marlborough, 29. Oktober 1705, in: BL Add. 61308, 212v–214r; siehe auch BL Add. 61309, 6r–8v. 1162 Vgl. Bély, Espions, 52. 1163 Zu diesem Element von Marktförmigkeit siehe White, Markets. Allerdings kann man vermuten, dass die Akteure dennoch abzuschätzen versuchten, was mögliche Konkurrenten für ähnliche Informationen fordern würden – was die Handelsbeziehung wiederum an eine Marktbeziehung annähern würde.
Informelle Informationsgewinnung
279
Weil die individuelle Spionage aber eben nicht nur Obskures lieferte, trifft es vielleicht zu, wenn J. D. Alsop meint: „A large proportion of useful intelligence actually reached the administration by chance opportunity rather than deliberate planning.“1164 In d iesem Fall wären die individuell agierenden Informanten „weak ties“ – schwache Informationsverbindungen, die aber oft besonders nützlich sind, gerade weil sie Informationen liefern können, die anderswo nicht erhältlich sind.1165 Was aus diesen Berichten tatsächlich nützlich war, ist schwer zu beurteilen, weil selten explizit darüber Rechenschaft abgelegt wurde. Zwar ist zu erkennen, dass aus dem Secret Service Fund oder aus anderen Töpfen manchmal Geldsummen für intelligence einzeln agierender Spione gezahlt wurden, aber dies darf man wohl auch nicht überbewerten. In den Aufzeichnungen der Treasury finden sich Eintragungen wie „Samuel Eyres, 200l., in satisfaction for service performed by Capt. Knap, who was employed on board a Swedish ship to go to the ports of West France for intelligence pursuant to a signification of her Majesty’s pleasure by letter from Sir Charles Hedges, Principal secretary of State“1166
oder auch kleine Summen „for foreign Gazettes furnished for the use of the Treasury“1167. Wenn die Zahlung einer Summe allerdings mit der Auflage verbunden wurde, die Regierung nicht weiter um Geld anzugehen,1168 darf man Zweifel haben, für wie nützlich die eingesandten politischen Informationen gehalten wurden – und ob es nicht eher darum ging, lästige Petenten abzufinden. Offenbar war das Feld der Spionage auf der einen Seite ein Anziehungspunkt für Personen, die Geld brauchten. Auf der anderen Seite war für seriöse Informationsgewinnung kaum etwas wichtiger als Geld. Die Aussage eines solchen Spions kann verallgemeinert werden: „my poverty is a great hindrance to any intelligence.“1169 Kommerzielle und politische Interessen verfolgte der Amsterdamer Kaufmann John Drummond, der, offenbar über Handelskontakte, ein großes Informantennetzwerk unterhielt, das er für die englische Regierung nutzte.1170 Er unterhielt 1164 Alsop, British Intelligence, 115. 1165 Vgl. Granovetter, Strength of weak ties. 1166 Calendar of Treasury Books, Bd. 28, Teil 2, 441 (31. Mai 1706). 1167 Ebd., 447, siehe auch: 449, 451, 457. Vgl. auch BL Add. 28080, darin: Payments made out of Her Ma.ts Secret-Service-Moneys since Micha.s 1708. 1168 Vgl. Calendar of Treasury Books, Bd. 28, Teil 2, 460. 1169 John Ogilvie an Harley, 29. April 1706, in: HMC Portland, Bd. 4, 298. 1 170 Vgl. die Hinweise im Brief Drummonds an Horatio Walpole, 20. Oktober 1710, in: BL Add. 38501, 153r.
280
Strukturen der Informationsgewinnung
orrespondenzen nach St. Germain-en-Laye und in die nordfranzösischen HafenK städte.1171 Gerade für Informationen über Häfen, Schiffe und Marineangelegenheiten scheinen Kaufleute eine wichtige Quelle gewesen zu sein.1172 Drummond schrieb regelmäßig Berichte für die Londoner Regierung,1173 war allerdings in der zweiten Hälfte des Krieges stärker noch als für Marlborough für die Secretaries Harley und St. John tätig. Doch auch M arlborough stand in Kontakt mit ihm. Dies sollte in dem Moment eine große Rolle spielen, als z wischen den Rivalen Marlborough und Harley zu vermitteln war. In Marlboroughs Hauptquartier hielt Drummond vor allem Verbindung zu M arlboroughs Deputy Judge Advocate Henry Watkins.1174 Und auch in den Abrechnungen des Deputy Paymaster der Truppen, Benjamin Sweet, wird Drummond erwähnt. Offenbar erhielt er für unspezifizierte Leistungen einige Male Geld von Marlboroughs Sekretär Cardonnel.1175 Man darf vermuten, dass es sich hierbei um intelligence handelte. Drummond war dabei sicher kein individueller Akteur im selben Sinne, wie die disparaten Spione, die sich hin und wieder an die Regierung wandten, individuell agierten – denn er unterhielt selbst ein Spionagenetzwerk. Im Kontext von Marlboroughs Informationsgewinnung ist er dennoch nur am Rande von Interesse, dazu waren seine Informationskontakte zu Marlborough zu punktuell. Neben Caillaud wären andere Akteure des hugenottischen Refuge namhaft zu machen, die aus offenbar religiösem Antrieb, der sich als antifranzösische Tendenz manifestierte, den Alliierten zuarbeiteten – wenn auch in weitaus geringerem Umfang als Caillaud. Ein Beispiel ist der Amsterdamer Buchhändler und Drucker Louis Renard.1176 Dieser vertrieb eine hugenottische Exulantenzeitung und bot, offenbar ebenfalls mit starker religiöser Motivation, M arlborough seine Dienste an.1177 In der Regel kommunizierte er mit Marlboroughs Sekretär Cardonnel und schickte d iesem, vor allem in der zweiten Kriegshälfte, Newsletters weiter, die er durch französische Verbindungen erhalten hatte. Renard,
1171 Vgl. Hatton, John Drummond. 1172 Vgl. Alsop, British Intelligence, 115. 1173 Vgl. die Hinweise im Brief Drummonds an den Under-Secretary Ellis, 20. Januar 1705, in: BL Add. 28916, 190r. 1174 Vgl. HMC Eglinton, 141 – 144. 1175 Vgl. z. B. BL Add. 61406, 91v. 1176 Zu Renard, der später v. a. als Herausgeber illustrierter naturkundlicher Bücher bekannt wurde, siehe auch: Pietsch, Renard, v. a. 60. 1177 Vgl. Renard an Marlborough, 31. April 1702 (?), in: BL Add. 61306, 78r–v; Renard segnet Marlborough am Ende seines Briefes. Siehe zu ihm auch: De briefwisseling van Anthonie Heinsius, Bd. 10, 348, Anm. 2.
Informelle Informationsgewinnung
281
der auch mit Heinsius korrespondierte, hatte offenbar einen Kontaktmann in Versailles und transferierte auch Nachrichten aus Spanien.1178 Einige wenige seiner memoires sind in Marlboroughs Nachlass enthalten oder erwähnt;1179 es gibt auch einige Hinweise auf Geldzahlungen an ihn.1180 Geld und Religion sind hier also kaum als getrennte Motive namhaft zu machen. Doch sind die Hinweise auf Renard so spärlich, seine Newsletters (im Vergleich etwa zu denjenigen Jaupains oder Caillauds) so selten oder so schlecht überliefert, dass es sich kaum rechtfertigen lässt, in ihm einen besonders zentralen Kontaktmann zu sehen, wie dies die Forschung etwas willkürlich getan hat.1181 Einen explizit religiösen, protestantischen Akzent besaßen die Aufstandsbewegungen in Ungarn und in Frankreich. Allerdings finden sich aus dem ungarischen Kontext kaum Informanten – Ungarn war zwar immer wieder Thema der Korrespondenz zum Beispiel Marlboroughs, aber die direkten Korrespondenzpartner waren eher Projektemacher, die auf politische oder finanzielle Unterstützung aus waren, aber weniger Informationen aus den Konfliktgebieten lieferten. Ähnliches gilt für die französischen Protestanten. Gerade Informationen aus dem französischen Süden wurden (anders als etwa aus nordfranzösischen Häfen, vom bayerischen Statthalterhof in den südlichen Niederlanden oder vom schwedischen König) oft über individuelle Initiativen beschafft. Die Hauptinformationsquelle für die südfranzösische Situa tion, die Möglichkeit eines Angriffs vom Mittelmeer aus und die Chancen für einen Angriff auf Toulon (der schließlich, mit gemischtem Erfolg, 1707 stattfand)1182 waren also weniger die Exilhugenotten als die englischen Diplomaten
1 178 Vgl. Buys an Heinsius, 3. Januar 1711, in: De briefwisseling van Anthonie Heinsius, Bd. 11, 474. 1179 Vgl. Godolphin an Marlborough, 22. April 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 526; Godolphin an Marlborough, 28. März 1707, in: ebd., Bd. 2, 741; Cardonnel an Renard, 26. März 1710, in: BL Add. 61400, 505r. 1180 Vgl. Cardonnel an Renard, 8. Juli 1706, in: BL Add. 61398r (50 Pfund); vgl. auch: Calendar of Treasury Books, Bd. 28, Teil 2, 450, 570, 570, 475, 485. Unklar bleiben die Klagen Cardonnels über Renard im Brief an Henry Watkins, 1. November 1709, wo es ebenfalls um Finanzen geht, in: The collection of Autograph Letters, Bd. 2, 78. 1181 Vgl. Snyder, Introduction, XXX ; in unkritischer Fortschreibung: Bély, Espions, 91 und Rule, Gathering Intelligence, 739. Auch dass Renard seine Dienste für die spätere Tory-Regierung fortsetzte, spricht nicht für eine zentrale Rolle in Marlboroughs Informationssystem. Vgl. Cardonnel an Renard, 11. Dezember 1711, in: BL Add. 61402, 164r. 1182 Vgl. Paoletti, Prince Eugene; siehe zum Kontext: Hattendorf, England, 150 – 153.
282
Strukturen der Informationsgewinnung
in Savoyen,1183 Informanten aus der Schweiz 1184 sowie einzelne alliierte Offiziere.1185 Manche der hugenottischen Informanten für französische Belange verbanden eigene, oft waghalsige militärische Projekte mit dem Angebot, der englischen Regierung Informationen zu liefern.1186 In der Forschung hat sich für diese Kategorie von Informanten der Begriff des ‚Abenteurers‘ eingebürgert 1187 – ein Phänomen, das vor allem im literarischen Imaginarium des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle einnahm,1188 aber auch in der Wirklichkeit vorkam. Auch für diese hugenottischen Abenteurer waren Geld und Glaube unauflöslich anein ander gebunden. Wollten sie ihre religiös-politischen Interessen im Süden Frankreichs verfolgen, benötigten sie zuallererst Geld. Die Hauptquelle für Südfrankreich und die protestantischen Aufstandsversuche dort war aber wiederum Caillaud – und damit ein Akteur, der eben nicht individuell und für die englische Regierung ungreifbar agierte.1189 Einer der Agenten, die für ihn arbeiteten, war allerdings auch direkt mit Marlborough verbunden. David Flotard, ein südfranzösischer Flüchtling, war ein Agent des Marquis de Miremont, eines derjenigen hugenottischen Anführer, die sich in Konkurrenz zueinander bei der englischen Regierung lieb Kind zu machen suchten.1190 Diese Projektemacher, Politiker und Informanten waren meist untereinander verfeindet.1191 Flotard ist unter ihnen noch derjenige, der am ehesten Informationen aus erster Hand besaß. Er war 1703 inkognito in die Cevennen gereist (obwohl seine
1183 Vgl. Chetwynd an Marlborough, in: BL Add. 61151. Vgl. auch die Briefe des englischen Konsuls in Venedig, Broughton, an Sunderland, in: BL Add. 61534. 1184 Vgl. die Briefe des Lausanner Bürgers Seignieux an Marlborough, 1706/07, in: BL Add. 61310, 76r, 190r; vgl. auch die Schweizer Newsletters in: BL Add. 61264; sowie Marquis d’Arsellières (der als englischer Diplomat ohne Rang in Genf arbeitete) an Marlborough, in: BL Add. 61145, 12r–13r. 1185 Vgl. z. B. die Briefe des nach Lissabon entsandten niederländischen Generalmajors Montaciel an Marlborough, 1706/07, in: BL Add. 61310, 42r, 164r. 1 186 Vgl. z. B. Du Coudray an Marlborough, 20. Juli 1706, in: BL Add. 61309, 191r–192v; siehe ähnlich auch die Briefe des auf englischen Kriegsschiffen dienenden hugenot tischen Schiffskaplans John Sorsoleil an Sunderland und Marlborough von 1707, in: BL Add. 61648, 101r–104r sowie BL Add. 61311, 99r–102r. Individuelle Invasionsprojekte auch in: BL Add. 61648, 1r–35r, 157r–158v, 163r–164v. 1187 Vgl. Bély, Espions, 55 sowie: Braubach, Geschichte und Abenteuer. 1188 Vgl. zum v. a. literarischen Kontext: Roth, Les aventuriers. 1189 Vgl. etwa BL Add. 61554. 1190 Vgl. Shears, Miremont. 1191 Vgl. zu den hugenottischen Projektemachern: Boles, Huguenots; Jones, Antoine de Guiscard; Glozier, Schomberg. Vgl. zu diesen Projekten auch BL Add. 61337 u. 61339.
Informelle Informationsgewinnung
283
Gegner dies bestritten);1192 deshalb konnte er eine Zeit lang Informationen über das Geschehen in den Cevennen an Marlborough weitergeben.1193 Doch obwohl Flotard vielleicht nicht wusste, dass Caillaud, dem er seine Berichte und die Berichte seiner Korrespondenten meist schickte, ein riesiges Spionagenetzwerk in Frankreich unterhielt,1194 war er doch überzeugt, dass die englische Regierung die meisten seiner Berichte ohnehin von Caillaud erhielt. Flotard schrieb an Cardonnel: „Sy ie n’ay pas l‘honneur de vos Escrire plus souvent pour vous informer de ce qui se passe dans l’afaire des Camisars, c’est ce que ie suis tres persuadé que Mr Caillaud auquel i’envoye tous les originaux de leur lettres vous en fait part.“1195 Während sich für die englische Regierung im Fall Flotards also der Hintergrund auf ein ganzes Informantennetzwerk öffnete (dem man schon wegen seiner Größe eher Vertrauen schenken zu können meinte als einzeln agierenden Personen), handelte Flotard vermutlich unwissend innerhalb dieser Struktur, als individueller Informant Caillauds, der mit anderen camisardischen und hugenottischen Akteuren konkurrierte. Ohne es zu wissen, war auch Flotard in eine Informationsstruktur eingebunden – was ihn graduell vertrauenswürdiger erscheinen ließ. Generell waren die höher organisierten kommerziellen oder anderen Informa tionsanbieter im Vorteil. Aufseiten etwa der Secretaries herrschte gegenüber Informantenkandidaten oft erst einmal Misstrauen vor: Der Staatssekretär Vernon bemerkte schon 1698 gegenüber John Macky: „It is very hard I see to find Persons fitt to be confided in such as are both prudent and honest.“ Mögliche Korrespondenten müssten ihre Fähigkeiten erst einmal beweisen; viele Berichte s eien unbrauchbar, weil „doubtfull if not amusing“. Im Zweifelsfall, so Vernon, verlasse er sich eher auf Leute, die ihm bekannt seien.1196 Eine ähnliche Einschätzung spricht aus einem Brief Harleys an Marlborough von 1708: Ein John Lang, der in französischer Kriegsgefangenschaft gewesen war, sandte eine Liste von in Toulon neu ausgerüsteten Kriegsschiffen – im Grunde eine willkommene Informa tion, aber Harley bemerkte misstrauisch: „the Person who writes it, is one I never did correspond with.“1197 Auch an einem weiteren Beispiel ist das Misstrauen 1192 Vgl. die Darlegungen Flotards an Sunderland, 15. Juni 1708, in: BL Add. 61648, 105r–108v; zu den Auseinandersetzungen z wischen verschiedenen Fraktionen siehe auch Flotards Brief an Godolphin, 2. April 1709, in: BL Add. 61113, 71r. 1193 Vgl. z. B. Flotard an Marlborough, 26. August 1704, in: BL Add. 61258, 91r–92r. 1194 Vgl. Dedieu, Rôle politique, 232. 1195 Flotard an Cardonnel, 26. August 1704, in: BL Add. 61413, 37r. 1196 Siehe BL Add. 40772, 320r und 345r. 1197 Harley an Marlborough, 16. März 1707/08, in: BL Add. 61125, 78r; der Brief John Langs ist beigefügt, ebd., 81 f.
284
Strukturen der Informationsgewinnung
der Regierung gegen individuell agierende unbekannte Spione abzulesen. Die anonyme Bewerbung eines H. B. bzw. eines C. D. um die ‚Stelle‘ eines Spions, die sich in den Unterlagen der Secretaries Sunderland und Boyle findet, ist in der Forschung als Beleg für die Unprofessionalität englischer Regierungsspionage gelesen worden. Man muss nicht ins Gegenteil verfallen, um diese Bewertung unzutreffend zu finden. „Mylord, Having heard that a Gentleman is wanting to be Imploy’d upon the Coast in procuring intelligence from France, I presume to offer my humble services to your Lordship. I write and speak the French any waye as well as the English, and know so much of the people and all of the country that I have ground to believe I cou’d be usefull to the Governm.t that way.“1198
Der Bewerber bat darum, über die London Gazette benachrichtigt und zu einem persönlichen Gespräch eingeladen zu werden. J. D. Alsop hat aus dieser Bewerbung geschlossen, die Einstellungsstandards für potentielle Spione könnten nicht sehr hoch gewesen sein – weil in d iesem Fall nur Kenntnisse der Sprache und des Landes behauptet werden.1199 Dies scheint mir ein voreiliger Schluss zu sein, denn der geheimniskrämerische Brief von H. B. oder C. D. führte, soweit man sehen kann, eben nicht zu einer Einstellung als Spion. H. B./C. D. taucht in der Korrespondenz Sunderlands und Boyles nicht wieder auf, und auch die London Gazette forderte ihn nicht zum persönlichen Gespräch auf.1200 Damit reiht sich dieser Fall eher ein in die nicht geringe Zahl von Petitionen, die mit dem Angebot angeblich hochrelevanter Informationen Pensionen der Regierung zu erhalten versuchten. Manche dieser Spionageberichte lesen sich als geleitet von wahnhaft wirkenden Einsichten in die politische Weltlage.1201 1198 H. B. an Sunderland, 22. Februar 1709/10, in: BL Add. 61596, 68r; siehe den identischen Brief von C. D. vom selben Tag an Boyle, in: TNA SP 34/11, 191r. 1199 Vgl. Alsop, British Intelligence. 1200 Durchgesehen wurde ein Monat der ‚Advertisements‘ der London Gazette, also die Ausgaben 4814 (24. Februar 1709/10) bis 4824 (20. März 1709/10). Generell finden sich dort keine Anzeigen, die auf eine Verbindung zum Problem der Informationsgewinnung schließen lassen. Siehe: https://www.thegazette.co.uk. 1201 Vgl. etwa die ausgesprochen wirren Berichte einer Ann Hamilton an Sunderland und Godolphin im Umkreis der jakobitischen Invasion von 1708, die im Wesentlichen eine paranoide Weltsicht, akuten Geldmangel und Bitte um Almosen widerzuspiegeln scheinen. Insofern würde ich die Tatsache, dass die Regierung ihr schließlich zweimal eine Pension von 20 bzw. 10 Pfund zusprach, nicht zu hoch gewichten. Vgl. Ann Hamilton an Sunderland, 9. September 1707, in: BL Add. 61607, 59r–62v; dies. an Sunderland,
Informelle Informationsgewinnung
285
Individuelle und einmalige Aktionen genossen im von Misstrauen durchzogenen Feld der Informationsgewinnung also kein hohes Ansehen. Wie aber konnte Vertrauenswürdigkeit überhaupt produziert werden? Allein die Tatsache der Verstetigung einer Korrespondenz war offenbar Zeichen für erhöhte Vertrauenswürdigkeit – was im Umkehrschluss heißt: Einzelne Berichte individueller Informanten wurden fast immer vernachlässigt. Geldzahlungen für Informationen, so oft sie vorkamen, waren nicht strukturbildend genug, um Misstrauen auszuräumen; hierfür war im Zweifel ein durch Patronage generalisiertes Vertrauen nützlicher. Ob Korrespondenzen verstetigt wurden, weil sie vertrauenswürdig erschienen, oder sie vertrauenswürdig erschienen, weil sie verstetigt worden waren, ist letztlich nicht klar zu entscheiden. Vermut lich ist auch deshalb schwer zu bestimmen, wer die Henne ist, wer das Ei, weil die Verbindung von Strukturbildung und Vertrauen zirkulär verläuft. Vertrauen besitzt „jenen zirkulären, sich selbst voraussetzenden und bestätigenden Charakter, der allen Strukturen eigen ist, die aus doppelter Kontingenz entstehen. Es macht Systembildungen möglich und gewinnt aus ihnen dann wieder die Kraft zu verstärkender, riskanterer Reproduktion“.1202
Die englische Regierung und Marlborough wollten also neue Informationen – aber nur selten neue Informanten. Sie misstrauten ‚weak ties‘ in relativ hohem Maße und konnten sie daher mutmaßlich auch nicht optimal nutzen. Informanten konnten aber ihre Vertrauenswürdigkeit über die Einbindung in eine bekannte Struktur nachweisen (wie im Fall Flotard), oder eben dadurch, dass sie – als individuelle Informanten – schon lange Kontakte mit ihren Korrespondenzpartnern pflegten. Wie in Patronage beziehungen (und in der Tat ging es ja oft auch darum) bildete „Anciennität“ ein „symbolisches Kapital“.1203 Auf dem Weg über externe Kriterien wie die Dauer einer Korrespondenzbeziehung oder die Einbindung in eine bekannte Struktur konnte so ein gewisses Maß an Vertrauen als „mittlerer Zustand z wischen Wissen und Nichtwissen um den Menschen“1204 entstehen. Niklas Luhmann hat diese Funktionsweise des Vertrauens so erklärt: 18. Mai 1708, in: BL Add. 61615, 95; dies. an Godolphin, undatiert, in: BL Add. 61615, 97r–v; dies. an Godolphin, undatiert, in: BL Add. 61615, 99r. Siehe auch: Calendar of Treasury Books, Bd. 28, Teil 2, 463 u. 466. – Ein anderes Motiv, nämlich persönliche Denunziation missliebiger Bekannter, scheint durch im Brief Charles Cranburns an Sunderland, 24. Juli 1708, in: BL Add. 61608, 27r. 1202 Luhmann, Soziale Systeme, 181. 1203 Vgl. Thiessen, Diplomatie und Patronage, 239 – 242. Siehe zu Vertrauen in diplomatischen Beziehungen auch die instruktive Studie: Haug, Vertrauen. 1204 Simmel, Soziologie, 393.
286
Strukturen der Informationsgewinnung
„Man kann sich über künftiges Verhalten anderer nicht vollständig und nicht zuverlässig informieren. Aber man kann diese Problematik in einen anderen Bereich verlagern, in dem sie besser bewältigt werden kann. Man unterrichtet sich stattdessen über gewisse strukturelle Eigenarten des sozialen Systems, in dem man mit anderen zusammenlebt, und gewinnt dadurch die notwendigen Anhaltspunkte für eine Vertrauensbildung, mit der man den Informationsmangel überbrückt. Wie in so vielen funktionalen Zusammenhängen erspart auch hier Struktur Information.“1205
In diesem Zusammenhang ist auch ein Evaluationsmechanismus zu beobachten, der als Quasi-Bürgschaft neuer Spione funktioniert: In Fällen, in denen neue individuelle Spione nicht direkt mit Marlborough oder den Secretaries of State in Verbindung traten, sondern ihre Berichte auf dem Weg über bekannte Strukturen sandten, agierten die Köpfe dieser Strukturen (also Spionageorganisatoren wie Macky, Lawes, Jaupain oder Caillaud) als Garanten für die Vertrauenswürdigkeit der Informanten. Die übliche Formulierung in diesem Zusammenhang ist, man habe die vorliegenden Informationen „from a good hand“ oder „from a verie good hand“.1206 Diese Formulierung zielt nicht auf die Qualität der Handschrift, sondern auf die der Information – und führt doch noch einmal den medialen Aspekt der Spionage vor Augen. Allerdings ist auch nicht zu übersehen, dass diese Formulierung vor allem in Zeiten erhöhten politischen und militärischen Drucks gebraucht wird, also etwa im Umkreis der Dünkirchener Jakobiteninvasion von 1708. Solche Zusammenhänge erhöhten offenbar die Notwendigkeit, genauer hinzusehen, mit wem man es eigentlich zu tun hatte. Bemerkenswert ist allerdings, dass im Rahmen der Informationsgewinnung der englischen Regierung ein Faktor praktisch keine Rolle spielt, den man für typisch vormodern zu halten geneigt ist. Während die Einbindung in eine Struktur und die Anciennität der Beziehung wichtige Gradmesser für die Vertrauenswürdigkeit des Informanten und der Information waren, galt dies für den sozialen Rang des Informanten nicht im selben Umfang. Anders als im juristischen oder wissenschaftlichen Kontext spielte die soziale Konnotation der Glaubwürdigkeit kaum eine Rolle. Obwohl sozialer Status als Glaubwürdigkeitsindex zum Beispiel auch in der Naturkunde des späteren 17. Jahrhunderts an Bedeutung verlor, 1205 Luhmann, Vertrauen, 36. 1206 Vgl. z. B. Macky an Sunderland, 7. Februar 1706/07, in: BL Add. 61601, 171r; Dayrolle an Harley, 20. Februar/2. März 1707, in: House of Lords Manuscripts N. S., Bd. 8, 102; Lawes an Sunderland, 3. März 1708, sowie Lawes an den Under-Secretary Tilson, 4. Juli 1708, in: TNA SP 77/57, 243r u. 329v; Stepney an Addison, 21. März 1707, in: BL Add. 61534, 129r; Cadogan an Sunderland, 23. Dezember 1709, in: TNA SP 77/58, 329r.
Informelle Informationsgewinnung
287
war er dort und anderswo doch noch lange ein wichtiger Gradmesser dafür, ob man einer Person glauben konnte oder nicht.1207 Spione dagegen mussten nicht zwingend Adlige oder Gentlemen sein, damit man ihnen glaubte.1208 Im Feld der Spionage waren so hohe Ansprüche an Status und damit Glaubwürdigkeit der Informanten nicht realisierbar – die englische Regierung konnte sich vermutlich schlicht nicht leisten, die Frage des sozialen Rangs der Informanten besonders hoch anzusetzen. Und da man ja Informationen aus unterschiedlichen Kontexten und sozialen Milieus – vom Hof bis zur Hafenstadt – erlangen wollte, wäre eine zu große Aufmerksamkeit für den sozialen Status eines Informanten auch dysfunktional gewesen. In diesem unübersichtlichen Bereich, in dem es darum ging, schnelle, aber auch möglichst glaubwürdige Informationen über Sachverhalte zu erlangen, über die man sonst überhaupt keine Kenntnisse gehabt hätte, war es nicht möglich, einfach die Glaubwürdigkeitsstandards aus anderen sozia len Bereichen zu übertragen. Dem sozialen Rang eines Informanten kam daher keine auffällige Bedeutung zu. Es musste ausreichen und reichte de facto auch aus, auf die Anciennität einer sozialen Beziehung und auf die Einbindung in eine bekannte Struktur zurückzugreifen. Beides aber stand einzeln agierenden Spionen meist nicht zur Verfügung. Dieses Kapitel hat gezeigt, w elche Netzwerke (verstanden als informelle, patronage- oder handelsförmige Beziehungen) Marlborough für seine Informa tionsgewinnung nutzte. Die Netzwerke, auf die zurückgegriffen wurde, bestanden oft schon vor dem Spanischen Erbfolgekrieg, wurden also selten von Marlborough allein aufgebaut. Auch in dieser Hinsicht ist deutlich geworden, dass Marlborough nur in manchen Fällen allein agierte, meist aber eng in das Gefüge der englischen Regierung eingebunden war, mit der er gewonnene Informationen teilte. Allerdings ergibt sich in einigen Fällen (etwa Grumbkow oder, auf andere Weise, Jaupain) der Eindruck einer besonderen Nähe zu Marlborough, die durch Patronage hervorgebracht oder verstärkt wurde. In vielen Fällen gingen die informellen Kontakte aus formalen Amtszusammenhängen hervor (wie in den Fällen Grumbkow oder Robethon), entsprangen indirekten Dienstbeziehungen ( Jaupain) oder wurden teilformalisiert (Caillaud). Damit ist ein graduelles Kontinuum abnehmender Amts- und zunehmender patronage- oder handelsförmiger Netzwerkbeziehungen zu konstatieren.
1207 Vgl. Dear, From Truth to Disinterestedness. 1208 Siehe zum sozialen Status als Garant wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit v. a. Shapin, Social History.
288
Strukturen der Informationsgewinnung
3.5 Der Herzog liest kaum Zeitung: Die Rolle der Presse Am Ende dieses langen Kapitels über die Strukturen der Informationsgewinnung steht nicht zufällig die gedruckte Zeitung. Denn an der Presse um 1700 ist abzulesen, wie die drei Strukturen, die in d iesem Teil der Studie behandelt worden sind, miteinander interagierten. Die Presse griff erstens zum Teil auf eine organisationsförmige Struktur zurück: So war die London Gazette ein Propagandaorgan der englischen Regierung. Die Presse bediente sich zweitens zur Informationsgewinnung des Unterbaus der Netzwerke und Newsletters. Drittens war sie in hohem Maße auf die Infrastruktur der Post angewiesen. An der Presse erweist sich also vor allem die enge Verflechtung der drei Strukturformen, die in diesem Kapitel analytisch getrennt vorgestellt worden sind. Auch die Presse konstituierte also das informationelle Umfeld mit, in dem Marlborough agierte. Aber in welcher Weise? Jürgen Habermas unterschied in seinem viel debattierten Buch über den Strukturwandel der Öffentlichkeit zwischen einer vormodernen „repräsentativen Öffentlichkeit“, die durch monar chische Repräsentation, Zeremoniell und Propaganda geprägt war, und einer bürgerlichen, kritischen Öffentlichkeit, die aus der Zivilgesellschaft heraus mittels des Mediums der Presse die Autorität monarchischer Politik infrage stellen konnte.1209 Für Habermas war das frühe 18. Jahrhundert, also genau die Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges, die Periode des Umbruchs, in der sich ein neues Modell kritischer Öffentlichkeit herausgebildet habe, das auf die Aufklärung vorausweise. Dieser kategoriale Umbruch wird in der neueren Forschung, gegen Habermas, eher noch früher angesetzt.1210 Gerade für England, Habermas’ Paradebeispiel einer kritischen Öffentlichkeit, trifft es aber zu, dass das frühe 18. Jahrhundert pressegeschichtlich einen Qualitätssprung vollzog.1211 Doch das Habermas- Modell verzeichnet in mancher Weise die Bedeutung der Presse – sie war nur ein Element unter anderen, das Öffentlichkeit um 1700 konstituierte: Neben anderen Kritikpunkten wäre zumindest an die Persistenz der geschriebenen Zeitung zu denken, die zwar langfristig ins Hintertreffen geriet, aber eben nicht auf einen Schlag verschwand und vor allem eng mit der gedruckten Zeitung 1209 Vgl. Habermas, Strukturwandel. 1210 Vgl. Schaich, Public Sphere; Freist, Öffentlichkeit; Lake/Pincus (Hrsg.), Politics. 1211 Zur sehr viel restriktiveren Presselandschaft Frankreichs siehe Feyel, L’Annonce; zur Situation in den Niederlanden siehe: Morineau, Zeitungen.
Der Herzog liest kaum Zeitung
289
verflochten war.1212 Damit stellt sich die Frage, w elche Rolle gedruckten Zeitungen zukam.1213 Nach der Aufhebung der Vorzensur durch den Licensing Act von 1695, der im Prinzip die Pressefreiheit einführte,1214 wurde eine ganze Reihe neuer Zeitungen gegründet; London wurde zum bedeutendsten Zeitungsort nicht nur Englands, sondern Europas.1215 Die London Gazette, die in der Restaurationszeit ein Nachrichtenmonopol besessen hatte,1216 blieb auch in Annes Regierungszeit die offizielle Zeitung der Regierung, die sich allerdings auf dem neuentstehenden Markt behaupten musste. Die Gazette changierte in ihrem Profil daher charakteristisch zwischen einer Zeitung und einem offiziösen Verlautbarungsblatt der Regierung, was ihr auf dem Markt gewisse Akzeptanzprobleme bescherte. Sie wurde von einem Under-Secretary redigiert, lag also im Einflussbereich der Secretaries of State – was sie einer Politisierung im Sinne der jeweils amtierenden Regierung unterwarf.1217 Diese Regierungspropaganda musste, wie so viele disparate Aufgaben, aus dem Secret Service Fund bezahlt werden.1218 Neben der London Gazette standen andere, eher unabhängige oder parteinahe Blätter. In Annes Regierungszeit existierten mindestens 20 tägliche und wöchent liche Zeitungen mit Auflagen von mehreren Hunderten bis Tausenden.1219 Im Jahre 1712, so eine Schätzung, wurden wöchentlich 20.000 bis 25.000 Zeitungsund Zeitschriftenexemplare verkauft.1220 Der Spectator schrieb 1712: „There is no 1212 Vgl. Böning, Handgeschriebene und gedruckte Zeitung. 1213 Vgl. zum breiteren Kontext der hier behandelten Themen zuletzt: Pettegree, Invention of News. 1214 Zusammenfassend zur englischen Presse um 1700 siehe: Winkler, Wörterkrieg; M etzdorf, Politik, 53 – 7 8; Harris, Print Culture; Speck, Politics and the Press; de Beer, English Newspapers. Zum Problem der Zensur siehe: Tortarolo, Zensur, sowie das Themenheft: Censorship in Early Modern Europe. 1215 Dies änderte sich auch im 18. Jahrhundert nicht, auch wenn die Pressefreiheit durch den Stamp act von 1712 und die damit einhergehende massive Erhöhung der Zeitungspreise faktisch wieder eingeschränkt wurde. Vgl. Downie, Robert Harley, 148; Enkemann, Journalismus, 170. Zur medialen Situation in London siehe: Krischer, Politische Kommunikation. 1216 Vgl. Fraser, Intelligence. 1217 Vgl. Handover, History of the London Gazette, v. a. 38 – 45; siehe auch: Harris, Newspaper Distribution. 1218 Vgl. Downie, Development, 121. 1219 Vgl. Snyder, Circulation, sowie ders., A Further Note. Eine Aufstellung der wichtigsten Zeitungen bei: Knights, Representation, 382 – 384. Siehe auch: Sutherland, Circulation; Price, Note. 1220 Vgl. Metzdorf, Politik, 56.
290
Strukturen der Informationsgewinnung
humour in my Countrymen which I am more inclined to wonder at, than their general thirst after News.“1221 Die englischen Zeitungen berichteten auf der Grundlage meist übersetzter Berichte vor allem über Ereignisse der internationalen Politik. Hierbei stellten vor allem die niederländischen Zeitungen einen Nachrichtengrundstock für die englische Presse dar.1222 Diese waren teilweise Gründungen hugenottischer Exilanten, die heimlich auch in Frankreich gelesen werden konnten.1223 Die nieder ländischen Zeitungen galten aber zeitgenössisch nicht durchgehend als zuverlässig; Marlboroughs Quartermaster-General Cadogan etwa schreibt über jemanden, den er für unehrlich hält (nämlich den preußischen Oberst Grumbkow), in quasi sprichwörtlicher Manier: „He is the Last Person I know that I would either believe or trust, for he will outlye a Dutch Gazette.“1224 Das größere Problem waren aber selbstverständlich die französischen Zeitungen. Ein längerer Brief Daniel Defoes an Godolphin 1225 vom 3. August 1708 zeigt die Gefahr, die politische Beobachter den Übersetzungen gerade französischer Nachrichten (vor allem aus gedruckten Zeitungen, aber auch aus handgeschriebenen Newsletters) zusprachen: „It seems at this time, my Lord, very prejudiciall that the public newsmen, particularly the Dayly Courant and the Post Boys, and a postscript by the Flying Posts are suffered to translate the bluster and form’d storys which the Paris Gazette, the Mercure Gallant, and Gazette à la Main spread over the world.“1226
Gegen die Gefahr, die von der französischen Presse ausgehe, könne man nur vorgehen, indem man selbst englische Nachrichten ins Französische übersetze und sie in Paris verbreite – und in der Tat erschienen in Frankreich während des Krieges einige wenige französischsprachige, proalliierte Pamphlete, die offenbar
1221 Zitiert nach: Ewald, Newsmen, VIII. 1222 Vgl. de Beer, English Newspapers, 124 f.; zur prominenten Rolle niederländischer Zeitungen und hier vor allem der exilhugenottischen Journalisten siehe auch: Gibbs, Intellectual and Political Influences, v. a. 284. 1223 Vgl. Raban, Newspaper, 400; Tischer, Obrigkeitliche Instrumentalisierung, 465; D epezay, French Gazette. 1224 Cadogan an Raby, 19. April 1707, in: BL Add. 22196, 69v. 1225 Defoe, eigentlich ein Klient Harleys, arbeitete nach Harleys Sturz 1708 für Godolphin, bevor er 1710 wieder zu Harley wechselte; siehe HMC Portland, Bd. 4, VIII und 473 sowie: Rogers, Defoe’s Distribution Agents, 160 f. 1226 HMC Marlborough, 44.
Der Herzog liest kaum Zeitung
291
Marlboroughs Umgebung entstammten.1227 Defoes eigene Versuche, in dieser Sache als Übersetzer tätig zu werden, seien aber, so klagt er, von der Regierung nicht unterstützt oder sogar verboten worden.1228 Die Folge sei, dass erstens die franzö sische Bevölkerung über die Kriegssituation desinformiert werde und zweitens der Eindruck entstehe, die englische Regierung desinformiere die eigene Bevölkerung – ein Problem, das der scharfsichtige Defoe klarer sah als andere Zeitgenossen: „In one of the last Flying Posts which I saw here they have news from Ghent that all things were very plentifull and cheap in the French camp, and that their army increased every day; when our advises from the army published that the enemy were very much straightened in their quarters and found it hard to subsist; at least, my Lord, this makes the people believe that the Government, according to the French mode, orders wrong accounts of things to be spread abroad, and that those are the only true accounts.“1229
Wenn der Krieg zum zentralen Motor der entstehenden Öffentlichkeit (mit allen ihren solcherart beschaffenen Schattenseiten) wurde,1230 stellten die Zeitungen innenpolitisch gleichzeitig aber wichtige Foren der Parteipolitik dar: „Whig and Tory were […] in part print communities“1231 – ein Charakteristikum, das auf dem Kontinent Befremden hervorrief.1232 Die Presse entwickelte sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Kanal für die parlamentarische Lobbyarbeit, auch und gerade im Hinblick auf die englischen Außenbeziehungen.1233 Man darf also von einer recht gut ausgebildeten Form von öffentlicher Meinung ausgehen, die „im Sinne einer dauerhaften Beobachterperspektive zweiter Ordnung“1234 funktionierte. Diese Funktion von Öffentlichkeit und Presse war allerdings auch starker Kritik ausgesetzt: Die Königin blieb genau wie ihr Vorgänger besorgt über die neue Informationskultur.1235 Die politische Elite des Landes stand der Presse meist mindestens ambivalent gegenüber, weshalb es auch zu mehreren Versuchen kam,
1227 Vgl. Klaits, Printed Propaganda, 254 f. 1228 Vgl. HMC Marlborough, 44. 1229 Ebd., 45. 1230 Vgl. Gestrich, Public Sphere, 421 f. u. 427. 1231 Knights, Representation, 222. 1232 Vgl. Schlögl, Politik beobachten, 615 f. 1233 Vgl. Black, Parliament, 23 f.; McJimsey, Shaping the Revolution; Jupp, The Governing of Britain, 99. 1234 Krischer, Politische Kommunikation, 85. 1235 Vgl. Cowan, Rise of the Coffeehouse, 43.
292
Strukturen der Informationsgewinnung
die Vorzensur wieder einzuführen.1236 Das Cabinet bemühte sich um Arkanpolitik und die Instrumentalisierung der Öffentlichkeit.1237 Marlborough zeigte eben diese Ambivalenz, wenn er einerseits im Laufe des Krieges seinen Chaplain-General Francis Hare unumwunden zum Propagandachef machte, andererseits immer wieder Misstrauen gegenüber der gedruckten Presse artikulierte. Marlborough selbst besaß offenbar eine „almost unbalanced fear of the press“1238, die seiner Abneigung gegen Parteipolitik und innenpolitische Ränke überhaupt entsprach. Gerade gegen Ende des Krieges wurde Marlboroughs Misstrauen gegen „the villanous way of printing, which stabes me to the heart“1239 geradezu zu einem Grundton seiner Korrespondenz. In diesem Sinne war Marlborough Anhänger und Akteur von Arkanpolitik. Seine Frau Sarah dagegen stand der Presse weniger ambivalent gegenüber und bediente sich ab 1709 des radikalen Whigs Arthur Maynwaring als persönlichem Propagandisten.1240 Die offiziöse London Gazette druckte unter anderem das, was aus den Berichten aus Marlboroughs Feldlager (in der Regel geschrieben von seinem Sekretär Cardonnel, manchmal gemeinsam mit Hare) oder aus den Zirkularbriefen der Gesandten an die Öffentlichkeit gelangen sollte.1241 Im Hauptquartier wurde regelmäßig die englische Presse darauf überprüft, wie Marlborough dargestellt wurde, und spätestens ab 1706 wurden auch gezielt positive Nachrichten lanciert.1242 Dies geschah aber anonym – so bat etwa Cardonnel im Jahr 1709 den Under-Secretary Tilson darum, einen Brief der Generalstaaten an Marlborough im Post Man zu veröffentlichen: „but don’t let it be known to come from us“1243. Auch versuchte Marlborough, die Berichterstattung über seine Person insofern zu beeinflussen, 1236 Vgl. Downie, Development, 116 – 118. 1237 Vgl. Hattendorf, England, 1 – 3. 1 238 McInnes, Appointment of Harley, 260, Anm. 18. – Auch in diesem Punkt unterscheidet sich Harley von Marlborough: Harley gilt geradezu als der erste Tory „who saw news production as an opportunity, rather than a necessity“: Sommerville, News Revolution, 126. 1239 Marlborough an Sarah, 5./16. April 1711, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1662; siehe auch Marlborough an Sarah, 8./19. Oktober 1711, in: ebd., Bd. 3, 1682. 1240 Vgl. Harris, Passion for Government, 142; Snyder, Daniel Defoe. 1241 Vgl. Horn, Marlborough’s First Biographer, 152 f.; Metzdorf, Politik, 129. Siehe aber auch Hattendorf, England, 210: „At times, there appeared to be a distortion of news in the London Gazette. From time to time, the envoys abroad who supplied information in the form of newsletters complained that the official news was quite different from what they had reported to Whitehall.“ 1242 Vgl. Metzdorf, Politik, 130. 1243 Zitiert nach Metzdorf, Politik, 131, Anm. 250.
Der Herzog liest kaum Zeitung
293
als er zuweilen der Gazette Berichte verweigerte und sie anderswo (eben zum Beispiel im hugenottischen Post Man) drucken ließ, wenn er mit der Arbeit der Gazette unzufrieden war.1244 1706 wies Marlborough den Secretary Harley an, bestimmte vertrauliche Informationen, die er ihm schicke, ebenfalls im Post Man zu veröffentlichen. Gleichzeitig sollten aber die offiziellen Berichte Cardonnels aus dem Feldlager weiter in der Gazette erscheinen: „As all truths may not be proper to be in the Gazet, I desire the favour of you that during this Campagne, when I send in your Letter as I now do a paper of news, you will let it be inserted in the Postman, and what is to be in the Gazet Mr. Cardonnel will send it to the office as formerly.“1245
Diese propagandistische, weil bewusste und gesteuerte Herangehensweise an die Presse lässt sich aber nicht nur an Marlboroughs Imagepolitik nachvollziehen. Die Propagandafunktion der Presse bezieht sich auch auf einen noch unmittelbarer kriegsrelevanten Kontext. So wurde mehrfach versucht (oder mindestens darüber gesprochen, es zu versuchen; das bleibt im Dunkeln), über gedruckte Zeitungen als einem in allen sozialen Schichten verbreiteten Informationsmedium das allzeit drängende Problem der Desertion zu bearbeiten. Eine französische Massendesertion sollte 1706 dadurch ausgelöst werden, dass man möglichen Deserteuren zwei oder drei Dukaten versprechen wollte – und dies in die Zeitung zu setzen vorhatte.1246 Auch die Begnadigung südniederländischer Deserteure, die im Kriegsgebiet übergelaufen waren, sollte 1708 in den Brüsseler und Antwerpener Zeitungen bekannt gegeben werden. Hier war sogar daran gedacht, dass der Generalpostmeister Jaupain diese Zeitungen an der Grenze zu Frankreich verteilen lassen sollte.1247 Pamphlete als weniger stark auf Fakten, sondern auf Meinungen abzielende, nicht-periodische Presseerzeugnisse, waren ein weiterer wichtiger Bestandteil der englischen Öffentlichkeit.1248 Dies erfuhr Marlborough im positiven wie im 1244 Vgl. Handover, History of the London Gazette, 36 f.; Hanson, Government and the Press, 86. Siehe auch: Boyle an Marlborough, 14. Dezember 1708, in: HMC Marlborough, 35 sowie Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 485. – Zum Post Man siehe: Raban, Newspaper. 1245 Marlborough an Harley, 6. Mai 1706, BL Add. 61125, 148r. 1246 Vgl. BL Add. 61336, 134 – 136; es handelt sich hierbei um ein undatiertes und anonymes Memorandum, das nach Ramillies geschrieben worden sein muss. 1247 Vgl. Cardonnel an John Lawes, 9. Juni 1708, in: BL Add. 61399, 173r. 1248 Zur quantitativ beeindruckenden, thematisch ausdifferenzierten und politisch einflussreichen Pamphletistik der Regierungszeit Annes siehe bibliographisch: Morley, Queen Anne Pamphlets. Siehe generell auch: Mörke, Pamphlet.
294
Strukturen der Informationsgewinnung
negativen Sinne. War er in den ersten Kriegsjahren das bewunderte Objekt der Pamphletistik, brach gegen Ende des Krieges eine Medienkampagne gegen ihn los. Doch bereits vorher spaltete Marlborough als von den Whigs geliebter, von den Tories beargwöhnter Anhänger einer Kriegspolitik die öffentliche Meinung. Marlboroughs „disputed print persona structured a stable partisan politics“1249. Marlborough ging sehr rabiat, meist auf rechtlichem Wege, gegen missliebige Berichterstattung vor.1250 In einem Fall ist dokumentiert, dass der Wegfall der Vorzensur dem Arkanpolitiker Marlborough nur den Ausweg zu lassen schien, missliebigen Journalisten Prügel anzudrohen und dies auch in die Tat umsetzen zu lassen. Der Journalist John Tutchin, dessen Observator sich in ausgesprochener Deutlichkeit zum Kriegsgeschehen, zu den Parteien, aber auch zu Marlborough äußerte, war ihm dabei wiederholt ein besonderer Dorn im Auge. Bei Tutchin handelte es nicht um einen Tory, sondern um einen kritischen Whig. Die Regierung sah in ihm ein Sprachrohr seines Patrons, des radikalen Parlamentariers Haversham, der auch in anderem Zusammenhang die Politik der Regierung und Marlboroughs lautstark kritisierte.1251 Marlborough warf seiner Frau schon 1704 vor, der schlimmste aller Journalisten sei einer ihrer Whig-Freunde: „I find the most mallicious are those of your friend the Observator“1252. Im Oktober 1706 schrieb er dann an Harley über Tutchin: „If I can’t have justice done me, I must find some friend that will break his and his printer’s bone“1253 – eine Initiative, die von St. John unterstützt wurde.1254 Es war offenbar keine einmalige Berichterstattung, sondern die generelle „out spokenness“ Tutchins, die den mit dieser Art von Presse nicht vertrauten Höfling und Soldaten Marlborough verstörte.1255 Tutchin soll am 23. September 1707 im 1249 Claydon, A European General, 301. Zur Pamphletistik rund um Marlborough siehe: Müllenbrock, Herzog von Marlborough; Späth, Facts and Factions; Müllenbrock, Culture of Contention; Herman, Business; Bély, Espions, 266 – 272. 1250 Vgl. Metzdorf, Politik, 76 u. 188. 1251 Vgl. Marlborough an Harley, 8. Juli 1706, in: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 105 sowie St. John an Harley, 10. Oktober 1706, in: HMC Portland, Bd. 4, 338; siehe zu dieser Affäre: Foot, The Pen and the Sword, 71. – Zu Haversham, einem „political chameleon“, der mit immer extremen Ansichten sowohl bei den Whigs als auch bei den Tories als problematisch galt, siehe: Gauci, Thompson. Siehe auch unten, Kapitel 4.2. 1252 Marlborough an Sarah, 19./30. Juli 1704, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 344. 1253 Marlborough an Harley, 8. Juli 1706, in: Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath, Bd. 1, 105. 1254 Vgl. St. John an Harley, 10. Oktober 1706, in: HMC Portland, Bd. 4, 338. 1255 Downie, Tutchin.
Der Herzog liest kaum Zeitung
295
Gefängnis gestorben sein, nachdem er verprügelt worden war – ob Marlborough damit zu tun hatte, ist unklar, aber nicht unwahrscheinlich.1256 Dieses Problem unliebsamer Veröffentlichungen blieb aber nicht auf die gedruckte Presse beschränkt: Ein Rotterdamer Drucker meldete Marlborough etwa im Januar 1705, in den niederländischen Zeitungen seien Berichte über eng lische Truppenstärken und militärische Pläne aufgetaucht, die dem Feind besser verborgen blieben. Sie entstammten, so hatte die Recherche des Druckers ergeben, dem handschriftlichen Londoner Newsletter John Dyers 1257 – einem vor allem in England sehr populären Nachrichtenmedium, das wegen seiner Tory-Linie bereits öfter Mitgliedern der Regierung, auch Marlborough, Probleme bereitet hatte.1258 Hier zeigt sich wiederum deutlich die enge Verschränktheit handschriftlicher mit gedruckten Zeitungen im zeitgenössischen Informationssystem. Doch jenseits von Marlboroughs Nutzung der Presse für Propaganda (oder der Abwehr kritischer Stimmen) – war sie auch Informationsmedium? Erfuhr, um dies zuzuspitzen, auch jemand wie Marlborough manches einfach aus der Zeitung? Donald Haks hat gezeigt, dass etwa die niederländische Regierung oft nicht besser informiert war als die niederländische Presse.1259 Dies entspricht einer Beobachtung des zeitgenössischen Beobachters Kaspar Stieler: „[S]o melden doch die gedruckte Zeitungen oft ein weit mehrers/ wovon auch nicht einmal Residenten und Agenten Wissenschaft gehabt haben/ als die sich selbsten Unserer Zeitungen bedienen: wiewol/ die Warheit zusagen/ dergleichen Personen sehr einfältig thun/ wenn sie nichts anderes berichten/ als was schon im Druck/ und also jedermännig lich ihres Orts bewust ist.“1260
In jedem Fall war die Zeitungslektüre eine wichtige Aufgabe von Diplomaten; eine gängige Beilage diplomatischer Korrespondenz waren gedruckte Zeitungen.1261 Schon im 17. Jahrhundert wurde davon gesprochen, dass die Zeitungen Armeen ersetzen könnten: Sie seien „Maßnahmen der Kriegsführung“1262. Auch hier illustriert ein Stieler-Zitat plastisch die zeitgenössische Deutung: 1256 Vgl. ebd. 1257 Vgl. Reynier Leers an Marlborough, 16. Januar 1705, in: BL Add. 61308, 7 f. 1258 Vgl. Cowan, Dyer. Zu Dyer siehe auch: Barber, It is Not Easy. 1259 Vgl. Haks, War. 1260 Vgl. Stieler, Zeitungs Lust und Nutz, 74; siehe auch ebd., 107. 1261 Vgl. Wild, Formen, 248. 1262 Vgl. Behringer, Veränderung der Raum-Zeit-Relation, 74 f.; Fritsch, Diskurs, 40; im lateinischen Original ist die Rede von „stratagemata bellica“: Fritsch, Discursus, Caput III.
296
Strukturen der Informationsgewinnung
„Sonsten dienen die Zeitungen denen Krieges-Räten/ Commissarien/ Quartiermeistern und andern Bedienten der Kriegesämter darzu/ dass sie wissen/ welche Wege offen oder verhauen/ besetzet oder ledig/ sicher oder unsicher seyn? Wo noch etwas vor Mann und Pferde zu holen? oder/ Ob die Oerter/ wo die Route hingehet/ vom Feinde schon ausgefressen seyn? Man muss auch Bericht von der Gesundheit des Landes/ und Verlaufung des Hauswirts haben/ damit man unterweges nicht Noht leide/ oder sonst/ auser des Feindes Zutuhn/ in Gefahr gerate.“1263
Trotz dieser Informationsfunktion blieb die gedruckte Zeitung doch gegenüber handschriftlichen Newsletters für die englischen Politiker und auch für Marlborough ein untergeordnetes Medium. Als Medium der Informationsgewinnung war das System der mehr oder minder exklusiven geschriebenen Zeitungen – bis hin zu vollends exklusiven Spionageberichten – die einschlägigere Informationsquelle.1264 Dies ist ja im Hinblick auf Spionageberichte bereits deutlich geworden. Erst dann, wenn eine große Zahl von Newsletters zur Verfügung stand, konnte der Zeitung eine „subsidiäre Bedeutung“1265 zukommen, und dies unter anderem schlicht deshalb, weil stärker noch als bei handgeschriebenen Zeitungen der Ursprung der Informationen vollständig im Dunkeln lag. „Much of the foreign news in contemporary newspapers, therefore, in so far as much news related to current diplomatic negotiations, was probably diplomatic gossip – a useful supplement to the intelligence services of the great powers.“1266 Es gab seltene Fälle, in denen die gedruckten Zeitungen tatsächlich relativ frühe Informanten waren. Die Postmasters General, die Zugang zu niederländischen Zeitungen hatten, informierten Sunderland über den russischen Sieg bei Poltawa, den die Harlem Gazette vermeldet habe.1267 Doch meist blieben Zeitungen nachrangig: Ist in den sehr unvollständigen Kabinettsmitschriften schon das Vorlesen von intelligence eher selten verzeichnet, gilt dies in noch stärkerem Maße für gedruckte Zeitungen: Harley vermerkt einmal, es seien „printed news from Italy“ vorgelesen worden 1268 – dies ist aber eine Ausnahme.
1263 Stieler, Zeitungs Lust und Nutz, 86. 1264 Vgl. Barber, It is Not Easy. 1265 Vgl. Weber, Arkanum, 60. 1266 Gibbs, Revolution, 74. 1267 Interessanterweise ist dort neben der zutreffenden Information von der schwedischen Niederlage auch die unzutreffende Information über den Tod Karls XII. vermerkt. Siehe Frankland und Evelyn an Sunderland, 29. Juli 1709, in: BL Add. 61601, 133r. 1268 Vgl. BL Add. 70337, unpag., 19. Juli 1706.
Der Herzog liest kaum Zeitung
297
Marlborough selbst schickte einmal eine französische Zeitung an Godolphin, die er offenbar in Flandern erhalten hat, schränkte aber deren Nachrichtenwert sofort gegenüber der Newsletter-Korrespondenz ein: „I send you one shete of the Paris Gazet, that you may see what thay say of the affaires of Spain. I hope you will have better news from that country by the way of Portugale.“1269 Die subsidiäre oder supplementäre Bedeutung von gedruckten Zeitungen wird in Marlboroughs Umfeld punktuell deutlich, wenn es heißt, man habe Zeitung gelesen, warte aber noch auf persönliche Berichte.1270 Dieser Befund der untergeordneten Bedeutung der Presse lässt sich an Marlboroughs Nachlass leicht nachvollziehen. Die wenigen gedruckten Zeitungen, die im Nachlass aufbewahrt worden sind, stützen die These, dass es hier kaum nur um Informationsgewinnung ging. Zwar finden sich vereinzelt gedruckte Versionen von Newsletters, die aber vor allem belegen, dass handschriftliche und gedruckte Medien sich aneinander anlagerten.1271 Im Kontext der geheimen Newsletters sind komplementär auch einige wenige gedruckte Zeitungen abgeheftet, die aus Amsterdam, Amiens und Paris stammen.1272 Auch finden sich in den Quellen vereinzelt Hinweise darauf, dass Marlborough sich durch C ardonnel regelmäßig mit französischen Zeitungen versorgen ließ. Diese wurden allerdings charakteristischerweise selbst im Sommerhalbjahr nach London – also nicht an Marlboroughs südniederländischen Aufenthaltsort – geschickt.1273 Die von Marlborough selbst aufbewahrten Zeitungen wirken nicht planmäßig gesammelt, sondern zufällig aufgehoben. Zudem erscheinen sie ungelesen. Zum Teil enthalten die Zeitungen Berichte über Marlborough selbst, allerdings ist nichts Auffälliges zu bemerken. Es lässt sich kaum mehr erschließen, als dass M arlborough mehr oder minder regelmäßig mit Zeitungen aus den Niederlanden und auch aus Frankreich versorgt worden sein muss. Es ging also eher darum, bestimmte Informationen im Zweifelsfall später parat zu haben – nicht darum, durch die Presse schnell und zuverlässig informiert zu werden.
1 269 Marlborough an Godolphin, 3./14. Oktober 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 700; ähnlich auch Marlborough an Godolphin, 15./26. Juli 1708, in: ebd., Bd. 2, 1037. 1270 Vgl. Brydges an St. John, 9. September 1709, in: Letters from James Brydges, 127. 1271 Vgl. BL Add. 4747, 149r: Suplement Aux NouvelIes Extraordinaires, Leiden, 12. April 1707. 1272 Vgl. BL Add. 61265 A, 79r–97v; 98r–99v;100r–105v. 1273 Vgl. Cardonnel an Jaupain, 12. April 1709, in: BL Add. 61400, 129v: „Je vous prie d’envoyer par chaque ordinaire voye de la Brille une Gazette de Paris adressée a Mons.r Walpole Secretaire de Guerre a Londres.“
298
Strukturen der Informationsgewinnung
Ein ähnlicher Befund ergibt sich bei den Bänden der Nouvelles des cours de l’Europe, einem monatlich im Haag publizierten Organ, von dem Marlborough die Bände von Juli bis Oktober 1704 aufbewahrte.1274 Dies sind aber nun gerade die Bände, die ausführlich über den Donaufeldzug und die Schlachten vom Schellenberg und von Höchstädt berichten. Marlborough hob also, so darf man schließen, diese Bände auf, um eine ausführliche externe Dokumentation seiner spektakulärsten militärischen Kampagne zu besitzen. Die Tatsache, dass diese Zeitung sich in Marlboroughs Papieren findet, belegt also eher die verständliche Eitelkeit des Feldherrn als den Versuch, die gedruckte Zeitung als Medium der Informationsgewinnung heranzuziehen. Als Fazit ist festzuhalten, dass die Presse für die eigentliche Gewinnung von Information, etwa für den Herzog von Marlborough, eher marginal und subsidiär blieb. Sie musste in besonders hohem Maße durch die Lektüre anderer Medien gegengeprüft werden. Die Presse stellte also eine Ergänzung zu anderen Informa tionskanälen dar – nicht mehr.
3.6 Zwischenergebnisse Versucht man sich zu vergegenwärtigen, in welcher Weise die bisherige Untersuchung gegenüber der vorliegenden Forschung Erkenntnisfortschritte erbracht hat, kann dies im Hinblick auf die methodische Perspektive, aber auch im Hinblick auf die empirischen Gehalte geschehen. Methodisch wurde eine Umorientierung von vereinzelten pittoresken Spionagegeschichten zu strukturellen Zusammen hängen der Informationsgewinnung vorgeschlagen, innerhalb derer die einzelne Episode erst Sinn ergibt. Dies lenkte den Blick weg von einer Geschichte angeb lich einzeln operierender Spione und spektakulärer Einzelereignisse, weg von einer Geschichte der Informationsgewinnung, die zwar ein ‚System‘ behauptet, dessen Strukturen aber nicht aufweisen konnte. Stattdessen hat es sich als produktiv erwiesen, zwischen Infrastrukturen als Rahmenbedingungen, stärker formalisierten Organisationen und schwächer oder nicht formalisierten Netzwerken zu unterscheiden. Aus dem Bereich der Infrastrukturen (also derjenigen Strukturen, die die Rahmenbedingungen von Marlboroughs Informationsgewinnung darstellten) wurden Geld, Brief, Post und Landkarte vorgestellt. Die Finanzierung der Informa tionsgewinnung erwies sich dabei als tendenziell defizitär und empirisch erstaunlich 1274 Vgl. BL Add. 61265 B.
Zwischenergebnisse
299
schwer zu erforschen. Ähnliche Quellenprobleme ergaben sich im Hinblick auf die Kartographie, deren Stellenwert für Marlboroughs Informationsgewinnung unklar bleibt. Briefe besaßen vor allem deshalb eine große Bedeutung, weil sie als schriftliche Distanzkommunikation einen europäischen Krieg dieser Größenordnung erst möglich machten. An ihnen lässt sich auch das komplexe Ineinander von Geheimhaltung und Öffentlichkeit(en) sichtbar machen. Die Post, hier exemplarisch: die Schiffspost z wischen England und dem Kontinent, erwies sich für die Akteure ebenfalls als zentral; Marlborough und sein Umfeld befassten sich in auffällig hohem Maße mit dem „infrastructuring“ der Postverbindungen. Wichtig war im Hinblick auf organisationsförmige Strukturen der Informationsgewinnung der Aufweis der engen Einbindung Marlboroughs in die Informationsgewinnung der Secretaries of State und der englischen Diplomatie. Die netzwerkförmigen Strukturen, etwa die Postinterzeption Jaupains oder der Spionagedienst C aillauds, haben sich bei genauerer Untersuchung als viel zentraler erwiesen, als dies die Forschung bisher eingeschätzt hat (während die Bedeutung etwa Robethons eher relativiert wurde). Bei diesen Netzwerken handelte es sich um größere und relativ dauerhafte Strukturen und nicht um nur punktuell operierende Einzelakteure; dies war wichtig, weil erst die Einbindung in eine größere und bereits länger bekannte Struktur der Informationsgewinnung das Vertrauen der englischen Regierung hervorbringen konnte. „Weak ties“ traten demgegenüber in den Hintergrund. Während sich also amts- und netzwerkförmige Strukturen als zentral erwiesen, blieb die Informationsbedeutung der Presse eher subsidiär. Spezifisch vormodern erscheint gerade im Hinblick auf die genannten Strukturzusammenhänge das hohe Gewicht individueller Akteure: Es ist kein Zufall und auch nicht ausschließlich einer exemplarischen Auswahl geschuldet, dass die Strukturen der Informationsgewinnung in hohem Maße als personenabhängige Strukturen (oder Strukturen, die sich in bestimmten individuellen Konfigura tionen manifestieren) beschrieben worden sind. Die Tatsache schließlich, dass einige der Informanten vor allem Marlboroughs nach 1712 bei der englischen Regierung in Ungnade fielen, belegt sowohl die Bedeutung einzelner Personen als auch den Umstand, dass außenpolitische Informationsgewinnung immer auch innenpolitische Effekte nach sich zog. Die Grenzen zwischen formalen und informellen Kanälen verschwimmen öfter (ein Befund, der aber erst dann sinnvoll erhoben werden kann, wenn man die Differenzierung formal/informell zuerst einmal zugrunde legt). Auffällig sind etwa die wiederholt zu beobachtenden Versuche, informelle Netzwerke wenigstens partiell formal zu rahmen (etwa im Fall Caillauds oder Jaupains). Wichtig ist auch die Beobachtung, dass informelle sich oft an formale Strukturen anlagerten. Dies wurde etwa in der Zusammenarbeit Mackys mit Fonseca (also eines
300
Strukturen der Informationsgewinnung
staatlichen Coastal Director mit einem Spion) oder am diplomatischen Spionagenetz John Lawes‘ gezeigt. Dennoch haben sich die Spezifika verschiedener Strukturen immer wieder deutlich zeigen lassen: Hier standen organisationsförmige Amts- und Dienstpflichten gegen informelle, auf Tauschbeziehungen (Geld oder Patronage) beruhenden Strukturen. Der Blick in die verstreuten Kurzresümees von Marlboroughs ‚Geheimdienst‘ in der Literatur kann helfen, noch einmal klarer zu konturieren, was die bisherige Untersuchung empirisch ergeben hat. Grotesk ist etwa die Beschreibung von Marlboroughs Informationsgewinnung in der populären Geheimdienstliteratur: „Als Heerführer der britischen Armee in den Niederlanden […] richtet Marlborough zwei gesondert geführte Nachrichtenabteilungen ein: Der eine Dienst untersteht William Cadogan, zuständig für die taktische Aufklärung des Schlachtfeldes, den anderen leitet Adam de Cardonnel, verantwortlich für den weitreichenden strategischen und poli tischen Bereich. Cadogan ist ein erstklassiger Nachrichtenoffizier, der durch seine Fähigkeit, schnelle und genaue Beurteilungen der gegnerischen Absichten zu ermitteln, das uneingeschränkte Vertrauen des Herzogs von Marlborough besitzt. Das von Adam de Cardonnel aufgebaute Spionagenetz erstreckt sich über ganz Europa.“1275
Nun ist das Genre der populären Geheimdienstgeschichte sicher ein leichter Gegner. Dennoch fällt auf, wie anachronistisch die genutzten Kategorien sind. Seriösere Überblicke stellen knapp und additiv verschiedene Einzelspione oder Netzwerke nebeneinander (in der Regel kommen mindestens Caillaud und Robethon vor), ohne zu differenzieren, ob man es mit diplomatischen Akteuren, kommerziellen Firmen, Personen mit indirekt dienstlichen, aber auch durch Patro nage angeleiteten Interessen (dies wäre der Fall Jaupain) zu tun hat.1276 Zu Recht wird manchmal darauf hingewiesen, dass Marlboroughs Informationsgewinnung sich an bestehende Informationsnetze anlagerte oder sie nutzte.1277 Dass daraus allerdings, wiederum vorschnell generalisierend, zum Beispiel auf die alles überragende Bedeutung bestimmter Informanten geschlossen wird, ist ein Problem, das die gesamte Literatur durchzieht.1278 Auch ist es falsch, wenn aus der Verbindung von Marlboroughs Informationsgewinnung mit anderen Strukturen 1275 Piekalkiewicz, Weltgeschichte, 159; die Passage ist im Wesentlichen aus einem anderen populärhistorischen Werk übernommen: Haswell, Spies, 46 – 50. 1276 Vgl. Snyder, Introduction, XXX; in weniger ausgeprägter Form auch: Rule, Gathering Intelligence. 1277 Vgl. etwa Bély, Espions, 92. 1278 Siehe ebd., 91, im Hinblick auf Robethon.
Zwischenergebnisse
301
(inner- wie außerhalb der englischen Regierung) geschlossen wird: „The value of M arlborough’s own intelligence network should not be over-estimated.“1279 Marlboroughs eigenes „intelligence network“ bestand eben genau darin, auf verschiedenste politische, diplomatische, militärische und kommerzielle Verbindungen und Netzwerke zurückgreifen und mit ihnen zusammenarbeiten zu können. Auf der anderen Seite erweist sich die Rede von „Marlborough’s Secret Service“1280, die seine Kooperation mit der englischen Regierung herunterspielt oder ignoriert, als entweder missverständlich oder schlicht falsch. Es gab weder einen Geheimdienst Marlboroughs noch generell einen Geheimdienst der eng lischen Regierung – es gab nur ein komplexes Zusammenspiel von Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerken. Ein grundsätzlicher Zug der vorliegenden Literatur – die Konzentration auf pittoreske Einzelfälle und Einzelgestalten – ist aber nicht nur deshalb problematisch, weil er die strukturelle Verfasstheit von Marlboroughs System der Informationsgewinnung, wenn man es denn so nennen will, nicht erfassen kann. Sie ist auch deshalb irreführend, weil sie zu einer ziel-, erfolgs- und ergebnis orientierten Sicht auf Informationsgewinnung und Spionage verleitet und damit eine einseitige Verzerrung nicht nur der Strukturen, sondern auch der Funktionen von Informationsgewinnung mit sich bringt. Eine Perspektive, die immer nur an strategisch oder politisch ‚wichtigen‘ Fällen von Spionage ansetzt, verkennt, dass diese die absolute Ausnahme waren und dass die Funktionalität von und genereller der Umgang mit Informationen anders und breiter bestimmt werden müssen. Dies legt es nahe, grundsätzlicher darüber nachzudenken, welche Funk tionen Information und ihre Gewinnung überhaupt besaßen. Denn offenbar hängen Funktion und Struktur ja zusammen, wenn sie auch nicht ineinander aufgehen. In diesem Kontext kann ein Diktum Niklas Luhmanns als Überleitung zur Untersuchung der Funktionen von Information dienen. Luhmann schreibt: „Organisation, ja Systembildung überhaupt, kann in ihrem Kern als stets prekäre Übersetzung von Funktionen in Strukturen begriffen werden.“1281 Die vorliegende Studie ist von den Strukturen ausgegangen, um in einem zweiten Schritt nun nach Funktionen zu fragen. Es muss im Folgenden also um eine Rückübersetzung gehen. 1279 Snyder, Introduction, XXX ; siehe auch Bély, Espions, 92: „Même s’il ne faut pas surestimer l’efficacité de ce réseau, il apparaît que l’espionnage militaire s‘était developpé autour de Marlborough et qu’il devenait sans doute un espionnage politique à dimension internationale.“ 1280 Churchill, Marlborough, Bd. 2, 549. 1281 Luhmann, Zweckbegriff, 261.
Funktionen der Information
4 Funktionen der Information 4.1 Funktionen der Information: Methodische Überlegungen Funktionen zu behandeln, ist komplizierter, als sich mit Strukturen zu beschäftigen. Denn Strukturen sind jedenfalls teilweise beobachtbar; wo sie nicht sichtbar sind, kann die Forschung sich nicht mit ihnen befassen. Strukturen lassen sich also beschreiben. Funktionen dagegen sind nicht deskriptiv zu erfassen, sondern nur interpretatorisch. Dies hat mit den Spezifika des Funktionsbegriffs zu tun, der Zusammenhänge annimmt, die den Akteuren möglicherweise nicht bewusst sind und die auch nicht einfach in den Quellen erwähnt werden, sondern erschlossen werden müssen. Funktionen von Information zu benennen, ist in höherem Maße als im Fall von Strukturen Konjektur. Wozu dient also Information, w elche Funk tionen erfüllt sie? Und was heißt das überhaupt? Der Begriff der „Funktion“ scheint Historikern geläufig: Meist meinen sie damit kaum mehr als den Umstand, „dass ein Phänomen […] zu irgend etwas nütze ist“1. Doch der Begriff ist komplex: Hinter ihm verbergen sich so unterschiedliche Konnotationen wie subjektive Intentionen und objektive Zwecke; kausale Ursachen; Nutzen und Gebrauchsweisen; intendierte und nicht intendierte Konsequenzen des Handelns. Überdies ist der Begriff – gerade in der strukturfunktionalistischen Tradition – stark auf die Erhaltung und Reproduk tion ganzer Systeme bezogen und nur schwer mit einer akteurstheoretischen Perspektive zu verbinden.2 Alles dies scheint eher gegen als für den Begriff der Funktion zu sprechen. Dennoch soll der Begriff hier, wenn auch in pragmatischer Weise, genutzt werden, gerade weil er die intendierten wie die unintendierten, die bewussten wie unbewussten, die expliziten wie die impliziten Absichten, Zwecke und Nutzungsweisen umfasst, die einem bestimmten sozialen Phänomen oder einem bestimmten Handeln zugeschrieben werden. In lockerer Anlehnung an Robert Merton kann man also an „manifeste“ (bewusste, explizite) wie an „latente“ (oder implizite) Funktionen der Informationsgewinnung und der 1 Mergel, Geschichte und Soziologie, 633. 2 Vgl. statt vieler Belege: Reckwitz, Problemzusammenhang, der auch deutlich macht, dass ein revidierter Funktionalismus, der sich z. B. an Luhmann oder Giddens orientiert, auch Paradoxien, unintendierte Konsequenzen und Dissonanzen zu integrieren vermag und damit die stark auf Systemstabilisierung zielende Funktionalismustheorie etwa Parsons‘ hinter sich lassen kann. Dennoch ist es theorietechnisch umstritten, ob sich Funktionalismus und Akteurszentrierung sinnvoll verbinden lassen; vgl. Campbell, A Dubious Distinction, 35.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
303
Information denken.3 Daher ist es wichtig, neben einer Aufmerksamkeit für die Funktionen der Information im Sinne von Zwecken auch die Gebrauchsweisen, die Nutzung von Information im Auge zu behalten. Neben der sozusagen objektiven Funktionsbestimmung müssen die Praktiken der Informationsnutzung in den Blick genommen werden, um sich dem Problem der Funktionen der Informa tionsgewinnung auf angemessene Weise zu nähern. Die gängigste Funktionsbestimmung von Information und damit auch der Gewinnung von Informationen ist es, ihr einen instrumentellen Nutzen zuzuschreiben, sie also als in irgendeinem Sinne handlungsrelevant anzusehen. Die Handlungs- und Praxisrelevanz ist dementsprechend aus gutem Grund oben als konstitutives Element der Definition von Information betont worden. Mindestens gilt diese Praxisrelevanz subjektiv: In der Regel glauben Akteure, dass die von ihnen erhobenen Informationen einen instrumentellen, handlungsleitenden Nutzen besitzen. Diese Vorstellung verdichtet sich in der Relation von Informa tion und Entscheidung: Informationen dienen dazu, Entscheidungen vorzubereiten, abzusichern, herbeizuführen. Dieses Thema ist im Rahmen einer großen Zahl von sozialpsychologischen, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Entscheidungstheorien untersucht worden. In diesen decision sciences wird Information in aller Regel als Ressource behandelt, die zum Treffen von Entscheidungen dient. Diese wissenschaftliche Tradition geht vom Bild eines einzelnen, rational entscheidenden Individuums aus, das mehr oder minder klare Präferenzen besitzt, Kosten minimiert und Nutzen maximiert. Aus dieser Perspektive sind Information und Entscheidung insofern linear und kausal verknüpft, als Entscheidungen zu einem guten Teil auf Informationen beruhen. Gerade dies mache ihre Rationalität (oder deren Mangel) aus. Oft stellt aber die Verknüpfung von Information und Entscheidung weniger eine Interpretation menschlichen Handelns dar als vielmehr eine unhinterfragte Basisprämisse.4 In Rahmen dieser Theorietradition ist für die vorliegende Arbeit die vor allem von politikwissenschaftlicher Seite geführte Diskussion über die Modalitäten des außenpolitischen decision-making von Interesse. Hier stehen spieltheoretische, sozialpsychologische und rational choice-Ansätze im Vordergrund; die Debatte dreht sich um die Frage von Machtinteressen, von 3 Vgl. Merton, Manifest and Latent Functions. Mertons Terminologie ist harsch kritisiert worden: Er unterscheide z. B. nicht zwischen unantizipierten und unintendierten Konsequenzen. Teile der Kritik sind in die obige Begriffserklärung eingeflossen. Siehe dazu: Helm, Manifest and Latent Functions; Campbell, A Dubious Distinction. 4 Umfassende Belege würden den Rahmen dieser Studie sprengen; es möge genügen, auf einen einzigen kritischen Überblick zu verweisen: Hegmann/Reckling, Homo Oeconomicus.
304
Funktionen der Information
Gewinnmaximierungs- und Kostenminimierungsstrategien von Entscheidungen, aber auch um die Bedeutung von Perzeption und Information für Entscheidungen.5 Im Zuge einer kulturwissenschaftlich reformulierten Außenpolitikforschung werden in jüngerer Zeit gegen „realistische“ oder rational choice-Ansätze zwar auch die Anregungen der kulturanthropologischen Forschung betont,6 doch hat dies noch kaum zu einer umfassenden Neukonzeptualisierung des Problemfeldes geführt. Mindestens drei Gründe sprechen gegen eine Übertragung dieser Theorietradi tionen auf das Thema dieser Untersuchung: Erstens ist die politikwissenschaftliche International Relations-Forschung an verallgemeinerungsfähigen Modellen des politischen decision making interessiert – wogegen Historiker in letzter Instanz eher die kulturellen und historischen Spezifika von Einzelfällen betonen.7 Zweitens entstammen die empirischen Beispiele der politikwissenschaftlichen Debatten meist der Zeitgeschichte und fußen damit auf einem empirischen Material, das qualitativ wie quantitativ andere Methoden und Reflexionen erfordert als die Quellen dieser Studie. Die Frage nach dem Zusammenhang von Information und Entscheidungsfindung gerade für die Vormoderne (oder auch: den allmählichen Übergang zur Moderne) benötigt also eine empirische Unterfütterung, die allerdings oft nur schwierig zu leisten ist. Die black box der politischen Entscheidung lässt sich für frühneuzeitliche Politik schon aus Quellengründen nur selten befriedigend inspizieren. Gravierender ist aber der dritte Grund: Die bisher angesprochenen Theorieansätze diskutieren, wie eigentlich Informationen und Entscheidungen zusammenhängen und wie der mentale und verfahrensmäßige Weg von der Information zur Entscheidung verläuft. Dass aber Informationen der Entscheidung und nur ihr dienen, dass sie einen instrumentellen Nutzen und nur diesen haben oder doch haben sollten: Diese Prämisse wird nicht infrage gestellt, ja nicht einmal diskutiert. Diese Leerstelle muss mit einer anderen theoretischen Herangehensweise aufgefüllt werden – nicht um den instrumentellen Nutzen von Information für Entscheidungen zu bestreiten, aber doch als Korrektiv zu dieser zu einfachen 5 Zum Zwecke einer klaren Absetzung dieser Theorietraditionen von den von mir präferierten ist die Darstellung hier absichtlich zugespitzt. Vgl. zu diesen Ansätzen exemplarisch: Kydd, Methodological Individualism; Mintz/DeRouen, Understanding Foreign Policy Decision Making; Stein, Foreign Policy Decision-Making. Aus der älteren Forschung siehe überdies: Haftendorn, Theorie; Larson, Role of Belief Systems; Hunt, Ideology. 6 Vgl. Lehmkuhl, Entscheidungsprozesse; Niedhardt, Selektive Wahrnehmung. 7 Zum schwierigen Verhältnis von politikwissenschaftlicher und historischer Forschung zu internationalen Beziehungen siehe: Levy, Too Important; Schroeder, History.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
305
Konzeption. Hierfür bieten sich Überlegungen des Neoinstitutionalismus und der Systemtheorie an.8 Diese Theorietraditionen (auch weil sie von einer zu starren Modellbildung absehen) tendieren nicht zu einer rationalistischen Überhöhung des Phänomens der Entscheidung, und sie interessieren sich erst recht nicht für die kryptonormative Frage, wie rational Entscheidungen sind. Vor allem aber, und dies ist für die vorliegende Untersuchung wichtiger, erlauben sie es, die mög licherweise kultur- und situationsspezifisch variierenden Funktionen von Informa tion empirisch präziser zu konturieren. Denn es trifft zwar zu, dass Information zum Entscheiden diente und dient – aber eben nicht nur. Die gängige Kopplung von Information und Entscheidung, die natürlich auf der Selbstwahrnehmung der Akteure beruht, ist zwar nicht falsch, aber doch partiell eine Selbsttäuschung. Die Relation zwischen Information und Entscheidung ist stattdessen als komplex und nichtlinear zu denken: Entscheidungen können nicht kausal aus Informa tionen hergeleitet werden, und: Information besitzt noch weitere Funktionen als Entscheidungsfindung.9 Dies soll im Folgenden plausibel gemacht werden. Anhand von Untersuchungen zu modernen Organisationen hat der Neoinstitu tionalismus einige grundlegende Axiome zum Funktionieren von Organisa tionen infrage gestellt: So werde politisches und administratives Handeln oft, aber fälschlich, so beschrieben, als orientiere es sich an Werten und Zielen, die vorher festgelegt und hierarchisiert und im Vollbewusstsein aller Informationen eingeschätzt worden seien. Stattdessen kämen Entscheidungen de facto auf viel weniger lineare, oft anarchische Weise zustande.10 Allerdings arbeiten formalisierte Organisationen mit Rationalitätsmythen und stellen sich selbst und auch ihre Informationsnutzung als effizient und rational dar.11 Organisationen neigen daher zur Nachrationalisierung von Entscheidungen und befassen sich damit, „im nachhinein plausible Geschichten zu rekonstruieren, um zu erklären, wo sie gerade stehen, selbst wenn keine derartige Geschichte sie genau an diese Stelle gebracht hat.“12 Zudem „haben Organisationen die Tendenz, Nicht-Entschiedenes
8 Vgl. als programmatischen Text: March/Olsen, New Institutionalism; als Überblick vgl. Walgenbach, Institutionalistische Ansätze. Instruktiv zur Luhmannschen Entscheidungstheorie: Seidl, Kollektive Entscheidungen. Für eine andere Theorietradition, die aber in den Basisprämissen durchaus kompatibel erscheint, siehe auch: Lübbe, Theorie der Entscheidung. 9 Vgl. Feldman/March, Information in Organisations. 10 Vgl. Lindblom, Science; Cohen/March/Olsen, Garbage Can Model. 11 Vgl. Meyer/Rowan, Institutionalized Organizations. 12 Weick, Prozeß, 14.
306
Funktionen der Information
im Nachhinein als Resultat eines Entscheidungsvorgangs zu deklarieren“ und auch das Nicht-Entscheiden als eine Entscheidung zu behandeln.13 Doch neben diese strukturelle Ineffizienz treten andere Gründe. Besonders eingehend sind Martha Feldman und James March der Frage nachgegangen, warum – so der empirische Befund in modernen Organisationen – deren Umgang mit Informationen eben nicht (nur) zielgerichtet, instrumentell und effizient ist. Sie formulieren prägnant die übliche Vorstellung davon, wie Information und Entscheidung zusammenhängen: „[R]elevant information will be gathered and analyzed prior to decision making; informa tion gathered for use in a decision will be used in making that decision; available information will be examined before more information is requested or gathered; needs for information will be determined prior to requesting information; information that is irrelevant to a decision will not be gathered.“14
So einleuchtend d ieses idealtypische Modell ist – empirisch ist der Konnex zwischen Information und Entscheidungen in Organisationen oft eher schwach. Feldman und March weisen darauf hin, dass oft die gewonnenen Informationen nichts mit dem Thema zu tun haben, über das entschieden werden muss; dass Informationen auch dann weitergesammelt werden, wenn bereits eine Entscheidung gefallen ist; dass viele verfügbare Informationen gar nicht herangezogen werden, aber dennoch darüber geklagt wird, dass zu wenig Informationen vorlägen: „In short, most organizations and individuals often collect more information than they use or can reasonably expect to use in the making of decisions. At the same time, they appear to be constantly needing or requesting more information, or complaining about inadequacies in information.“15
Woran liegt das? Neben der möglichen Paralysierung von Organisationen durch Informationsüberlastung führen Feldman und March verschiedene Erklärungen an: Erstens s eien oft diejenigen Akteure, die die Information sammeln, und diejenigen, die für deren Auswertung und Nutzung zuständig sind, nicht dieselben.16 Das führe zu einer Situation, in der man sich lieber der Kritik aussetze, 13 Martens/Ortmann, Organisationen, 436. 14 Feldman/March, Information in Organisations, 172. 15 Ebd., 174. 16 Holzer, Spielräume, 267, formuliert, dass in Bürokratien „Sachwissen und Entscheidungskompetenzen oft nur lose gekoppelt sind“.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
307
zu viele als zu wenige Informationen beschafft zu haben. Zweitens neigten die Entscheidungsverantwortlichen dazu, den Nutzen von Informationen sehr hoch anzusetzen, ihre Beschaffungskosten aber sehr niedrig.17 Ein dritter, hier noch wichtigerer Grund für die schwache Kopplung von Informa tion und Entscheidung ist aber wohl, dass eine große Zahl der Informationen, die eine Organisation sammelt, gar nicht im „decision mode“, sondern im „surveillance mode“ beschafft wird.18 Das heißt: Organisationen sorgen für die Beschaffung auch von solchen Informationen, die im Moment überhaupt keine Entscheidungsrelevanz besitzen,19 von denen aber angenommen wird, dass sie irgendwann einmal Entscheidungsrelevanz besitzen könnten. Wenn also die Forschung stillschweigend Informationsgewinnung als etwas und nur als etwas behandelt, das im Rahmen von Entscheidungsprozessen behandelt werden muss, führt dies mindestens teilweise auf die falsche Fährte, denn es unterschätzt den Umstand, dass die Informa tionsgewinnung meist im Modus des Potentialis geschieht. Dieser ist viel charakteristischer ist als die gezielte Informationserhebung im Hinblick auf eine zu treffende Entscheidung. Denn es ist ja offenkundig, dass nicht alle Informationen, die eine Organisation zu gewinnen sucht, faktisch dem Entscheiden dienen (oder auch nur dienen sollen). Organisationen könnten Informationen für wichtig halten, um sich einen Gesamtüberblick über eine Situation zu beschaffen. Sie werden kurz-, mittelund langfristige, taktische wie strategische Informationen notwendig oder nützlich finden. Positiv formuliert heißt dies: Organisationen sammeln Informationen in einem viel höheren Maße als unmittelbar relevant, weil sie davon ausgehen, dass diese Informationen ihnen in einer unbekannten Zukunft ermöglichen werden, noch unbekannte Probleme zu lösen. Es geht also schlicht um die Erhöhung potentieller zukünftiger Anschlussfähigkeiten. Oder anders, eher ex negativo formuliert: Organisationen sammeln Informationen, um im Falle eines Falles keinen Fehler gemacht zu haben. Es geht also um Überblick, Vorsorge, Unsicherheitsminimierung. Dass Unsicherheit dabei nie vollständig aufgehoben werden kann, sondern mittels Informationen in beherrschbar scheinende Form gebracht wird, hat die Risikosoziologie einleuchtend herausgearbeitet.20 Organisationen zielen also auf „die H erstellung
17 Vgl. Feldman/March, Information in Organisations, 175 f. 18 Vgl. ebd., 174 – 176. 19 Vgl. ebd., 176. 20 Ich verweise nur auf Knights Unterscheidung z wischen Unsicherheit und (dem als beherrschbarer geltenden) Risiko; vgl. Knight, Uncertainty, 233, und die diese Unterscheidung immer wieder kritisch aufnehmende Diskussion, z. B.: Grundmann, Risiko soziologie; Bonß, Risiko; Luhmann, Risiko und Gefahr.
308
Funktionen der Information
eines tragfähigen Sicherheitsniveaus“21. Sie handeln aus Gründen der Vorsorge, der Unsicherheitsminimierung oder der Sicherheit – wenn man Sicherheit versteht als „ein dynamisches Nicht-Ereignis (= ein Fehler, der nicht eintritt)“.22 Sicherheit oder die Vermeidung/Minimierung von Unsicherheit ist insofern eine Funktion von Informationsgewinnung, als sie im Hinblick auf eine unbekannte Zukunft die Chance zu bieten scheint, potentielle Fehler zu vermeiden. Da aber die Zukunft ungewiss ist, kann diese Vorsorgefunktion im „surveillance mode“ durchaus zu einer gewissen Fetischisierung von Information führen, also zu einer Verselbstständigung der Informationsgewinnung, die zunehmend von der Frage danach abgekoppelt wird, ob sich mit ihr überhaupt jemals irgend etwas wird anfangen lassen. Dies leitet bereits über zur wichtigen symbolischen Funktion von Informationen. Sich als „Entscheider“ darzustellen, der die besten Informationsquellen besitze und nutze und sie in intelligenter und zielführender Weise einsetze: Dies sei, so Feldman und March, ein zentrales Selbstbild von Organisationsakteuren. „The gathering of information provides a ritualistic assurance that appropriate attitudes about decision making exist.“ Information sei daher oft nicht so sehr die Handlungsgrundlage, sondern eine „representation of competence and a reaffirmation of social virtue“23, eine Repräsentation also von Kompetenz und (dadurch) auch von Legitimität. Organisationen und ihre Mitglieder legitimieren sich über die Nutzung von Information und dadurch, dass sie zum Beispiel bessere Informa tionsquellen zu besitzen scheinen als die Organisationsumwelt.24 Subjektiv hat das auch dann, wenn Informationen für Entscheidungen gar nicht herangezogen werden, einen (wenn auch unspezifischen) instrumentellen Nutzen: Informa tionsbeschaffung erscheint für Organisationen als eine Art von Kontrolle über die Welt und ihre Probleme. Deshalb werden sie bei erfolgreichen Handlungen auch als relevant dargestellt.25 Dies kann in unübersichtlichen Konstellationen wiederum einen instrumentellen Effekt produzieren: Wenn über einen längeren Zeitraum unklar bleibt, ob eine Entscheidung gut oder schlecht gewesen ist und was dafür überhaupt Kriterien sein könnten, erscheint eine informationsbasierte Entscheidung als die bessere Lösung als eine nicht-informationsbasierte. Damit wird Information zum Signal für eine kompetente Entscheidung.26 21 Weick, Prozeß, 15. 22 Martens/Ortmann, Organisationen, 440 mit Rückgriff auf Weick/Sutcliffe, Managing the Unexpected, 40. 23 Feldman/March, Information in Organisations, 177. 24 Vgl. ebd., 178. 25 Vgl. ebd., 180. 26 Vgl. ebd., 179; zum Problem des signaling siehe auch: Meyer, Organizational Structure.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
309
Als Fazit können Feldman und March festhalten: „people who gather and use information will tend to be people who believe that information gathering is important.“27 Feldmans und Marchs Studie zeigt also, dass in Organisationen Informationen neben ihrem instrumentellen Nutzen für Entscheidungen auch ganz andere Funktionen besitzen: eine Funktion der Ver- und Absicherung und eine symbolische Funktion, die auf Statusfragen innerhalb der Organisation abzielt. Die Relation zwischen Information und Entscheidung erweist sich also als nichtlinear. Die gängige Kopplung von Information und Entscheidung verkennt, dass Informationen in der Regel nicht nur manifeste, intendierte Funktionen besitzen, sondern auch latente, unerkannte und unintendierte.28 Möglicherweise ist daher die Vorstellung zu einfach, „that the main point of a decision-making process is a decision“29. Nun ist die englische Regierung um 1700, wie dargestellt, kaum eine moderne Organisation. Die Frage ist also, in welchem Umfang die an modernen Organisationen gesammelten Befunde der zitierten Neoinstitutionalisten auch für die in dieser Studie beschriebene Konstellation zutreffen: für eine Regierung, die wesentlich schwächer bürokratischen Funktionsregeln folgt als moderne Organisationen, einen mit dieser Regierung eng verbundenen und dennoch vielfach herausgehobenen Akteur sowie zahlreiche informelle Netzwerke.30 In jedem Fall können die Befunde der Organisationssoziologie dazu anregen, den Konnex von Information und Entscheidung nicht allzu einfach zu konzipieren. Was tragen genuin historische Studien zu diesem konzeptionellen Problem bei? Obwohl das Problem der Entscheidung ein zentrales historisches Problem ist, fällt es doch gerade für die Frühe Neuzeit und gerade innerhalb bestenfalls rudimentär ausgebildeter bürokratischer Institutionen einigermaßen schwer zu rekonstruieren, wie Entscheidungen faktisch zustande kamen.31 In der Regel wird auch in der historischen Forschung wie außerhalb, und meist eher implizit als explizit, davon ausgegangen, dass Information dem Entscheiden dient. Dies scheint erstens schon deshalb plausibel zu sein, weil sich vor allem Politik historiker besonders für (kollektiv bindende) Entscheidungen interessieren und daher Information primär im Hinblick auf Entscheidungshandeln in den Blick 27 Feldman/March, Information in Organisations, 181. 28 Vgl. Merton, Manifest and Latent Functions. 29 March/Olsen, New Institutionalism, 742. 30 Vgl. dazu die Differenzierungen bei Feldman/March, Information in Organisations, 183. 31 Siehe zum Problem des Entscheidens aus historischer Sicht: Stollberg-Rilinger/Krischer (Hrsg.), Herstellung, darin u. a. Krischer, Problem des Entscheidens.
310
Funktionen der Information
gerät.32 Der instrumentelle Nutzen von Information ist daher auch in historischen Arbeiten in der Regel eine Ausgangsprämisse.33 In vielen Fällen kann sie auch gar nicht bestritten werden: Wenn etwa Kaufleute 34 und Diplomaten 35 Informa tionen sammeln und erwerben, dann hat dies in der Tat oft mit instrumentellen Zwecken zu tun. Wenn diplomatische Informationen in tradierte Denkrahmen eingefügt werden, um zu Entscheidungen etwa über Bündnisoptionen zu kommen, ist dies ohne Zweifel eine instrumentelle Funktion.36 Und wenn im Zuge der Rationalisierung von Herrschaft im 18. Jahrhundert 37 eine Aufwertung staat licherseits gesammelter Informationen über die Bevölkerung, die Geographie und die Ökonomie eines Territoriums zu beobachten ist, sollten diese Informationen politisch relevanten Entscheidungen dienen.38 „Die innere Expansion staatlicher Herrschaft erfolgte über die Zentralisierung von Wissen, auf dessen Grundlage die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse planvoll gesteuert werden sollten.“39 Dass die Politik planvoll gesteuert werden ‚sollte‘ – dies aber nicht immer gelang –, deutet aber überdies darauf hin, dass das im Laufe der Frühen Neuzeit stetig zunehmende Bemühen, Informationen jeder Art zu sammeln, auch mit einem sich langsam wandelnden Verständnis von Herrschaft zusammenhängt. Schon für das 16. Jahrhundert ist partiell ein „Planungsphantasma“40 der Herrschenden zu erschließen. Erst recht für das 18. Jahrhundert muss mit „einer gewandelten Vorstellung vom Funktionieren, von der Struktur und von der Steuerbarkeit sozialer Organisationen“41 gerechnet werden. Dieses P lanungsphantasma führte auch zu 32 Obwohl sich um genau diese relativ enge Fassung des Bereichs des Politischen, also die Fokussierung auf kollektiv bindende Entscheidungen, in jüngerer Zeit eine Debatte entsponnen hat, scheint mir dies doch die plausibelste Definition. Siehe in diese Richtung: Stollberg-Rilinger, Kulturgeschichte des Politischen. Gegen diese Fokussierung auf Entscheidungen polemisiert: Landwehr, Diskurs; siehe zur Diskussion: Weidner, Geschichte des Politischen. 33 Siehe so zuletzt auch die monumentale Studie von: Rule/Trotter, World of Paper, 11 f. u. 371 – 434. 34 Vgl. Brennig, Zeit. 35 Vgl. Friedrich, Beobachten und beobachtet werden. 36 Vgl. Externbrink, Kommunikation. Zum Begriff des Denkrahmens siehe: Zwierlein, Discorso und Lex Dei. 37 Vgl. Niedhart, Aufgeklärter Absolutismus. 38 Vgl. Brewer, Sinews of Power, 221 – 249; Higgs, Information State. 39 Gottschalk, Wissen, 171. 40 Brakensiek, Verwaltungsgeschichte, 278. 41 Friedrich, Archive und Verwaltung, 376.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
311
einer Aufwertung des Themenkomplexes Sicherheit – weil man immer stärker der Meinung war, Sicherheit lasse sich zum Beispiel durch planvolle Informa tionsgewinnung herstellen, oder mindestens lasse sich dadurch Unsicherheit minimieren.42 Spionage etwa konnte dabei (so eine der wenigen Studien, die sich auf die Frage nach ihren Funktionen überhaupt ernsthaft einlassen) eine Hilfsfunktion einnehmen: Sie war vor allem für die Defensive wichtig und wurde zur Absicherung genutzt.43 Das Sammeln von Informationen diente zudem offenbar einer verstärkten Selbstdarstellung von Herrschaft und Herrschern als besonders rational und wurde damit zum Instrument der Legitimitätsproduktion.44 Wenn Herrscher bestimmte arkane, etwa außenpolitische, Informationen an ihre Bevölkerung weitergaben, war dies ebenso ein Legitimierungsversuch, der im Gegenzug aber die Möglichkeit schuf, die Herrscher zu kritisieren.45 Dennoch – und das erklärt die zunehmend systematisierte obrigkeitliche Informations- und Medienpolitik der späteren Frühneuzeit – ist auch dieser symbolische Nutzen als à la longue instrumentell positiv eingeschätzt worden.46 In anderen Kontexten – dies ist bei den Überlegungen zum Netzwerkbegriff bereits angeklungen – konnte Informa tion dazu dienen, eine Patronagebeziehung anzubahnen oder zu stabilisieren.47 Der Akt des Informierens war auch eine Loyalitätsbekundung.48 Spezifisch frühneuzeitlich ist also der hohe Wert, der Patronagebeziehungen zugeschrieben wird und der oft eine Normenkonkurrenz von administrativem Funktionalismus und Patronagenorm hervorbringt.49 Information als Patronagewährung unterläuft eine zu eindeutige Unterscheidung zwischen instrumentellem und symbo lischem Handeln:50 Wenn Patronage auch für den Patron wie für den Klienten einen unbestreitbaren Nutzen besitzt, so muss doch dieser Nutzen weder für 42 Zu Sicherheit als Thema der frühneuzeitlichen Geschichte siehe Kampmann/Mathieu, Sicherheit; Kampmann/Niggemann (Hrsg.), Sicherheit; de Graaf/Zwierlein, Historicizing Security. 43 Vgl. Kahn, Historical Theory, 10. 44 Vgl. Behrisch, Politische Zahlen, 571. 45 Vgl. Gestrich, Politik im Alltag, 12; siehe auch Böning, Weltaneignung, 113 f. 46 Vgl. Weber, Johannes, Novellen, 22; zur symbolischen Nutzung obrigkeitlicher Informa tion siehe auch: Fogel, Les cérémonies. 47 Vgl. generell: Droste, Patronage. 48 Vgl. Brendecke, Imperium, 200. 49 Vgl. Thiessen, Diplomatie und Patronage, 37; Brendecke, Buch der Beschreibungen, 355. 50 Vgl. zu dieser Differenz Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, v. a. 497 f.; zu dieser Unterscheidung, aber auch den Überschneidungen beider Aspekte, siehe Köhler, Strategie und Symbolik.
312
Funktionen der Information
den Patron noch für den Klienten in einem unmittelbar instrumentellen Nutzen bestehen bzw. die Funktionen von Information als Patronagewährung können durchaus divers ausfallen: Erwartet sich ein Patron davon vielleicht einen instru mentellen Nutzen im Hinblick auf informationsbasiertes Handeln, so verfolgt der Klient andere instrumentelle wie symbolische Zwecke. Dabei, dies ist auch aus den Ausführungen über die neoinstitutionalistische Organisationstheorie deutlich geworden, können symbolische Funktionen durchaus sekundär dazu dienen, Zwecke zu erreichen. Bezieht man diese Überlegungen auf den Fall Marlborough, so ist daran zu erinnern, dass das meiste, was hier und im Folgenden über die Funk tionen der Informationsgewinnung gesagt wird, von Marlborough und der englischen Regierung, also von der Nachfrageseite her, gedacht ist. Es geht schließlich um deren Gewinnung von Information. Anders darstellen würde sich die Konstellation dann, wenn man von der Anbieterseite ausgehen würde, die ebenfalls partiell einbezogen werden muss, um zu klareren Aussagen über die generelle Funktionalität der Informationsgewinnung zu gelangen. Lucien Bélys Trias von Geld, Liebe und Religion mag den Nachteil haben, die Funktionen des Angebots von Information auf letztlich psychologische Motivlagen zu verkürzen,51 ist aber ein Hinweis darauf, dass die Funktionen, die Information/Informationsgewinnung besaß oder die ihr zugeschrieben wurden, danach differieren konnten, ob man Anbieter oder Nachfrager war. Dies scheint offensichtlich, ist aber im Hinblick zum Beispiel auf die Patro nageproblematik wichtig – wenn Informationsanbieter Marlborough mit Informationen versorgten, um Patronagebeziehungen anzubahnen, dann besaß die Information für Marlborough eine instrumentelle Funktion (im Hinblick auf die Nutzung der Information), für den Anbieter aber möglicherweise eine symbolische (die Erlangung von Gunst) und nur sekundär instrumentelle (die Förderung spezifischer Anliegen). Es wäre denkbar, dass bestimmte Funktionen der Information vorzugsweise in eher formal und amtsmäßig organisierten Strukturen, andere eher in informellen Netzwerken erfüllt werden. Im Rückgriff auf das vorherige Kapitel und im Vorgriff auf die weitere Untersuchung kann aber bereits hier thesenhaft formuliert werden, dass eine klare und eindeutige Zuordnung von Funktionen zu Strukturen nicht erkennbar ist. Es gibt zwar bestimmte Tendenzen und Funktionsübergewichte innerhalb bestimmter Strukturzusammenhänge (so ist etwa Patronage als Funk tion von Informationskontakten stärker in informellen Netzwerken als in formalen 51 Vgl. Bély, Espions, 52.
Funktionen der Information: Methodische Überlegungen
313
Amtsbeziehungen angesiedelt), doch insgesamt ergibt sich ein Bild eines komplementären Nebeneinanders der verschiedenen Strukturen im Hinblick auf die zu erreichenden Funktionen, aber keine klare Zuordnung von Strukturen zu Funktionen. Die Komplementarität der Strukturen, ihre Kooperation und daher auch ihr nie eindeutiger und einsinniger Bezug auf Funktionen ist schon deshalb ein wichtiger Befund, weil dies im Rahmen etwa der Funktionstheorie Robert Mertons anders gesehen wird. Merton formulierte axiomatisch: „Structure affects function and function affects structure“52. Dies ist eine sehr zugespitzte These, die mit der oben zitierten Aussage Luhmanns (die Strukturen als „prekäre Übersetzungen“ von Funktionen charakterisiert 53) zusammenpasst und die im Folgenden zu überprüfen ist. Für den Fortgang der Untersuchung heißt dies, dass neben dem entscheidungsleitenden Nutzen von Information mindestens drei weitere Funktionen zu identifizieren sind: Sie dient der Vorsorge, der Unsicherheitsminimierung und dem Überblick; sie lässt sich als Patronagewährung gebrauchen; sie ist ein Symbol für Effizienz und Kompetenz, das für die eigene Legitimation nutzbar zu machen ist. All dies sind Funktionen, die in mehr oder minder strategischer Weise auch der Erreichung von Zwecken dienen können – nur sind dies andere Zwecke als derjenige der Entscheidung. Die vier Hauptfunk tionen der Informationsgewinnung sollen im Folgenden am Quellenmaterial exemplifiziert werden; manchmal geschieht dies im Rückgriff auf verstreute Quellenbelege, die synthetisiert werden, manchmal auch mit Bezug auf besonders einschlägige Einzelbeispiele. Dabei sollen die ersten beiden Punkte – ‚Entscheidung‘ und ‚Vorsorge/Sicherheit‘ – gemeinsam behandelt werden, weil sie beide wenigstens potentiell auf eine instrumentelle Funktionalisierung von Information zielen; Informationen, die zur Vorsorge und zur Absicherung gewonnen werden, sind ja mindestens dazu gedacht, in bestimmten noch unbekannten, unvorhersehbaren Situationen entscheidungsrelevant werden zu können. Dies gilt für die Informationen, die hier den Funktionen Patro nage sowie Kompetenz- und Legitimitätsrepräsentation zugeordnet werden, nicht in derselben Weise.
52 Merton, Manifest and Latent Functions, 136. 53 Vgl. Luhmann, Zweckbegriff, 261.
314
Funktionen der Information
4.2 Instrumentelle Funktionen von Information You never know what you‘re going to need when you need it. Dick Cheney You never know what is enough unless you know what is more than enough. William Blake
4.2.1 Nützlichkeit und Nutzung von Informationen
Dass Information auf instrumentelle Weise – also zum Handeln – nützlich ist, ist eine geradezu axiomatische Auffassung Marlboroughs und der englischen Regierung.54 Allerdings wird diese Auffassung – wohl weil sie den Akteuren trivial erscheint – selten programmatisch geäußert. Wieder ist es Defoe, der, selbst ein Spion, den Nutzen von Information und Spionage besonders klar ausdrückt und diesen Nutzen auch in bestimmter Weise perspektiviert. Spionage sei dann besonders nützlich, wenn gleichzeitig feindliche Spionage verhindert werde: „As intelligence abroad is so considerable, it follows in proporcion that the most usefull thing at home is secrecy; for, as intelligence is the most usefull to us, so keeping our enemyes from intelligence among us is as valluable a head.“55 In einem Brief an Godolphin betont Defoe den Nutzen gerade geheimer Informationen als Instru ment einer arkanen Regierungspolitik, die für ein als public, als Öffentlichkeit, angesprochenes Gemeinwohl agiere: „I kno (!) nothing can be more agreeable to your Lordshipp or more useful to the publick services than plain, naked, and unbyasst accounts both of persons and things, and your Lordshipp shall always find me endeavouring to act the honest rather than the artfull part in my accounts.“56 Und wieder sind es eher gewiefte Spionageorganisatoren als Politiker – nämlich 54 Dies entspricht modernen Auffassungen zum Nutzen von Spionage. Interessanterweise ist in jüngerer Zeit das Konzept der „actionable intelligence“ entwickelt worden, also einer Spionage, die durch ihre Effizienz von vornherein darauf ausgerichtet ist, handlungsleitend wirken zu können. Vgl. Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 15. Der Ausdruck „actionable intelligence“ belegt dabei zweierlei: erstens den Wunsch nach prompter Nutzung von Information, zweitens (implizit) den Umstand, dass dies nicht immer ganz einfach ist. 55 Warner, Unpublished Political Paper, 137. 56 Defoe an Godolphin, 20. Mai 1708, in: HMC Marlborough, 48.
Instrumentelle Funktionen von Information
315
Jaupain und Caillaud –, die hin und wieder maximenartig ihre Einstellung dazu preisgeben, wie mit der überbordenden Menge von Informationen umgegangen werden soll. Jaupain etwa, dies war oben bereits zitiert worden, äußerte M arlborough gegenüber, es sei „mieux donner un avis superflux que d’en negliger un necessaire“57. Angesichts der Unsicherheit darüber, welche Informationen nützlich sein könnten, sei es unumgänglich, so viele wie möglich zu sammeln. Eine ähnliche Auffassung formuliert auch Caillaud: Es gebe zwar „des nouvelles qu’on regarde comme romanesque, et a quoy on ne fait pas d’atention“, aber dies sei falsch: „en bonne Politique, on ne doit rien negliger, et qu’il faut faire usage de tout“58. Dass man allerdings kaum „usage de tout“ machen konnte, die englische Regierung dies weder jemals vorhatte noch jemals tat, erinnert wieder an eine organisationssoziologische Beobachtung: Informationsbeschaffer und Entscheidungsträger sind nicht identisch, und ihre Vorstellungen darüber, worin der generelle und spezifische Nutzen von Informationen besteht, differieren möglicherweise.59 Auch sonst wird in der Korrespondenz etwa z wischen Marlborough und ihm verbundenen Informanten unspezifisch auf die Nützlichkeit der jeweils gelieferten Information abgehoben. Allerdings geschieht dies meist im Konjunktiv: So weist Cardonnel Jaupain an, dieser möge Marlborough alles berichten, „que Vous croyerez lui puisse estre d’aucune utilité“60, oder auch eine besonders ertragreiche feindliche Korrespondenz weiter interzipieren, „qui peut etre d’une grande u tilité“61. Ein Bewerber für den Posten eines Spions verweist gegenüber Sunderland auf die Nützlichkeit der von ihm prospektiv zu liefernden Informationen für die Regierung;62 die Bezahlung für Caillaud wird mit Hinweis auf die Nützlichkeit seiner Spionage begründet,63 und Caillaud selbst bringt das naheliegende Argument der Nützlichkeit ins Spiel, als ihm gegen Ende des Krieges die englische Regierung die Weiterbeschäftigung verweigern will.64 Dass in allen diesen Fällen von einer instrumentellen Nützlichkeit die Rede ist, liegt auf der Hand. Wenn „utilité“ behauptet wird oder eine Information als „useful“ eingeschätzt wird, ist immer gemeint, dass die vorliegende Information strategische oder taktische Bedeutung besitzt, kurz- oder langfristig also dazu 57 Jaupain an Marlborough, 6. Januar 1707, in: BL Add. 61264, 129r. 58 Caillaud an Blathwayt, 8. Januar 1704, in: BL Add. 38711, 3v–4r. 59 Vgl. Feldman/March, Information in Organisations, 175 f. 60 Cardonnel an Jaupain, 3. Dezember 1709, in: BL Add. 61400, 50v. 61 Cardonnel an Jaupain, 24. März 1709, in: BL Add. 61400, 127r. 62 H. P. an Sunderland, 22. Februar 1709/10, in: BL Add. 61596, 68r. 63 Vgl. Blathwayt an Lowndes, 9. Juni 1697, in: Dedieu, Rôle politique, 336. 64 Vgl. Caillaud an Lewis, 21. Oktober 1712, in: Dedieu, Rôle politique, 355.
316
Funktionen der Information
dient, im Sinne des Sprechers ‚bessere‘ Politik zu machen. Dies wiederum heißt: bessere, richtige Entscheidungen zu treffen oder die Möglichkeit zu besitzen, Fehler zu vermeiden, also angesichts einer unüberschaubaren Lage und einer unklaren zukünftigen Entwicklung Unsicherheit zu minimieren. Marlborough und die englische Regierung sehen sich sehr weitgehend im „decision mode“ und im „surveillance mode“, wenn sie auf die extensive Sammlung von Information dringen. Viel seltener als dieses – analog zum angesprochenen ‚Planungsphantasma‘ der Politik des 18. Jahrhunderts – vielleicht als ‚Nützlichkeitsphantasma‘ zu rubrizierende Phänomen findet sich aber die nachträgliche Einschätzung, diese oder jene spezifische Information sei tatsächlich in diesem Sinne von Nutzen gewesen.65 Was lässt sich aber für Marlborough und die englische Regierung über die Verarbeitung und Nutzung von Information überhaupt sagen? Um diese Frage zu beantworten, sollen die verschiedenen Schritte oder Stadien, aus denen sich ein so diffuses und komplexes Phänomen wie ‚Nutzung‘ zusammensetzt, analytisch getrennt und jeweils gesondert behandelt werden. Michael Kempe hat aus der Perspektive einer Wissensgeschichte der Spionage vier epistemische Opera tionen ausgemacht: das Sammeln von Information, ihre Analyse, ihre Beurteilung, schließlich ihre Verwertung.66 Als fünfte Operation könnte man das Aufbewahren und Archivieren von Information nennen, die es möglich machen, s päter auf sie zurückzugreifen und langfristig aus ihr zu lernen.67 Allerdings sind diese fünf Operationen anhand des Quellenmaterials der vorliegenden Studie kaum trennscharf und zufriedenstellend zu beleuchten. Dies mag daran liegen, dass (anders als im Fall des von Kempe analysierten, vor allem gegen innenpolitische Gegner eingesetzten Geheimdienstes Walsinghams im 16. Jahrhundert) die Informationssammlung meist gerade nicht im ‚decision mode‘ stattfand. Daher erübrigten sich die Schritte von Analyse bis Verwertung zum Teil von vornherein. Kempe geht es um Walsinghams Überwachung 65 Vgl. als Beispiel Sunderland an Cadogan, 22. November 1709, in: BL Add. 61651, 195v, wo es heißt, Cadogan möge für die weitere Überwachung möglicher französischer Aufrüstungen in Dünkirchen denselben Spion einsetzen wie im Kontext des Invasionsversuches aus dem vorherigen Jahr, „whose Intelligence prov‘d very usefull“. 66 Vgl. Kempe, Burn after Reading, 363 – 365. 67 So würde aus der Informationsgewinnung, ähnlich wie in der zyklischen Phasenheuristik der policy cycle-Forschung, ein rekursives Geschehen, ein methodisch abgesichertes Vorgehen. Vgl. Blum/Schubert, Politikfeldanalyse; siehe auch: Hall, Policy Paradigms. Zum analogen intelligence cycle siehe knapp: Krieger, Geschichte der Geheimdienste, 15.
Instrumentelle Funktionen von Information
317
verdächtiger Untertanen – deshalb beginnt bei Kempe für Walsingham das Erheben von Information in dem Moment, in dem ein Anfangsverdacht vorliegt, weswegen dann halbwegs spezifische Informationen gesammelt werden, die diesen Verdacht erhärten sollen.68 Dies ist aber gerade nicht der Ausgangspunkt Marlboroughs und der englischen Regierung. Sie sind nur im Ausnahmefall auf spezifische, bereits im Vorfeld zu spezifizierende Informationen aus. Stattdessen geht es ihnen beim Aufbau und Einsatz von Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerken, bei der Informationsgewinnung auf politischer, diplomatischer und militärischer Ebene um die Erhebung möglichst vieler unterschied licher Informationen, die nicht alle einem konkreten Nutzen gedient haben können, sondern vor allem für die Gewinnung eines Überblicks als notwendig erachtet wurden. Die Informationen, die Diplomaten, Spione und Militärs um 1700 beschafften, umfassten ja ein äußerst großes Spektrum: von der landeskundlichen Belehrung über dynastische Informationen bis hin zu strategisch oder taktisch einschlägigen Informationen über feindliche Operationen. In einem vielsagend „The Kinds of Information Which Interested Diplomats“ überschriebenen Abschnitt seines Buches weist William Roosen darauf hin, dass „the amount and variety of information which they wrote about cannot be overemphasized“69. Dabei interessiert sich Roosen nur für diplomatische Akteure im engeren Sinne – also eine kleinere Gruppe als die, um die es in der vorliegenden Studie geht. Marlborough äußerte gegenüber englischen Politikern oder Heinsius immer und immer wieder den Wunsch, sich aus Politik und Krieg zurückzuziehen. War dies sicher auch ein politisches Druckmittel 70, so ist doch bedeutsam, dass er auch in privaten Briefen an seine Frau oder an Godolphin ständig von Überlastung sprach.71 Stellt man in Rechnung, dass information overload ein breit diskutiertes Phänomen der Zeit darstellt,72 wird vorstellbar, dass Marlboroughs Rückzugswunsch eben auch mit Informationsüberlastung 68 Vgl. Kempe, Burn after Reading, 364. 69 Roosen, Age of Louis XIV, 143. 70 Vgl. Jones, Marlborough, 73; Speck, Birth of Britain, 11. 71 Vgl. Holmes, Marlborough, 308, der Migräneanfälle diagnostiziert. Auch schlechte Nachrichten drückten auf die Stimmung: „I find that every ill news has soe great an effect upon my temper, that if I continue serving, I shall bee very miserable.“ Marlborough an Sarah, 9./20. April 1703, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 166. 72 Vgl. zur Diskussion in der englischen Literatur um 1700: Ellison, Fatal News. Das Problem ist bisher vor allem in wissensgeschichtlichen Kontexten bearbeitet worden. Siehe Rosenberg, Early Modern Information Overload; Blair, Reading Strategies.
318
Funktionen der Information
oder doch mindestens mit einem relativ nachvollziehbaren Problem der aufmerksamkeitsökomischen Prioritätensetzung zu tun haben dürfte.73 Obwohl dies in den Quellen kaum explizit benannt wird (und ohne psychologisch allzu wild spekulieren zu wollen), kann man zudem festhalten, dass die riesige Menge an Briefen es subjektiv wie objektiv schwierig machte, wichtige von unwichtigen Informationen zu unterscheiden.74 Berichtet wurde das, was für wichtig gehalten wurde, und das, von dem man annahm, dass es der Adressat noch nicht wisse, es aber brauchen könne – so war in der Einleitung „Information“ definiert worden. Relevanzkriterien oder Suchstrategien waren daher nur im Einzelfall zu benennen; generalisieren ließen sie sich nicht, wollte man nicht die Gefahr heraufbeschwören, versehentlich etwas Wichtiges zu vernachlässigen. Schon wegen dieser breiten Streuung ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Informationen nur mit der Absicht gesammelt wurden, direkt benutzt werden zu können – auch deshalb ist es so schwierig, ihre spezifische Funktion genau zu bestimmen.75 Eben wegen der Quantität, aber auch der diffusen und polymorphen Qualität der gewonnenen Informationen ist es nicht möglich, die recht lineare Abfolge epistemischer Operationen, die Kempe skizziert, am Fall Marlboroughs nachzuvollziehen. Dennoch können einzelne der Operationen, wenn auch nur skizzenhaft, konturiert werden. Das Sammeln von Information als erste dieser fünf Operationen hat im bisherigen Verlauf der Untersuchung im Vordergrund gestanden. War schon ihre Erforschung umfangreich und kompliziert, so war sie doch immerhin möglich; die Strukturen und auch die in ihrem Rahmen verwandten Praktiken der Informationsgewinnung ließen sich einigermaßen deutlich rekonstruieren. Für die anderen Schritte, die Kempe vorschlägt, gilt dies nicht in gleichem Maße. Schon der Aspekt der Analyse gestaltet sich nicht einfach (mit Analyse ist hier im Anschluss an Kempe die Zusammensetzung von Faktenwissen aus unterschiedlichen Informationsquellen gemeint). Er fällt oft mit dem Aspekt der Bewertung zusammen und ist deshalb in der Darstellung nicht sinnvoll zu isolieren. Ich beginne also mit einigen Bemerkungen zu Analyse und Evaluation von Information, bevor der Bereich der Archivierung 73 Vgl. zum Komplex der Aufmerksamkeitsökonomie: Simon, Designing Organizations; Franck, Ökonomie der Aufmerksamkeit. 74 Siehe Kittler, Signal, 344: „Daß das Maximum an Information nichts anderes besagt als höchste Unwahrscheinlichkeit, macht es aber vom Maximum an Störung kaum mehr unterscheidbar.“ Zur Unterscheidung von Information und Störung/Rauschen/noise siehe auch Luhmann, Soziale Systeme, 197. 75 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 143 – 148.
Instrumentelle Funktionen von Information
319
von Informationen skizziert werden soll. Dem Problem der praktischen Verwertung (zum Beispiel im Rahmen einer politischen Entscheidung) widmen sich die Kapitel 4.2.2 und 4.2.3. Lässt sich überhaupt nachvollziehen, wie Informantenberichte – z. B. Briefe von Spionen – gelesen wurden? Die Quellen geben hierfür wenig konkrete Hinweise. Obwohl um 1700 im gelehrten Bereich bereits eine Vielzahl elaborierter Praktiken des Lesens bereitstanden, die durchaus auch zum Kernbestand administrativer Praxis gehörten (etwa das Anfertigen von Regesten oder Exzerpten zur Weiterverwendung)76, sind doch gerade in den Spionageberichten, die Marlborough oder Sunderland vorlagen, kaum Spuren dieser aktiven Lesepraxis zu entdecken. Hin und wieder finden sich zwar handschriftliche Anstreichungen oder Vermerke, aber es ist offenkundig, dass in der überwältigenden Zahl aller Fälle die Berichte und Briefe zwar (möglicherweise) gelesen wurden, dass aber vor allem ein Themenbereich ein intensiveres Interesse englischer Regierungsmitglieder fand: die Gefahr einer französisch-jakobitischen Invasion und, damit zusammenhängend, die Größe und Ausrüstung der französischen Kriegsflotte. Dies ist der Bereich, in dem in größerem Umfang Randnotizen und Unterstreichungen auftreten.77 Im Vorfeld der Dünkirchen-Invasion im Frühjahr 1708 schreibt auch Caillaud selbst Kurzregesten, um die Aufmerksamkeit der regierungsseitigen Leser auf Kernaussagen zu lenken; er formuliert dort Hypothesen im Hinblick darauf, was sich vor seinen Augen entwickelt: „Il n’est pas a douter ou l’ennemy a quelque dessein, soit en Angleterre, Ecosse, soit sur les cotes d’Hollande […] J’ay Escrit pour qu’on ait soin de nous jnformer de toutes choses autant qu’il ce poura Les penetrer en France.“78 Auch außerhalb dieses Themenbereiches war es Caillaud, der (im Hinblick auf die katastrophale Finanzsituation Frankreichs im Jahr 1709) zuweilen die Berichte seiner Spione mit Bemerkungen wie „ce sy merite attention“ versah, um die Rezeption der englischen Regierung zu lenken oder um deutlich zu machen, was er sich von der englischen Regierung erhoffte.79 Sunderland und seine Mitarbeiter dagegen interessierten sich – soweit man dies aus Anstreichungen schließen darf – auch nach dem Frühjahr 1708 vor allem für die Möglichkeit eines nochmaligen 76 Vgl. Zedelmaier, Buch; Vismann, Akten, 169 – 179; Blair, Reading Strategies. 77 Vgl. z. B. aus den Newsletters des Caillaud-Spions „Martine“, BL Add. 61557, 102v. 78 Caillaud an Sunderland, 28. Februar 1708, in: BL Add. 61551, 17v–18r. 79 Caillaud an Sunderland, 23. Juli 1709, in: BL Add. 61564, 164r. Luhmann, Soziologische Aspekte, 597, sieht in der Formulierung spezifischer „Entscheidungserwartungen“ sogar einen der wichtigsten Aspekte von Information bzw. eines der wichtigsten Motive desjenigen, der Informationen beschafft.
320
Funktionen der Information
Invasionsversuches.80 Insgesamt gewinnt man auch hier wieder den Eindruck, dass der hugenottische Spionageunternehmer Caillaud sich viel umfassender für die Gesamtsituation des Krieges und den Zustand seines Heimatlandes Frankreich interessierte als die englischen Under-Secretaries, deren Anstreichungen jedenfalls ausschließlich auf die Frage der französischen Marinestärke und eine Invasionsgefahr zielten. Dieser Bereich der Beobachtung französischer Häfen und Flottenaktivitäten ist im Übrigen auch das einzige Thema, das die Secretaries dazu veranlasste, ihre Spionageberichte häufig, allerdings in unregelmäßigen Abständen, zur Kenntnisnahme an die Commission of the Admiralty zu schicken.81 Auch umgekehrt versorgte die Admiralitätskommission die Secretaries of State manchmal mit Spionageberichten, die diese dann zum Beispiel auch Marlborough zugänglich machten.82 Hier liegt also Informationsaustausch z wischen verschiedenen Zweigen der Regierung vor, der durchaus routinemäßig ablief, aber nicht den Normalfall darstellte. Damit kann bereits zum zweiten Punkt in Kempes Stadienschema, der Evalua tion von Information, übergegangen werden. Wie bewertet man Information, vor allem im Hinblick auf die fundamentalste aller Fragen: Stimmen die Informationen? Wie geht man mit d iesem Problem um, wenn für eine gegebene Information oft nur ein einziger Bericht vorliegt und wenn langwierige Evaluationsoperationen in manchen Fällen schon deshalb ausfallen müssen, weil das Spionagegeheimnis gerade im Krieg unter Zeitdruck gewonnen wird und genutzt werden soll? „Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekömmt“, heißt es noch bei C lausewitz, „ist widersprechend, ein noch größerer ist falsch und bei weitem der größte einer ziemlichen Ungewißheit unterworfen.“83 Kempe bezeichnet das aus vor allem geheimer Informationsgewinnung stammende Wissen insofern auch als „suspektives Wissen“ – „ein Wissen, das den Selbstzweifel kaum je ganz abzuschütteln 80 Siehe den Brief Caillauds vom 23. November 1708, wo der Leser folgenden Satz unterstrichen hat: „L’on parle mesme sourdement du renouvellement de l’entreprise du petit Roy Jacques, qui doit diton aller incognito à Brest“ (BL Add. 61557, 177r). 81 Siehe die vom Under-Secretary oder einem Clerk stammende Randbemerkung „sent to admiralty“ o. ä., in: BL Add. 61498, 137r; BL Add. 61548, 117v, 120r u. passim; BL Add. 61549, passim; BL Add. 61551, passim; BL Add. 61553, 164v, 184v, 196v u. Ä.; BL Add. 61557, 102v; BL Add. 61561, 10v; BL Add. 61653, 130r. Zur Informationsgewinnung der Admiralität siehe knapp: Hattendorf, England, 36. 82 Siehe Boyle an Marlborough, 25. August 1710, in: BL Add. 61130, 169r sowie Josiah Burchett, Secretary of the Admiralty, an Sunderland, 5./16. Februar 1707/08, in: BL Add. 61582, 56r; Pringle an Burchett, 13. Juni 1710, in: BL Add. 61653, 214r. 83 Clausewitz, Vom Kriege, 92. Zum berühmten ‚Nebel‘ des Krieges, der aus dieser Situa tion erwächst, siehe ebd., 65.
Instrumentelle Funktionen von Information
321
vermag, ein Wissen mit dem Index des Fragwürdigen, des Trügerischen“84. Ist unter solchen Bedingungen überhaupt Verifikation möglich?85 Vormoderne Politiker besaßen kaum Möglichkeiten, aus der Vielzahl eingehender Informationen sicheres Wissen zu generieren, waren überdies mit Gerüchten und Halbwissen konfrontiert und wussten dies auch.86 Für die Regierung in London bedeutete dies noch mehr als für den auf dem Kriegsschauplatz stehenden Herzog von Marlborough: „Our world heer is full of storys, […] but it is hard to judg (!) without hearing the circumstances & what can be alleag’d on both sides.“87 Auch die oben beschriebene mangelnde Ausdifferenzierung dessen, was überhaupt als Information angefordert und geliefert wurde, machte eine diffe renzierte Evaluierung schwierig. Zwar war auch Marlborough, und dies ist bei den Ausführungen etwa über Newsletters deutlich geworden, an den europäischen „Nachrichtenhimmel“ angeschlossen. So nennt Cornel Zwierlein die politisch- mediale Konfiguration, die seit dem 16. Jahrhundert „ein ständig aktualisiertes Bild von großen Teilen Europas“ generierte, „das zudem an allen Empfangspositionen weitgehend identisch war“.88 Hätte man sich Zeit gelassen, hätte der Nachrichtenhimmel einem nach und nach fast alle Informationen präsentiert, die man hätte wissen wollen, und dabei auch Falschinformationen sukzessive aussortiert. Doch die Zeit, Informationen sorgfältig zu evaluieren – etwa durch das Einholen zweiter, dritter, vierter Augenzeugenberichte –, fehlte im Krieg nicht selten, und zwar nicht nur im unmittelbaren militärischen Kontext. Das gesamte Informa tionserhebungsverhalten der englischen Regierung und Marlboroughs fand angesichts der Kriegssituation unter Hochdruck statt. Alles wurde immer als sehr wichtig und als sehr dringlich empfunden. Es mangelte nicht am Willen zur sorgfältigen Evaluierung, sondern an Zeit dafür.89 Die allgegenwärtigen Klagen über die Langsamkeit und Unzuverlässigkeit der Post sind ein besonders hervorstechendes Indiz für diese Empfindung von Zeitdruck. In der Forschung ist sowohl die Rede von
84 Kempe, Burn after Reading, 363. Die berüchtigte Aussage des früheren US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld mag politisch fragwürdig sein, trifft aber in der Sache zu: „There are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns – there are things we do not know we don‘t know.“ 85 Skeptisch dazu: Horn, Der geheime Krieg, 31. 86 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 157. 87 Harley an Marlborough, 6./17. Juni 1704, in: BL Add. 61123, 12r. 88 Zwierlein, Discorso und Lex Dei, 278. 89 Siehe Horn, Der geheime Krieg, 135: „Im Kriegsgeheimnis geht es nicht mehr um die Differenz wissen/nicht wissen, sondern um früher/später wissen.“
322
Funktionen der Information
einem „strukturellen Nachrichtendefizit“90 als auch von einem „zumeist herrschende(n) Nachrichtenchaos“91. Beides trifft wohl zu: Die Beschaffung von (immer als zu wenig erscheinenden) Informationen und die Bändigung der (dann immer zu unübersichtlichen) Informationssituation gelang nur partiell. Vor diesem Hintergrund trifft es sowohl zu, dass die Akteure zu viele Informationen besaßen (die sie nicht vernünftig verarbeiten konnten) als auch zu wenig (weil ihnen Informationen zur Bewertung anderer Informationen fehlten). Die große Vielzahl von Informa tionen schloss gerade nicht aus, dass konstant darüber geklagt wurde, man habe zu wenig davon: Informationsgewinnung, das zeigen organisationssoziologische wie historische Studien, wird immer als defizitär eingeschätzt.92 Welche Evaluationsmöglichkeiten standen hinsichtlich dieses inhaltlich diffusen und epistemologisch unklaren Wissens sowie eines subjektiv empfundenen Zeitdrucks überhaupt zur Verfügung? Was jedenfalls nicht zur Verfügung stand, waren institutionalisierte, formalisierte Mechanismen der Evaluation, schon gar nicht solche, die alle der Regierung zugehenden Informationen zentral ausgewertet hätten. Um die begrenzten vormodernen Möglichkeiten der Analyse und Bewertung klar zu konturieren, ist es hilfreich, sie vom (post)modernen Ansatz der Big Data abzugrenzen. Dies ist deshalb nicht abwegig, weil Big Data ja vor allem dadurch definiert ist, dass die Menge an gesammelten und der Analyse zugrunde gelegten Daten sehr groß ist – und auch die Informationsflut, der sich die eng lische Regierung um 1700 gegenübersah, als überwältigend groß (gleichzeitig aber als diffus und defizitär) empfunden wurde. Während es aber in der Gegenwart darum geht, aus einer großen Zahl homogener Daten statistische Muster abzulesen, also gerade nicht auf individuelle Ausprägungen zu achten,93 kann – dies ist trivial, aber wichtig – vormoderne Informationsanalyse nicht nach statistischen Mustern suchen, sondern muss im Gegenteil Einzelfälle je separat analysieren. Doch selbst in dieser Hinsicht ist die Vorgehensweise der englischen Regierung kaum als methodisch zu bezeichnen. Insgesamt ergeben sich hinsichtlich der Frage nach ‚Nutzung‘ von Information vor allem zwei Charakteristika: näm lich die weitgehend ad hoc verfahrende Vorgehensweise der englischen Regierung und Marlboroughs und ein sehr niedriger Grad an Systematisierung der Informationsnutzung. Die Informationsevaluation der englischen Regierung blieb punktuell und spezifisch, d. h. auf je einzelne Informationen bezogen. Einzelne Akteure evaluierten auf der Grundlage ihrer verschiedenen Informationsquellen, 90 Gestrich, Absolutismus, 137. 91 Anklam, Wissen, 159. 92 Vgl. Friedrich, Delegierter Augenschein, 129. 93 Vgl. Boyd/Crawford, Critical Questions.
Instrumentelle Funktionen von Information
323
gegebenenfalls auch gemeinsam, die Informationen. Die Schwierigkeiten der Evaluierung sind wohl ein Hauptgrund dafür, dass die von der Forschung manchmal gezeichnete Sonderstellung Marlboroughs und auch die Vorstellung eines von der englischen Regierung unabhängig agierenden Informationssystems nicht zutreffen dürfte: Marlborough brauchte nämlich nicht nur zum Sammeln von Information, sondern auch für deren Bewertung die Informationskanäle anderer Regierungsmitglieder. Allerdings wurden die Evaluierungsmechanismen nicht aus sozialen oder politischen Beziehungen entbettet; sie blieben gebunden an die persönliche oder politische Nähe z wischen den Akteuren. Das heißt: Marlborough tauschte sich mit Godolphin aus – aber auch mit den Secretaries of State, vor allem aber dann, wenn sie ihm persönlich oder politisch nahestanden. Informationsbewertung fand vor allem auf zwei Arten statt: erstens durch den Abgleich von Informationen, zweitens durch die Einschätzung des Informanten. Daneben stand drittens die Lektüre von interzipierten feindlichen Briefen – die schon deshalb hochgeschätzt wurden, weil sie authentisch wirkten und dies auch meistens waren. Damit boten sie in einer Situation, in der Evaluation nur schwierig durchzuführen war, den Vorteil, hinsichtlich ihres Informationsgehaltes nicht mehr weiter evaluiert werden zu müssen.94 Interzipierte Briefe konnten wegen dieses unterstellten epistemologischen Status eingesetzt werden, um ihrerseits andere Informationen zu bestätigen.95 Ähnlich wurden auch gedruckte Zeitungen genutzt.96 Beim Abgleich möglichst mehrerer Informationen zum selben Themenbereich ging es darum, erhaltene Informationen mittels anderer zu bestätigen,97 aber auch um „Überschneidungswissen“, also um die Zusammensetzung von Informa tionen aus verschiedenen Quellen zu einem Gesamtbild.98 Die Korrespondenten 94 Allerdings mussten sie manchmal erklärt und interpretiert werden. Vgl. Marlborough an Sunderland, 28. Januar 1708/09, in: BL Add. 61494, 107r: „You will by this post receive […] the copies of three letters from Mons.r de Bergieck, if you please to keep them till my arrivall in England I shall be able to explain some part of them, which is not to be done so well by letter.“ 95 Vgl. z. B. Marlborough an Heinsius, 3. September 1704, in: The Correspondence 1701 – 1711, 129; Sunderland an Lawes, 17. Mai 1709, in: BL Add. 61651, 165v. Dort heißt es über einen interzipierten Brief, man ersehe aus ihm, „that the victory they boast of in Portugal, is not near so considerable as the other letter would make it appear to be“. 96 Marlborough an Godolphin, 3./14. Oktober 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 700: „I send you one shete of the Paris Gazet, that you may see what thay say of the affaires of Spain. I hope you will have better news from that country by the way of Portugale.“ 97 Vgl. Hattendorf, England, 31. 98 Vgl. Hahn, Geheim, 36.
324
Funktionen der Information
Marlboroughs wussten, dass ihre Berichte selten exklusiv rezipiert wurden. Eine Standardformulierung für diese Situation lautete: „Your Grace will likewise hear from other hands […]“99. Mehrere gleichlautende Berichte erhöhten die Glaubwürdigkeit einer Information dramatisch.100 Der Ver- und Abgleich verschiedener, auch auf verschiedenen Wegen gewonnener Informationen stellte eine Standardpraxis innerhalb der verschiedenen Zweige der englischen Regierung dar;101 zusätzlich glich Marlborough seine Spionageinformationen mit Heinsius ab.102 Schon aus d iesem Grund ist eine eindeutige Zuordnung von bestimmten Informationsstrukturen zu bestimmten Funktionen (wie dies oben mit dem Merton-Diktum eingeführt wurde) nicht plausibel. Die Strukturen der Informa tionsgewinnung wurden komplementär genutzt. Der Abgleich verschiedener Information musste besonders dann Anwendung finden, wenn Informationen von einem weit entfernten Kriegsschauplatz erlangt werden sollten, vorzugsweise von der Iberischen Halbinsel. Für die süd lichen Niederlande war Marlboroughs Informationslage naturgemäß viel besser. Marlborough und Godolphin hielten sich gegenseitig auf dem Laufenden darüber, wer von beiden Newsletters aus Portugal zuerst erhielt;103 doch für die spanische Situation wurden daneben auch Korrespondenten aus Frankreich herangezogen.104 Für den italienischen Schauplatz ist dieser Abgleich verschiedener Kanäle ebenfalls 99 Blathwayt an Marlborough, in: BL Add. 61133, 61r u. ö. 100 Siehe Lawes an Sunderland, 29. Juni 1709, in: TNA SP 77/58, 119v–120r: „The inclosed Advice of the French Troops being recall‘d from Spain, comes from the Envoy of Sweden at Paris to a person here. The Internonce at this Place has the like Intelligence, and Count Sinzendorff is of opinion, it may be true.“ 101 Vgl. z. B. Hedges an Marlborough, 2. Oktober 1705, in: BL Add. 61122, 29r. 102 Vgl. Marlborough an Heinsius, 4./15. Januar 1703/4, in: The Correspondence 1701 – 1711, 99. Vgl. ähnlich auch z. B. Heinsius an Marlborough, 27. Mai 1704, in: ebd., 107. 103 Vgl. The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 142 (4./15. November 1702). 1 04 Vgl. Marlborough an Godolphin, 8. Oktober 1702, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 123: „I could wish with all my heart you had better news from Cadiz then I am afraid you will, for thoe I doe not give credit to what is write from Paris, yet I doe not like there naming the day our men returned on shipeboard […]“. Siehe auch: Godolphin an Marlborough, 29. April 1707, in: ebd., Bd. 2, 757: „The French letters tell us wee may expect every day to hear of battell in Spain.“ Vgl. ebenfalls: Marlborough an Harley, 2. Oktober 1705, in: Letters and Dispatches, Bd. 2, 288: „We have no confirmation yet of the news I sent you the last post from Catalonia; but as the Paris letters are silent as to the affairs of those parts, it is a very good sign they go well on our side.“ Siehe ähnlich auch Marlborough an Harley, 17. Mai 1706, in: ebd., Bd. 2, 513; Marlborough an Harley, 2. August 1706, in: ebd., Bd. 43; Hedges an Marlborough, 18. September 1705, in: BL Add. 61122, 19r.
Instrumentelle Funktionen von Information
325
oft beobachtbar.105 Allerdings war immer in Rechnung zu stellen, von wem genau bestimmte Informationen über die weit entfernten Kriegsschauplätze stammten: Kamen sie – unbestimmt – „from the French“ (also nicht zwangsläufig von pro- alliierten Spionen), wurden sie mit Vorsicht behandelt.106 In dieser unsicheren Situation konnte das Fehlen oder Ausbleiben von Informa tion sowohl Positives als auch Negatives bedeuten – je nach der Erwartungshaltung der Akteure. War aus dem französischen Feldlager in Flandern zum Beispiel nichts Neues über die Situation in Spanien oder Italien zu erfahren, konnte dies als eher gutes Zeichen gewertet werden.107 Wartete man auf Nachrichten über eine Schlacht in Spanien, von der man – wie im Falle von Barcelona im Jahr 1706 – nicht viel erhoffte, konnte das Ausbleiben von Briefen darauf hindeuten, dass es schlecht stand.108 Hatte man selbst schlechte Nachrichten, erhoffte man sich vom Briefpartner auf der anderen Seite des Ärmelkanals bessere.109 Wann allerdings eine partikulare Information zu einem begründeten und gerechtfertigten Wissen wurde, blieb kontingent. So erklären sich umständliche Formulierungen wie die aus einem Brief Marlboroughs an Raby, in dem er angesichts einer Mailänder Nachricht über einen alliierten Sieg in Spanien schrieb, sie sei „I hope well enough grounded to congratulate with you upon it“110. Wichtig, aber nur im Einzelfall möglich, war neben der eigenen Nutzung von Information auch die Aufklärung feindlicher Desinformationsversuche, die ebenfalls Teil der Informationsevaluation darstellte: Als Marlborough etwa im November 1710 einen angeblichen Brief des Mailänder Gouverneurs Graf Colmenero erhielt, der scheinbar hochwichtige Geheimnisse enthielt, konnte er 105 Vgl. nur: Marlborough an Godolphin, 7./18. September 1706, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 2, 671. 106 Vgl. Marlborough an Godolphin, 10. Mai 1706, in: Letters and Dispatches, Bd. 3, 357. 107 Vgl. Marlborough an Harley, 22. August 1707, in: Letters and Dispatches, Bd. 3, 525 f.: „We have nothing yet directly from Provence, nor anything material by the Paris letters, but a trumpeter of M. Vendôme’s who came in this evening from the French camp, assures us they are in the like ignorance there, which makes me hope we shall soon have good news from these parts.“ Siehe auch: Marlborough an Godolphin, 2./13. September 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 666: „Wee have all the reason imaginable by the silence of the French to expect good news from Italie.“ 108 Vgl. Godolphin an Marlborough, 6. Mai 1706, in: The Marlborough-Godolphin Corres pondence, Bd. 1, 537: „We are yett without letters from you and consequently still in pain for the fate of Barcelona.“ 109 Vgl. Marlborough an Godolphin, 31. August/11. September 1702, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 1, 111. 110 Marlborough an Raby, 21. August 1710, in: Letters and Dispatches, Bd. 5, 109.
326
Funktionen der Information
die Angelegenheit durch eine Nachfrage bei Colmenero selbst, aber auch durch einen von Prinz Eugen durchgeführten Schriftvergleich des ‚echten‘ mit dem ‚falschen‘ Colmenero aufklären.111 Nach Ansicht eines Biographen war gezielte Desinformation auch eine „standard practice“ Marlboroughs selbst, die sich allerdings außerhalb des Kontextes des lange geheim gehaltenen Donaufeldzuges selten nachweisen lässt.112 Dass angesichts der Schwierigkeiten, trotz der Vielzahl von Informations kanälen eine partikulare Information zu evaluieren, und angesichts des subjektiv empfundenen Zeitdrucks oft auf die Bewertung von Informanten statt auf die Bewertung ihrer Informationen gesetzt wurde, ist oben bereits angedeutet worden. Bei der Rekrutierung neuer Informanten wurde darauf geachtet, dass sie in eine bereits möglichst lange bestehende, der Regierung bekannte Struktur (etwa ein bekanntes Spionagenetzwerk) eingebunden waren. Man vertraute einer spezifischen Information eines spezifischen Informanten am ehesten dann, wenn man der Struktur, in die er eingebunden war, ein generelleres „Systemvertrauen“ entgegenbringen konnte.113 Dies entsprach der generellen Präferenz der eng lischen Verwaltung (jeder Verwaltung?) für „the strict reliance upon precedent and thus the priority given to continuity and stability in the administrative process“114. Das heißt: Mangels besserer Evaluierungsmethoden und unter Zeitdruck spielte Vertrauen „als die Hypothese künftigen Verhaltens, die sicher genug ist, um praktisches Handeln darauf zu gründen“115, eine eminente Rolle. Und zwar galt dies generell, auch über den Bereich der Rekrutierung neuer Spione hinaus. Vertrauenswürdigkeit musste auf allen Ebenen hergestellt und betont werden. Caillaud stellte gegenüber skeptischen Regierungsmitgliedern immer wieder die „solidité“ seiner Informationen und damit auch die Vertrauenswürdigkeit seiner 111 Vgl. Marlborough an St. John und an den Grafen Colmenero, 2. u. 3. November 1710, in: Letters and Dispatches, Bd. 5, 204 f. u. 207. 112 Vgl. Chandler, Marlborough, 114. Ebenfalls nur punktuell zu zeigen sind englische oder französische Initiativen, jeweils abgefangene Briefe zu veröffentlichen: zur Diskreditierung des Gegners oder um in der Allianz Unfrieden zu säen. Vgl. dazu Marlborough an Heinsius, 20./31. Januar 1710, in: The Correspondence 1701 – 1711, 481. Siehe zu dieser Praxis auch Weber, Arkanum, 71. – Ein ähnlicher Fall (ein interzipierter Brief C hamillarts an Berwick, der in England veröffentlicht wurde) findet sich bei Crull, Compleat History, 506 – 513. Allerdings ist hier schwer nachzuvollziehen, ob es sich um einen echten interzipierten Brief oder eine propagandistische Fälschung handelt. Die Praktiken der Desinformation scheinen insgesamt seltener zu sein, als man vielleicht annimmt. 113 Vgl. Luhmann, Vertrauen, 46. Siehe auch: Luhmann, Soziale Systeme, 181. 114 Marshall, Sir Joseph Williamson, 30. 115 Simmel, Soziologie, 393.
Instrumentelle Funktionen von Information
327
Person heraus (die er zugleich durch Berufung auf andere Regierungsmitglieder zu validieren suchte).116 Wenn es nicht um die Spionageorganisatoren, sondern die Informanten selbst ging, wurden Formulierungen wie die bereits genannten eingesetzt: Die Informationen stammten „from a good hand“117, „from a very good hand“118 oder ausnahmsweise auch einmal „from no certain hand“119. Alles dies war für den Empfänger nicht nachzuprüfen – es musste Vertrauen zugeschossen werden. Wenn ein Informant einmal erfolgreich gearbeitet hatte, wurde er dementsprechend wieder eingesetzt, ja es wurde – eben wegen des Vertrauensproblems – sogar darauf gedrungen, ihn wieder einzusetzen. Aus Sorge über neue Invasionsversuche von Dünkirchen aus stellte Marlborough im Jahr 1709 sicher, dass der bewährte letztjährige Informant wieder eingesetzt wurde: „You may be sure that care shall be taken to know what passes at Dunkerk for the same man that gave the intelligence the last yeare has his allowance continued.“120 In einer unübersichtlichen Welt war ohne Vertrauen also nicht auszukommen. Angesichts der beschriebenen Bedingungen fällt umso mehr auf, wenn doch einmal eine umfassendere, methodisierte Evaluation stattfand. Im Rahmen dieser Studie ist vor allem eine Episode von Interesse, die den jakobitischen Invasions versuch von 1708 betrifft. In diesem Fall scheinen – dies zeigt die abgewehrte Invasion – die Informationsgewinnung und die ihr folgenden Entscheidungen effizient gewesen zu sein. Angesichts seiner strukturierenden Funktion für das politische Feld Englands im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts 121 ist es kaum erstaunlich, dass es gerade dieses Thema war, dass zum seinerseits hochgradig parteipolitisch aufgeladenen Versuch einer systematisierten Informationsevalua tion führte. Charakteristischerweise fand aber diese organisierte Evaluation ex post statt – also nicht im Verlauf der oder kurz nach der Informationserhebung selbst, sondern deutlich später, mit einem viel größeren Überblick und unter Einbeziehung aller nur möglichen Quellen. Die Frage, ob man die richtigen Entscheidungen zur Abwehr der Invasion getroffen habe, stellte sich dabei weniger 116 Siehe z. B. Caillaud an Nottingham, 30. Juni 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 343. 117 Vgl. z. B. Lawes an den Under-Secretary Tilson, 4. Juli 1708, in: TNA SP 77/57, 329v; Lawes an Tilson, 23. Dezember 1709, in: TNA SP 77/58. 118 Vgl. z. B. Stepney an Addison, 21. März 1707, in: BL Add. 61534, 129r; Lawes an Sunderland, 3. März 1708, in: TNA SP 77/57, 243r. 119 Lawes an Sunderland, 13. Juni 1709, in: TNA SP 77/58, 97r–v. 120 Marlborough an Godolphin, 30. Juni/11. Juli 1709, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 2, 1298. Allerdings kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, wer dieser Spion war; siehe dazu Kapitel 3.3.1. 121 Vgl. Bennett, English Jacobitism.
328
Funktionen der Information
als die Frage, ob man sie früh genug getroffen habe. Diese Frage erschien den Debattenteilnehmern ganz wesentlich als eine Frage nach dem Zeitpunkt, zu dem bestimmte Informationen verfügbar gewesen waren. Im Dezember 1708 bat das House of Lords – zeitgleich auch das House of Commons – darum, umfänglich darüber informiert zu werden, was zu welchem Zeitpunkt im Frühjahr desselben Jahres über die Dünkirchener Aufrüstungen bekannt gewesen war – schon um einer Wiederholung gegebenenfalls besser begegnen zu können.122 Die Lords, so spezifizierten sie im Januar, wollten wissen, „what Time Her Majesty had First Notice of the intended Invasion on Scotland? What Orders were thereupon given in relation to Scotland?“123 Aus einer Kabinettsmitschrift Sunderlands vom 6. Januar 1708/09 geht hervor, dass er diese Papiere einreichen sollte. Die Admiralität sollte „all the intelligences that were given of the design’d invasion“ zusammenstellen, aber auch „copies of all the orders that were given from the first news of the design’d invasion“ vorbereiten. Zusätzlich nahm sich Sunderland vor, auch die Korrespondenz mit Lawes noch einmal durchzusehen.124 Im Februar 1709 wurden die umfangreichen Papiere verschiedener Behörden beiden Häusern zur Prüfung vorgelegt.125 Nach einigen Diskussionen kamen beide Häuser Anfang März 1709 zu dem Schluss, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen sei.126 Der Hintergrund dieser Untersuchung war der Wahlsieg der Whigs von 1708, die von der antijakobitischen Paranoia profitiert hatten. Allerdings verlief die Untersuchung schon deshalb einigermaßen moderat, weil einige der noch amtierenden Whig-Minister bereits 1708 im Amt gewesen waren: Man wollte also die antijakobitische Stimmung weiter anheizen, den Ministern aber nicht zu sehr schaden. Die Whig-Minister selbst sahen schon in der leisesten Gefahr einer erneuten Invasion (und noch mehr in einer verfrühten öffentlichen Diskussion darüber) ein ökonomisches Risiko: „the least attempt of that kind would give such a
122 Journal of the House of Lords, Bd. 18, 23. Dezember 1708. 123 Journal of the House of Lords, Bd. 18, 12. Januar 1709. 124 Vgl. Sunderlands Mitschrift in: BL Add. 61499, 101r. In den Papieren der Staatssekretäre findet sich auch ein Text, in dem – wohl zur Vorbereitung der geplanten Unter suchung – einer der Under-Secretaries Boyles die Informationen, die über die Diplomaten in Den Haag und Brüssel gewonnen wurden, zusammenstellte. Siehe TNA SP 84/574, 220r–240r. 125 Vgl. Journal of the House of Lords, Bd. 18, 13. Februar 1709. 126 Siehe Journal of the House of Lords, Bd. 18, 2. März 1709; The History and Proceedings of the House of Commons, Bd. 4, 8. März 1709, sowie: The London Diaries of William Nicolson, 482, Anm 81.
Instrumentelle Funktionen von Information
329
terrible shock to creditt.“127 Der wegen anderer Gründe abgesetzte Secretary Harley unterstellte Marlborough und seinen Mitstreitern in einem unveröffentlichten Text verzögerte Entscheidungen und gleichzeitig jakobitische Sympathien.128 Der rigoros antijakobitische Tory (ehemals Whig) Haversham dagegen attackierte die Regierung öffentlich: Die Minister hätten der Königin Informationen vorenthalten; die Gefahr sei noch lange nicht vorbei.129 Überdies hätten die Lords die angeforderten Papiere gar nicht gelesen, und das Unterhaus verweigere die Drucklegung dieser für die Nation so wichtigen Papiere (was Haversham dann selbst besorgte).130 Während diese Untersuchung das Interesse der älteren Forschung vor allem deshalb fand, weil sie versprach, im Hinblick auf die Fakten etwas Licht auf die verworrenen Vorgänge des Frühjahrs 1708 zu werfen,131 scheint sie mir in anderer Hinsicht aufschlussreich: Gerade in Krisensituationen versuchte im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrzehnt das Parlament wiederholt, eine Evaluation von Entscheidungen durchzuführen.132 Nur im Fall der jakobitischen Invasion aber stand die Frage im Vordergrund, wann w elche Informationen vorgelegen hätten. Entscheidungsevaluation war hier Informationsevaluation. Die Untersuchung führte aber nicht zu einer Debatte darüber, ob man die Informationsgewinnungsund -nutzungsmechanismen generell überdenken müsse. In dieser Hinsicht blieb ein „organizational learning“, wie die Organisationssoziologen sagen würden, aus.133 Dies aber war angesichts der beschriebenen Rahmenbedingungen der Gewinnung und Nutzung von Information vielleicht auch nicht überraschend. Als weitere Phase der ‚Nutzung‘ von Information ist die Archivierung der Informationen zu nennen. Briefe, Memoranden, Verträge mussten aufbewahrt werden, um sich die Chance zu eröffnen, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf sie zurückzugreifen. Archivierung diente also der Strukturierung von Information und Wissen im Hinblick auf eine mögliche spätere Wiedervorlage.134 Dies war angesichts des diffusen und quantitativ unüberschaubaren Materials, dem sich die englische Regierung und Marlborough gegenübersahen, einerseits notwendig, andererseits auch kompliziert. Zwar existierte das State Paper Office seit 127 Sunderland an Cadogan, 20. Dezember 1709, in: BL Add. 61651, 201r. 128 Vgl. Harley, Plaine English, 108. 129 Vgl. The Lord Haversham’s Speech. Zu Haversham siehe Kapitel 3.5. 130 Vgl. An Account of the Late Scotch Invasion. 131 Vgl. Lascelles/Davidson, Introduction. 132 Siehe McJimsey, Crisis Management. 133 Vgl. March/Olsen, Uncertainty. 134 Vgl. Friedrich, Archive und Verwaltung; Head, Knowing Like a State.
330
Funktionen der Information
dem 16. Jahrhundert 135 und die Secretaries waren gehalten, nach dem Ende ihrer Amtszeit ihre Papiere dort abzugeben, um sie zentral zusammenzuführen, aber dies geschah nicht regelmäßig.136 In einem Bericht vom Beginn des 18. Jahrhunderts wurde festgestellt, dass seit 1670 kaum noch aus dem Amt a usgeschiedene Staatssekretäre ihre Papiere abgeliefert hätten.137 Noch der heutige Aufbewahrungsort der Papiere der Secretaries spiegelt diese Situation wider: Während die Papiere Sunderlands im Zusammenhang der Blenheim Papers in der British Library aufbewahrt werden (wo sich zum Teil auch die Papiere Harleys finden), sind die Dokumente anderer Secretaries, etwa Boyles und St. Johns, in den National Archives (also dem Nachfolger des State Paper Office) zu finden. Diese Diskrepanz deutet auf den latent ungeklärten Status dieser Papiere um 1700: Waren die Briefe, die einem Staatssekretär zugesandt wurden, öffentliche Dokumente oder private Mitteilungen? Die Versuche zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die Archivierungspraxis zu verbessern, konnten sich also ausschließlich auf diejenigen Papiere beziehen, die im State Paper Office zusammengetragen waren. In anderen Fällen wurde teilweise viel aufgehoben (Sunderland), teilweise aus unbekannten Gründen viel vernichtet (Marlborough). Eine methodisierte Nutzung früherer Dokumente musste sich unter solchen Bedingungen schwierig gestalten. Doch selbst dann, wenn innerhalb einer Amtszeit (und nicht s päter) auf frühere Dokumente zurückgegriffen werden sollte, dürfte die sehr uneinheitliche Aufbewahrungspraxis einen methodischen Rekurs auf früheres Wissen schwierig gemacht haben. Man konnte nie wissen, ob und wann man eine Akte oder einen Brief noch einmal würde brauchen können – und diese Unkenntnis im Hinblick auf Rückgriffsnotwendigkeiten und Zeithorizonte erschwerte die methodische Nutzung von Informationen über einen längeren Zeitraum hinweg.138 Wenn auch die Briefpartner der Secretaries of State, etwa die Spionageorganisatoren, annahmen, dass ihre Berichte für eine eventuelle spätere Nutzung archiviert würden, so ist dies doch sicher nicht methodisch und durchgehend geschehen.139 Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wurde versucht, das zentrale Regierungsarchiv im Tower (also den Vorläufer des Public Record Office) zu reorgani sieren. Diese Initiative ist insofern zeittypisch, als zeitgleich auch an anderer 135 Vgl. Burke, Social History, 140. 136 Vgl. Thomson, Secretaries of State, 143 f. 137 Vgl. Journal of the House of Lords, Bd. 18, 4. März 1706. 138 Vgl. die Hinweise zu ähnlichen Problemen bei Vismann, Akten, 176 – 178. 139 Vgl. den Brief Jurieus an den Secretary Nottingham, 20./30. Juni 1702, in: Dedieu, Rôle politique, 327.
Instrumentelle Funktionen von Information
331
Stelle versucht wurde, die Aufbewahrung politischer Dokumente zu professionalisieren: Im Rahmen von Torcys Académie politique, einer französischen Diplo matenschule, nahm die Installation eines Archivs als diplomatisches Arbeitsinstrument eine große Rolle ein.140 (Typisch ist allerdings ebenfalls, dass auch dieses Projekt scheiterte.) Im Jahr 1703 richtete das House of Lords eine Kommission ein, die dem House über den Zustand des State Paper Office berichten sollte.141 Diese Kommission und weitere Unterkommissionen beschäftigten sich bis 1714 mit verschiedenen Problemen, die das staatliche Archiv betrafen. Nicht nur befanden sich die verschiedenen Gebäude in Whitehall und im Tower in einem desolaten Zustand, vor allem monierte die Kommission erstens den Zustand der Akten selbst, zweitens aber auch deren Unordnung. Einige dieser Missstände (etwa hinsichtlich der Gebäude) wurden behoben, andere wurden letztlich hingenommen. Der schlechte Zustand der Archive wurde vor allem auf die chaotische Amtsführung früherer Keeper zurückgeführt. Das Problem wurde also personalisiert,142 was es ermöglichte, auf zukünftige bessere Amts inhaber zu hoffen und diese finanziell besser auszustatten, statt das Problem organisatorisch durchgreifend zu bearbeiten. Insofern versandeten die Reform anstrengungen schließlich. Aus den Untersuchungsberichten tritt ein archivalisches Chaos hervor – man war angeblich 1706 nicht einmal in der Lage, den Friedensvertrag von Rijswijk aufzufinden.143 Während ältere Dokumente einigermaßen übersichtlich zugäng lich seien, gelte dies gerade für die mutmaßlich so wichtigen Papiere der letzten zehn Jahre nicht mehr. Dies liege auch an den jeweiligen Aufbewahrungsorten: Ältere Dokumente seien aufbewahrt „in a large spacious room where the records lie in good order, with labels and endorsements upon them distinguishing the times“ – die jüngeren Akten dagegen s eien völlig unzureichend untergebracht: „the Room under this, was formerly a Cook’s Shop, and is now partly a Wash- house and partly a Stable; which is a very improper Situation for Records of so much Consequence.“144 Generell wurde angeregt, unnütze Papiere zu kassieren, ein klareres Ordnungssystem zu finden und eine bessere Indexierung einzuführen. Dies solle einer besseren Benutzbarkeit dienen: „That those Papers that are of no Use, nor serve for Curiosity, should be laid aside; and the rest, to be made useful, 140 Vgl. Schweizer, François de Callières, 620. 141 Das Folgende nach: Hallam, Problems; Cobb, H. S., Politicians and Archives; Marshall, The Secretaries‘ Office. 142 Vgl. Marshall, Sir Joseph Williamson, 26. 143 Journal of the House of Lords, Bd. 18, 4. März 1706. 144 Journal of the House of Lords, Bd. 18, 20. April 1709.
332
Funktionen der Information
should be bound up in Volumes, with proper Indexes; and a Catalogue made of the Volumes, referring to the Presses where they are placed.“145 Dass diese Maßnahmen die Benutzbarkeit des Archivs verbessert haben dürften, ist angesichts der vorherigen Zustände kaum bestreitbar. Dennoch folgt die Reform insofern dem ‚Nützlichkeitsphantasma‘, als angesichts einer kontingenten Zukunft kaum im Vorhinein festzulegen war, was wann noch einmal von Nutzen sein würde. Im Überblick über die verschiedenen Prozesse, in die die instrumentelle Nutzung von Information analytisch zerlegt werden kann (Sammeln, Analysieren, Bewerten, Archivieren), fällt für die englische Situation um 1700 demnach erstens ein ausgeprägtes Nützlichkeitsphantasma auf. Zweitens ist deutlich, dass die Informationsnutzung insgesamt innerhalb einer amtsförmigen, halbwegs formalisierten Weise ablief, aber dennoch (vom Blickpunkt einer modernen Verwaltung aus) große Defizite der methodischen Nutzung zu beobachten sind. Allerdings sind diese Defizite zeitgenössisch durchaus erkannt und kritisiert worden: Im Hinblick auf die parlamentarische Informationsevaluation von 1709 und auf die Reorganisationsbemühungen des State Paper Office ist ein Bewusstsein dafür erkennbar, dass Reformen wünschenswert waren. Allerdings bleiben diese Initiativen Ausnahmen – schon weil innerhalb der parteipolitisch aufgeheizten Situation Englands um 1700 Reformversuche nur in Sondersituationen und meist schon mit Blick auf ihre parteipolitischen Effekte, nicht zwingend aber im Hinblick auf eine tatsächliche Verbesserung der Informationsnutzung vollzogen wurden. Eine Reform zum Beispiel der Informationsevaluation ließ sich schon deshalb schwer umsetzen, weil die Rahmenbedingungen der Informationsnutzung – vor allem Zeitdruck – umfangreiche und zeitraubende methodische Mechanismen nicht zuließen. Allerdings schwächt sich dieser Defizitbefund dann deutlich ab, wenn man nicht annimmt, dass auf der Basis der eingegangenen Informationen immer Entscheidungen getroffen werden sollten, wenn die Sammlung und Nutzung von Informationen also gar nicht im „decision mode“, sondern im „surveillance mode“ vor sich ging. Sollten denn Entscheidungen getroffen werden? Und was lässt sich überhaupt zur Entscheidungspraxis Marlboroughs und der eng lischen Regierung sagen? Welche Bedeutung kam in diesem Zusammenhang Informationen zu?
145 Journal of the House of Lords, Bd. 18, 4. März 1706.
Instrumentelle Funktionen von Information
333
4.2.2 Informationen und Entscheidungen
In der jüngsten Synthese zur englischen Regierung des 18. Jahrhunderts ist die Rede von „five or six individuals involved in foreign policy decision-making“146. Dies könnte eine Idealsituation für eine Methodik sein, die sich im Sinne der ‚alten‘ Politikgeschichte oder der neueren „High politics“-Forschung explizit mit den Entscheidungsprozessen einer sehr begrenzten Elite auseinandersetzen möchte.147 Doch selbst wenn man diese Vorgehensweise nicht für in manchem Sinne zweifelhaft hielte, wäre sie auf das vorliegende Problemfeld unmöglich anwendbar: Gerade für die englische Außenpolitik bis 1750 ist es schon quellenmäßig praktisch unmöglich, über Spekulationen hinauszugelangen, wie eigentlich genau Entscheidungen getroffen wurden.148 Ähnliches gilt selbst für zentrale militärische Entscheidungen Marlboroughs wie seinen Entschluss, im Frühjahr 1704 ohne Absprache mit dem niederländischen Bündnispartner an die Donau zu marschieren: Hier sind zwar Vorbereitungen, einzelne Pläne und Absprachen rekonstruierbar, doch viel weiter gelangt man auch hier nicht.149 Es fehlen schlicht die Quellen. Zwar ist hin und wieder zu beobachten, wie vor allem grundsätzliche strate gische Ausrichtungen, die für ein ganzes Kriegsjahr gelten sollten, ausgearbeitet wurden (weniger schon, wie sie operativ umgesetzt wurden).150 Auch weiß man, dass sich Harley, Godolphin und Marlborough in den Winterhalbjahren der Kriegsjahre bis 1708 mindestens zweimal wöchentlich trafen, um im kleinen Kreis Entscheidungen des Kabinetts vorweg festzulegen.151 Doch wenn auch der eigentliche Ort außenpolitischer Entscheidungen das Kabinett war,152 spielten sich doch Entscheidungsfindungsprozesse in der vergleichsweise dezentral organisierten englischen Regierung in komplizierter Weise auf verschiedenen Ebenen
146 Jupp, The Governing of Britain, 38. 147 Vgl. Nicklas, Macht, v. a. 17; Craig, High Politics. 148 Vgl. Jupp, The Governing of Britain, 38 u. 42. 149 Vgl. Hattendorf, English Grand Strategy; Francis, Marlborough’s March; Mathis, Marlborough und Wratislaw; ders., Neue Aspekte; Delfiner, Saving an Empire. 150 Vgl. Snyder, Formulation. Dort sind mehrere Memoranden außenpolitischer Gespräche zwischen Cowper und Godolphin aus dem September 1707 abgedruckt, die als Vorbereitung auf Cabinet-Sitzungen dienten. Hattendorf, England, 54, weist allerdings darauf hin, dass die außenpolitischen Leitlinien der englischen Regierung sich nur ex post rekonstruieren lassen – sie sind kaum jemals programmatisch festgehalten. 151 Vgl. Snyder, Godolphin and Harley, 247 f. 152 Hattendorf, England, 25: „The business of formulating decisions within the central government took place within the cabinet.“
334
Funktionen der Information
ab.153 Marlborough nahm hier eine bedeutende, aber nicht etwa eine überragende Rolle ein: „he was an important figure in a complex, bureaucratic process of decision making.“154 Welche Bedeutung Informationen, die mithilfe der infrastrukturellen, amts- und netzwerkförmigen Strukturen gewonnen worden waren, innerhalb dieses Prozesses zukam, bleibt damit aber eine offene Frage. Man kann ihr nachgehen, wenn man Harleys und Sunderlands Mitschriften der Kabinettssitzungen studiert. Dabei handelt es sich nicht um offizielle Protokolle, sondern um unvollständige, unregelmäßige und vor allem inoffizielle Mitschriften, die oft eher Erinnerungsstütze für den Autor waren als Verlaufs- oder Ergebnisprotokoll.155 Trotz dieser offenkundigen Nachteile sind sie der einzige Einblick in die Arbeitsweise des Kabinetts. Doch unabhängig von der Frage, wie hilfreich diese Quellen für die Rekonstruktion von Entscheidungsprozessen des Kabinetts sind, stellt sich für den vorliegenden Zusammenhang ja noch eine vorgelagerte Frage: In welcher Weise kommt Information ins Spiel, und lässt sich ihre Verarbeitung im Prozess der Entscheidungsfindung rekonstruieren? Während Sunderland in seinen Mitschriften fast nie auf intelligence zu sprechen kommt,156 ist in Harleys umfangreicheren Mitschriften häufig unspezifisch verzeichnet, dass im Kabinett intelligence vorgelesen worden sei.157 Es ist oft die Rede von „french intelligence“ oder „french letters“; hierbei könnte es sich um Spionageberichte wie diejenigen handeln, die von Caillauds Spionagefirma stammten.158 Offenbar teilten die Kabinettsmitglieder sich also gegenseitig mit, was sie in Erfahrung gebracht hatten; die Diskussion darüber wurde aber nicht protokolliert. Es ist nicht einmal festgehalten, wer die jeweiligen Informationen zur Verfügung gestellt hatte.159 Insofern steht intelligence hier auf einer Stufe mit 153 Vgl. Hattendorf, England, 22 – 24; siehe auch: ders., English Governmental Machinery. 154 Vgl. Hattendorf, England, 266. 155 Vgl. Plumb, Organization, 137; Hattendorf, England, 333, Anm. 30. Vereinzelt liegen auch Minutes anderer Amtsträger und anderer Gremien vor; siehe die Mitschrift des Secretary at War Granville von 1710/11, in: BL Add. 61134, 1r–38v. 156 Vgl. BL Add. 61498 – 61500. 157 Vgl. BL Add. 70334 – 70338. 158 Vgl. etwa: BL Add. 70334, 28. Mai 1704; BL Add. 70335, 9. Juli 1705, 21. September 1705 (hier ist zusätzlich vermerkt: „from Rotterdam“, was für Caillaud spricht), 9. Oktober 1705; BL Add. 70336, 20. November 1705, 22. November 1705, 2. Dezember 1705, 23. Dezember 1705, 10. Februar 1705/06, 24. Februar 1705/06; BL Add. 70338, 30. Januar 1707/08. 159 Marlborough hatte Godolphin die Vollmacht gegeben, selbst zu bestimmen, was er aus der Korrespondenz mit dem Herzog im Kabinett vorlesen wollte. Siehe Marlborough an Godolphin, 4./15. Mai 1706, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 1, 536.
Instrumentelle Funktionen von Information
335
der großen Zahl von Briefen etwa der englischen Gesandten oder Marlboroughs, die dem Kabinett vorgelegt wurden.160 Zusätzlich wurden mehrere Male interzipierte Briefe französischer Diplomaten und Militärs vorgelesen, die offenbar, wie einmal vermerkt wird, von Marlborough stammten.161 Diesen Quellen kann man also entnehmen, worüber verhandelt wurde und wie sich nach und nach Entscheidungen oder Positionen in bestimmten Fragen herauskristallisierten. Was man nicht sehen kann, sind Verknüpfungen spezi fischer Informationen mit spezifischen Entscheidungen. Dies gilt generell, auch über die Entscheidungsprozesse des Kabinetts hinaus. Man sieht Informationen, man sieht Handlungen, man sieht (seltener) Entscheidungen. Ihre jeweilige Verbindung aber bleibt in den meisten Fällen im Dunkeln: Man muss sich mit „Einsichten in das Bedingungsgefüge des zeitgenössischen Denkens, Sprechens, Entscheidens und Handelns“162 begnügen. Nun ist die Frage nach Entscheidungsprozessen der englischen Regierung und Marlboroughs hier nicht das Thema – oder nur insofern, als es nicht unplausibel ist, die instrumentellen Funktionen von Informationen unter anderem in ihrer Rolle als Entscheidungsressource zu vermuten. Nur im Einzelfall ist es möglich, den Weg zu verfolgen, der von der einzelnen Spionageinformation zu einer Entscheidung führt: so etwa bei der Abwehr des jakobitischen Invasionsversuchs vom Frühjahr 1708. Dies ist in d iesem Fall aber vor allem aus zwei Gründen möglich: erstens, weil die erwähnte nachträgliche parlamentarische Untersuchung von 1709 alle verfügbaren Informationen zusammentrug und retrospektiv evaluierte. Aus dieser Untersuchung geht hervor, dass ab Dezember 1707 Informationen vorlagen, dass die Franzosen in Dünkirchen eine Flotte ausrüsteten; unklarer war lange, was deren Ziel sein würde. Als sich im Februar aus verschiedenen Berichten immer deutlicher ergab, dass eine Invasion in Schottland vorbereitet wurde, gab die Admiralität den Befehl, selbst eine Flotte aufzustellen.163 Zwar gelang es dem Pretender, am 12. März bis vor Edinburgh vorzudringen, aber die jakobitische Flotte wurde zerschlagen und musste am 20. März in völliger Auflösung nach Dünkirchen zurückkehren.164 Der zweite Grund für die unzweideutige Verbindung 160 Vgl. v. a. BL Add. 70336. 161 Vgl. BL Add. 70335, 13. Februar 1704/05; siehe auch ebd., 30. Oktober 1705 sowie BL Add. 70336, 13. November 1705. 162 Brendecke, Imperium, 309. 163 Vgl. Lascelles/Davidson, Introduction, IV–V. 164 Vgl. ebd., V–VIII. Siehe auch: Gibson, Playing the Scottish Card. Die lange währende Ungewissheit der Zeitgenossen, was das Ziel der Invasion sein werde, vollzieht ein Gedicht (von Swift?) einige Monate später nach: vgl. A Trip to Dunkirk.
336
Funktionen der Information
von Informationen und Entscheidung ist in d iesem Fall aber, dass – als einmal ein Verdacht entstanden war, dass eine Gefahr ins Haus stehe – die gezielte Informa tionsgewinnung massiv verstärkt wurde.165 Diese gezielte Informationsgewinnung, die bereits im Hinblick auf eine zu treffende Entscheidung erfolgt, ist aber, wie erwähnt, eher die Ausnahme als die Regel. Meist gab es keine konkreten Informa tionswünsche, sondern eher den diffusen Auftrag an die Spione, alles zu berichten, was bedeutsam sein könnte. Relativ häufig ist es dagegen möglich, mit einiger Plausibilität Verknüpfungen bestimmter Informationsbestände (kaum: partikularer Einzelinforma tionen) und bestimmter Entscheidungen zu behaupten. Zum Beispiel reiste Marlborough im April 1707 nach Sachsen in das Altranstädter Feldlager des schwedischen Königs Karl XII . Es gelang ihm, den König von seinem (vermut lichen) Plan abzubringen, dem Kaiser den Krieg zu erklären, was zu einer Kopplung des Spanischen Erbfolgekrieges mit dem Nordischen Krieg geführt hätte.166 Obwohl unklar ist, was Marlborough mit Karl in Altranstädt genau vereinbarte,167 erschien die Reise der englischen Regierung als ein Erfolg, „of as great Consequence to the common cause, as a Battle won“168. Warum aber Marlborough den Entschluss fasste, diesen unüblichen Schritt zu gehen und zwar im Auftrag der Königin, aber ohne offiziellen diplomatischen Rang 169 nach Sachsen zu reisen, ist unklar. Es ist aber wahrscheinlich, dass die immer dringlicheren Berichte Robethons aus dem Frühjahr 1707 den entscheidenden Anstoß für diese Reise gaben.170 Anders ausgedrückt: Ohne die Berichte und Interzeptionen Robethons hätte Marlborough die Lage vermutlich weniger dramatisch eingeschätzt – ohne dass dieser Befund gleichzeitig bedeuten würde, dass man eine eindeutige und lineare Verknüpfung zwischen Information und Reiseentschluss herstellen dürfte. In einem anderen Fall verhält es sich ähnlich: In den Kapiteln über Jaupain und Caillaud war thesenhaft formuliert worden, dass es deren Berichte (und diejenigen anderer Informanten) im und nach dem harten Winter 1708/09 waren, die bei den Alliierten den Eindruck erzeugten, Frankreich stehe vor dem Zusammenbruch. In den Berichten etwa der Spione Cauillauds waren apokalyptische Bilder von Kälte
165 Vgl. z. B. nur TNA SP 77/57. 166 Vgl. Simms, Three Victories, 55; Stamp, Meeting; Milne, Diplomacy. 167 Vgl. Hatton, Charles XII, 224 f. 168 Sunderland an Marlborough, 29. April 1707, in: BL Add. 61126, 39r. 169 Vgl. Jones, Marlborough, 139. 170 Siehe Kapitel 3.4.1.
Instrumentelle Funktionen von Information
337
und Elend gezeichnet worden.171 Marlborough bemerkte gegenüber Godolphin, falls diese Berichte zuträfen, müsse es zu einem Frieden kommen.172 Sunderland schrieb: „by our advices, the French troops as well as the country are in such a miserable condition, that either the King of France must comply with what the allies shall think necessary to demand of him, or there seems nothing can hinder our army from marching to Paris.“173 Aus Rouen erfuhr die englische Regierung, dass „les affaires du Royaume sont tellement en desordre qu’il faut faire La Paix, a quelles conditions que voudront Les Allies“174. Aus Paris berichtete der englische Kaufmann Hodges: „No body here doubts the peace.“175 All diese Berichte dürften – angesichts mangelnder anderer Einblicke in die ökonomische, finanzielle, soziale, politische Situation Frankreichs – ein Hauptgrund dafür gewesen sein, warum die Alliierten im Jahre 1709 Frankreich Friedensbedingungen stellten, die für Ludwig XIV. entehrend wirkten und die schließlich – zur Überraschung der Alliierten – zum Abbruch der Friedensverhandlungen führten.176 Allerdings gilt auch hier wieder: Über eine plausible Kausalannahme kommt man nicht hinaus. Eine lineare Verknüpfung z wischen einer spezifischen Information A und einer spezifischen Entscheidung B ist auch hier nicht zu erkennen. 4.2.3 Mother of prevention
In den allermeisten Fällen ist nicht konkret zu zeigen, was die englische Regierung mit den eingehenden Informationen eigentlich genau gemacht hat oder ob sie etwas damit gemacht hat. Der Konnex von Information und Entscheidung jedenfalls hat sich genau wie die generelle Vorstellung einer unproblematischen ‚Nutzung‘ von Information als methodisch wie empirisch problematisch erwiesen. Damit stellt sich auch für die vorliegende Studie die Frage, die Arndt Brendecke
171 Vgl. die Berichte von Caillauds Spionen an Sunderland aus dem Januar und Februar 1709, in: BL Add. 61548, 73r–82r und 184r. 172 „If Lord Sunderland’s newsletter be true, I should hope the king of France were in earnest, and then there would be a peace“: Marlborough an Godolphin, 10./21. Februar, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1224. 173 Sunderland an Galway, 2. Juni 1709, zitiert nach: Hattendorf, England, 201. 174 Extrakt eines Newsletters aus Rouen vom 28. April 1709 an Sunderland, in: BL Add. 61552, 212r. 175 Hodges an Sunderland, 25. Mai 1709, in: BL Add. 61600, 146. 176 Vgl. Thomson, Louis XIV and the Grand Alliance, 207; Reese, Ringen um Frieden, 235; Rule, France, 97; Schmidt-Rösler, Prälimarfriedensverträge.
338
Funktionen der Information
in einem verwandten Zusammenhang formuliert hat: „Warum lässt sich fast nirgends zeigen, dass das akkumulierte Wissen tatsächlich eingesetzt wurde, dass politische Entscheidungen auf seiner Basis getroffen wurden?“177 Man kann diese Frage auf mehreren Ebenen beantworten, mindestens aber legen sich vier mögliche Antworten nahe, deren Überzeugungskraft im Folgenden diskutiert werden soll. Eine erste Begründung betrifft die Quellenebene. Man kann – zutreffend – darauf verweisen, dass es für die Phase z wischen dem Sammeln und der Bewertung von Information und dem Treffen einer wie auch immer gearteten Entscheidung keine Quellen gibt und dass das Treffen einer Entscheidung oft nur aus späteren Handlungen rekonstruierbar ist, aber in den Quellen gar nicht thematisiert wird. „For both postal interception and news management, there is a certain amount of informa tion, although there are no comprehensive records of a central agency permitting an evaluation of how the situation appeared to the government and enabling us to follow policy formulation in this field.“178
Diese Erklärung durch ein Quellendefizit ist sicher nicht falsch, greift aber zu kurz – weil sie immer schon voraussetzt, dass Information und Entscheidung miteinander verbunden sind (oder: es sein sollten). Eine zweite Möglichkeit wäre, dass ein Übermaß von Informationen dazu führte, dass Wichtiges nicht mehr von Unwichtigem unterschieden werden konnte, ja dass die handelnden Akteure von information overload geblendet oder paraly siert wurden. Kempe hat eine solche Konstellation für die englische Spionage des 16. Jahrhunderts rekonstruiert, in der „nicht die Spärlichkeit an Informationen, sondern im Gegenteil ihr Überfluss das Problem“ darstellte: Diese Situation „machte blind für das Offenkundigste, das gerade deshalb für das Unwahrschein lichste gehalten wurde“179. Auch dies mag für die englische Regierung im Spanischen Erbfolgekrieg zuweilen zutreffen. Im Fall der Dünkirchener Jakobiteninvasion von 1708 ist es nicht unwahrscheinlich, wenn auch kaum strikt nachzuweisen, dass das verwirrende Übermaß teilweise widersprüchlicher Informationen die Reaktion der englischen Regierung zumindest verzögerte. Insgesamt hängt aber eine solche Erklärung stark davon ab, dass Information zentral gesammelt wird: Nur im Fall eines Zusammenlaufens von Informationen an einer einzigen Stelle ist ein paradoxer Effekt wie Erblindung durch Informationsübermaß überhaupt 177 Brendecke, Imperium, 22. 178 Black, Intelligence, 370. 179 Kempe, Burn after Reading, 377.
Instrumentelle Funktionen von Information
339
vorstellbar. Die englische Situation ist aber eher dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen Akteure zwar zusammenarbeiteten, Informationsgewinnung aber in einem relativ hohen Maße dezentral stattfand, je nachdem, ob die Akteure sie für vorrangig hielten, und je nachdem, wie stark sie mit anderen Akteuren kooperieren wollten. Eine dritte mögliche Erklärung dafür, dass im englischen Fall Information und Entscheidung nur schwach verbunden zu sein scheinen, könnte also in der relativ schwachen formalen Organisation der englischen Regierung liegen. Diese könnte dazu geführt haben, dass es zwar möglich war, große Mengen an Informa tion anzuhäufen, aber möglicherweise (noch) nicht, sie auch entsprechend zu nutzen. Doch was würde dieser Hiatus von Informationserhebungs- und Informa tionsverarbeitungskapazität bedeuten? Würde diese Interpretation die „Vormodernität“ der geschilderten Konstellation belegen, weil hier eine defizitäre Organisation noch nicht in der Lage war, Information und Entscheidung enger zu koppeln?180 Oder würde sie nahelegen, dass die generelle Vorstellung d ieses Zusammenhangs zu rationalistisch ist und wir dazu neigen, die Vormoderne in dieser Hinsicht als defizitär zu beschreiben, um mittels einer dramatischen Bürokratisierungsteleologie die Modernität der Moderne in besonders hellem Licht erscheinen zu lassen?181 Man sollte vielleicht die Möglichkeit einer ‚Rationalisierung‘ von Entscheidungshandeln im Übergang zur Moderne nicht allzu kategorisch als Modernisierungsmythos ansehen – denn es ist ja deutlich erkennbar, dass es im Hinblick auf formale Organisation Defizite innerhalb der englischen Regierung gab (die durchaus auch gesehen wurden), die eine enge Verbindung von Information und Entscheidung eher erschwerten. Unabhängig aber von der Frage, ob dieser Befund in der Moderne genauso oder etwas weniger zutrifft als in der Frühen Neuzeit, ist zuerst einmal festzuhalten, dass für die englische Regierung um 1700 vieles auf eine lose Kopplung von Information und Entscheiden hindeutet – ein Befund, der den Diagnosen der Organisationssoziologie entspricht. Dies führt zur vierten und letztlich wichtigsten Erklärung: Vom Alltagswissen bis hin zu den sozialwissenschaftlichen decision sciences wird Information zu eindeutig als Ressource für Entscheidungen konzipiert. Dies ist eine unproduktive Verengung. Es bleibt selbstverständlich sinnvoll, wenn auch schwierig, die Abfolge von 180 Oft wird der Erste Weltkrieg als Zäsur der Geheimdienstgeschichte genannt; erst jetzt habe sich eine durchgreifende Institutionalisierung vollzogen. Vgl. Horn, Der geheime Krieg, 139. Dagegen setzt Kahn die Zeit um 1800 als Epochenschwelle an: Vgl. Kahn, Historical Theory, 5. 181 Dies ist die These von: Brendecke, Imperium, 23; siehe auch: ders., Buch der Beschreibungen.
340
Funktionen der Information
Informationsbeschaffung, Bewertung und Verarbeitung, Entscheidungsfindung und Handlung zu untersuchen. Doch übersieht eine s olche Engführung nicht nur die symbolischen Funktionen der Informationsgewinnung, sondern auch die vermut lich wichtigste instrumentelle Funktion: Man darf vermuten, dass es denjenigen, die Informationsgewinnung anstießen, oft weniger um konkrete Details ging als um ein generelles Gefühl von Sicherheit und Informiertheit. Schon zeitgenössisch galt intelligence als „mother of prevention“182. Eine zentrale Funktion der Informa tionen, die Marlborough und die englische Regierung sich beschafften, bestand in routinemäßig ablaufenden Versuchen der Unsicherheitsminimierung. Information diente der Gewinnung eines Überblicks und damit der Verringerung von Unsicher heit darüber, was die feindlichen Mächte gerade taten und vorhatten. Man wollte auf dem Laufenden sein. Das fast obsessive Sammeln von Informationen (und dies erinnert an die Szenarien der Organisationssoziologie) diente damit oft keinem unmittelbarem Zweck, sondern erfolgte eher tentativ und im Hinblick auf nur möglicherweise eintretende Optionen. Es ging um „knowledge which may not have been of any immediate value but may have been useful for decision-making at some future point“183. Wieder ist der Modus potentialis zentral. Das hieß im Regelfall: Mit den eingehenden Informationen wurde nichts gemacht – sie wurden zur Kenntnis genommen. Es sollte auch gar nichts mit ihnen gemacht werden. Der größte Nutzen von Information bestand darin, sie nicht nutzen zu müssen.
4.3 Information und Patronage 4.3.1 Patronage und Informationsgewinnung
Die Einbindung individueller Informanten in eine bereits bekannte größere Struktur oder die Dauer der Bekanntschaft diente, dies ist oben dargestellt worden, als Gradmesser für die Vertrauenswürdigkeit von Informanten und Informationen. Bereits bestehende soziale Beziehungen (um es so offen zu formulieren) fungierten also als Glaubwürdigkeitsgarantie für Informationen. Oft wurde das Verhältnis von Information und sozialer Beziehung aber auch andersherum gedacht: Information diente zur Anbahnung und Aufrechterhaltung von Beziehungen, die oft regelrechte Patronagebeziehungen waren. Ein Patronageverhältnis z wischen 182 Vgl. Raymond, Introduction, 3. Zur Sicherheit als außenpolitischer Obesession aller Mächte in den Jahren um 1700 (zusätzlich zur Literatur in Kapitel 4.1): Gibbs, Revolu tion, 61; Franken, General Tendencies, 4. 183 Marshall, Sir Joseph Williamson, 30.
Information und Patronage
341
zwei oder mehreren Akteuren 184 ist dadurch gekennzeichnet, dass ein status- oder ranghöherer Patron und eine oder mehrere rangniedere Klienten ein Verpflichtungsverhältnis eingehen, das auf gegenseitigen Leistungen beruht. Diese Leistungen können in Geldzahlungen bestehen, wichtiger aber sind Schutz, Unterstützung, Dienste. Diese Dienste konnten beispielsweise Informationen sein, die ein Klient einem Patron lieferte.185 „Sicheres Zeichen für die Etablierung von Nachrichten in Briefwechseln sind Aufforderungen zur Übermittlung von Neuigkeiten oder Entschuldigungen von Korrespondenten, die nichts Neues zu berichten wussten. Gegenseitigkeit war eine ungeschriebene Spielregel des Austauschs, aber was man für Nachrichten bekam, konnte auch anderes sein als Nachrichten.“186
Brieflich übermittelte Informationen waren also geeignete Instrumente für den Aufbau einer Patronagebeziehung: Bei der Informationsübermittlung geht es schließlich neben dem ‚Inhaltsaspekt‘ immer auch um den ‚Beziehungsaspekt‘.187 In Briefwechseln wird soziales Kapital aktiviert, angesammelt, transformiert oder produziert;188 sie benötigen, produzieren aber auch symbolische oder materielle Gaben und werden so zu einem wichtigen Medium von Gabentausch und Patro nage.189 Gerade Briefe sind ein Instrument symbolischer Kommunikation, daher sind die für das Ancien Régime typischen Nebenfunktionen sehr deutlich zu beobachten: so etwa die Signalisierung von Rang und Ehre über sehr ostentative Zeichen wie Anrede, Unterschrift, Schriftakkuratesse, Gebrauch von Abkürzungen, Briefpapier etc.190 „Early modern letters were not only a vehicle for narrated information, but also a formal social act.“191 184 Heiko Droste unterscheidet zwischen dyadisch aufgebauter Patronage und netzwerk artig strukturiertem Klientelismus. Dies kann hier auf sich beruhen, weil im Falle Marlboroughs eben ins Auge fällt, dass sich die Korrespondenten jeweils einzeln und gezielt an ihn als den Netzknotenpunkt wenden, man es hier also doch eher mit einer Patronagebeziehung (bzw. einer Vielzahl davon) zwischen zwei Personen zu tun hat. Vgl. Droste, Im Dienst der Krone, 252. 185 Zu Patronagebeziehungen siehe instruktiv: Kettering, Patronage; Pfister, Politischer Klientelismus; Hengerer, Amtsträger. 186 Mauelshagen, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs, 409. 187 Vgl. Watzlawick/Beavin/Jackson, Kommunikation, 53. 188 Vgl. Bourdieu, Ökonomisches Kapital, v. a. 193. 189 Vgl. Roche, Réseaux, 12. 190 Vgl. Sternberg, Epistolary Ceremonial; Droste, Briefe als Medium. 191 Sternberg, Epistolary Ceremonial, 36.
342
Funktionen der Information
Während in der Gabentausch-Literatur oft der Aspekt des zeitlichen Intervalls zwischen Gabe und Gegengabe betont wird,192 reicht es hier aus, den Komplex Gabentausch/Patronage von anderen Modi der Informationsgewinnung abzusetzen. Patronage verlief insofern gabentauschförmig, als sie informellen Regeln folgte. Leistung und Gegenleistung waren sozial gefordert, aber nicht formal einklagbar. Dies unterscheidet sie von zwei anderen Modi der Informationsgewinnung: der amtsförmigen und der handelsförmigen. Im Amtskontext – dies ist etwa an der Korrespondenz der Secretaries of State, an den englischen Diplomaten und im militärischen Rahmen gezeigt worden – war Informationsgewinnung eine Dienstpflicht. In anderen Zusammenhängen – man erinnere sich an Caillauds Spionagefirma – war Information ein Handelsprodukt, das verkauft und gekauft wurde. Die Abgrenzung von Dienstpflicht und Patronageverhältnis ist dabei unscharf. Die Literatur zur frühneuzeitlichen Patronage betont immer wieder, dass sich aus Patronageverhältnissen zwar eine gewisse Normenkonkurrenz zu und damit Dysfunktionalität für Amtsverpflichtungen ergeben konnte,193 aber auch, dass beide Beziehungsarten sich gegenseitig komplementär ergänzten, Amts- und Patronagepflichten also einträchtig nebeneinanderstehen konnten.194 Es wäre daher ein Missverständnis, wollte man in der longue durée vorschnell eine Art Entwicklungsgeschichte der Informationsgewinnung von der Patronage zur Bürokratie konstruieren: Das Interessante an der Situation um 1700 liegt wohl eher in den verschiedenen Möglichkeiten, Informationsgewinnung zu strukturieren und zu organisieren – und in deren enger Verknüpfung.195 Ähnlich ambivalent ist die Beziehung zwischen Handels- und Patronagemodus der Informationsgewinnung: Es ist auffällig, dass die diplomatiegeschichtliche Literatur in ihrer Einschätzung der Informationsbeschaffung zwischen Handel und Patronage, z wischen Informationskauf und Informationsgabe changiert.196 Eine Entscheidung zwischen beiden wäre aber eine unproduktive interpretative Zuspitzung in die eine oder andere Richtung; es gibt in der Tat beides, oft 192 Vgl. Bourdieu, Ökonomie, 164; Stollberg-Rilinger, Zur moralischen Ökonomie, v. a. 195. 193 Vgl. Thiessen, Diplomatie und Patronage. 194 Vgl. Droste, Patronage; Hengerer, Amtsträger, 64. 195 Ein ähnliches Argument mit gleichzeitiger Skepsis gegenüber zu linearen Entwicklungslinien formuliert Natalie Zemon Davis, die das Geschenk (die Gabe) als Verhaltensmodus neben dem Zwang und dem Kauf sieht; in mein Modell transponiert hieße dies: Patronage und Gabentausch stehen neben bürokratisch-staatlicher Organisation und dem Handel mit Informationen. Vgl. Davis, Die schenkende Gesellschaft, 19. 196 Vgl. Roosen, Age of Louis XIV, 152; Bély, Espions, 59; de Bruin, Geheimhouding, 63; Opitz, Diplomacy, 73 (Marktförmigkeit); Anderson, Rise of Modern Diplomacy, 56 (Gabentausch).
Information und Patronage
343
miteinander verbunden. Dies liegt unter anderem daran, dass die klare moderne Differenzierung von Kaufen und Schenken für die Vormoderne ohnehin nicht ganz zutrifft. Barbara Stollberg-Rilinger spricht von „fließende(n) Übergänge(n) zwischen Geschenk und Bezahlung, Geschenk und Besoldung, Geschenk und Bestechung, Geschenk und Tribut“197. Es liegt aber auch daran – dies ist bereits angeklungen –, dass in der Regel reine Handelsverhältnisse von den entscheidenden Akteuren für problematisch gehalten wurden. Zwar wurde in einer großen Zahl von Fällen Information für Geld gekauft. Doch am vielleicht prominentesten Falle Caillaud ist gleichzeitig abzulesen, dass diese Handelsbeziehung durch eine Patronagebeziehung z wischen Marlborough und Caillaud, vielleicht auch zwischen Sunderland und Caillaud, ergänzt wurde. Schon aus Gründen der Vertrauenswürdigkeit wurden rein finanzielle Verbindungen skeptisch eingeschätzt. Dies hängt damit zusammen, dass Geld – anders als die Verpflichtung und das Vertrauen, das in Patronageverhältnissen prozessiert wird – kaum in der Lage ist, stabile soziale Strukturen auszubilden: Geld hat, so die einschlägige Forschung, die Tendenz zur Anonymisierung von Sozialbeziehungen und zur Nichtbeachtung der Person. Geld „schafft zwar Beziehungen zwischen Menschen, aber es lässt die Menschen außerhalb derselben“198. Die ständische Egalisierung, die mit Geld einherging, war im Kontext der Informationsgewinnung zwar zum Teil unvermeidlich. Die Untersuchungen zum Secret Service Money haben das gezeigt. Dort wurde aber auch plausibel gemacht, dass Geld nicht die einzige Währung war, mit der Informationen bezahlt wurden. Patronage ergänzte die finanziellen Ressourcen, die eingesetzt wurden; wie beim Verhältnis von Patronage und Amt ist auch hier eine Komplementarität, oft auch eine Verdopplung der einen sozia len Beziehung durch die andere zu beobachten. Marlboroughs Patronagenetze sind nie umfassend untersucht worden; die Konturen eines alle Bereiche seiner Tätigkeit betreffenden sozialen Strukturierungsmusters lassen sich nur erahnen. Marlborough war – zumindest bis 1710 – gemeinsam mit Godolphin der wichtigste Patronagebroker der Königin. Die Besetzung diplomatischer Ämter lief weitgehend über die beiden.199 Patronage, die auch über Information lief, verdoppelte im diplomatischen Dienst die offizielle Beziehung, die die Gesandten zu Marlborough unterhielten. Wenn die Ambassadeurs und Envoyés der englischen Krone Marlborough als Ambassador General generell in hohem Maße in ihre bilateralen Korrespondenzen einbanden, 197 Stollberg-Rilinger, Zur moralischen Ökonomie, 189. 198 Simmel, Philosophie des Geldes, 404. 199 Vgl. Snyder, Diplomatic Service; siehe zum Problemkomplex Patronage auch: Metzdorf, Politik.
344
Funktionen der Information
wurde doch d ieses Amtsverhältnis in manchen Fällen durch eine Patronage beziehung ergänzt, wie dies in der Korrespondenz Marlboroughs mit dem Lissa boner Gesandten Paul Methuen deutlich wird.200 Im diplomatischen Kontext sind auch, wie erwähnt, transnationale Patronageverhältnisse zu beobachten, für die der preußische Oberst Grumbkow und dessen geheime Berichterstattung ein gutes Beispiel darstellen. Sowohl im Fall des südniederländischen Generalpostmeisters Jaupain als auch im Fall der Spionagefirma Caillaud ist festgestellt worden, dass Amts- oder Handelsverpflichtungen durch Patronagebeziehungen ergänzt und verstärkt wurden. Wie werden diese Patronagebeziehungen sprachlich gefasst? Die Begriffe „Patron“ und „Klient“ tauchen in den Quellen relativ selten auf, stattdessen ist zuweilen die Rede von Freundschaft, oft von „protection“.201 Dies entspricht der kunstvollen Uneindeutigkeit der Termini, die im England des 17. und 18. Jahrhunderts in höfischen wie städtischen Kontexten für Patronagebeziehungen verwendet wurden.202 Anscheinend war es in den hier beobachteten Fällen meist inopportun, das Patronageverhältnis, die ihm innewohnende Asymmetrie und seine spezifische Verpflichtungsstruktur allzu offen zu thematisieren.203 Die Einsetzbarkeit von Information im Rahmen von Patronage konnte dazu führen, dass der Inhalt der Information gleichgültig wurde. Hier überwog dann der Beziehungsaspekt eindeutig den Inhaltsaspekt. Der Marquis d’Arsellières, der als englischer Gesandter ohne Rang in Genf tätig war und später ein wichtiger Informant über die Schweizer Verhältnisse wurde, eröffnete seinen Briefwechsel mit Marlborough auf bemerkenswerte Weise: Er berief sich auf den Secretary at War, William Blathwayt, der ihm eine Korrespondenz mit Marlborough nahegelegt hatte, und fuhr dann fort: 200 Vgl. Paul Methuen an Marlborough, BL Add. 61145, 201v. 201 So spricht etwa, um nur wenige Beispiele zu nennen, Philippe de Bourgogne, Graf von Beveren, von „protection“ und „amitié“; siehe sein Brief an Marlborough, 5. Juli 1711, in: BL Add. 61315, 85v. Siehe etwa auch Marlboroughs Aufforderung an den Secretary of State Hedges, ihm wie einem „friend“ zu berichten: Letters and Dispatches, Bd. 1, 306. 202 Vgl. z. B. Peck, Court Patronage, 12 – 29; Patterson, Urban Patronage, 16; Tadmor, Family, 214 f. 203 Dies entspricht dem Befund Aschs; siehe Asch, Europäischer Adel, 114 f. Dagegen betont Hengerer, Amtsträger, 77, die Legitimität einer Patronagesprache gerade gegenüber anderen Semantiken: „Das Reden über Verhalten oder Beziehungen in der Sprache von Patronage ver- bzw. überdeckt so die übrigen Dimensionen von Sozialbeziehungen (wie etwa Markt oder Macht) und schafft ein Spektrum der Sagbarkeit und der Unsagbarkeit, also eine spezifische Evidenz und eine spezifische Latenz.“ Dies trifft aber für England um 1700 eher nicht zu.
Information und Patronage
345
„Cette ville est si petite estendue et sie eloignee des lieux de la guerre qu’il est rare qu’il se passe de choses dignes d’estre escrites a Vostre Grandeur, cependant ie prendrai la liberté de l’informer de ce qui viendra a ma connoissance. Ie m’estimerois heureux si ie pouvois meriter l‘honneur de sa puissante protection par mon attachement.“204
Der Marquis wies also darauf hin, dass es aus Genf nichts zu berichten gäbe – und bewarb sich dennoch um Patronage. Welche Funktion dieses Patronagesuch für den Marquis erfüllte, lässt sich leicht denken: Er versprach sich davon Unterstützung jedweder Art für die Zukunft. Wenn dies so ist, dann werden die Informationen, die in Korrespondenznetzwerken ausgetauscht werden, möglicherweise generell zwar eine instrumentelle Funk tion besitzen, diese instrumentelle Funktion wird sich aber zum Beispiel weniger auf das beziehen, was man üblicherweise als Funktion von Information anspricht, sondern eher auf Patronageprobleme bezogen sein. Demnach kann sie nach der Definition Wolfgang Reinhards zum Beispiel als Instrument der „Mikropolitik“ dienen, ist also „der mehr oder weniger planmäßige Einsatz eines Netzes informeller persönlicher Beziehungen zu politischen Zwecken, wobei die Besetzung einer Stelle und der Rang ihres Inhabers politisch in der Regel sehr viel wichtiger ist, als das, was diese Person anschließend treibt“205. Warum aber ging Marlborough auf das Patronagegesuch des Marquis ein (dass er dies tat, ist aus der Fortführung des Briefwechsels zu ersehen 206)? Warum betrieb er überhaupt Informationsgewinnung auf dem Weg über Patronage? Denn während im Fall von Amtsbeziehungen klar ist, welche Funktionen die Informationsgewinnung erfüllt (der Informant ist qua Amt dazu verpflichtet und wird dafür bezahlt, dem Dienstherrn potentiell relevante Informationen zu liefern), und dies ebenso für den Kauf und Verkauf von Informationen gilt (hier wird Geld gegen relevante Information ausgetauscht), liegt der Fall bei Patronage etwas anders: Hier ist zu fragen, ob die Informationen für den Patron nur oder überwiegend eine instrumentelle Funktion einnehmen, ob also Patronageersuche 204 Vgl. Gaspard Perrinet, Marquis d’Arsellières, an Marlborough, 9./20. Juni 1702, in: BL Add. 61145, 1v–2r. Diese Kommunikationssituation kam öfter vor und kann darauf verweisen, dass die Wünsche von Informant und Informiertem nicht immer identisch waren. So schrieb etwa Marmande aus Brüssel an an den Under-Secretary Ellis: „tout ce que je puis faire pour vostre instruction c’est de vous informer des faits pour exercer vostre Esprit; le mal est pour moy que Je n’en ay pas, tout est paisible icy; Dieu veuille que cela dure.“: Marmande an Ellis, 2. Oktober 1700, in: BL Add. 28906, 64r. 205 Reinhard, Amici e creature, 312. 206 Vgl. BL Add. 61145, 1 – 22v.
346
Funktionen der Information
deshalb positiv beantwortet werden, weil sie der Informationsgewinnung dienen. Es ist wahrscheinlich, dass auch für Marlborough die Informationsgewinnung nur ein Aspekt unter mehreren war. Denn Patronage diente ja auch dem Patron: Sie stellte, wenn auch unspezifisch, Einfluss her; sie war eine weitere Machtressource neben anderen.207 Dieses Phänomen lässt sich besonders einschlägig am Bereich des Militärs diskutieren. Militärische Informationsgewinnung war ein Feld, auf dem Patronagebemühungen von besonders großer Bedeutung waren. Verschwimmt hier die unmittelbare instrumentelle Funktion von Information hinter dem Aufbau einer Patronagebeziehung? Oder sind andere, sekundäre Funktionen von Information zu erkennen, die nur auf dem Weg über Patronage zu erreichen waren? 4.3.2 Information, Patronage, Allianz: Militärische Informanten als Klienten
Im Kapitel über Militärs als Informanten 208 wurde darauf hingewiesen, dass gerade im militärischen Kontext die Patronagegesuche, die sich an die Informa tionsübermittlung anschlossen, besonders häufig zu sein scheinen. Militärische Patronage ist bisher vor allem für die französische Armee unter Ludwig XIV . untersucht worden.209 Marlboroughs militärische Patronagenetze, die zum Teil noch aus der Zeit der Glorious Revolution stammten,210 sind bisher nicht syste matisch erforscht worden. Klar ist aber, dass in der Phase seiner größten Macht keine oder kaum Stellenbesetzungen innerhalb der englischen Armee ohne Marlboroughs Einverständnis vorgenommen werden konnten.211 Allerdings ist bisher der Informationsaspekt als wichtige Patronagewährung kaum beachtet worden – erst recht nicht im Kontext der transnationalen alliierten Armee. Hier besitzt allerdings, wie gesagt, der Zusammenhang von Information und Patro nage eine hervorstechende Bedeutung. 207 Zu Patronage als „important instrument of political control“ siehe: Peck, Court Patronage, 15. Zu den sozial zentralen, instrumentell aber oft unspezifischen Funktionen von Patro nage für den Patron siehe daneben v. a.: Dewald, European Nobility, 42. Mit Heinrich Popitz könnte man die Funktion von Patronage für den Patron auch als „instrumentelle Macht“ bezeichnen, die in der „Steuerung des Verhaltens anderer durch Drohungen und Versprechungen“ besteht – wobei für Patronage der Aspekt des (unspezifischen) Versprechens charakteristisch ist. Siehe Popitz, Phänomene der Macht, 79. 208 Siehe Kapitel 3.3.3. 209 Vgl. Rowlands, Dynastic State, 282 – 285, 349 – 362. 210 Vgl. Jones, Marlborough, 40 f. 211 Vgl. Burton, Committee of Council, 81; siehe auch: Bély/Bérenger/Corvisier, Guerre et paix, 56 f.
Information und Patronage
347
Dies sei an wenigen Beispielen illustriert: Viele Offiziere sprechen davon, es sei ihre Pflicht (devoir), Marlborough zu informieren – und machen damit darauf aufmerksam, dass es sich bei den Beziehungen z wischen den meist in niederländischen Diensten stehenden Offizieren und dem englischen Oberkommandierenden der Allianztruppen um amtsähnliche Beziehungen mit relativ klar umrissenen Dienstpflichten handelte. Allerdings war es offensichtlich nicht so, dass alle höheren Offiziere jederzeit und überall gehalten waren, direkt an Marlborough zu schreiben. In bestimmten Fällen bat Marlborough selbst bestimmte Offiziere, ihn auf dem Laufenden zu halten – was, nicht zu Unrecht, als besondere Auszeichnung verstanden wurde: „Comme votre Altesse me fit la Grace de m’ordonner a son depart de l’armée de l’informer de ce qui sie passeroit du coté des Ennemis j’auray l‘honneur de vous dire […]“212. Der kaiserliche Offizier Hohendorff spricht schlicht von der „permission“, die Marlborough ihm gegeben habe, ihm zu schreiben.213 Doch konnte man auch schreiben (z. B. eben mit Verweis auf devoir), wenn man nicht dazu aufgefordert worden war.214 Dies galt in mindestens einem Fall sogar für einen schwedischen Oberst – Angehöriger also eines Heeres, das mit England weder verbündet noch verfeindet war: Marlborough hatte 1707 (im Umkreis der schwedischen Besetzung Sachsens) ein großes Interesse an Informationen über die schwedische Armee, und der schwedische Oberst Hamilton hatte offenbar ein mindestens ebenso großes Interesse an Marlboroughs Protektion.215 Auffällig ist aber in der Mehrzahl solcher Formeln vor allem in Briefen niederländischer Offiziere und Festungsgouverneure, dass kunstvoll im Unklaren gelassen wird, wer eigentlich wem einen Gefallen tut, wer wem eine Gunst erweist, wie devoir und grace (oder ordre und honneur) sich zueinander verhalten. In vielen Fällen verbinden sich militärische Dienstpflicht und höfisch anmutende Etikette und Rhetorik unauflöslich: „Vôtre Altesse me fit l‘honneur au Camp de Rosselaer de me dire de luy êcrire, lorsque je pris conge d’elle. C’est pour obeir à cet ordre, 212 Vgl. van Wassenaer an Marlborough, 25. November 1706, in: BL Add. 61310, 135r. 2 13 Vgl. Hohendorff an Marlborough, Wien, 3. Februar 1708, in: BL Add. 61310, 194r; zu Hohendorff siehe: Braubach, Vertrauter, 126 – 162. 214 Vgl. den Brief des hannoverschen Generalmajor Villers, 27. August 1705, in: BL Add. 61308, 166r. Siehe auch den Brief des kaiserlichen Offiziers Grad Harrsch, in: BL Add. 61311, 115r–122v. Der kaiserliche Oberst Baron Browne de Camus scheint dagegen nicht auf Marlboroughs Protektion gehofft zu haben; er teilt diesem mit, er schreibe ja bereits an den englischen Residenten Davenant. Vgl. BL Add. 61310, 98v–99r. 215 Siehe die Briefe Hugo Johan Hamiltons an Marlborough, der Marlborough bittet, über die schwedische Armee berichten zu dürfen; BL Add. 61311, 28r, 62r, 95r.
348
Funktionen der Information
que je prends la Liberté de dire […]“216. Oder auch: „Je prend la Liberté (Comme êstant Le moindre de mes devoirs) de donner a Vôtre Altesse Les avis en detail des mesures et preparatifs de l’Ennemi […]“217. Selten verbanden sich mit solchen Formeln handfeste und explizite Wünsche, zum Beispiel eine Empfehlung Marlboroughs an Heinsius.218 In den meisten Fällen wurde eher auf unspezifische protection abgezielt, die irgendwann einmal von Nutzen sein konnte. Dass die gerade in militärischen Kontexten verbreitete Verbindung von Informationspflicht und Patronagegesuch sogar gewisse Dysfunktionalitäten ausbilden konnte, wird deutlich aus einem Brief des in niederländischen Diensten stehenden schwedischen Generalleutnants Bengt Oxenstierna. Jedenfalls erweckt Oxenstierna den Eindruck (und auch dies wird wiederum höfische Rhetorik sein), er leite nur angenehme, nicht aber unangenehme Informationen weiter, um Marlborough nicht zu verletzen: „La repugnance que j’ay de mander a Vostre Altesse de nouvelles desagreables est uniquement cause qu’elle n’a point receu de mes lettres depuis nostre arrivée devans cette place, car de la maniere que les choses y sont allées jusqu’icy, je n’aurois pû vous en informer Milord sans vous chagriner, et j’ay mieu aime laisser cette Commission a un autre. Pardonnez moy s’il vous plaie cette delicatesse, et seriez tres persuadés que quand les affaires iront mieux vous n’eurez point a vous plaindre de mon irregularité.“219
Nun war dies eher die Ausnahme als die Regel, die darin bestand, dass sich zwar Patronagebitten eng an dienstliche militärische Information anlagerten, diese aber nicht derart überlagerten, wie es aus dem gerade zitierten Passus deutlich wird. Doch wenn der Eindruck zutrifft, dass gerade in militärischen Kontexten Information und Patronage auf überaus enge Weise miteinander verknüpft waren: 216 Brief des niederländischen Generalmajors Montaciel an Marlborough, 5. Juli 1706, in: BL Add. 61309, 200r. 217 Brief des kaiserlichen Obersten in niederländischen Diensten van Guethem, 23. Februar 1707, in: BL Add. 61310, 202r–v. Siehe auch den Brief des niederländischen Offiziers Reinaud während der Belagerung von Lille, 20. November 1708, in: BL Add. 61312, 159r: „apres l’ordre dont Il â pleu à votre Altesse de m‘honnorer Je n’ai vouleu manquer a L’informer de ce qui set passé depuis se tems la au siege de la citadelle.“ 218 Siehe Brunet de Rochebrune an Marlborough, 10. Mai 1710, in: BL Add. 61204, 90r: „Si Vostre Altesse Serenissime est satisfaite des nouvelles que j’ay l’honneur de luy communiquer quelques fois, je la supplie tres humblement d’avoir la bonté d’en marquer sa satisfaction dans les premieres lettres qu’elle ecrira a Monsieur le Conseiller pensionnaire […]“. 219 25. Juni 1706, in: BL Add. 61309, 149r.
Information und Patronage
349
Was bedeutet das dann? Marlborough besaß ja innerhalb der englischen Armee (und auch der englischen Diplomatie) jedenfalls in der Zeit seines größten Einflusses relativ große Freiheiten, Stellen mit seinen Klienten zu besetzen.220 Diplomaten und auch Militärs niederer Ränge waren ihm nicht selten in Patronagebeziehungen verbunden; dies ist in den vorherigen Kapiteln manchmal zur Sprache gekommen. Die Offiziere und Kommandanten, mit denen Marlborough in Flandern korrespondierte, waren allerdings gerade keine Engländer, sondern gehörten in der Regel zur niederländischen Armee. Diese unterstanden zwar in letzter Instanz, aber eben praktisch doch relativ indirekt Marlboroughs Kommando. Auch sie suchten Patronage, bei der es allerdings selten um die Erlangung von Ämtern ging (auf diese hätte Marlborough keinen direkten Einfluss gehabt), sondern um unspezifischere Einflussnahmen. Das heißt: Es ist relativ naheliegend, warum (im Sinne subjektiver Motivation) so viele Offiziere der Allianz Marlboroughs Patro nage wünschten. Doch auch für Marlborough waren sicher zwei Aspekte wichtig: erstens eine Ausweitung seines Einflusses über formale Amtsbeziehungen hinaus, zweitens die Tatsache, dass dies eine finanzielle Erleichterung bedeutete. Die Patronage suchenden Offiziere und Kommandanten bezahlten ja die Spione, die sie aussandten und deren Berichte sie Marlborough zugänglich machten, selbst – Marlborough entstanden also keine Kosten. Plausibel ist aber auch die Annahme, dass die Patronageverbindungen gerade in der Situation der Allianz dazu dienten, Offiziere verschiedener Länder fester an ihren obersten Kommandierenden zu binden. Die internen Funktionsweisen frühneuzeitlicher Militärbündnisse sind bisher kaum erforscht; zu den sozialen Praktiken, die genutzt wurden, um eine transnationale Allianz zu organisieren, ihr Kohäsion zu verleihen und unvermeidliche Konflikte zu lösen, gibt es kaum Untersuchungen.221 Dies gilt auch für die alliierte Armee im Spanischen Erbfolgekrieg. Die wenigen Beiträge, die sich mit ihrem internen Funktionieren beschäftigen, lassen aber mindestens erkennen, dass es Probleme gab: Übereinstimmend, wenn auch in den Wertungen unterschiedlich, betonen alle Arbeiten die Abstimmungsprobleme z wischen englischem Oberkommandierenden und niederländischen Felddeputierten. Das politische wie militärische Problem der fragilen Allianz der Seemächte bestand ja darin, dass die Niederländer einem englischen Oberkommandierenden nur unter der Bedingung zugestimmt hatten, 220 Vgl. Snyder, Diplomatic Service; Burton, Committee of Council, 81. 221 Vgl. Cesa, Allies; siehe dazu: Externbrink, Rezension. Wenige Bemerkungen, die eher mit dem Problem der Entscheidungsfindung in einer Allianzarmee zu tun haben, bei: Handrick, Pragmatische Armee, 279 – 287. Zum Forschungsstand siehe auch: K aiser, Bündnis.
350
Funktionen der Information
dass diesem ein Konsultationsgremium zur Seite gestellt wurde, das überdies im Zweifelsfall mit Den Haag Rücksprache halten sollte.222 Der Umstand, dass dies aus Sicht der Engländer und auch der englischen Forschung die Durchschlagskraft der Allianztruppen erheblich minderte und objektiv zu regelmäßigen Verzögerungen führen musste, ist aber möglicherweise nur der hervorstechendste Aspekt eines grundsätzlicheren Problems: des Problems nämlich, wie in einer transna tionalen Armee mit einer zwar formal klar geregelten, in der Praxis aber äußerst kraftraubenden Befehlsordnung Zusammenhalt herzustellen war. Insofern bildeten die transnationalen Patronagebeziehungen, die aus Informationskontakten hervorgingen, eine Möglichkeit, die in der Allianzsituation ausfransenden formalen Dienst- und Pflichtbeziehungen innerhalb des Militärs komplementär zu ergänzen. Die Relevanz von Information bemaß sich hier nicht zwangsläufig an ihrer unmittelbaren instrumentellen Bedeutung, sondern eher daran, dass sie ein Mittel war, über Informationskorrespondenzen und die aus ihnen erwachsende Patronage der alliierten Armee eine gewisse Kohäsion zu verleihen. Damit dienten diese Patronagebeziehungen nicht nur dem jeweiligen Klienten, sondern auch Marlborough als Patron.
4.4 Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität 4.4.1 Lett me know every thing: Kompetenzrepräsentation oder Fetischismus?
Neben der instrumentellen Nutzung von Information für Entscheidungen oder zur Unsicherheitsminimierung und ihrem Einsatz als Patronagemedium soll hier ein weiterer Punkt benannt werden, der die häufig beobachtbare „conspicuous over-consumption of information“223 erklären kann. Oft drängt sich der Eindruck auf, man habe es mit einer Art von Informationsfetischismus zu tun – verstanden als Selbstzweckhaftigkeit der Informationsgewinnung, die potentielle Nutzungsmöglichkeiten aus dem Auge verliert.224 Die organisa tionssoziologische Forschung hat, dies ist bereits zitiert worden, das Phänomen 222 Vgl. Stapleton, ‚By thes difficultys‘, aber auch die älteren Arbeiten von: Coombs, Augmenta tion; Wijn, Le duc de Marlborough. 223 Feldman/March, Information in Organisations, 182. 224 Zum Problem des Informationsfetischismus siehe: Weltz, Information; Hartmann, Fetisch Information.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
351
der geradezu demonstrativen Informationsgewinnung anders zu erklären versucht. Statt von einem Selbstzweck auszugehen, weist sie auf die Sekundärfunktionen von Information hin: Information sei eben nicht nur unmittelbar entscheidungsoder handlungsrelevant, sondern sie biete in organisationsförmigen Strukturen auch eine Möglichkeit der „representation of competence“225. Information sei die wichtigste Ressource, um eine Entscheidung und einen Entscheidungsträger als kompetent, rational und effizient auszuweisen. Damit werde sie zum Legitimitationsargument – und zwar weitgehend unabhängig von ihrer Nütz lichkeit und Nutzung. Für andere frühneuzeitliche Kontext, etwa für den spanischen König Philipp II., ist diese Legitimationsfunktion von Information eindrücklich herausgearbeitet worden.226 Auch für die englische Bürokratie des 17. Jahrhunderts ist darauf hingewiesen worden, dass neben bürokratischer Effizienz auch Statusfragen eine große Bedeutung für die Akteure und ihr Informationsverhalten besaßen.227 Auffällig ist allerdings für die englische Regierung um 1700 und auch für Marlborough, dass dieser Aspekt sehr selten thematisiert wird. Genau wie die gezielte Evaluation von Information, die oben diskutiert wurde, ist auch die offensive Argumentation mit der eigenen Informiertheit vergleichsweise selten zu beobachten. Dieser Umstand mag damit zusammenhängen, dass die Legitimationsfunktion von Informa tion mutmaßlich eng mit einem relativ hohen Grad an Organisationsförmigkeit zusammenhängt – weshalb die Organisationssoziologie sie gerade in diesem Umfeld hat feststellen können. Die relativ schwach organisationsförmige Struktur der englischen Regierung um 1700 und auch das Neben- und Ineinander von adligem und administrativem Selbstverständnis der Akteure legten diese Option nicht zwingend nah. So wie die Secretaries of State Informationsgewinnung individuell eine unterschiedlich große Bedeutung beimaßen, genauso wurde auch die Repräsentation der eigenen Kompetenz durch Information und Informiertheit nur punktuell eingesetzt. Allerdings dürfte die immer wieder beobachtete Diskretion, mit der Politiker die Identität ihrer Informationsquellen geheim hielten, ebenfalls eine Art implizites Legitimationsargument darstellen: Möglicherweise ging es dabei nicht nur um den Schutz der eigenen Informanten, sondern auch darum, die Umwelt darüber im Unklaren zu lassen, wie groß und wie gut der eigene Informantenkreis war.
225 Feldman/March, Information in Organisations, 177. 226 Vgl. Brendecke, Imperium, v. a. 82. 227 Vgl. Marshall, Sir Joseph Williamson, 25.
352
Funktionen der Information
Dennoch ist zuerst einmal eine Differenz zu den Ergebnissen der auf die Moderne bezogenen Organisationsforschung zu konstatieren. Es gibt charakteristischerweise zwei Ausnahmen von dieser Regel: Gerade für die beiden Politiker, die als Secretaries in besonders auffälligem Maße an Informationsgewinnung interessiert waren und in dieser Hinsicht besonders eng mit Marlborough kooperierten, ist die Funktion von Information als Kompetenzrepräsentation mindestens plausibel zu machen: für Sunderland und für Harley. Damit können beide in einem in dieser Hinsicht eher uninteressierten Umfeld als Pioniere einer neuen Nutzung von Information gelten – einer Nutzung allerdings, die erst einmal wenig mit dem instrumentellen Nutzen von Information zu tun hat. Oben ist bereits auf die auffällige Emphase hingewiesen worden, die S underland in seiner Korrespondenz mit dem Brüsseler Gesandtschaftssekretär John Lawes an den Tag legte, um diesen dazu anzuhalten, so oft und so ausführlich wie möglich die von ihm gewonnenen Informationen zu übermitteln.228 Dieser Kontext ist einer der wenigen, in denen Informationsgewinnung offen als Kompetenzrepräsentation benannt wird. Gleich zu Beginn der Korrespondenz teilte Sunderland Lawes mit: „I desire you will send me frequent and punctual accounts of all publick occurrences that comes to your knowledge.“229 Dieser Grundton hält sich durch: „I thank you for your constant accounts of all that has passed before Brussells, and desire you will continue to lett me know every thing material that passes in those parts.“230 „I have received yours of the 18th 25th past, 4th & 8th Inst. N. S. and return you my thanks for the Intelligence they contain which I desire you will continue to send me from time to time as often as you have any thing worth communicating.“231 „I desire you will continue to send me what Intelligence you can from your parts.“232 Diese konstante Aufforderung wird von Zeit zu Zeit auf auffällige Weise qualifiziert, was die Frage nahelegt, worin eigentlich genau die Funktion der Information bestand. Zuweilen wird die Informationsforderung geradezu als Grußformel eingesetzt, die den Brief beschließt: „you need not doubt but particular accounts of all occurrences on your side will be very acceptable to […]“233; auch sonst wirkt die Aufforderung formelhaft. Angesichts des Umstandes, dass kaum die Möglichkeit bestand, alle eingehenden Informationen in sinnvoller 228 Vgl. Kapitel 3.3.2. 229 Sunderland an Lawes, 27. Oktober 1707, in: BL Add. 61651, 70v. 230 3. Dezember 1708, in: BL Add. 61651, 140v. 231 4. März 1708/09, ähnlich auch 4. Oktober 1709, 28. März 1710, in: BL Add. 61651, 154r; 188v; 213r. 232 22. April 1709, in: BL Add. 61651, 161v. 233 17. Juni 1709, in: BL Add. 61651, 175r.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
353
Weise zu verarbeiten und sie instrumentell zu n utzen, liegt es nahe, mindestens auch eine selbstlaufende, durch die Organisationsförmigkeit der Korrespondenz mitbedingte Routine zu unterstellen. Dass nicht alles, was Lawes in so großer Quantität übermittelte, gleich wichtig war, lässt auch Sunderland durchscheinen, wenn er durch ein „may be“ deutlich macht, dass es mindestens so sehr um potentielle als um aktuelle Informationen, mindestens so sehr um das Ausschließen von Eventualitäten wie um das Ausführen von Handlungen geht: „I hope you will continue your application to have full Information of what passes on the Frontiers, which you must be sensible may be of very great consequence in this Juncture.“234 Sunderland bezeichnet die Berichte Lawes in der Regel auch nicht als dringlich oder wichtig, sondern eher als „acceptable“235. An anderer Stelle schreibt er: „there being nothing in your Letters which require a particular return, I should not have given you the trouble of this, were it not that I judge it agreable to you to know that they come safe to my hands.“236 Als Lawes einmal nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt schreibt, wirft Sunderland ihm dies vor, und zwar mit einem Argument, das wiederum die Frage nach der Funktion der diplomatischen Informationsgewinnung nahelegt: „with five Mailes from Ostend last week there was not one letter either for my self or any in my office, which you must be sensible does not look very well“237. Es ‚sah also nicht gut aus‘, wenn Sunderland als Secretary und Behördenchef nicht regelmäßig und ordentlich informiert wurde. Es ging ihm offenbar nicht nur um entscheidungsrelevante Informationen, sondern auch um die Selbstdarstellung des Amtsträgers, um seine „representation of competence“238. Auch wenn der Kontext die tagesaktuell brisante Frage nach möglichen Dünkirchener Aufrüstungen ist, lässt sich doch angesichts der zitierten Belege die Interpretation nicht von der Hand weisen, es sei hier (auch) um die sekundäre Funktion der Legitimitätsrepräsenta tion gegangen. Als Robert Harley 1708 aus seinem Amt als Secretary of State entlassen wurde, schrieb er in einem Brief an den Herzog von Newcastle: „I am master of no news or intelligence and take no more pleasure in the schemes and projects which are every day new, than in hearing the dreams of a sick man.“239 Gerade Harley wurde aber immer wieder nachgesagt, er liebe Informationen um ihrer selbst willen und 234 24. Januar 1709/10, in: BL Add. 61651, 209r. 235 9. September 1709, in: BL Add. 61651, 185v. 236 8. Juli 1709, in: BL Add. 61651, 178r. 237 22. November 1709, in: BL Add. 61651, 195v. 238 Feldman/March, Information in Organisations, 177. 239 Harley an den Duke of Newcastle, 17. Juni 1708, in: HMC Portland, Bd. 2, 205.
354
Funktionen der Information
sei unersättlich nach ihnen.240 Nicht von ihm selbst stammt allerdings eine Aussage, die die Nutzung von Information als legitimierende Kompetenzrepräsenta tion deutlich macht, sondern von einem Gegner: Marlboroughs Feldkaplan und publizistisches Sprachrohr Francis Hare schrieb Ende 1710 einen langen Brief an Marlboroughs Frau Sarah, in dem er den Zustand der englischen Politik und die wichtigsten Akteure kommentierte. Harley, so schrieb Hare, sei als Secretary auch deshalb ein schlechter Behördenleiter gewesen, weil er zu viel Energie darauf verwendet habe, eigene Spionagenetze in Frankreich aufzubauen. Oben war ausgeführt worden, dass sich einige von Harleys Spionen in Frankreich als Doppelagenten entpuppt hatten.241 Hare bemerkte: „And what appeared of his intelligence with France is much to his disadvantage; it shewing an ill-managed and expensive affectation to appear considerable in his office, with very little or no advantage to the service.“242 Harleys Informationsgewinnung sei also unnütz, teuer und ineffektiv gewesen, habe aber dazu dienen sollen, ihn als „considerable“ dastehen zu lassen – eine Bemerkung, die wiederum zeigt, dass das Deutungsmuster, das Information und Kompetenz miteinander verknüpfte, durchaus verfügbar war, wenn es auch relativ selten eingesetzt wurde. Wegen dieser Seltenheit erscheint extensive Informationsgewinnung dem späteren Beobachter als tendenziell fetischistisch, weil selbstzweckhaft. Von Marlborough selbst gibt es kaum s olche Aussagen wie diejenige von Sunderland und diejenige über Harley. Wenn auch, wie breit gezeigt wurde, Informationsgewinnung eine zentrale Aufgabe aller seiner Tätigkeitsfelder war, berief sich doch Marlborough selten auf Informationen, um sich und seine Handlungen zu legitimieren oder sich selbst als kompetent zu repräsentieren – mit einer entscheidenden Ausnahme, die im nächsten Kapitel diskutiert werden soll. Doch auch in seinem Fall ist ex negativo zu sehen, wie er subjektiv Macht und Einfluss an Information und ihre Nützlichkeit koppelte: Während des Jahres 1711 begann der Treasurer Harley nämlich nicht nur damit, die Korrespondenz der Gesandten alliierter Mächte in London zu überwachen,243 er fing auch die Korres pondenz seines Erzfeindes Marlborough ab – jedenfalls nahm M arlborough das an. Sein Machtverfall äußerte sich nicht zuletzt in Informationsparanoia. Bereits 240 Vgl. Plumb, Organization, 138. Auch nach seiner Demission unterhielt Harley übrigens Spione am Hof, um z. B. Marlboroughs Frau Sarah zu überwachen. Vgl. Harris, Passion for Government, 145. 241 Vgl. Kapitel 3.3.1. 242 Francis Hare an Sarah, 1. Dezember 1710, in: Private Correspondence of Sarah, Bd. 2, 54. 243 Vgl. Jarnut-Derbolav, Österreichische Gesandtschaft, 480.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
355
im Sommer 1710 zeigte er sich Godolphin und Sarah gegenüber überzeugt, dass Harley ihre Briefe interzipiere,244 und diese Sorge (Marlborough hätte gesagt: diese Gewissheit) verschärfte sich im folgenden Jahr.245 Aus einem Nutznießer der Informationsgewinnung war Marlborough, jedenfalls in seiner eigenen Wahrnehmung, zu deren Opfer geworden. Tatsächlich dürfte seine eigene politische Informationslage sich im Jahr 1711 dramatisch verschlechtert haben.246 Der wichtige Brüsseler Spionageorganisator John Lawes etwa arbeitete jetzt wie andere Spione für den politischen Gegner in London (allerdings waren Caillaud und vor allem Jaupain Marlborough weiter eng verbunden). Viel massiver war der Informationsrückgang im Hinblick auf die englische Politik: Marlboroughs enger Freund Godolphin war als Treasurer genauso entlassen worden wie sein ungeliebter Schwiegersohn Sunderland als Secretary. Seine Frau Sarah war vom Hof entfernt worden und fiel daher als Informationsagentin aus. Die Tatsache, dass Marlborough im Jahr 1711 begann, den populären Newsletter John Dyers zu abonnieren,247 um überhaupt noch auf dem Laufenden zu sein, spricht Bände: Vorher hatte er das schlicht nicht nötig gehabt. Informationsrückgang und Machtverfall entsprachen sich also – und zwar unabhängig von der Frage, wie nütz lich Informationen im Einzelnen tatsächlich waren. Vor allem aber erschienen Marlborough, dies zeigt die Episode, Informationen als Voraussetzung erfolgreichen Handelns unabdingbar. Abgesehen von dieser Periode schwindender Macht spielte allerdings in Marlboroughs Selbstverständnis militärischer Erfolg eine so zentrale Rolle, dass Marlborough, wenn er explizit darüber reflektierte, Information fast ausschließlich als komplementäre Unterstützung für militärische Aktionen ansah. Dafür ist eine Aussage Marlboroughs charakteristisch: In der Korrespondenz mit Heinsius ging es im Winter 1704/05 um die Frage, ob und wie man an gesicherte Informationen über die gerüchteweise kolportierte Möglichkeit eines Bündniswechsels des baye rischen Kurfürsten gelangen könne.248 Marlborough ließ sich über die geheime 244 Vgl. Marlborough an Godolphin, 24. Juni/5. Juli 1710; Marlborough an Sarah, 26. Juni/7. Juli 1710; Marlbough an Godolphin, 19./30. August 1710; Godolphin an Marlborough, 29. August 1710, alle in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1543, 1546, 1609, 1617. 245 Vgl. Marlborough an Sarah, 5./16. April 1711; Marlborough an Sarah, 11./22. Oktober 1711, beide in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1662 u. 1684. 246 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 65. 247 Vgl. Barber, It is Not Easy, 296; siehe auch Marlborough an Sarah, 25. September/6. Oktober 1711, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1641. 248 Max Emanuel versuchte nach der Höchstädter Niederlage, den Alliierten den Eindruck zu vermitteln, er denke darüber nach, sich aus dem französischen Bündnis zu lösen.
356
Funktionen der Information
Annäherung auf dem Laufenden halten und schrieb an Heinsius: „if you can order it so as to know their thoughts without its being made publick, it might be of use“249. Weitaus wichtiger aber als die geheim gewonnenen Informationen sei etwas anderes: nämlich militärische Siege. Marlborough setzte den zitierten Satz so fort: „but the surest way to make it succeed is to be early in the field.“250 Ohne diesen vereinzelten Beleg überzustrapazieren, zeigt er doch die Rangordnung, in die Marlborough die Gewinnung von Information einordnete. Schon deshalb war Information als Kompetenzrepräsentation und Selbstlegitimation für ihn nicht zentral. Allerdings gibt es eine Ausnahme, und zwar im Kontext von Marlboroughs Sturz. 4.4.2 His Eyes and Ears must be in all Secret Cabinets: Legitimation durch Information?
Für Marlborough war die Selbstlegitimation mit oder durch Information keine administrative Standard-, sondern eine politische Ausnahmepraxis. Zu kaum einem anderen Zeitpunkt in Marlboroughs Karriere während des Spanischen Erbfolge krieges tritt die Bedeutung von Information als Repräsentation von Effizienz so deutlich hervor wie im Moment seines Sturzes. Diese Repräsentation konnte und sollte gleichzeitig – so auch in diesem Fall – das eigene Verhalten legitimieren. Es ging dabei allerdings nicht um spezifische Einzelinformationen, sondern um den generellen Komplex der Informationsgewinnung als essentielles Element der Kriegführung. Die Beschuldigungen des Herbstes und Winters 1711, öffentliche Gelder veruntreut zu haben, versuchte er, wie bereits zu Beginn dieses Buchs angedeutet, durch den Hinweis auf die Gewinnung von intelligence abzuwehren. Warum griff Marlborough in seiner Verteidigung gerade auf das Thema Informa tionsgewinnung (und nicht auf andere Themen) zurück? Die Frage so zu formulieren, bedeutet bereits, die Aussagen Marlboroughs, er habe das gesamte Geld, um das Diese Überlegungen (und die verwirrenden Annäherungsversuche, vermittelt durch den preußischen König) dienten wohl vor allem dazu, Zeit zu gewinnen. Zu den Geheimtreffen zwischen dem bayerischen Sekretär Reichardt und dem preußischen Generaladjutanten Berlepsch siehe die Korrespondenz von Berlepsch mit Marlborough, in: BL Add. 61307 ff. 46r–48v, 57r–66v. Bereits vor Höchstädt hatten Reichardt und Berlepsch in diese Richtung verhandelt; siehe auch Marlboroughs Briefe an Harley aus dem Juni 1704, in: TNA SP 87/2, 65v–78r. Zum Kontext der preußischen Vermittlungsversuche siehe Naujokat, England und Preußen, 82 – 84. 249 Marlborough an Heinsius, 21. Dezember/1. Januar 1704/05, in: The Correspondence 1701 – 1711, 157. 250 Ebd.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
357
es ging, für intelligence verwendet, in Zweifel zu ziehen. Auch dies muss diskutiert werden; wenn aber plausibel gemacht werden kann, dass mindestens Teile d ieses Geldes für andere Zwecke genutzt wurden und also mögliche andere Begründungen bereitgestanden hätten, um die Nutzung des Geldes zu begründen, muss natürlich beantwortet werden, warum Marlborough gerade darauf verfiel, mit intelligence zu argumentieren. Die These dieses Kapitels ist, dass Informationsgewinnung sich deshalb als Argument anbot, weil diese sich erstens als Repräsentation des eigenen umsichtigen, effizienten und erfolgreichen Handelns nutzen ließ; zweitens, weil dieser Zweck mit guten Gründen als konstitutiv intransparent behauptet werden konnte. Die Behauptung, das Geld für intelligence aufgewendet zu haben, war damit vermutlich dasjenige Argument, das am wenigsten leicht zu widerlegen war. Dann stellt sich allerdings die Frage, warum Marlborough – angesichts eines so klug konzipierten Arguments – dennoch über die Affäre stolperte. In d iesem Kapitel sollen diese Fragen behandelt werden, indem der Verlauf der Kontroverse und der Verhandlungen dargestellt werden. Zuvor müssen aber einige Hinweise zu den Problembereichen der Korruption und des Favoritenwesens gegeben werden, die die Vorgänge des Winters 1711 erst verständlich machen. Denn der Sturz Marlboroughs verlief im Hinblick auf Korruptionsvorwürfe und deren Verknüpfung mit dem Favoritenwesen geradezu mustergültig. Das Problem frühneuzeitlicher Korruption ist in jüngerer Zeit breit diskutiert worden. Die systematische Definition des Phänomens (das meist breit als Erlangung eines privaten Vorteils durch Missbrauch eines öffentlichen Amtes gefasst wird) hat sich dabei als schwierig erwiesen – auch weil den jeweiligen Defini tionen implizite Annahmen zum Beispiel über Vormodernität oder Modernität von Korruption zugrunde liegen. So wird etwa einerseits Korruption zu einem spezifisch vormodernen Phänomen erklärt, das durch den Ausbau formalisierter Organisationen (inklusive schriftlich normierter Erwartungshaltungen) in der Moderne abgenommen habe. Andererseits wird argumentiert, dass erst der Ausbau formalisierter Organisationen Korruption – als Abweichung von den normierten Erwartungen – möglich gemacht habe. Damit erscheine die Vormoderne nur in der modernen Rückschau als korrupt, dies sei aber eine anachro nistische Zuschreibung. Die besten Arbeiten zum Thema haben allerdings versucht, diese offensicht lich unproduktive Alternative zu überwinden.251 Vor allem zwei Hinsichten sind für dieses Kapitel weiterführend: Erstens gehört die Kommunikation über 251 Ich folge hier: Plumpe, Korruption; Engels, Politische Korruption; Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz.
358
Funktionen der Information
Korruption ganz zentral zum Phänomen Korruption dazu – sie stellt im Falle einer ausgebildeten Öffentlichkeit (die man für England um 1700 annehmen darf ) ein „kommunikatives Selbsterregungsschema“ bereit.252 Zweitens ist in der Vormoderne eine Gemengelage miteinander konkurrierender Normen in Rechnung zu stellen: einerseits eine (wenn auch weniger eindeutige) Korrup tionssemantik, die die private Vorteilsnahme von Amtsträgern mindestens mora lisch inkriminierte, andererseits geradezu eine Pflicht zur Bereicherung als Element einer sozialen Norm (etwa im Rahmen von Patronageerwartungen). Da beide Normen – diejenige der Amts- wie diejenige der Patronagelogik – nebeneinander herliefen, wurde dieses Problem in der Regel mittels eines kasuistischen Systems von Ausnahmen gelöst, aber auch dadurch, dass Korruption erst dann thematisiert und verfolgt wurde, wenn dies politisch opportun war.253 Korruption wurde daher erst dann zum Problem, wenn plausibel ein Übermaß an persönlicher Bereicherung behauptet werden konnte, vor allem aber, wenn sie sich als „Mittel der Delegitimation der Stellung von Gegnern im Machtkampf zwischen konkurrierenden Hoffaktionen“ anbot.254 Dies bedeutet vor allem, dass der Korruptionsvorwurf politisierbar war – ein Phänomen, das sich am Fall Marlboroughs in Reinform ablesen lässt. Der Vorwurf der Bestechlichkeit, der Korruption oder der Veruntreuung öffent lichen Geldes entzündete sich besonders gern an Favoritengestalten. M arlborough war lange Zeit Annes Favorit gewesen oder bildete jedenfalls mit seiner Frau zusammen ein Favoritenpaar.255 Den Favoriten kennzeichnet die „persönliche und tendenziell exklusive Gunst des Herrschers, die über das übliche Vertrauen gegenüber wichtigen Amtsträgern hinausgeht“256 – auch wenn Marlboroughs Stellung natürlich auch durch seine formalen Aufgaben definiert war.257 Gerade in England erscheint die Favoritenrolle nach 1688 als Antwort auf die Frage, wie ein Monarch angesichts eines wachsenden und sich autonomisierenden Regierungsapparats seinen persönlichen Einfluss geltend machen konnte.258 Gerade in England gab es 252 Plumpe, Korruption, 30. 253 Vgl. Thiessen, Korruption und Normenkonkurrenz; Engels, Politische Korruption, 324 – 326. 254 Thiessen, Diplomatie vom type ancien, 485. 255 Zuvor war Marlborough der schließlich verräterische Favorit Jakobs II. gewesen; so kennzeichnet ihn noch Macky in seinen „Characters“; siehe Memoirs of the Secret Services, 4 f. 256 Asch, Schlußbetrachtung, 517. Siehe auch: ders., Lumine solis. 257 Vgl. zusätzlich zur zitierten Literatur die Bemerkungen zum Mischphänomen des Günstling-Ministers bei: Brockliss, Concluding Remarks. 258 Vgl. Onnekink, Mynheer Benting, 706 f.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
359
aber auch eine Tradition der öffentlichen Kritik am Favoritenwesen;259 bei Defoe heißt es: „the nacion is perticularly jealous of Favourites.“260 Diese Kritik wurde unter anderem dadurch angeheizt, dass die Figur des Favoriten – und dies galt auch für Marlborough – oft vor allem im Kontext von Geheimpolitik, also dem öffentlich nur schwer zugänglichen Bereich der Arkana oder der monarchischen Prärogative angesiedelt war.261 Auch die Perzeption einer potentiellen Rivalität zum Herrscher, der ein besonders erfolgreicher Favorit ausgesetzt war, konnte Grund genug für seinen Sturz sein.262 Ein weiterer klassischer Topos der Favoritenkritik ist seine Verwicklung in dubiose Finanzgeschäfte.263 In allen diesen Hinsichten erscheint Marlboroughs dismissal als klassischer Favoritensturz.264 Das Spektrum der Korruptions- und Favoritenkommunikation (also der kursierenden stereotypen Deutungsmuster, die 1711 ohne Weiteres aktiviert werden konnten) lässt sich mit Rückgriff auf zwei öffentlich verbreitete Gelegenheitsgedichte aus den ersten Kriegsjahren ermessen. In dem satirischen Gedicht „Bribery and Simony: Or, a Satyr Against the Corrupt Use of Money“, das Edward Ward 1703 anonym veröffentlichte, ging es zwar, soweit man sehen kann, nicht um Marlborough und dessen (ihm später vorgeworfene) Verschwendung öffentlicher Gelder, aber doch um den Typus des „fighting hero“, der vor allem für die eigene finanzielle Bereicherung kämpfe: „‘tis Pay and hopes of Plunder makes him fight“265. Wards Text identifizierte also den Krieg und das Militär als ein Setting, in dem Korruption besonders leicht blühen könne. Am anderen Extrem der Skala von Korruptions- und Favoritendiskurs steht die von Joseph Addison im Nachgang der battle of Blenheim 1704 veröffent lichte Apotheose Marlboroughs, in der en passant ein ganz anderer Typus des englischen Favoriten charakterisiert wird (der sich vermutlich vor allem von seinem französischen Gegenstück unterscheidet): Der Favorit erscheint hier als enger Freund des Monarchen, der dessen Vertrauen aber auch verdient – er 259 Vgl. Worden, Favourites. 260 Warner, Unpublished Political Paper, 132. 261 Vgl. Asch, Schlußbetrachtung, 521. 262 Vgl. ebd., 523. 263 Vgl. ebd., 527. 264 Dies wird in der Forschung selten systematisch angesprochen, da die Favoritismusforschung sich stark auf den Zeitraum 1550 – 1650 konzentriert; vgl. Brockliss, Concluding Remarks. Und in der Tat ist diese Periode eine der Hochzeiten des Favoritismus, während die späte Frühneuzeit nur partiell von diesem Phänomen berührt wird. Wichtig ist sicher, dass Marlborough nicht allein Favorit war, sondern in ein Favoritenpaar eingebunden war. 265 Ward, Bribery, 11.
360
Funktionen der Information
ist nicht etwa eine karikaturhafte Figur höfischer Kabale, sondern hat seinen Platz durch sozusagen bürgerliches Leistungsethos gewonnen: „Thy (d. i. Englands) favourites grow not up by fortune’s sport, / Or from the crimes or follies of a court. / On the firm basis of desert they rise, / From long-try’d faith, and friendship’s holy ties.“266 Rekapituliert man in d iesem Lichte die systematischen Beobachtungen zu Korruption und Favoritismus und sucht sie auf Marlborough zu beziehen, so wird deutlich, wie genau die Affäre des Herbstes 1711 dem Modell eines Favoritensturzes durch Korruptionskommunikation folgt. Deutlich ist nämlich erstens, dass sich Marlborough und auch dessen Umfeld im Krieg und durch den Krieg im großen Maßstab bereichert hatten. Marlboroughs Geldgier war schon zeitgenössisch berüchtigt.267 Neben mutmaßlich anderen Einnahmequellen bezog Marlborough etwa Geld aus dem Ämterverkauf innerhalb der Armee, der zeitgenössisch üblich war und sich in einer Grauzone z wischen Legalität und Illegalität abspielte.268 Dass Cadogan, der Paymaster of the Forces Abroad Brydges, wohl auch Cardonnel sich im Laufe des Krieges auf ungeheure Weise bereichert hatten, ist schon mehrfach angedeutet worden: Man denke an die Anschuldigungen der Niederländer gegen Cadogans Bestechlichkeit als Diplomat in Brüssel 269 oder die Insidergeschäfte, die in Marlboroughs Umfeld aufgrund des Wissens über Truppenbewegungen getätigt werden konnten.270 Marlborough war – gegen Godolphins Rat – nicht gegen diese illegalen Praktiken vorgegangen.271 Ob und wie er selbst in sie verstrickt war, ist kaum einzuschätzen. Allerdings stellen Marlborough und sein Umfeld wohl ein frühes (wenn nicht sogar das früheste Beispiel) für das System dar, das am Ende des Ancien Régime „old corruption“ genannt wurde: die 266 Addison, The Campaign, 3. Am Druckdatum dieser fünften Auflage (1713) ist zu ersehen, dass dieses Gedicht auch während des Exils Marlboroughs als Meinungsäußerung der Whig-Opposition kursierte. – Siehe ähnlich auch (allerdings ohne explizite Nutzung des Favoritenbegriffs): Hare, The Allies, 49. 267 Siehe Fassmann, Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sieben und Viertzigste Entre vuë, 1077 – 1081; Goslinga, Mémoires, 43; vgl. auch die Hinweise auf die niederländische Sicht bei Veenendaal, Opening Phase, 45 u. 48. Vgl. auch die Spielkarte von 1712, die Marlborough beim Geldzählen zeigt – allerdings sagt Marlborough hier auch, wohl zutreffend: „I am not the first“: http://www2.warwick.ac.uk/fac/arts/history/students/ modules/hi979/fiscalmilitary/marlborough_card.jpg. 268 Vgl. Scouller, Armies of Queen Anne, 69 – 7 1, der allerdings diese Praxis apologetisch als Schutzmaßnahme vor dem Einfluss des Parlaments deutet. 269 Siehe Kapitel 3.3.2. 270 Vgl. Watson, Marlborough’s Shadow, 107; Graham, Auditing Leviathan; Davies, Seamy Side. 271 Vgl. Sundstrom, Sidney Godolphin, 121 f.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
361
Selbstreproduktion der Amtseliten durch eine Art politisch institutionalisierter Geldabzweigung, die im 18. Jahrhundert ein charakteristisches Merkmal der politischen Kultur Englands wurde.272 Ein Musterfall eines Favoritensturzes durch Korruptionskommunikation ist aber der Fall Marlboroughs zweitens auch deshalb, weil an ihm deutlich wird, dass Korruptionsvorwürfe erst dann in dringlicher Weise erhoben wurden, als die Beendigung der politischen und militärischen Karriere Marlboroughs opportun und durchsetzbar schien. Er war Ende 1711 innerhalb der Regierung isoliert, galt als Hemmschuh für den separaten Frieden mit Frankreich, hatte sich in den letzten Jahren von der Königin entfremdet und war durch das Gesuch der Captain-Generalcy for Life in den Ruf von Herrschsucht geraten.273 Das heißt: Auch wenn Teile der Vorwürfe gegen den notorisch geldgierigen General zutreffen dürften, hängen dennoch der Umstand, dass sie überhaupt erhoben wurden, und der Zeitpunkt, zu dem dies geschah, mit dem politischen Umschwung in England und der schwindenden Macht Marlboroughs zusammen. In einem Traktat, den Robert Harley nach seinem Sturz im August 1708 skizziert hatte, waren bereits eine ganze Reihe der 1711 gegen Marlborough erhobenen Vorwürfe angedeutet: Neben dem Vorwurf, mit dem jakobitischen Exilhof im Bunde zu sein und den Parteienstreit anzuheizen, legte Harley den Akzent vor allem auf die systematische finanzielle Ausnutzung des Krieges durch Marlborough, der den Krieg geradezu zur Bereicherung für sich und seine Familie führe.274 Doch charakteristischerweise blieb dieser Text 1708 unveröffentlicht. Die Vorwürfe wurden erst in dem Moment öffentlich artikuliert, als die reale politische Chance bestand, Marlborough abzusetzen. Zwar war der Godolphin-Administration insgesamt von den Tories seit Jahren der zu sorglose Umgang mit öffentlichen Geldern vorgeworfen worden,275 und gegen Ende des Jahrzehnts wurden die kritischen Stimmen lauter, die den sich hinziehenden Bau von Blenheim Palace (ein ungeheuer teures Geschenk an Marlborough nach dem Sieg von H öchstädt) als Verschwendung öffentlicher Gelder brandmarkten.276 Marlborough wurde 272 Vgl. Knights, Rise of Old Corruption; Harling, Parliament. 273 Zu Versuchen Marlboroughs, den Friedensprozess zu sabotieren, siehe Jones, Marlborough, 199. 274 Vgl. Harley, Plaine English. 275 Vgl. Coxe, Memoirs, Bd. 3, 267. 276 Vgl. etwa die Hinweise in: The Speech of the Lord Haversham’s Ghost, 4. Marlborough beauftragte den Paymaster of the Forces Abroad, Brydges, noch im Oktober 1711 damit, für eine akkurate Abrechnung der Baukosten zu sorgen; siehe Marlborough an Brydges, 1. Oktober 1711, in: Letters and Dispatches, Bd. 5, 518.
362
Funktionen der Information
von Swift als „Crassus“ bezeichnet; sein Geiz und seine Geldgier waren ab 1710 immer wieder Kritikpunkte in der öffentlichen Debatte.277 Die Vorwürfe finanzieller Misswirtschaft, die sich gegen Godolphin und dessen gesamtes Umfeld richteten, versuchte Marlboroughs Gefolgsmann Robert Walpole in einem anonymen Pamphlet zu widerlegen.278 Und Marlborough selbst, sensibel für die Gefahr, die sich aus der neuen Machtposition Harleys für ihn ergeben hatte, gab sich im Sommer 1711 gegenüber Harley geradezu als vorbild licher Haushälter, der das problematische Finanzgebaren in seinem Umfeld zu unterbinden suchte: „I am very sensible how necessary good husbandry is in the vast expence we are att, I have hethertoo heartily endeavour’d to putt an end to itt, and assure you that while the Nation is oblig’d to bare that heavy burden, it shall be my constant study to manage that part of the Warr I am concern’d in, with the utmost frugality.“279
Doch im Herbst 1711 nahm die Angelegenheit an Fahrt auf, und die Korrup tionskommunikation verdichtete sich. Jonathan Swifts im November erscheinendes wüstes Pamphlet „The Conduct of the Allies“ – eine Propagandaschrift für die neue Regierung und gegen den Krieg – war auch ein Angriff auf Marlborough und dessen Finanzgebaren. Diese Schrift, die in bis zu 11.000 Exemplaren zirkulierte, zerstörte Marlboroughs Glaubwürdigkeit.280 Mit einem empörten Gestus der Enthüllung des Klandestinen – der in der englischen Pamphletistik dieser Zeit sehr üblich war 281 – wurde der General als machtversessen, geldgierig und korrupt decouvriert. Der Krieg sei geführt worden, „to enlarge the Territories of the Dutch, and encrease the Fame and Wealth of our General“282. Die Dauer des Krieges und die manifeste Unfähigkeit, diesen zu beenden, beruhe ganz wesent lich auf einer Verschwörung der Whigs und Marlboroughs, die den Krieg zur eigenen Bereicherung weiterführten und auf der Basis ihres Wissens über die 277 Vgl. Swifts Artikel im „Examiner“ Nr. 27, aus dem Februar 1711, in: Swift, Miscellanies in Prose, Bd. 9, 151 – 160. Zu den publizistischen Auseinandersetzungen v. a. seit 1710 mit Ad-Hominem-Angriffen auf Marlborough: Downie, To Settle the Succession, 78 – 85. 278 Vgl. Walpole, A State Of the Five and Thirty Millions. Vgl. dazu: Chandler, Marlborough, 302. 279 Marlborough an Harley, 22. Juni 1711, in: BL Add. 61125, 154r. 280 Vgl. Hattendorf, Churchill, 629. 281 Vgl. Bullard, Politics of Disclosure, 9. 282 Swift, Conduct of the Allies, 27 f. Zur Medienkampagne gegen Marlborough siehe knapp: Müllenbrock, Herzog von Marlborough; Späth, Facts and Factions.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
363
Kriegsumstände lukrative Kreditgeschäfte tätigten.283 „So that whether this War were prudently begun or not, it is plain, that the true Spring or Motive of it, was the aggrandizing a particular Family, and in short, a War of the General and the Ministry, and not of the Prince or People.“284 Bereits Ende Oktober berichtete Marlborough Godolphin erregt über Vorwürfe der Commissioners for Taking, Examining and Stating, the Public Accounts of the Kingdom gegen ihn.285 Diese ständige Kommission, die nach der Glorious Revolution gegründet worden war, stellte kein Äquivalent zu einem modernen Rechnungshof dar, besaß aber genügend Einfluss, um als Nukleus einer Opposition gegen die Regierung zu fungieren, wie dies auch 1711 geschah.286 Marlborough wurden zwei Vorwürfe gemacht: Er habe von 1702 bis 1711 von den Vertragspartnern für die Brotversorgung der Armee jährlich eine Summe erhalten, die etwa einem Prozent, im Durchschnitt 66.000 Gulden, der an die Kontrakteure gezahlten Summe entsprach. Außerdem habe er von verschiedenen europäischen Souveränen jeweils 2 ½ Prozent des Soldes für die ihm zur Verfügung gestellten Subsidientruppen bekommen; insgesamt etwa 2,8 Millionen Gulden. Beides sei illegal und eine Zweckentfremdung öffentlicher Gelder gewesen.287 Marlboroughs Erklärung für die scheinbar illegal eingenommenen Gelder lief darauf hinaus, dass es schon seit Jahrzehnten üblich sei, dass der Befehlshaber der alliierten Truppen in den Niederlanden einen Anteil an den Subsidiengeldern erhalte: Er konnte sogar auf ein Ermächtigungsschreiben Königin Annes von 1702 verweisen, das sich in seinen Papieren befand,288 und in einem jeweils gleichlautenden Schreiben bestätigten dies eine Reihe euro päischer Monarchen und Diplomaten. 289 Insgesamt, so Marlborough, habe er die öffentliche Hand sogar weniger gekostet als nötig – er habe vielmehr 283 Vgl. Swift, Conduct of the Allies, 64. 284 Swift, Conduct of the Allies, 60. 285 Vgl. Marlborough an Godolphin, 30. Oktober/10. November 1711, in: The Marlborough- Godolphin Correspondence, Bd. 3, 1685. 286 Vgl. Downie, Commission of Public Accounts; Knights, Parliament. 287 Vgl. van Nimwegen, Subsistentie, v. a. 305; Rabinowicz, Sir Solomon de Medina, 61 – 70 sowie die Quellendokumentation bei: Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050 – 1088. 288 Vgl. BL Add. 61326, 129r–130v. Siehe auch die Bestätigung vom 2. Juli 1706, in: HMC Marlborough, 16. 289 Vgl. BL Add. 61326, 153r–204r. Diese Briefaktion wurde von Cardonnel und Cadogan organisiert; siehe den Brief von Cardonnel an Cadogan, 24. Dezember 1711, in: The Collection of Autograph Letters, Bd. 2, 97 f. Dass diese konzertierte Briefaktion der europäischen Öffentlichkeit nicht verborgen blieb, geht hervor aus: Fassmann, Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sieben und Viertzigste Entrevuë, 1145.
364
Funktionen der Information
angesichts der unzureichenden Spionagefinanzierung durch sein Handeln Geld gespart.290 Marlborough bediente sich bei seiner Verteidigung für ihn ganz unüblicher Wege: Er sprach im Oberhaus – was er selten tat – und gab seine Verteidigungsschrift in den Druck. Dass daneben auch zum Teil anonyme gedruckte Verteidigungsschriften mehrerer Vertrauter standen, war schon weniger unüblich und entsprach seiner Propagandapraxis.291 Doch die Veröffentlichung einer eigenen Schrift zeigt seine ganze Bedrängnis und den daraus resultierenden, wenn auch scheiternden Versuch, die öffentliche Meinung zu mobilisieren.292 Neben diesen öffentlichkeitssteuernden Instrumenten steht aber eine andere Praxis, nämlich eine (noch abgewendete) Duellforderung Marlboroughs an den Earl of Poulett nach dessen Oberhausrede, in der dieser Marlborough besonders scharf persön lich attackiert hatte.293 Trotz aller Bemühungen Marlboroughs entließ ihn die Königin am 30. Dezember 1711 aus all seinen Ämtern, vorgeblich, um eine störungsfreie Untersuchung der Vorwürfe zu garantieren. Am 24. Januar 1712 schließlich beschloss die Commission, der Empfang des Geldes der Brotkontrakteure sei illegal gewesen und die Ausgaben der 2 ½ Prozent von den Subsidiensummen hätten transparent belegt werden müssen.294 Das Verfahren wurde an diesem Punkt allerdings vorläufig eingestellt; es entwickelte sich daraus kein parlamentarisches Impeachment-Verfahren, doch die Gefahr einer Fortsetzung war nicht gebannt und blieb bis zum Tod der Königin im Jahr 1714 bestehen. Marlborough hatte Angst vor einer Verurteilung und auch davor, das angeblich veruntreute Geld zurückzahlen zu müssen.295 Daher verließ er England und ging ins kontinentale Exil.296 Marlboroughs eigene Erklärung drehte sich von Beginn an um die Behauptung, er habe die Summen vor allem für Informationsgewinnung, also für „keeping secret correspondence, and getting intelligence of the enemies motions and designs“297, 290 Vgl. Marlboroughs Verteidigungstext, in: BL Add. 61326, 152v. 291 Siehe Metzdorf, Politik, 417 – 429. 292 Vgl. The Case of his Grace; vgl. Foot, The Pen and the Sword, 324 u. 345. Den Einsatz von gedruckten Verteidigungsschriften zur Steuerung der Öffentlichkeit in Krisensitua tionen um 1700 diskutiert an einem anderen Beispiel auch: McJimsey, Crisis Management, v. a. 575. 293 Vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 2, 951 f. 294 Vgl. Harris, Passion for Government, 187. 295 Vgl. Churchill, Marlborough, Bd. 2, 971. Vgl. die anschauliche Schilderung des englischen Impeachment-Verfahrens bei: Krischer, Korruption, 311. 296 Vgl. Gregg, Marlborough in Exile. 297 Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
365
genutzt. Zuerst einmal: Ob die von Marlborough vorgelegten Berechtigungsschreiben der Königin ihm tatsächlich erlaubten, so viel Geld für einen solchen Zweck auszugeben (auch dies war einer der umstrittenen Punkte), ist kaum objektiv zu beantworten. Charakteristisch ist sicher, dass seinem Nachfolger als Oberkommandierender, dem Herzog von Ormonde, die angeblich so problematischen Summen wie selbstverständlich weitergezahlt wurden.298 Charakteristisch sind aber auch die Versuche etwa Cardonnels, die Aussagen der Brotkontrakteure vor der Commission in Marlboroughs Sinne zu beeinflussen; man müsse sie als eine ganz selbstverständliche und bereits seit Langem gepflegte Praxis erscheinen lassen („make appear“) – was eher darauf hindeutet, dass sie genau dies nicht waren.299 Genauso wenig, wie es letztlich möglich ist, die rechtliche Grundlage von Marlboroughs Handeln zu objektivieren, ist es möglich, faktisch zu beurteilen, ob Marlboroughs Behauptung überhaupt zutrifft.300 Die moderne Forschung hat die Frage danach, ob Marlborough das Geld tatsächlich für Informationsgewinnung nutzte, aus eben diesem Grund selten gestellt: Sie ist schlicht nicht seriös beantwortbar. Was zu konstatieren ist, ist eine eklatante Unterfinanzierung der regierungsseitigen Spionage, die Marlboroughs Argument nicht völlig aus der Luft gegriffen erscheinen lässt. Ebenfalls ist allerdings die immense Bereicherung Marlboroughs während des Krieges festzuhalten. Der Marlborough-Biograph Ivor Burton schließt ohne starke Belege: „It is true that Marlborough did employ some of the money for intelligence work, but nothing like 2 ½ per cent of the entire cost of the 30,000 auxiliary troops could possibly have been needed for this purpose.“301 Dies scheint mir nicht nachweisbar zu sein, auch wenn es einige Plausibilität besitzt. Ebenso plausibel wie diese Korruptionsdeutung, für den hier behandelten Zusammenhang aber bedeutender, ist der Umstand, dass die Vorwürfe in dem Moment virulent wurden, als die Regierung sich Marlboroughs entledigen wollte. Man hat es ganz eindeutig mit einer typisch vormodernen Korruptionsaffäre zu tun, in der zweifellos valide Vorwürfe dann eingesetzt wurden, wenn es politisch opportun war.302 298 Vgl. Ashley, Marlborough, 135 f. 299 Vgl. Cardonnel an Cadogan, 24. Dezember 1711, in: The Collection of Autograph Letters, Bd. 2, 97. 300 In den Rechnungsbüchern des Deputy Paymaster Sweet in: BL Add. 61406, wo es durchaus um Subsidiengelder und Brotkontrakte geht, fehlen Belege dafür, dass dieses Geld für Informationsgewinnung ausgegeben wurde. Dies kann allerdings natürlich kein Argument ex silentio gegen diese Behauptung sein. 301 Burton, Captain-General, 188. 302 Vgl. Metzdorf, Politik, 420.
366
Funktionen der Information
Wichtiger als alle diese letztlich unlösbaren Probleme ist der kommunikative Gesamtkontext: Die Debatte mit den Commissioners und auch deren öffent liches Echo drehte sich in einem erheblichen Maße um die Fragen, ob es sich bei dem Geld um „publick money“ handele; ob Marlborough berechtigt gewesen sei, diese Summen für welche Zwecke auch immer abzuzweigen; ob sich aus Dokumenten aus der Regierungszeit Wilhelms III. nachweisen ließe, dass die von Marlborough geübten Praktiken angesichts der offensichtlichen Unterfinanzierung der Informationsgewinnung bereits lange gängig waren; ob sich schließlich aus der Nutzung für intelligence, wie auch immer es um ihre Legitimität bestellt war, eine Vernachlässigung anderer Bereiche der Kriegführung ergeben habe.303 Hier ist deutlich zu beobachten, dass Marlboroughs Versuch, durch den Verweis auf die angebliche Nützlichkeit von intelligence und damit durch eine für besonders überzeugend gehaltene Begründung die Vorwürfe zum Verstummen zu bringen, ganz offenbar nicht gelang. Sie konnte wohl auch nicht gelingen: Zu sehr ging es im Winter 1711/12 bereits darum, Marlborough in jedem Fall seine Ämter zu entziehen. Argumente, wie plausibel sie auch sein mochten, fungierten nur noch als juristische Fassade eines politischen Spiels. Das Argument, das Geld sei für intelligence ausgegeben worden, wurde von Marlborough und seinen Anhängern immer wieder vorgebracht, während seine Gegner sich darauf kaum einließen. Auch die zeitgenössischen Pamphlete behandeln den Problemkomplex der Informationsgewinnung nur am Rande. Offenbar war allen Kommentatoren bewusst, dass dies im Wesentlichen ein Vorwand für politisches Handeln war.304 In den Streitschriften gegen Marlborough wurde auf seine Geldgier und seine übergroße Machtstellung abgehoben; die Frage, ob das zur Diskussion stehende Geld tatsächlich für Spionage ausgegeben worden sei, wurde in der Regel nicht einmal erwähnt. Dies lag wohl daran, dass man nicht geneigt war, daran zu glauben, sondern von einer Zweckentfremdung öffentlicher Gelder ausging. In dem Flugblatt „The Grand Enquiry, or, What’s to be done with Him?” heißt es knapp: „And had for Private Ends employ’d / What Publick Weal should have enjoy’d“305. Nicht einmal der mit den finanziellen Anforderungen der Spionage vertraute Defoe erwähnte dieses Thema in einem Pamphlet, in dem er 303 Vgl. als Quellen v. a.: Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050 – 1088; The Case of his Grace; als parteiische Pamphlete: The Comparison or Whiggish Fulsom Flattery; Hare, The Conduct of the Duke of Marlborough; The Information Against the Duke of Marlborough. 304 Siehe die lange Liste von kommentierenden Pamphleten in: Horn, Marlborough: A Survey, v. a. 348 – 392. 305 The Grand Enquiry.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
367
die Absetzung Marlboroughs rechtfertigte; weder stimmte er Marlborough im Hinblick auf den enormen Geldaufwand für die Informationsgewinnung zu, noch widerlegte er ihn.306 Auch die von Swift in den 1730er Jahren verfasste, aber auf zeitgenössischen Notizen beruhende „History of the Four Last Years of the Queen“ zeigt implizit, dass es in der Kontroverse um die Geldveruntreuung Marlboroughs jedenfalls nicht darum ging, unparteiisch auszuloten, ob Marlborough das Geld für Secret Services hätte ausgeben dürfen. Stattdessen erscheint die Affäre als ganz und gar politische Angelegenheit, in der die Korruptionsvorwürfe Marlboroughs Gegnern (zu denen Swift gehörte) als bequemes Mittel zum Zweck erschienen. Die Frage, ob d ieses Geld überhaupt für die von Marlborough benannten Zwecke ausgegeben wurde – also die Frage nach der faktischen Richtigkeit seiner Aussagen – war dabei weit weniger von Interesse als der Versuch, ihm auf welchem Weg auch immer Verschwendung und illegitime Selbstbereicherung nachzuweisen.307 Das Verfahren gegen Marlborough sei „schnöde“ gewesen, wie David Fassmann im Reich urteilte.308 Offenbar erkannte man also auch hier die politische Absicht und war dementsprechend verstimmt. Aus all dem ist nicht zwangsläufig zu schließen, dass Marlboroughs Informa tionsgewinnung nicht wichtig gewesen sei oder dass das in Rede stehende Geld überhaupt nicht dafür benutzt worden sei. Dennoch sind die Aussagen Marlboroughs und seiner Verteidiger wohl weniger für dieses Problem aussagekräftig als vielmehr kommunikative Akte, die das Phantasma effektiver Spionage argumentativ zu nutzen versuchten: „We may, in a great measure, attribute most of the advantages of the war in this country to the timely and good advices procured with the help of this money.“309 Spionage als Begründung dafür, warum das zur Diskussion stehende Geld ausgegeben worden war, ohne dass sich dafür Belege erhalten hatten, spielt also vor allem in den Verteidigungsschriften eine Rolle. Marlborough selbst betonte die zentrale Bedeutung von Spionage für die Kriegführung: „I cannot suppose that I need say how Essential a part of the Service this is, that no War can be conducted successfully without early and good Intelligence, and that such Advices can’t be had but at a very great Expence. No body can be ignorant of this, that knows any thing of Secret Correspondence, or considers the Numbers of Persons that must be employ’d in it, the great Hazard they undergo, the variety of Places in which 306 Vgl. Defoe, No Queen: Or, No General. 307 Vgl. Swift, The History of the Four Last Years, 151 – 154. 3 08 Fassmann, Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sechs und Viertzigste Entrevuë, 999. 309 Cobbett, Parliamentary History, Bd. 6, Sp. 1050 f.
368
Funktionen der Information
the Correspondences must be kept, and the constant necessity there is of supporting and feeding this service: not to mention some extraordinary Expences of a Higher Nature, which ought only to be hinted at.“310
Marlborough ging nicht ins Detail, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt genau der Nutzen von Spionage sich bewiesen habe. Stattdessen verwies er pauschal auf seine militärischen Erfolge und führte diese geradezu als Beleg für eine erfolgreiche und damit teure Spionage großen Stils an: „[T]he many Successful Actions, such as have surpassed our own Hopes, or the Apprehensions of the Enemy in this present War in Flanders, to which our constant good Intelligence has greatly contributed, must convince every Gentleman, that such Advices have been obtained, and consequently that this Money has been rightly applied.“311
Im Brief der europäischen Monarchen hieß es gar, neben Gottes Hilfe s eien die geheimdienstlichen Tätigkeiten der wichtigste Erfolgsfaktor des Krieges gewesen: „la prudente et sage administration de ces deniers a principalement contri bué, après la benediction de Dieu au gain de tant des Victoires glorieuses“312. In einer angeblich von einem ehemaligen Offizier Marlboroughs stammenden anonymen Rechtfertigungsschrift wurde ähnlich argumentiert: Marlboroughs „Eyes and Ears must be in all Secret Cabinets“, daher sei der zweifellos teure Secret Service unabdingbar gewesen: „and, without doubt, his Intelligence must be very good“313. Eine andere Verteidigungsschrift malte die Nützlichkeit von Spionage noch breiter aus: „Can it be imagin’d he has not had his Spies in every Place, a whole Army of them in Constant Pay to shew him where to find the Enemy unguarded, where to guard himself against him? Must he not have often drawn his Intelligence from the Fountain’s Head, from the first Counsells of the Enemy to be able to countermine all his Projects? And cou’d all this be done without Expence? Are this Sort of People so cheaply hir’d to expose themselves to the Danger of Dying infamously every Hour of their Lives?“314
310 The Case of his Grace, 8. 311 The Case of his Grace, 9. 312 Vgl. (als Beispiel für viele gleichlautende Briefe) den Brief des pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm, in: BL Add. 61326, 183. 313 A Short Narrative of the Life and Actions, 35. 314 A Speech without Doors, 6 f.
Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität
369
Diesen Strang der Argumentation – den Umstand nämlich, dass Spionage teuer, aber dafür auch unermesslich nützlich sei – brachte der hugenottische Journalist Abel Boyer 15 Jahre später noch einmal auf den Punkt: Für Marlborough sei es „absolutely necessary“ gewesen, „to be very watchful, and to employ Money without measure, to get intelligence of their Designs. And therefore it was natural to think, the Result of this Scrutiny should have been to return the Duke Thanks for imploying that Money so much to the advantage of the Common Caus“315.
Die Behauptung, Marlboroughs Informationsgewinnung und Spionage sei nütz lich und effizient gewesen (und deshalb habe viel Geld in sie investiert werden müssen), stellte aber nur den ersten Teil des Arguments dar, das Marlborough und seine Verteidiger vorbrachten. Zusätzlich bemühten sie sich, der Öffentlichkeit die Unmöglichkeit einer transparenten Belegpraxis vor Augen zu stellen. Dass es keine Abrechnungen für das Geld gab, wurde unter den Händen Marlboroughs und seiner Verteidiger gerade zum Argument dafür, dass es für Spionage ausgegeben worden sein müsse – denn, wie Marlborough selbst ausführte, der Bereich der Informationsgewinnung erlaube keine transparente Rechnungslegung: „The Nature of the Thing not admitting of a particular Account“316. Auch dieser Punkt wurde von Marlboroughs publizistischen Verteidigern ausbuchstabiert. Die Praktiken der geheimen Informationsgewinnung „never were or can be accounted for, without destroying the End and Use of secret Service“317. „Is the Duke to deliver a List of all his secret Correspondents? The Rewards he has given to them? And to produce the Receipt of every one before the Parliament? And what would be the End of this, but all those Correspondents should be broken upon the wheel for betraying the Enemy into his Hands?“318
315 Boyer, Memoirs of Queen Anne, 130. 316 The Case of his Grace, 12, siehe auch ebd., 13. 317 The Information Against the Duke of Marlborough, 19. 318 A Speech without Doors, 36. Ähnlich auch: The Information Against the Duke of Marlborough, 20: Marlborough könne nicht angeben, „how, when, or to whom, or in what manner the same (die Geldsummen, M. P.) were disposed of, all Footsteps thereof being, as near as could be, destroyed, lest the many good Effects arising by the secret Disposition of that Money should have been put to an End, and the Persons therein concern’d, in Violation of the Faith given them, subjected to the greatest Mischiefs and Incoveniences.“
370
Funktionen der Information
Marlborough und seine Anhänger versuchten also, einer relativ ausweglosen Situation durch den Verweis auf Spionage zu begegnen: Sie leiteten die militärischen Erfolge des Herzogs aus erfolgreicher Informationsgewinnung her, und sie unterstützten diese Behauptung mit dem Hinweis auf die konstitutive Nicht-Belegbarkeit von Spionage. Dieses Ex-Silentio-Argument war Ende 1711 vielleicht das einzige, das noch einen Hauch von Erfolg versprach. Dennoch blieb es, gerade wegen seiner argumentativen Fragilität, zweischneidig. Überzeugen konnte Marlborough seine Gegner nicht. Dies kann an einer letzten Episode einigermaßen schlagend demonstriert werden: Im November 1711, also im Verlauf der Untersuchungen der Commission, versuchte Marlborough Harley dazu zu bewegen, bei der Königin noch einmal ein gutes Wort für ihn einzulegen. Sein Argument sollte den seinerseits sehr um die Organisation von Spionage bemühten Harley überzeugen; insofern verwies Marlborough auch hier auf den Komplex der Informationsgewinnung: „No one knows better than your lordship the great use and expense of intelligence, and no one can better explain it.“319 Als im Sommer 1713 die akute Gefahr zu wachsen schien, dass das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen werden könnte,320 schrieb Marlborough aus Frankfurt erneut an Harley. Noch immer zeigte er sich erstaunt über die Anschuldigungen der Commissioners und über deren (von Harley sicher so gewollte) sophistische Verdrehung der Zusammenhänge. Auffälliger ist aber, dass Marlborough in diesem Zusammenhang nicht mehr auf die Nützlichkeit und Notwendigkeit von intelligence zu sprechen kam.321 Die selbstlegitimierende Argumentation mit dem Komplex der Informationsgewinnung hatte ihre Zeit gehabt. Sie hatte aber nicht funktioniert und wurde nicht wieder aufgegriffen. Auch dies zeigt insgesamt die Grenzen der Legitimationsfunktion von Information für die englischen Akteure.
4.5 Zwischenergebnisse Die Untersuchung der Funktionen der Informationen orientierte sich an der Beobachtung des Neoinstitutionalismus, dass Informationen in Organisationen nicht oder jedenfalls nicht nur gesammelt werden, um instrumentell (das heißt: für Entscheidungen) genutzt zu werden. Obwohl diese Auffassung ein zentrales Selbstbild von Organisationsakteuren ist, sind doch die Informationen kaum 319 Marlborough an Harley, 10. November 1711, in: Coxe, Memoirs, Bd. 3, 263. 320 Vgl. Gregg, Marlborough in Exile, 603 f. – die Folge war die mindestens rhetorische Wiederannäherung Marlboroughs an den jakobitischen Pretender. 321 Vgl. Marlborough an Harley, 9. Juni 1713, in: BL Add. 61125, 139r–v.
Zwischenergebnisse
371
linear auf Entscheidungen bezogen. Noch wichtiger ist aber, dass Informa tionen darüber hinaus weitere Funktionen besitzen: etwa die Symbolisierung von Kompetenz. Das selbstzweckhaft anmutende Sammeln von Informationen in Organisationen hat auch mit unterschiedlichen Einschätzungen ihrer Nütz lichkeit seitens derjenigen zu tun, die sie beschaffen, und seitens derjenigen, die sie nutzen wollen. Mit dieser Abwendung von einer nur auf Entscheidungshandeln bezogenen Konzeption der Funktionen von Information wird der Begriff der Funktion bewusst weit gefasst und umschließt latente wie manifeste Funk tionen, Zwecke wie Nutzungsweisen. Ausgehend von d iesem organisationssoziologischen Szenario wurden für Marlborough und die englische Regierung vier mögliche Funktionen der Informa tion identifiziert: Entscheidung, Unsicherheitsminimierung, Patronage sowie Kompetenz- und Legitimitätsrepräsentation. Es zeigte sich, dass die Nutzung von Information durch die englische Regierung zwar annäherungsweise in die Schritte Analyse, Evaluation, Verwertung und Archivierung eingeteilt werden kann. Vor allem aber wurde deutlich, wie improvisiert und – gemessen am Ideal typus bürokratischer Informationsnutzung – defizitär Analyse, Evaluation und Archivierung abliefen. Allerdings konnte an jeweils signifikanten Einzelfällen (vor allem der Ex-post-Evaluation des Invasionsversuchs von 1708 und dem Versuch einer Neuordnung des State Paper Office) der Versuch beobachtet werden, diese Schritte zu methodisieren. Im Hinblick auf die instrumentelle Nutzung von Information ergab sich, dass die Verknüpfung spezifischer Informationen mit spezifischen Entscheidungen zwar hin und wieder plausibel zu machen, aber fast nie nachzuweisen ist. Dies liegt unter anderem an der Quellenlage, vor allem aber daran, dass (wie auch der neoinstitutionalistische Theorieentwurf nahelegte) die Akteure ganz offensicht lich Informationen (trotz zum Teil widersprechender Selbstaussagen) nicht, oder jedenfalls nicht nur, mit dem Ziel einer unmittelbaren Nutzung sammeln ließen. Stattdessen bestand der wichtigste Nutzen von Information in ihrer Funktion als mother of prevention, also in der Minimierung von Unsicherheiten in einer als kontingent und unübersichtlich erfahrenen Welt. Neben diese direkt instrumentelle Nutzung von Information trat ihre Funktion für die Herstellung und Stabi lisierung von Patronagebeziehungen (was vor allem im Hinblick auf die komplizierte Situation der Militärallianz gewisse Kohäsionseffekte mit sich gebracht haben dürfte). Weniger prominent war angesichts des recht geringen Grades an formaler Organisation innerhalb der englischen Regierung die Nutzung von Information als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität – wenn diese auch, in generalisierter Weise, das Hauptargument Marlboroughs im Zuge seiner Verteidigung gegen die Korruptionsvorwürfe von 1711 darstellte.
372
Funktionen der Information
Das Verhältnis von Strukturen und Funktionen erwies sich insgesamt als komplementär: Anders als von Merton und Luhmann nahegelegt, erfüllten die Strukturen der Informationsgewinnung, die Marlborough und die englische Regierung aufbauten und nutzten, keine je spezifischen Funktionen. Ob eine Information auf dienstlichem oder auf informellem Wege, durch eine Organisation oder durch ein Netzwerk gewonnen wurde, spielte vielleicht im Hinblick auf ihre Bewertung eine Rolle, war aber hinsichtlich ihrer Nutzung letztlich irrelevant.
5 Ergebnisse 5.1 Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung Um die Ergebnisse der vorliegenden Studie zusammenzufassen, soll noch einmal auf die vier Thesen zurückgegriffen werden, die in der Einleitung formuliert worden sind. Dabei wird nicht einfach wiederholt werden, was in den beiden Zwischenfazits (Kapitel 3.6 und 4.5) gesagt worden ist (auf die die Leserin und der Leser ausdrücklich noch einmal verwiesen seien). Hier geht es noch stärker darum, die Erträge der Untersuchung systematisch zu konturieren. Die erste These lautete, dass Information den Akteuren als eine zentrale Voraus setzung erfolgreichen Handelns erschien und Informationsgewinnung daher als zentrales Element der politischen, diplomatischen und militärischen Praxis um 1700 angesehen werden muss. Für die Untersuchung hieß dies, die Bedeutung von Informationsgewinnung innerhalb des Spanischen Erbfolgekrieges durchzuspielen und diesen Krieg von der Informationsgewinnung her zu beschreiben. Aus dieser Perspektive erwies sich der Erbfolgekrieg in vielfacher Hinsicht als Informationskrieg – als Krieg, in dem Information und Spionage eine zentrale Ebene des Akteurshandelns darstellten und in dem um den Aufbau und die Nutzung von Strukturen, vor allem Infrastrukturen der Informationsgewinnung gerungen wurde. Die These hat aber noch einen zweiten Akzent: Information „erschien“ den Akteuren als wichtig, und daher war sie wichtig. Unabhängig von der Frage nämlich nach der tatsächlichen Nutzung gewonnener Informationen lässt sich mit d iesem Themenkomplex ein Bereich identifizieren, der das alltägliche Handeln politischer, diplomatischer und militärischer Akteure in hohem Maße prägte und strukturierte. Schaut man etwa auf die Versuche der Stabilisierung der Postinfrastruktur, aber auch auf das Phänomen der Interzeption, dann wird deutlich, dass der Aspekt der Informationsgewinnung für die Akteure zentral war. Es ist schwer auszumachen und stand auch nicht im Mittelpunkt der Untersuchung, ob und inwiefern sich die Situation während des Spanischen Erbfolgekrieges von der Situation davor oder danach unterschied. Abgezielt wurde auf eine Fallstudie frühneuzeitlicher Informationsgewinnung – das heißt auf eine einerseits exemplarische Situation, die aber andererseits individuell über das rein Beispielhafte hinauswies.1 Die hier beschriebene Konstellation war für das Ancien Régime relativ typisch, wies aber einige spezifische Elemente auf: die Kriegssituation, die 1 Vgl. zum Unterschied von Beispiel und Fallstudie: Pohlig, Vom Besonderen zum Allgemeinen.
374
Ergebnisse
zwar fließende Übergänge zum Friedenszustand aufwies, aber das generelle Problem von Geheimhaltung und Geheimnisaufdeckung ins Extrem steigerte; die herausgehobene Position Marlboroughs; schließlich der gegenüber der älteren Frühneuzeit höhere Grad an (auch für Informationsgewinnung mobilisierbarer) Organisationsförmigkeit, ein vermutlich größerer Umfang von Initiativ- wie von Interzeptionsspionage, aber auch eine verbesserte Postinfrastruktur. Die zweite These lautete, dass für die Informationsgewinnung der Aufbau neuer und die Nutzung bestehender Infrastrukturen, Organisationen und Netzwerke zentral war. Diese sollten dem Problem Rechnung tragen, wie unter Distanzbedingungen Kommunikation organisiert und stabilisiert werden konnte. Im Zentrum des ersten Hauptteils der Arbeit stand also ein Strukturbegriff, der erstens nicht jenseits des Handelns der Akteure angesiedelt war, sondern als auf Dauer gestelltes Handeln beschrieben wurde. Zweitens wurde dieses Handeln, das Strukturen produzierte, aber auch auf ihnen beruhte, im Wesent lichen als kommunikatives Handeln beschrieben – Kommunikation, vor allem schriftliche und briefliche Kommunikation, erwies sich als strukturbildend, aber auch als auf Strukturen angewiesen. Dieser Strukturbegriff ermöglichte es, die Informationsgewinnung Marlboroughs und der englischen Regierung in eine Strukturgeschichte der Informationsgewinnung zu integrieren, statt (wie dies üblicher ist) eine pittoreske Geschichte unverbundener Personen und Ereignisse zu erzählen. Die drei gewählten Strukturbegriffe – Infrastrukturen als (oft materielle) Rahmenbedingungen des Handelns sowie weiterer Strukturbildung; organisationsförmige Strukturen; informelle, auf Geldzahlungen oder Patronage beruhende Netzwerke – erwiesen sich als hilfreich, um die Kontexte und Kanäle von Marlboroughs Informationsgewinnung typologisch voneinander abzusetzen, aber auch, um sie in einem zweiten Schritt aufeinander zu beziehen und in ihrer Verflechtung zu untersuchen. In jedem Fall war aber für diese Art von Strukturgeschichte der Befund charakteristisch, dass indivi duelle Personen eine besondere Rolle spielten. Die Informationsstrukturen, mit denen und innerhalb deren Marlborough agierte, hingen in hohem Maße von individuellen Personen und deren Engagement ab (dies gilt für die Secretaries of State im selben Maße wie für eine Spionagefirma wie die Caillauds). Eine solcherart konstruierte vormoderne Strukturgeschichte wird, dies kann heuristisch formuliert werden, das individuelle Moment generell in höherem Maße einzubeziehen haben, als dies eine traditionelle Strukturgeschichte getan hat. Dieses individuelle Moment hat in großem Umfang mit der Notwendigkeit zu tun, Vertrauen zu produzieren – was dann leichter fiel, wenn Informanten in bekannte, größere Strukturen eingebunden waren, die wiederum an spezifische individuelle Personen gekoppelt waren.
Strukturen und Funktionen der Informationsgewinnung
375
Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auch auf die kontinuierlich problematische Vermittlung dreier den Akteuren wichtiger Parameter: Entscheidend und problematisch erschienen den Akteuren erstens die Geschwindigkeit und zweitens die Sicherheit der Informations-, vor allem der Postübermittlung. Waren beide schon miteinander kaum zu versöhnen, so erwiesen sie sich beide drittens eng gekoppelt an das Problem der Finanzierung der Informationsgewinnung – meist: der Unterfinanzierung der Informationsgewinnung, die sowohl in amtsals auch in netzwerkförmigen Strukturen zu beobachten ist. Allerdings war Geld nicht die einzige Währung, in der Informationen bezahlt wurden: Fast genauso wichtig waren andere tauschförmige Arrangements, etwa Patronage. Die dritte These bezog sich auf den Umstand, dass Marlboroughs Informa tionsgewinnung in enger Verknüpfung mit der englischen Regierung verlief. Im Einklang mit der neueren Forschung wurde damit die Vorstellung eines autonom und allein handelnden politischen und militärischen Akteurs zugunsten der Rekonstruktion von Verflechtungen Marlboroughs mit anderen Regierungsakteuren relativiert. Die Wege der Informationsgewinnung, die Marlborough beschritt, hätte er ohne diese Einbindung nicht gehen können. Dies mindert nicht Marlboroughs Sonderrolle innerhalb Englands im Spanischen Erbfolgekrieg, sondern erlaubt es eigentlich erst, diese präziser zu beschreiben (und darauf zu verweisen, dass sie eben auf der eigentümlichen Kopplung formaler Amtskompetenzen mit informeller Macht beruhte). Um zu ermessen, wo Marlborough mit englischen Regierungsgremien kooperierte und wo er unabhängig von ihnen handelte, erwies sich die idealtypische Unterscheidung zwischen formalen und informellen, amts- und tauschförmigen Wegen – kurz: z wischen Organisationen und Netzwerken – als hilfreich. Denn mittels dieser Unterscheidung konnte einerseits gezeigt werden, dass die Übergänge z wischen formalen und informellen Wegen der Informationsgewinnung oft fließend waren, dass beide Bereiche überlappten oder sich informelle Netzwerke an Organisationsstrukturen anlagerten. Andererseits konnte die Beschreibung dieser Übergänge überhaupt erst auf der Basis idealtypischer Differenzierungen erfolgen. So wichtig also auch in Zukunft die Einbeziehung informeller Strukturen für die Erforschung von Politik und Diplomatie der Frühen Neuzeit sein wird, so problematisch erscheint es doch, den Gegensatz von amts- und tauschförmigen Strukturen vorschnell einzuebnen (so verständlich dies vor dem Hintergrund einer Forschungstradition erscheint, die informelle Strukturen meist schlicht ignoriert hat). Viertens wurde die These formuliert, dass neben die direkt instrumentelle Entscheidungsfunktion andere Funktionen von Information traten, die die Akteure nicht immer explizit formulierten: die Minimierung von Unsicherheit, die Nutzung zu Patronagezwecken und die Repräsentation von Kompetenz oder
376
Ergebnisse
Legitimität. Kapitel 4 dieser Untersuchung hat diese Annahme empirisch belegen können. Die politikwissenschaftliche wie historische Forschung neigt dazu, die direkt instrumentelle Funktion von Informationen für Entscheidungen sehr hoch anzusetzen – und muss dann oft Umsetzungsdefizite konstatieren. Allerdings begegnet diese Interpretation eben nicht nur empirischen Problemen (etwa dem Umstand, dass oft die Quellen fehlen, die eine Verknüpfung von Information und Entscheidung zeigen), sondern erweist sich auch als methodische Verengung. Eine Konzeption der Funktionen von Information, die (im Einklang mit der neoinstitutionalistischen Organisationssoziologie) diese Prämisse relativiert, wird den Funktionsbegriff weiter fassen müssen und ihn auf manifeste wie latente Zwecke wie Nutzungsweisen beziehen. Die zentralen Begriffe der Struktur und der Funktion zielten damit also nicht auf einen mechanistischen Strukturfunk tionalismus, sondern im Gegenteil auf eine in hohem Maße akteursorientierte Perspektive. Die Akteure nutzten Informationen durchaus als Reservoir für ihr Entscheidungshandeln. Und ein potentieller Praxisbezug war – neben dem Element der Neuheit – ja auch als Element der hier verwandten Informationsdefini tion benannt worden. Vor allem folgten die Akteure aber einem ausgeprägten Nützlichkeitsphantasma: Sie waren zwar durchaus der Meinung, dass Informa tionen entscheidungsrelevant waren oder sein sollten, waren sich aber meist auch im Klaren darüber, dass in einer Kriegssituation schlicht jede mögliche Information potentiell von Belang sein konnte. Daher ergibt sich der Gesamt eindruck von Dringlichkeit und großem Zeitdruck, der die hier vor allem untersuchten Briefe fast durchgehend kennzeichnet. Die Potentialität ist zentral: Information erscheint in dieser Perspektive empirisch und methodisch eher als Vorsorge gegen gegenwärtige und unvorhersehbare zukünftige Unsicherheit; sie ist mother of prevention, die diese Unsicherheit so weit wie möglich minimieren soll. Allerdings war hier auch deutlich zu beobachten, dass die Interessenlagen der unterschiedlichen Akteure durchaus differieren konnten: Während die eng lische Regierung sich in besonderem Maße für mögliche jakobitisch-französische Invasionen interessierte, war etwa der Aufmerksamkeitsfokus einer Spionagefirma wie der Caillauds deutlich breiter. Neben die Nutzung für Entscheidungen und Unsicherheitsminimierung trat aber der Einsatz von Information als Patronage währung (was vor allem im Rahmen der Allianzarmee eine gewisse Kohäsion produzieren konnte) sowie – was sich aus dem begrenzten Organisationsgrad der englischen Regierung erklärt – in geringerem Maße auch als Repräsentation von Kompetenz und Legitimität der Akteure. Der Umstand, dass die Verknüpfung von Information und Entscheidung oft schattenhaft bleibt, sollte also nicht zu der vorschnellen Deutung führen, dass man es in der beschriebenen Konstellation mit einer typisch vormodernen (im Sinne
Marlboroughs Geheimnis
377
von: defizitären) Situation zu tun habe. Eher ist zu vermuten, dass die Diffusität dieses Zusammenhangs und auch die besondere Wichtigkeit des Potentialis ein Charakteristikum auch moderner Organisationen sind – gerade im Fall von Spionageorganisationen, die generelle Überblicke, nicht spezifische Informationen zu erlangen suchen, wird die Bedeutung der Funktion der Unsicherheitsminimierung immer größer sein als diejenige der Entscheidungsrelevanz. Dennoch zielte die Studie insgesamt eher auf das Profil einer Informationsvormoderne als einer Informationsmoderne: etwa im Hinblick auf das hohe Gewicht von Personen innerhalb von Strukturen. Zwar ist deutlich, dass moderne Organisationen in hohem Maße Rationalitätsfassaden aufbauen und Selbstbilder pflegen, die durch eine effiziente Nutzung von Informationen geprägt sind;2 daher dürfte auch moderne und postmoderne Informationsgewinnung in diesem Sinne vormoderne Züge besitzen. Dennoch ist nach wie vor zu vermuten, dass sich im Zuge des Übergangs zur Moderne tatsächlich Effizienzgewinne verbuchen lassen. Ohne diese Frage letztlich entscheiden zu können, präsentierte die Studie auch hinsicht lich der Informationsnutzung einen Typus vormoderner Informationsgewinnung, der – bei einer gewissen Neigung zur epochentypologischen Zuspitzung – als exemplarisch für die frühneuzeitliche Situation gelten darf.
5.2 Marlboroughs Geheimnis In der älteren Forschung ist Marlboroughs Informationsgewinnung öfter mit seinem Charakter in Beziehung gesetzt worden: Marlborough habe einen besonders ausgeprägten Sinn für Geheimnisse und Geheimhaltung besessen;3 er sei schon seinen Zeitgenossen als besonders diskret, wenn nicht geheimnisvoll erschienen. 4 Nun führen psychologische Spekulationen in diesem Fall nicht sehr weit. Es ist – ohne einen ausgeführten Vergleich – sowohl unklar, ob und inwiefern sich Marlboroughs Informationsgewinnung von derjenigen anderer Politiker, Diplomaten, Generäle um 1700 unterschied, als auch, ob dies in irgendeiner Weise mit Marlborough als Person zusammenhängt. Was allerdings deutlich wird, ist die Kopplung von Marlboroughs Methoden der Informationsgewinnung an seine spezifische Rolle, die verschiedene formale Amtskompetenzen mit einer besonderen informellen Machtposition innerhalb Englands und der Allianz verband. Dies 2 Dass diese mythisierende Selbstbeschreibung selbst für den Komplex Big Data gilt, betonen: Boyd/Crawford, Critical Questions, 663. 3 Vgl. Belloc, Tactics and Strategy, 31 f. 4 Vgl. Trevelyan, England, Bd. 1, 188.
378
Ergebnisse
zu konstatieren, heißt, eine psychologische durch eine politische Argumentation zu ersetzen. Damit ist die vorliegende, biographisches und systematisches Interesse miteinander in Beziehung setzende Studie – ohne doch ein strikt biographisches Vorhaben zu verfolgen – vergleichbar mit Ansätzen der neueren Biographieforschung, die die Besonderheit spezifischer Personen „in der Zusammenfügung von vorhandenen Zügen in einer außergewöhnlichen Weise“ sieht.5 Es hat sich erwiesen, dass es zwar möglich und angesichts der Zentralstellung Marlboroughs im Spanischen Erbfolgekrieg auch sinnvoll ist, ihn heuristisch zum Mittelpunkt eines Informationsnetzes zu erklären und dann zu zeigen, wie er (durch eigene Informanten, aber auch auf dem Umweg über die Secretaries of State etc.) mit Informationen versorgt wurde. Als nicht adäquat hat sich dagegen die Vorstellung eines autonom agierenden Informationsdienstes herausgestellt. Insofern diente die vorliegende Studie auch dazu, der hagiographischen Überhöhung Marlboroughs (die sich auch in der Annahme eines außerordentlich effizienten autonomen ‚Geheimdienstes‘ zeigt) eine Perspektive entgegenzusetzen, die eine personalisierende Herangehensweise gerade problematisiert. Ob die Informa tionsgewinnung Marlboroughs (auch in Zusammenarbeit mit der englischen Regierung) das oder ein Geheimnis seines Erfolges darstellte, ist dabei kaum beantwortbar. Was aber deutlich wird, ist die diskursive Omnipräsenz eines Nütz lichkeitsphantasmas hinsichtlich der Bedeutung von Information und Spionage. Die Akteure gingen davon aus und taten alles dafür, dass daran geglaubt wurde, dass (geheime) Informationsgewinnung eine zentrale Rolle für eine effektive und erfolgreiche Tätigkeit spielte. „This most secret man“6 behält trotz der vorliegenden Untersuchung einen Teil seines Geheimnisses: weil unklar bleiben muss, wie die beschriebenen Strukturen und Funktionen mit Marlboroughs Charakter zusammenhängen, aber auch, weil in diesem Bereich die Überlieferungslage sehr kompliziert ist und daher vieles konstitutiv im Dunkeln bleibt. Dennoch ist deutlich geworden, dass die Welt der Information Strukturen besaß und dass die Informationen Funktionen erfüllten, die sich – manchmal leicht, manchmal weniger leicht – rekonstruieren lassen.
5 Bödeker, Biographie, 29. 6 Trevelyan, England, Bd. 1, 324.
6 Quellen- und Literaturverzeichnis 6.1 Quellen 6.1.1 Ungedruckte Quellen
British Library, London Große Teile der benutzten Bestände sind beschrieben in: Catalogue of Additions to the Manuscripts: The Blenheim Papers; Additional Manuscripts 61101 – 61710, Additional Charters 76069 – 76142, Detached Seal CCV.8, Appendices of Printed Items, hrsg. v. The British Library, 3 Bde., London 1985; Jones, Clyve, The Harley Family and the Harley Papers, in: British Library Journal 15 (1989), 123 – 133; Catalogue of the Stowe Manuscripts in the British Museum, 2 Bde., London 1895. BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 4741 Add. 4742 Add. 4743 Add. 4745 Add. 4747 Add. 22196 Add. 28056 Add. 28080 Add. 28881 Add. 28882 Add. 28883 Add. 28884 Add. 28885 Add. 28886 Add. 28887 Add. 28888 Add. 28891 Add. 28893 Add. 28903 Add. 28906 Add. 28916 Add. 28923 Add. 29323 Add. 32258 Add. 32305
BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 32306 Add. 37351 Add. 37352 Add. 38500 Add. 38501 Add. 38710 Add. 38711 Add. 40771 Add. 40772 Add. 40775 Add. 61109 Add. 61113 Add. 61118 Add. 61119 Add. 61120 Add. 61121 Add. 61122 Add. 61123 Add. 61124 Add. 61125 Add. 61126 Add. 61127 Add. 61128 Add. 61129 Add. 61130
380
BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 61133 Add. 61134 Add. 61135 Add. 61142 Add. 61145 Add. 61148 Add. 61149 Add. 61151 Add. 61152 Add. 61154 Add. 61156 Add. 61159 Add. 61160 Add. 61162 Add. 61180 Add. 61193 Add. 61195 Add. 61196 Add. 61204 Add. 61227 Add. 61228 Add. 61229 Add. 61230 Add. 61231 Add. 61235 Add. 61236 Add. 61246 Add. 61258 Add. 61262 Add. 61263 Add. 61264 Add. 61265 A Add. 61265 B Add. 61282 Add. 61303 Add. 61306 Add. 61307 Add. 61308 Add. 61309
Quellen- und Literaturverzeichnis
BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 61310 Add. 61311 Add. 61312 Add. 61313 Add. 61314 Add. 61315 Add. 61326 Add. 61330 Add. 61336 Add. 61337 Add. 61338 Add. 61339 Add. 61342 Add. 61343 C Add. 61343 D Add. 61343 E Add. 61343 F Add. 61348 Add. 61365 Add. 61366 Add. 61368 Add. 61369 Add. 61370 Add. 61371 Add. 61372 Add. 61373 Add. 61394 Add. 61395 Add. 61396 Add. 61398 Add. 61399 Add. 61400 Add. 61401 Add. 61402 Add. 61403 Add. 61406 Add. 61411 Add. 61412 Add. 61413
381
Quellen
BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 61492 Add. 61494 Add. 61498 Add. 61499 Add. 61500 Add. 61534 Add. 61548 Add. 61549 Add. 61550 Add. 61551 Add. 61552 Add. 61553 Add. 61554 Add. 61555 Add. 61556 Add. 61557 Add. 61558 Add. 61559 Add. 61560 Add. 61561 Add. 61562 Add. 61563 Add. 61564 Add. 61566 Add. 61567 Add. 61568 Add. 61575 Add. 61579 Add. 61582 Add. 61596 Add. 61600 Add. 61601 Add. 61604 Add. 61607 Add. 61608 Add. 61615 Add. 61648 Add. 61651 Add. 61652
BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL BL
Add. 61653 Add. 64928 Add. 69379 Add. 70191 Add. 70334 Add. 70335 Add. 70336 Add. 70337 Add. 70338 Lansdowne 1236 Stowe 222 Stowe 223 Stowe 225 Stowe 241
The National Archives, Kew TNA SP 34/9 TNA SP 34/10 TNA SP 34/11 TNA SP 34/12 TNA SP 34/14 TNA SP 34/15 TNA SP 34/16 TNA SP 34/17 TNA SP 34/18 TNA SP 34/19 TNA SP 34/29 TNA SP 77/57 TNA SP 77/58 TNA SP 77/59 TNA SP 77/59 TNA SP 77/60 TNA SP 77/61 TNA SP 84/233 TNA SP 84/574 TNA SP 87/2 TNA SP 87/4 TNA SP 87/5 TNA SP 101/7
382
Quellen- und Literaturverzeichnis
TNA SP 101/23 TNA SP 101/24
The British Postal Museum and Archive, London BPMA, POST 1/3 BPMA, POST 43/1 BPMA, POST 46/19 BPMA, POST 103/1 BPMA, POST 103/2 6.1.2 Gedruckte Quellen
Indem nicht angegeben wird, wann Internetressourcen eingesehen wurden, übernimmt der Autor die Verantwortung für die Verfügbarkeit der Inhalte bis zum Termin der Drucklegung. A Short Narrative of the Life and Actions of His Grace John, D. of M arlborough, From the Beginning of the Revolution, to this present Time. With some Remarks on his Conduct. By an Old Officer in the Army, London 1711. A Speech without Doors, Concerning The Two and a Half per Cent…, London 1712. Addison, Joseph, The Campaign, a Poem, to His Grace the Duke of M arlborough…, Fifth Edition, London 1713. An Account of the Late Scotch Invasion; As it was Open’d by My Lord Haversham in the House of Lords, on Fryday the 25th of February 1708/9. With Some Observations that were made in the H---se of C----ns; and true Copies of Authentick Papers, London 1709. Art. „Cadogan“, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd. 5, Leipzig/Halle 1733, Sp. 53 f. Art. „Kundschafft“, in: Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Bd. 15, Leipzig/ Halle 1737, Sp. 2130. Art. „Spanischer Succeßions-Krieg“, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Bd. 38, Leipzig/Halle 1743, Sp. 1175 – 1202. Bolingbroke, Viscount Henry St. John, Letters on the Study and Use of History, London 1779 (EA 1752). (Boyer, Abel), Memoirs of Queen Anne: Being a Compleat Supplement to the History of Her Reign…, London 1729.
Quellen
383
Calendar of State Papers, Domestic Series: Of the Reign of Anne, preserved in the Public Record Office, Bd. 1: 1702 – 1703, hrsg. v. Robert Pentland Mahaffy, London 1916. Calendar of State Papers, Domestic Series: Of the Reign of Anne, preserved in the Public Record Office, Bd. 2: 1703 – 1704, hrsg. v. Robert Pentland Mahaffy, London 1924. Calendar of State Papers, Domestic Series: Of the Reign of Anne, preserved in the Public Record Office, Bd. 3: 1703 – 1705, hrsg. v. C. S. Knighton, London 2005. Calendar of State Papers, Domestic Series: Of the Reign of Anne, preserved in the Public Record Office, Bd. 4: 1705 – 1706, hrsg. v. C. S. Knighton, London 2006. Calendar of the manuscripts of the Marquis of Bath preserved at Longleat, Wilt shire, Bd. 1, London 1904. Calendar of Treasury Books and Papers, Bd. 3, hrsg. v. William A. Shaw, London 1900. Calendar of Treasury Books, Bd. 4, hrsg. v.William A. Shaw, London 1909. Calendar of Treasury Books, Bd. 15, hrsg. v. William A. Shaw, London 1933. Calendar of Treasury Books, Bd. 17, hrsg. v. William A. Shaw, London 1939. Calendar of Treasury Books, Bd. 18, hrsg. v. William A. Shaw, London 1936. Calendar of Treasury Books, Bd. 22, hrsg. v. William A. Shaw, London 1952. Calendar of Treasury Books, Bd. 23, hrsg. v. William A. Shaw, London 1949. Calendar of Treasury Books, Bd. 25, hrsg. v. William A. Shaw, London 1952. Calendar of Treasury Books, Bd. 27, hrsg. v. William A. Shaw/F. H. Slingsby, London 1955. Calendar of Treasury Books, Bd. 28, hrsg. v. William A. Shaw/F. H. Slingsby, London 1955. Calendar of Treasury Books, Bd. 28, Teil 2: Treasury Minutes, warrants etc., Appendix: Secret Service Accounts 1702 – 1714, with Index, hrsg. v. William A. Shaw, London 1969. Calendar of Treasury Papers, Bd. 2, hrsg. v. Joseph Redington, London 1871. Calendar of Treasury Papers, Bd. 3, hrsg. v. Joseph Redington, London 1874. Calendar of Treasury Papers, Bd. 4, hrsg. v. Joseph Redington, London 1874. Callières, François de, De la manière de négocier avec les souverains: de l’utilité des Negociations, du choix des Ambassadeurs & des Envoyez, & des qualitez necessaires pour réussir dans ces emplois, Brüssel 1716. Cobbett, William, Parliamentary History of England. From the Norman Conquest, in 1066, to the Year 1803, Bd. 5, London 1809. Cobbett, William, Parliamentary History of England. From the Norman Conquest, in 1066, to the Year 1803, Bd. 6, London 1810.
384
Quellen- und Literaturverzeichnis
Correspondance de Louis XIV avec M. Amelot, son ambassadeur en Espagne, 1705 – 1709, hrsg. v. Baron de Girardot, Paris 1864. (Courtilz de Sandras, Gatien), The French Spy, or, The Memoirs of John Baptist de la Fontaine, Lord of Savoy and Fontenai, Late brigadier and Surveyor of the French King’s Army, now a Prisoner in the Bastile, London 1700. Coxe, William, Memoirs of John Duke of Marlborough: With his Original Corres pondence, 3 Bde., London 1889 – 1907 (EA 1818/19). Crull, Jodocus, A Compleat History of the Affairs of Spain, from the First Treaty of Partition, to This Present Time, London 1707. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 2, ’s-Gravenhage 1978. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 3, ’s-Gravenhage 1980. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 4, ’s-Gravenhage 1981. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 7, ’s-Gravenhage 1985. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 9, ’s-Gravenhage 1988. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 10, ’s-Gravenhage 1989. De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 11, ’s-Gravenhage 1990. Dedieu, Joseph, Le Rôle politique des protestants français, 1685 – 1715, Paris/Barcelona/Dublin 1920, 281 – 358. (Defoe, Daniel), No Queen: Or, No General. An Argument, proving The Necessity Her Majesty was in, as well for the Safety of Her Person as for Her Authority, to Displace the D—of M----borough, London 1712. Defoe, Daniel, The Danger of the Protestant Religion Consider’d, from the Present Prospect of a Religious War in Europe, London 1701. Die Diplomatische Correspondenz des Grafen Johann Wenzel Gallas, kaiserlichen Gesandten in London und Haag während des Spanischen Successionskrieges, hrsg. v. C. Höfler, in: Archiv für österreichische Geschichte 41 (1869), 291 – 311. Evelyn, John, The Diary of John Evelyn. Now first Printed in Full from the Manuscripts Belonging to Mr. John Evelyn, hrsg. v. E. S. de Beer, 6 Bde., Bd. 5, Oxford 1955. (Fassmann, David), Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sechs und Viertzigste Entrevuë, Zwischen Henrietta Maria, Des enthaupteten Königs Caroli I. in Engeland Prinzeßin Tochter … und Dem grossen weltberühmten Englischen
Quellen
385
General, Mylord-D uc von Marlborough, welcher in diesem jetztlauffenden Seculo sehr grosse Thaten gethan…, Leipzig 1722. (Fassmann, David), Gespräche In Dem Reiche derer Todten, Sieben und Viertzigste Entrevuë, … Zwischen Henrietta Maria, Des enthaupteten Königs Caroli I. in Engeland Prinzeßin Tochter … und Dem grossen weltberühmten Englischen General, Mylord-D uc von Marlborough, welcher in diesem jetztlauffenden Seculo sehr grosse Thaten gethan…, Leipzig 1722. Fritsch, Ahasver, Discursus De Novellarum, quas vocant Neue Zeitunge hodierno usu & abusu, Jena 1676. Fritsch, Ahasver, Diskurs über den heutigen Gebrauch und Missbrauch der „Neuen Nachrichten“, die man „Neue Zeitunge“ nennt (1676), in: Die ältesten Schriften für und wider die Zeitung, hrsg. v. Karl Kurth, Brünn/München/Wien 1944, 33 – 44. Goslinga, Sicco van, Mémoires relatifs à la guerre de succession de 1706 – 1709 et 1711, hrsg. v. U. A. Evertsz/G. H. M. Delprat, Leeuwarden 1857. (Hare, Francis), The Allies and Late Ministry Defended against France, and the Present Friends of France, Part IV, London 1712. (Hare, Francis), The Conduct of the Duke of Marlborough During the Present War. With Original Papers, London 1712. Harley, Robert, Plaine English to all who are honest or would be so if they knew how. A Tract by Robert Harley, hrsg. v. W. A. Speck/J. A. Downie, in: Literature and History 3 (1976), 100 – 110. The Letters and Accounts of James Brydges 1705 – 1713, in: Huntington Library Bulletin 2 (1931), hrsg. v. Edward Léon Harvey, 123 – 147. Historical Manuscripts Commission, Eighth Report, Appendix Part II Duke of Manchester, London 1881. Historical Manuscripts Commission, Fourteenth Report, Appendix, Part IX: The Manuscripts of the Earl of Buckinghamshire…, London 1895. Historical Manuscripts Commission, Report on the Manuscripts of The Duke of Buccleuch & Queensberry…, Bd. 2, Teil 2, London 1903. Historical Manuscripts Commission, Reports on the Manuscripts of the Earl of Eglinton, Sir J. Stirling Maxwell, Bart., C. S. H. Drummond Moray, Esq., C. F. Weston Underwood, Esq., and G. Wingfield Digby, Esq., London 1885. Historical Manuscripts Commission, The Manuscripts of His Grace the Duke of Marlborough, London 1881. Historical Manuscripts Commission, The manuscripts of His Grace the Duke of Portland preserved at Welbeck Abbey, Bd. 2, London 1893. Historical Manuscripts Commission, The manuscripts of His Grace the Duke of Portland preserved at Welbeck Abbey, Bd. 4, London 1897.
386
Quellen- und Literaturverzeichnis
Historical Manuscripts Commission, Report on the Manuscripts of Mrs. Frankland-Russell-Astley…, London 1900. Hönn, Georg Paul, Betrugs=Lexicon, worinnen die meiste Betruegereyen in allen Staenden nebst denen darwider guten Theils dienenden Mitteln entdeckt…, Coburg 1721, Art. „Abgesandte“, 1 – 3. Journal of the House of Lords, Bd. 18, London 1767 – 1830, http://www.british- history.ac.uk/lords-jrnl/vol18. House of Lords Manuscripts N. S. 8: The Manuscripts of the House of Lords 1708 – 1710, London 1923. Krieg und Frieden im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt, Düsseldorf 1987. Letters from James Brydges, Created Duke of Chandos, to Henry St. John, Crea ted Viscount Bolingbroke, hrsg. v. Godfrey Davies/Marion Tinling, in: Huntington Library Bulletin 9 (1936), 119 – 166. London Gazette: https://www.thegazette.co.uk. Lord Chesterfield’s Letters, hrsg. v. David Roberts, Oxford 2008. Luttrell, Narcissus, A Brief Historical Relation of State Affairs, from September 1678 to April 1714, 6 Bde., Oxford 1857. M., J. E. D., Ist es erlaubt, und dem Rechte der Natur und Klugheit gemäß, sich im Kriege der Spionen gegen den Feind zu bedienen?, in: Hannoverische Gelehrte Anzeigen 1 (1751), 383 – 389. Memoirs of the Secret Services of John Macky, Esq; during the Reigns of King William, Queen Anne, and King George I…, London 1733. Miscellaneous State Papers from 1501 to 1726. In Two Volumes, Bd. 2, London 1778. Private Correspondence of Sarah, Duchess of Marlborough…, 2 Bde., London 1838. Quellen zum Verfassungsorganismus des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, 1495 – 1815, hrsg. v. Hanns Hubert Hofmann, Darmstadt 1976. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens 1501 – 1806. Teil 1: Quellen – Literatur – Einleitung, hrsg. v. Martin Dallmeier, Kallmünz 1977. Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens 1501 – 1806, Teil 2: Urkunden- Regesten, bearb. v. Martin Dallmeier, Kallmünz 1977. Report from the Secret Committee of the Post Office, o. O. 1844. Stieler, Kaspar, Zeitungs Lust und Nutz. Vollständiger Neudruck der Originalausgabe von 1695, hrsg. v. Gert Hagelweide, Bremen 1969. Swift, Jonathan, Miscellanies in Prose, Bd. 9, London 1742. Swift, Jonathan, The History of the Four Last Years of the Queen, London 1758. (Swift, Jonathan), The Conduct of the Allies, and of the Late Ministry, in Beginning and Carrying on the Present War, London 1711.
Quellen
387
(Swift, Jonathan?), A Trip to Dunkirk: Or, A Hue and Cry After the Pretended Prince of Wales. Being a Panegyrick on the Descent, London 1708. The Case of his Grace the D--- of M---------. As Design’d to be Represented by Him to the Honourable House of Commons, in Vindication of Himself from the Charge of the Commisioners of Accounts; in Relation to the two and half per cent. Bread and Bread waggons, London 1712. The Collection of Autograph Letters and Historical Documents formed by Alfred Morrison. Second Series, Bd. 2, o. O. 1895. The Comparison or Whiggish Fulsom Flattery Exemplifyed in His G---- the D---- of M----- By Way of Dialogue Betwixt a Whig and a Tory Touching the Late Examination of a Late G-----l, London 1712. The Correspondence 1701 – 1711 of John Churchill, first Duke of Marlborough and Anthonie Heinsius, hrsg. v. Bert Van ’t Hoff, Utrecht 1951. The Diplomatic Correspondence of the Right Hon. Richard Hill, hrsg. v. W. Blackley, 2 Bde., London 1845. The Duke of Marlborough’s Letters at the Hague, hrsg. v. W. Bliss, in: English Historical Review 11 (1896), 117 – 120. The Grand Enquiry, or, What’s to be done with Him?, London 1712. The History and Proceedings of the House of Commons, Bd. 4, London 1742, http://www.british-history.ac.uk/commons-hist-proceedings/vol4. The Information Against the Duke of Marlborough and his Answer, London 1712. The Letters and Dispatches of John Churchill, first Duke of Marlborough, from 1702 to 1712, hrsg. v. George Murray, 5 Bde., London 1845. The London Diaries of William Nicolson. Bishop of Carlisle 1702 – 1718, hrsg. v. Clyve Jones/Geoffrey Holmes, Oxford 1985. The Lord Haversham’s Speech in the House of Peers, Wednesday the 12th of January, 1708/9. On the late intended Invasion of Scotland, Dublin 1709. The Marlborough-Godolphin Correspondence, 3 Bde., hrsg. v. Henry L. Snyder, Oxford 1975. The Speech of the Lord Haversham’s Ghost, London 1710. The Warden’s Punishment Book of All Souls College, Oxford, 1601 – 1850, hrsg. v. Scott Mandelbrote/John H. R. Davis, Oxford 2013. THEATRI EUROPAEI Siebenzehender Theil, Frankfurt a. M. 1718. Van Houtte, Hubert, Les occupations étrangères en Belgique sous l’Ancien Régime, Bd. 2: Documents, Gent/Paris 1930. Vertrag der Großen Allianz, in: English Historical Documents 1660 – 1714, hrsg. v. Andrew Browning, London 1953, 873 f. Voltaire, Œuvres complètes de Voltaire, Bd. 15: Siècle de Louis XIV, Paris 1818. Voltaire, Œuvres complètes de Voltaire, Bd. 22: Histoire de Charles XII, Paris 1820.
388
Quellen- und Literaturverzeichnis
(Walpole, Robert), A State Of the Five and Thirty Millions mention’d in the Report of a Commitee of the House of Commons…, London 1712. (Ward, Edward), Bribery and Simony: Or, a Satyr Against the Corrupt Use of Money, London 1703. A Complete Collection of State Trials and Proceedings for High Treason and other Crimes and Misdemeanors from the Earliest Period to the Present Time…, Bd. 14, London 1812. Warner, G. F., An Unpublished Political Paper by Daniel De Foe, in: English Historical Review 22 (1907), 130 – 143. Weise, Christian, Interessanter Abriß über das Lesen von Zeitungen… (1676), in: Die ältesten Schriften für und wider die Zeitung, hrsg. v. Karl Kurth, Brünn/ München/Wien 1944, 45 – 85. Weise, Christian, Schediasma Curiosum De Lectione Novellarum, Leipzig 1676. Wicquefort, Abraham de, L’Ambassadeur et ses fonctions. Derniere Edition, Köln 1690. Wouters, Joseph Michel, Placcaerten, Ordonnantien, Edicten, Reglementen, Tractaeten ende Privilegien in dese Nederlanden…, Bd. 7, Brüssel 1738.
6.2 Literatur Indem nicht angegeben wird, wann Internetressourcen eingesehen wurden, übernimmt der Autor die Verantwortung für die Verfügbarkeit der Inhalte bis zum Termin der Drucklegung. Adams, Robyn/Rosanna Cox (Hrsg.), Diplomacy and Early Modern Culture, Basingstoke u. a. 2011. Albert, Hans, Methodologischer Individualismus und historische Analyse, in: Teil und Ganzes. Zum Verhältnis von Einzel- und Gesamtanalyse in Geschichtsund Sozialwissenschaften, hrsg. v. Karl Acham/Winfried Schulze, München 1990, 219 – 239. Albrecht, Steffen, Netzwerke und Kommunikation. Zum Verhältnis zweier sozial wissenschaftlicher Paradigmen, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften, hrsg. v. Christian Stegbauer, Wiesbaden 2008, 165 – 178. Alkon, Paul K., Winston Churchill’s Imagination, Cranbury, N. J. 2006. Alsop, J. D., Art. „Macky, John“, in: Oxford Dictionary of National Biography, http://www.oxforddnb.com/view/article/17632.
Literatur
389
Alsop, J. D., British Intelligence for the North Atlantic Theatre of the War of the Spanish Succession, in: The Mariner’s Mirror 77 (1991), 113 – 118. Alsop, J. D., John Macky’s 1707 Account of the English seminaries in Flanders, in: Recusant History 15 (1981), 337 – 341. Alsop, J. D., The Detection of Matthew Prior’s Peace Mission of 1711, in: British Journal for Eighteenth-Century Studies 7 (1984), 61 – 67. Álvarez-Ossorio Alvariño, Antonio (Hrsg.), Famiglie, nationi e Monarchia. Il sistema europeo durante la Guerra di Successione spagnola, Rom 2004. Anderson, M. S., The Rise of Modern Diplomacy 1450 – 1919, London/New York 1993. Anklam, Ewa, Wissen nach Augenmaß. Militärische Beobachtung und Berichterstattung im Siebenjährigen Krieg, Berlin 2007. Aravamudam, Srinivas, Fiction/Translation/Transnation: The Secret History of the Eighteenth-Century Novel, in: A Companion to the Eighteenth-Century English Novel and Culture, hrsg. v. Paula R. Backscheider/Catherine Ingrassia, Malden, Mass./Oxford 2005, 48 – 74. Arblaster, Paul, Posts, Newsletters, Newspapers: England in a European System of Communications, in: Media History 11 (2005), 21 – 36. Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Das Alte Reich 1648 – 1806, 4 Bde., Bd. 2, Stuttgart 1997. Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Die Kreisassoziationen in der Politik der Mainzer Kurfürsten Johann Philipp und Lothar Franz von Schönborn 1648 – 1711, in: Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziationen 1648 – 1746. Zur verfassungsmäßigen Stellung der Reichskreise nach dem Westfälischen Frieden, hrsg. v. Karl Otmar Freiherr von Aretin, Wiesbaden 1975, 31 – 67. Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Feldherrnruhm und Pferdefleisch. Wie feind liche Feldherren sich im Spanischen Erbfolgekrieg bewirteten, in: Speisen, Schlemmen, Fasten. Eine Kulturgeschichte des Essens, hrsg. v. Uwe Schultz, Frankfurt a. M./Leipzig 1993, 231 – 243. Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Reichssystem, Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht, in: ders., Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648 – 1806, Stuttgart 1986, 55 – 75. Arndt, Johannes, Gab es im frühmodernen Heiligen Römischen Reich ein „Mediensystem der politischen Publizistik“? Einige systemtheoretische Überlegungen, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 6 (2004), 74 – 102. Arndt, Johannes/Esther-Beate Körber (Hrsg.), Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit (1600 – 1750), Göttingen 2010. Asch, Ronald G., „Lumine solis“. Der Favorit und die politische Kultur des Hofes in Westeuropa, in: Der zweite Mann im Staat. Oberste Amtsträger und Favoriten um Umkreis der Reichsfürsten in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Michael
390
Quellen- und Literaturverzeichnis
aiser/Andreas Pecar (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 32), BerK lin 2003, 21 – 38. Asch, Ronald G., Der Höfling als Heuchler? Unaufrichtigkeit, Konversa tionsgemeinschaft und Freundschaft am frühneuzeitlichen Hof, in: Krumme Touren. Anthropologie kommunikativer Umwege, hrsg. v. Wolfgang Reinhard, Wien/Köln/Weimar 2007, 183 – 203. Asch, Ronald G., Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit. Eine Einführung, Köln u. a. 2008. Asch, Ronald G., Schlußbetrachtung: Höfische Gunst und höfische Günstlinge zwischen Mittelalter und Neuzeit – 18 Thesen, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, hrsg. v. Jan H irschbiegel/ Werner Paravicini, Ostfildern 2004, 515 – 531. Asch, Ronald G./Dagmar Freist (Hrsg.), Staatsbildung als kultureller Prozeß. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005. Ashley, Maurice, Marlborough, London 1947. Aubele, Anton, Der Spanische Erbfolgekrieg im Sommer 1703 an der oberen Donau zwischen Munderkingen und Dillingen. Eine zeitgenössische badische Militär karte spiegelt die kriegerische Situation wider, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen 105 (2004), 13 – 24. Auer, Leopold, Konfliktverhütung und Sicherheit. Versuche zwischenstaatlicher Friedenswahrung in Europa z wischen den Friedensschlüssen von Oliva und Aachen 1660 – 1668, in: Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Heinz Duchhardt, Köln/Wien 1991, 153 – 183. Auer, Leopold, Österreichische und europäische Politik um das spanische Erbe, in: Archiv und Forschung. Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Geschichte Österreichs und Europas, hrsg. v. Elisabeth Springer/ Leopold Kammerhofer, Wien/München 1993, 96 – 109. Auer, Leopold, Wirtschaftliche Aspekte des Spanischen Erbfolgekrieges, in: Der spanische Erbfolgekrieg = La guerra des sucesión española, hrsg. v. Friedrich Edelmayer/Virginia León Sanz/José Ignacio Ruiz Rodríguez, Wien 2008, 144 – 160. Aylmer, G. E., From Office-Holding to Civil Service: The Genesis of Modern Bureaucracy. The Prothero Lecture, in: Transactions of the Royal Historical Society, Fifth Series, 30 (1980), 91 – 108. Backscheider, Paula R., Daniel Defoe and Early Modern Intelligence, in: Intelligence and National Security 11 (1996), 1 – 21. Backscheider, Paula, Robert Harley to Daniel Defoe: A New Letter, in: Modern Language Review 73 (1988), 817 – 819.
Literatur
391
Ballantyne, Tony, Colonial Knowledge, in: The British Empire. Themes and Pers pectives, hrsg. v. Sarah Stockwell, Malden, Mass./Oxford/Victoria 2008, 177 – 197. Bannet, Eve Tavor, „Secret History“: Or, Talebearing Inside and Outside the Secretorie, in: The Uses of History in Early Modern England, hrsg. v. Paulina Kewes, San Marino, CA, 2006, 367 – 388. Barbarics, Zsuzsa/Renate Pieper, Handwritten Newsletters as a Means of Commu nication in Early Modern Europe, in: Cultural Exchange in Early Modern Europe, Bd. 3: Correspondence and Cultural Exchange in Europe, 1400 – 1700, hrsg. v. Francisco Bethencourt/Florike Egmond, Cambridge u. a. 2007, 53 – 79. Barber, Alex W., ‚It is Not Easy What to Say of Our Condition, Much Less to Write It‘: The Continued Importance of Scribal News in the Early 18th Century, in: Parliamentary History 32 (2013), 293 – 316. Barber, P. M., Marlborough, Art and Diplomacy: The Background to Peter Strudel’s Drawing of Time Revealing Truth and Confounding Fraudulence, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 47 (1984), 119 – 135. Barber, Peter, ‚Procure as many as you can and send them over‘: Cartographic Espionage and Cartographic Gifts in International Relations, 1460 – 1760, in: Diplomacy and Early Modern Culture, hrsg. v. Robyn Adams/Rosanna Cox, Basingstoke u. a. 2011, 13 – 29. Barber, Peter, Diplomacy. The World of the Honest Spy, London 1979. Barber, Peter, Marlborough as Imperial Prince, in: British Library Journal 8 (1982), 46 – 79. Barrie, Viviane, La Prohibition du commerce avec la France dans la politique anglaise à la fin du XVlleme siecle, in: Revue du Nord 59 (1977), 343 – 364. Barth, Fredrik, An Anthropology of Knowledge, in: Current Anthropology 43 (2002), 1 – 11. Bastian, Corina, ‚Diplomatie kennt kein Geschlecht‘. Die Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins im Spanischen Erbfolge krieg (1705 – 1715), in: zeitenblicke 8, Nr. 2, http://www.zeitenblicke.de/2009/2/ bastian/index_html. Bastian, Corina, Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2013. Bauer, Volker, Informalität als Problem der frühneuzeitlichen Geschichte. Überlegungen vornehmlich anhand der deutschsprachigen Hofforschung, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hrsg. v. Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel, Berlin 2009, 41 – 56. Bayly, C. A., Empire and Information. Intelligence Gathering and Social Commu nication in India, 1780 – 1870, Cambridge 1996.
392
Quellen- und Literaturverzeichnis
Beaurepaire, Pierre-Yves, Introduction, in: La plume et la toile. Pouvoirs et réseaux de correspondance dans l’Europe des Lumières, hrsg. v. Pierre-Yves Beaurepaire, Arras 2002, 27 – 40. Behringer, Wolfgang, Art. „Kommunikation“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, hrsg. v. Friedrich Jaeger, Stuttgart/Weimar 2007, Sp. 995 – 1018. Behringer, Wolfgang, Communications Revolutions: A Historiographical Concept, in: German History 24 (2006), 333 – 374. Behringer, Wolfgang, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikations revolution in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003. Behringer, Wolfgang, Mit der Karte auf Grand Tour. Infrastrukturbildung und Mental Mapping in der Frühen Neuzeit, Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit, hrsg. v. Christof Dipper/Ute Schneider, Darmstadt 2006, 77 – 93. Behringer, Wolfgang, Reisen als Aspekt einer Kommunikationsgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Neue Aspekte der Reiseforschung, hrsg. v. Michael M aurer, Berlin 1999, 67 – 95. Behringer, Wolfgang, Veränderung der Raum-Zeit-Relation. Zur Bedeutung des Zeitungs- und Nachrichtenwesens während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, hrsg. v. Benigna v. Krusenstjern/Hans Medick, Göttingen 1999, 39 – 81. Behrisch, Lars, „Politische Zahlen“. Statistik und die Rationalisierung der Herrschaft im späten Ancien Régime, in: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), 551 – 577. Behrisch, Lars, Zu viele Informationen! Die Aggregierung des Wissens in der Frühen Neuzeit, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, hrsg. v. Arndt Brendecke/Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Berlin 2008, 455 – 473. Belloc, Hilaire, The Tactics and Strategy of the Great Duke of Marlborough, Bristol 1933. Bély, Lucien, Espions et ambassadeurs au temps de Louis XIV., Paris 1990. Bély, Lucien, La société des princes. XVI–XVIIIe siècles, Paris 1999. Bély, Lucien, Les larmes de M. de Torcy. La lecon diplomatique de l‘échec, à propos des conférences de Gertruydenberg (mars–juillet 1710), in: ders., L’art de la paix en Europe. Naissance de la diplomatie moderne, XVIe–XVIIIe siècle, Paris 2007, 433 – 464. Bély, Lucien, Les trois paradoxes du congrès d’Utrecht, in: Les fondements de la paix. Des origines au début du XVIIIe siècle, hrsg. v. Pierre Chaunu, Paris 1993, 137 – 153.
Literatur
393
Bély, Lucien, Méthodes et perspectives dans l‘étude des négociations interna tionales à l‘époque moderne. L’exemple d’utrecht (1713), in: Frankreich im europäischen Staatensystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Rainer Babel, Sigmaringen 1995, 220 – 233. Bély, Lucien, Répresentation, négociation et information dans l’étude des relations internationales à l’époque moderne, in: Axes et méthodes de l’histoire politique, hrsg. v. Serge Berstein/Pierre Milza, Paris 1998, 213 – 229. Bély, Lucien/Jean Bérenger/André Corvisier, Guerre et paix dans l’Europe du XVIIe siècle, 2e édition, revue et corrigée, Paris 1991. Benna, Anna Hedwig, Doppelspionage im Türkenjahr 1683, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 17/18 (1964/65), 1 – 23. Bennett, G. V., English Jacobitism, 1710 – 1715: Myth and Reality, in: Transactions of the Royal Historical Society, Fifth Series 32 (1982), 137 – 151. Bennett, G. V., Rezension von Henry L. Snyder (Hrsg.), The Marlborough- Godolphin Correspondence, in: English Historical Review 95 (1980), 154 – 156. Bennett, G. V., Robert Harley, the Godolphin Ministry, and the Bishopric Crisis of 1707, in: English Historical Review 82 (1967), 726 – 746. Bennett, Richard, Espionage: An Encyclopedia of Spies and Secrets, London 2002. Benschop, W. J. M., Het postwezen van’s-Gravenhage in derdehalve eeuw, ’s-Gravenhage 1951. Bérenger, Jean, Die Habsburger und ihre Erbfolgekrisen als Formationsphase des neuen europäischen Staatensystems, in: Das europäische Staatensystem im Wandel. Strukturelle Bedingungen und bewegende Kräfte seit der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Peter Krüger, München 1996, 63 – 88. Berger, Peter/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirk lichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 161999. Beyrer, Klaus, Art. „Infrastruktur 1.–4.“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 5, hrsg. von Friedrich Jaeger, Stuttgart/Weimar 2007, Sp. 943 – 949. Beyrer, Klaus, Brieftransport in der Frühen Neuzeit. Entwicklung und Zäsuren, in: Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert, hrsg. v. Christina Antenhofer/Mario Müller, Göttingen 2008, 169 – 183. Beyrer, Klaus, The Mail-Coach Revolution: Landmarks in Travel in Germany Between the Seventeenth and Nineteenth Centuries, in: German History 24 (2006), 375 – 386. Beyrer, Klaus, Wege der Nachrichtenübermittlung. Macht über den Raum – Macht der Zeit, in: Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte. Eine Publikation des Deutschen Postmuseums, hrsg. v. Klaus Beyrer/Martin Dallmeier, Frankfurt a. M./Gießen 1994, 64 – 70.
394
Quellen- und Literaturverzeichnis
Biggs, Michael, Putting the State on the Map: Cartography, Territory, and European State Formation, in: Comparative Studies of Society and History 41 (1999), 374 – 415. Birk, Eberhard, Lange und kurze Wege nach Höchstädt. Betrachtungen zur Vorgeschichte der ‚Battle of Blenheim‘ am 13. August 1704, in: ders., Militärgeschicht liche Skizzen zur Frühen Neuzeit. Anmerkungen zu einer Phänomenologie der bewaffneten Macht im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg 2005, 19 – 44. Bitterling, David, Der absolute Staat und seine Karten. Eine kritische Geschichte der Genauigkeit am Beispiel Frankreichs, in: Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit, hrsg. v. Christof Dipper/Ute Schneider, Darmstadt 2006, 94 – 109. Black, Jeremy, British Diplomats and Diplomacy 1688 – 1800, Exeter 2001. Black, Jeremy, Eighteenth-Century Intercepted Despatches, in: Journal of the Society of Archivists 11 (1990), 138 – 143. Black, Jeremy, Évolution de la diplomatie anglaise de 1603 à 1793, in: L’inven tion de la diplomatie. Moyen Age – Temps modernes, hrsg. v. Lucien Bély, Paris 1998, 139 – 150. Black, Jeremy, Intelligence and the Emergence of Information Society in Eighteenth- Century Britain, in: The History of Information Security. A Comprehensive Handbook, hrsg. v. Karl de Leeuw/Jan Bergstra, Amsterdam u. a. 2007, 369 – 379. Black, Jeremy, Natural and Necessary Enemies. Anglo-French Relations in the Eighteenth Century, London 1986. Black, Jeremy, Parliament and Foreign Policy in the Eighteenth Century, Cambridge u. a. 2004. Blair, Ann, Reading Strategies for Coping with Information Overload ca. 1550 – 1700, in: Journal of the History of Ideas 64 (2003), 11 – 28. Blanning, Tim, Victory Spoils, in: Times literary supplement 5299 (2004), 6 f. Blockmans, Wim/André Holenstein/Jon Mathieu (Hrsg.), Empowering Interac tions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300 – 1900, Aldershot 2009. Blum, Sonja/Klaus Schubert, Politikfeldanalyse, Wiesbaden 22011. Bödeker, Hans Erich, Biographie. Annäherungen an den gegenwärtigen Forschungs- und Diskussionsstand, in: Biographie schreiben, hrsg. v. Hans Erich Bödeker, Göttingen 2003, 11 – 63. Bohn, Cornelia, Ins Feuer damit: Soziologie des Briefgeheimnisses, in: Schleier und Schwelle, Bd. 1: Geheimnis und Öffentlichkeit, hrsg. v. Aleida Assmann/ Jan Assmann, München 1997, 41 – 51. Boislisle, A., Le secret de la poste sous le règne de Louis XIV., in: Annuaire-bulletin de la Société de l‘histoire de France 27 (1890), 229 – 245.
Literatur
395
Boles, Jr., Laurence Huey, The Huguenots, the Protestant Interest, and the War of the Spanish Succession, 1702 – 1714, New York 1997. Böning, Holger, Handgeschriebene und gedruckte Zeitung im Spannungsfeld von Abhängigkeit, Koexistenz und Konkurrenz, in: Die Entstehung des Zeitungswesens im 17. Jahrhundert. Ein neues Medium und seine Folgen für das Kommunikationssystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Volker Bauer/Holger Böning, Bremen 2011, 23 – 56. Böning, Holger, Weltaneignung durch ein neues Publikum. Zeitungen und Zeitschriften als Medientypen der Moderne, in: Kommunikation und Medien der Frühen Neuzeit, hrsg. von Johannes Burkhardt/Christine Werkstetter (Historische Zeitschrift, Beiheft 41), München 2005, 105 – 134. Bonß, Wolfgang, Risiko. Vom Umgang mit Unsicherheit in der Moderne, in: Sicherheit in Technik und Gesellschaft, hrsg. v. der Universität der Bundeswehr, http://www.unibw.de/praes/service/presse/publikationen/sicherheit-in- technik-und-gesellschaft/view, 57 – 80. Bornscheuer, Lothar, Topik. Zur Struktur der gesellschaftlichen Einbildungskraft, Frankfurt a. M. 1976. Bosbach, Franz, Gedruckte Informationen für Gesandte auf dem Westfälischen Friedenskongreß. Eine Dokumentation des Angebots, der Preise und der Verwendung, in: Le diplomate au travail. Entscheidungsprozesse, Information und Kommunikation im Umkreis des Westfälischen Friedenskongresses, hrsg. v. Rainer Babel, München 2005, 59 – 137. Bosbach, Franz, Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit, Göttingen 1988. Bosher, J. F., Huguenot Merchants and the Protestant International in the Seventeenth Century, in: The William and Mary Quarterly, 3rd. Ser., 52 (1995), 77 – 102. Bots, Hans, Exchange of Letters and Channels of Communication. The Epistolary Networks in the European Republic of Letters, in: Wissen im Netz. Botanik und Pflanzentransfer in europäischen Korrespondenznetzen des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Regina Dauser u. a., Berlin 2008, 31 – 45. Bourdieu, Pierre, Die Ökonomie der symbolischen Güter, in: ders., Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt a. M. 1998, 163 – 182. Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Soziale Ungleichheiten, hrsg. v. Reinhard Kreckel, Göttingen 1983, 183 – 198. Boutier, Jean/Sandro Landi/Olivier Rouchon, Introduction, in: La politique par correspondance, hrsg. v. dens., Rennes 2009, 7 – 19. Boutier, Jean/Sandro Landi/Olivier Rouchon (Hrsg.), La politique par correspondance, Rennes 2009.
396
Quellen- und Literaturverzeichnis
Bovey, Robert L., Military Intelligence Analysis in Liliput, in: Operations Research 19 (1971), 713 – 721. Boyd, Danah/Kate Crawford, Critical Questions for Big Data. Provocations for a Cultural, Technological, and Scholarly Phenomenon, in: Information, Communication & Society 15 (2012), 662 – 679. Braddick, Michael J., Administrative Performance: the Representation of Political Authority in Early Modern England, in: Negotiating Power in Early Modern Society: Order, Hierarchy and Subordination in Britain and Ireland, hrsg. v. Michael J. Braddick/John Walter, Cambridge 2001, 166 – 187. Braddick, Michael J., State Formation in Early Modern Britain, c. 1550 – 1700, Cambridge u. a. 2000. Brakensiek, Stefan, Verwaltungsgeschichte als Alltagsgeschichte. Zum Finanz gebaren frühneuzeitlicher Amtsträger zwischen Stabsdisziplinierung und Mitunternehmerschaft, in: Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Michael Hochedlinger/Thomas Winkelbauer, Wien/München 2010, 271 – 290. Braubach, Max, Die Friedensverhandlungen in Utrecht und Rastatt 1712 bis 1714, in: Historisches Jahrbuch 90 (1970), 284 – 298. Braubach, Max, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Köln/ Opladen 1962. Braubach, Max, Ein Vertrauter des Prinzen Eugen: der Generaladjutant Hohendorff, in: ders., Geschichte und Abenteuer. Gestalten um den Prinzen Eugen, München 1950, 126 – 162. Braubach, Max, Geschichte und Abenteuer. Gestalten um den Prinzen Eugen, München 1950. Braubach, Max, Um die „Reichsbarriere“ am Oberrhein. Die Frage der Rückgewinnung des Elsaß und der Wiederherstellung Lothringens während des spanischen Erbfolgekrieges, in: ders., Diplomatie und geistiges Leben im 17. und 18. Jahrhundert. Gesammelte Abhandlungen, Bonn 1969, 231 – 267. Braudel, Fernand, Geschichte und Sozialwissenschaften – Die „longue durée“, in: Geschichte und Soziologie, hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler, Köln 1972, 189 – 215. Brendecke, Arndt, Das ‚Buch der Beschreibungen‘. Über ein Gesetz zur Erfassung Spanisch-Amerikas von 1573, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, hrsg. v. Arndt Brendecke/Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Berlin 2008, 335 – 358. Brendecke, Arndt, Imperium und Empirie. Funktionen des Wissens in der spanischen Kolonialherrschaft, Köln/Weimar/Wien 2009. Brendecke, Arndt/Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom
Literatur
397
Wissensbegriff, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, hrsg. v. Arndt Brendecke/Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Berlin 2008, 11 – 44. Brendecke, Arndt/Markus Friedrich/Susanne Friedrich (Hrsg.), Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, Berlin 2008. Brennig, Heribert R., Die Zeit vor der Zeitung. Die Verbreitung von Neuigkeiten von der Antike bis zum Ende des Mittelalters, in: Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte. Eine Publikation des Deutschen Postmuseums, hrsg. v. Klaus Beyrer/Martin Dallmeier, Frankfurt a. M./Gießen 1994, 6 – 12. Brewer, John, Servants of the Public – Servants of the Crown. Officialdom of Eighteenth-Century English Central Government, in: Rethinking Leviathan. The Eighteenth-Century State in Britain and Germany, hrsg. v. John Brewer/ Eckhart Hellmuth, Oxford 1999, 127 – 147. Brewer, John, The Eighteenth-Century British State. Contexts and Issues, in: An Imperial State at War. Britain from 1689 to 1815, hrsg. v. Lawrence Stone, London/New York 1994, 52 – 7 1. Brewer, John, The Sinews of Power. War, Money and the English state, 1688 – 1783, London u. a. 1989. Brewer, John, This, that and the other: Public, Social and Private in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: Shifting The Boundaries. Transforma tion of the Languages of Public and Private in the Eighteenth Century, hrsg. v. Dario Castiglione/Lesley Sharpe, Exeter 1995, 1 – 21. Brockliss, L. W. B., Concluding Remarks: The Anatomy of the Minister-Favourite, in: The World of the Favourite, hrsg. v. J. H. Elliott/L. W. B. Brockliss, New Haven, Conn. u. a. 1999, 279 – 309. Bromley, J. S., The French Privateering War, 1702 – 13, in: Historical Essays 1600 – 1750 presented to David Ogg, hrsg. v. H. E. Bell/R. L. Ollard, London 1963, 203 – 231. Bucholz, R. O., „Nothing but ceremony“: Queen Anne and the Limitations of Royal Ritual, in: Journal of British Studies 30 (1991), 288 – 323. Bucholz, R. O., The Augustan Court. Queen Anne and the Decline of Court Culture, Stanford 1993. Bucholz, Robert O., Queen Anne: Victim of her Virtues?, in: Queenship in Britain 1660 – 1837. Royal Patronage, Court Culture and Dynastic Politics, hrsg. v. Clarissa Campbell Orr, Manchester/New York 2002, 94 – 129. Buisseret, David (Hrsg.), Monarchs, Ministers, and Maps. The Emergence of Carto graphy as a Tool of Government in Early Modern Europe, Chicago u. a. 1992. Bullard, Rebecca, Politics of Disclosure, 1674 – 1725: Secret History Narratives, London 2009.
398
Quellen- und Literaturverzeichnis
Burke, Peter, A Social History of Knowledge. From Gutenberg to Diderot, Cambridge u. a. 2000. Burke, Peter, Reflections on the Information State, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, hrsg. v. Arndt Brendecke/Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Berlin 2008, 51 – 63. Burkert, Roland/Walter Hömberg (Hrsg.), Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung, Wien 42007. Burkhardt, Johannes, Die Friedlosigkeit der Frühen Neuzeit. Grundlegung einer Theorie der Bellizität Europas, in: Zeitschrift für historische Forschung 24 (1997), 509 – 574. Burkhardt, Johannes, Konfession als Argument in den zwischenstaatlichen Beziehungen. Friedenschancen und Religionskriegsgefahren in der Entspannungs politik z wischen Ludwig XIV. und dem Kaiserhof, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 11), Berlin 1991, 135 – 154. Burkhardt, Johannes, Sprachen des Friedens und was sie verraten. Neue Fragen und Einsichten zu Karlowitz, Baden und „Neustadt“, in: Wege der Neuzeit. FS Heinz Schilling, hrsg. v. Stefan Ehrenpreis u. a., Berlin 2007, 503 – 519. Burkhardt, Johannes, Vollendung und Neuorientierung des frühmodernen Reiches 1648 – 1763 (Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte, völlig neu bearbeitete Auflage, Bd. 11), Stuttgart 2006. Burton, I. F., ‚The Committee of Council at the War-Office‘: An Experiment in Cabinet Government under Anne, in: Historical Journal 3 (1961), 78 – 84. Burton, Ivor F., The Secretary at War and the Administration of the Army during the War of the Spanish Succession, Ph. D. London 1960. Burton, Ivor Flower, The Captain-General. The Career of John Churchill, Duke of Marlborough, from 1702 to 1711, London 1968. Caldarelli, Guido/Michele Catanzaro, Networks. A Very Short Introduction, Oxford 2012. Calder, James D. (Hrsg.), Intelligence, Espionage and Related Topics: An Annotated Bibliography of Serial, Journal, and Magazine Scholarship, 1844 – 1998, Westport, Conn. u. a. 1999. Campbell, Colin, A Dubious Distinction? An Inquiry into the Value and Use of Merton’s Concepts of Manifest and Latent Function, in: American Sociological Review 47 (1982), 29 – 44. Cannon, John, The British Nobility, 1660 – 1800, in: The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, 2 Bde., Bd. 1, hrsg. v. H. M. Scott, London/New York 1995, 53 – 81.
Literatur
399
Carl, Horst, Militärische Okkupation im 18. Jahrhundert – Anmerkungen zu einer spezifischen Situation, in: Die besetzte res publica. Zum Verhältnis von ziviler Obrigkeit und militärischer Herrschaft in besetzten Gebieten vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. v. Markus Meumann/Jörg Rogge, Berlin 2006, 351 – 362. Castells, Manuel, Materials for an Explanatory Theory of the Network Society, in: British Journal of Sociology 51 (2000), 5 – 24. Castells, Manuel, Toward a Sociology of the Network Society, in: Contemporary Sociology 29 (2000), 693 – 699. Catalogue of Additions to the Manuscripts: The Blenheim Papers; Additional Manuscripts 61101 – 61710, Additional Charters 76069 – 76142, Detached Seal CCV.8, Appendices of Printed Items, hrsg. v. The British Library, 3 Bde., London 1985. Catalogue of the Stowe Manuscripts in the British Museum, 2 Bde., London 1895. Censorship in Early Modern Europe, Journal of Modern European History 3,1 (2005) (Themenheft). Cerny, Gerald, Theology, Politics, and Letters at the Crossroads of European Civilization. Jacques Basnage and the Baylean Huguenot Refugees in the Dutch Republic, Dordrecht u. a. 1987. Cesa, Marco, Allies Yet Rivals. International Politics in 18th Century Europe, Stanford 2010. Chalus, Elaine, ‚Ladies are often very good scaffoldings‘: Women and Politics in the Age of Anne, in: Parliamentary History 28 (2009), 150 – 165. Chance, J. F., England and Sweden in the Time of William III and Anne, in: English Historical Review 16 (1901), 676 – 7 11. Chance, J. F., John de Robethon and the Robethon Papers, in: English Historical Review 13 (1898), 55 – 70. Chandler, David G., The Art of Warfare in the Age of Marlborough, London 1976. Chandler, David, The Great Captain-General 1702 – 1714, in: The Oxford Illustrated History of the British Army, hrsg. v. David Chandler, Oxford/New York 1994, 69 – 91. Chandler, David, Marlborough as Military Commander, London 21979. Childs, John, Art. „Cadogan, William, 1st Earl“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, hrsg. v. Linda Frey/ Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 69 f. Churchill, Winston S., Marlborough. His Life and Times, 2 Bde., Chicago 2002. Clark, G. N., War Trade and Trade War, 1701 – 1713, in: Economic History Review 1 (1927), 262 – 280. Clausewitz, Carl von, Vom Kriege. Auswahl, hrsg. v. Ulrich Marwedel, Stuttgart 1994.
400
Quellen- und Literaturverzeichnis
Claydon, Tony, A European General in the English Press. The Print Image of Marlborough in the Stuart Realms, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 301 – 319. Cobb, H. S., Politicians and Archives, in: Journal of the Society of Archivists 15 (1994), 141 – 149. Cohen, Michael D./James G. March/Johan P. Olsen, A Garbage Can Model of Organizational Choice, in: Administrative Science Quarterly 17 (1972), 1 – 25. Collin, Peter, Die Organisation der binnenadministrativen Kommunikation in der preußischen Verwaltung des 19. Jahrhunderts, in: Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Peter Becker, Bielefeld 2011, 336 – 359. Compton, T. E., Marlborough’s Secret Negotiations with Berwick during the Siege of Lille, 1708, in: United Service Magazine N. S. 57 (1918), 274 – 286. Coombs, Douglas S., The Augmentation of 1709. A Study in the Workings of the Anglo-D utch Alliance, in: English Historical Review 72 (1957), 642 – 661. Coombs, Douglas, The Conduct of the Dutch. British Opinion and the Dutch Alliance during the War of the Spanish Succession, Den Haag u. a. 1958. Cottrell, Philipp L., London as a Centre of Communications: From the Printing Press to the Travelling Post Office, in: Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Michael North, Köln/Weimar/ Wien 22001, 157 – 178. Cowan, Brian, Geoffrey Holmes and the Public Sphere: Augustan Historiography from Post-Namierite to the Post-Habermasian, in: Parliamentary History 28 (2009), 166 – 178. Cowan, Brian, The Rise of the Coffeehouse Reconsidered, in: Historical Journal 47 (2004), 21 – 46. Cowan, Brian, Art. „Dyer, John (1653/4 – 1713)“, in: Oxford Dictionary of National Biography, http://www.oxforddnb.com/view/article/94251. Cox, Noel, Property Law and Imperial and British Titles. The Dukes of M arlborough and the Principality of Mindelheim, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 77 (2009), 191 – 210. Craig, David M., ‚High Politics‘ and the ‚New Political History‘, in: Historical Journal 53 (2010), 453 – 475. Crowdy, Terry, The Enemy Within. A History of Espionage, Oxford 2006. Cruickshanks, Eveline/Richard Harrison, Art. „Cotton, Sir Robert“, in: The History of Parliament. The House of Commons 1690 – 1715, hrsg. v. Eveline Cruickshanks/ Stuart Handley/D. W. Hayton, Bd. 3, Cambridge 2002, 744 – 748.
Literatur
401
Cruickshanks, Eveline/Ivar McGrath, Art. „Frankland, Thomas“, in: The History of Parliament. The House of Commons 1690 – 1715, hrsg. v. Eveline Cruickshanks/ Stuart Handley/D. W. Hayton, Bd. 3, Cambridge 2002, 1108 – 1112. Csáky, Moritz, Kommunikation, Information, Kultur, in: Kommunikation und Information im 18. Jahrhundert. Das Beispiel der Habsburgermonarchie, hrsg. v. Johannes Frimmel/Michael Wögerbauer, Wiesbaden 2009, 21 – 30. Darnton, Robert, An Early Information Society: News and Media in Eighteenth- Century Paris, in: American Historical Review 105 (2000), 1 – 35. Das, G., Pierre Jurieu als middelpunt van een spionnage-dienst, in: Tijdschrift voor geschiedenis 41 (1926), 372 – 382. Davies, Godfrey, The Seamy Side of Marlborough’s War, in: The Huntington Library Quarterly 15 (1951), 21 – 44. Davies, Philip H. J., The British Secret Services, Oxford 1996. Davies, Simon F./Puck Fletcher, Introduction, in: News in Early Modern Europe – Currents and Connections, hrsg. v. Simon Davies/Puck Fletcher, Leiden 2014, 1 – 17. Davis, Lennard J., Factual Fictions. The Origins of the English Novel, Philadelphia, Pa. 1996 (EA 1983). Davis, Natalie Zemon, Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance, München 2002. Daybell, James, Gender, Politics and Diplomacy: Women, News and Intelligence Networks in Elizabethan England, in: Diplomacy and Early Modern Culture, hrsg. v. Robyn Adams/Rosanna Cox, Basingstoke u. a. 2011, 101 – 119. Daybell, James, New Directions in the Study of Early Modern Correspondence, in: Lives and Letters 4 (2012), http://xmera.co.uk/journalarchive/editorial4.pdf. De Beer, E. S., The English Newspapers from 1695 to 1702, in: William III. and Louis XIV. Essays 1680 – 1720 by and for Mark A. Thomson, hrsg. v. Ragnhild Hatton/J. S. Bromley, Liverpool 1968, 117 – 129. De Bruin, G., Geheimhouding en verraad. De geheimhouding van staatszaken ten tijde van de Republiek (1600 – 1750), ’s-Gravenhage 1991. de Graaf, Beatrice/Cornel Zwierlein, Historicizing Security – Entering the Cons piracy Dispositive, in: Historical Social Research 38 (2013), 46 – 64. De Leeuw, Karl, Cryptology in the Dutch Republic: A Case-Study, in: The History of Information Security. A Comprehensive Handbook, hrsg. v. Karl de Leeuw/Jan Bergstra, Amsterdam u. a. 2007, 327 – 367. De Leeuw, Karl, The Black Chamber in the Dutch Republic during the War of the Spanish Succession and Its Aftermath, 1707 – 1715, in: Historical Journal 42 (1999), 133 – 156.
402
Quellen- und Literaturverzeichnis
De Schryver, Reginald, Das dynastische Prinzip: Max Emanuels Ambitionen auf das spanische Erbe, Gebietserweiterung und Königskrone, in: Die Schlacht von Höchstädt. Brennpunkt Europas 1704, hrsg. v. Johannes Erichsen/Katharina Heinemann, Ostfildern 2004, 12 – 25. De Schryver, Reginald, De Zuidelijke Nederlanden als Frans en geallieerd protectoraat 1700 – 1715, in: Algemene geschiedenis der Nederlanden, Bd. 9: Nieuwe tijd, Haarlem 1980, 31 – 43. De Schryver, Reginald, Max II. Emanuel von Bayern und das spanische Erbe, Mainz 1996. De Schryver, Reginald, Warfare in the Spanish Netherlands 1689 – 1714. Remarks on Conquest and Sovereignity, Occupation and Logistics, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/Augustus J. Veenendaal, Jr., Den Haag 2002, 133 – 146. Deacon, Richard, A History of the British Secret Service, New York/London 1969. Dear, Peter, From Truth to Disinterestedness in the Seventeenth Century, in: Social Studies of Science 22 (1992), 619 – 631. Dedieu, Joseph, Le Rôle politique des protestants français, 1685 – 1715, Paris/Barcelona/Dublin 1920. Delepinne, Berthe, Geschiedenis der internationale post in België onder de postmeesters der familie de Tassis, Brüssel 1953. Delfiner, Henry, Saving an Empire: The Contribution of John Wenzel Count Wratislaw to the Turnaround in 1704, in: East European Quarterly 33 (2000), 443 – 452. Depezay, Charles-Henri, Between the French Gazette and the Dutch French Language Newspapers, in: The Dissemination of News and the Emergence of Contemporaneity in Early Modern Europe, hrsg. v. Brendan Dooley, Farnham u. a. 2010, 179 – 192. Depkat, Volker, Kommunikationsgeschichte z wischen Mediengeschichte und der Geschichte sozialer Kommunikation. Versuch einer konzeptionellen Klärung, in: Medien der Kommunikation im Mittelalter, hrsg. v. Karl-Heinz Spieß, Stuttgart 2003, 9 – 48. Devereaux, Simon, The Historiography of the English State During ‚the Long Eighteenth Century’: Part I – Decentralized Perspectives, in: History Compass 7 (2009), 742 – 764. Devereaux, Simon, The Historiography of the English State During ‚the Long Eighteenth Century’: Part II – Fiscal-Military and Nationalistic Perspectives, in: History Compass 8 (2010), 843 – 865. Dewald, Jonathan, Art. „Espionage“, in: Europe 1450 to 1789. Encyclopedia of the Early Modern World, 6 Bde., hrsg. v. Jonathan Dewald, New York u. a. 2004, Bd. 2, 324 – 327.
Literatur
403
Dewald, Jonathan, The European Nobility 1400 – 1800, Cambridge 1996. Dhondt, Frederik, Op Zoek naar Glorie in Vlaanderen. De Zonnekoning en de Spaanse Successie (1707 – 1708), Courtrai-Heule 2012. Diaz-Bone, Rainer, Eine kurze Einführung in die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse (Mitteilungen aus dem Schwerpunktbereich Methodenlehre, Heft Nr. 57), http://www.rainer-diaz-bone.de/Diaz-Bone_Netzwerkanalyse.pdf. Diaz-Bone, Rainer, Gibt es eine qualitative Netzwerkanalyse?, in: Forum Qualitative Sozialforschung 8 (2007), www.qualitative-research.net/index.php/fqs/ article/view/224/494. Dickinson, H. T., Henry St. John: A Reappraisal of the Young Bolingbroke, in: Journal of British Studies 7 (1968), 33 – 55. Dickinson, H. T., How Revolutionary was the ‚Glorious Revolution‘ of 1688?, in: British Journal for Eighteenth-Century Studies 11 (1988), 125 – 142. Dickinson, H. T., The British Constitution, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, hrsg. v. H. T. Dickinson, Malden, Mass. u. a. 2002, 3 – 18. Dickinson, William Calvin, Sidney Godolphin, Lord Treasurer, 1702 – 1710, Lewiston, NY u. a., 1990. Dickinson, W. Calvin/Eloise R. Hitchcock (Hrsg.), The War of the Spanish Succession, 1702 – 1713. A Selected Bibliography, Westport, Conn. 1996. Dickmann, Fritz, Krieg und Frieden im Völkerrecht der frühen Neuzeit, in: ders., Friedensrecht und Friedenssicherung. Studien zum Friedensproblem in der Geschichte, Göttingen 1971, 116 – 139. Dickson, Patricia, Lieutenant-General William Cadogan’s Intelligence Service, Part I, 1706 – 1715, in: Army Quarterly and Defence Journal 108 (1978), 161 – 166. Dingel, Irene, Zwischen Orthodoxie und Aufklärung. Pierre Bayles Historisch- Kritisches Wörterbuch im Umbruch der Epochen, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999), 229 – 246. Doe, Norman/James Young, Law and Administration in England from the Middle Ages to the 17th Century, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 8 (1996), 1 – 18. Dooley, Brendan/Sabrina A. Baron (Hrsg.), The Politics of Information in Early Modern Europe, London/New York 2001. Dotzauer, Wilfried, Macht – Politik – Diplomatie. Gedanken über die Neu dimensionierung der Verständniskategorien der französischen Deutschland- Diplomatie nach 1648 unter besonderer Berücksichtigung des Rheingebietes, in: Deutschland und Frankreich in der frühen Neuzeit. FS Hermann Weber, hrsg. v. Heinz Duchhardt/Eberhard Schmitt, München 1987, 331 – 359. Douglas, Hugh, Jacobite Spy Wars. Moles, Rogues and Treachery, Stroud 1999.
404
Quellen- und Literaturverzeichnis
Downie, J. A., To Settle the Succession of the State. Literature and Politics, 1678 – 1750, Basingstoke u. a. 1994. Downie, J. A., Art. „Tutchin, John“, in: Oxford Dictionary of National Biography 55, London 2004, 708 – 7 11. Downie, J. A., Robert Harley and the Press. Propaganda and Public Opinion in the Age of Swift and Defoe, Cambridge u. a. 1979. Downie, J. A., Secret Service Payments to Daniel Defoe, 1710 – 1714, in: Review of English Studies, New Series, 30 (1979), 437 – 441. Downie, J. A., The Commission of Public Accounts and the Formation of a Country Party, in: English Historical Review 91 (1976), 33 – 51. Downie, J. A., The Development of the Political Press, in: Britain in the First Age of Party 1680 – 1750. Essays Presented to Geoffrey Holmes, hrsg. v. Clyve Jones, London 1987, 111 – 127. Dretske, Fred I., Knowledge and the Flow of Information, Cambridge, Mass. 1981. Droste, Heiko, „Einige Wiener briefe wollen noch publiciren“. Die Geschriebene Zeitung als öffentliches Nachrichtenmedium, in: Die Entstehung des Zeitungswesens im 17. Jahrhundert. Ein neues Medium und seine Folgen für das Kommunikationssystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Volker Bauer/Holger Böning, Bremen 2011, 1 – 22. Droste, Heiko, Briefe als Medium symbolischer Kommunikation, in: Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repräsentation in der ständischen Gesellschaft, hrsg. v. Marian Füssel/Thomas Weller, Münster 2005, 239 – 256. Droste, Heiko, Im Dienst der Krone. Schwedische Diplomaten im 17. Jahrhundert, Berlin 2006. Droste, Heiko, Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform, in: Zeitschrift für historische Forschung 30 (2003), 555 – 590. Duchhardt, Heinz, Balance of Power und Pentarchie 1700 – 1815 (Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen 4), Paderborn u. a. 1997. Duchhardt, Heinz, Die preußische Königskrönung von 1701. Ein europäisches Modell?, in: Herrscherweihe und Königskrönung im frühneuzeitlichen Europa, hrsg. v. Heinz Duchhardt, Wiesbaden 1983, 82 – 95. Duchhardt, Heinz, Friedenskongresse im Zeitalter des Absolutismus – Gestaltung und Strukturen, in: Forschungen und Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, hrsg. v. Konrad Repgen, Münster 1981, 226 – 239. Duchhardt, Heinz, Gleichgewicht der Kräfte, Convenance, Europäisches Konzert. Friedenskongresse und Friedensschlüsse vom Zeitalter Ludwigs XIV. bis zum Wiener Kongreß, Darmstadt 1976. Duchhardt, Heinz, Imperium und Regna im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Historische Zeitschrift 232 (1981), 555 – 581.
Literatur
405
Duchhardt, Heinz, Staatenkonkurrenz und Fürstenrivalität – Krieg und Frieden in Europa 1700 – 1714, in: Die Schlacht von Höchstädt. Brennpunkt Europas 1704, hrsg. v. Johannes Erichsen/Katharina Heinemann, Ostfildern 2004, 2 – 11. Duchhardt, Heinz, Westfälischer Friede und internationales System im Ancien Régime, in: Historische Zeitschrift 249 (1989), 529 – 543. Eagles, Robin, Geoffrey Holmes and the House of Lords Reconsidered, in: Parlia mentary History 28 (2009), 15 – 26. Echevarria Bacigalupe, Miguel Angel, La Guerra de Sucesiön en los Paises Bajos meridionales. Antecedentes, desarrollo y consecuendas, in: Der spanische Erbfolgekrieg = La guerra des sucesión española, hrsg. v. Friedrich Edelmayer/ Virginia León Sanz/José Ignacio Ruiz Rodríguez, Wien 2008, 193 – 210. Edel, Andreas, Der K aiser und Kurpfalz. Eine Studie zu den Grundelementen politischen Handelns bei Maximilian II. (1564 – 1576), Göttingen 1997. Edelmayer, Friedrich/Virginia León Sanz/José Ignacio Ruiz Rodríguez (Hrsg.), Der spanische Erbfolgekrieg = La guerra des sucesión española, Wien 2008. Edney, Matthew H., Bringing India to Hand: Mapping an Empire, Denying Space, in: The Global Eighteenth Century, hrsg. v. Felicity A. Nussbaum, Baltimore/ London 2003, 65 – 7 8. Edwards, Paul N. u. a., Introduction: An Agenda for Infrastructure Studies, in: Journal of the Association for Information Systems 10 (2009), 364 – 374. Edwards, Paul N. u. a., Historical Perspectives on the Circulation of Information, in: American Historical Review 116 (2011), 1392 – 1435. Elliott, J. H., A Europe of Composite Monarchies, in: Past and Present 137 (1992), 48 – 7 1. Ellis, K. L., British Communications and Diplomacy in the Eighteenth Century, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 31 (1958), 159 – 167. Ellis, Kenneth, The Post Office in the Eighteenth Century. A Study in Administrative History, London u. a. 1958. Ellison, Katherine E., Fatal News. Reading and Information Overload in Early Eighteenth-Century Literature, New York/London 2006. Elukin, Jonathan M., Keeping Secrets in Medieval and Early Modern English Government, in: Das Geheimnis am Beginn der europäischen Moderne, hrsg. v. Gisela Engel u. a., Frankfurt a. M. 2002, 111 – 129. Emich, Birgit, Confessions et histoire des relations internationales à l’époque moderne. L‘historiographie des pays de langue allemande, in: Religion ou confession: un bilan franco-allemand sur l‘époque moderne (XVIe–XVIIe siècles), hrsg. v. Philippe Büttgen/Christophe Duhamelle, Paris 2010, 325 – 353.
406
Quellen- und Literaturverzeichnis
Emich, Birgit, Die Formalisierung des Informellen: Der Fall Rom, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hrsg. v. Reinhardt Butz/Jan Hirschbiegel, Berlin 2009, 149 – 156. Engels, Jens Ivo, Politische Korruption in der Moderne. Debatten und Praktiken in Großbritannien und Deutschland im 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 282 (2006), 313 – 350. Enkemann, Jürgen, Journalismus und Literatur. Zum Verhältnis von Zeitungs wesen, Literatur und Entwicklung bürgerlicher Öffentlichkeit in England im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1983. Ernstberger, Anton, Post und Politik. Zum Abwehrkampf Kaiser Leopolds I. gegen König Ludwig XIV., München 1960. Esposito, Elena, Art. „Information“, in: Claudio Baraldi/Giancarlo Corsi/Elena Espositio, GLU. Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, Frankfurt a. M. 1997, 76 – 7 8. Etienne, Genovefa/Claudia Moniquet, Histoire de l’espionnage mondial. Les services secrets, de Ramsès II à nos jours, Brüssel u. a. 1997. Ewald, William Bragg, jr., The Newsmen of Queen Anne, Oxford 1956. Externbrink, Sven, Humanismus, Gelehrtenrepublik und Diplomatie: Überlegungen zu ihren Beziehungen in der Frühen Neuzeit, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen/Christian Windler, Köln/Weimar/Wien 2010, 133 – 149. Externbrink, Sven, Internationale Politik in der Frühen Neuzeit. Stand und Perspektiven der Forschung zu Diplomatie und Staatensystem, in: Geschichte der Politik. Alte und neue Wege, hrsg. v. Hans-Christof Kraus/Thomas Nicklas (Historische Zeitschrift, Beiheft 44), München 2007, 15 – 40. Externbrink, Sven, Kommunikation – Information – Außenpolitik: Frankreich und Brandenburg-Preußen zur Zeit des Siebenjährigen Krieges, in: Wissen ist Macht. Herrschaft und Kommunikation in Brandenburg-Preußen 1600 – 1850, hrsg. v. Ralf Pröve/Norbert Winnige, Berlin 2001, 157 – 176. Externbrink, Sven, Quel Carnaval mon Dieu… Ein unbekannter Brief von E lisabeth Charlotte von der Pfalz an Ezechiel Spanheim anlässlich des Todes der Königin Sophie Charlotte von Preußen (1705), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 158 (2010), 259 – 271. Externbrink, Sven, Rezension von: Marco Cesa, Allies Yet Rivals. International Politics in 18th Century Europe, Stanford 2010, in: Francia-Recensio 2011/4: Frühe Neuzeit – Revolution – Empire (1500 – 1815), http://www.perspectivia.net/ content/publikationen/francia/francia-recensio/2011 – 4/FN/cesa_externbrink. Falkner, James, Marlborough’s Wars. Eyewitness Accounts 1702 – 1713, Barnsley 2005.
Literatur
407
Feckl, Klaus-Ludwig, Preußen im spanischen Erbfolgekrieg, Frankfurt a. M. u. a. 1979. Feldman, Martha S./James G. March, Information in Organisations as Signal and Symbol, in: Administrative Science Quarterly 26 (1981), 171 – 186. Feyel, Gilles, L’annonce et la nouvelle. La presse d’information en France sous l’ancien régime (1630 – 1788), Oxford 2000. Field, Ophelia, The Kit-Cat Club, London u. a. 2009. Flick, Andreas, „Der Celler Hof, so sagt man, ist ganz französisch.“ Hugenotten am Hof und beim Militär Herzog Georg Wilhelms von Braunschweig-Lüneburg, in: Celler Chronik 12 (2005), 65 – 98. Fogel, Michèle, Les cérémonies de l’information dans la France du XVIe au milieu du XVIIIe siècle, Paris 1989. Fontius, Martin, Post und Brief, in: Materialität der Kommunikation, hrsg. v. Hans Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer, Frankfurt a. M. 21995, 267 – 279. Foot, Michael, The Pen and the Sword, London 1957. Fortescue, John, A Junior Officer of Marlborough’s Staff, in: ders., Historical and Military Essays, London 1928, 177 – 193. Fox, Celina, The Ingenious Mr Dummer: Rationalizing the Royal Navy in Late Seventeenth-Century England, in: Electronic British Library Journal 2007, 1 – 58, http://www.bl.uk/eblj/2007articles/pdf/ebljarticle102007.pdf. Francis, David, Marlborough’s March to the Danube, in: Journal of the Society for Army Historical Research 50 (1972), 78 – 100. Franck, Georg, Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München/Wien 1998. Franken, M. A. M., The, General Tendencies and Structural Aspects of the Foreign Policy and Diplomacy of the Dutch Republic in the Latter Half of the 17th Century, in: Acta Historiae Neerlandica 3 (1968), 1 – 42. Fraser, Peter, The Intelligence of the Secretaries of State and their Monopoly of Licensed News 1660 – 1688, Cambridge 1956. Freist, Dagmar, Öffentlichkeit und Herrschaftslegitimation in der Frühen Neuzeit. Deutschland und England im Vergleich, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Ronald G. Asch/Dagmar Freist, Köln/Weimar/Wien 2005, 321 – 351. Frevert, Ute, Neue Politikgeschichte: Konzepte und Herausforderungen, in: Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, hrsg. v. Ute Frevert/Heinz-Gerhard Haupt, Frankfurt a. M./New York 2005, 7 – 26. Frey, Linda/Marsha Frey (Hrsg.), The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, Westport, Conn./London 1995.
408
Quellen- und Literaturverzeichnis
Frey, Linda/Marsha Frey, Art. „Ferdinand Solar, Comte de Monasterol“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dic tionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 411 f. Frey, Linda/Marsha Frey, Art. „Grumbkow, Friedrich Wilhelm von“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dic tionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 193. Frey, Linda/Marsha Frey, Art. „Lamberty, Guillaume“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 237. Frey, Linda/Marsha Frey, Art. „Malknecht, Alois Freiherr von“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 263. Frey, Linda/Marsha Frey, The Foreign Policy of Frederick I, King of Prussia, in: East European Quarterly 9 (1975), 259 – 269. Frey, Linda/Marsha Frey, Insurgency during the War of the Spanish Succession: The Rákoczi Revolt, in: Hungarian Studies 2 (1986), 35 – 45. Frey, Linda/Marhsa Frey/John C. Rule, Introduction, in: Observations from the Hague and Utrecht. William Harrison’s Letters to Henry Watkins, 1711 – 1712, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey/John C. Rule, Columbus, Ohio 1979, VII–LX. Friedrich, Markus, ‚Delegierter Augenschein‘ als Strukturprinzip administrativer Informationsgewinnung. Der Konflikt zwischen Claudio Acquaviva und den memorialistas um die Rolle von ‚Information‘ im Jesuitenorden, in: Information in der Frühen Neuzeit. Status, Strategien, Bestände, hrsg. v. Arndt Brendecke/ Markus Friedrich/Susanne Friedrich, Berlin 2008, 109 – 135. Friedrich, Markus, Archive und Verwaltung im frühneuzeitlichen Europa. Das Beispiel der Gesellschaft Jesu, in: Zeitschrift für historische Forschung 35 (2008), 369 – 403. Friedrich, Susanne, Beobachten und beobachtet werden. Zum wechselseitigen Verhältnis von gedruckter Zeitung und immerwährendem Reichstag, in: Die Entstehung des Zeitungswesens im 17. Jahrhundert. Ein neues Medium und seine Folgen für das Kommunikationssystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Volker Bauer/Holger Böning, Bremen 2011, 159 – 178. Friedrich, Susanne, Drehscheibe Regensburg. Das Informations- und Kommunika tionssystem des Immerwährenden Reichstags um 1700, Berlin 2007. Friedrich, Susanne, The Moment(um) for a Declaration of Imperial War: The Imperial Diet and the Beginning of the War of Spanish Succession in: The War of the Spanish Succession. New Perspectives, hrsg. v. Matthias Pohlig/ Michael Schaich (in Vorbereitung).
Literatur
409
Fritz, Paul S., The Anti-Jacobite Intelligence System of the English Ministers, 1715 – 1745, in: Historical Journal 16 (1973), 265 – 289. Funnell, Warwick N., On His Majesty’s Secret Service: Accounting for the Secret Service in a Time of National Peril 1782 – 1806, in: Accounting Historians Journal 37 (2010), 29 – 52. Fuhse, Jan A., Persönliche Netzwerke in der Systemtheorie, in: Schriftenreihe des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart 1 (2005), 1 – 26. Furger, Carmen, Briefsteller. Das Medium „Brief“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Köln 2010. Füssel, Marian, Auf dem Weg zur Wissensgesellschaft. Neue Forschungen zur Kultur des Wissens in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für historische Forschung 34 (2007), 272 – 289. Gallo, Francesca Fausta, Una difficile fedeltà. L’Italia durante la guerra di successione spagnola, in: Famiglie, nationi e Monarchia. Il sistema europeo durante la Guerra di Successione spagnola, hrsg. v. Antonio Álvarez-Ossorio Alvariño, Rom 2004, 245 – 265. Gantet, Claire, Guerre, paix et construction des États 1618 – 1714, Paris 2003. Gauci, Perry, Art. „Thompson, Sir John, 1st Bt. (1648 – 1710), of Haversham“, in: The History of Parliament. The House 1690 – 1715, hrsg. v. Eveline Cruickshanks/ Stuart Handley/D. W. Hayton, Bd. 5, Cambridge 2002, 624 – 627. Gerteis, Klaus, Das „Postkutschenzeitalter“. Bedingungen der Kommunikation im 18. Jahrhundert, in: Aufklärung 4 (1989), 55 – 7 8. Gerteis, Klaus, Straßen z wischen Maas und Rhein in der frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der Post, in: Auf den Römerstraßen ins Mittelalter. Beiträge zur Verkehrsgeschichte z wischen Maas und Rhein von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert, Mainz 1997, 545 – 559. Gestrich, Andreas, Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994. Gestrich, Andreas, Politik im Alltag. Zur Funktion politischer Information im deutschen Absolutismus des frühen 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung 5 (1990), 9 – 27. Gestrich, Andreas, The Public Sphere and the Habermas Debate, in: German History 24 (2006), 413 – 430. Gibbs, G. C., Some Intellectual and Political Influences of the Huguenot Emigrés in the United Provinces, c. 1680 – 1730, in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden 90 (1975), 255 – 287. Gibbs, G. C., The Revolution in Foreign Policy, in: Britain after the Glorious Revolution 1689 – 1714, hrsg. v. Geoffrey Holmes, London/Basingstoke 1969, 59 – 79.
410
Quellen- und Literaturverzeichnis
Gibson, John S., Playing the Scottish Card. The Franco-Jacobite Invasion of 1708, Edinburgh 1988. Gibson, William, An Eighteenth-Century Paradox: The Career of the Decipherer- Bishop, Edward Willes, in: British Journal for Eighteenth-Century Studies 12 (1989), 69 – 76. Giddens, Anthony, Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung, Frankfurt/New York 31997. Gießmann, Sebastian, Netze und Netzwerke. Archäologie einer Kulturtechnik, 1740 – 1840, Bielefeld 2006. Glozier, Matthew, Schomberg, Miremont and Huguenot Invasions of France, in: War and Religion after Westphalia, 1648 – 1713, hrsg. v. David Onnekink, Aldershot 2009, 121 – 153. Glozier, Matthew/David Onnekink (Hrsg.), War, Religion and Service. Huguenot Soldiering, 1685 – 1713, Aldershot 2007. Goffman, Erving, The Interaction Order, in: American Sociological Review 48 (1983), 1 – 17. Goldgar, Anne, Impolite Learning. Conduct and Community in the Republic of Letters, 1680 – 1750, New Haven u. a. 1995. González Cruz, David, Une guerre de religion entre princes catholiques. La succession de Charles II dans l’Empire espagnol, Paris 2006. Goodman, Dena, Public Sphere and Private Life: Toward a Synthesis of Current Historiographical Approaches to the Old Regime, in: History and Theory 31 (1992), 1 – 20. Gottschalk, Karin, Wissen über Land und Leute. Administrative Praktiken und Staatsbildungsprozesse im 18. Jahrhundert, in: Das Wissen des Staates. Geschichte, Theorie und Praxis, hrsg. v. Peter Collin/Thomas Horstmann, Baden-Baden 2004, 149 – 174. Goubert, Pierre, Louis XIV et vingt millions de Français, Paris 1966. Gräf, Holger Th., Funktionsweisen und Träger internationaler Politik in der Frühen Neuzeit, in: Strukturwandel internationaler Beziehungen. Zum Verhältnis von Staat und internationalem System seit dem Westfälischen Frieden, hrsg. v. Jens Siegelberg/Klaus Schlichte, Wiesbaden 2000, 105 – 123. Graham, Aaron, Auditing Leviathan: Corruption and State Formation in Early Eighteenth-Century Britain, in: English Historical Review 128 (2013), 806 – 838. Granovetter, Mark S., The Strength of Weak Ties, in: American Journal of Sociology 78 (1973), 1360 – 1380. Granovetter, Mark, The Strength of Weak Ties: A Network Theory Revisited, in: Sociological Theory 1 (1983), 201 – 233. Grasemann, C./G. W. P. McLachlan, English Channel Packet Boats, London 1939.
Literatur
411
Gregg, Edward, France, Rome and the Exiled Stuarts, 1689 – 1713, in: Corp, Edward u. a., A Court in Exile. The Stuarts in France, 1689 – 1718, Cambridge u. a. 2004, 11 – 75. Gregg, Edward, Marlborough in Exile, 1712 – 1714, in: Historical Journal 15 (1972), 593 – 618. Gregg, Edward, Queen Anne, London u. a. 1980. Gregg, Edward, The Protestant Succession in International Politics, 1710 – 1716, New York/London 1986. Greiner, Christian, Der „Schild des Reiches“. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655 – 1707) und die „Reichsbarriere“ am Oberrhein, in: Expansion und Gleichgewicht. Studien zur europäischen Mächtepolitik des Ancien Régime, hrsg. v. Johannes Kunisch (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 2), Berlin 1986, 31 – 68. Grenacher, Franz, Die Anfänge der Militärkartographie am Oberrhein. Erster Teil, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 56 (1957), 67 – 118. Grillmeyer, Siegfried, Habsburgs langer Arm ins Reich. Briefspionage in der Frühen Neuzeit, in: Streng geheim. Die Welt der verschlüsselten Kommunikation, hrsg. v. Klaus Beyrer, Heidelberg 2000, 55 – 66. Grundmann, Reiner, Wo steht die Risikosoziologie?, in: Zeitschrift für Soziologie 28 (1999), 44 – 59. Gunzenhäuser, Max, Geschichte des geheimen Nachrichtendienstes: Spionage, Sabotage und Abwehr: Literaturbericht u. Bibliographie, Frankfurt a. M. 1968. Guy, Alan J., John Churchill, Professional Soldiering, and the British Army, c1660– c1760, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. H attendorf/ Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 103 – 121. Gwynn, Robin, The Huguenots in Britain, the ‚Protestant International‘ and the Defeat of Louis XIV, in: From Strangers to Citizens. The Integration of Immigrant Communities in Britain, Ireland and Colonial America, 1550 – 1750, hrsg. v. Randolph Vigne/Charles Littleton, Brighton u. a. 2001, 412 – 424. Haber, Peter „Google-Syndrom“. Phantasmagorien des historischen Allwissens im World Wide Web, in: Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0, hrsg. v. Angelika Epple/Peter Haber, Zürich 2005, 73 – 89. Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied/Berlin 51971. Haftendorn, Helga, Zur Theorie außenpolitischer Entscheidungsprozesse, in: Theo rien der internationalen Beziehungen. Bestandsaufnahme und Forschungspers pektiven, hrsg. v. Volker Rittberger, Opladen 1990, 401 – 423.
412
Quellen- und Literaturverzeichnis
Hahlweg, Werner, Barriere – Gleichgewicht – Sicherheit. Eine Studie über die Gleichgewichtspolitik und die Strukturwandlung des Staatensystem in Europa 1646 – 1715, in: Historische Zeitschrift 187 (1959), 54 – 89. Hahn, Alois, Geheim, in: Das Geheimnis am Beginn der europäischen Moderne, hrsg. v. Gisela Engel u. a., Frankfurt a. M. 2002, 21 – 42. Haks, Donald, War, Government and the News. The Dutch Republic and the War of the Spanish Succession, 1702 – 1713, in: News and Politics in Early Modern Europe, hrsg. v. Joop W. Koopmans, Leuven/Paris/Dudley, Mass. 2005, 167 – 184. Hall, Peter A., Policy Paradigms, Social Learning, and the State. The Case of Economic Policymaking in Britain, in: Comparative Politics 25 (1993), 275 – 296. Hallam, Elizabeth M., Problems with Record Keeping in Early Eighteenth Century London: Some Pictorial Representations of the State Paper Office, 1705 – 1706, in: Journal of the Society of Archivists 6 (1979), 219 – 226. Handover, P. M., A History of the London Gazette 1665 – 1965, London 1965. Handrick, Wolfgang, Die Pragmatische Armee 1741 bis 1743. Eine alliierte Armee im Kalkül des Österreichischen Erbfolgekrieges, München 1991. Hanham, A. A., Art. „Cadogan, William“, in: The History of Parliament. The House of Commons 1690 – 1715, hrsg. v. Eveline Cruickshanks/Stuart Handley/D. W. Hayton, Bd. 3, Cambridge 2002, 430 – 435. Hanham, A. A., Art. „Marlborough’s staff (act. 1702 – 1711)“, in: Oxford Dictionary of National Biography, www.oxforddnb.com/view/theme/95324. Hanson, Laurence, Government and the Press 1695 – 1763, London 1936. Hardenberg, H., De organisatie van de secrete diensten tijdens de republiek, in: Nederlands archievenblad 70 (1966), 132 – 147. Harling, Philip, Parliament, the State, and „Old Corruption“, in: Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, hrsg. v. Niels Grüne/Simone Slanička, Göttingen 2010, 345 – 360. Harris, Bob, Print Culture, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, hrsg. v. H. T. Dickinson, Malden, Mass. u. a. 2002, 283 – 293. Harris, Frances, A Passion for Government. The Life of Sarah, Duchess of Marlborough, Oxford 1991. Harris, Michael, Newspaper Distribution during Queen Anne’s Reign. Charles Delafaye and the Secretary of State’s Office, in: Studies in the Book Trade in Honour of Graham Pollard, Oxford 1975, 139 – 151. Harris, Steven J., Confession-Building, Long-Distance Networks, and the Organization of Jesuit Science, in: Early Science and Medicine 1 (1996), 287 – 318. Harris, Tim, Revolution. The Great Crisis of the British Monarchy, 1685 – 1720, London 2007.
Literatur
413
Hartley, Janet M., Charles Whitworth. Diplomat in the Age of Peter the Great, Aldershot 2002. Hartmann, Anja Victorine, Arcana Imperii und Theatrum Mundi. Überlegungen zur Bedeutung des Geheimnisses in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 53 (2002), 434 – 443. Hartmann, Frank, Fetisch Information. Plädoyer gegen die populistische Rede von der Informationsflut, http://homepage.univie.ac.at/frank.hartmann/Essays/ Information.htm. Haswell, Jock, Spies and Spymasters. A Concise History of Intelligence, London 1977. Hattendorf, John B., „To Aid and Assist the Other“. Anglo-D utch Cooperation in Coalition Warfare at Sea, 1689 – 1714, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/ Augustus J. Veenendaal, Jr., Den Haag 2002, 177 – 198. Hattendorf, John B., Alliance, Encirclement, and Attrition: British Grand Strategy in the War of the Spanish Succession, 1702 – 1713, in: Grand Strategies in War and Peace, hrsg. v. Paul Kennedy, New Haven/London 1991, 11 – 29. Hattendorf, John B., Art. „Churchill, John“, in: Oxford Dictionary of National Biography 11, Oxford 2004, 607 – 633. Hattendorf, John B., Die Ursprünge des spanischen Erbfolgekrieges, in: Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten, hrsg. v. Bernd Wegner, Paderborn u. a. 2000, 109 – 144. Hattendorf, John B., England in the War of the Spanish Succession. A Study of the English View and Conduct of Grand Strategy, 1702 – 1712, New York 1987. Hattendorf, John B., English Governmental Machinery and the Conduct of War, 1702 – 1713, in: War and Society 3 (1985), 1 – 22. Hattendorf, John B., English Grand Strategy and the Blenheim Capaign of 1704, in: International History Review 5 (1983), 3 – 19. Hattendorf, John B., The Rákóczi Insurrection in English War Policy, 1703 – 1711, in: Canadian-American Review of Hungarian Studies 7 (1980), 91 – 102. Hattendorf, John B./Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier (Hrsg.), Marlborough: Soldier and Diplomat, Rotterdam 2012. Hatton, Ragnhild, Charles XII of Sweden, London 1968. Hatton, Ragnhild, John Drummond in the War of the Spanish Succession: Merchant turned Diplomatic Agent, in: Studies in Diplomatic History. Essays in Memory of David Bayne Horn, hrsg. v. Ragnhild Hatton/M. S. Anderson, London 1970, 69 – 96.
414
Quellen- und Literaturverzeichnis
Haug, Tilman, Vertrauen und Patronage in den diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den geistlichen Kurfürsten nach dem Westfälischen Frieden (1648 – 1679), in: Zeitschrift für historische Forschung 39 (2012), 215 – 254. Hayton, David, Robert Harley’s ‚Middle Way‘: The Puritan Heritage in Augustan Politics, in: British Library Journal 15 (1989), 158 – 172. Head, Randolph, Knowing Like a State: The Transformation of Political Knowledge in Swiss Archives, 1450 – 1770, in: Journal of Modern History 75 (2003), 745 – 782. Headrick, Daniel R., When Information Came of Age. Technologies of Knowledge in the Age of Reason and Revolution, 1700 – 1850, Oxford u. a. 2000. Hegmann, Horst/Falk Reckling, Der kultivierte Homo Oeconomicus. Zum Ort der Kultur in der Ökonomie, in: Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien, Methoden, Problemstellungen, hrsg. v. Birgit Schwelling, Wies baden 2004, 57 – 79. Heimann, Heinz-Dieter, Brievedregher. Kommunikations- und alltagsgeschicht liche Zugänge zur vormodernen Postgeschichte und Dienstleistungskultur, in: Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Wien 1992, 251 – 292. Heimann, Heinz-Dieter, Neue Perspektiven für die Geschichte der Post. Zur Methode der Postgeschichte und ihrem operativen Verhältnis zur allgemeinen Geschichtswissenschaft in Verbindung mit einem Literaturbericht zum „Postjubiläum 1490 – 1990“, in: Historische Zeitschrift 253 (1991), 661 – 674. Hellin, Stéphan, Espionnage et contre-espionnage en France au temps de la Saint- Barthélemy: le rôle de Jérôme Gondi, in: Revue historique 131 (2008), 279 – 313. Hellmuth, Eckhart, The British State, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, hrsg. v. H. T. Dickinson, Malden, Mass. u. a. 2002, 19 – 29. Hellwig, Fritz, Zur Kartographie der Saargegend im 17. und 18. Jahrhundert. Militär kartographie und Territorialkarten, in: Jahrbuch für westdeutsche Landes geschichte 7 (1981), 159 – 242. Helm, Paul, Manifest and Latent Functions, in: Philosophical Quarterly 21 (1971), 51 – 60. Helmedach, Andreas, Infrastrukturpolitische Grundsatzentscheidungen des 18. Jahrhunderts am Beispiel des Landverkehrswesens: Großbritannien, Frankreich, Habsburgermonarchie, in: Comparativ 6 (1996), 11 – 50. Henderson, T. F., Art. „Blencowe, William (1683 – 1712)“, revidiert von Philip Carter, in: Oxford Dictionary of National Biography, http://www.oxforddnb.com/ view/article/2635. Hengerer, Mark, Abwesenheit beobachten. Zur Einführung, in: Abwesenheit beobachten. Zur Kommunikation auf Distanz in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Mark Hengerer, Münster 2013, 9 – 27.
Literatur
415
Hengerer, Mark, Amtsträger als Klienten und Patrone? Anmerkungen zu einem Forschungskonzept, in: Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa, hrsg. v. Stefan Brakensiek/Heide Wunder, Köln/Weimar/Wien 2005, 45 – 7 8. Herman, Ruth, The Business of a Woman. The Political Writings of Delarivier Manley, Newark/London 2003. Heudecker, Sylvia/Dirk Niefanger/Jörg Wesche (Hrsg.), Kulturelle Orientierung um 1700. Traditionen, Programme, konzeptionelle Vielfalt, Tübingen 2004. Heyl, Christoph, A Passion for Privacy. Untersuchungen zur Genese der bürger lichen Privatsphäre in London, 1660 – 1800, München 2004. Hibbert, Christopher, The Marlboroughs: John and Sarah Churchill, 1650 – 1744, London u. a. 2002. Higgs, Edward, The Information State in England. The Central Collection of Information on Citizens since 1500, Basingstoke u. a. 2004. Hinrichs, Carl, Friedrich Wilhelm I. König in Preußen. Eine Biographie. Jugend und Aufstieg, Darmstadt 1974 (EA 1943). Hintze, Otto, Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte, Berlin 41915. Höbelt, Lothar, The Impact of the Rákóczi Rebellion on Habsburg Strategy: Incentives and Opportunity Costs, in: War in History 13 (2006), 2 – 15. Hochedlinger, Michael, Bürokratisierung, Zentralisierung, Sozialdisziplinierung, Konfessionalisierung, Militarisierung. Politische Geschichte der Frühen Neuzeit als „Machtstaatsgeschichte“, in: Geschichte der Politik. Alte und neue Wege, hrsg. v. Hans-Christof Kraus/Thomas Nicklas (Historische Zeitschrift, Beiheft 44), München 2007, 239 – 270. Hochedlinger, Michael, Die französisch-osmanische „Freundschaft“ 1525 – 1792. Element antihabsburgischer Politik, Gleichgewichtsinstrument, Prestige unternehmung – Aufriß eines Problems, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 102 (1994), 108 – 164. Hochedlinger, Michael, Die Frühneuzeitforschung und die „Geschichte der interna tionalen Beziehungen“. Oder: Was ist aus dem „Primat der Außenpolitik“ geworden?, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 106 (1998), 167 – 179. Hochedlinger, Michael, Friendship and Realpolitik. Marlborough and the Habsburg Monarchy, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/ Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 249 – 273. Hörning, Karl H./Julia Reuter (Hrsg.), Doing Culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis, Bielefeld 2004.
416
Quellen- und Literaturverzeichnis
Hoffmann, Carl A., ‚Öffentlichkeit‘ und Kommunikation in den Forschungen zur Vormoderne. Eine Skizze, in: Kommunikation und Region, hrsg. v. Carl A. Hoffmann/Rolf Kießling, Konstanz 2001, 69 – 110. Holenstein, André, Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800 – 1800), Stuttgart u. a. 1991. Holmes, G. S./W. A. Speck, The Fall of Harley in 1708 Reconsidered, in: English Historical Review 80 (1965), 673 – 698. Holmes, Geoffrey, Augustan England. Professions, State and Society, 1680 – 1730, London/Boston/Sydney 1982. Holmes, Geoffrey, British Politics in the Age of Anne. Revised Edition, London/ Ronceverte 1987. Holmes, Geoffrey, Robert Harley and the Ministerial Revolution of 1710, in: Parlia mentary History 29 (2010), 275 – 307. Holmes, Richard, Marlborough. England’s Fragile Genius, London 2008. Holzer, Boris, Spielräume der Weltgesellschaft: Formale Strukturen und Zonen der Informalität, in: Die Vielfalt und Einheit der Moderne. Kultur- und strukturvergleichende Analysen, hrsg. v. Thomas Schwinn, Wiesbaden 2006, 261 – 281. Hopkins, Paul, Sham Plots and Real Plots in the 1690s, in: Ideology and Conspiracy: Aspects of Jacobitism, 1689 – 1759, hrsg. v. Eveline Cruickshanks, Edinburgh 1982, 89 – 110. Hoppit, Julian, A Land of Liberty? England 1689 – 1727, Oxford 2000. Horn, D. B., British Diplomatic Representatives 1689 – 1789, London 1932. Horn, D. B., The British Diplomatic Service 1689 – 1789, Oxford 1961. Horn, Eva, Der geheime Krieg. Verrat, Spionage und moderne Fiktion, Frankfurt a. M. 2007. Horn, Robert D., Marlborough: A Survey. Panegyrics, Satires, and Biographical Writings, 1688 – 1788, New York u. a. 1975. Horn, Robert D., Marlborough’s First Biographer: Dr. Francis Hare, in: Huntington Library Quarterly 20 (1957), 145 – 162. Horn, Robert D., The Authorship of the First Blenheim Panegyric, in: Huntington Library Quarterly 24 (1961), 297 – 310. Horwitz, Henry, The Political Economy of War, in: Journal of British Studies 29 (1990), 276 – 281. Hubatschke, Harald, Die amtliche Organisation der geheimen Briefüberwachung und des diplomatischen Chiffrendienstes in Österreich (Von den Anfängen bis etwa 1870), in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 83 (1975), 352 – 413. Hudson, J. P., The Blenheim Papers, in: British Library Journal 8 (1982), 1 – 6. Hugill, J. A. C., No Peace without Spain, Oxford 1991.
Literatur
417
Huguenin, Marcel, The Naudin Familiy, in: Imago Mundi 17 (1963), 76 – 89. Hunt, Michael H., Ideology, in: Explaining the History of American Foreign Relations, hrsg. v. Michael J. Hogan/Thomas G. Peterson, Cambridge/New York/Melbourne 1991, 193 – 201. Hurtubise, Pierre, Comment Rome apprit la nouvelle du massacre de la Sant- Barthélemy. Contribution à une histoire de l’information au XVIe siècle, in: Archivum Historiae Pontificiae 10 (1972), 187 – 209. Ihalainen, Pasi, Protestant Nations Redefined. Changing Perceptions of National Identity in the Rhetoric of the English, Dutch and Swedish Public Churches, 1685 – 1772, Leiden 2005. Israel, Jonathan I., General Introduction, in: The Anglo-D utch Moment. Essays on the Glorious Revolution and its World Impact, hrsg. v. Jonathan Israel, Cambridge 1991, 1 – 43. Jacobsen, Gertrude Ann, William Blathwayt. A Late Seventeenth-Century English Administrator, New Haven u. a. 1932. Jacobsen, Helen, Luxury and Power. The Material World of the Stuart Diplomat, 1660 – 1714, Oxford 2011. Janich, Peter, Was ist Information? Kritik einer Legende, Frankfurt a. M. 2006. Janssen, Wilhelm, Art. „Friede“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto B runner/ Werner Conze/Reinhart Koselleck, Bd. 2, Stuttgart 1975, 543 – 591. Janssens, Luc/Marc Meurrens, Vorstelijke en private post in de zuidelijke Nederlanden. Organisatie en problemen, in: De Post van Thurn und Taxis. La Poste des Tour et Tassis 1489 – 1794, hrsg. v. Luc Janssens/Marc Meurrens, Brüssel 1992, 69 – 98. Jardine, Lisa, Going Dutch. How England Plundered Holland’s Glory, New York 2008. Jarnut-Derbolav, Elke, Die Österreichische Gesandtschaft in London (1701 – 1711). Ein Beitrag zur Geschichte der Haager Allianz, Bonn 1972. Johnson, Jim, Mixing Humans and Nonhumans Together: The Sociology of a Door-Closer, in: Social Problems 35 (1988), 298 – 310. Johnson, Richard R., Politics Redefined: An Assessment of Recent Writings on the Late Stuart Period of English History, 1660 to 1714, in: The William and Mary Quarterly 35 (1978), 691 – 732. Jones, Clyve, The Harley Family and the Harley Papers, in: British Library Journal 15 (1989), 123 – 133. Jones, Clyve, The House of Lords and the Growth of Parliamentary Stability, 1701 – 1742, in: Britain in the First Age of Party 1680 – 1750. Essays Presented to Geoffrey Holmes, hrsg. v. Clyve Jones, London 1987, 85 – 110.
418
Quellen- und Literaturverzeichnis
Jones, Clyve, The Parliamentary Organisation of the Whig Junto in the Reign of Queen Anne: A Further Note, in: Parliamentary History 27 (2008), 261 – 264. Jones, Clyve (Hrsg.), Britain in the First Age of Party 1680 – 1750. Essays Presented to Geoffrey Holmes, London 1987. Jones, Clyve (Hrsg.), British Politics in the Age of Holmes. Geoffrey Holmes’s ‚British Politics in the Age of Anne’ 40 Years On (Parliamentary History Book Series), Chichester 1999. Jones, D. W., War and Economy in the Age of William III and Marlborough, Oxford 1988. Jones, J. R., Marlborough, Cambridge 1993. Jones, Peter, Antoine de Guiscard, ‚Abbé de la Bourlie‘, ‚Marquis de Guiscard‘, in: British Library Journal 8 (1982), 94 – 113. Joyce, Patrick, What is the Social in Social History, in: Past and Present 206 (2010), 213 – 248. Junkelmann, Marcus, Der blutige 13. August 1704, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen 105 (2004), 73 – 200. Junkelmann, Markus, Kurfürst Max Emanuel von Bayern als Feldherr, München 2000. Jupp, Peter, The Governing of Britain, 1688 – 1848. The Executive, Parliament, and the People, London 2006. Kagan, Richard, L./Benjamin Schmidt, Maps and the Early Modern State: Official Cartography, in: The History of Cartography, Bd. 3: Cartography in the European Renaissance, Teil 1, hrsg. v. David Woodward, Chicago/London 2007, 661 – 679. Kahn, David, A Historical Theory of Intelligence, in: Intelligence Theory. Key Questions and Debates, hrsg. v. Peter Gill/Stephen Marrin/Mark Phythian, London 2009, 4 – 15. Kahn, David, The Codebreakers. The Story of Secret Writing, New York 1996 (EA 1967). Kaiser, Michael, Art. „Bündnis“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 2, hrsg. von Friedrich Jaeger, Stuttgart/Weimar 2005, Sp. 538 – 543. Kaiser, Michael, Das stehende Heer – ein fragiles Machtinstrument. Zur Struktur- und Sozialgeschichte einer frühneuzeitlichen Institution, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen 105 (2004), 201 – 239. Kamen, Henry, The War of Succession in Spain 1700 – 15, London 1969. Kampmann, Christoph, Reichstag und Reichskriegserklärung im Zeitalter Ludwigs XIV., in: Historisches Jahrbuch 113 (1993), 41 – 59. Kampmann, Christoph/Christian Mathieu, Art. „Sicherheit“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 11, hrsg. von Friedrich Jaeger, Stuttgart/Weimar 2010, Sp. 1143 – 1150.
Literatur
419
Kampmann, Christoph/Ulrich Niggemann (Hrsg.), Sicherheit in der Frühen Neuzeit. Norm, Praxis, Repräsentation, Köln u. a. 2013. Karsten, Arne/Hillard von Thiessen (Hrsg.), Normenkonkurrenz in historischer Perspektive (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 50), Berlin 2015. Kaufmann, Stefan, Kommunikationstechnik und Kriegführung 1815 – 1945. Stufen telemedialer Rüstung, München 1996. Kay, Frederick G., Royal Mail. The Story of the Posts in England, London 1951. Keegan, John, Das Antlitz des Krieges. Die Schlachten von Azincourt 1415, Waterloo 1815 und an der Somme 1916, Frankfurt a. M./New York 22007. Kemp, Anthony, Weapons and Equipment of the Marlborough Wars, Poole 1980. Kempe, Michael, Burn after Reading. Verschlüsseltes Wissen und Spionagenetzwerke im elisabethanischen England, in: Historische Zeitschrift 296 (2013), 354 – 379. Kettering, Sharon, Patronage in Early Modern France, in: French Historical Studies 17 (1992), 839 – 862. Kettering, Sharon, The Historical Development of Political Clientelism, in: Journal of Interdisciplinary History 18 (1988), 419 – 447. Kieser, Alfred, Max Webers Analyse der Bürokratie, in: Organisationstheorien, hrsg. v. Alfred Kieser, Stuttgart 52002, 39 – 64. Kieserling, André, Interaktion in Organisationen, in: Die Verwaltung des politischen Systems. Neuere systemtheoretische Zugriffe auf ein altes Thema, hrsg. v. Klaus Dammann u. a., Opladen 1994, 168 – 182. Kieserling, André, Kommunikation unter Anwesenden. Studien über Interak tionssysteme, Frankfurt a. M. 1999. Kilburn, Matthew, Art. „Robethon, John“, in: Oxford Dictionary of National Biography, www.oxforddnb.com/view/article/23821. Kirby, Chester, The Four Lords and the Partition Treaty, in: American Historical Review 52 (1947), 477 – 490. Kittler, Friedrich, Signal – Rausch – Abstand, in: Materialität der Kommunika tion, hrsg. v. Hans Ulrich Gumbrecht/K. Ludwig Pfeiffer, Frankfurt a. M. 21995, 342 – 359. Klaits, Joseph, Men of Letters and Political Reform in France at the End of the Reign of Louis XIV: The Founding of the Academie Politique, in: Journal of Modern History 43 (1971), 577 – 597. Klaits, Joseph, Printed Propaganda under Louis XIV. Absolute Monarchy and Public Opinion, Princeton 1976. Klein, Thomas, „Grumbkow, Friedrich Wilhelm von“, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), 213 f.
420
Quellen- und Literaturverzeichnis
Klein, Thomas, Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1550 – 1806, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 122 (1986), 137 – 192. Klopp, Onno, Der Fall des Hauses Stuart und die Succession des Hauses Hanno ver in Groß-Britannien und Irland im Zusammenhange der europäischen Angelegenheiten von 1660 – 1714, Bd. 14, Wien 1888. Klueting, Harm, Der Spanische Erbfolgekrieg, der Sieg der „österreichischen Partei“ unter den Wiener Ministern und die Italienpolitik Josephs I., in: ders., Das Reich und Österreich 1648 – 1740, Münster 1999, 97 – 111. Klueting, Harm, Die Friedensschlüsse von Utrecht, Rastatt und Baden, Karl VI. und die Preisgabe der Reichsinteressen und die Pragmatische Sanktion, in: ders., Das Reich und Österreich 1648 – 1740, Münster 1999, 113 – 123. Kluxen, Kurt, Die Glorreiche Revolution von 1688/89. Eine konservative Fassade für revolutionäre Wandlungen, in: ders., England in Europa. Studien zur britischen Geschichte und zur politischen Ideengeschichte der Neuzeit, hrsg. v. Frank-Lothar Kroll, Berlin 2003, 251 – 266. Knetsch, F. R. J., Pierre Jurieu: Theologian and Politican of the Dispersion, in: Acta Historica Neerlandica 5 (1971), 213 – 242. Knight, Frank H., Risk, Uncertainty and Profit, New York 1964. Knighton, C. S., The Calendars and their Editors, 1856 – 2006, in: http://gale.cengage. co.uk/images/Knighton The Calendars.pdf. Knights, Mark, Faults on Both Sides: The Conspiracies of Party Politics under the Later Stuarts, in: Conspiracies and Conspiracy Theory in Early Modern Europe from the Waldensians to the French Revolution, hrsg. v. Barry Coward/ Julian Swann, Aldershot 2004, 153 – 172. Knights, Mark, Parliament, Print and Corruption in Later Stuart Britain, in: Parlia mentary History 26 (2007), 49 – 61. Knights, Mark, Representation and Misrepresentation in Later Stuart Britain. Partisanship and Political Culture, Oxford/New York 2005. Knights, Mark, The Rise of Old Corruption, http://www2.warwick.ac.uk/fac/arts/ history/students/modules/hi979/fiscalmilitary/. Köhler, Matthias, Strategie und Symbolik. Verhandeln auf dem Kongress von Nimwegen, Köln/Weimar/Wien 2011. Köpeczi, Béla, The Hungarian Wars of Independence in the 17th and 18th Centuries in their European Context, in: Hungarian History – World History, hrsg. v. György Ránki, Budapest 1984, 31 – 40. Körber, Esther-Beate, Der soziale Ort des Briefs im 16. Jahrhundert, in: Gespräche – Boten – Briefe. Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, hrsg. v. Horst Wenzel, Berlin 1997, 244 – 258.
Literatur
421
Kohler, Alfred, „Tu felix Austria nube…“. Vom Klischee zur Neubewertung dynastischer Politik in der neueren Geschichte Europas, in: Zeitschrift für historische Forschung 21 (1994), 461 – 482. Kohlndorfer, Ruth, Jacques Bongars (1554 – 1612): Lebenswelt und Informations netzwerke eines frühneuzeitlichen Gesandten, in: Francia 28 (2001), 1 – 15. Kohlndorfer-Fries, Ruth, Diplomatie und Gelehrtenrepublik. Die Kontakte des französischen Gesandten Jacques Bongars (1554 – 1612), Tübingen 2009. Krämer, Sibylle, Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität, Frankfurt a. M. 2008. Kraner, Justus, Bayern und Savoyen im Spanischen Erbfolgekrieg. Überlegungen zu einem neuen Konzept frühneuzeitlicher Diplomatiegeschichte in Europa, Magdeburg 2008. Krieger, Wolfgang, Geschichte der Geheimdienste von den Pharaonen bis zur NSA, München, 3., aktualis. und erw. Aufl. 2014. Krieger, Wolfgang (Hrsg.), Geheimdienste in der Weltgeschichte: von der Antike bis heute, Köln 2007. Krischer, André, Das Gesandtschaftswesen und das vormoderne Völkerrecht, in: Rechtsformen internationaler Politik. Theorie, Norm und Praxis vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. v. Martin Kintzinger/Michael Jucker/Rainer Christoph Schwinges (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 45), Berlin 2011, 197 – 239. Krischer, André, Das Problem des Entscheidens in systematischer und historischer Perspektive, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hrsg. v. Barbara Stollberg- Rilinger/André Krischer (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 44), Berlin 2010, 35 – 64. Krischer, André, Förmlichkeit und Geselligkeit im englischen Flottenamt 1663 – 1666 – konkurrierende Normen? Zugleich ein Beitrag über Organisationsbildung in der Frühen Neuzeit, in: Normenkonkurrenz in historischer Perspektive, hrsg. v. Arne Karsten/Hillard von Thiessen (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 50), Berlin 2015, 101 – 120. Krischer, André, Korruption vor Gericht. Die Fälle Francis Bacon (1621), Warren Hastings (1788 – 1795) und der Strukturwandel bei der Bewertung politischer Delinquenz in England, in: Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, hrsg. v. Niels Grüne/Simone Slanička, Göttingen 2010, 307 – 326. Krischer, André, Politische Kommunikation und Öffentlichkeit in London. Zur Entwicklung einer Großstadt im 17. Jahrhundert in mediengeschichtlicher Perspektive, in: Die Stadt als Kommunikationsraum. Reden, Schreiben und
422
Quellen- und Literaturverzeichnis
Schauen in Großstädten des Mittelalters und der Neuzeit, hrsg. v. Irmgard Ch. Becker, Sigmaringen 2011, 55 – 88. Krischer, André, Souveränität als sozialer Status: Zur Funktion des diplomatischen Zeremoniells in der Frühen Neuzeit, in: Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im Mittleren Osten in der frühen Neuzeit, hrsg. v. Jan-Paul Niederkorn/ Ralf Kauz/Giorgio Rota, Wien 2009, 1 – 32. Kroener, Bernhard R., ‚The only thing that could save the Empire‘. Marlborough, the States General, and the Imperial States: Diplomacy and Military Strategy in the War of the Spanish Succession and the Great Northern War, 1700 – 1711, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 217 – 247. Kugeler, Heidrun, „Ehrenhafte Spione“. Geheimnis, Verstellung und Öffent lichkeit in der Diplomatie des 17. Jahrhunderts, in: Die Kunst der Aufrichtigkeit im 17. Jahrhundert, hrsg. v. Claudia Benthien/Steffen Martus, Tübingen 2006, 127 – 148. Kugeler, Heidrun, „Le parfait ambassadeur“. Zur Theorie der Diplomatie im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden, in: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, hrsg. v. Heidrun Kugeler/Christian Sepp/Georg Wolf, Hamburg 2006, 180 – 211. Kugeler, Heidrun/Christian Sepp/Georg Wolf, Einführung: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, in: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, hrsg. v. H eidrun Kugeler/Christian Sepp/Georg Wolf, Hamburg 2006, 9 – 35. Kühl, Stefan, Informalität und Organisationskultur. Ein Systematisierungsversuch, http://www.uni-bielefeld.de/soz/forschung/orgsoz/Informalitat-und- Organisationskultur-Workingpaper-01062010.pdf. Kümin, Beat, Political Culture in the Holy Roman Empire, in: German History 27 (2009), 131 – 144. Kümin, Beat/Andreas Würgler, Petitions, Gravamina and the Early Modern State: Local Influence on Central Legislation in England and Germany (Hesse), in: Parliaments, Estates, and Representation 17 (1997), 39 – 60. Kunisch, Johannes, Der Nordische Krieg von 1655 – 1660 als Parabel frühneuzeit licher Staatenkonflikte, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV. hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 11), Berlin 1991, 9 – 42. Kunisch, Johannes, Hausgesetzgebung und Mächtesystem. Zur Einbeziehung hausvertraglicher Erbfolgeregelungen in die Staatenpolitik des ancien régime, in: Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen
Literatur
423
für die Entstehung des frühmodernen Staates, hrsg. v. Johannes Kunisch, Berlin 1982, 49 – 80. Kunisch, Johannes, La guerre – c’est moi! Zum Problem der Staatenkonflikte im Zeitalter des Absolutismus, in: ders., Fürst – Gesellschaft – Krieg. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaates, Köln/Weimar/ Wien 1992, 1 – 41. Kunisch, Johannes, Staatsverfassung und Mächtepolitik. Zur Genese von Staaten konflikten im Zeitalter des Absolutismus, Berlin 1979. Küster, Sebastian, Vier Monarchien – vier Öffentlichkeiten. Kommunikation um die Schlacht bei Dettingen, Münster 2004. Kydd, Andrew H., Methodological Individualism and Rational Choice, in: The Oxford Handbook of International Relations, hrsg. v. Christian Reus-Smit/ Duncan Snidal, Oxford u. a. 2010, 425 – 443. L’information à l’époque moderne. Actes du Colloque de 1999, Paris 2001. La Vopa, Anthony J., Conceiving a Public: Ideas and Society in Eighteenth-Century Europe, in: Journal of Modern History 64 (1992), 79 – 116. Lake, Peter/Steven Pincus, Rethinking the Public Sphere in Early Modern England, in: The Politics of the Public Sphere in Early Modern England, hrsg. v. Peter Lake/Steven Pincus, Manchester/New York 2007, 1 – 30. Lake, Peter/Steven Pincus (Hrsg.), The Politics of the Public Sphere in Early Modern England, Manchester/New York 2007. Landsteiner, Erich, Bäuerliche Meteorologie. Zur Naturwahrnehmung bäuer licher Weinproduzenten im niederösterreichisch-mährischen Grenzraum an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie 1 (1993), 43 – 62. Landwehr, Achim, Diskurs – Wissen – Macht. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), 71 – 117. Lane, M., The Diplomatic Service under William III, in: Transactions of the Royal Historical Society, 4th Ser. 10 (1927), 87 – 109. Láng, Benedek, People’s Secrets: Towards a Social History of Early Modern Cryptography, in: Sixteenth Century Journal 45 (2014), 291 – 308. Langenohl, Andreas, Mental Maps, Raum und Erinnerung. Zur kultursoziolo gischen Erschließung eines transdisziplinären Konzepts, in: Mental Maps – Raum – Erinnerung. Kulturwissenschaftliche Zugänge zum Verhältnis von Raum und Erinnerung, hrsg. v. Sabine Damir-Geilsdorf, Münster 2005, 51 – 69. Larson, Deborah Welch, The Role of Belief Systems and Schemas in Foreign Policy Decision Making, in: Political Psychology 15 (1994), 17 – 33. Lascelles, F. W./C. K. Davidson, Introduction, in: House of Lords Manuscripts N. S. 8: The Manuscripts of the House of Lords 1708 – 1710, London 1923, I–XXVII.
424
Quellen- und Literaturverzeichnis
Lasswell, Harold D., The Structure and Function of Communication in Society. In: The Communication of Ideas, hrsg. v. Lyman Bryson, New York 1948, 32 – 51. Latour, Bruno, Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt a. M. 2007. Laube, Volker, Geheimnisverrat in Wien. Anmerkungen zu den organisatorischen Bedingungen frühneuzeitlicher Außenpolitik am Beispiel Kurbayerns, in: Internationale Beziehungen in der Frühen Neuzeit. Ansätze und Perspektiven, hrsg. v. Heidrun Kugeler/Christian Sepp/Georg Wolf, Hamburg 2006, 212 – 236. Law, John, Notes on the Theory of the Actor-Network: Ordering, Strategy, and Heterogeneity, in: Systems Practice 5 (1992), 379 – 392. Leadam, I. S., The Finance of Lord Treasurer Godolphin, in: Transactions of the Royal Historical Society, 3rd Ser. 4 (1910), 21 – 32. Legg, L. G. Wickham, Matthew Prior. A Study of his Public Career and Corres pondence, Cambridge 1921. Legrelle, Arsène, Une négociation inconnue entre Berwick et Marlborough 1708 – 1709, Gent 1893. Lehmkuhl, Ursula, Diplomatiegeschichte als internationale Kulturgeschichte: Theo retische Ansätze und empirische Forschung z wischen Historischer Kultur wissenschaft und Soziologischem Institutionalismus, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), 394 – 423. Lehmkuhl, Ursula, Entscheidungsprozesse in der internationalen Geschichte: Mög lichkeiten und Grenzen einer kulturwissenschaftlichen Funiderung außenpolitischer Entscheidungsprozesse, in: Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten, hrsg. v. Wilfried Loth/Jürgen Osterhammel, München 2000, 187 – 207. Lemoine-Isabeau, Claire, Les militaires et la cartographie des Pays-Bas méridionaux et de la Principauté de Liège à la fin du XVIIe et au XVIIIe siècle, Brüssel 1984. Lenger, Friedrich, Netzwerkanalyse und Biographieforschung – einige Überlegungen, in: Bios 18 (2005), 180 – 185. Levillain, Charles-Édouard, Churchill historien de Marlborough, in: Commentaire 139 (2012), 781 – 7 87. Levillain, Charles-Edouard, Cromwell Redivivus? William III as Military Dictator: Myth and Reality, in: Redefining William III. The Impact of the King- Stadholder in International Perspective, hrsg. v. Esther Mijers/David Onnekink, Aldershot 2007, 159 – 176. Levine, Philippa, The Amateur and the Professional: Antiquarians, Historians and Archaeologists in Victorian England, 1838 – 1886, Cambridge u. a. 1986. Levy, Jack S., Too Important to Leave to the Other. History and Political Science in the Study of International Relations, in: International Security 22 (1997), 22 – 33.
Literatur
425
Lindblom, Charles E., The Science of „Muddling Through“, in: Public Administra tion Review 19 (1959), 79 – 88. Lindgren, Uta, Land Surveys, Instruments, and Practitioners in the Renaissance, in: The History of Cartography, Bd. 3: Cartography in the European Renaissance, Teil 1, hrsg. v. David Woodward, Chicago/London 2007, 477 – 508. Livet, Georges, Les relations internationales au 18e siècle, in: Dix-huitième siècle 5 (1973), 95 – 109. Löw, Martina, Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 72012. Lübbe, Hermann, Zur Theorie der Entscheidung, in: Collegium philosophicum. FS Joachim Ritter, hrsg. von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Basel 1965, 118 – 140. Luh, Jürgen, Kriegskunst in Europa 1650 – 1800, Köln/Weimar/Wien 2005. Luhmann, Niklas, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1997. Luhmann, Niklas, Die Politik der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2000. Luhmann, Niklas, Die Realität der Massenmedien, Opladen 1995. Luhmann, Niklas, Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation, in: ders., Aufsätze und Reden, hrsg. v. Oliver Jahraus, Stuttgart 2001, 76 – 93. Luhmann, Niklas, Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin 1964. Luhmann, Niklas, Interaktion, Organisation, Gesellschaft. Anwendungen der Systemtheorie, in: ders., Soziologische Aufklärung 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft, Opladen 1975, 9 – 20. Luhmann, Niklas, Risiko und Gefahr, in: ders., Soziologische Aufklärung 5: Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, 131 – 169. Luhmann, Niklas, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a. M. 1984. Luhmann, Niklas, Soziologische Aspekte des Entscheidungsverhaltens, in: Die Betriebswirtschaft 47 (1984), 591 – 603. Luhmann, Niklas, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart 1968. Luhmann, Niklas, Zweckbegriff und Systemrationalität. Über die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen, Frankfurt a. M. 51991. Lund, Erik A., War for the Every Day. Generals, Knowledge, and Warfare in Early Modern Europe, 1680 – 1740, Westport, Conn. u. a. 1999. Lynn, John A., The Wars of Louis XIV, 1667 – 1714, London/New York 1999. MacLachlan, A. D., The Road to Peace 1710 – 1713, in: Britain after the Glorious Revolution 1689 – 1714, hrsg. v. Geoffrey Holmes, London/Basingstoke 1969, 197 – 215. Malet, Hugh, The Packet Boat Age: A Study in Sources and Resources, in: Journal of the Railway and Canal Historical Society 27 (1981), 9 – 16.
426
Quellen- und Literaturverzeichnis
Malettke, Klaus, Der Friede von Rijswijk (1697) im Kontext der Mächtepolitik und der Entwicklung des europäischen Staatensystems, in: Der Friede von Rijswijk 1697, hrsg. v. Heinz Duchhardt, Mainz 1998, 1 – 45. Malettke, Klaus, Hegemonie – multipolares System – Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1648/1659 – 1713/1714 (Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, 3), Paderborn u. a. 2012. Malettke, Klaus, Ludwigs XIV. Außenpolitik z wischen Staatsräson, ökonomischen Zwängen und Sozialkonflikten, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 11), Berlin 1991, 43 – 72. Malz, Arié, Der Begriff „Öffentlichkeit“ als historisches Analyseinstrument. Eine Annäherung aus kommunikations- und systemtheoretischer Sicht, in: Kommunikation im Spätmittelalter. Spielarten – Wahrnehmungen – Deutungen, hrsg. v. Romy Günthart/Michael Jucker, Zürich 2005, 13 – 26. Mancke, Elizabeth, Art. „Utrecht, Peace of“, in: Europe 1450 to 1789. Encyclopedia of the Early Modern World, 6 Bde., hrsg. v. Jonathan Dewald, New York u. a. 2004, Bd. 6, 106 – 109. March, James G., How Decisions Happen in Organizations, in: Human-Computer Interaction 6 (1991), 95 – 117. March, James G./Johan P. Olsen, The New Institutionalism: Organizational Factors in Political Life, in: American Political Science Review 78 (1984), 734 – 749. March, James G./Johan P. Olsen, The Uncertainty of the Past: Organizational Learning under Ambiguity, in: European Journal of Political Research 3 (1975), 147 – 171. Marshall, Alan, Sir Joseph Williamson and the Conduct of Administration in Restoration England, in: Historical Research 69 (1996), 19 – 41. Marshall, Alan, The Secretaries‘ Office and the Public Records, in: State Papers Online, 1603 – 1714, http://gale.cengage.co.uk/images/Marshall%20The%20 Secretaries%20Office%20and%20the%20Public%20records.pdf. Marshall, Alan, Intelligence and Espionage in the Reign of Charles II, 1660 – 1685, Cambridge 1994. Martens, Will/Günther Ortmann, Organisationen in Luhmanns Systemtheorie, in: Organisationstheorien, hrsg. v. Alfred Kieser/Mark Ebers, 6., erw. Aufl., Stuttgart 2006, 427 – 461. Mason, Stuart A./Peter Barber, ‚Captain Thomas, the French Engineer‘ and the Teaching of Vauban to the English, in: Proceedings of the Huguenot Society 25 (1991), 279 – 287. Mathis, Franz, Marlborough und Wratislaw. Eine politische Freundschaft als Grundlage des Sieges von Höchstädt (1704), in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 83 (1975), 114 – 143.
Literatur
427
Mathis, Franz, Neue Aspekte zur Planung des süddeutschen Feldzuges von 1704, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27 (1974), 141 – 169. Matytsin, Anton, Fictional Letters or Real Accusations? Anonymous Correspondence in the Bayle-Jurieu Controversy, in: Society and Politics 7 (2013), 146 – 161. Mauelshagen, Franz, Klimageschichte der Neuzeit 1500 – 1900, Darmstadt 2010. Mauelshagen, Franz, Netzwerke des Nachrichtenaustauschs. Für einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der ‚neuen Zeitungen‘, in: Kommunikation und Medien der Frühen Neuzeit, hrsg. von Johannes Burkhardt/Christine Werkstetter (Historische Zeitschrift, Beiheft 41), München 2005, 409 – 425. Mauelshagen, Franz, Netzwerke des Vertrauens. Gelehrtenkorrespondenzen und wissenschaftlicher Austausch in der Frühen Neuzeit, in: Vertrauen. Historische Annäherungen, hrsg. v. Ute Frevert, Göttingen 2003, 119 – 151. Maurer, Michael, Briefe, in: Aufriß der historischen Wissenschaften in sieben Bänden, hrsg. v. Michael Maurer, Bd. 4: Quellen, Stuttgart 2002, 349 – 372. Mayntz, Renate, Max Webers Idealtypus der Bürokratie und die Organisations soziologie, in: Bürokratische Organisation, hrsg. v. Renate Mayntz, Köln/ Berlin 21971, 27 – 35. McBurney, William H., The Authorship of the Turkish Spy, in: Publications of the Modern Language Association 72 (1957), 915 – 935. McInnes, Angus, Robert Harley, Puritan Politician, London 1970. McInnes, Angus, The Appointment of Harley in 1704, in: Historical Journal 11 (1968), 255 – 271. McJimsey, Robert, Crisis Management: Parliament and Political Stability, 1692 – 1715, in: Albion 31 (1999), 559 – 588. McJimsey, Robert, Shaping the Revolution in Foreign Policy: Parliament and the Press, 1689 – 1730, in: Parliamentary History 25 (2006), 17 – 31. Meier, Christian, Die Faszination des Biographischen, in: Interesse an der Geschichte, hrsg. v. Frank Niess, Frankfurt a. M./New York 1989, 100 – 111. Meier, Robert, Niklas Luhmanns Systemtheorie und die Erschließung von Archiv gut des Alten Reiches. Überlegungen und Konsequenzen für die Archivwissenschaft, in: Archivalische Zeitschrift 86 (2004), 131 – 149. Mercier, Henry, Un Secret d‘état sous Louis XIV et Louis XV. La double vie de Jêrome d’erlach, général au service du Saint-Empire pendant la guerre de la succession d’espagne (1702 – 1714) et Observateur de sa Majesté Très-Chrétienne, Paris 1934. Mergel, Thomas, Geschichte und Soziologie, in: Geschichte. Ein Grundkurs, hrsg. v. Hans-Jürgen Goertz, Reinbek 1998, 621 – 651. Mergel, Thomas, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), 574 – 606.
428
Quellen- und Literaturverzeichnis
Merton, Robert K., Manifest and Latent Functions, in: ders., Social Theory and Social Structure. 1968 Enlarged Edition, New York/London 1968, 73 – 138. Metzdorf, Jens, Politik – Propaganda – Patronage. Francis Hare und die englische Publizistik im spanischen Erbfolgekrieg, Mainz 2000. Metzdorf, Jens, Protestantische Thronfolge und Verteidigung der Prärogative. Königin Anna von England und die Transformation der Monarchie, in: Die frühneuzeitliche Monarchie und ihr Erbe. FS Heinz Duchhardt, hrsg. v. Ronald G. Asch/Johannes Arndt/Matthias Schnettger, Münster u. a. 2003, 109 – 134. Meumann, Markus/Ralf Pröve (Hrsg.), Herrschaft in der Frühen Neuzeit: Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses, Münster 2004. Meyer, John W./Brian Rowan, Institutionalized Organizations: Formal Structure as Myth and Ceremony, in: American Journal of Sociology 83 (1977), 340 – 363. Meyer, Marshall W., Organizational Structure as Signaling, in: Pacific Sociological Review 22 (1979), 481 – 500. Meyer, W. R., English Privateering in the War of the Spanish Succession, in: Mariner’s Mirror 69 (1983), 435 – 446. Milne, June, The Diplomacy of Dr. John Robinson at the Court of Charles XII. of Sweden, 1697 – 1709. The Alexander Prize Essay, in: Transactions of the Royal Historical Society, 4th. Ser. 30 (1948), 75 – 93. Minet, Paul, The Huguenot Contribution to the British Army in the Marlborough Wars: Some Remarks, in: Proceedings of the Huguenot Society 27 (2001), 485 – 496. Minkley, Gary/Martin Legassick, „Not Telling“: Secrecy, Lies, and History, in: History and Theory 39 (2000), 1 – 10. Minty, Leonard Le Marchant, Looking in a Dark Room for a Black Hat that Isn’t there, in: Juridical Review 58 (1946), 118 – 135. Mintz, Alex/Karl R. DeRouen, Understanding Foreign Policy Decision Making, Cambridge u. a. 2010. Mißfelder, Jan-Friedrich, Endlich Klartext. Medientheorie und Geschichte, in: Theorie in der Geschichtswissenschaft. Einblicke in die Praxis des historischen Forschens, hrsg. v. Jens Hacke/Matthias Pohlig, Frankfurt a. M. 2008, 181 – 198. Mittelstraß, Jürgen, Krise des Wissens? Über Erosionen des Wissens- und Forschungsbegriffs, Wissen als Ware, Information statt Wissen und drohende Forschungs- und Wissenschaftsverbote, in: ders., Wissen und Grenzen. Philo sophische Studien, Frankfurt a. M. 2001, 33 – 56. Mol, Arthur P. J./Gert Spaargaren, Zur Umweltsoziologie der Netzwerke und Flows, in: Handbuch Umweltsoziologie, hrsg. v. Matthias Gross, Wiesbaden 2011, 140 – 153. Monod, Paul Kléber, Jacobitism and the English People, 1688 – 1788, Cambridge 1989.
Literatur
429
Morineau, Michel, Die holländischen Zeitungen des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Michael North, Köln/Weimar/Wien 22001, 33 – 43. Mörke, Olaf, Pamphlet und Propaganda. Politische Kommunikation und technische Innovation in Westeuropa in der Frühen Neuzeit, in: Kommunikationsrevolu tionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Michael North, Köln/Weimar/Wien 22001, 15 – 32. Morley, William F. E., Queen Anne Pamphlets. An Annotated Bibliographical Catalogue of Pamphlet Publications Spanning the Reign of Queen Anne, Held in the Eighteenth-Century British Pamphlet Collection, Douglas Library, Queen’s University: 1701 – 1714, Kingston, Ontario 1987. Morrill, John, ‚Uneasy Lies the Head that Wears a Crown’. Dynastic Crises in Tudor and Stewart Britain 1504 – 1746, Reading 2005. Morrill, John, The Sensible Revolution, in: The Anglo-D utch Moment. Essays on the Glorious Revolution and its World Impact, hrsg. v. Jonathan Israel, Cambridge 1991, 73 – 104. Mozzarelli, Cesare, Sulla guerra di successione spagnola. Postilla alla maniera geopolitica, in: Famiglie, nationi e Monarchia. Il sistema europeo durante la Guerra di Successione spagnola, hrsg. v. Antonio Álvarez-Ossorio Alvariño, Rom 2004, 393 – 397. Mukerji, Chandra, Impossible Engineering. Technology and Territoriality on the Canal du Midi, Princeton 2009. Müllenbrock, Heinz-Joachim, Der Herzog von Marlborough und die englische Publizistik im Spanischen Erbfolgekrieg, in: Die Schlacht von Höchstädt. Brennpunkt Europas 1704, hrsg. v. Johannes Erichsen/Katharina Heinemann, Ostfildern 2004, 38 – 41. Müllenbrock, Heinz-Joachim, The Culture of Contention. A Rhetorical Analysis of the Public Controversy about the Ending of the War of the Spanish Succession, 1710 – 1713, München 1997. Muller, James W., „A Good Englishman“: Politics and War in Churchill’s Life of Marlborough, in: Political Science Reviewer 18 (1988), 85 – 125. Müller, Klaus, Das kaiserliche Gesandtschaftswesen im Jahrhundert nach dem Westfälischen Frieden (1648 – 1740), Bonn 1976. Müller, Klaus, Diplomatie und Diplomaten im Zeitalter des Prinzen Eugen, in: Prinz Eugen von Savoyen und seine Zeit. Eine Ploetz-Biographie, hrsg. v. Johannes Kunisch, Freiburg/Würzburg 1986, 45 – 56. Naujokat, Ulrich, England und Preußen im spanischen Erbfolgekrieg, Bonn 1999. Naujokat, Ulrich, Mylord Raby – ein englischer Lebemann als Diplomat am Hofe Friedrichs I., in: Preußen und Preußentum vom 17. Jahrhundert bis zur
430
Quellen- und Literaturverzeichnis
Gegenwart. FS Ernst Opgenoorth, hrsg. v. Jürgen Frölich/Esther-Beate Körber/ Michael Rohrschneider, Berlin 2002, 71 – 91. Netzloff, Mark, The Ambassador’s Household: Sir Henry Wotton, Domesticity, and Diplomatic Writing, in: Diplomacy and Early Modern Culture, hrsg. v. Robyn Adams/Rosanna Cox, Basingstoke u. a. 2011, 155 – 171. Neumann, Gerald, Die Rolle Kurbayerns im Spanischen Erbfolgekrieg im Blick der öffentlichen Meinung, in: FS Rudolf Endres, hrsg. v. Charlotte Bühl/Peter Fleischmann ( Jahrbuch für fränkische Landesforschung 60), Neustadt a. d. Aisch 2000, 333 – 347. Nicklas, Thomas, Macht – Politik – Diskurs. Möglichkeiten und Grenzen einer Politischen Kulturgeschichte, in: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004), 1 – 25. Niedhardt, Gottfried, Selektive Wahrnehmung und politisches Handeln. Interna tionale Beziehungen im Perzeptionsparadigma, in: Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten, hrsg. v. Wilfried Loth/Jürgen O sterhammel, München 2000, 141 – 157. Niedhart, Gottfried, Aufgeklärter Absolutismus oder Rationalisierung der Herrschaft, in: Zeitschrift für historische Forschung 6 (1979), 199 – 211. Niggemann, Ulrich, Der mediale Umgang mit dem Tod eines umstrittenen Herrschers. Die Memoria Wilhelms III. zwischen „Glorious Revolution“ und Hannoverscher Thronfolge, in: Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, hrsg. v. Christine Roll/Frank Pohle/Matthias Myrczek, Köln/Weimar/Wien 2010, 299 – 312. Niggemann, Ulrich, Herrschermemoria als Norm und Symbol. Zum Umgang mit der Erinnerung an Wilhelm III. im England des frühen 18. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für historische Forschung 39 (2012), 1 – 36. Nolde, Dorothea, Was ist Diplomatie und wenn ja, wie viele? Herausforderungen und Perspektiven einer Geschlechtergeschichte der frühneuzeitlichen Diplomatie, in: Historische Anthropologie 21 (2013), 179 – 198. North, Michael, Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der frühen Neuzeit, München 2000. Nowosadtko, Jutta, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte, Tübingen 2002. Nunberg, Geoffrey, Farewell to the Information Age, in: The Future of the Book, hrsg. v. Geoffrey Nunberg, Turnhout 1996, 103 – 138. Oakley, S. P., The Interception of Posts in Celle, 1694 – 1700, in: William III and Louis XIV. Essays 1680 – 1720 by and for Mark A. Thomson, hrsg. v. Ragnhild Hatton/J. S. Bromley, Liverpool 1968, 95 – 115. Oliver, F. S., The Endless Adventure, 3 Bde., London 1930 – 1935.
Literatur
431
Ong, Walter J., SJ, Information and/or Communication: Interactions, in: Commu nication Research Trends 16 (1996), 3 – 17. Onnekink, David, „Een generale, goede en duyrsame vreede”. Het Utrechts vredes congres vanuit Staats perspectief, in: Tussen Munster en Aken. De Nederlandse Republiek als grote mogendheid 1648 – 1748, hrsg. v. Simon Groenveld/Maurits Eben/Raymond Fagel, Maastricht 2005, 49 – 66. Onnekink, David, ‚Mynheer Benting now rules over us‘: the 1st Earl of Portland and the Re-Emergence of the English Favourite, 1689 – 1699, in: English Histo rical Review 121 (2006), 693 – 7 13. Onnekink, David, Anglo-D utch Diplomatic Cooperation during the Opening Years of the War of the Spanish Succession, 1702 – 1704, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/Augustus J. Veeneendaal, Jr., Den Haag 2002, 45 – 63. Onnekink, David, Anglo-French Negotiations on the Spanish Partition Treaties (1698 – 1700): A Re-evaluation, in: ‚The Contending Kingdoms‘. France and England 1420 – 1700, hrsg. v. Glenn Richardson, Aldershot u. a. 2008, 161 – 177. Onnekink, David, Britain in Europe during the Age of Marlborough, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 12 – 37. Onnekink, David, Models of an Imagined Community: Huguenot Discourse on Identity and Foreign Policy, in: The Huguenots: History and Memory in Transnational Context, hrsg. v. David J. B. Trim, Leiden 2011, 193 – 215. Onnekink, David, The Treaty of Utrecht 1713, in: Peace was made here. The Treaties of Utrecht, Rastatt and Baden 1713 – 1714, hrsg. v. Renger de Bruin/Maarten Brinkman, Petersberg 2013, 60 – 69. Onnekink, David (Hrsg.), War and Religion after Westphalia, 1648 – 1713, Aldershot 2009. Opgenoorth, Ernst, Publicum – privatum – arcanum. Ein Versuch zur Begriff lichkeit frühneuzeitlicher Kommunikationsgeschichte, in: Kommunikation und Medien in Preußen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, hrsg. v. Bernd Sösemann, Stuttgart 2002, 22 – 44. Opitz, Eckhard, Diplomacy and Secret Communication in the Seventeenth Century. Some Remarks on the Method of Gaining News in the Age of Absolutism, in: Clio Goes Spying. Eight Essays on the History of Intelligence, hrsg. v. Wilhelm Agrell/Bo Huldt, Malmö 1983, 64 – 84. Oresko, Robert, The House of Savoy in Search for a Royal Crown in the Seventeenth Century, in: Royal and Republican Sovereignity in Early Modern Europe. Essays in Memory of Ragnhild Hatton, hrsg. v. Robert Oresko/G. C. Gibbs/H. M. Scott, Cambridge 1997, 272 – 350.
432
Quellen- und Literaturverzeichnis
Osterhammel, Jürgen/Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung. Dimen sionen, Prozesse, Epochen, München, 4., durchges. Aufl., 2007. Ostwald, Jamel, Marlborough and Siege Warfare, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 122 – 143. Ostwald, Jamel, The „Decisive“ Battle of Ramillies, 1706: Prerequisites for Decisiveness in Early Modern Warfare, in: Journal of Military History 64 (2000), 649 – 677. Otruba, Gustav, Prinz Eugen und Marlborough. Weltgeschichte im Spiegel eines Briefwechsels, Wien 1961. Ott, Sascha, Information. Zur Genese und Anwendung eines Begriffs, Konstanz 2004. Pagès, G., L’histoire diplomatique du règne de Louis XIV. Sources et état des travaux, in: Revue d’histoire moderne et contemporaine 7 (1905/06), 653 – 680. Paoletti, Ciro, Prince Eugene of Savoy, the Toulon Expedition of 1707, and the English Historians – A Dissenting View, in: Journal of Military History 70 (2006), 939 – 962. Paoletti, Ciro, War, 1688 – 1812, in: A Companion to Eighteenth-Century Europe, hrsg. v. Peter Wilson, Malden, Mass./Oxford 2008, 464 – 478. Parritt, B. A. H., The Intelligencers. The Story of British Military Intelligence up to 1914, Ashford (Kent) 1983. Pasanek, Brad, Metaphors of Mind. An Eighteenth-Century Dictionary, Baltimore 2015. Patterson, Catherine F., Urban Patronage in Early Modern England. Corporate Boroughs, the Landed Elite, and the Crown, 1580 – 1640, Stanford 1999. Pauli, R., Jean Robethon und die Thronfolge des braunschweig-lüneburgischen Hauses in England, in: Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissen schaften und der Georg-August Universität zu Göttingen 1881, 409 – 437. Patzelt, Werner J. u. a., Institutionelle Macht. Kategorien ihrer Analyse und Erklärung, in: Parlamente und ihre Macht. Kategorien und Fallbeispiele institu tioneller Analyse, hrsg. v. Werner Patzelt, Baden-Baden 2005, 9 – 46. Pearman, Robert, The First Earl of Cadogan 1672 – 1726, London 1988. Pearse, Hugh, Marlborough’s Men, in: Cornhill Magazine, Ser. 3, 30 (1911), 67 – 75. Pečar, Andreas, Innovation des Strukturbegriffes. Ein soziologischer Modellversuch aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), 350 – 362. Peck, Linda Levy, Court Patronage and Corruption in Early Stuart England, Boston u. a. 1990.
Literatur
433
Perjés, Géza, Army Provisioning, Logistics and Strategy in the Second Half of the 17th Century, in: Warfare in Europe 1650 – 1792, hrsg. v. Jeremy Black, Aldershot 2005, 109 – 160. Petrie, Charles, The Marshal Duke of Berwick. The Picture of an Age, London 1953. Pettegree, Andrew, The Invention of News. How the World Came to Know Itself, New Haven/London 2014. Pettigrew, William A., A Nation Divided in War: The War of the Spanish Succession and the Intensification of Debate about Empire, Trade Regulation, and the Labour Supply in the British Atlantic, in: The War of the Spanish Succession. New Perspectives, hrsg. v. Matthias Pohlig/Michael Schaich (in Vorbereitung). Pfister, Ulrich, Politischer Klientelismus in der frühneuzeitlichen Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 42 (1992), 28 – 68. Phelan, Ivan P., Marlborough as Logistician, in: Journal of the Society for Army Historical Research 57 (1989), 253 – 257, fortgesetzt in: Journal of the Society for Army Historical Research 58 (1990), 37 – 48 sowie Journal of the Society for Army Historical Research 58 (1990), 103 – 119. Piekalkiewicz, Janusz, Weltgeschichte der Spionage. Agenten – Systeme – Aktio nen, München 1988. Pieper, Renate, Die Vermittlung einer neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493 – 1598, Mainz 2000. Pietsch, Th. W., Louis Renard’s Fanciful Fishes, in: Natural History 93 (1984), 58 – 67. Pincus, Steve, 1688. The First Modern Revolution, New Haven/London 2009. Pipek, Volkmar/Volker Wulf, Infrastructuring: Towards an Integrated Perspective on the Design and Use of Information Technology, in: Journal of the Associa tion for Information Systems 10 (2009), 306 – 332. Plassmann, Max, Der Preis der Krone. Preußische Truppen im Spanischen Erbfolgekrieg, in: Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungs dokumentation, hrsg. v. Johannes Kunisch, Berlin 2002, 229 – 256. Plumb, J. H., Robert Walpole’s World: The Structure of Government, in: Aristocratic Government and Society in Eighteenth-Century England. The Foundations of Stability, hrsg. v. Daniel A. Baugh, New York 1975, 117 – 155. Plumb, J. H., The Growth of Political Stability in England, 1675 – 1725, London u. a. 1977. Plumb, J. H., The Organization of the Cabinet in the Reign of Queen Anne, in: Transactions of the Royal Historical Society, 5th Ser., 7 (1957), 137 – 157. Plumpe, Werner, Korruption. Annäherungen an ein historisches und gesellschaft liches Phänomen, in: Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, hrsg. v. Jens Ivo Engels/Andreas Fahrmeir/Alexander Nützenadel, München 2009, 19 – 47.
434
Quellen- und Literaturverzeichnis
Pohlig, Matthias, Vom Besonderen zum Allgemeinen? Die Fallstudie als geschichtstheoretisches Problem, in: Historische Zeitschrift 297 (2013), 297 – 319. Pohlig, Matthias, Wandel und seine Repräsentation, in: Arbeit an der Geschichte. Wie viel Theorie braucht die Geschichtswissenschaft?, hrsg. v. Jörg Baberowski, Frankfurt a. M./New York 2009, 37 – 61. Pohlig, Matthias/Michael Schaich, The War of the Spanish Succession: New Pers pectives. Conference Report, in: German Historical Institute London Bulletin, 34 (2012), 126 – 133. Polmar, Norman/Thomas B. Allen, Spy Book. The Encyclopedia of Espionage, New York 1997. Pomian, Krzysztof, Die Geschichte der Strukturen, in: Die Rückeroberung des historischen Denkens. Grundlagen der Neuen Geschichtswissenschaft, hrsg. v. Jacques Le Goff/Roger Chartier/Jacques Revel, Frankfurt a. M. 1994, 166 – 200. Pons, Rouven, Die Dame ist romanesque und coquet…Catharina Gräfin Wackerbarth (1670 – 1719) als kursächsische Gesandtin in Wien, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 114 (2006), 65 – 95. Popitz, Heinrich, Phänomene der Macht, 2., stark erweiterte Aufl., Tübingen 1992. Porada, Aleksandra, Giovanni Paolo Marana’s Turkish Spy and the Police of Louis XIV: the Fear of Being Secretly Observed by Trained Agents in Early Modern Europe, in: Altre Modernità 11 (2014), 96 – 110. Poumarède, Géraud, Consuls, réseaux consulaires et diplomatie à l’époque moderne, in: Sulla diplomazia in età moderna. Politica, economia, religione, hrsg. v. Renzo Sabbatini/Paola Volpini, Mailand 2011, 193 – 218. Preston, R. A., William Blathwayt and the Evolution of a Royal Personal Secretariat, in: History N. S. 34 (1949), 28 – 43. Preto, Paolo, I servizi segreti di Venezia. Spionaggio e controspionaggio ai tempi della Serenissima, Mailand 2004. Price, J. M., A Note on the Circulation of the London Press, 1704 – 1714, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 31 (1958), 215 – 224. Raban, Itamar, The Newspaper The Post Man and its Editor, Jean Lespinasse de Fonvive, in: From Strangers to Citizens. The Integration of Immigrant Communities in Britain, Ireland and Colonial America, 1550 – 1750, hrsg. v. Randolph Vigne/Charles Littleton, Brighton u. a. 2001, 397 – 403. Rabinowicz, Oskar K., Sir Solomon de Medina, Oxford 1974. Ranke, Leopold von, Englische Geschichte vornehmlich im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert, Bd. 7, Leipzig 1868. Raphael, Lutz, Jenseits von Strukturwandel oder Ereignis? Neuere Sichtweisen und Schwierigkeiten der Historiker im Umgang mit Wandel und Innovation, in: Historische Anthropologie 17 (2009), 110 – 120.
Literatur
435
Rau, Susanne/Gerd Schwerhoff, Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit. Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes, in: Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. v. Susanne Rau/Gerd Schwerhoff, Köln/Weimar/Wien 2004, 11 – 52. Raymond, Joad, Introduction: Networks, Communication, Practice, in: News Networks in Seventeenth-Century Britain and Europe, hrsg. v. Joad Raymond, London u. a. 2006, 1 – 17. Recker, Marie-Luise, Wilhelm III. und die französische Herausforderung, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 11), Berlin 1991, 73 – 88. Reckwitz, Andreas, Der verschobene Problemzusammenhang des Funktio nalismus: Von der Ontologie der sozialen Zweckhaftigkeit zu den Raum-Zeit- Distanzierungen, in: Soziologischer Funktionalismus. Zur Methodologie einer Theorietradition, hrsg. v. Jens Jetzkowitz/Carsten Stark, Opladen 2003, 57 – 81. Reckwitz, Andreas, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken: Eine sozial theoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie 32 (2003), 282 – 301. Reese, Werner, Das Ringen um Frieden und Sicherheit in den Entscheidungsjahren des Spanischen Erbfolgekrieges 1708 bis 1709, München 1933. Reinhard, Wolfgang, Amici e creature. Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 76 (1996), 308 – 334. Reinhard, Wolfgang, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen (1979), in: ders., Ausgewählte Abhandlungen, Berlin 1997, 289 – 310. Reinhard, Wolfgang, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2., durchgesehene Aufl., München 2000. Reinhard, Wolfgang, Historische Anthropologie frühneuzeitlicher Diplomatie. Ein Versuch über Nuntiaturberichte 1592 – 1622, in: Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert, hrsg. v. Michael Rohrschneider/Arno Strohmeyer Münster 2007, 53 – 72. Reinhard, Wolfgang, Staat und Heer in England im Zeitalter der Revolutionen, in: Staatsverfassung und Heeresverfassung in der europäischen Geschichte der frühen Neuzeit, hrsg. v. Johannes Kunisch, Berlin 1986, 173 – 212. Reinhardt, Nicole, Les relations internationales à travers les femmes au temps de Louis XIV: „L’amitié qu’elle a pour moi fait qu’elle m’écoute et son mari aussi”, in: Revue d’histoire diplomatique 3 (2003), 193 – 230.
436
Quellen- und Literaturverzeichnis
Requate, Jörg, Art. „Nachricht“, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 8, hrsg. v. Friedrich Jaeger, Stuttgart/Weimar 2008, Sp. 1012 – 1014. Richings, M. G., Espionage. The Story of the Secret Service of the English Crown, London 1934. Riess, Marta, Kreuzzugsideologie und Feindbildkonstruktion während des Spanischen Erbfolgekrieges, in: Der spanische Erbfolgekrieg = La guerra des sucesión española, hrsg. v. Friedrich Edelmayer/Virginia León Sanz/José Ignacio Ruiz Rodríguez, Wien 2008, 161 – 192. Rill, Bernd, Karl VI. Habsburg als barocke Großmacht, Graz/Köln/Wien 1992. Ringer, Fritz, Max Weber on Causal Analysis, Interpretation, and Comparison, in: History and Theory 41 (2002), 163 – 178. Roberts, Clayton, Party and Patronage in Late Stuart England, in: England’s Rise to Greatness, 1660 – 1763, hrsg. v. Stephen B. Baxter, Berkeley u. a. 1983, 185 – 212. Roberts, Clayton, The Fall of the Godolphin Ministry, in: Journal of British Studies 22 (1982), 71 – 93. Robertson, John, Union by Incorporation. England, Scotland and Ireland 1603 – 1801, in: Föderationsmodelle und Unionsstrukturen. Über Staatenverbindungen in der frühen Neuzeit vom 15. zum 18. Jahrhundert, hrsg. v. Thomas Fröschl, Wien 1994, 106 – 118. Robinson, Howard, The British Post Office. A History, Princeton 1948. Roche, Daniel, Les primitifs du rousseauisme: une analyse sociologique et quantitative de la correspondance de J.-J. Rousseau, in: Annales ESC 26 (1971), 151 – 172. Roche, Daniel, Réseaux des pouvoirs, pouvoir des réseaux dans l’Europe des lumières, in: La plume et la toile. Pouvoirs et réseaux de correspondance dans l’Europe des Lumières, hrsg. v. Pierre-Yves Beaurepaire, Arras 2002, 7 – 24. Roelofsen, C. G., Von Nimwegen (1676 – 79) bis Utrecht (1712 – 13). Die „niederländische Epoche“ in der Geschichte des europäischen Kongreßwesens, in: Städte und Friedenskongresse, hrsg. v. Heinz Duchhardt, Köln/Weimar/Wien 1999, 109 – 116. Rogers, Pat, Defoe’s Distribution Agents and Robert Harley, in: English Historical Review 121 (2006), 146 – 161. Rohrschneider, Michael, Das französische Präzedenzstreben im Zeitalter Ludwigs XIV. Diplomatische Praxis – zeitgenössische französische Publizistik – Rezeption in der frühen deutschen Zeremonialwissenschaft, in: Francia 36 (2009), 135 – 179. Roll, Christine, Im Schatten der spanischen Erbfolge? Zur kaiserlichen Politik auf dem Kongreß von Rijswijk, in: Der Friede von Rijswijk 1697, hrsg. v. Heinz Duchhardt, Mainz 1998, 47 – 91.
Literatur
437
Roorda, D. J., Le secret du prince. Monarchale tendenties in de Republiek 1672 – 1702, in: ders., Rond prins en patriciaat, Weesp 1984, 172 – 211. Roosen, William James, The Age of Louis XIV. The Rise of Modern Diplomacy, Cambridge, Mass. 1976. Roosen, William, Daniel Defoe and Diplomacy, London/Toronto 1986. Roosen, William, Early Modern Diplomatic Ceremonial: A Systems Approach, in: Journal of Modern History 52 (1980), 452 – 476. Roosen, William, The Origins of the War of the Spanish Succession, in: The Origins of War in Early Modern Europe, hrsg. v. Jeremy Black, Edinburgh 1987, 151 – 175. Rosenberg, Daniel, Early Modern Information Overload, in: Journal of the History of Ideas 64 (2003), 1 – 9. Roth, Suzanne, Les aventuriers au XVIIIe siècle, Paris 1980. Rous, Simone/Martin Mulsow (Hrsg.), Geheime Post. Kryptologie und Steganographie der diplomatischen Korrespondenz europäischer Höfe während der Frühen Neuzeit, Berlin 2015. Rowan, Richard Wilmer, The Story of Secret Service, London 1938. Rowlands, Guy, Keep Right on to the End of the Road: The Stamina of the French Army in the War of the Spanish Succession, in: The War of the Spanish Succession. New Perspectives, hrsg. v. Matthias Pohlig/Michael Schaich (in Vorbereitung). Rowlands, Guy, The Dynastic State and the Army under Louis XIV. Royal Service and Private Interest, 1661 – 1701, Cambridge u. a. 2002. Rule, John C., France and the Preliminaries to the Gertruydenberg Conference, September 1709 to March 1710, in: Studies in Diplomatic History. Essays in Memory of David Bayne Horn, hrsg. v. Ragnhild Hatton/M. S. Anderson, London 1970, 97 – 115. Rule, John C., Gathering Intelligence in the Age of Louis XIV, in: The Interna tional History Review 14 (1992), 732 – 752. Rule, John C., The Partition Treaties, 1698 – 1700: A European View, in: Redefining William III. The Impact of the King-Stadholder in International Perspective, hrsg. v. Esther Mijers/David Onnekink, Aldershot 2007, 91 – 105. Rule, John C./Ben S. Trotter, A World of Paper. Louis XIV, Colbert de Torcy, and the Rise of the Information State, Montreal u. a. 2014. Rusch, Gebhard, Auffassen, Begreifen und Verstehen. Neue Überlegungen zu einer konstruktivistischen Theorie des Verstehens, in: Kognition und Gesellschaft. Der Diskurs des radikalen Konstruktivismus, hrsg. v. Siegfried J. Schmidt, Frankfurt a. M. 1992, 214 – 256. Saunders Webb, Stephen, Lord Churchill’s Coup. The Anglo-American Empire and the Glorious Revolution Reconsidered, Syracuse 1998.
438
Quellen- und Literaturverzeichnis
Saunders Webb, Stephen, Marlborough’s America, New Haven/London 2013. Schaich, Michael, The Public Sphere, in: A Companion to Eighteenth-Century Europe, hrsg. v. Peter Wilson, Malden, Mass./Oxford 2008, 125 – 140. Scheuner, Ulrich, Die großen Friedensschlüsse als Grundlage der europäischen Staatenordnung zwischen 1648 und 1815, in: Spiegel der Geschichte. FS Max Braubach, hrsg. v. Konrad Repgen/Stephan Skalweit, Münster 1964, 220 – 250. Schilling, Heinz, Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit – Phasen und bewegende Kräfte, in: ders., Ausgewählte Abhandlungen zur europäischen Reformations- und Konfessionsgeschichte, hrsg. v. Luise Schorn-Schütte/Olaf Mörke, Berlin 2002, 588 – 617. Schilling, Heinz, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648 – 1763, Berlin 1994. Schirrmeister, Albert, Wissenskulturen der Frühen Neuzeit: Praktiken, Konzepte, Personen. Ein Literaturbericht, in: Frühneuzeit-Info 15 (2004), 66 – 7 8. Schivelbusch, Wolfgang, Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1977. Schlip, Harry, Die Neuen Fürsten. Zur Erhebung in den Reichsfürstenstand und zur Aufnahme in den Reichsfürstenrat im 17. und 18. Jahrhundert, in: Liechtenstein – Fürstliches Haus und staatliche Ordnung, hrsg. v. Volker Press/Dietmar Willoweit, Vaduz 1987, 249 – 292. Schlögl, Rudolf, Interaktion und Herrschaft. Probleme der politischen Kommunika tion in der frühneuzeitlichen Stadt, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. v. Barbara Stollberg-Rilinger, Berlin 2005, 115 – 128. Schlögl, Rudolf, Kommunikation und Vergesellschaftung unter Anwesenden. Formen des Sozialen und ihre Transformation in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 34 (2008), 155 – 224. Schlögl, Rudolf, Politik beobachten. Politik und Medien in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für historische Forschung 35 (2008), 581 – 616. Schlürmann, Jan, Zum Alltagsleben frühneuzeitlicher Heere am Beispiel der schleswig-holstein-gottorfischen Auxiliairtruppen im Spanischen Erbfolgekrieg, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 126 (2001), 37 – 64. Schmid, Irmtraut, Briefe, in: Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, hrsg. v. Friedrich Beck/Eckart Henning, Köln/Weimar/Wien 52012, 125 – 134. Schmidt, Hans, Die deutschen diplomatischen Vertreter bei der französischen Krone im 18. Jahrhundert, in: Allemands en France. Français en Allemagne 1715 – 1789. Contacts institutionnels, groupes sociaux, lieux d’échanges, hrsg. v. Jean Mondot/ Jean-Marie Valentin/Jürgen Voss (Francia, Beiheft 25), Sigmaringen 1992, 27 – 38.
Literatur
439
Schmidt, Hans, Frankreich und das Reich von 1648 – 1715, in: Frankreich im euro päischen Staatensystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Rainer Babel, Sigmaringen 1995, 13 – 32. Schmidt, Hans, Prinz Eugen und Marlborough, in: Prinz Eugen von Savoyen und seine Zeit. Eine Ploetz-Biographie, hrsg. v. Johannes Kunisch, Freiburg/ Würzburg 1986, 144 – 162. Schmidt, Heinrich Richard, „Verfall der Religion“. Epochenwende um 1700?, in: Die Säkularisation im Prozess der Säkularisierung Europas, hrsg. v. Peter Blickle/ Rudolf Schlögl, Epfendorf 2005, 245 – 258. Schmidt-Rösler, Andrea, Prälimarfriedensverträge als Friedensinstrumente der Frühen Neuzeit, in: Instrumente des Friedens. Vielfalt und Formen von Friedensverträgen im vormodernen Europa, hrsg. v. Heinz Duchhardt/Martin Peters (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 3), Mainz 2008, Abschnitt 56 – 7 7, http://www.ieg-mainz.de/ vieg-online-beihefte/03 – 2008.html. Schmitt, Carl, Gespräch über die Macht und den Zugang zum Machthaber, Stuttgart 2008. Schnakenbourg, Éric, L’indispensable ennemi: le gouvernement français et le commerce hollandais pendant la guerre de Succession d’Espagne, 1702 – 1713. Approche politique et diplomatique, in: Revue du Nord 91 (2009), 85 – 101. Schnettger, Matthias, Der spanische Erbfolgekrieg 1701 – 1713/14, München 2014. Schroeder, Paul W., History and International Relations Theory: Not Use or Abuse, but Fit or Misfit, in: International Security 22 (1997), 64 – 74. Schütz, Ernst, Die Gesandtschaft Großbritanniens am Immerwährenden Reichstag zu Regensburg und am kur(pfalz-)bayerischen Hof zu München 1683 – 1806, München 2007. Schweizer, Karl W., Art. „Churchill, John, Duke of Marlborough“, in: Europe 1450 to 1789. Encyclopedia of the Early Modern World, 6 Bde., hrsg. v. Jonathan Dewald, New York u. a. 2004, Bd. 1, 499 – 501. Schweizer, Karl W., Art. „Churchill, Sarah, Duchess of Marlborough“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dic tionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 108 – 110. Schweizer, Karl, François de Callières and the Marquis de Torcy’s „Political Academy“: New Evidence, in: Canadian Journal of History 46 (2011), 619 – 622. Schweizer, Thomas, Netzwerkanalyse als moderne Strukturanalyse, in: Netzwerk analyse. Ethnologische Perspektiven, hrsg. v. Thomas Schweizer, Berlin 1989, 1 – 25. Scott, H. M., Britain’s Emergence as a European Power, 1688 – 1815, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, hrsg. v. H. T. Dickinson, Malden, Mass. u. a. 2002, 431 – 446.
440
Quellen- und Literaturverzeichnis
Scott, Paul Henderson, The Secret Services of John Macky, in: Scottish Literary Journal 6 (1979), 72 – 80. Scouller, R. E., Marlborough’s Administration in the Field, Pt. 2, in: Army Quarterly and Defence Journal 96 (1968), 102 – 113. Scouller, R. E., Secretaries at War to Queen Anne, in: Journal of the Society for Army Historical Research 38 (1960), 3 – 10. Scouller, R. E., The Armies of Queen Anne, Oxford 1966. Seaward, Paul, The Speaker in the Age of Party, 1672 – 1715, in: Parliamentary History 29 (2010), 90 – 101. Seidl, David, Kollektive Entscheidungen und soziale Komplexität. Ein Kommentar vor dem Hintergrund der Entscheidungsforschung in der Betriebswirtschaftslehre, in: Soziale Systeme 15 (2009), 46 – 53. Selig, Robert A., Der Spanische Erbfolgekrieg in Übersee, in: Die Schlacht von Höchstädt. Brennpunkt Europas 1704, hrsg. v. Johannes Erichsen/Katharina Heinemann, Ostfildern 2004, 90 – 95. Sewell, William H., A Theory of Structure: Duality, Agency, and Transformation, in: American Journal of Sociology 98 (1992), 1 – 29. Shapin, Steven, A Social History of Truth. Civility and Science in Seventeenth- Century England, Chicago u. a. 1994. Shaw, William A./F. H. Slingsby, Introduction, in: Calendar of Treasury Books, Bd. 28, hrsg. v. William A. Shaw/F. H. Slingsby, London 1955, V–XXXVI. Shears, P. J., Armand de Bourbon, Marquis de Miremont, in: Proceedings of the Huguenot Society of London 20 (1958 – 1963), 405 – 418. Sheehan, Michael, The Balance of Power. History and Theory, London u. a. 1996. Sheridan, Geraldine F., The Life and Works of Nicolas Lenglet-Dufresnoy, 1674 – 1755, Ph. D. Dissertation Warwick 1980, http://wrap.warwick.ac.uk/53018/1/WRAP_ THESIS_Sheridan_1980.pdf. Showalter, Dennis, Art. „Churchill, John, Duke of Marlborough“, in: The Treaties of the War of the Spanish Succession. An Historical and Critical Dictionary, hrsg. v. Linda Frey/Marsha Frey, Westport, Conn./London 1995, 106 – 108. Sicken, Bernhard, Heeresaufbringung und Koalitionskriegführung im Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekrieg, in: Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume europäischer Außenpolitik im Zeitalter Ludwigs XIV., hrsg. v. Heinz Duchhardt (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 11), Berlin 1991, 89 – 134. Sicken, Bernhard, Kriegskunst und Heeresorganisation im Zeitalter des Prinzen Eugen, in: Prinz Eugen von Savoyen und seine Zeit. Eine Ploetz-Biographie, hrsg. v. Johannes Kunisch, Freiburg/Würzburg 1986, 31 – 44.
Literatur
441
Sienell, Stephan, Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolge frage (1699/1700), in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47 (1999), 117 – 145. Sikora, Michael, Disziplin und Desertion. Strukturprobleme militärischer Organisa tion im 18. Jahrhundert, Berlin 1996. Simmel, Georg, Philosophie des Geldes, Frankfurt a. M. 31994. Simmel, Georg, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, hrsg. v. Otthein Rammstedt, Frankfurt a. M. 31999. Simms, Brendan, Three Victories and a Defeat. The Rise and Fall of the First British Empire, London 2007. Simon, Herbert, Designing Organizations for an Information-Rich World, in: The Economics of Communication and Information, hrsg. v. Donald M. Lamberton, Cheltenham/Brookefield 1996, 187 – 202. Sinclair-Stevenson, Christopher, Inglorious Rebellion. The Jacobite Risings of 1708, 1715 and 1719, Manchester 1971. Sinkoli, Anna, Frankreich, das Reich und die Reichsstände 1697 – 1702, Frankfurt a. M. u. a. 1995. Skinner, Quentin, The Principles and Practice of Opposition: The Case of Bolingbroke versus Walpole, in: Historical Perspectives. Studies in English Thought and Society, hrsg. v. Neil McKendrick, London 1974, 93 – 128. Slack, Paul, Government and Information in Seventeenth-Century England, in: Past and Present 184 (2004), 33 – 68. Smid, Stefan, Der Spanische Erbfolgekrieg. Geschichte eines vergessenen Weltkriegs (1701 – 1714), Köln/Weimar/Wien 2011. Smith, Hannah, ‚Last of all the Heavenly Birth‘: Queen Anne and Sacral Queen ship, in: Parliamentary History 28 (2009), 137 – 149. Smith, Hannah, Georgian Monarchy. Politics and Culture, 1714 – 1760, Cambridge 2009. Smith, Michael, The Spying Game. The Secret History of British Espionage, London 2003. Snyder, Henry L., A Further Note on the Circulation of Newspapers in the Reign of Queen Anne, in: The Library 31 (1976), 387 – 389. Snyder, Henry L., Daniel Defoe, the Duchess of Marlborough, and the „Advice to the Electors of Great Britain“, in: Huntington Library Quarterly 29 (1965), 53 – 62. Snyder, Henry L., Godolphin and Harley: A Study of Their Partnership in Politics, in: Huntington Library Quarterly 30 (1967), 241 – 271. Snyder, Henry L., Introduction, in: The Marlborough-Godolphin Correspondence, 3 Bde., hrsg. v. Henry L. Snyder, Oxford 1975, Bd. 1, XV–XXXIX.
442
Quellen- und Literaturverzeichnis
Snyder, Henry L., Marlborough and the Reign of Queen Anne: The Status of Current Studies, in: British Studies Monitor 8 (1978), 3 – 15. Snyder, Henry L., Newsletters in England, 1689 – 1715: With Special Reference to John Dyer – A Byway in the History of England, in: Newsletters to Newspapers: Eighteenth Century Journalism, hrsg. v. Donovan H. Bond/Reynolds McLeod, Morgantown, West Virginia 1977, 3 – 19. Snyder, Henry L., Party Configurations in the Early Eighteenth-Century House of Commons, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 45 (1972), 38 – 72. Snyder, Henry L., The Circulation of Newspapers in the Reign of Queen Anne, in: The Library 23 (1968), 206 – 235. Snyder, Henry L., The Diplomatic Service during the Godolphin Minstry, in: Studies in Diplomatic History. Essays in Memory of David Bayne Horn, hrsg. v. Ragnhild Hatton/M. S. Anderson, London 1970, 47 – 68. Snyder, Henry L., The Duke of Marlborough’s Request of his Captain-Generalcy for Life: A Re-Examination, in: Journal of the Society for Army Historical Research 45 (1967), 67 – 83. Snyder, Henry L., The Formulation of Foreign and Domestic Policy in the Reign of Queen Anne: Memoranda by Lord Chancellor Cowper of Conversations with Lord Treasurer Godolphin, in: Historical Journal 11 (1968), 144 – 160. Snyder, Henry L., The Reports of a Press Spy for Robert Harley: New Bibliographical Data for the Reign of Queen Anne, in: The Library 22 (1967), 326 – 345. Sommerville, C. John, The News Revolution in England. Cultural Dynamics of Daily Information, New York/Oxford 1996. Sommerville, Johann P., Lord Churchill, the British Empire, and the Glorious Revolution, in: Reviews in American History 24 (1996), 389 – 394. Sonnino, Paul, The Origins of Louis XIV’s Wars, in: The Origins of War in Early Modern Europe, hrsg. v. Jeremy Black, Edinburgh 1987, 112 – 131. Späth, Eberhard, Facts and Factions: Political Pamphlets of the Time of Queen Anne, in: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 40 (1992), 130 – 140. Speck, W. A., The Birth of Britain. A New Nation 1700 – 1710, Oxford/Cambridge, Mass. 1994. Speck, William, Britain and the Dutch Republic, in: A Miracle Mirrored. The Dutch Republic in European Perspective, hrsg. v. Karel Davids/Jan Lucassen, Cambridge u. a. 1995, 173 – 195. Speck, William, Politics and the Press, in: The Press in English Society from the Seventeenth to the Nineteenth Centuries, hrsg. v. Michael Harris/Alan Lee, London/Toronto 1986, 47 – 63.
Literatur
443
Sperling, Walter, Militärkartographie des Mittelrheins und der Niederlande im 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Geschichte und Kunst des Mittelrheins und seiner Nachbargebiete 22/23 (1970/71), 9 – 32. Stamp, A. E., The Meeting of the Duke of Marlborough and Charles XII. at Altranstadt, April 1707, in: Transactions of the Royal Historical Society, New Ser. 12 (1898), 103 – 116. Stapleton, John, ‚By thes difficultys you may see the great disadvantage a confederat army has‘. Marlborough, the Allies, and the Campaigns in the Low Countries, 1702 – 1706, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotter dam 2012, 144 – 171. Stapleton, Jr., John M., Grand Pensionary at War. Anthonie Heinsius and the Nine Years‘ War, 1689 – 1697, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/Augustus J. Veenendaal, Jr., Den Haag 2002, 199 – 223. Steber, Martina, „But ‚Twas a Famous Victory‘“. Die „Battle of Blenheim“ als britischer Erinnerungsort, in: Augsburg, Schwaben und der Rest der Welt. Neue Beiträge zur Landes- und Regionalgeschichte. FS Rolf Kießling, hrsg. v. Dietmar Schiersner u. a., Augsburg 2011, 395 – 413. Steele, Ian K., The English Atlantic 1675 – 1740. An Exploration of Communication and Community, New York/Oxford 1986. Stein, Janice Gross, Foreign Policy Decision-Making: Rational, Psychological, and Neurological Models, in: Foreign Policy. Theories, Actors, Cases, hrsg. v. Steve Smith/Amelia Hadfield/Tim Dunne, Oxford u. a. 2008, 101 – 116. Steinemann, Ernst, Neutralitäts- und Wirtschaftspolitik der Stadt Schaffhausen zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges, in: Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 21 (1944), 136 – 175. Sternberg, Giora, Epistolary Ceremonial: Corresponding Status at the Time of Louis XIV, in: Past and Present 204 (2009), 33 – 88. Stiening, Gideon, Am „Ungrund“ oder: Was sind und zu welchem Ende studiert man „Poetologien des Wissens“?, in: KulturPoetik 7 (2007), 234 – 248. Stollberg-Rilinger, Barbara, Die Frühe Neuzeit – eine Epoche der Formalisierung?, in: Die Frühe Neuzeit. Revisionen einer Epoche, hrsg. v. Andreas Höfele/Jan- Dirk Müller/Wulf Oesterreicher, Berlin/Boston 2013, 3 – 27. Stollberg-Rilinger, Barbara, Höfische Öffentlichkeit. Zur zeremoniellen Selbstdarstellung des brandenburgischen Hofes vor dem europäischen Publikum, in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte N. F. 7 (1997), 145 – 176.
444
Quellen- und Literaturverzeichnis
Stollberg-Rilinger, Barbara, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Forschungsperspektiven – Thesen, in: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), 489 – 527. Stollberg-Rilinger, Barbara, The Impact of Communication Theory on the Analysis of the Early Modern Statebuilding Processes, in: Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300 – 1900, hrsg. v. Wim Blockmans/André Holenstein/Jon Mathieu, Aldershot 2009, 313 – 318. Stollberg-Rilinger, Barbara, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 127 (2010), 1 – 32. Stollberg-Rilinger, Barbara, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? Einleitung, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hrsg. v. Barbara Stollberg- Rilinger (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 35), Berlin 2005, 9 – 24. Stollberg-Rilinger, Barbara, Zur moralischen Ökonomie des Schenkens bei Hof (17.–18. Jahrhundert), in: Luxus und Integration. Materielle Hofkultur Westeuropas vom 12. bis zum 18. Jahrhundert, hrsg. v. Werner Paravicini, München 2010, 187 – 202. Stollberg-Rilinger, Barbara/André Krischer (Hrsg.), Herstellung und Darstellung von Entscheidungen. Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 44), Berlin 2010. Stolleis, Michael, Pecunia nervus rerum. Zur Staatsfinanzierung in der frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. 1983. Stork-Penning, J. G., Het gedrag van de Staten in 1711, in: Bijdragen voor de Geschiedenis der Nederlanden 18 (1963 – 64), 193 – 229. Stork-Penning, J. G., Het Grote Werk. Vredesonderhanderlingen gedurende de spaanse successie-oorlog 1705 – 1710, Groningen 1958. Stork-Penning, J. G., The Ordeal of the States – Some Remarks on Dutch Politics during the War of the Spanish Succession, in: Acta Historiae Neerlandica 2 (1967), 107 – 141. Storrs, Christopher, British Diplomacy in Switzerland (1689 – 1789) and Eighteenth Century Diplomatic Culture, in: Études de lettres 3 (2010), http://edl. revues.org/266. Storrs, Christopher, The Union of 1707 and the War of the Spanish Succession, in: The Union of 1707. New dimensions, hrsg. v. Stewart J. Brown/Christopher A. Whatley, Edinburgh 2008, 31 – 44. Strasser, Gerhard F., The Rise of Cryptology in the European Renaissance, in: The History of Information Security. A Comprehensive Handbook, hrsg. v. Karl de Leeuw/Jan Bergstra, Amsterdam u. a. 2007, 277 – 325.
Literatur
445
Stuber, Martin/Stefan Hächler/Hubert Steinke, Albrecht von, Hallers Korrespondenznetz. Eine Gesamtanalyse, in: Hallers Netz. Ein europäischer Gelehrtenbriefwechsel zur Zeit der Aufklärung, hrsg. v. Martin Stuber/Stefan Hächler/ Luc Lienhard, Basel 2005, 3 – 216. Studeny, Christophe, L’invention de la vitesse. France, XVIIIe–XXe siècle, Paris 1995. Sundstrom, Roy A., Sidney Godolphin. Servant of the State, Newark, Delaware u. a. 1992. Sutherland, James R., The Circulation of Newspapers and Literary Periodicals, 1700 – 30, in: The Library, Fourth Series, 15 (1934 – 35), 110 – 124. Symcox, Geoffrey, Britain and Victor Amadeus II: Or, the Use and Abuse of Allies, in: England’s Rise to Greatness, 1660 – 1763, hrsg. v. Stephen B. Baxter, Berkeley u. a. 1983, 151 – 184. Szechi, Daniel, 1715: The Great Jacobite Rebellion, New Haven 2006. Szechi, Daniel, Jacobite Politics in the Age of Anne, in: Parliamentary History 28 (2009), 41 – 58. Szechi, Daniel, The Jacobite Movement, in: A Companion to Eighteenth-Century Britain, hrsg. v. H. T. Dickinson, Malden, Mass. u. a. 2002, 81 – 96. Tabacchi, Stefano, L’impossibile neutralità. Il papato, Roma e lo stato della chiesa durante la guerra di successione spagnola, in: Famiglie, nationi e Monarchia. Il sistema europeo durante la Guerra di Successione spagnola, hrsg. v. Antonio Álvarez-Ossorio Alvariño, Rom 2004, 223 – 243. Tacke, Veronika, Formalität und Informalität. Zu einer klassischen Unterscheidung der Organisationssoziologie, in: Formalität und Informalität in Organisationen, hrsg. v. Victoria von Groddeck/Sylvia Marlene Wilz, Wiesbaden 2015, 37 – 92. Tadmor, Naomi, Family and Friends in Eighteenth Century England. Household, Kinship, and Patronage, Cambridge u. a. 2001. Taylor, Frank, The Wars of Marlborough, 1702 – 1709, 2 Bde., Oxford 1921. Teubner, Gunther, Die vielköpfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure höherer Ordnung, in: Emergenz: Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, hrsg. v. Wolfgang Krohn/Günther Küpper, Frankfurt a. M. 1992, 189 – 216. Thiessen, Hillard von, Diplomatie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605 – 1621 in akteurszentrierter Perspektive, Epfendorf/Neckar 2010. Thiessen, Hillard von, Diplomatie vom type ancien. Überlegungen zu einem Ideal typus des frühneuzeitlichen Gesandtschaftswesens, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen/Christian Windler, Köln/Weimar/Wien 2010, 471 – 503. Thiessen, Hillard von, Korruption und Normenkonkurrenz. Zur Funktion und Wirkung von Korruptionsvorwürfen gegen die Günstling-Minister Lerma und
446
Quellen- und Literaturverzeichnis
Buckingham in Spanien und England im frühen 17. Jahrhundert, in: Geld – Geschenke – Politik. Korruption im neuzeitlichen Europa, hrsg. v. Jens Ivo Engels/Andreas Fahrmeir/Alexander Nützenadel, München 2009, 91 – 120. Thiessen, Hillard von/Christian Windler, Einleitung: Außenbeziehungen in akteurszentrierter Perspektive, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen/ Christian Windler, Köln/Weimar/Wien 2010, 1 – 12. Thompson, Andrew C., After Westphalia. Remodelling a Religious Foreign Policy, in: War and Religion after Westphalia, 1648 – 1713, hrsg. v. David Onnekink, Aldershot 2009, 45 – 67. Thompson, Andrew C., Britain, Hanover and the Protestant Interest, 1688 – 1756, Woodbridge 2006. Thompson, Andrew C., The Huguenots in British and Hanoverian External Rela tions in the Early Eighteenth Century, in: The Huguenots. History and Memory in Transnational Context, hrsg. v. David J. B. Trim, Leiden, 2011, 217 – 240. Thompson, J. W./S. K. Padover, Secret Diplomacy. A Record of Espionage and Double-Dealing: 1500 – 1815, London 1937. Thomson, Mark A., Louis XIV and the Grand Alliance, 1705 – 1710, in: William III and Louis XIV. Essays 1680 – 1720 by and for Mark A. Thomson, hrsg. v. Ragnhild Hatton/J. S. Bromley, Liverpool 1968, 190 – 212. Thomson, Mark A., Louis XIV and the Origins of the War of the Spanish Succession, in: William III and Louis XIV. Essays 1680 – 1720 by and for Mark A. Thomson, hrsg. v. Ragnhild Hatton/J. S. Bromley, Liverpool 1968, 140 – 161. Thomson, Mark A., Parliament and Foreign Policy, 1689 – 1714, in: William III and Louis XIV. Essays 1680 – 1720 by and for Mark A. Thomson, hrsg. v. Ragnhild Hatton/J. S. Bromley, Liverpool 1968, 130 – 139. Thomson, Mark A., The Secretaries of State 1681 – 1782, London 1968 (EA 1932). Thomson, Mark A., Louis XIV and William III, 1689 – 1697, in: English Historical Review 76 (1961), 37 – 58. Tischer, Anuschka, Obrigkeitliche Instrumentalisierung der Zeitung im 17. Jahrhundert: die Gazette de France und die französische Politik, in: Die Entstehung des Zeitungswesens im 17. Jahrhundert. Ein neues Medium und seine Folgen für das Kommunikationssystem der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Volker Bauer/Holger Böning, Bremen 2011, 455 – 466. Tomlinson, H. C., Guns and Government. The Ordnance Office under the Later Stuarts, London 1979. Torpey, John C., The Invention of the Passport. Surveillance, Citizenship and the State, Cambridge u. a. 2000.
Literatur
447
Tortarolo, Edoardo, Zensur als Institution und Praxis im Europa der Frühen Neuzeit. Ein Überblick, in: Die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit, hrsg. v. Helmut Zedelmaier/Martin Mulsow, Tübingen 2001, 277 – 294. Townend, G. M., The Political Career of Charles Spencer, Third Earl of Sunderland, 1695 – 1722, Ph. D. Edinburgh 1984. Treasure, Geoffrey, Art. „Cardonnel, Adam de“, in: Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 10, Oxford 2004, 29 f. Trevelyan, G. M., England under Queen Anne, 3 Bde., London 1965. Troost, Wouter, Habsburg and Orange in 1700. Natural Allies?, in: Bourbon – Habsburg – Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, hrsg. v. Christoph Kampmann u. a., Köln/Weimar/Wien 2008, 255 – 266. Turner, Edward Raymond, The Cabinet Council of England, 1622 – 1784, 2 Bde., Baltimore/London/Oxford 1930 – 1932. Tyrell, Hartmann, Zwischen Interaktion und Organisation: Gruppe als Systemtyp, in: ders., Soziale und gesellschaftliche Differenzierung. Aufsätze zur soziolo gischen Theorie, Wiesbaden 2008, 39 – 54. Ulbert, Jörg/Gérard Le Bouedec (Hrsg.), La fonction consulaire à l‘époque moderne. L’affirmation d’une institution économique et politique (1500 – 1700), Rennes 2006. Ulbricht, Otto, Supplikationen als Ego-Dokumente. Bittschriften von Leibeigenen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Beispiel, in: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, hrsg. v. Winfried Schulze, Berlin 1996, 149 – 174. Vaillé, Eugène, De Post der Spaanse Nederlanden onder het opeenvolgend Bestuur von Pajot, Pachter der Posterijen van Frankrijk en van Jaupain, Directeur- Generaal (1701 – 1726), in: Tijdschrift der belgische posterijen 10 (1951), 13 – 24. Vaillé, Eugène, Le cabinet noir, Paris 1950. Van den Haute, Gabryelle, Les relations anglo-hollandaises au début du XVIIIe siècle d’après la correspondance d’Alexandre Stanhope 1700 – 1706, Löwen 1932. Van der Bijl, M., De franse politieke agent Helvetius over de situatie in de Nederlandse Republiek in het jaar 1706, in: Bijdragen en mededelingen van het Historisch Genootschap 80 (1966), 152 – 194. Van Houtte, Jan Albert, Les postes dans les pays-bas méridionaux sous la maîtrise des Tour et Tassis, in: De Post van Thurn und Taxis. La Poste des Tour et Tassis 1489 – 1794, hrsg. v. Luc Janssens/Marc Meurrens, Brüssel 1992, 11 – 20. Van Laak, Dirk, Infra-Strukturgeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), 367 – 393. Van Nimwegen, Olaf, De subsistentie van het leger. Logistiek en strategie van het Geallieerde en met name het staatse leger tijdens de Spaanse Successieoorlog in de Nederlanden en het Heilige Roomse Rijk (1701 – 1712), Amsterdam 1995.
448
Quellen- und Literaturverzeichnis
Van Nimwegen, Olaf, The Dutch Barrier: Its Origins, Creation and Importance for the Dutch Republic as a great power, 1697 – 1718, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/Augustus J. Veenendaal, Jr., Den Haag 2002, 147 – 175. Vaultier, Roger, Espionnage et contre-espionnage au temps de Louis XIV, in: Revue historique de l’armée 12 (1956), 17 – 22. Veenendaal jr., A. J., Inleiding, in: De briefwisseling van Anthonie Heinsius 1702 – 1720, hrsg. v. A. J. Veenendaal jr., Bd. 1, ’s-Gravenhage 1976, VII–XXXIV. Veenendaal, A. J. sr., Het ontslag van William Cadogan als Brits gevolmachtigde te Brussel in 1710, in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden 96 (1981), 475 – 490. Veenendaal, A. J., The Opening Phase of Marlborough’s Campaign of 1708 in the Netherlands. A Version from Dutch Sources, in: History N. S. 35 (1950), 34 – 48. Veenendaal, Augustus J., Marlborough and Anthonie Heinsius. Friends, Colleagues, or just working together for the Common Cause?, in: Marlborough: Soldier and Diplomat, hrsg. v. John B. Hattendorf/Augustus J. Veenendaal/Rolof van Hövell tot Westerflier, Rotterdam 2012, 172 – 191. Veenendaal, Augustus Johannes, Het Engels-Nederlands condominium in de zuidelijke Nederlanden tijdens de Spaansesuccessieoorlog 1706 – 1716. Erste Deel, Utrecht 1945. Veenendaal, Jr., Augustus J., Who is in Charge here? Anthonie Heinsius and his Role in Dutch Politics, in: Anthonie Heinsius and the Dutch Republic 1688 – 1720. Politics, War, and Finance, hrsg. v. Jan A. F. de Jongste/Augustus J. Veenendaal, Jr., Den Haag 2002, 11 – 24. Vernière, Paul, Peut-on parler d’une crise de la conscience européenne?, in: L’età dei Lumi. Studi storici sull settecento europeo in onore di Franco Venturi, Bd. 1, Neapel 1985, 59 – 7 8. Vierhaus, Rudolf, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus (1648 – 1763), 2., durchgesehene Ausgabe, Göttingen 1984. Villiers, Patrick, Les corsaires du Littoral. Dunkerque, Calais, Boulogne de P hilippe II à Louis XIV (1568 – 1713). De la guerre de 80 ans à la guerre de succession d’Espagne, Villeneuve d’Ascq (Nord) 2000. Villiers, Patrick, Les corsaires dunkerquois et la frontière, in: Guerre, frontière, barrière et paix en Flandre, hrsg. v. Olivier Ryckebusch/Rik Opsommer, Ieper 2014, 243 – 251. Virol, Michèle, Savoirs d’ingénieur acquis auprès de Vauban, savoirs prisés par les Anglais?, in: Documents pour l’histoire des techniques (en ligne) 19 (2011), http://dht.revues.org/1263, 35 – 45. Vismann, Cornelia, Akten. Medientechnik und Recht, Frankfurt a. M. 22001.
Literatur
449
Vivo, Filippo de, Information and Communication in Venice. Rethinking Early Modern Politics, Oxford u. a. 2007. Vogel, Jakob, Von der Wissenschaftsgeschichte zur Wissensgeschichte. Für eine Historisierung der ‚Wissensgesellschaft‘, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), 639 – 660. Vogler, Bernard, La dimension religieuse dans les relations internationales en Europe au XVIIe siècle (1618 – 1721), in: Histoire, économie et société 10 (1991), 379 – 398. Von Moos, Peter, Das Öffentliche und das Private im Mittelalter. Für einen kon trollierten Anachronismus, in: Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hrsg. v. Gert Melville/Peter von Moos, Köln/Weimar/Wien 1998, 3 – 83. Walgenbach, Peter, Institutionalistische Ansätze in der Organisationstheorie, in: Organisationstheorien, hrsg. v. Alfred Kieser, Stuttgart 52002, 319 – 353. Walker, James, The Secret Service under Charles II and James II, in: Transactions of the Royal Historical Society, 4th Ser., 15 (1932), 211 – 242. Waquet, Jean-Claude, Verhandeln in der Frühen Neuzeit: Vom Orator zum Diplo maten, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hrsg. v. Hillard von Thiessen/Christian Windler, Köln/ Weimar/Wien 2010, 113 – 131. Warneke, Sara, A Coastal ‚Hedge of Laws‘. Passport Control in Early Modern England, Bendigo 1996. Warner, G. F., An Unpublished Political Paper by Daniel De Foe, in: English Historical Review 22 (1907), 130 – 143. Watson, J. N. P., Marlborough’s Shadow. The Life of the First Earl Cadogan, Barnsley 2003. Watson, Paula/Sonya Wynne, Art. „Cardonnel, Adam de“, in: The History of Parlia ment. The House 1690 – 1715, hrsg. v. Eveline Cruickshanks/Stuart Handley/D. W. Hayton, Bd. 3, Cambridge 2002, 458 – 463. Watzlawick, Paul/Janet H. Beavin/Don D. Jackson, Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Bern/Stuttgart/Toronto 81990. Weber, Hermann, Die französische Rheinpolitik z wischen dem Westfälischen Frieden und dem Renversement des Alliances, in: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt, hrsg. v. Hans-Walter Herrmann/Franz Irsigler, Saarbrücken 1983, 74 – 86. Weber, Johannes, „Die Novellen sind eine Eröffnung des Buchs der gantzen Welt“. Entstehung und Entwicklung der Zeitung im 17. Jahrhundert, in: Als die Post noch Zeitung machte. Eine Pressegeschichte. Eine Publikation des Deutschen Postmuseums, hrsg. v. Klaus Beyrer/Martin Dallmeier, Frankfurt a. M./ Gießen 1994, 15 – 25.
450
Quellen- und Literaturverzeichnis
Weber, Max, Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: ders., Schriften zur Wissenschaftslehre, Stuttgart 1991, 21 – 101. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., rev. Aufl., Tübingen 1985. Weber, Nadir, Zwischen Arkanum und Öffentlichkeit. Der Brief als Medium politischer Kommunikation im 18. Jahrhundert, in: Politische Kommunikation von der klassischen Rhetorik zur Mediendemokratie, hrsg. v. Felix Heidenreich/ Daniel Schönpflug, Berlin 2012, 53 – 73. Weber, Ottocar, Der Friede von Utrecht. Verhandlungen zwischen England, Frankreich, dem K aiser und den Generalstaaten 1710 – 1713, Gotha 1891. Weber, Wolfgang A. J., Pikante Verhältnisse. Verflechtung und Netzwerk in der jüngeren historisch-kulturwissenschaftlichen Forschung, in: Wissen im Netz. Botanik und Pflanzentransfer in europäischen Korrespondenznetzen des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Regina Dauser u. a., Berlin 2008, 289 – 299. Weick, Karl E., Der Prozeß des Organisierens, Frankfurt a. M. 1995 (EA 1969). Weick, Karl E./Kathleen M. Sutcliffe, Managing the Unexpected. Assuring High Performance in an Age of Complexity, San Francisco 2001. Weidner, Tobias, Die Geschichte des Politischen in der Diskussion, Göttingen 2012. Weil, Françoise, Les gazettes manuscrites avant 1750, in: Le journalisme d’ancien Régime. Questions et propositions, hrsg. v. Pierre Retat, Lyon 1982, 93 – 100. Weil, Rachel, A Plague of Informers. Conspiracy and Political Trust in William III’s England, New Haven 2013. Weil, Rachel, Political Passions. Gender, the Family and Political Argument in England 1680 – 1714, Manchester u. a. 1999. Weller, Toni, Information History – An Introduction. Exploring an Emergent Field, Oxford 2008. Welskopp, Thomas, Art. „Strukturgeschichte“, in: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, hrsg. v. Stefan Jordan, Stuttgart 2002, 270 – 273. Welskopp, Thomas, Die Dualität von Struktur und Handeln. Anthony Giddens’ Strukturierungstheorie als „praxeologischer“ Ansatz in der Geschichtswissenschaft, in: Struktur und Ereignis, hrsg. v. Andreas Suter/Manfred Hettling (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 19), Göttingen 2001, 99 – 119. Weltz, Friedrich, Information als Fetisch. Zur Diskussion um die neue Bürotechnik, in: Zeitschrift Führung + Organisation 56 (1987), 355 – 357. Wenzel, Horst, Einleitung: Vom Anfang und vom Ende der Gutenberg-Galaxis. Historische Medienumbrüche im Für und Wider der Diskussion, in: ders., Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, Darmstadt, 2., durchges. Aufl. 2008, 10 – 26.
Literatur
451
West, Nigel, Art. „Marlborough, Duke of“, in: ders., Historical Dictionary of British Intelligence, Lanham, Md. 2005. Wheeler-Holohan, V., The History of the King’s Messengers, Mayfair/London 1935. White, Harrison C., Where Do Markets Come From?, in: American Journal of Sociology 87 (1981), 517 – 547. Whyman, Susan E., The Pen and the People. English Letter Writers 1660 – 1800, Oxford u. a. 2009. Wijn, J. W., Le duc de Marlborough et la coalition anglo-hollandaise (1702), in: Revue internationale d’histoire militaire 3 (1951), 116 – 125. Wild, Joachim, Formen und protokollarische Inszenierung der internationalen Diplomatie der Frühen Neuzeit im Spiegel ihres Schriftguts, in: Geschichte „in die Hand genommen“. Die Geschichtlichen Hilfswissenschaften z wischen historischer Grundlagenforschung und methodischen Herausforderungen, hrsg. v. Georg Vogeler, München 2005, 245 – 257. Wilke, Jürgen, Korrespondenten und geschriebene Zeitungen, in: Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit (1600 – 1750), hrsg. von Johannes Arndt/Esther-Beate Körber, Göttingen 2010, 59 – 72. Williams, Abigail, Patronage and Whig Literary Culture in the Early E ighteenth Century, in: „Cultures of Whiggism“: New Essays on English Literature and Culture in the Long Eighteenth Century, hrsg. v. David Womersley, Newark 2005, 149 – 172. Williams, Abigail, Poetry and the Creation of a Whig Literary Culture, 1681 – 1714, Oxford 2009. Wilson, Peter H., The Politics of Military Recruitment in Eighteenth-Century Germany, in: English Historical Review 117 (2002), 536 – 568. Windler, Christian, Normen aushandeln. Die französische Diplomatie und der muslimische „Andere“ (1700 – 1840), in: Ius Commune 24 (1997), 171 – 210. Winkler, Karl Tilman, Wörterkrieg. Politische Debattenkultur in England 1689 – 1750, Stuttgart 1998. Winn, James Anderson, Queen Anne: Patroness of Arts, Oxford 2014. Wolf, Armin, Geographie und Jurisprudenz – Historia und Genealogie. Zum „Theatrum praetensionum … in Europa“, in: Ius Commune 14 (1987), 227 – 249. Worden, Blair, Favourites on the English Stage, in: The World of the Favourite, hrsg. v. J. H. Elliott/L. W. B. Brockliss, New Haven, Conn. u. a. 1999, 160 – 183. Wunder, Bernd, Die bayrische „Diversion“ Ludwigs XIV. in den Jahren 1700 – 1704. Kurbayern, Schwaben und Franken zwischen Habsburg und Bourbon zu Beginn des spanischen Erbfolgekrieges, in: Zeitschrift für bayerische Landes geschichte 37 (1974), 416 – 478.
452
Quellen- und Literaturverzeichnis
Wunder, Heide, Überlegungen zum Wandel der Geschlechterbeziehungen im 15. und 16. Jahrhundert aus sozialgeschichtlicher Sicht, in: Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit, hrsg. v. Heide Wunder/ Christine Vanja, Frankfurt a. M. 21993, 12 – 26. Würgler, Andreas, Medien in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 85), München 2009. Würgler, Andreas, Voices from among the ‚Silent Masses‘. Humble Petitions and Social Conflicts in Early Modern Central Europe, in: International Review of Social History 46 (2001), Supplement 9, 11 – 34. Yardeni, Myriam, The Birth of Political Consciousness among the Huguenot Refugees and their Descendants in England (c. 1685 – 1750), in: From Strangers to Citizens. The Integration of Immigrant Communities in Britain, Ireland and Colonial America, 1550 – 1750, hrsg. v. Randolph Vigne/Charles Littleton, Brighton u. a. 2001, 404 – 411. Zedelmaier, Helmut, Buch, Exzerpt, Zettelschrank, Zettelkasten, in: Archivprozesse. Die Kommunikation der Aufbewahrung, hrsg. v. Hedwig Pompe/Leander Scholz, Köln 2002, 38 – 53. Zedinger, Renate, Die Verwaltung der Österreichischen Niederlande in Wien (1714 – 1795). Studien zu den Zentralisierungstendenzen des Wiener Hofes im Staatswerdungsprozeß der Habsburgermonarchie, Köln/Weimar/Wien 2000. Zernack, Klaus, Das Zeitalter der Nordischen Kriege von 1558 bis 1809 als frühneuzeitliche Geschichtsepoche, in: Zeitschrift für historische Forschung 1 (1974), 55 – 79. Zwierlein, Cornel, Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland, Göttingen 2006.
7 Personenregister Das Personenregister erfasst Erwähnungen im Text des Buches, nicht aber in den Anmerkungen. John Churchill, Herzog von Marlborough, ist nicht in das Register aufgenommen, weil er auf nahezu jeder Seite erwähnt wird.
A Addison, Joseph 82, 170, 359 Alègre, Yves d’ 57 Alonne, Abel Tasien d’ 169 Alsop, J.D. 88, 279, 284 Anne (Königin von England und Schottland, ab 1707 von Großbritannien) 11, 19, 29 – 31, 36, 46, 54, 58, 64, 66 – 69, 72 – 83, 85 f., 99, 110 f., 117, 124, 140, 145, 151 f., 156 f., 161 f., 165 f., 189, 191, 196, 225 f., 231, 277, 289, 291, 329, 336, 343, 358, 361, 363 – 365, 370 Arsellières (Gaspard Perrinet, Marquis d’Arsellières) 192, 344 f.
Blencowe, William 39, 165 – 170, 237, 246 f., 249 Blödner, Cyriacus 142 Bonnac ( Jean-Louis d’Usson, Marquis de Bonnac) 247 Boufflers, Louis-François de 210 Boyer, Abel 369 Boyle, Henry 139, 154, 199, 263, 284, 330 Brendecke, Arndt 26, 337 Broughton, George 194 Brydges, James 67, 155, 360 Bucholz, Robert O. 30 Burke, Peter 35 Burton, Ivor 365
B
C
Basnage, Jacques 258 Bauwens, J. 134 Bayle, Pierre 253 Bayly, C.A. 26 Behringer, Wolfgang 90 Bély, Lucien 15, 19, 31, 39, 109, 221, 278, 312 Bergeyck ( Jan van Brouchoven, Graf von Bergeyck) 51, 167 Berwick ( James Fitzjames, Herzog von Berwick) 59, 219 Black, Jeremy 163 Blathwayt, William 259 f., 263, 344
Cadogan, William 67, 108 – 110, 155, 182, 196 – 199, 201 f., 205, 218, 229, 237, 269, 290, 300, 360 Caillaud, Etienne 38, 107, 123, 154, 157, 159, 169, 173, 217, 240, 251 – 276, 278, 280 – 283, 286 f., 299 f., 315, 319 f., 326, 334, 336, 342 – 344, 355, 374, 376 Callières, François de 187, 195 Cardonnel, Adam de 40, 102 f., 108 – 111, 124, 126 f., 134, 144, 152, 154, 172, 178 f., 184, 199, 208, 220 f., 223 f., 236 f., 244 – 246, 249, 259, 261, 263, 265, 269, 280, 283, 292 f., 297, 300, 315, 360, 365
454
Chamillart, Michel de 161, 221, 239 Chanclos, Denis François de Retz de 201 Chetwynd, John 193 Churchill, Winston 30, 105, 272 Clausewitz, Carl von 320 Colmenero, Graf von 325 f. Cotton, Robert s. Postmasters General Coxe, William 40 Craggs, James 80 Cutts, John 259
D Danckelmann, Eberhard von 226 Darnton, Robert 33 Davenant, Henry 162, 192, 198, 207 De Leeuw, Karl 234, 246 Defoe, Daniel 13, 62, 83, 98, 148 f., 159, 161, 267, 290 f., 314, 359, 366 Delbrück, Hans 49 Dewald, Jonathan 171 Dopff, Daniel Wolff van 205 Dretske, Fred 34 Drummond, John 159, 217, 279 f. Duchhardt, Heinz 61 Dummer, Edmund 139 Dyer, John 295, 355
E Ellis, John 154, 175, 177, 259 Erlach, Hieronymus von 207 Eugen (Prinz Eugen von Savoyen) 28, 44, 51, 60, 190, 204, 214 f., 221, 326 Evelyn, John 45, 65, 121
Personenregister
F Fassmann, David 367 Feldman, Martha S. 306, 308 f. Flotard, David 282 f., 285 Fonseca, John de 151, 173, 181 – 186, 211, 276, 299 Foucault, Michel 141 Frankland, Thomas s. Postmasters General Friedrich I. von Preußen 226 – 231
G Gallas, Johann Wenzel von 136, 217 Georg I. von England 181, 219, 264 Godolphin, Sidney 30, 39, 52 f., 64, 66 – 68, 75 – 7 7, 81 f., 85 f., 105, 110, 112, 114, 123, 129 f., 132 f., 137 – 139, 145, 151 f., 154, 156, 158, 162, 164, 177 – 179, 191, 193, 222 f., 225, 231, 236, 290, 297, 314, 317, 323 f., 333, 337, 343, 355, 360 – 363 Goslinga, Sicco van 63 Gregg, Edward 30 Gregg, William 161, 247 Grumbkow, Friedrich Wilhelm von 38, 211, 225, 227 – 232, 287, 290, 344
H Habermas, Jürgen 26, 288 Hamilton, Hugo Johan 347 Hare, Francis 108, 292, 354 Harley, Robert 39, 62, 66, 75 – 7 7, 81 – 85, 98, 110 f., 121, 128 – 130, 133, 148, 150, 153 – 162, 170, 177, 183 – 186, 247, 267, 280, 283, 293 f., 296, 329 f., 333 f., 352 – 355, 361 f., 370 Hattendorf, John 20, 29 f.
455
Personenregister
Haversham ( John Thompson, Baronet Haversham) 294, 329 Hedges, Charles 115, 152 – 154, 175, 257, 279 Heinsius, Anthonie 39, 44, 58, 105, 164, 169, 190 f., 211, 214 – 219, 222, 237, 250, 252, 254, 256, 260, 281, 317, 324, 348, 355 f. Helvetius, Adriaan 266 Hermelin, Olof 238 Hill, Richard 193 Hohendorff, Georg Wilhelm von 347 Holmes, Geoffrey 29
I Ilgen, Heinrich Rüdiger von 226, 228
J Jakob II. von England 45, 63, 65 f. James Francis Edward Stuart 45 f., 185, 335 Jaupain, François 12 – 14, 16, 39, 107, 131 – 133, 157, 161, 166, 173, 178, 197, 199 – 201, 219, 232 – 251, 253, 262, 268, 275 f., 281, 286 f., 293, 299 f., 315, 336, 344, 355 Jones, J.R. 30 Joseph Ferdinand von Bayern 43, 47 Joseph I. (Kaiser) 51 f., 56, 58, 68, 136, 161, 192, 233 Jurieu, Pierre 253 – 258, 260, 263, 270 f.
K Karl II. von England 63, 99 Karl II. von Spanien 42 f., 46 Karl III./VI. (Erzherzog Karl, später Karl III. von Spanien, dann Kaiser Karl VI.) 43, 58, 234 f., 239
Karl XII. von Schweden 51, 167, 192, 217, 224 f., 230, 247 f., 281, 336 Kempe, Michael 316 – 318, 320, 338 Knights, Mark 73 Körber, Esther-Beate 162 Koselleck, Reinhart 26 Kugeler, Heidrun 27, 79
L Lamberty, Guillaume de 258 f. Lang, John 283 Lawes, John 107, 155, 157, 169 f., 173, 184, 186, 195 – 203, 237 f., 240, 251, 286, 300, 328, 352 f., 355 Leopold I. (Kaiser) 42 – 44, 46, 51, 55, 65 Lewis, Erasmus 264 Ludwig von Baden (Markgraf ) 146, 192, 207 Ludwig XIV. 28, 42 – 48, 53 f., 58, 121, 218, 221, 241 f., 248 – 251, 273, 337, 346 Luhmann, Niklas 21, 37, 92 f., 285, 301, 313, 372 Luttrell, Narcissus 132
M Macky, John 103, 120 – 122, 132 – 136, 138 – 140, 151, 154, 157, 173 – 186, 211, 233, 252, 268, 276, 283, 286, 299 Malknecht, Alois Freiherr von 167, 200 f., 241 f., 246, 249, 251 Manchester (Charles Edward Montagu, Herzog von Manchester) 257, 270 f. March, James 306, 308 f. Marlborough, Herzogin von (Sarah Churchill) 64, 66, 77, 79 – 81, 86, 106, 110 f., 114, 117, 137, 139, 152, 156, 158, 164, 292, 294, 317, 354 f., 358 Marmande, Jacob a Cere 258 – 260
456
Marsin, Ferdinand de 221 Martine, Daniel de 271 – 275 Max Emanuel von Bayern 50 f., 61, 144 f., 167, 200, 218, 236, 239 – 242, 245, 247, 249, 268, 355 Maynwaring, Arthur 292 Merton, Robert K. 302, 313, 324, 372 Methuen, Paul 344 Metzdorf, Jens 30 Miremont (Armand de Bourbon, Marquis de Miremont) 282 Mittelstraß, Jürgen 34 Monasterol (Ferdinand Solar, Graf von Monasterol) 163, 238, 243 Murray, George 39
N Naudin (Familie) 142 Nerinx 277 Northey, Edward 165 Nottingham (Daniel Finch, Earl of Nottingham) 149, 152 f., 254, 260, 277
O Ong, Walter J. 37 Onnekink, David 251 Ormonde ( James Butler, Herzog von Ormonde) 365 Ouwerkerk (Hendrik van NassauOuwerkerk) 143 Oxenstierna, Bengt 348
P Pajot, Léon 131, 233 f., 245 f. Penn, William 77 Peter der Große 192 Petkum, Hermann 58, 167, 218, 248 – 250
Personenregister
Philipp II. von Spanien 351 Philipp V. von Spanien (zuvor Philipp von Anjou) 43 – 45, 51, 60, 131, 233, 242, 250, 274 f. Plantamour, Philip 225 Postmasters General 118 – 120, 124, 127, 130 – 135, 138, 157, 174, 176, 178, 183, 185, 296 Poulett, John, Earl of 364 Pretender s. James Francis Edward Stuart Prior, Matthew 180
R Raby (Thomas Wentworth, Earl of Strafford, Baron Raby) 226 – 230, 325 Ranke, Leopold von 69 Reinhard, Wolfgang 345 Renard, Louis 102, 280 f. Robethon, Jean de 38 f., 162, 192, 211, 217, 219 – 225, 229 f., 238, 248, 257, 287, 299 f., 336 Rooke, George 149 Roosen, William 47, 317 Rouillé , Pierre 163, 167, 218, 247 – 250
S Saint-Simon (Louis de Rouvroy, Herzog von Saint-Simon) 272 Schilling, Heinz 48 Shrewsbury (Charles Talbot, Herzog von Shrewsbury) 139, 177, 181, 255 Slack, Paul 32 Slingelandt, Simon van 216 Snyder, Henry L. 30, 159 Sophie von Hannover (Kurfürstin von Braunschweig-Lüneburg) 177
457
Personenregister
St. John, Henry 52, 154 f., 196, 280, 294, 330 Stanyan, Abraham 207 Stepney, George 144, 163, 177, 196, 198 Stieler, Kaspar 295 Stollberg-Rilinger, Barbara 343 Sunderland (Charles Spencer, Earl of Sunderland) 38, 81 f., 84, 115, 153 – 160, 165 f., 170, 179, 182 – 185, 189, 194 f., 198 – 200, 202 f., 236 – 241, 246, 251, 253, 260, 263, 266, 269 – 272, 276 f., 284, 296, 315, 319, 328, 330, 334, 337, 343, 352 – 355 Sweet, Benjamin 102, 261, 280 Swift, Jonathan 57, 59, 155, 362, 367
T Tallard (Camille d’Hostun, Herzog von Tallard) 161 Thiessen, Hillard von 19, 22, 25, 90 Thomas, Jean 145 – 147 Thurn und Taxis (Familie) 119, 131, 136, 166, 233, 235, 237 Tilson, George 292 Torcy, Jean-Baptiste Colbert de 201, 219, 248 – 250, 252, 331 Townshend, Charles 189, 216 Turenne (Henri de La Tour d’Auvergne, vicomte de Turenne) 63 Tutchin, John 294
V van der Poel, Jacob 104, 124 – 126, 128 f., 134, 137 Vauban, Sébastien Le Prestre de 145, 147 Vendôme (Louis II. Joseph de Bourbon, Herzog von Vendôme) 144, 243
Vernon, James 122, 175, 255, 257, 259, 283 Vianen, Jan van 143 Villars, Claude-Louis-Hector de 60, 144 Voltaire 69, 214
W Wallis, John 165 Walpole, Robert 80, 140, 362 Walsingham, Francis 316 f. Ward, Edward 359 Wartenberg, Catharina von 226 Wartenberg, Johann Kasimir Kolbe von 226 – 230 Watkins, Henry 107 f., 111, 280 Weber, Max 92 Weise, Christian 141 Wicquefort, Abraham de 187 Wilhelm III. von England 43 – 45, 47, 54, 56, 63 f., 67, 72, 78 f., 101, 129, 145 f., 165, 174, 214, 217, 219, 254, 257, 366 Winn, James Anderson 30
Z Zwierlein, Cornel 321
ANNETTE GERSTENBERG (HG.)
VERSTÄNDIGUNG UND DIPLOMATIE AUF DEM WESTFÄLISCHEN FRIEDENSKONGRESS HISTORISCHE UND SPRACHWISSENSCHAFTLICHE ZUGÄNGE
Münster und Osnabrück waren in den Jahren von 1643 bis 1648 Schauplätze bedeutender europäischer Verhandlungen. Räumlich und zeitlich entstand hier ein »Verdichtungsraum«, in dem sich die kommunikativen Formen der Diplomatie nicht nur abbildeten, sondern neu konfigurierten. Dieser Dynamik widmen sich die Beiträge des Bandes. Sie beleuchten aus Sicht eng aufeinander bezogener historischer und linguistischer Teildisziplinen in quellennahen Analysen Stand und Entwicklung der sprachlichen Ausdrucksformen auf dem Westfälischen Friedenskongress: die Rolle der Einzelsprachen und ihre Konkurrenz, Entstehungsbedingungen und Erschließung der Quellen und die Funktionen ihrer sprachlichen Gestaltung. 2014. 298 S. 4 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-21004-5
böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
EXTERNA GESCHICHTE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN IN NEUEN PERSPEK TIVEN HERAUSGEGEBEN VON ANDRÉ KRISCHER, BARBARA STOLLBERG-RILINGER, HILLARD VON THIESSEN UND CHRISTIAN WINDLER
BD. 1 | HILLARD VON THIESSEN, CHRISTIAN WINDLER (HG.) AKTEURE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN NETZWERKE UND INTERKULTURA LITÄT IM HISTORISCHEN WANDEL 2010. VIII, 546 S. 6 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-20563-8
BD. 4 | CORINA BASTIAN VERHANDELN IN BRIEFEN FRAUEN IN DER HÖFISCHEN DIPLOMATIE DES FRÜHEN 18. JAHRHUNDERTS 2013. 497 S. GB. | ISBN 978-3-412-21042-7
BD. 2 | EVA KATHRIN DADE MADAME DE POMPADOUR DIE MÄTRESSE UND DIE DIPLOMATIE 2010. X, 338 S. GB. ISBN 978-3-412-20480-8 BD. 3 | MATTHIAS KÖHLER STRATEGIE UND SYMBOLIK VERHANDELN AUF DEM KONGRESS VON NIMWEGEN 2011. XII, 531 S. GB. ISBN 978-3-412-20771-7
BD. 5 | CORINA BASTIAN, EVA KATHRIN DADE, HILLARD VON THIESSEN, CHRISTIAN WINDLER (HG.) DAS GESCHLECHT DER DIPLOMATIE GESCHLECHTERROLLEN IN DEN AUSSENBEZIEHUNGEN VOM SPÄTMITTELALTER BIS ZUM 20. JAHRHUNDERT 2014. 316 S. 2 S/W-ABB. GB
HC575
ISBN 978-3-412-22198-0
böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
EXTERNA GESCHICHTE DER AUSSEN BEZIEHUNGEN IN NEUEN PERSPEK TIVEN BD. 8 | CHRISTINA BRAUNER KOMPANIEN, KÖNIGE UND CABOCEERS INTERKULTURELLE DIPLOMATIE AN GOLD- UND SKLAVENKÜSTE IM 17. UND 18. JAHRHUNDERT 2015. 670 S. 9 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-22514-8
BD. 6 | TILMAN HAUG UNGLEICHE AUSSENBEZIEHUNGEN UND GRENZÜBERSCHREITENDE PATRONAGE DIE FRANZÖSISCHE KRONE UND DIE GEISTLICHEN KURFÜRSTEN (1648–1679) 2015. 540 S. GB. | ISBN 978-3-412-22360-1 BD. 9 | TILMAN HAUG, NADIR WEBER, CHRISTIAN WINDLER (HG.) PROTEGIERTE UND PROTEKTOREN ASYMMETRISCHE POLITISCHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN PARTNERSCHAFT UND DOMINANZ (16. BIS FRÜHES 20. JAHRHUNDERT) 2016. 527 S. 8 S/W-ABB. GB. BD. 7 | NADIR WEBER LOKALE INTERESSEN UND GROSSE STRATEGIE DAS FÜRSTENTUM NEUCHÂTEL UND DIE POLITISCHEN BEZIEHUNGEN DER KÖNIGE VON PREUSSEN (1707–1806) 2015. 656 S. 4 S/W-ABB. GB.
HC575
978-3-412-22451-6
ISBN 978-3-412-50535-6 BD. 10 | MATTHIAS POHLIG MARLBOROUGHS GEHEIMNIS STRUKTUREN UND FUNKTIONEN DER INFORMATIONSGEWINNUNG IM SPANISCHEN ERBFOLGEKRIEG 2016. 458 S. GB. | ISBN 978-3-412-50550-9
böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
ROBERT REBITSCH
DIE ENGLISCH-NIEDERLÄNDISCHEN SEEKRIEGE
Die Englisch-Niederländischen Seekriege waren Konfrontationen zwischen der aufstrebenden Seemacht England und der etablierten Seemacht der Niederlande. Die großen Schlachten ereigneten sich im Ärmelkanal und in der Nordsee, die Nebenschauplätze des Krieges sind im Mittelmeer, an der Westküste Afrikas, in der Karibik und in Südostasien zu finden. Diese Seekriege wurden in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft bisher kaum behandelt. Es gibt keine moderne deutschsprachige Monographie zu dieser Thematik und sie finden in Handbüchern zur europäischen Geschichte des 17. Jahrhunderts kaum Erwähnung. Es ist das Ziel des vorliegenden Werkes die Kontrahenten der Kriege vorzustellen, die politischen, ökonomischen sowie konfessionell-ideologischen Rahmenbedingungen darzulegen, die einzelnen Ursachen und Motive für die Kriege aufzuzeigen, militärische Kapazitäten sowie Strategie und Taktik der Seekriegsführung zu erläutern, den Verlauf der Kriege zu beschreiben und ebenso auf die Auswirkungen und Konsequenzen der bewaffneten Konflikte einzugehen. 2014. 375 S. 2 S/W ABB. GB. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-205-79470-7
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
THOMAS LAU
DIE KAISERIN. MARIA THERESIA
Im Alter von nur 23 Jahren war Maria Theresia (1717–1780) wie aus dem Nichts auf der europäischen Bühne erschienen und vieles sprach dafür, dass sie sie genauso rasch wieder verlassen würde. Das Haus Habsburg stand vor dem Bankrott. Nur wenn es sich wandelte, würde es fortbestehen können. Maria Theresia verkörperte diesen Wandel – im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder neu und immer wieder anders wusste sie über 40 Regierungsjahre hinweg ihre Person wie ihren werdenden Staat den neuen Zeitansprüchen anzupassen. Versatzstücke alter Rollenbilder wurden von ihr neu arrangiert und weiblich uminterpretiert. Der Historiker Thomas Lau zeigt Maria Theresia als Königin und Kaiserin, als Mutter des Vaterlands und von sechzehn Kindern, als Ehefrau und Witwe, als Reformerin und fromme Tochter der Heiligen Mutter Kirche, als kalte Ingenieurin der Macht und als vermeintlich schwache Frau. Eine kundige, gut erzählte Biographie über die einzige weibliche Regentin in der habsburgischen Geschichte und eine der herausragenden Herrscherpersönlichkeiten der Neuzeit. 2016. 432 S. 23 FARB. ABB. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-205-79421-9
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
K ARL VOCELK A
DIE FAMILIEN HABSBURG UND HABSBURG-LOTHRINGEN POLITIK – KULTUR – MENTALITÄT
Diese kompakte Geschichte ist für Leser bestimmt, die sich schnell Information zu den Habsburgern verschaffen wollen. Die politische Rolle der Familie in weiten Teilen Europas, aber auch ihre menschlichen Situationen und Konflikte werden kurz dargestellt. Nach einer Einführung in ihre Geschichte als Herrscher im Heiligen Römischen Reich und der Habsburgermonarchie widmet sich der Band auch den spanischen Habsburgern, den Nebenlinien in Italien und der Position der nicht regierenden Männer, Frauen und Kinder der Habsburger. Zwei weitere Teile sind der Mentalität der Familie und den kulturellen Leistungen der Dynastie gewidmet. Erziehung, Sendungsbewusstsein, Frömmigkeitsverhalten und Jagdleidenschaft sind ebenso Themen dieses Buches wie Repräsentation und Propaganda, Schlösser und Gärten, Feste und Sammlungen der Familie. 2010. 243 S. GB. 1 KARTE, 3 STAMMBÄUME 135 X 210 MM. ISBN 978-3-205-78568-2
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, 1010 wien. t : + 43(0)1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar