Markus 13 und die Apokalyptik 9783666538070, 3525538073, 9783525538074


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Markus 13 und die Apokalyptik
 9783666538070, 3525538073, 9783525538074

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Egon Brandenburger Markus 13 und die Apokalyptik

EGON BRANDENBURGER

Markus 13 und die Apokalyptik

G Ö T T I N G E N · VANDENHOECK & R U P R E C H T · 1984

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 134. Heft der ganzen Reihe

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Brandenburger,

Egon:

Markus 13 [dreizehn] und die Apokalyptik / Egon Brandenburger. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 1984. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments ; Η. 134) ISBN 3-525-53807-3 KE: G T

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der V G Wort © Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984 - Printed in Germany. O h n e ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Güttingen

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im September 1982 abgeschlossen. Sie kann nun aufgrund eines Zuschusses der V G W O R T gedruckt werden. Neuere Literatur wurde in begrenztem Umfang noch berücksichtigt. Beim Exegeten-Treffen Rhein-Main hatte ich inzwischen Gelegenheit, die Ergebnisse der Untersuchung einem größeren Kreis von Kollegen vorzustellen. Karlheinz Müller (Würzburg) hatte das Korreferat übernommen und dafür die Mühe nicht gescheut, schon vorab eine Kopie des Manuskripts zu lesen. Da ich in der Untersuchung unbegangene Pfade beschritten habe und die Methodik sowie die Ergebnisse zur gewohnten Kommentierung reichlich quer liegen, habe ich mich über die Zustimmung etlicher Kollegen - im Korreferat und in der Diskussion besonders gefreut. Natürlich konnte und kann die Frage nicht ausbleiben, warum ich die Ergebnisse - von einigen Hinweisen abgesehen - nicht zum Markusevangelium insgesamt in Beziehung gesetzt habe. Diese Zurückhaltung hat zwei Gründe. Zum einen bietet die ungewohnte Interpretation von Markus 13 Diskussionsstoff zur Genüge; sie sollte unabhängig überprüft werden und von weitergehenden Überlegungen zunächst freibleiben. Zum anderen möchte ich über das Verhältnis von Markus 13 zum Evangelium insgesamt etwas mehr Zeit zum Nachdenken haben. Uber die Zugehörigkeit habe ich keine Zweifel. Hinzuweisen wäre nicht nur auf ein Einzelmotiv wie M k 14,62. Vor allem sind die engen Sachbezüge zur markinischen Komposition in 8 , 2 7 - 9 , 1 von Bedeutung; dies um so mehr, wenn man dieser Komposition eine Schlüsselfunktion für das Verständnis des Evangeliums im ganzen zuerkennt. Die darüber hinaus nächstliegenden Beziehungen sind in der Gleichnisrede (Mk 4) gegeben. Das schwierigste Problem dürfte darin bestehen, Markus 13 zum Thema der bereits zur Erfüllung gekommenen Zeit beziehungsweise zum unmittelbaren Andringen der Königsherrschaft Gottes (1,15) sowie zu den Erzählungen von der Epiphanie des Gottessohnes in Beziehung zu setzen. Ist Markus 13 fester Bestandteil des Gesamtwerkes und ist die vorliegende Untersuchung im Recht, muß das Markusevangelium vom apokalyptisch-testamentarischen Abschluß des Wirkens Jesu vor der Pas-

6

Vorwort

sionsgeschichte her nochmals neu gelesen und unter Umständen neu interpretiert werden. Den beiden Herausgebern danke ich für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe der „Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments", Wolfgang Schräge speziell auch für einige freundliche Hinweise. Die Assistenten Dietrich-Alex Koch und Wolfgang Weiß haben das Manuskript durchgesehen. Herrn Weiß gilt mein Dank insbesondere für die Arbeit an den Registern und die Mithilfe bei den Korrekturen. Georgenborn, im November 1983

Egon Brandenburger

Inhalt 1. Zur Einführung

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2. Form und Struktur von Markus 13

13

3. Das Problem einer Vorlage von Markus 13

21

3.1 Zum Stand der Diskussion 3.2 Kritische Analyse von Rekonstruktionstypen 3.2.1 Die ältere literarkritisch und formgeschichtlich begründete These 3.2.2 Die redaktionsgeschichtlich beeinflußte Hypothese Exkurs: Zur Zuordnung von V. 10 3.2.3 Der nachkritische Rekonstruktionsversuch 3.3 Fazit 4. Situation und theologische Konzeption der Vorlage 4.1 4.2 4.3 4.4

Motive, Gattung, Aufbau Zeit und Ort der Vorlage Der Standort des Verfassers Die apokalyptische Konzeption der Vorlage in ihren Etappen 4.4.1 Die Gegenwart als Anfang der Wehen: V. 7 f 4.4.2 Die hereinbrechende große Drangsal: V. 14-20 4.4.3 Die Heilswende: V. 24-27 4.5 Der Trägerkreis und seine Menschensohntheologie

21 22 22 25 30 35 41 43

. .

5. Komposition und theologische Konzeption der Markus-Redaktion 5.1 Der Standort des Markus: in der Geschichte und im Textverlauf . Exkurs: Zur Antichrist-Deutung in Markus 13 5.2 Die leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben 5.2.1 Die Leitfragen des Schulgesprächs (V. 3 f.) und ihre Beantwortung in V. 5-27 5.2.2 Apokalyptische Lehre im zweiten Teil des Schulgesprächs: V. 28-32 5.2.3 Die Paränese des Schulgesprächs: V. 33-36 Exkurs: Das apokalyptische Prophetenamt, das Gericht und das Recht 5.3 Die Einschübe im Geschichtsabriß: V. 5b-6. 9-13. 21-23

43 46 47 47 47 49 54 65

74 75 83 87 95 104 125 131 147

Inhalt

8

6. Anhang 6.1 Übersicht über Form und Struktur von Markus 13 6.2 Ubersicht über Vorlage, Tradition und Redaktion in Markus 13 .

163 164 166

Literaturverzeichnis

168

Stichwortregister

173

Stellenregister

175

1. Zur Einführung Markus 13 erweist sich in der Auslegung nach wie vor als ein sperriger und schwer zu bewältigender Textkomplex. Es ist darum nicht verwunderlich, daß die Ergebnisse der Auslegungen weit auseinanderliegen und die verschiedenen Deutungen sehr umstritten sind. Schon bei der Methodik, die bei der Entschlüsselung dieses Textkomplexes zur Anwendung kommt, lassen sich gravierende Unterschiede feststellen. Um so mehr fällt bei der Durchsicht der umfangreichen Literatur zu Markus 13 folgendes auf. Die Ergebnisse und schon die Methodik der Untersuchungen und Kommentierungen mögen noch so verschieden sein - einig sind sie sich dennoch in einem: Die Apokalyptik wird fast nirgends positiv für die Interpretation in Anspruch genommen. Natürlich wird auf sogenannte apokalyptische Bilder oder Symbole und auf apokalyptische Einzelmotive, vornehmlich bei den Vv. 7 f. 12. 24-27, hingewiesen. Auch das entsprechende Stellenmaterial aus der frühjüdischen Apokalyptik wird vermerkt, zumeist mit Hilfe der älteren Sekundärliteratur (Volz, Bousset etc.). In der Sache aber, für die Interpretation tragen solche Hinweise merkwürdig wenig, häufig überhaupt nichts aus. Mit der Wertung „Bilder" oder „Symbole" hat man sich in der Regel der Sachfrage schon mehr oder weniger verborgen entledigt. Aufs Ganze gesehen kann man konstatieren: Wir haben mit Markus 13 einen Textkomplex vor uns, in dem nicht nur gehäuft apokalyptische Motive, sondern - wie ich meine - auch das Ganze bestimmende apokalyptische Gattungsmerkmale und Denkmuster vorliegen. Dennoch besteht die Kunst der Exegese in der Regel darin, zu behaupten oder zu suggerieren, daß der Text im wesentlichen mit der Apokalyptik nichts gemein habe. Es dürfte keine unsachgemäße Unterstellung sein, wenn man bei solcher Beurteilung theologisch motivierte Voraussetzungen und Abwehrhaltungen im Spiel sieht. Historisch-kritische Exegese jedenfalls wird bemüht sein müssen, sich möglichst von solchen Voraussetzungen freizuhalten. Textinterpretation mit verborgenen systematisch-theologischen oder hermeneutischen Interessen, die sich die historische Realität derart vom Leibe hält, wird gewiß dort nicht sehen können, wo sie die Augen verschließt. Die angedeuteten Abwehrhaltungen könnten schon da virulent sein, wo man zu bestreiten sucht, daß es sich in Markus 13 um eine Apoka-

10

Zur Einführung

lypse handelt 1 . Sie sind gewiß da im Spiel, wo man der Phänomene mit der aus späterer Dogmatik oder Hermeneutik gewonnenen Unterscheidung von eschatologisch-geschichtlich und apokalyptisch-kosmisch Herr zu werden versucht 2 . Zum Inventar der geläufigen Exegese gehört geradezu die ständige Versicherung, in Markus 13 sowie in anderen (frühen) urchristlichen Texten sei die bunte Vorstellungsbreite jüdisch-apokalyptischer Texte stark reduziert. Das ist aufs Ganze gesehen eine richtige Beobachtung. Die Frage bleibt allerdings, wie eine solche Textlage zu bewerten ist und was jene richtige Beobachtung in der Sache auszutragen vermag. Denn erstens bedürfen Texte wie Markus 13 oder Apokalypse Johannes, um nur die auffallendsten zu nennen, als solche einer überzeugenden Erklärung. Mit Schlagworten wie „Reapokalyptisierung" (auch „Rejudaisierung") oder „frühkatholisch" ist in der Sache noch nichts gewonnen und manches, was sorgsam zu bedenken wäre, eher schon abgeblendet. Zweitens wird darauf zu achten sein, daß mit der beobachteten Reduzierung der bunten Vorstellungswelt traditioneller Apokalyptik nicht implizit ein Werturteil verbunden wird. Denn meist wird auf der Grundlage der beobachteten Reduzierung unvermittelt suggeriert oder behauptet, urchristliche Texte hätten deshalb mit Apokalyptik wenig oder im wesentlichen gar nichts zu tun. Solches Schlußverfahren ist im übrigen von der Qualität des - in umgekehrter Richtung verlaufenden - Arguments, ein Omnibus sei kein Automobil, da er 15-40 und nicht vier Sitzplätze aufweise. Es wird drittens erst einmal zu fragen sein, warum die Vorstellungsfülle in „reduzierter" Gestalt erscheint. Denn „Reduzierung" apokalyptischer Vo'rstellungswelt kann zwar, muß aber nicht notwendigerweise auch eine Zurückdrängung oder gar eine (partielle) Überwindung des Wesens apokalyptischer Theologie darstellen. Denn hermeneutisch ist auch dies zu bedenken und gegebenenfalls zu berücksichtigen: Motive und Motivkomplexe können gerade dann knapp gekennzeichnet oder angedeutet werden, wenn sie im Kommunikationsraum bekannt sind oder wenn ein Autor das voraussetzt - mit welchem Recht auch immer. Als einen zweifelhaften Höhepunkt der Interpretationskunst darf man wohl die Charakterisierung betrachten, Markus „entapokalypti1

Vgl. ζ. B. Walter, Tempelzerstörung 40 (nicht Apokalypse, sondern Testament, ergo paränetisch orientiert); Pesch, Naherwartungen 26: „ M k l 3 als Ganzes ist auch nicht mit einem spätjüdisch-apokalyptischen T e x t vergleichbar"; den., Mk-Kommentar: M k l 3 ist „eschatologische (Mahn-)Rede", auch „eine Art Testament", doch ist (wie in Naherwartungen) nur die Vorlage eine „Apokalypse" (264f. und passim). Analog verfährt Gnilka, 2 Markus 179-216 passim. Vgl. z.B. Schulz, Botschaft 105-112.

Zur Einführung

11

siere" das v o n i h m a u f g e n o m m e n e Traditionsmaterial3. Sein Verhältnis z u r A p o k a l y p t i k sei n e g a t i v , ja p o l e m i s c h ; e r b i e t e „ A n t i - A p o k a l y p t i k " 4 . D a s sind freilich nur verschärfte Formulierungen für die Alternative, welche

die A u s l e g u n g w e i t h i n beherrscht u n d w e l c h e

die

wiederum

z w e i f e l h a f t e B e g r ü n d u n g f ü r s o l c h e B e u r t e i l u n g f r e i l e g t : M a r k u s 13 sei nicht apokalyptisch, sondern paränetisch orientiert und

interessiert5.

O d e r allgemein u n d radikal formuliert: „Apokalyptiker wie k e n n e n keine Ethik", sie k e n n z e i c h n e t „die Preisgabe

Gnostiker

geschichtlicher

V e r a n t w o r t u n g " 6. Historisch-kritische Exegese wird v o n solchen Beurteilungen, die vor allem auf einer F e h l e i n s c h ä t z u n g apokalyptischer T h e o l o g i e Abstand nehmen

beruhen,

müssen.

Für das in der Kritik v o r a u s g e s e t z t e V e r s t ä n d n i s v o n A p o k a l y p t i k m u ß ich hier auf m e i n e A b h a n d l u n g „ D i e V e r b o r g e n h e i t G o t t e s im W e l t g e s c h e h e n . D a s literarische u n d t h e o l o g i s c h e P r o b l e m d e s 4. Esrabuches" ( 1 9 8 1 ) v e r w e i s e n . Für d e n s p e z i e l l e n A s p e k t v o n A p o k a l y p t i k u n d Ethik w e i s e ich auf die A r beit v o n C. Münchow, Ethik u n d E s c h a t o l o g i e . Ein Beitrag z u m V e r s t ä n d n i s der f r ü h j ü d i s c h e n A p o k a l y p t i k ( 1 9 8 1 ) hin. A u c h n a c h d e m Ergebnis dieser A r beit „bedarf die weitverbreitete A n s c h a u u n g , d a ß das B e s o n d e r e der ntl. T h e o l o g i e in der e t h i s c h e n A p p l i z i e r u n g a p o k a l y p t i s c h e r T r a d i t i o n e n l i e g e , . . . einer Korrektur" (S. 149). Leider ist der d a n n f o l g e n d e A u s b l i c k dieser Arbeit ins N e u e T e s t a m e n t nicht an der p o s i t i v e n Interpretation v o n T e x t e n w i e M a r k u s 13 im R a h m e n a p o k a l y p t i s c h e r D e n k m u s t e r u n d D e n k w e g e interessiert. B e v o r die C h a n c e n ei3

So Pesch, Naherwartungen 24 u.ö.; Gnilka, Markus 212. So Pesch, Naherwartungen 46. 119. 122 u . ö . 5 Vgl. z.B. Hahn, Markus 13, 242f., der auf entsprechende Äußerungen von Lohmeyer (Markus 284 f.); J. Schmid (Markus 237), Kümmel und vor allem auf die „überzeugende Analyse" von R. Pesch (Naherwartungen 195 ff.) zurückverweist. Bei Schmid findet sich die beliebte Alternative, M k l 3 wolle nicht „apokalyptische Belehrung bieten, sondern eschatologisch motivierte Paränese". Pesch urteilt: „Klar ist ohnehin, d a ß die M a h n u n g e n zur W a c h s a m k e i t . . . die antiapokalyptische Art der Naherwartung des Evangelisten vollends an den T a g bringen" (196). Bei Kümmel (Verheißung 3 1956) ist der Gegensatz „Eschatologische Verheißung, nicht apokalyptische Belehrung" Uberschrift des Abschnitts S. 81-97 (einschließlich der Behandlung von M k l 3 ) . Lambrecht, Redaktion, urteilt aufgrund der angeblichen paränetischen Struktur der Rede, d a ß dem Redaktor M a r kus „die Paränese aktueller und wichtiger war als alle apokalyptische Unterweisung" (287). Ebd. 287 verweist er f ü r solche Beurteilung auf R. Schnackenburg (Kirche und Parusie, FS K. R a h n e r Bd. I, 1964, 568). Vgl. die Alternative bei C.E.B. Cranfield (Mark 388): Es gehe um Ermahnung, nicht um Apokalyptik. Die Absicht sei nicht Weitergabe esoterischer Information, sondern die Stützung von Glaube und Gehorsam. 4

Solche Beispiele mit entsprechenden Zitationsketten lassen sich beliebig vermehren. D e r G r u n d f ü r die verfehlten Alternativen ist darin zu sehen, d a ß über das fundamentale Problem apokalyptischer Texte und ihren theologisch zu würdigenden Lösungsvorschlag nicht nachgedacht wird. 6 So Schmithals, Apokalyptik 82, vgl. 58. Zum Kontrast vgl. demgegenüber die kurze Problemanzeige bei K. Koch, Ratlos 22.

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Zur Einführung

ner positiven Interpretation in theologiegeschichtlicher Perspektive genutzt werden, beherrscht die übliche Abgrenzungsstrategie das Feld: Alles folgende ist nur wieder an der, freilich unerläßlichen, Frage nach dem kritischen Maßstab für die Aufnahme apokalyptischer Traditionen interessiert, der dann bei Paulus gefunden wird. Die Alternative, entweder nur Einflüsse der Apokalyptik zu konstatieren (was in der Tat kein sinnvolles Unternehmen ist) oder einen kritischen Maßstab zu gewinnen (S. 177 f.), blockt zu früh wieder das nötige Nachdenken über gemeinsame theologische Denkvoraussetzungen ab, die in teilweise vergleichbaren Problemlagen aktiviert werden. Das veranlassende Objekt der Abwehrhaltung läßt sich leicht ausmachen: E. Käsemanns unglückliche These von der Apokalyptik als Mutter der christlichen Theologie. Was Käsemann unter Apokalyptik versteht - formelhaft etwa: die Herrschaftsergreifung Gottes in der Welt - , hat zwar durchaus zentral mit der Apokalyptik zu tun. Aber eine solche Kennzeichnung ist viel zu pauschal und auch zu abstrakt, um das Phänomen im ganzen und im einzelnen zutreffend zu erfassen. Auch ist zu bedenken, daß das Motiv von der Königsherrschaft Gottes als solches ja nicht erst aus der Apokalyptik stammt. Das Ziel des folgenden Beitrags kann im Rahmen einer solchen Neubesinnung natürlich nur begrenzt sein. Es soll unter anderem gezeigt werden, daß und wie in Markus 13 apokalyptische Motive, Gattungselemente und Denkmuster viel breiter nicht nur das vormarkinische Traditionsmaterial, sondern gerade auch die Markus-Komposition prägen. Wie weit dabei als kritisch empfundene und bisher religionsgeschichtlich unbeachtet gebliebene Textpartien einer Klärung zugeführt und Irrwege der Auslegung korrigiert werden können, muß die Untersuchung selbst zeigen. Darüber hinaus soll auf die theologische Bedeutung apokalyptischer Denkmuster und Denkwege in bestimmten, typischen Problemlagen geachtet und die fundamentaltheologische Voraussetzung, die für die wichtige Verbindung der Menschensohn-Christologie mit der alten Theophanievorstellung maßgebend ist, weiter bedacht werden 7 . 7

Für diese Problemstellung vgl. bereits Brandenburger,

Weltenrichter 131-138.

2. Form und Struktur von Markus 13 Kritische Analyse hat erkannt, daß der Text Markus 13 eine komplizierte Schichtung aufweist. Diese ist im einzelnen umstritten. Auf jeden Fall sind Traditionsschichten verschiedener Art und Herkunft redaktionell in den Gesamtkomplex von Markus 13 einverleibt worden. Bevor das untersucht wird, ist es gut, die Endgestalt des Ganzen nach Formmerkmalen und Sinngefüge zu bestimmen. Als Grundlage dafür betrachte ich - neben Detailsignalen in charakteristischen Wörtern und Satzteilen - vor allem die Erkenntnis der überlieferten Gattungsmerkmale und des Sinngefüges von Motivkomplexen, soweit auch solches Sinngefüge die Struktur beeinfluß hat. Der Gesamttext weist eine Fülle von Einzelgattungen und Gattungselementen auf: - eine Reihe von Einzellogien (V. 21 f. 30. 31. 32), in V. 9 b—13 zu einer Spruchgruppe gebündelt - ein Apophthegma (V. 1 f.) - zwei Gleichnisse (V. 28 b. 34 f.) - Schülerfrage mit Lehrerantwort (Schulgespräch, V. 4 mit 5-27) - Lehranweisung mit schemahafter Entwicklung des Erkenntnisgewinns (V. 28 f.) - eine schemahaft gegliederte Beschreibung der Eschata (V. 7 f. 14-20. 24-27), darin enthalten eine Deuteanweisung (V. 14 b) und eine Theophanieschilderung (V. 24-27) - eine Reihe von paränetischen Anweisungen (V. 5 b. 9 a. 23 a. 33 a. 35 a. 37 b) - ein Gattungselement des Testaments (V. 23). Das Formganze ist freilich nicht einfach eine Summe der Einzelgattungen. Alles ist vielmehr überformt von dem leitenden Interesse, eine im apokalyptischen Verstehensrahmen erfaßte Problemlage durch die Enthüllung der eschatologischen Geheimnisse zu klären und aufgrund solcher Klärung Verhaltensregeln zu vermitteln. Insofern kann, ja muß man Markus 13 durchaus eine Apokalypse nennen. D i e G r u n d l a g e f ü r die M ö g l i c h k e i t einer solchen Beurteilung ist a m religionsgeschichtlichen O b j e k t an a n d e r e r Stelle gelegt w o r d e n 8 . 8

Vgl. Brandenburger, Verborgenheit 9ff. u.ö.

F o r m u n d Struktur v o n M k 13

14

Walter, T e m p e l z e r s t ö r u n g 40, m e i n t h i n g e g e n , die B e z e i c h n u n g A p o k a l y p s e sei f ü r M a r k u s 13 u n z u t r e f f e n d , „ s c h o n weil die E i n k l e i d u n g in die Stilform der V i s i o n " f e h l e u n d ein T e s t a m e n t vorliege. Bei der U n s i c h e r h e i t u n d S c h w i e r i g keit, die G a t t u n g A p o k a l y p s e z u b e s t i m m e n , sind das z w a r verständliche, aber k a u m w e i t e r f ü h r e n d e D i s t i n k t i o n e n u n d Alternativen. W i e ein T e s t a m e n t v o m Interesse, e s c h a t o l o g i s c h e G e h e i m n i s s e in der o b e n g e n a n n t e n Art zu e n t h ü l l e n , ü b e r f o r m t u n d in die G a t t u n g A p o k a l p y s e ü b e r f ü h r t sein kann, z e i g t die s o g e n a n n t e A s s u m p t i o M o s i s ' . E i n e A p o k a l y p s e k a n n sehr v e r s c h i e d e n e , ursprünglich nicht der A p o k a l y p t i k e n t s t a m m e n d e E i n z e l g a t t u n g e n in sich a u f n e h m e n und einem neuen Sinngefüge dienstbar machen. M a r k u s 13 ist in z w e i S z e n e n g e g l i e d e r t . E i n e k n a p p e S z e n e z u B e g i n n ( V . 1 f . ) b e r e i t e t d i e E x p o s i t i o n d e s P r o b l e m s i n V . 3 f. v o r .

Die

zweite S z e n e übergreift das g a n z e übrige Kapitel (V. 3 - 3 7 ) . Beide Szen e n s i n d klar d u r c h U n t e r s c h i e d e i m O r t , in d e r Z e i t u n d in d e n P e r s o n e n v o n e i n a n d e r a b g e h o b e n . In d e r ersten S z e n e spricht ein n a m e n l o s e r V e r t r e t e r d e s S c h ü l e r k r e i s e s d e n Lehrer an, u n d z w a r z u m

Zeitpunkt,

a l s m a n d e n T e m p e l v e r l ä ß t . D i e z w e i t e S z e n e ist z e i t l i c h v e r s e t z t . S i e spielt auf d e m Olberg, „ d e m T e m p e l gegenüber". Beteiligt sind nur Jesus u n d vier namentlich g e n a n n t e Jünger. D i e s e n v e r s c h i e d e n e n S z e n e n k o r r e s p o n d i e r e n U n t e r s c h i e d e in Gattung.

D i e V v . 1 f. stellen ein A p o p h t h e g m a

dar. D e m

der

Folgenden

verwandte Z ü g e kann man allerdings darin erblicken, d a ß auch hier ein Schüler-Lehrer-Verhältnis

vorausgesetzt

wird

und

dieses

Schulge-

spräch in einer W e i s s a g u n g s e i n e n H ö h e p u n k t hat - freilich nur in ein e m L o g i o n (V. 2 b / c ) .

' Vgl. zu dieser Frage meine Ausführungen in J S H R Z V, 2 (1976) 59-66. Keineswegs habe ich dabei f ü r die AssMos die Gattungsbezeichnung „Testament" einfach abgelehnt (die Frage der Identität dieser Schrift ist davon zu unterscheiden!), schon gar nicht wegen des Vorliegens bloßer Zukunftsschilderungen oder weil ich die O f f e n b a rung zukünftigen Geschehens in einem Testament als fehl am Platze erachtet hätte. Gegen solche unzutreffende Darstellung bei von Nordheim, Lehre I 207, vgl. meine Ausführungen zur Überschrift und zum Charakter der Schrift als „profetia" im Sinne des von der Lehre und von der Lehrform des Testaments unterschiedenen typisch apokalyptischen Offenbarungsverständnisses (JSHRZ a . a . O . passim und Anm. zu 1,1 und 10,11), zum entsprechenden esoterischen Gehabe (ebd. 62 f.; f ü r ein Testament untypisch, vgl. von Nordheim, Lehre 233f., 239f.), zu den apokalyptischen Schemata im Aufbau (JSHRZ a . a . O . 63) und zu den tragenden theologischen Motiven (ebd. 63 ff.). Was ich meine, ist dies: In der AssMos liegen weithin (doch durchaus nicht gänzlich) Gattungsmerkmale des Testamentes vor (aber es fehlen auch gewichtige Merkmale). Diese Merkmale des Testaments sind jedoch von Anfang bis Ende überformt von dem Interesse, apokalyptische Prophetie darzubieten. Insofern überlagern die Merkmale einer Apokalypse die des Testaments, und zwar gerade auch vom fundamentaltheologischen Ansatz her (Lösung einer Problemlage durch esoterisches Offenbarungswissen). Vgl. dazu auch unten Anm. 173. Näheres muß einer ausführlicheren Auseinandersetzung vorbehalten bleiben.

Form und Struktur von Mk 13

15

Die zweite Szene ist durch und durch von den Gattungsmerkmalen einer Apokalypse überformt, wie sich später noch im einzelnen zeigen wird. Typisch dafür sind bereits die esoterische Szenerie zu Beginn (V. 3-5 a), die das Ganze leitenden apokalyptischen Schulfragen (V. 4) und die Antwort des Lehrers im Stil einer Offenbarung endzeitlicher Geheimnisse. Solche Antwort des Offenbarers will in der bedrängenden Geschichte Vertrauen stiften und ein den Endereignissen entsprechendes Verhalten einprägen. Beachtet man noch die Stellung von Markus 13 in der Szenerie des Weges Jesu unmittelbar vor dem Gang in den Tod, kann man in der Markus 13 beherrschenden Szene eine kleine Apokalypse sehen, die in der Form eines testamentarischen Schulgesprächs vorliegt. Daß ab V. 5 nur noch Jesus redet, ändert nichts daran, daß die Szene insgesamt durch die Antwort des scheidenden Lehrers auf die Schülerfragen eines esoterischen Kreises charakterisiert ist und dabei geheime Offenbarungsweisheit eschatologischen Inhalts vermittelt wird. Conzelmanns Hinweis auf ein zugrundeliegendes „katechetisches Schema" zwei Stufen der Belehrung: Elementarunterricht und weitere Enthüllung eines Geheimnisses 10 - fand keine Aufnahme, eher Ablehnung 11 , verdient aber Beachtung. Die Textbasis für diese These ist freilich zu schmal. Der an sich richtige Hinweis auf die christliche Modifizierung und Vermittlung blendet die religionsgeschichtlichen Erkenntniamöglichkeiten zu schnell ab. Die Alternative von apokalyptischer Darstellung und Paränese (s.o.) führt nicht weiter. Die Frage in V. 4 wird nicht nur „umgebogen", wie schon die Vv. 28-31 deutlich zeigen.

Die Verknüpfung beider Szenen schafft Markus in der eigentlichen Exposition des esoterischen Schulgesprächs (V. 3f.). Das ist nicht nur ein Zeichen für den redaktionellen Charakter dieser Exposition. Spätestens hier wird das einleitende Apophthegma in die Problemstellung der Apokalypse einbezogen. Aus dieser sachbedingten Verknüpfung erklärt sich die redaktionelle Voranstellung der ersten Szene und nicht umgekehrt aus dieser Szene die angebliche Einfügung der Apokalypse 12 . Die Apokalypse ist als Schulgespräch gerahmt. Der Rahmen besteht zu Beginn aus der Schüler-Lehrer-Szenerie einschließlich der thematischen Leitfragen und der Redeeinführung (V. 3-5 a). Am Ende wird

10

Conzelmann, Geschichte 212-214. So bei Walter, Tempelzerstörung 40 Anm. 13. 12 Gegen Peschs formalistische Hypothese (Mk-Kommentar 268). Danach soll die angeblich aus der vormarkinischen Passionsgeschichte stammende Szene V. 1 f. dem Evangelisten „den Ort für den Einschub der langen Rede" geboten haben (ebd.). Zwischen „Ort" und „Anlaß" zu unterscheiden (so ebd. 264. 268), ist hier sachfremd. 11

16

Form und Struktur von Mk 13

der Rahmen aus V. 37 gebildet 13 . V. 37 ist als Rückverweis auf die ganze Rede des Offenbarungslehrers (V. 5-36) zu verstehen. Das zeigt auch die Kontrastierung von ύμεΐς und πάντες, also die bewußte Unterscheidung zwischen dem in die Geheimnisse eingeweihten engen Schülerkreis und der Gemeinde. Dieser Abschluß des Rahmens deutet erzählend das Problem der Vermittlung der überlieferten Geheimlehren an. Auch für dieses das Traditionsproblem beinhaltende Gattungselement gibt es Formparallelen in Apokalypsen u . Die Gliederung der verbleibenden Vv. 5 b-36 ist besonders stark umstritten 15, aber für das Veständnis im ganzen wie im einzelnen von erheblicher Bedeutung. Eine objektive Schwierigkeit bei der Gliederung ist dadurch gegeben, daß der Text aufgrund der redaktionellen Gestaltung aus verschiedenartigem Überlieferungsmaterial mehrschichtig ist. Um der Beliebigkeit von Gliederungsversuchen zu entgehen, ist in einigen neueren Untersuchungen von rein formalen Strukturuntersuchungen ausgegangen worden 16 . Wiederkehrende Wörter (z.B. ταΰτα, ταϋτα πάντα, ιδητε), Imperativbildungen (vor allem βλέπετε), Zeitangaben (vor allem όταν δέ, V. 7. 14. 28 f.) und höchst formalistische Aufbauschemata 17 sollen den Weg von der formalen Struktur zur inhaltlichen Interpretation bereiten und stützen. Bei der Frage nach der Form zu beginnen und von da auch Kriterien für die Interpretation zu gewinnen, ist sachgemäß. Skepsis regt sich aber, wenn die genannten Arbeiten bei der Gliederung in drei Abschnitte landen (Vv. 5 b-23. 24-27. 28-37) und wenn dabei die Vv. 2427 als „Mittelteil" oder „Mittelstück der ganzen Rede" bestimmt werden 18 . Dafür lassen sich Formkriterien nicht anführen. Und Wider15 Anders Hahn, Markus 13, 242: Die Vv. 33-37 seien ein „Anhang" (mit Verweis auf Pesch, Naherwartungen 195ff.) bzw. die Vv. 3f. und 33(!)—37 die „Rahmenstücke" der Rede. Aber V. 37 hat - den Vv. 3 f. korrespondierend - formal und inhaltlich eine eigene Bedeutung und Funktion (s. gleich). Das Stück V. 33-36 ist Paränese und mit den Vv. 5 f. 9-13. 21-23 wichtiger Bestandteil des Redekorpus selbst. Darauf weist auch die Begründung von V. 33-36 in V. 28-32 (γάρ V. 33 b). 14 Siehe 4 Esr 14 und dazu Brandenburger, Verborgenheit 133 f. 137 f.; vgl. AssMos 1,17 f.; syrBar 84,1. 9. 15 Vgl. die Auflistung bei Pesch, Naherwartungen 74-77, w o mit herber Kritik gegen unreflektierte Gliederungsversuche nicht gespart wird. " Besonders breit (und auch extrem) Lambrecht, Redaktion; sodann Pesch, Naherwartungen 77-82; auch Hahn. Im Methodischen wie im Ergebnis weiche ich von diesen Untersuchungen ab, kann das aber nur gelegentlich im einzelnen anmerken. 17 Letzteres vor allem durchgehend bei Lambrecht, Redaktion. Pesch, Naherwartungen, und Hahn, Markus 13, sind demgegenüber zurückhaltender. 18 Siehe Pesch, Naherwartungen 79. 81; Lambrecht, Redaktion 278 u.ö. Wie Pesch verfährt und charakterisiert Gnilka, Markus 180 u.ö.; auch hier wird die Dreigliederung (V. 5 b-23. 24-27. 28-37) übernommen und ist der Abschnitt von der Parusie des Menschensohns (V. 24-27) „die beherrschende Mitte" der Gesamtkomposition.

Form und Struktur von Mk 13

17

spruch meldet sich, wenn aufgrund der angeblich vorherrschenden Strukturierung des Textes durch Imperative für den Inhalt alternativ gefolgert wird, die Rede sei Warn- und Mahnrede (Paränese) und nicht Apokalyptik oder apokalyptische Schilderung 19 . Aus Formbeobachtungen unseres Textes läßt sich dieses Ergebnis mit Sicherheit nicht ableiten. Bereits vom Ansatz her ist problematisch, daß man vornehmlich bei einzelnen Strukturelementen einsetzt, die nur Textteile bestimmen oder im Ganzen nur untergeordnete Bedeutung haben. Innere und äußere Textstruktur sind aber auch geprägt von Gattungen oder Gattungselementen sowie von Denkschemata, die auch in Motivkomplexen verwurzelt sein können. Vor allem ist auf übergreifende Formgebung zu achten. Nun kann man zwar die Vv. 5 b-36 in gewisser Hinsicht als „Rede" bezeichnen. Immer muß dabei aber gegenwärtig sein, daß solche „Rede" im Formganzen Antwort auf eine Schülerfrage ist. Mehr noch: daß der Rahmen das Ganze als esoterisch-apokalyptisches Schulgespräch ausweist, wobei der Lehrer eschatologische Geheimnisse offenbart. Schon die Leitfragen (V. 4) sind formal und inhaltlich der Gattung Apokalypse zugehörig. Solchem Gesamtrahmen und den Leitfragen entsprechend ist die „Rede" zunächst einmal in zwei Teile gegliedert: Teil A = Vv. 5 b-27, Teil Β = Vv. 28-36. Teil Α beantwortet die Frage nach dem Wann der Tempelzerstörung und nach dem Was des Zeichens - auch wenn das für unseren Blick durch die Aufnahme einer zunächst anders orientierten Vorlage nicht einfach zu erkennen ist. Die Antwort ist im jetzigen Rahmen lehrhaft dargebotene apokalyptische Schilderung der Eschata von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende. Das Endgeschehen vollzieht sich in drei Etappen: An den „Anfang der Wehen" (V. 7 f. όταν δέ άκούσητε) schließt sich steigernd der Höhepunkt der endzeitlichen Drangsal an (V. 14-20 όταν δέ ϊδητε), daran die alles entscheidende Wende (V. 24-27 άλλα έν έκείναις ταϊς ήμέραις μετά τήν θ λ ΐ ψ ι ν έκείνην). Dieser zielgerichtet auf die Wende im Kommen des Menschensohnes hin geordnete Geschehensablauf bildet eine Einheit. Zeitsignale gliedern das Ganze und ordnen andererseits die Etappen des Endgeschehens einander zu. Die genannten Wendungen, welche die Vv. 7. 14. 24 einleiten, haben gliedernde Funktion. Andere Wendungen am Ende der Vv. 7 und 8 und in V. 19 19 Lambrecht, Redaktion 287. 294; Pesch, Naherwartungen 77. 232. 2 3 6 f f . u . ö . ; Hahn, Markus 13, 242 Anm. 13 (dort jeweils weitere Autoren); hier laufen die Strukturanalysen im wesentlichen auf das hinaus, was eine lange Kette früherer Autoren auch o h n e sie herausgestellt hatte.

F o r m u n d Struktur v o n M k 13

18

g l i e d e r n u n d o r d n e n z u g l e i c h die erste u n d die z w e i t e Etappe, also die Vv. 7 f. u n d 1 4 - 2 0 , z u e i n e m sich s t e i g e r n d e n U n h e i l s g e s c h e h e n am E n d e dieser W e l t zeit z u s a m m e n . D i e W e n d u n g μ ε τ ά τ η ν θ λ ΐ ψ ι ν έ κ ε ι ν η ν (V. 24) setzt eine neue, dritte E t a p p e u n d w e i s t sie z u g l e i c h als F o l g e g e s c h e h e n aus. D e r a p o k a l y p t i s c h e T e r m i n u s έ ν έ κ ε ί ν α ι ς τ α ι ς ή μ έ ρ α ι ς (V. 17. 24, vgl. V . 19) b i n d e t das G a n z e als E n d z e i t g e s c h e h e n z u s a m m e n . Zugrunde

liegt das apokalyptische

Denkschema

der

Äonenwende.

D e m am E n d e dieses Ä o n s auf seinen H ö h e p u n k t zutreibenden

Un-

heilsgeschehen wird durch das K o m m e n Gottes beziehungsweise

des

M e n s c h e n s o h n s s e i n i h m e n t s p r e c h e n d e s E n d e b e r e i t e t u n d z u g l e i c h in d i e s e r Z e i t w e n d e d i e H e i l s z e i t e r ö f f n e t . A u f d i e s e Ä o n e n w e n d e w a r ja auch die zweite Leitfrage v o n V. 4 gerichtet. Eine B e s o n d e r h e i t der D a r s t e l l u n g besteht n u n darin, d a ß n e b e n der in drei E t a p p e n g e g l i e d e r t e n a p o k a l y p t i s c h e n S c h i l d e r u n g

kontrapunk-

tisch e i n e z w e i t e T h e m a t i k h e r l ä u f t . S o w e r d e n in d e n s t r e n g z e i t l i c h gegliederten G e s c h e h e n s a b l a u f 2 0 , der so auf die apokalyptische und Zeichenfrage

antwortet, drei paränetische

Stücke

Wann-

eingeschoben:

d i e V v . 5 b - 6 , 9 - 1 3 u n d 2 1 - 2 3 . D a s l e i t e n d e S i g n a l d i e s e r S t ü c k e ist d a s j e w e i l i g e β λ έ π ε τ ε , z w e i m a l v o r a n g e s t e l l t ( V . 5 b . 9 a), e i n m a l t r a d i t i o n s b e d i n g t n a c h g e s t e l l t (V. 2 3 a). E i n e e x a k t e z e i t l i c h e Z u o r d n u n g im e i n z e l n e n e r f a h r e n sie nicht. W i c h t i g ist o f f e n b a r n u r ihre P l a z i e r u n g in der letzten, durch sich steigerndes U n h e i l s g e s c h e h e n

gekennzeichneten

P h a s e d e r g e g e n w ä r t i g e n W e l t z e i t (V. 5 b - 2 3 ) . H i e r h a b e n sie

gemäß

a p o k a l y p t i s c h e m D e n k e n i h r e n S i n n 2 1 , in d e n V v . 2 4 - 2 7 w ä r e n sie d e 20 Teilweise richtig erkannt bei Pesch, Naherwartungen 78 ff. Aber man darf die Struktur nicht nur aus„dem bloßen Wortvorkommen von ό τ α ν ableiten. Das wäre nur partiell eine Antwort auf die beiden Leitfragen. Auch paßt das zweifache δ τ α ν nicht nahtlos auf die erste Leitfrage; auf die Sachfrage der zweiten Leitfrage, welche über die Vv. 5 b - 2 3 hinauszielt, überhaupt nicht. Die Schwierigkeiten hängen auch mit der Mehrschichtigkeit des Textes zusammen, die sich gegen eine einebnende Strukturanalyse sperrt. Pesch kommt so zu der verfehlten Folgerung, das auf die Vv. 5 b - 2 3 (neben V. 28 f.) beschränkte δ τ α ν weise mit V. 23 diese Textpartie als „ersten Hauptteil" (neben zwei weiteren) mit in sich „geschlossenem Charakter" aus. Die Vv. 24-27 seien ein eigener Abschnitt: „Mittelstück der Rede", „zweiter Hauptteil". Aber dabei wird neben der Uberbewertung von δ τ α ν zum einen das Zeitsignal V. 24 (s. o.) und zum anderen die Funktion von V. 23 b (s. u.) verkannt. U n d die „Inklusion" V. 5 b - 6 und 21 f. ist ein untergeordnetes Phänomen innerhalb des Zwei-Äonen-Schemas (Vv. 5 b-27), das die Antwort auf die Doppelfrage V. 4 zeitlich, formal und sachlich strukturiert. Im übrigen ist βλέπετε zwar ein wichtiges „strukturbildendes Element", aber weder das einzige noch das beherrschende („cantus firmus der ganzen Komposition", 80; vgl. 77), sondern eine überraschende W e n d u n g des Gedankens innerhalb der übergreifenden Struktur von Leitfrage und Antwort. 21 Vgl. AssMos 9; 4 E s r 9 , 7 f . ; 13,23 (und dazu Brandenburger, Verborgenheit 66. 125f. 188f.); die Uberwindersprüche Apk 2f. In all diesen Texten ist apokalyptische Paränese der letzten großen Drangsalsphase dieses Äons zugeordnet und fest mit dem korrespondierenden Gedanken der Heilswende verbunden.

Form und Struktur von Mk 13

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piaziert. Aus dem Fehlen der paränetischen Strukturierung in den Vv. 24-27 auf einen in sich geschlossenen Hauptteil der Rede zu schließen, ist darum absurd. Ein verbindendes Element wird auch in der Sorge um die Bewahrung „der Auserwählten" 22 und ihrer Rettung (V. 27) sichtbar. Es muß also dabei bleiben: Der zeitlich gegliederte Geschehensablauf der Vv. 5 b-27 bildet als lehrhafte Antwort auf die doppelte Schülerfrage den ersten Hauptteil der Offenbarungsrede. Die Antwort auf die typisch apokalyptische Schulfrage wird insgesamt durch das zugrundeliegende Äonenschema apokalyptischen Denkens strukturiert. Die paränetischen Signale und Einschübe bestimmen hingegen nicht die Gesamtstruktur. Sie sind wichtige, kritische Bestandteile innerhalb der apokalyptischen Denkstruktur, nicht deren Uberwindung oder Aufhebung, wie in der Auslegung - quer über alle Methodenrichtungen hinweg - fast durchgehend vorausgesetzt oder ausdrücklich behauptet worden ist. Erst wenn das begriffen wird, besteht Aussicht, daß sich historisch-kritische Erkenntnis gegenüber verborgenen, sachbedingten Abwehrhaltungen gegen die Apokalyptik wird durchsetzen können. Auch Teil Β (V. 28-36) der Offenbarungsrede ist noch Antwort auf die Schulfrage V. 4. Aber diese Antwort ergeht nun in anderer Form und aus anderer Perspektive. Der Lehrmodus des eschatologisierten Geschichtsüberblicks ist mit V. 27 abgeschlossen. Der Schülerkreis wird nun stärker in die Reflexion eingewiesen. Die Thematik hat sich verlagert: Im ersten Abschnitt von Teil Β (V. 28-32) wird über das zeitliche Verhältnis von (zukünftigem) Zeichen und Heilswende (V. 28 f.) und über den Termin der Heilswende (V. 30-32) reflektiert. Im eng damit verknüpften zweiten Abschnitt (V. 33-36) werden die paränetischen Konsequenzen daraus für die Gegenwart bedacht. Geht man von der übergreifenden Formgebung des apokalyptischen Schul- oder Lehrgesprächs aus, ist nach den Vv. 5 b-27 der einzige Neueinsatz in V. 28 a zu sehen. Die charakteristischen Textsignale dafür sind zunächst: erstens die auffallende Lernanweisung des (eingeweihten) Lehrers an die (einzuweihenden) Schüler (μάθετε V. 28 a); zweitens das reflektierende Schlußverfahren im Wenn-Dann-Schema, und zwar im Sinne des Lernfortschritts vom Sehen zum Erkennen (V. 28b/c und 29a/b). Der in die endzeitlichen Geheimnisse eingeweihte Lehrer leitet also dazu an, aus der Einsicht in das Zeichen zum

22 Οί έκλεκτοί V. 20. 22. 27. Ihnen gilt das βλέπετε V. 5 b. 9 a. 23 a, ihnen die Verheißung „Wer durchhält bis ans Ende, der wird gerettet werden" (V. 13 b) - eben gemäß V. 27.

20

Form und Struktur von Mk 13

Erkennen der Endzusammenhänge zu kommen und daraus Vertrauen zu schöpfen 23 . Natürlich ist das nicht eine Lernanweisung zum rational-eigenständigen Denken. Denn die Grundlage des zum Erkennen führenden Sehens, eben das sichtbar werdende „Zeichen", mußte ja zuvor erst offenbart werden (V. 24 f.). Auch im weiteren kann die Nähe des Kairos im allgemeinen nur durch Offenbarungslogien verheißen und beteuert werden (V. 30 f.). Und die Erkenntnis des Termins der Heilswende kann nicht einmal durch Offenbarung vermittelt werden (V. 32). Aber solche Offenbarungslogien und die Begrenzungsanzeige V. 32 sind im vorliegenden Kontext Elemente des Lehr- und Lernprozesses. Das geht auch aus dem folgernden Anschluß des paränetisch-reflektierenden Abschnitts (V. 33-36) hervor. Unter der Voraussetzung der Einweihung in die himmlisch-endzeitlichen Geheimnisse und in ihre Begrenzung (V. 30-32) kann nun der esoterische Schülerkreis schlußfolgernd weitere Erkenntnis für das Verhalten in der Gegenwart gewinnen. Ebendies bestimmt die Struktur der Vv. 33-36: Seht zu, wacht! denn ihr wißt nicht, wann der Kairos eintritt (V. 33). Also wacht! denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt (V. 35 a/b). Für solch reflektiertes Erfassen der Gegenwart im Horizont der Eschata ist auch die argumentative Verwendung des Gleichnisstoffes kennzeichnend. 23 D a ß der angeblich dritte Teil der Rede ( = V. 2 8 - 3 7 ) „einheitlich paränetischen Charakter" trage und V. 28 eine „paränetische Einleitung" sei (so Pesch, Naherwartungen 78 f.), ist sicher nicht zutreffend. Richtig, auf V. 2 8 - 3 1 bezogen, hingegen Lambrecht, Redaktion 227: „Die Paränese fehlt in diesem Abschnitt".

3. Das Problem einer Vorlage von Markus 13 3.1 Zum Stand der Diskussion Als inzwischen fast einhellig vertretenes Ergebnis der kritischen Forschung kann festgehalten werden, daß in Markus 13 keine historische Rede Jesu vorliegt 24 . Vielmehr ist verschiedenartiges Überlieferungsgut vom Evangelisten „redaktionell" zu einer neuen Einheit gestaltet worden. Die Meinungen über das Ausmaß dieser Redaktionsarbeit gehen allerdings weit auseinander. Die Extreme sind einerseits durch eine Reihe von Arbeiten aus dem ersten Jahrzehnt der Blüte der neuen redaktionsgeschichtlichen Fragestellung gegeben 25 , andererseits jüngst durch den Versuch von R. Pesch, der Markus neuerdings als „konservativen Redaktor" verstehen will 26 . Auch der Charakter des vormarkinischen Überlieferungsgutes wird unterschiedlich beurteilt. Zum einen wird von Einzellogien und Logiengruppen aus der mündlichen Überlieferung ausgegangen 27 . Zum anderen wird die ältere literarkritische These einer schriftlichen Vorlage nach wie vor von einer großen Anzahl von Exegeten vertreten 28 . Bei 24

Andere Beurteilung noch bei G. R. Beasley-Murray, A Commentary on M a r k T h i r teen, London 1957; C.E.B. Cranfield, T h e Gospel according to Saint Mark, Cambridge 3 1966. 25 D a z u zählen insbesondere W. Marxsen, D e r Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums, F R L A N T 49, (1956) 2 1959; H. Conzelmann, Geschichte und Eschaton nach Mc. 13, Z N W 50 (1959) 210-221; G. Umbrecht, Die Redaktion der Markus-Apokalypse. Literarische Analyse und Strukturuntersuchung, AnBibl 28, Rom 1967; E. Haenchen, Der W e g Jesu, 1966; ferner auch /. Schreiber, Theologie des Vertrauens. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung des Markusevangeliums, 1967. " Siehe R. Pesch, Das Markusevangelium, H T h K II, 2, (1977) 2 1980. Damit hat Pesch eine recht unvermittelte Kehrtwendung gegenüber seiner Dissertation vollzogen: N a h e r wartungen, Tradition und Redaktion in M k l 3 , 1968. Vgl. die Verteidigung seiner Position: M a r k u s 13, in /. Lambrecht (Hg.), L'Apokalypse johannique et l'Apokalyptique dans le Nouveau Testament (BEThL 53), Leuven 1980, 355-363 und 363-368. Eine detaillierte Kritik dazu und z u r Position Peschs in seinem M k - K o m m e n t a r liefert F. Neirynck, M a r c 13. Examen critique de ['interpretation de R. Pesch, ebd. 369-381 und 381-401. 27 Energisch vertreten von W. G. Kümmel, Verheißung und Erfüllung. Untersuchungen zur eschatologischen Verkündigung Jesu, (1945) 3 1956, 88-97; speziell 91. 95 unter Verweis auf E. Lohmeyer und M. Dibelius; besonders auch von E. Haenchen, Weg Jesu ( 2 1968) 435ff.; zurückhaltend E. Gräßer, Parusieverzögerung (1957); vgl. u.a. auch Lambrecht, Redaktion. 28 Ubersichten dazu bis 1954: bei G.R. Beasley-Murray, Jesus and the Future. An Examination of the Criticism of the Eschatological Discourse, M a r k 13, with Special Refe-

22

Das Problem einer Vorlage von Mk 13

der Bestimmung des Umfangs dieser Vorlage gehen jedoch die Beurteilungen teilweise erheblich auseinander 29 . So ergeben sich für die Bestimmung der historischen Situation dieses Textes und seines Trägerkreises (Juden oder Judenchristen) zum Teil höchst unterschiedliche Folgerungen. Hat man den Wust an Rekonstruktionsversuchen gesichtet, drängt sich der Eindruck auf, daß es an Phantasie und Hypothesenfreudigkeit nicht mangelt. Man wird aber zu bedenken haben, daß eine literarkritische These erst dann überzeugt, wenn nicht bloßen Vermutungen gefolgt wird, wenn vielmehr mehrere Gesichtspunkte eine These stützen und wenn vor allem auch die Frage der Einheit oder Differenz in der Situation oder Problemlage von Texten beachtet wird. Unter diesem Gesichtspunkt werden im Folgenden aus der uferlosen Debatte drei wichtige und forschungsgeschichtlich interessante Thesen kritisch durchgegangen.

3.2 Kritische Analyse von Rekonstruktionstypen 3.2.1 Die ältere literarkritisch und formgeschichtlich begründete These Als eine auf älteren literarkritischen Hypothesen beruhende und auch neuere formgeschichtliche Einsichten berücksichtigende kritische Zusammenfassung kann man die 1933 veröffentlichte Rekonstruktion einer schriftlichen Vorlage von G. Hölscher 30 betrachten. Auch die religionsgeschichtlichen Erkenntnisse sind bei der Entstehung und Ausbilrence to the Apocalypse Theory, L o n d o n 1954; bis 1967: bei Pesch, Naherwartungen 19-47; bis 1977: den., M k - K o m m e n t a r 265 f. Zu ergänzen ist vor allem /. Gnilka, Das Evangelium nach Markus, E K K II 2, 1979, 179-216; auch W. Schmithals, Das Evangelium nach Markus, Kapitel 9,2-16, Ökumenischer Taschenbuch-Kommentar zum N T 2/2, 1979, 555-586. " Die Extreme: Hölschers These (s. Anm. 30) auf der einen (jüdische Apokalypse, aus der Zeit 39/40 n. Chr.), Peschs revidierte Hypothese (Mk-Kommentar, 1977) auf der anderen Seite (judenchristliche Apokalypse ζ. Z. des Jüdischen Krieges 66-70 n. Chr., und zwar als Orakelspruch zur Auswanderung nach Pella im Ostjordanland). Auf die Zeit vor dem Bar Kochba-Aufstand 132-135 n. Chr. (so einst F. C. Baur) deutet niemand mehr. Die extremste D e u t u n g kommt allerdings aus jener Auslegungsrichtung, die die zeitgeschichtlichen Bezüge einer Vorlage mit dieser ablehnt und „Judäa" (V. 14) symbolisch deutet: bloße Erwartung des Evangelisten angesichts des möglichen Zwanges seitens Rom zum Kaiserkult, und zwar in „jeder Gegend des römischen Reiches" (so Haenchen, Weg Jesu 444-447). 50 Der Ursprung der Apokalypse M r k 13,ThBl 12 (1933) Sp. 193-202. Hölscher nennt als Vorgänger, von deren Rekonstruktion er z . T . abweicht: Wendling, Loisy, Bultmann, Klostermann.

Literarkritisch-formgeschichtlicher Rekonstruktionstyp

23

dung dieser Hypothese nicht gering zu veranschlagen. Es handelt sich um eine geradlinige Rekonstruktion ohne Schnörkel und komplizierte Details, wie sie später nur allzu reichlich begegnen. Danach bestand die Vorlage aus den Vv. 7f. 12. 14-20. 24-27 31 . Für die Anweisung ό άναγινώσκων νοείτω in V. 14 hat Hölscher erwogen, es „könnte" sich um eine „alte Randbemerkung zum Manuskript von zweiter Hand" (vor- oder nachmarkinisch?) handeln; „möglicherweise" auch bei άρχή ώδίνων ταΰτα in V. 8 (Sp. 196). Beides sind recht vage Vermutungen. Markinische Redaktion der Vorlage wird nur an zwei Stellen erwogen. Gegenüber älteren Rekonstruktionen wird konzediert, ήν εκτισεν ό θεός in V. 19 „könnte . . . Glosse sein (vgl. θεός gegen κύριος V. 20)" (Sp. 194). Aber wirklich stichhaltige Gründe dafür lassen sich kaum anführen. Sodann wird in V. 24 die Wendung μετά την Ολΐψιν έκείνην wohl der Markus-Redaktion zugewiesen (Sp. 195). Das läßt sich besser begründen, als bei Hölscher geschehen. Die doppelte Zeitbestimmung nebeneinander (V. 24), zumal mit doppeltem έκείνος, ist hart. Maßgebend ist dafür kaum das Interesse der Markus-Redaktion, wieder an V. 20 anzuschließen 3 2 . Dieser Bezug wird ja durch έν έκείναις ταϊς ήμέραις auf die in V. 17. 19 und 20 durchlaufend vorhandenen entsprechenden Stichwörter gesichert. Während dieser pauschale, typisch apokalyptische Terminus im ursprünglichen Text signalisierte, daß in der Endzeit (speziell in der Drangsalszeit?) auch die Heilswende erfolgt, ist μετά τήν θ λ ΐ ψ ι ν έκείνην an einer zeitlichen Zäsur zwischen der Drangsalszeit (im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Tempel!) und dem Zeichen der Heilswende interessiert. Das entspricht eher der Tendenz der Markus-Redaktion in V. 4 und 28 f., wie später noch sichtbar werden wird. Da „in jenen Tagen" nicht einfache Zeitbestimmung, sondern apokalyptischer Endzeitterminus allgemein ist, besteht freilich auch kein absoluter Widerspruch zur folgenden Zeitbestimmung.

Bemerkenswert und richtig ist, daß Hölscher entgegen anderen Rekonstruktionen V. 22 nicht der Vorlage zuweist. Weder die auffallende Wendung CH εκλεκτοί allein 33 noch auch der gleichartige Stil reichen für solche Zuweisung aus. Denn die Problemlage von V. 22 entspricht nicht der speziellen der Vorlage. Auch führt die nötige Umstellung von

31

Zum Vergleich Bultmann, Tradition 129: Vv. 7 f. 12. 14-22(1). 2 4 - 2 7 . Klostermann, Markus 2 1926 z.St.: Vv. 7 f . 12. 1 3 b - 2 2 ( ! ) . 2 4 - 2 7 . ( 3 0 - 3 2 a ? ) ; später ( 4 1950 z.St.) liegt die Rekonstruktion näher bei Hölscher: für die Vv. 21 f. wird christliche Bearbeitung als m ö g lich angesehen, wie auch die Vv. 3 0 - 3 2 a in der Zuordnung offenbleiben. Wie Hölscher votiert auch Walter, Tempelzerstörung 39, d o c h wieder mit Zurechnung von V. 22 zur Vorlage. Weitere 11 Rekonstruktionen (auch nur eine Auswahl) bei Pesch, Naherwartungen 208 Anm. 9. 32 33

S o Hölscher, Ursprung 195. S o Walter, Tempelzerstörung 39.

24

Das Problem einer Vorlage von Mk 13

V. 22 vor V. 7 zu keinem befriedigenden Ergebnis; die betonten und gliedernden Einsätze mit οταν δέ V. 7. 14 wären übersehen. Im übrigen bleibt die ursprüngliche Zuordnung von V. 22 schwierig und unsicher. V. 22 ist nicht als separates Logion denkbar. Es könnte zum traditionellen Logion V. 21 (Mt 24,26 II Lk 17,23!) ähnlich zugewachsen sein, wie Mt 24,27 II Lk 17,24 zur Variante der Logienquelle. Allerdings sind in der Q-Variante zwei selbständige Logien zur christologisch-kritischen Distanzierung verbunden worden (Menschensohnchristologie gegen die Konkurrenz von Messiasprätendenten), während M k l 3 , 2 2 das traditionelle, aus dieser Konkurrenzsituation stammende Logion erläuternd interpretiert (zu lesen ist γάρ). Wegen der Differenz von ει δυνατόν zu V. 6 b (kein selbständiges Logion, wohl Markus-Redaktion) dürfte die Verbindung von V. 21 und 22 vormarkinisch sein; der Verweis auf „die Auserwählten" könnte von Markus stammen, um den paränetischen Einschub in die Vorlage zu integrieren. Auf jeden Fall liegt der Kombination von V. 21 und 22 am Gegenüber von ό χριστός (das in der Q-Variante fehlt) und ψευδόχριστοι.

Dann wird aber auch fraglich, ob V. 12 Bestandteil der Vorlage war, trotz des futurisch-schildernden Stils. Das allgemein formulierte Logion setzt die Verarbeitung längerer Konflikt- und Martyriumserfahrungen voraus. Auch diese Problemlage paßt nicht zur speziellen Situation der Vorlage. Ihr Problem ist die auf Jerusalem vorrückende und das Heiligtum bedrohende Weltmacht Rom, nicht der andauernde Konflikt zwischen Volks- und Familiengenossen. Haben solche Kontrahenten in dieser prekären Situation nicht auch andere Sorgen? Der bessere Kontext von V. 12 ist der die Verfolgungserfahrungen ausweitende V. 13 a und die zugehörige, typisch apokalyptische Problembewältigung mit dem Verheißungswort V. 13 b 34 - nicht aber das Fluchtmotiv V. 14 ff. Im übrigen stört V. 12 auch den einheitlichen Problemzusammenhang der Vv. 7 f. 14-20. Und die erste mit δ τ α ν δέ άκούσητε eingeleitete Phase muß mit der ebenfalls gliedernden Bemerkung α ρ χ ή ώδίνων ταϋτα (V. 8 d) als abgeschlossen gelten. Es gibt keine stichhaltigen Gründe für die öfter behauptete Zuweisung dieser Wendung an die Markus-Redaktion. Methodisch richtig ist an sich auch, das apokalyptische Schlüsselwort vom „Greuel der Verwüstung" auf eine zeitgeschichtliche Problemlage zu beziehen. Nicht zutreffend ist aber, daß dafür „keine andere Situation in Frage (kommt) als die unter Caligula im Jahre 40" 35 . Dagegen 34 Man darf weiter vermuten, daß die Vv. 12 f. mit den aus ähnlichen, aber anderen Erfahrungssituationen stammenden Logien 9 b + 11 schon vormarkinisch durch Stichwortanschluß (παραδίδωμι V. 9b. 11. 12) verbunden wurden. V. 9 a geht auf die MkRed. 35 So Hölscher, Ursprung 197. Dem folgt neuerdings wieder Schmithals, Markus 565. Im übrigen ist bei Schmithals von Hölschers zurückhaltender und besonnener Rekonstruktion der Vorlage, die er zugrunde legt, nichts mehr zu spüren. Schmithals mischt eine

Redaktionsgeschichtlicher Rekonstruktionstyp

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ist unter anderem mit Recht eingewandt worden, Markus 13 werde nicht aus einem Rückbezug auf ein 30 Jahre zurückliegendes Ereignis verständlich. Schließlich haben Hölscher und andere richtig erkannt, daß es angesichts der Zwischenbemerkung V. 14 b keinen Weg an der Annahme einer schriftlichen Vorlage vorbei gibt 36 - aber es muß ja nicht ein „Flugblatt" gewesen sein, wie man anderwärts angenommen hat 37 . Von dieser Annahme wäre abzusehen, wenn V. 14 b auf Markus zurückginge. Das ist zwar gelegentlich behauptet, doch niemals stichhaltig begründet worden 38 . Das Interesse des Markus ist anders orientiert. V e r f e h l t ist die B e h a u p t u n g , d i e D e u t e a n w e i s u n g habe in d e r V o r l a g e k e i n e n S i n n 3 9 . Z u r D e u t u n g der teilweise anders e i n g e t r o f f e n e n W e i s s a g u n g der V o r lage (V. 14 a) auf die Z e r s t ö r u n g d e s T e m p e l s brauchte die G e m e i n d e e b e n s o w e n i g eine N a c h h i l f e w i e M a r k u s selbst. D a s war o f f e n k u n d i g - u n d A n l a ß d e s P r o b l e m s der m a r k i n i s c h e n L e i t f r a g e n V . 4. Sie t h e m a t i s i e r e n ja a u c h nur die Frage d e s Wann der T e m p e l z e r s t ö r u n g im V e r h ä l t n i s z u r H e i l s w e n d e . D a s G e s c h e h e n der V v . 1 4 - 2 0 ist passe (V. 23!), es braucht i n s o f e r n keine E n t s c h l ü s s e lung mehr.

3.2.2 Die redaktionsgeschichtlich beeinflußte Hypothese Eine weitere Phase der Auslegungsgeschichte spiegelt die Dissertation von R. Pesch (Naherwartungen, 1968). Er selbst hat sich zwar inzwischen der seinerzeitigen Hypothese durch einen Sprung entledigt. Etliche seiner damaligen Ergebnisse spielen aber auch in der neuen, im Markus-Kommentar vorgetragenen Hypothese eine Rolle. Darüber hinaus wurden Methodik und Ergebnisse der Arbeit von 1968 in der Literatur weithin positiv aufgenommen. An der Auslegung von Markus Reihe von Einzelversen und versucht sie in folgender Weise in Hölschers Rekonstruktion einzubringen: Vv. 7-8. 12.22.28-29(1). 13b(!). 14-20. 24-27 (ebd. 557. 561 ff.). Aber solche Hypothese beruht auf unkontrollierten Gedankenspielen. Zum Charakter und zur Zuordnung von V. 13 b und 28 f. s. u. Noch abenteuerlicher ist die Zuweisung von V. 1 f. 30 f. und 10 zu einer sog. Grundschrift (Schmithals, ebd. 557-560). Mit einem solchen Vorgehen gegenüber historischen Texten läßt sich natürlich - nach jeweiligem theologischem Belieben - alles und jedes behaupten. 36 Kümmel, Verheißung 91, der sich gegen eine „zusammenhängende apokalyptische Grundlage" ausspricht, nimmt „zum mindesten für die Spruchgruppe" (wohl V. 14-20) aufgrund von V. 14 b literarische Überlieferung an. 37 Schon E. Hirsch (Frühgeschichte I 139) spricht von einem „fliegenden Blatt". Hölscher, Ursprung, hat nicht vom „Flugblatt" gesprochen, wie ständig behauptet wird. 38 Gegen Pesch, Naherwartungen 144 f., und die dort zusammengefaßte Literatur (Pesch selbst hat seine Meinung auch hier revidiert, vgl. Mk-Kommentar z.St.). 39 Dazu vgl. bereits oben. Auf diese Frage wird noch ausführlich zurückzukommen sein.

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Das Problem einer Vorlage von Mk 13

13 im Markus-Kommentar von J. Gnilka (1979) kann man die Wirkung zum Beispiel gut verfolgen: nicht nur in vielen Einzelergebnissen, sondern vor allem schon in der gleichartigen Methodik hinsichtlich der Herausarbeitung von Tradition und Redaktion, auch wenn Gnilka teilweise von Peschs Hypothese abweicht 40 . Die Auseinandersetzung mit Peschs Arbeit von 1968 ist also durchaus nicht nur forschungsgeschichtlich von Interesse. Die These ist exemplarisch für einen verbreiteten methodischen Umgang mit Markus 13 und die dafür maßgebenden Voraussetzungen. Pesch nimmt einerseits teilweise Hölschers Hypothese von einer schriftlichen jüdischen Vorlage aus dem Jahre 40 n. Chr. auf; die Christen Jerusalems hätten sie dann auf die Ereignisse des beginnenden Jüdischen Krieges (66-70) bezogen - eine neue Variante, die die Zeit überbrücken soll, aber auch nicht befriedigt. Andererseits macht sich Pesch für die Untersuchung von Markus 13 sehr stark auch die Ergebnisse und Methodik der in Blüte stehenden redaktionsgeschichtlichen Fragerichtung zu eigen. Das Ergebnis ist ein außerordentlich komplizierter Rekonstruktionsversuch der Vorlage: Vv. 6 a. c. 22 (!). 7 c. 8 a. b. 12. 13 b. 14-17. 18? 1920 a. 24—27. Gegenüber Hölscher werden also die Vv. 6. 22 (mit Umstellung) und 13 b der Vorlage hinzugerechnet, die Vv. 7. 18 und 20 a hingegen werden ihr praktisch abgesprochen. Das ganze Ausmaß der Hypothese wird jedoch erst sichtbar, wenn zusätzlich noch nahezu zwanzig einzelne Eingriffe der Markus-Redaktion in die der Rekonstruktion zugrundeliegenden Verse behauptet werden. Verdeutlicht man sich solche Scheidung von Tradition und Redaktion optisch am Text, ergibt sich ein buntgeschecktes Bild. Literarkritische Operation gerät zum Puzzle - von vornherein ein wenig überzeugender Versuch. Problematisch ist auch die Umstellung von V. 22. Dies um so mehr, als sie - auch nach anfechtbaren Streichungen in den Vv. 6. 7 f. und 22 selbst - keinen sinnvollen Text ergibt. Die Vorlage würde praktisch mit einer Dublette beginnen. Diese stünde auch ungeschickt vor dem wichtigen Gliederungssignal όταν δέ (V. 7 a), das Pesch der Vorlage zu Un40 Die Rekonstruktion der Vorlage nach Gnilka (Markus 179-211 passim, Zusammenfassung 211 f.): V. 6 (ohne έπϊ τ φ όνόματί μου). V. 7 (ohne άλλ' οϋπω τό τέλος? Streichung der Anrede in der 2. Pers. plur. wie in V. 14 a. 18). V. 8 (ohne άρχή ώδίνων ταϋτα). V. 12. 13b. 14 (ohne δπου ο ύ δει, neutrische Umformulierung für έστηκότα). V. 17. 18. 19 (ohne ήν εκτισεν ό θεός). V. 20 (ohne ους έξελέξατο). V. 24-27 (ohne έν έκείναις ταϊς ήμέραις). Hauptabweichungen von Peschs Rekonstruktion: in den Vv. 7 a. b. 14b. 15f. 20b. Von der neuen von F. Hahn (1975) inspirierten und auch von R. Pesch (Mk-Kommentar, 1977) übernommenen Hypothese nimmt Gnilka nur in zwei Sätzen, und zwar ablehnend, Notiz (Markus 204 Anm. 5).

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recht abspricht. Vor allem setzen die Vv. 6 und 22, wie schon erwähnt, auch eine andere Problemlage voraus. Es gibt keinen stichhaltigen Grund, den sinnvollen Zusammenhang von V. 7 f. zu zerstören, von V. 7 einzig δει γ ε ν έ σ θ α ι f ü r die Vorlage übrigzulassen und infolgedessen das verknüpfende γ ά ρ in V. 8 zu streichen. Kritisch zu bedenken ist überdies, wie bei Pesch das δει γ ε ν έ σ θ α ι (V. 7 c) aus einem sinnvollen Gedankengefüge apokalyptischer Theologie - Vertrauensstiftung in den Schrecknissen krisenhafter Welterfahrung unter Hinweis auf den Einblick in das Geheimnis des Planes, also des weltordnenden Waltens Gottes - ohne N o t herausgelöst und willkürlich dem Motiv der V e r f ü h r u n g durch falsche Propheten zugeordnet wird. Solche Operationen, welche zunächst sinnvolle Satz- und Gedankengebilde zerstückeln und dann nach Belieben zu einem völlig anderen Sinngefüge zusammensetzen, diskreditieren die literarkritische Methodik. Außerdem wäre das postulierte Gebilde - die Verführung der Auserwählten durch Pseudopropheten als Teil des göttlichen Weltplans - erst einmal als geläufiges Motiv jüdischer oder christlicher Apokalyptik vor 70 n.Chr. nachzuweisen. Beachtet man das religionsgeschichtliche Sinngefüge des Textes, kommt auch die Streichung des mit ο ψ ο ν τ α ι (V. 26) angeschlagenen wichtigen Motivs, mit dann zusätzlich nötigen Textveränderungen, nicht in Frage. Verfehlt ist aus dem gleichen Grunde die Streichung der apokalyptischen Deuteanweisung (V. 14b) aus der Vorlage 4 1 . Auch f ü r die Streichung von V. 20 b, von ή ν εκτισεν ό θ ε ό ς έως τ ο ΰ νϋν in V. 19 und f ü r weitere Streichungserwägungen zu V. 19 und 18 (fast gänzlich) gibt es keine überzeugende Gründe. Pesch hat an früheren Rekonstruktionen einer Vorlage stark bemängelt, sie seien ohne oder ohne genügende Berücksichtigung redaktionsgeschichtlicher und struktureller Gesichtspunkte vorgenommen worden 4 2 . An drei Sachverhalten, die f ü r die inhaltliche Bestimmung von Tradition und Redaktion sowie ihr Verhältnis zueinander wesentlich sind, läßt sich nun aber zeigen, daß sein eigener Rekonstruktionsvorschlag kaum weiterzubringen vermag, sondern eher in die Irre führt. a) Die parallelen gliedernden Zeitsignale ό τ α ν δέ in V. 7 und 14 werden der Markus-Redaktion zugeschlagen, der Vorlage abgesprochen 4 3 . N u n sollte nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Vorlage mit diesen Zeitsignalen eine sinnvolle und der Problemlage entspre41

Vgl. oben bei Anm. 39 und unten im Abschnitt 4.4.2. Vgl. nur die kritische Durchmusterung Naherwartungen 2 4 - 2 7 . 43 Begründet wird das mit dem Hinweis auf die angeblich gleiche Struktur (Naherwartungen 77. 118) bzw. die A n k n ü p f u n g an V. 4. Markus schaffe eine „antiapokalyptische Struktur" (ebd. 119 Anm. 294). 42

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Das Problem einer Vorlage von Mk 13

chende Gliederung aufweist; der Standpunkt ihres Verfassers liegt ja vor V. 14. D e r Standort des Markus hingegen ist nach den Vv. 1 4 - 2 0 festzusetzen. Das beweist die wichtige, zweifellos redaktionelle Akzentsetzung V . 23 b. Beides wird noch genau zu begründen sein. Stark ist auf jeden Fall die redaktionelle Akzentsetzung in V . 23 zu beachten; von ihr ist auszugehen. Dann zeigt sich aber: Markus kann zwar die Gliederung der Vorlage mit ό τ α ν δέ in V. 7 und 14 übernehmen. D a sein Interesse, die Zeit zu gliedern, aber nach V. 23 b eine andere Orientierung vornimmt, kann die Gliederung mit ό τ α ν δέ nicht gut auf ihn zurückgeführt werden. b) Ahnlich werden die zeitlich gliedernden Wendungen ο ΰ π ω τ ό τέλ ο ς (V. 7 d) und ά ρ χ ή ώ δ ί ν ω ν τ α ϋ τ α (V. 8 d) als uminterpretierende Zusätze des Markus behauptet; und wie in vorausliegenden redaktionsgeschichtlichen Arbeiten 4 4 werden daraus weitreichende Folgerungen gezogen 4 5 . Aber zum einen wird gar nicht erst in Erwägung gezogen, ob die Wendungen der Vorlage abgesprochen werden müssen, was nicht der Fall ist; oder ob sie darin ein sinnvolles Gedankengefüge ergeben, was durchaus der Fall sein kann. Zum anderen sind für die genannte Hypothese eine Reihe fragwürdiger Voraussetzungen maßgebend: Aufgrund einer Mischung aus Vorlageteilen und Leitfrage V. 4 ( M k R e d ) wird als angebliches Gegenüber des Markus ein Parusieschwärmertum konstruiert. Es verführe die Gemeinde aus Anlaß der Zerstörung Jerusalems mit der Parole vom unmittelbaren Bevorstehen der Parusie 4 6 . V o n derselben, nun deutlich gemäß einer alten exegetischen Tradition aus 2 T h e s s 2 eingetragenen Voraussetzung wird das μή θ ρ ο ε ΐ σ θ ε in V. 7 gedeutet. Sinn: Laßt euch nicht von den Parusieschwärmern verwirren, ins „apokalyptische Fieber" versetzen 4 7 . Aber solche Deutung ist unhaltbar, ja schon methodisch anfechtbar 4 8 . Die 44 Vgl. Marxsen, Evangelist 117; Größer, Parusieverzögerung 157 (mit Conzelmann, gegen Bultmann)·, Conzelmann, Geschichte 217; Vielhauer, Apokalyptik 436. 45 Nach Pesch kommt in V. 7 d „das Hauptanliegen des Markus zur Sprache" (Naherwartungen 121), die gegen Irrlehrer ( = Parusieschwärmer) gerichtete „Parole...: noch nicht!" (ebd., 122). „Das ist Anti-Apokalyptik" (ebd.). 46 Pesch, Naherwartungen 118 ff., u.ö. wiederholt. Ebd. 221: „apokalyptische Naherwartung", „apokalyptisches Fieber" u. ä. Als Grundlage soll den Schwärmern bzw. den Verführern das apokalyptische Flugblatt (die Vorlage) gedient haben. Pikanterweise ist darin freilich (nach Pesch) von Falschpropheten die Rede. Und Markus, der die vom apokalyptischen Fieber befallene Gemeinde retten will, weiß sinnigerweise keinen besseren Rat, als ihr jenes buntgescheckt kommentierte jüdische Flugblatt aus dem Jahre 40 n. Chr. zu übermitteln, auf das sich just die Parusieschwärmer als Offenbarung Jesu berufen. Die Grundthese stammt indessen nicht von Pesch, er hat sie nur aufgenommen und akribisch ausgebaut; sie ist in der Auslegung stark verbreitet. 47 Vgl. Pesch, ebd. 120 f.; Graßer, Parusieverzögerung 157. 48 Das Schlußverfahren: M k l 3 , 7 und 2 Thess 2,2 werde, und zwar nur hier im NT, das Wort 3ροέω gebraucht, jeweils im Zusammenhang falscher Parusieerwartung; das

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W e n d u n g ist durch ihren unmittelbaren Kontext (V. 7 a und c) eindeutig im Sinne apokalyptischer D e n k v o r a u s s e t z u n g e n festgelegt: A n g e sichts der Krisenlage d r o h e n d heraufziehender Kriegsereignisse wird dazu ermuntert, sich nicht in Schrecken oder Angst versetzen zu lassen, weil diese Ereignisse v o m zielstrebig auf die H e i l s w e n d e zusteuernden Plan Gottes übergriffen sind. D i e Unhaltbarkeit der allgemein üblichen redaktionsgeschichtlichen V e r e i n n a h m u n g der W e n d u n g e n „aber (das ist) n o c h nicht das Ende" (V. 7 d) und „Anfang der W e h e n (ist) das" (V. 8 d) läßt sich auch an f o l g e n d e m demonstrieren. T r o t z der richtigen Voraussetzung, der Standort des Markus liege hinter V . 1 4 - 2 0 und sein Interesse sei die Differenzierung zwischen der Zerstörung des Tempels und d e m Zeichen für das Ende, behauptet Pesch, die W e n d u n g „noch nicht das Ende" begreife nicht nur den Jüdischen Krieg (V. 7 f.), sondern auch die T e m p e l z e r s t ö rung (V. 1 4 - 2 0 ) mit ein 4 9 . D a ß dies bei der A n n a h m e markinischer Redaktion in V. 7 d und 8 d behauptet werden m u ß 5 0 , beweist gerade die Unhaltbarkeit dieses Postulats. D e n n daß die der ersten Phase z u gehörigen W e n d u n g e n ά λ λ ' ο ϋ π ω τ ό τ έ λ ο ς und ά ρ χ ή ώ δ ί ν ω ν τ α ΰ τ α gemeinsam der unermeßlichen θ λ ΐ ψ ι ς der zweiten und letzten Phase des E n d g e s c h e h e n s in diesem A o n gegenübergestellt beziehungsweise vorgeschaltet sind, sollte nicht bestritten werden. Für die Vorlage, die lege den Wortsinn in M k 13,7 fest. Aber f ü r M k 13,7b stimmt diese Voraussetzung nicht; es ist sogar fraglich, ob sie f ü r M k 13 insgesamt zutrifft. Peschs Kritik an L. Hartmann (Naherwartungen 120) ist hier unangebracht. Die Beruf u n g auf Braun, Radikalismus I 48 (richtig: II 48) ist irreführend. Braun: „Mahnung zur Furchtlosigkeit in solcher Bedrängnis"; vgl. seine Belege aus der Qumranliteratur und Pe~ siqR 36(162 a) (bei Billerbeck IV 982). 49 So Pesch, Naherwartungen 180, wo er pauschal feststellt, „im ersten Teil der Rede" ( = V. 5-23) sei gesagt, „daß sie (sc. die Tempelzerstörung!) nicht das Ende unmittelbar nach sich ziehe". Aber das Nochnicht von V. 7 d bezieht sich doch eindeutig auf V. 7 a - c , also die Kriegsereignisse außerhalb Judäa/Jerusalem, nicht dagegen auf V. 14-20, also das Geschehen am Tempel bzw. in Jerusalem. 50 Es sei denn, der Standort des Markus ist mit dem des Verfassers der Vorlage identisch und läge gleicherweise vor V. 14. Doch ist das, wie Pesch (vgl. auch M k - K o m m e n t a r 289f.) gegen Hahn u.a. richtig sieht, durch V. 23 eindeutig ausgeschlossen. M a n kann also V. 7 d nur dann zur M k R e d rechnen, wenn man nicht nur den Standort des Markus vor V. 14 legt, sondern wenn man Markus zu den Kriegsereignissen außerhalb von Judäa/Jerusalem (so die Vorlage) die Tempelzerstörung hinzurechnen und in V. 14-20 auf den Antichrist als künftige große Drangsal deuten läßt (zu dieser unwahrscheinlichen U m d e u t u n g von V. 7 f. und V. 14-20 s. u. 5.1). Umgekehrt: Geht man davon aus, d a ß Markus auf die Ereignisse V. 14-20 zurückblickt (V. 23!), dann ist die nächstliegende Annahme, er habe die nicht eingetroffene Tempelentweihung samt ihren Unheilsfolgen auf die eingetroffene Tempelzerstörung bezogen. Dann kann aber der sich n u n m e h r auf die Tempelzerstörung beziehende V. 7 d nicht M k R e d sein, da Markus zwischen ihr und dem Ende dieses Äons gerade unterscheidet (V. 4!).

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Das Problem einer Vorlage von Mk 13

auf die Ereignisse der Vv. 14-20 vorausblickt, ist die etappenweise gliedernde Unterscheidung zwischen dem Anfang der Wehen, der noch nicht das Ende dieses Äons bedeutet, und der unermeßlichen Drangsal an seinem Ende von ungleich größerer Bedeutung als für Markus. Exkurs:

Zur Zuordnung von V. 10

Der Satz „Und unter allen Völkern muß zuerst (πρώτον δει) das Evangelium verkündigt werden" (V. 10) stellt ein Sonderproblem dar. Denn man kann das darin enthaltene wichtige Zeitsignal nicht einfach den zeitlich gliedernden Wendungen am Ende von V. 7 und 8 gleichschalten, obgleich das δει verrät, daß in V. 10 der typisch apokalyptische Gedanke vom göttlichen Plan oder von der auf das Eschaton hin abgemessenen Zeit vorliegt. V. 10 stammt also wie V. 7 d und 8d aus apokalyptischer Denkbewegung. In der Sache ist gemeint: In der V. 9 b vorausgesetzten Weise (καί = und so) muß zuerst die Heilsbotschaft verbreitet werden. Und dabei wird die Gemeinde in den V. 9 b genannten Bereichen - unter Juden und Heiden - um Jesu willen verfolgt werden und leiden müssen. Auch das steht als Begleiterscheinung der Evangeliumsverkündung unter dem göttlichen Muß. Aber was ist das Danach, welches das Zuerst voraussetzt? Vom zugrundeliegenden apokalyptischen Gedanken her, daß die abgemessenen Zeiten zuerst erfüllt sein müssen, kommt als Danach nur der Abschluß dieses Äons und damit die Heilswende in Frage, die das Gerichtsgeschehen einschließt. Wo ist dann dafür der Bezug im Kontext gegeben? Mit der gleichen Nonchalance, wie die gängige Exegese mit apokalyptischen Textzusammenhängen und Zeitangaben umspringt, hat vor allem die redaktionsgeschichtliche Betrachtung das π ρ ώ τ ο ν δει kurzerhand V. 24-27 zugeordnet. Aber das ist ein ähnlicher Gewaltakt wie die Zuordnung von V. 7d und 8d zur Markus-Redaktion. Der gattungsgemäß gegliederte Geschichtsüberblick denkt nun einmal in Zeitetappen. In solchem Sinngefüge können weder die Vv. 7 d. 8 d noch V. 10 über die Etappe V. 1420 hinweg auf V. 24-27 bezogen werden. Denn die Wende kommt erst mit V. 24-27 und erst damit sind die diesem Aon zugemessenen Zeiten zum Abschluß gekommen. Während nun die Vv. 7 d und 8 d in der Vorlage sinnvoll der großen Drangsal (V. 14-20) kontrastiert werden, ist solcher Bezug f ü r V. 10 ausgeschlossen. Denn daß die Evangeliumsverkündung vor der großen Drangsal erfolgen muß, ergibt keinen Sinn; schon gar nicht, wenn man den Sinnzusammenhang von V. 10 in V. 9 b und 11-13 bedenkt. Hier liegt eben ein anderer, von apokalyptischen Denkbewegungen her über-

Exkurs: Zuordnung von V. 10

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arbeiteter (V. 12. 13 b) Traditionskomplex vor. Die Drangsalszeit der Verfolgung vor der Heilswende geht darin parallel mit den beiden Etappen dieses Äons (V. 7 f. 14-20) in der Vorlage. V. 10 ist eine in jenen Textkomplex sichtlich zwischen V. 9 b und 11 eingeschobene Zwischenbemerkung. Aber auch wenn sie die früher aufeinanderfolgenden Logien V. 9 b und 11 unterbricht, ist sie doch aus einer anderen Perspektive - eben aus der des apokalyptischen Logions V. 10 selbst - sinnvoll eingefügt worden: Die Schlußwendung von V. 9 b bezieht sich darauf, daß die Jünger um Jesu willen von den das Judentum und das Heidentum repräsentierenden Gerichtsinstanzen verfolgt werden. Dieses Verfolgungsgeschick der Jüngerschaft Jesu wird beim Endgericht für Juden und Heiden zum unwiderleglichen Zeugnis der Anklageerhebung vor Gericht gegen sie ausschlagen. Das Verständnis der Wendung εις μαρτύριον αύτοΐς (V. 9 b) ist zwar umstritten. Häufig läßt man sich durch V. 10 assoziativ zur positiven Deutung verleiten: das der Verkündigung des Evangeliums dienende Zeugnis (so Grundmann, Schweizer, Pesch u.a.). Aber der normale und traditionelle Sinn der Wendung ist das belastende Zeugnis (Strathmann, T h W N T IV 509), wie er zumindest auch Mk 6,11 gegeben ist. Bringt man V. 10 in die Erwägung mit ein, dann ist für die Deutung das Textgefälle maßgebend, also die Notwendigkeit, für das leitende πρώτον δει einen sinnvollen Bezug in V. 9 b vorauszusetzen, da ein anderer Bezug, wie gezeigt, nicht in Frage kommt. So wird man urteilen müssen, daß zumindest derjenige die Wendung „ihnen zum Zeugnis" im dargelegten belastenden Sinne verstanden hat, der V. 10 in die Verfolgungslogien einbrachte. Was dem Muß der Evangeliumsverkündung - in dem Zuerst dieses Leidensäons als von Gott zugemessener Zeit - folgt, ist also das am Ende von V. 9 b vorausgesetzte Endgericht im Zusammenhang der Heilswende. Bedenkt man dieses Verfahren beim Einschub von V. 10 und das Zusammenwachsen der apokalyptischen Interpretationen V. 12 und 13 b mit den Verfolgungslogien, läßt sich durchaus die These vertreten, daß parallel dazu auch schon der apokalyptisch ausgerichtete V. 10 diesem vormarkinischen Traditionskomplex (V. 9b—13) zugehörte 51 . Diese " D a s würde die - freilich von anderen Voraussetzungen ausgehende - Vermutung von Hahn, Markus 13,250. 257, stützen, der sich ebenfalls gegenüber der gängigen Zuordnung von V. 10 zur M k R e d reserviert zeigt; vgl. bereits ders., Mission 5 7 - 6 5 . Zögern könnte man bei solcher Z u o r d n u n g allenfalls w e g e n des Gebrauchs von ( κ η ρ ύ σ σ ε ι ν ) τ ό ε ύ α γ γ έ λ ι ο ν in V . 10. D a ß erst Markus diesen Begriff in die synoptische Tradition eingebracht habe (so Marxsen, Evangelist 83), kann aber nicht als gesichert vorausgesetzt werden (vgl. dazu bereits kritisch Hahn, Mission 60 f.). Selbst wenn Markus die W e n d u n g hier eingeführt hätte, müßte das nicht unbedingt für V. 10 insgesamt gelten. M . E . ist aber von der oben dargestellten Problematik auszugehen, einen sinnvollen Be-

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Das Problem einer Vorlage von Mk 13

These hat die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Es läßt sich zwar nicht ausschließen, daß auch Markus V. 10 eingeschoben haben könnte - dann freilich nur in der oben vorgeführten Weise! Das aber würde zeigen, daß Markus mit der Apokalyptik sehr vertraut ist und die These vom antiapokalyptisch redigierenden Evangelisten sich auch hier wieder als ein Trugbild oder Wunschbild erweist. Auf jeden Fall wird in der vormarkinischen Verfolgungstradition das negativ erfahrene Weltgeschick von apokalyptischen Denkvoraussetzungen her begriffen und bewältigt (V. 12. 13b). In solchen Zusammenhängen ist V. 10 immerhin bestens aufgehoben, wenn man bedenkt, daß V. 12 (mit V. 13 a. b) vom Motivzusammenhang her in die letzte Phase des Endzeitgeschehens dieses Äons hineingehört. Das belegen äthHen 100,1-3; 4Esr 6,24 f. und syrBar 70; vgl. Mi 7,6 LXX. Und das πάντα τά εθνη V. 10 korrespondiert dem ύπό πάντων V. 13 a. Für die Frage nach den Markus vorausliegenden Traditionen und nach der Redaktionsarbeit ist auch wichtig, daß der Gerichtsgedanke, der am Ende von V. 9 b vorausgesetzt ist und der dann mit V. 10 eine neue Einheit im Gedanken eingeht, auf jeden Fall ein anderer ist als der, den die Vorlage aufweist (V. 24-27 als Pendant zu V. 7 f. 14-20). c) Bei den älteren literarkritischen Rekonstruktionen der Vorlage war bereits auf den auffallenden Wechsel zwischen dritter und zweiter Person im Plural hingewiesen worden. Aber das war hier ein Argument unter anderen, keineswegs das wesentlichste und nicht von absolutem Gewicht 52 . Bei Pesch und anderen hingegen wird dieser Wechsel in der Redeform zum Hauptkriterium, von dem aus Sätze, Satzteile und Einzelwörter der Vorlage oder der Markus-Redaktion zugewiesen werd e n " . So werden einerseits pauschal alle Imperative in der zweiten Person Plural als Paränese verstanden und der Redaktion zugeschlagen; ebenfalls die Indikative in der zweiten Person Plural in den Vv. 7 und 14. Andererseits werden alle apokalyptisch-schildernden Aussagen in der dritten Person Plural ohne Berücksichtigung etwaiger besonderer zug für V. 10 - den das Logion von Anfang an voraussetzt - allererst zu finden. Von da aus gesehen wird man eher zu der Auffassung geführt, nicht nur den Grundbestand von V. 10, sondern auch die Wendung τό εύαγγέλιον der vormarkinischen Tradition zuzurechnen. " Hölscher, Ursprung 194: „Beide Elemente (sc. traditionelles Gut alttestamentlichapokalyptischer Eschatologie und Bezüge auf Erfahrungen der Christengemeinde) unterscheiden sich z.T. (!) durch den Wechsel von 3. und 2. Person Pluralis". Klostermann, Markus 131: ,,c) auch (!) muß der Wechsel zwischen ermahnender Anrede und Schilderung unter Gebrauch der dritten Person..., sowie der von οΐ εκλεκτοί (ν. 20. 22. 27) mit ύμεΐς (v. 21. 23) auffallen". " Pesch, Naherwartungen 77 f. 118 ff. u.ö.; vgl. auch Gnilka, Markus 211 und 179-211 passim.

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Problemlagen nicht minder undifferenziert zur Vorlage gerechnet. Der Übergang zwischen „apokalyptisch-schildernden Sätzen in der dritten Person und paränetisch-ansprechenden Sätzen in der zweiten Person" wird als „planvoller Wechsel" behauptet 54 . Aus dem wiederkehrenden Imperativ βλέπετε als Hauptstruktur der markinischen Redekomposition wird des weiteren in der Sache eine antiapokalyptische Mahnrede gefolgert 55 . Diese Deutung sollen auch die undifferenziert zusammengeordneten sonstigen Imperative belegen. Dazu werden gezählt 56 : μή Οροεΐσθε (V. 7); μή προμεριμνάτε und τοΰτο λαλείτε (V. 11); νοείτω und φευγέτωσαν (V. 14); μή καταβάτω μηδέ εϊσελΜ τ ω und μή έπιστρεψάτω (Vv. 15 f.), von Pesch aber zur Vorlage gerechnet, sie sollen „weit geringere strukturbildende Funktion als die übrigen Imperative" haben 57 ; προσεύχεστε (V.18); μή πιστεύετε (V. 21); μάθετε (V. 28); γινώσκετε (V. 29); αγρυπνείτε (V. 33); γρηγορείτε (V. 35. 37).

Zweifellos gehören die knappen paränetischen Sätze mit den Imperativen βλέπετε und γρηγορείτε (V. 5 b. 9 a. 23 a. 33 a. 35 a. 37b) alle der markinischen Bearbeitung zu. Und die Eröffnung sowie der Abschluß von Unterabschnitten mit diesen Mahnungen ist für die markinische Kompositionsarbeit in Kapitel 13 charakteristisch. Allerdings ist das nicht ihr einziges, auch nicht das alles andere überformende Merkmal. Und mit „antiapokalyptischen" Tendenzen oder der Absicht, die Vorlage zu „entapokalyptisieren", hat das schlechterdings nichts zu tun. Gegen den Versuch, Tradition (Vorlage) und Redaktion nach dem angeblichen Hauptdifferenzkriterium von apokalyptisch-schildernden und paränetisch-anredenden Sätzen derart pauschal voneinander zu scheiden, sprechen mehrere Gründe. Einerseits muß gelten: Nicht jede anredende Verbform und nicht jeder Imperativ kann der Vorlage abgesprochen und der Markus-Redaktion zugewiesen werden. Imperativ ist nicht gleich Imperativ. Nicht jeder Imperativ zeigt Paränese an, zumindest nicht im Sinne der zuvor genannten eindeutig markinischen Partien. Und an keiner Stelle dürfen Situation und Problemlage außer acht bleiben. Das bedeutet im einzelnen: - Schon die wahrscheinlich der Redaktion zugehörigen Imperative μάθετε (V. 28) und γινώσκετε (V. 29 c) sind nicht einfach Paränese. Sie 54

So Pesch, Naherwartungen 78. Ebd. 77. 80. 120ff. u.ö. 56 Nach Pesch, Naherwartungen 77. Vgl. ζ. B. auch schon Gräßer, Parusieverzögerung 156: „Solche Ermahnungen laufen wie ein roter Faden durch die ganze Rede (vgl. Vv. 7. 9. 11. 13b. 14b. 21. 23. 28. 33. 35. 38 [sie.; es ist wohl 37 gemeint]). Sie bestimmen ihr wahres Interesse: nicht apokalyptische Belehrung, sondern paränetische Weisung will sie geben" (Hervorhebungen im Original). 57 Pesch, Naherwartungen 78. 55

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sind Lernanweisungen im typisch apokalyptisch orientierten Lehrgespräch 58. Die Ermunterungen μή προμεριμνατε (V. I I b ) und τοϋτο λαλείτε (V. 11c) gehören zur vormarkinischen Verfolgungstradition. Auch der Imperativ μή πιστεύετε (V. 21c) ist nicht redaktionelle Bildung 59 , sondern gehört zu einer anderen vormarkinischen Überlieferung 60 . Die vier Imperative in den Vv. 14 c (3.Pers. plur.) und 15 f. (3.Pers. sing.) sind nicht Paränese, sondern Anweisungen zur Flucht in der speziellen Situation der Vorlage (V. 14-20). In diese spezielle Situation eingebunden ist ebenfalls die Aufforderung zum Gebet in V. 18. Auch das μή θροεΐσΟε in V. 7 b entspricht nicht der markinisch akzentuierten Paränese. Hier liegt vielmehr eine der speziellen Problemlage von V. 7 a zugewandte Aufforderung zum Vertrauen vor, motiviert mit dem typisch apokalyptischen Hinweis auf Gottes weltordnendes Walten (V. 7 c). Nicht weniger sind die in zweiter Person Plural formulierten indikativischen Wendungen όταν δέ άκούσητε V. 7 a und όταν δε ϊδητε V. 14 a zum einen von den indikativischen Wendungen aus dem Sitz der Verfolgungstradition (V. 9 b. 11 b. d. 13 a), des apokalyptischen Lehrgesprächs (V. 29 c) und der paränetischen Motivierung zu unterscheiden. Zum anderen sind sie streng durch die Situationsetappen der Vorlage bestimmt und darin sinnvoll. Es gibt keinen plausiblen Grund, sie der Markus-Redaktion zuzuschlagen 61 .

Auf der anderen Seite führt auch die pauschale Zuweisung von „apokalyptisch-schildernden" Sätzen zur Vorlage zu keinem befriedigenden Ergebnis. Die Sätze V. 15. 16 und 18, in gewisser Weise auch V. 17. 20 a. 21 sowie V. 7 a und 14. a. b sind nicht oder nicht im strengen Sinne Zukunftsschilderungen in der dritten Person Plural. Dennoch wurden sie in den älteren literarkritischen Rekonstruktionen mit Recht zumeist der Vorlage zugeordnet. Die Sätze V. 6. 12 und 22 entsprechen gewiß 58

Vgl. 4 Esr 4,50; 5,54; 6,10. So Pesch, Naherwartungen 114, mit dem bezeichnenden Argument (öfter angewandt, vgl. zu V. 7 S. 120): „Die paränetische Formulierung von V. 21 spricht von vornherein für den Redaktor". 60 Vgl. Lk 17,23 mit den parallelen Anweisungen μή άπέλΟητε μηδέ διώξετε. 61 Anders als Pesch, der die genannten Wendungen ganz zur MkRed zählt, scheint Gnilka, Markus 186. 211, eine Umänderung von der 3. Pers. plur. (Vorlage) zur 2. Pers. plur. (MkRed) vorzuschlagen. Die Begründung, daß „die persönliche Anrede... in der jüdischen Apokalyptik nicht beheimatet ist" (d.i. die gleiche Voraussetzung wie bei Pesch u.a.), ist unhaltbar. Im übrigen kann man auf die 3. Pers. plur. in V. 7a nicht gut die 2. Pers. plur. in V. 7 b folgen lassen. 59

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jenen Stilkriterien. Doch gibt es gute Gründe, sie nicht der Vorlage zuzurechnen, worauf für V. 6 und 22 schon hingewiesen wurde. V. 12 erscheint durch das Stichwort „überliefern" (παραδιδόναι, vgl. V. 9 b. I I a ) in der vormarkinischen Verfolgungstradition verwurzelt. Vor allem entsprechen die Vv. 6. 22 sowie V. 12 jeweils nicht der speziellen Problemlage der Vv. 7 f. 14-20. 24-27.

3.2.3 Der nachkritische Rekonstruktionsversuch Einen neuen, überraschenden Rekonstruktionsversuch hat F. Hahn vorgelegt 62 . Danach handelt es sich bei der schriftlichen Vorlage um eine „von Anfang an christlich konzipierte Rede", die zu Beginn des Jüdischen Krieges „im jüdischen Raum, wahrscheinlich in Jerusalem" verfaßt wurde und folgenden Umfang haben soll: V. 7f. 9b. (10.) 11-13. 14-20. 21 f. 24-27. 28-31, ausschließlich der angeblich redaktionellen Wendung V. 8 fin." Hahn setzt die Vv. 7 f. 14-20. 24-27 als für die Vorlage erwiesen voraus. Diese versucht er dann von hinten her erst durch die Vv. 28-31, dann durch die Vv. 21 f. und schließlich die Vv. 9 b—13 zu vervollständigen. Aber das ist nur scheinbar eine harmlose Ergänzung, in Wirklichkeit ein Bruch mit der zugrunde gelegten Basis der älteren literarkritisch und formgeschichtlich begründeten These (s. 3.2.1). Man kann so nur verfahren, wenn man die formalen und religionsgeschichtlichen Rekonstruktionsprinzipien dieser Basis hintanstellt und nach der inneren Struktur sowie der Sacheinheit der so rekonstruierten Vorlage im Zusammenhang mit einer bestimmten Problemlage erst gar nicht mehr fragt. Im Folgenden seien die wesentlichen Begründungen des verschlungenen Argumentationsganges kritisch durchgegangen. a) Die Einheit der Vv. 28-31 mit den Vv. 7 f. 14-20. 24-27 wird zweifach zu begründen versucht. Zum einen: Das traditionelle Logion V. 32, von Markus redaktionell verwendet, sei ein Nachtrag, eine Kor" Die Rede von der Parusie des Menschensohnes Markus 13, in: Jesus und der Menschensohn, FS A. Vögtle, 1975, 240-266; zum Grundbestand der Hypothese vgl. bereits Hahn, Mission 58 f. 63 Vgl. die Zusammenfassung 258-260. V. 10 wird eher für vormarkinisch gehalten, aber die Frage offengelassen (257). Daß die Zuweisung von V. 8d vor allem durch die Wiederaufnahme der ersten Jüngerfrage (V. 4) „deutlich" werde, überzeugt ebensowenig, wie das apodiktische Urteil, daß ταϋτα V. 8 d „nur in Verbindung mit der Jüngerfrage V. 4 a Prägnanz gewinnt". Denn das setzt voraus, daß man den philologisch gebotenen nächstliegenden Bezug von ταϋτα auf V. 7 f. außer acht läßt, bloße Wortassoziationen formalistisch für Strukturanalyse ausgibt (wie später auch bei όταν und ϊδητε) und zuvor auch noch die Tempelzerstörung in V. 7 f. einträgt.

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rektur, die in einer gewissen Spannung zur vorher geäußerten Naherwartung stehe. Darum müsse, entgegen der neueren Exegese, V. 30 f. und 28 f. der vormarkinischen Tradition zugehören. „Nur so" könne es eine befriedigende Erklärung der ganzen eschatologischen „Rede" geben 6 4 . Letzteres darf man bestreiten. Die anderen Beurteilungen sind unzutreffend, die Schlußfolgerung für V. 30 f. ist voreilig; diejenige für V. 28 f. nicht stimmig, da hier - entgegen der Auslegung durchweg - die Naherwartung gar nicht thematisiert ist. Schon bei Paulus gehört in die grundlegende eschatologische Unterweisung gleichzeitig die zeitliche Nähe der Parusie des Herrn und das unvorhersehbar-plötzliche Hereinbrechen seines „Tages", wie 1 Thess 4,13-5,11 teils voraussetzt, teils beweist. Und aus dem Nichtwissenkönnen des Termins wird hier, wie in Mk 13,33-37, paränetisch die Notwendigkeit des ständigen Wachens gefolgert (Stichwort beiderseits γρηγορεΐν). Eine gewisse, begrenzte Spannung (vgl. δέ V. 32) scheint also von früh an für die gedankliche Einheit der eschatologischen Katechese konstitutiv gewesen zu sein. Außerdem wird sich noch zeigen, daß Belehrungen über die Zeitdistanz bis zur Heilswende (V. 30 f.), über die Zeichen dafür (V. 28 f.) und über die grundsätzliche Unmöglichkeit, den genauen Termin zu offenbaren (V. 32), insgesamt traditionell zur Gattung des apokalyptischen Schulgesprächs gehören. Literarkritische Erwägungen sind hier also fehl am Platze. Der zweite Teil von Hahns Begründung, die für seine ganze Hypothese Schlüsselfunktion 6 5 hat, lautet: Die Vv. 7f. und 14ff. seien durch doppeltes οταν strukturiert. Und zwar im einzelnen so, daß όταν einerseits V. 7f. und andererseits V. 14-27(!) je als „eine Einheit" mit „zusammenhängendem Geschehensablauf" ausweise, weil die Vv. 24-27 nicht durch οταν strukturiert seien. Diese οταν-Struktur bestimme aber gleicherweise die Vv. 28-31. Durch dieses „Gliederungsprinzip" sei damit die Zusammengehörigkeit von V. 7 f. 14-20 + 24-27 mit V. 2 8 31 gegeben 6 6 . Aber diese grundlegende These, von der aus weittragende Folgerungen im einzelnen deduziert werden, ist von mehreren Aspekten her höchst anfechtbar: - Zunächst einmal betrifft die angebliche οταν-Struktur nur die Vv. 28 f., nicht dagegen die Vv. 30-31. Gleichnis und nachfolgende Logien haben eine verschiedene Funktion, und zwar in einem die Vv. 28-32(!) übergreifenden Ganzen, das in der bisherigen Exegese keine Beachtung fand. 64

"

Ebd. 243f. Ebd. 245-247.

65

Das zeigen die Bemerkungen ebd. 259f. Anm. 75. 261 u.ö.

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- Von einem doppelten όταν kann in den Vv. 28 f. als Parallele zu V. 7 und 14 im Ernst keine Rede sein. Denn hier wird zum einen nur ein gleichnishafter Sachverhalt in seine Anwendung übersetzt, während es dort gerade um zwei zu unterscheidende Geschehensabläufe geht. Dort werden angesichts einer Wahrnehmung Verhaltensweisen bedacht, die eingenommen oder nicht eingenommen werden sollen; hier hingegen handelt es sich um einen durch Lehre provozierten einheitlichen Erkenntnisvorgang. - Die Vv. 7 f. 14-20. 24-27 und 28-32 sind von der Gattung her zu unterscheiden: Ersteres ist apokalyptische Prophetie angesichts einer aktuellen, von außen kommenden Notlage. Dabei signalisieren die mit όταν eingeleiteten Etappen, zeitlich gestuft, als traditionell-apokalyptische Zeichen die Nähe der Heilswende. Die kleine Einheit des apokalyptischen Schulgesprächs in den Vv. 28-32 hingegen setzt gattungsgemäß die gegenwärtige Nichtsichtbarkeit, also die Ferne des Zeichens für die Heilswende voraus. Wir haben also, wie zuvor schon angezeigt, in den Vv. 28-32 eine eigene Einheit vor uns, die auch einen eigenen, gattungsgemäßen Neueinsatz (μάθετε V. 28 a) aufweist. Überdies weisen die gattungsgemäß zugehörigen Schulfragen in V. 4 für beide Textpartien den gleichen Sitz im Leben aus. Das spricht unter anderem entscheidend dafür, daß wir in V. 3 f. und 2832 - natürlich unter Verwendung traditionellen Logienmaterials den Evangelisten am Werke zu sehen haben 67 . - Die These Hahns beruht wesentlich darauf, daß er einzelne Wörter oder Wendungen, die verschiedenen Schichten und Problemlagen des komplizierten traditionsgeschichtlichen Gebildes Markus 13 zugehören, assoziativ zu angeblich den Text übergreifenden Strukturprinzipien hochstilisiert. Von da aus wird dann der jeweils spezielle, verschiedenen Textstadien zugehörige Sinn der Wendungen eingeebnet: auf das Niveau einer Vorlage, welche die Verwerfungen im Textgefüge überspielt. Das wird auch an dem Hilfsargument für die die Vv. 7. 14 und 28 f. verbindende „οταν-Struktur" sichtbar. Sie sei maßgebend, da vor V. 29 b „von einem όταν ΐδητε . . . in der vorausgegangenen Schilderung der eschatologischen Ereignisse nur in V. 14ff die Rede" gewesen sei 68 . Auch hier werden wieder die je unterschiedlichen Bezüge der wortgleichen Wendungen, die sich ver-

" Hahn macht hingegen für seine These zusätzlich wichtige Differenzen zwischen V. 4 und 29f. geltend (Bezüge von ταϋτα und ταΰτα πάντα); ebd. 251 ff. Aber diese angeblichen Differenzen sind aus der oben referierten Grundthese deduziert und lassen außer der Gattungsfrage auch die gebotenen nächstliegenden philologischen Möglichkeiten für die Bezugsbestimmung von ταΰτα und ταύτα πάντα außer acht. 68 Ebd. 246.

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schiedenen Gattungen und Problemlagen verdanken, überspielt 69 . Das ταΰτα γινόμενα, an dem das Sehen zum Erkennen der nahen Heilswende kommen soll, kann sich philologisch nur auf das im Text Nächstmögliche beziehen: auf das Sehen des kommenden Menschensohns (V. 26) oder auf das Sehen der kosmischen Erscheinungen als vorausgehendes himmlisches Zeichen seines nahen Kommens (V. 24 f.). Da mit V. 26 hier ein anderer Personenkreis und das Gerichtsmotiv verbunden sind, muß man V. 29 b auf V. 24 f. zurückweisen lassen. Da der Standort des Markus durch V. 23 bestimmt ist und die Vv. 28 f. gattungsgemäß ein zukünftiges Zeichen reflektieren, ist das Sehen von V. 29 b auch von da aus betrachtet auf die Vv. 24 f. zu beziehen. - Unhaltbar ist auch die These, das doppelte όταν weise einerseits V. 7 f. und andererseits die Vv. 14-20 mit 24-27 als einheitlichen Geschehensablauf aus. Schon die Proportionen der so postulierten Einheiten - einmal zwei, dann elf Verse - stimmen nicht. Das aus den Vv. 7 f. 14-20. 24-27 bestehende Gesamtgeschehen ist doch zweifellos durch das Äonenschema strukturiert; und die Äonen- oder Heilswende ist deutlich mit άλλά (V. 24) markiert 70 . Das doppelte όταν (V. 7. 14) hingegen gliedert lediglich das Endgeschehen innerhalb des vergehenden Äons, und das ist unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden. Denn mit dem vom ersten όταν Eingeleiteten korrespondiert die Kennzeichnung „Anfang der Wehen"; das mit dem zweiten Eingeführte hat die unvergleichlich große Drangsalszeit zur Folge, mit der dieser Äon zu seinem Höhepunkt und zugleich zu seinem Ende kommt. Solche eindeutigen Textsignale, die mit den religionsgeschichtlichen Gegebenheiten übereinstimmen, werden in dem Rekonstruktionsversuch von Hahn übergangen. Doch beruhen gerade darauf weitreichende Folgerungen auch für die Deutung der Komposition des Markus: für die Bestreitung einer Zäsur vor V. 24, für die Behauptung des Standorts des Markus vor V. 14 und einer entsprechenden Zweigliederung des Geschehensablaufs in die Vv. 5-13 und 14-27, beides gegen V. 23 n ; für die Umdeutung von V. 14 auf den in der Zukunft wirken69 Zur Begründung s. o. Lambrecht, Redaktion 198, hatte mit Recht herausgestellt, daß sich das δ τ α ν ΐδητε in V. 14 und 29 jeweils durch verschiedene Nachsätze und Objekte unterscheide, ein bewußter Bezug also unwahrscheinlich sei. Bei Hahn (246 Anm. 28) wird diese richtige Beobachtung zu Unrecht als „merkwürdig" abqualifiziert. 70 Daß mit ά λ λ ά hier zu etwas Neuem übergegangen wird, hat Pesch, Naherwartungen 157 - mit Verweis auf W. Bauer, Wb. s. v. 3. (76) und weitere Literatur - mit Recht hervorgehoben (vgl. Mk-Kommentar 302). 71 Die Bedeutung von V. 23b wird verkannt (vgl. 251 Anm. 45). Gattungsgemäß bezieht sich V. 23 b auf das von der Gemeinde zu bewältigende Ergehen in der Welt (An-

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den Antichrist, wieder gegen V. 23; für die Umdeutung der aus der Ferne drohenden Kriegsereignisse auf die Zerstörung des Tempels. b) Für die Zugehörigkeit der Vv. 21 f . zur Vorlage wird erstens behauptet, sie seien „eng mit V. 19 und vor allem mit V. 20 verbunden". Begründung: „Denn hier geht es darum, daß die εκλεκτοί verführt und zum Abfall verleitet werden sollen, weswegen (!) es um ihrer (!) Bewahrung willen zu einer Verkürzung der Tage kommen wird" 72 . Aber ein Bezug zu V. 19 besteht nicht, das „weswegen" ist textwidrig. Am Leben gelassen werden nicht nur die Auserwählten; und der äußere Anlaß dieser Bewahrung ist nicht durch die Pseudochristi gegeben, sondern durch die nie dagewesene Drangsal, welche die Weltmacht Rom als Endtyrannis heraufführt. Die Problemlage von V. 14-20 ist eben nicht die von V. 21 f. Zweite Begründung: Die Struktur von V. 21 f. entspreche V. 7 und 14, da auf einen Ereignishinweis eine Aufforderung folge 73 . Aber auch damit wird wieder formalistisch verbunden, was nach Stil und Problemlage nichts miteinander zu tun hat. Schon das όταν δέ (V. 7. 14) gegenüber και τότε έάν τις zeigt die Differenz an. c) Für die Zugehörigkeit von V. 9b-13 zur Vorlage wird angeführt: Da eine ältere Sammlung von Herrenworten durch V. 10 und 12 als „apokalyptisch stilisierte Elemente" erweitert wurde, sei es „insofern nicht von vornherein ausgeschlossen", daß die „Parusierede" V. 7 f. 1431 bereits diesen paränetischen Abschnitt enthalten habe. Daß das gegenüber den in der bisherigen Exegese angeführten Differenzbeobachtungen nicht als Begründung ausreicht, ist offenkundig. Hier wie zuvor ist auch die Frage nach der Vereinbarkeit der Situationen zu stellen. Die Vv. 7 f. 14-20. 24-27 setzen einheitlich die Situation der herannahenden römischen Streitmacht, die unmittelbar drohende Entweihung des Tempels mit verheerenden Schreckensfolgen und kurz (V. 20) darauf folgender Heilswende voraus. In dieser knapp bemessenen - Zeit vor dem Eintreffen der Römer in Jerusalem soll nach Hahn eine Phase mit verschiedenen Verfolgungssituationen Platz haben: Gerichtsverfahren vor (jüdischen) Synhedrien und Synagogen, vor (wohl heidnischen) Statthaltern und Königen, dazu Verfolgungen im Familienverband und der Haß der weiten Welt! Und auch die Evangeliumsverkündung an alle Heiden müßte noch in dieser Zeit geschehen! Das glaube, wer mag. Die Kontrahenten werden in der knapp bemessenen Krisenzeit andere Sorgen gehabt haben. Und nachfechtung durch Verfolgung und falschen Glauben), nicht dagegen auf die Schulfrage V. 4 nach dem Zeichen. Zu diesem Bezug läßt sich Hahn anscheinend wieder durch die Assoziation von πάντα in V. 23 und V. 4 verleiten. 71 Ebd. 248. 73 Ebd.

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dem die Gemeinde in höchster Eile die Flucht aus Judäa ergriffen hat und die verkürzte Schreckenszeit angebrochen ist, soll sie offenbar während oder nach dieser Drangsal? - von einer Schar von Pseudochristi und Pseudopropheten bedrängt werden. W o eigentlich? Im Gebirge, wo sie sich in Sicherheit gebracht hat und auf das nahe Kommen der Heilswende wartet? Und warum gerade jetzt? Das alles ist doch ganz unmotiviert und höchst unwahrscheinlich. Zusammenfassend läßt sich also sagen: Die Vv. 5 f. 21 f., der Abschnitt V. 9 b - 1 3 und die Vorlage V. 7f. 14-20. 24-27 setzen jeweils eine andere Problemlage voraus; und das entspricht der teilweise sichtbaren anderen Traditionsgeschichte dieser Komplexe. Pesch hat seine frühere Hypothese aufgegeben, die Hypothese Hahns als „überzeugend begründet" aufgenommen und der Kommentierung von Markus 13 zugrunde gelegt 74 . Einige wesentliche Voraussetzungen der Hypothese Hahns - die Unstimmigkeit zwischen V. 4 und 28 f., die Einheit von V. 14-27, die Zweigliederung aufgrund der οταν-Struktur samt Folgerungen - teilt Pesch allerdings nicht 75 . Insofern kann seine Fassung der Hypothese noch weniger als begründet gelten 7b . N u n zählt Pesch außerdem noch die Vv. 3-5 abzüglich dreier markinischer Einschübe zur Vorlage. Das macht die Hypothese noch unwahrscheinlicher. Wenig überzeugend ist es, wenn Pesch in V. 3 κατέναντι τοΰ ίεροΰ und in V. 4 die erste der beiden Leitfragen streichen muß, um die Sätze f ü r die Vorlage tragbar zu machen. Auch die Gruppe der vier Jünger versteht sich besser redaktionell von 1,16-20. 29 her 7 7 . Vor allem aber paßt die Szenerie eines apokalyptischen Schulgesprächs mit der Frage nach dem Zeichen ebensowenig zur speziellen Krisensituation der Vorlage V. 7 f. 14-20. 24-27 wie die zugehörige lehrhafte Unterweisung V. 28-32, die überdies die paränetische Folgerung, wie oben angezeigt, notwendigerweise nach sich zu ziehen scheint. Solche Szenerie und vor allem die apokalyptische Schulfrage nach dem (zukünftigen) Zeichen setzen die Erfahrung der Differenz zur nahe erwarteten Heilswende voraus. Die Problemlage der Vorlage ist eine andere. Und das darin mitgeteilte, geschaute Zeichen (V. 14) signalisiert im Horizont des Danielmusters mit dem Höhepunkt der Drangsal am Ende dieses Äons zugleich die nahe Heilswende. 74

Vgl. Pesch, Mk-Kommentar 266. Einzelne Differenzen betreffend V. 7-31: Pesch rechnet gegen Hahn V. 12 und die Wendungen και ο ύ μή γένηται (V. 19), έπΐ θύραις (V. 29) zur MkRed; Hahn hingegen V. 8d und 9a. 76 Vgl. auch die Kritik von Neirynck, Marc 13, 375 f. 389f. 77 Zu V. 3 f. vgl. die ausführliche Kritik bei Neirynck, Marc 13, 378 ff. 393-397. 75

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3.3 Das Fazit Läßt man bei der Rekonstruktion von Tradition und Redaktion stilistische, gattungsgeschichtliche und religionsgeschichtliche Gesichtspunkte zusammen zur Geltung kommen und beachtet man vor allem auch die dabei gegebenen verschiedenen Problemlagen, schält sich folgendes Ergebnis heraus. Grundstock ist für Markus eine jedenfalls nach Beginn des Jüdischen Krieges entstandene schriftliche Vorlage, die freilich vor allem zu Beginn kaum vollständig erhalten sein kann: V. 7 f. 14-20. 24-27. Redaktionell ist darin wahrscheinlich nur die zweite Zeitbestimmung in V. 24. Markus hat weiterhin auf folgendes Traditionsgut zurückgegriffen: wahrscheinlich auf das Apophthegma V. 1 b-2, mit schwer durchschaubarer Vorgeschichte 78 ; auf die schon vor Markus sekundär zusammengewachsene Spruchgruppe V. 9 b-13 (Verfolgungstradition), die vermutlich schon V. 10 enthalten hat; auf das Logion V. 21, das vielleicht schon in der Kombination mit V. 22 vorlag, doch zumindest ohne das Stichwort „die Auserwählten". Für V. 33-36 konnte Markus auf Gleichnisstoff aus dem Zusammenhang urchristlicher Paränese zurückgreifen (Vv. 34. 35 b. c. 36), der das Erzählmotiv vom weggehenden Herrn schon zweifach variiert hatte: längere Abreise (Motiv der Verantwortung), Weggang zur Nacht (Motiv der ständigen Bereitschaft, „wachen"). Sicher hat Markus auch in V. 28-32 traditionellen Logienstoff verwertet, doch ist eine genaue Bestimmung zum Teil kaum möglich. Separat überlieferbar war am ehesten V. 31. Das Motiv von V. 32 ist, wie wir noch sehen werden, alt (apokalyptisch), die ursprüngliche Form und Zugehörigkeit des Logions aber nicht sicher abschätzbar. Auch das Motiv von V. 30 geht nicht auf Markus zurück (vgl. 9,1). Redaktionell könnte das rückverweisende ταΰτα sein, doch ist zu bedenken, daß ταΰτα πάντα - mindestens das pauschale πάντα - zum apokalyptischen Sprachschatz gehört (Dan 12,7; Mk 13,4; vgl. Mt 5,18). Der Anteil des Markus an V. 28 f. ist, wenn man Gattung, Problemlage und Rahmung von Markus 13 (V. 3 f. 37) beachtet, hoch zu veranschlagen. Die Sicherheit, mit der man gewöhnlich V. 28 b (29) der Jesusüberlieferung zuzählt, ist schon darum trügerisch. Der Markus-Redaktion sind neben den zuvor genannten Einzelheiten vor allem die Vv. 1 a. 3-6. 9 a. 23. 33. 35 a und 37 zuzuweisen. Die Intentionen des Markus sind freilich nicht nur aus solchen auf ihn zurückzuführenden einzelnen Formulierungen zu ermitteln. Auch in der 78 Dazu zuletzt Neirynck, Marc 13, 397 f. (kritisch zu Pesch, Mk-Kommentar); mann, Zerstörung des Tempels 457-474.

Lühr-

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kompositioneilen Anordnung der traditionellen Stoffe kann das Interesse des Evangelisten zum Ausdruck kommen. Bevor dem weiter nachgegangen werden soll, ist im Folgenden zunächst das gegebene Fazit durch Untersuchungen zur Konzeption der zugrundeliegenden schriftlichen Vorlage zu ergänzen und auch zu erhärten. Es muß sich zeigen, ob und wieweit sich die ausgegrenzte Vorlage einer bestimmten, unverwechselbaren Problemlage verdankt und eine einheitliche theologische Konzeption dazu in sinnvollem Wechselverhältnis steht.

4. Situation und theologische Konzeption der Vorlage 4.1 Motive, Gattung, Aufbau Die Vorlage ist randvoll mit Motiven, wie sie sich schon in apokalyptischen Schriften des Frühjudentums finden. Die Wendung „in jenen Tagen" (V. 17. 19. 24, vgl. 20) ist geläufiger Terminus für die Endzeit 79 . Sie ist unter anderem durch Kriege (V. 7 a. 8 a), Erdbeben (V. 8 b) und Hungersnöte (V. 8 c) gekennzeichnet 80 . Die Endzeit ist die Zeit der großen Drangsal (V. 19f.) oder vielfältiger Drangsale 81 . Auf diese Endzeit geht das apokalyptische „Wehe" (V. 17) 82 . Solche Ereignisse des Schreckens, zu denen auch verheerende kosmische Erscheinungen (V. 24 f.) gehören können 8 \ sind die „in jenen Tagen" geschehenden apokalyptischen „Zeichen" 84 . Sie zeigen untrüglich an, daß die gegenwärtige Weltzeit ihrem Ende zueilt 85 , damit zugleich aber auch, daß die Rettung nahe ist 86 . Darum gehören die Vv. 14-20 und 24-27, obwohl sie als Unheilszeit und Heilswende durch eine Zäsur voneinander geschieden sind (άλλά V. 24), doch sachlich und zeitlich nahe zusammen; der hier wie dort gleicherweise verwendete Terminus „in jenen Tagen" belegt das. Neben dem Motiv des „Greuels der Verwüstung" (V. 14 a) 87 stammt jenes Denkmuster, das auf die noch nie dagewesene Drangsal (V. 19) die Heilswende mit der Rettung des Gottesvolkes „in jenen Tagen" antithetisch folgen läßt (V. 24-27), deutlich aus Dan 12,1. Vor allem im Henochkreis erscheint der Gottes-

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Z.B. äthHen 99,4f.; 100,1. 4; 4 Esr4,51; vgl. 5,12; 6,24; 7,26; syrBar 25,1. Vgl. nach Jes 8,21; 13,13; 19,2 etwa 4Esr5,5; 6,22. 24; 9,3; 13,30; syrBar48,32; 70,3 f. 8; äthHen 99,4 f. 81 Vgl. äthHen 1,1; 98,13; 4Esr 13,23; syrBar 25,3f.; 48,31. 82 Vgl. äthHen 54-103 passim, hier freilich nur auf die Sünder bezogen; vgl. auch Apk 8,13; 9,12; 11,14; 18,10. 83 Vgl. äthHen 80,4-7; 4Esr5,4; Apk 6,12-14; auch AssMos 10,5. 84 Die Termini „in jenen Tagen" und „Zeichen" finden sich des öfteren mit den zuvor in den Anm. 79. 80. 83 genannten Vorstellungen im Sinne eines festen Motivkomplexes verbunden. 85 Vgl. 4Esr 6,11-28; 7,26; 8,63-9,6. 86 Dan 12,1; vgl. 4Esr7,26ff.; 9,7 ff. 87 Dan 8,11; 9,27; 11,31; 12,11. 80

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

volkgedanke auf die engere Sondergruppe „der Auserwählten" (V. 20 a. 27) eingeschränkt 88 . Von früh an operiert die Apokalyptik mit dem Gedanken des Geschehenmüssens bestimmter, schrecklicher Ereignisse in der Endzeit (δει γενέσθαι V. 7 c) 89 . Gott hat die Zeiten gemessen und festgesetzt, und dementsprechend erfüllen sie sich 90 . Er kann sie aber auch am Ende um der Seinen willen verkürzen (V. 20) oder beschleunigen 91 . In 88

Ä t h H e n 1,1; 36,6; 39,7; 48,1 (Gerechte, Heilige, Auserwählte) u.ö.; vgl. Sap 3,9; 4,15 (Verwertung von Henochtraditionen!); Apk 17,14. " Dieselbe W e n d u n g Dan 2,28; Apk 1,1. ,0 Vgl. Dan 8,13f.; 9,24; 11,27. 35. 36; 12,7; 4 E s r 4,36b-37 samt Kontext 4,26-5,13. Mit einem speziellen Aspekt der Zeitmessung Gottes, der Vorstellung vom eschatologischen Maß, beschäftigt sich instruktiv die inzwischen (1983) veröffentlichte Dissertation von R. Stuhlmann. Die verschiedenen Gesichtspunkte des Gedankenkomplexes der Zeitmessung Gottes und darauf gerichteter Fragen, Antworten und Reflexionen in M k 13, auf die in der vorliegenden Untersuchung eingegangen wird, stehen allerdings außerhalb des Interesses der genannten Abhandlung. Ausführlich wird (S. 53-60) nur auf das Motiv von M k 13,20 eingegangen (dazu s. die folgende Anm.), das in M k 13 sowie in der Vorlage eher eine untergeordnete Rolle spielt. " Z u r Beschleunigung vgl. z.B. syrBar 20,1 f.; 83,1; knapp angeschlagen wohl auch 4 Esr 4,26. Z u r Verkürzung festgesetzter Zeiten allgemein vgl. ä t h H e n 5,5. 9; syrBar 48,19; ApkBar (gr) 9,7: έ κ ο λ ό β ω σ ε ν τ ά ς η μ έ ρ α ς αΰτης; AntB 19,13 (Stuhlmann 55 f.; die gelegentlich beigezogene Stelle ä t h H e n 80,2 gehört nicht hierher). N u n ist zwar zwischen dem Motiv der Beschleunigung (Akzelleration) und dem der Verkürzung (Amputation) der Zeiten zu unterscheiden. Auch ist die Verkürzung, welche die Jahre und Zeiten als solche betrifft (AntB 19,13), im einzelnen nicht einfach identisch mit der „Verkürzung der Tage", welche die Abkürzung eines übergreifenden Zeitraumes meint ( M k 13,20; ApkBar 9,7). Im ersten Falle bleibt die Anzahl der Jahre und Zeiten (Tage) erhalten, nur sind sie jeweils kürzer als normal; im zweiten Falle haben gegen den Schein des Wortlauts die Zeiten (Tage) noch die normale Länge, aber die Gesamtzeit hat weniger Tage. D a ß die letztere Variante der Verkürzung der Zeiten „eine gänzlich andere Vorstellung" sei (so Stuhlmann 55), erscheint mir, vor allem hinsichtlich der daraus gezogenen Folgerungen, zumindest übertrieben. Denn wie immer auch vorstellungsmäßig die Verkürzung im einzelnen geschieht: der Effekt im ganzen ist der gleiche. Auch können die an sich zu unterscheidenden Motive der Verkürzung und der Beschleunigung durchaus auf die gleiche Wirkung hin verbunden werden (z.B. AntB 19,13). In syrBar 20 betrifft die Beschleunigung der verschiedenen Zeitmaße das Endgeschehen als Ganzes und der Effekt ist die Verkürzung der Gesamtzeit bis z u r Heilswende (V. 20). M k 13,20 mag ohne exakte Parallele in der zeitgenössischen jüdischen Literatur sein (Fazit bei Stuhlmann 57). Aber das betrifft nur die Vorstellungsvariante im einzelnen. Die Voraussetzungen solchen Denkens und der auf eine übergreifende Wirkung hinsichtlich der D a u e r der Endzeit zielende Gedanke lassen sich m . E . der jüdisch-apokalyptischen Literatur nicht absprechen. Tendenziös erscheint mir auch, in 5 Esr 2,13 und in ApkAbr 29,13 einen Reflex speziell von M k 13,20 zu sehen. Einen stichhaltigen Hinweis auf M k 13,20 gibt es hier nicht; auch christliche Interpolationen können vom gemeinsamen apokalyptischen Erbe zehren. Die weitergehende Folgerung, M k 13,20 f ü r die Verkündigung Jesu zu reklamieren (so Stuhlmann 58-60; sichtlich im Anschluß an Gedankengänge von J. Jeremias), halte ich nicht f ü r berechtigt: 1. Das Unähnlichkeits-Kriterium (Hauptargument) ist in diesem

Motive, Gattung, Aufbau

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diese Geheimnisse der Zeiten wie der Zeichen haben die apokalyptischen Propheten oder Weisen Einblick erhalten 92 . Aus solchem Bewußtsein gespeist und solchem Personenkreis zugehörig, offenbart der Verfasser nicht nur die Verkürzung der Drangsalszeit, sondern vor allem schon das in Zeitetappen gegliederte Endgeschehen der Vorlage (V. 7 a. 14 a. 24 a) insgesamt. Das ist eine eschatologische Geschichtsschilderung, freilich zusammengedrängt auf die letzten Etappen dieser Weltzeit und das Geschehen der Heilswende. Deutlich liegt ihm aber der Aufriß des Zwei-Äonen-Schemas zugrunde, das Apokalypsen in der Regel prägt. Dieser Sachverhalt, die Erinnerung der traditionellen Zeichen (V. 7 f. 19. 24 f.), die für Gruppenangehörige gegebene Verschlüsselung V. 14 a und die ausdrückliche, typische Anweisung zur Entschlüsselung des Geschehens im apokalyptischen Sinne (V. 14b) 93 : dies alles sind Gattungselemente, welche die Vorlage als Apokalypse ausweisen. Mit einem gewissen Recht hat man sie eine „kleine Apokalypse" genannt. Doch ist zu beachten, daß sie durch die sekundäre Inanspruchnahme des Markus nur fragmentarisch vorliegt. Der Aufbau der Vorlage ist nach dem zuvor Gesagten klar. Das Endgeschehen des gegenwärtigen Äons ist in zwei Etappen gegliedert: Mit όταν δέ άκούσητε wird der „Anfang der Wehen" (V. 7 f.) eingeleitet, mit όταν δέ ϊδητε die letzte Geschichtsetappe der nie dagewesenen Drangsal (V. 14-20). Dieser gegliederten und sich steigernden Unheilszeit wird, eingeleitet mit άλλα έν έκείναις ταΐς ήμέραις, die Wende der Weltzeiten mit ihren Folgewirkungen kontrastiert (V. 24-27). Dabei werden von den vorauslaufenden Begleiterscheinungen (V. 24 f.) zwei Akte des eigentlichen Endgeschehens abgehoben und mit και τότε (V. 26. 27) zugleich auch voneinander abgesetzt. Die gattungsgemäße Funktion einer Apokalypse besteht darin, in einer bedrohlichen Krisensituation aufgrund des esoterischen Einblicks Falle nicht, zumindest nicht überzeugend anwendbar (s. zuvor). 2. Das Nebenargument, Mk 13,20 stehe „in krassem Widerspruch" zur „Tradition vom eschatol. Maß" (4Esr 4,36f.), sticht nicht. Das beträfe im Effekt des Gedankens auch etwa syrBar 20,1 f. (s. o.). Auch in M k l 3 steht neben dem Gedanken der fest abgemessenen Zeiten, die mit ihren Leiden geschehen und durchgestanden werden müssen, der andere von der Verkürzung der Zeit. 3. Auch das zweite Nebenargument, Mk 13,20 habe demgegenüber Analogien in der Verkündigung Jesu (mit Lk 13,6-9 zu begründen versucht), überzeugt nicht. In diesem Feigenbaumgleichnis geht es nicht um Verkürzung der Zeiten, geschweige der mit Drangsalen erfüllten Endzeit, sondern um Verlängerung der Frist zur Bewährung (Umkehr). Das hat mit Mk 13,20 nichts gemein. Der Gedanke, daß Gott zugunsten der Sondergruppe der Auserwählten die letzte Drangsalszeit verkürzt, ist prinzipiell auch jüdischer Apokalyptik erschwinglich; etwas spezifisch Jesuanisches hat er nicht. 4. Die isolierte Behandlung von Mk 13,20, die ohne jede Berücksichtigung des zugehörigen Kontextes der Vorlage (V. 7 f. 14-20. 24-27) erfolgt, ist schon methodisch anfechtbar. ,2

Vgl. Dan 9,23-27; 10,14; 12,4; 4Esr 14,3-8; syrBar 81,4. " Dazu s.u. im Abschnitt 4.4.2.

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Situation u n d t h e o l o g i s c h e K o n z e p t i o n der V o r l a g e

in die das Weltgeschehen überspannende geheime, himmlische Weisheit - welche offen erst mit Beginn der eschatologischen Heilswende zutage tritt - für die Gegenwart der Gruppenzugehörigen Klärung und Vergewisserung herbeizuführen 94 . Will man dieser Erkenntnis bei der Auslegung der Vorlage gerecht werden, ist nach Zeit und Ort (4.2), nach dem Standort des Verfassers (4.3), nach dem Zusammenspiel von Problemlage und darauf eingehender apokalyptischer Konzeption (4.4) und schließlich nach dem möglichen Trägerkreis des apokalyptischen Fragments (4.5) zu fragen.

4.2 Zeit und Ort der Vorlage Für die Feststellung von Zeit und Ort der Vorlage läßt sich ihr selbst nur aus V. 14 a. c, auch aus V. 7 a und allenfalls noch aus V. 18 etwas entnehmen. Betroffen sind durch die Entweihung des Tempels Jerusalem (V. 14 a), aber auch „die in Judäa" (V. 14 c). Erwogen hat man unter anderem, den „Greuel der Verwüstung" auf die Absicht des Kaisers Caligula zu beziehen, im Jerusalemer Tempel sein Bild aufzustellen, also auf Ereignisse im Jahre 39/40 n.Chr. Näher liegt, wie schon erwähnt, die Datierung auf die Zeit des Jüdischen Krieges (6670 n.Chr.). Entscheiden und weiterführen läßt sich diese Frage indirekt durch die Einsicht in die Absicht der Redaktionsarbeit des Markus in V. 3 f. Die redaktionelle Verknüpfung beider Szenen und die Leitfrage nach dem Termin der Tempelzerstörung setzen voraus, daß Markus diese Frage auf jeden Fall in der Vorlage beantwortet gesehen haben muß - worin auch immer er diese Antwort gegeben sah, in V. 7 a oder in V. 14; das ist umstritten. Man wird dann das „Hören von Kriegen und Kriegsmeldungen" (V. 7 a) auf das Näherkommen der römischen Streitmacht zu deuten haben. Erst V. 8 wird ja erläuternd das gängige apokalyptische Zeichenmotiv gebracht, das als solches von sich aus noch keinen präzisen Bezug zuläßt, auch wenn es hier selbstverständlich zeitgeschichtlich aktualisiert wird. Achtet man auf die in V. 7b.c sich spiegelnde Betroffenheit der Adressaten der Vorlage, darf man weiter folgern, daß das Kriegsgeschehen sich vermutlich schon bedrohlich über Galiläa hinweg auf Judäa und Jerusalem hin verlagert. Es empfiehlt sich darum, die Entstehung der Vorlage nicht zu Beginn des Jüdischen Krieges zu datieren, sondern nahe an die sich für Jerusalem selbst abzeichnenden Ereignisse heranzugehen. 94

Zum Grundsätzlichen s. Brandenburger, Verborgenheit 9-13. 197 u.ö.; vgl. auch den knappen Einblick ins Problem, den syrBar 81 gibt.

A p o k a l y p t i s c h e r E n t w u r f : der A n f a n g der W e h e n

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4.3 Der Standort des Verfassers Mit der vorangegangenen Bestimmung von Zeit und Ort ist man zugleich auch nahe an die Standortbestimmung für den Verfasser der Vorlage herangerückt. Denn daß er das Ganze im Futur schildert, gehört natürlich zum apokalyptischen Stil. In V. 7 b. c wird auf das Grauen vor dem sich verlagernden Kriegsgeschehen reagiert. Hier ist die Gegenwart von Verfasser und Adressaten, oder mit anderen Worten: das Aktionsfeld des apokalyptischen Propheten oder Weisen inmitten seiner bedrohten Gemeinde. Das für die unmittelbar bevorstehende Zukunft Befürchtete beziehungsweise Geschaute (V. 14-20) ist hingegen nicht in dieser Form - wenn auch im wesentlichen nicht ganz unähnlich - geschichtliche Realität geworden. Die Vv. 14-20 sind also Teil aktuell gewagter Prophetie vor der Zerstörung des Tempels, die durch Feuer und nachfolgende Schleifung erfolgte, die auch die Stadt traf 9 5 . Der Standort des Verfassers ist damit im Textverlauf der Vorlage vor V. 14 festzulegen.

4.4 Die apokalyptische Konzeption der Vorlage in ihren Etappen Bei der Untersuchung der Frage, wie der Verfasser die Krisenlage versteht und wie er sie zu bewältigen versucht, folgt man am besten den klar voneinander abgesetzten drei Etappen des Geschehens.

4.4.1 Die Gegenwart als Anfang der Wehen: V. 7 f. In der gegenwärtigen Krisenlage (V. 7 f.) hat der apokalyptische Prophet zwei Aufgaben wahrgenommen. In der Hauptsache geht er auf die sich bedrohlich verlagernden Kriegsereignisse mit all ihren gefürchteten Folgeerscheinungen ein. Die Gruppe der Auserwählten wird dazu angehalten, nicht in Schrecken und Angst zu verfallen (μή θροεΐσθε V. 7 b). Begründet wird das mit dem Geschehen müssen des von Gott so bestimmten Weltverlaufs (δει γενέσθαι V. 7 c ) I n diesem Gedanken des - mehr schlecht als recht so genannten - apokalyptischen Determi95

Vgl. Josephus, Bell. VI 250-266 und VII 1-3. " Die passivische Formulierung weist auf Gott. V. 7 c ist Grundlage für den Imperativ V. 7b (vgl. auch Anm. 98). Mt hat das richtig durch Einfügung eines γ ά ρ kommentiert.

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

nismus geht es um das dem apokalyptischen Propheten oder Weisen 97 gewährte Wissen um die Geheimnisse des göttlichen Planes, um das verborgene Procedere Gottes mit der Welt, um das, was im 4 Esr der „Weg Gottes" genannt wird. Die Funktion dieser esoterischen Einsicht in die jetzt im himmlischen Thronbereich verborgene und erst mit dem Ende dieser Weltzeit offen hervortretende Weisheit Gottes ist, in der gegenwärtigen Krisenlage Vertrauen in Gottes weltordnendes Walten wachzuhalten oder erneut zu stiften 98 . Im Zusammenhang des apokalyptischen Muß ist auch die Erläuterung in V. 8 a - c zu sehen. Sie bringt ein gängiges Motiv aus dem Rahmen des apokalyptischen Denkmusters in Erinnerung. Dieses Potential wird also zum Verstehen der gegenwärtigen Weltlage aktiviert: Mit dem Herannahen der Schreckensereignisse befindet man sich schon in der Endzeit. Ebendas bringt ja auch die am Schluß stehende knappe Deutung „Anfang der Wehen (ist das)" (V. 8d) zum Ausdruck. Die Einordnung des Geschehens V. 7 f. als Anfang der eschatologischen Schreckenszeit weist schon zur nächsten Etappe der unvergleichlich großen Drangsal (V. 14-20) hinüber. Beide Wendungen charakterisieren ja in etappenweiser Gliederung gemeinsam die Schreckensereignisse in der Endzeit dieses Äons. Bevor der Prophet die letzte, alles Grauen in den Schatten stellende Etappe ansagt, sah er seine Aufgabe auch darin, im gegenwärtigen Schrecken auf noch schlimmere Ereignisse vorzubereiten: „(das ist) aber noch nicht das Ende" (V. 7d), das heißt, noch nicht die letzte Etappe dieser Weltzeit und damit noch nicht der Höhepunkt des Schreckens, auf den die Apokalyptik schon immer hingewiesen hat 99 . Die Zwischenbemerkung soll also auf folgendes hinweisen: Das Endgeschehen hat seine von Gott abgemessenen, in seinem planvollen und damit sinnhaften Vorgehen festgesetzten Etappen; und innerhalb dieses Weges Gottes mit der Welt kommt noch Schrecklicheres als die Gegenwart auch auf die Auserwählten zu. Durch solch gegliederte Verbindung zwischen V. 7d. 8d und V. 19 f. übergreift dann aber sowohl das apokalyptische Muß als auch die darauf gegründete Ermunterung zum Vertrauen während der scheinbaren Abwesenheit Gottes im Weltgeschehen zugleich auch die Ereignisse, die der Prophet nun in den Vv. 14-20 ankündigt. 97

Für den Zusammenhang von apokalyptischem Prophetentum und der Gruppe der Weisen s. Brandenburger, Verborgenheit 118-120. 159. 197. " Zur Begründung solcher Interpretation s. ebd. 117. 186 ff. 197. " Eine Gliederung der Zeichen der Endzeit wird auch im 4Esr zwischen ihrer (z.T. etwas künstlichen) Anordnung in visio 1 bis 3 gegeben: In 5,13 und 6,31 wird jeweils auf „größere" Endzeichen vorausverwiesen. Auch Dan 11,27 verweist darauf, daß das Endgeschehen erst zur festgesetzten Zeit kommt, freilich z.T. in anderem Sinne als Mk 13,7d.

Apokalyptischer Entwurf: die große Drangsal

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Daraus ergibt sich weiterhin, daß man die in die Vv. 7 f. 14-20 und 24-27 gegliederte Vorlage nicht zu schematisch nach anderen Apokalypsen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 1 0 0 teilen darf. Das Wirkungsfeld des Propheten ist zunächst die Gegenwart (V. 7f.). Ihn beschäftigt dann die gerade jetzt auf die Gegenwart zukommende und als nächstes zu bewältigende unmittelbare geschichtliche Zukunft (V. 14-20). Dem gegenüber steht eine andere, mit der Heilswende hereinbrechende Zukunft (V. 24-27). Auch wenn sie nach der Vorlage nahe ist, steht sie doch im Kontrast zur gegenwärtigen Welt und Zeit, welche jetzt mit dem Anfang der Wehen und der schon andringenden großen Drangsal ihrem Ende zueilen.

4.4.2 Die hereinbrechende große Drangsal: V. 14-20 Der Abschnitt V. 14-20 ist folgendermaßen aufgebaut. In V. 14 a wird das bevorstehende, die große Drangsal auslösende Ereignis angesagt und in V. 14 b mit einer Deuteanweisung versehen. Darauf folgt, in einem Wenn-Dann-Satz zusammengehalten, die entscheidende Anweisung zur Flucht (V. 14c). Den näheren Umständen der Flucht sind die parallelen Sätze V. 15 und 16 sowie das Wehe V. 17 und die Gebetsanweisung V. 18 gewidmet. Wie zu Beginn die Anweisung zur Flucht aus der Ansage des „Greuels der Verwüstung" folgte, wird abschließend die Flucht samt näheren Anweisungen dazu in V. 19 f. nochmals begründet, und zwar jetzt ausdrücklich mit dem Hinweis auf die nie dagewesene Drangsal. Wie man sieht, gehören Anfang und Ende in der Sache eng zueinander: Zu der Nennung des wohl vom Propheten geschauten kritischen Ereignisses tritt am Ende die schon gedeutete Folgeerscheinung. Die so angesagte Krisensituation ist eine eigenartige Mischung aus vorausgesetzter Kalkulation der zeitgeschichtlichen Entwicklung und aus in Anspruch genommenem altem apokalyptischem Verstehenspotential. Sowohl V. 14 a als auch V. 19 ist von deutlichen und intensiven Bezügen zum Danielbuch beherrscht. Die Wendung τό βδέλυγμα της έρημώσεως V. 14 a stammt aus Dan 12,11 LXX, vgl. 9,27; 11,31 und 1 Makk 1,54; 6,7. Die „in jenen Tagen seiende Drangsal, wie sie nicht gewesen ist seit Anfang der Schöpfung . . . bis jetzt . . ." (V. 19), ist sichtlich, wenn auch mit einigen Ergänzungen, im Anschluß an Dan 12,1 formuliert worden: έκείνη ή ήμέρα θλίψεως, οία ούκ έγενήθη άφ' ο ύ έγενήθησαν εως της ήμέρας έκείνης. Auch AssMos 8,1 wird das als Deutungsmuster in Anspruch genommen. 100

So Hölscher, Ursprung 196 u.a.

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

Die konkrete Befürchtung des Propheten dürfte teilweise auch von zeitgeschichtlichem Erfahrungswissen gespeist worden sein. Die Aufstellung einer Kaiserstatue in der Synagoge von Alexandrien im Jahre 38 und vor allem der Befehl des Kaisers Caligula, gleiches im Jerusalemer Tempel mit Unterstützung der in Syrien stehenden Streitmacht im Jahre 39/40 n. Chr. durchzusetzen, waren sicher noch in unguter Erinnerung 101 . Dennoch ist bereits bei der prophetischen Wahrnehmung und Ansage des unmittelbar Bevorstehenden die gleichzeitige, bestimmende Orientierung am Danielschen Erfahrungs- und Verstehenspotential deutlich sichtbar. Bevor nämlich der Verfasser in V. 19 f. die Bedeutung des Geschehens etwas weiter erkennen läßt, gibt er der Gemeinde mit der Deuteanweisung in V. 14 b zu verstehen, daß sie selbst in der Lage ist, den verschlüsselten Daniel-Hinweis zu begreifen, das heißt, ihre zeitgeschichtliche Krisenlage im Rahmen des Verstehenspotentials apokalyptischer Theologie zu erkennen. Die Fragen, auf welche Wendung von V. 14 a im einzelnen sich die Deuteanweisung beziehen könnte, sind ebenso fruchtlos wie die meisten Erwägungen der Kommentarliteratur zur Sache 102 . Was erkannt werden muß, ist die Zuordnung der parenthetisch eingefügten Deuteanweisung zu jenem genannten Geflecht aus zeitgeschichtlicher Voraussage und Daniel-Reminiszenz im ganzen. Denn es liegt eine typische Deuteanweisung konkreter apokalyptischer Hermeneutik vor 103 . Aufgerufen ist mit der Wendung ό άναγινώσκων νοείτω nicht einfach die Vernunft, die ratio, vielmehr der durch himmlische Weisheit und damit auch durch die theologische Tradition der Apokalyptik eingeweihte Verstand 104 . Die Adressaten werden also vom Propheten aufgefordert, das heraufziehende Zeitereignis im Horizont des Danielschen Erfahrungsund Denkmusters zu verstehen. Zunächst bedeutet das, die vom Propheten angesagte Aufstellung des Kaiserbildes im Jerusalemer Tempel analog zum Danielschen „Greuel der Verwüstung" zu begreifen: als Entweihung des Heiligtums durch den römischen Kaiser als Endtyran101 102

Vgl. dazu Hölscher; Ursprung 200 f. Eine Auswahl, mit eigener fraglicher Auslegung, bietet Pesch, Naherwartungen

144 f. 103 Vgl. ähnliche Anweisungen Apk 13,18; 17,9. An diesen Stellen liegt, wie in Dan 12,11, eine begrenzte Anwendung der Entschlüsselungspraxis vor. Zu den weiteren vorstellungsmäßigen Zusammenhängen vgl. Dan 12,10b. 12, auch 12,4 b. 104 Für diesen Zusammenhang von Weisheit, Nous und Erkenntnis s. die Anm. 103 genannten Texte, ώδε ό νοϋς ό εχων σ ο φ ί α ν (Apk 17,9)! Dazu vgl. weiterhin Brandenburger, Verborgenheit 11. 122. 137f. 197ff. Daraus ergibt sich auch, daß die in M k l 3 , 1 4 b Angesprochenen nicht irgendwelche Leser (bzw. Hörer) sind, sondern Angehörige der Gruppe des apokalyptischen Propheten, eben „die Auserwählten".

Apokalyptischer Entwurf: die große Drangsal

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nen 10S , der damit - unter Voraussetzung heftiger Gegenwehr von Angehörigen des Religionsverbandes (vgl. 1 M a k k und zelotische Bewegung) - die vorausgesagte unermeßliche Drangsal der Endzeit heraufführt. In dieser Weise die heraufziehende Krisensituation selbst zu begreifen, das zumindest ist angesichts der Zeichen der Zeit die Verstehensbasis, welche die damit eng verbundene Aufforderung zur Flucht als sinnvolles Geschehen einsichtig werden läßt {„wenn ihr seht . . ., dann sollen . . ."). Mit solchem Begreifen des andringenden Geschehens ist zugleich im Rahmen des apokalyptischen Denkmusters auch schon die Einsicht in die vom Propheten in V. 24-27 unmittelbar angeschlossene Ansage der Heilswende begründet. Denn nach jenem Denkmuster schreitet Gott auf dem H ö h e p u n k t der endzeitlichen Drangsal dieses Äons weltordnend ein, indem er die Heilswende herbeiführt 1 0 6 . Anlaß und springender Punkt f ü r die genannte Deutung der unmittelbar bevorstehenden Geschichte als eschatologische Unheilszeit und Heilschance zugleich ist eine zumindest partiell analog erfahrene und verstandene Krisensituation. Sie löst die aktualisierende Inanspruchnahme des vorgegebenen Deutungspotentials der apokalyptischen Theologie aus. Wie lebendig solches Deutungspotential auch im Urchristentum war, belegt allein schon die Inanspruchnahme des Motivs vom Endtyrannen in der markinischen Vorlage, in 2Thess 2, Apk und Did 16. Zu beachten ist allerdings, daß das zugrunde liegende Denkmuster dabei jeweils verschieden aufgenommen wurde - bis hin zum Motiv des Antichrist in seiner ausgebildeten Gestalt, wie sie in der M a r kus-Vorlage noch nicht vorliegt, bei Markus selbst noch viel weniger 107 . Normalerweise geben unsere Texte bei der Inanspruchnahme der vorgegebenen Denkmuster keine Rechenschaft über ihr Verfahren. Es ist eben bekannt und üblich; nähere Regieanweisungen oder ähnliches sind nicht nötig. Glücklicherweise haben wir einen Text, der uns durch einen ausdrücklichen Bezug das zuvor dargelegte Verfahren bestätigt. 105

Der Kaiser der Weltmacht Rom erscheint damit unter dem Schreckensbild des berüchtigten Antiochus IV. Epiphanes. Die auffallende maskulinische Bildung έστηκότα in bezug auf τό βδέλυγμα als Götzenbild erklärt sich im übrigen am besten damit, daß nach antikem Denken das Abbild einer Person diese selbst geradezu repräsentiert. Vgl. auch Hölscher, Ursprung 199. 106 Solche Durchsetzung der weltordnenden Herrschaft Gottes gehört zum Grundbestand apokalyptischer Theologie. Vgl. z.B. das Gegenüber von AssMos 8f. und 10; messianisch variiert z.B. 4Esr 11,36-46 mit 12,31-34. In Dan 12,1 folgt auf die nie dagewesene Drangsalszeit (vgl. Mk 13,19 f.) έ ν εκείνη τη ή μ έ ρ $ (vgl. Mk 13,24) die Heilswende für das Gottesvolk. - Auch von diesem Zusammenhang her muß es als verfehlt gelten, έ ν έκέιναις ταϊς ήμέραις in Mk 13,24 der MkRed zuzuweisen (gegen Gnilka, Markus z. St.). 107 Dazu s.u. Zu diesbezüglichen Varianten jüdischer Apokalyptik aus dem 1. Jh. n. Chr. vgl. AssMos 8; 4 E s r 5 , 6 ; 11 f.

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage „Und er (sc. Uriel als angelus interpres) sprach zu mir: ,Das ist die Erklärung des Gesichts, das du gesehen hast: Der Adler, den du hast aus dem Meere aufsteigen sehen, ist das vierte Königreich, das im Gesichte deinem Bruder Daniel erschienen ist. Aber es ist ihm nicht erklärt worden, wie ich es dir jetzt erkläre . . . ' "

(4 E s r 1 2 , 1 0 f f . )

Das läßt zweierlei erkennen. Zum einen ist sichtbar, wie reflektiert man sich in eigener drangvoller Gegenwart im Horizont traditioneller apokalyptischer Deutungsmuster bewegt und sie für die Bewältigung der zeitgeschichtlichen Krisenlage in Anspruch nimmt. Zum anderen macht der Text deutlich, wie neben dem kongenialen Bezug das traditionelle Deutungspotential zugleich bewußt variiert werden konnte. Eine Besonderheit der vormarkinischen kleinen Apokalypse ist die Aufforderung zur Flucht (V. 14c) 1 0 7 a . Sie wird durch die zugehörigen weiteren Anweisungen und das Wehe (V. 15-18) sowie durch die ausdrückliche Begründung (V. 19 f.) außerordentlich stark unterstrichen. Die Flucht soll nach der für bald erwarteten Aufstellung des Götzenbildes im Tempel unverzüglich, mit großer Eile erfolgen, wie die Logien V. 15 f. drastisch zum Ausdruck bringen. Der Prophet hat sich den Verlauf des Geschehens aufgrund historischer und zeitgeschichtlicher Reminiszenzen vermutlich so vorgestellt: Die Entweihung des Tempels provoziert heftige Reaktionen jüdischerseits, dies wiederum ruft die 107i In drangvoller Lage die Flucht in die Berge - oder parallel: in die Wüste - anzutreten, ist an sich öfter erwähnte Praxis (vgl. die in Anm. 111 aufgeführten Belege). In späteren, christlichen Apokalypsen wird daraus geradezu ein fester Topos (Apk 12,6; ApkEl 36,12 ff.; vgl. W. Schräge, J S H R Z V, 3, Anm. m z.St.); vielleicht darf man AssMos 9,6 f. schon so verstehen. Eine Aufforderung zur Flucht findet sich in zeitlich unproblematisch vergleichbaren Texten allerdings nur in 1 M a k k 2,27 und - singular in einer Apokalypse außer M k 13 in AssMos 9,6. Dabei ist zu beachten, daß in 1 M a k k 2,27 vergangenes Geschehen berichtet wird. Auch AssMos 9,6 bezieht sich vermutlich auf ähnliches, aber historisch bislang nicht verifizierbares Geschehen; aber das dient zugleich wohl allgemein als asidäisches Leitbild (vgl. E. Brandenburger, J S H R Z V, 2, 64 und Anm. b zu 9,1). Eine direkte A u f f o r derung, wie sie in M k 13,14 c vorliegt, zudem in bestimmbarer Problemlage, ist das freilich nicht. Apokalypsen pflegen ja auch im allgemeinen auf bereits eingetretene und andauernde Drangsal zu reagieren, hingegen nicht den Weg zum irdischen Uberleben zu weisen. ApkEl 40,13,31 f. ist zwar eine Fluchtaufforderung (worauf mich W. Schräge freundlicherweise hingewiesen hat). Fraglich ist aber, ob dieses späte Motiv (zweite Hälfte des 3. Jh.s n.Chr.) etwas f ü r die Zeit der Markus-Vorlage austrägt. D a ß hier der Antichrist (!) die ihm zugehörigen Sünder (!) zur Flucht in die Wüste a u f f o r d e r t - wobei alles Nähere unklar bleibt - , ist sicher ein spät ausgebildetes Motiv. Handelt es sich nur um eine Gegensatzbildung zu ApkEl 36,12 f.? O d e r ist ein älteres Motiv umgebildet worden, und wenn ja, welches genau?

Apokalyptischer Entwurf: die große Drangsal

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Gegenreaktionen der römischen Streitmacht und so schließlich jene unermeßliche Drangsal hervor, von der V. 19 f. gesprochen wird. Es bliebe also nach dem Aufstellen des Kaiserbildes im Tempel gerade noch eine knappe Chance zur eiligen Flucht 108 . Das Motiv für die Flucht wird einzig in der Zielangabe „in die Berge" (V. 14 c) angedeutet. Bei den dieser Angabe - im Verein mit V. 15 f. - gewidmeten Deutungsversuchen hat es an Phantasie nie gemangelt 109 , noch ganz abgesehen von der Deutung der Fluchtanweisung auf den Auszug der Urgemeinde nach Pella 110 , bei der unter anderem der Sinn der Zielangabe nicht sonderlich ernst genommen wurde. Hinsichtlich der Ausdeutung von V. 14 c erscheint einige Zurückhaltung geboten. Der nächstliegende Sinn dieser Zielangabe im Kontext der Vorlage sowie ähnlicher zeitgeschichtlicher Problemlagen ist, daß sich die Gruppe der Auserwählten vor der befürchteten großen Drangsal der römischen Kriegsmacht im unzugänglichen Gebirge in Sicherheit bringt, und zwar so lange, bis die von Gott um der Auserwählten 108

Die Einwände von Haenchen, Weg Jesu 444, gegen die zeitgeschichtliche D e u t u n g der Vorlage überzeugen nicht. Er verkennt das oben dargestellte Zusammenspiel von zeitgeschichtlich begründeter Befürchtung und traditionellem Vorstellungsmuster ebenso wie die Bedeutung der apokalyptischen Deuteanweisung V. 14 b. Haenchen, ebd. 444 f., versteht V. 14 b als geheime Verschlüsselung wegen der G e f ä h r d u n g durch die angegriffene Weltmacht R o m . Aber die Apokalypsen waren nicht öffentlich zugänglich, auf esoterische Uberlieferung wurde geachtet; vgl. 4 E s r 14,45 f. U n d das Motiv des Geheimnisses hat andere, theologische Gründe; vgl. Brandenburger, Verborgenheit, Stichwortregister unter Offenbarungstheologie, Esoterik und Geheimnis(se). Haenchen vermengt bei seiner Argumentation fälschlich die Voraussage des Propheten, die sich in dieser Form gar nicht erfüllte, mit den Nachrichten (aus Josephus, Bell.) über die reale Kriegführung der Römer, über die Belagerung Jerusalems etc. Haenchens eigener Deutungsversuch verweigert die Rückfrage nach einer Vorlage (443 f., „stumpfsinniges Abschreiben") und läßt Markus sozusagen prophylaktisch f ü r den Fall schreiben, d a ß Rom mit Gewalt die Anbetung des Kaisers zu erzwingen versucht (446f.). Aber ein solcher Sitz von Apokalypsen wäre erst nachzuweisen. Und die U m d e u tung von Judäa (V. 14 c) auf die Christen bzw. auf „jede Gegend des römischen Reiches" (447) ist abenteuerlich. 109 D e r Rückschluß aus dem Kontext von Lk 17,31 (Auszug Lots aus der dem Unheil geweihten Stadt), wo M k 13,15 f. in anderer Version vorliegt, ist wenig überzeugend (vgl. auch Gnilka, M a r k u s z. St.), von der Uberlieferungsfrage noch ganz abgesehen. Ahnliches gilt f ü r Assoziationen aus Gen 19,17. Mit keinem W o r t ist in der vormarkinischen Vorlage angezeigt, d a ß die große Drangsal Fluch- oder Zorngeschehen ist. Auch der Gedanke syrBar 2 ist darum fernzuhalten. 110 Diese schon in der älteren Exegese sich findende Hypothese wird neuerdings nach dem Vorgang von Marxsen (1956), H.J. Schoeps ( Z N W 51, 1960, 101-111), S. Sowers ( T h Z 26, 1970, 305-320) und / . / . Günther ( T h Z 29,1973, 81-94) besonders energisch von R. Pesch wieder vertretenen ( M k - K o m m e n t a r 291. 295 f.; ders., Markus 13, 359. 363 ff.), nachdem er sie in seiner Dissertation (1967) noch zurückgewiesen hatte. Ablehnend haben sich gegenüber Peschs neuerlicher Hypothese geäußert: Gnilka, Markus 211 f. (nur knapp) und ausführlich Neirynck, M a r c 13, 370-375. 381-389.

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

willen verkürzte Drangsalszeit vorüber ist. Gerade die in analogem Zusammenhang mit dem „Greuel der Verwüstung" oder ähnlichem Endtyrannenmotiv stehenden Belege sprechen für diese D e u t u n g i n . Auch der Gedanke aus V. 20, ohne Verkürzung der Drangsal könne „kein Fleisch ( = kein Mensch) gerettet werden", zeigt an, daß es darum geht, diesen Zeitraum der Drangsal zu überleben. Dies ist das einzig im Text erkennbare Hauptmotiv. Allenfalls kann man fragen, ob mit der Aufforderung zur Flucht noch ein anderes Motiv verbunden gewesen sein könnte: das Ausweichen „der Auserwählten" vor der Nötigung, dem Götzen zu huldigen und damit Gott gegenüber abtrünnig zu werden 112 . Doch mag das offenbleiben; angedeutet ist nichts dergleichen. Voraussetzen darf man weiterhin, daß der Prophet der Vorlage - sowie die zugehörige Gruppe der Auserwählten - nicht zu jenen gehörten, die den Krieg mit den Römern betrieben; gewiß auch nicht zu jenen apokalyptischen Propheten, die später während der Kämpfe in Jerusalem das Volk im Namen Gottes unter anderem dazu aufriefen, zum Tempelheiligtum hinaufzusteigen und dort die Zeichen für die Rettung zu erwarten (δεξομένους τά σημεία της σωτηρίας) 1 1 3 . Anscheinend war der Prophet der Vorlage von vornherein ganz anderer Auffassung über das sich abzeichnende Geschehen. Mehr als diese allgemeine Distanz läßt sich allerdings nicht erkennen.

4.4.3 Die Heilswende: V. 24-27 Gegenüber dem „Greuel der Verwüstung" wurde zur Flucht aufgefordert, die das irdische Überleben sichern soll. Aber jener Greuel, samt der nie dagewesenen Drangsal als zugehöriger Folgeerscheinung, war deutlich im Horizont apokalyptischer Denkvoraussetzungen begriffen worden: als letzte Steigerung des Endgeschehens dieser vergehenden 111

Zur Flucht ins mehr oder weniger unzugängliche Gebirge (Höhlen) oder auch in die Wüste s. 1 Makk 1,53; 2,27f. 31. 36. 41; 9,33; 2Makk 5,27; 6,11; 10,6; vgl. PsSal 17,16f.; AssMos 9,6f.; Jos., Ant. 12,6,2; Hebr. 11,38; Apk 12,6. Zwei Motive sind sichtbar: Die Flucht soll erstens Schutz vor der Drangsal gewähren und das Uberleben sichern (so z.B. 1 Makk 2,29; PsSal 17,17); die Flucht hat zweitens den Sinn, entgegen der Absicht der Drangsalsmacht ungehindert den Gesetzesgehorsam vollziehen zu können (ζ. B. AssMos 9,6 f.). 112 Vgl. die Verbindung des Motivs der Flucht ins unwegsame Gebirge mit dem des Gehorsams Gott bzw. seinen Geboten gegenüber in 1 Makk 2,27; 2,29 mit 31 usw.; AssMos 9,4-7, also in Texten, die zuvor schon wegen analoger Zusammenhänge beigezogen wurden. 113 Josephus, Bell. VI 285-287. Danach gab es viele Propheten, deren - doch wohl apokalyptische - Botschaft das Warten auf die Hilfe Gottes verkündete.

Apokalyptischer Entwurf: die H e i l s w e n d e

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Weltzeit. Ist die Problemlage in solchem Rahmen verstanden, kann das irdische Überleben allein nicht die entscheidende Problemlösung bringen. Es ist darum zu vermuten, daß die Vorlage in den Vv. 24-27 das zugehörige, alles entscheidende eschatologische Ereignis formuliert hat. Solche Vorüberlegungen sind zumal auch angesichts der umstrittenen Uberlieferungsfrage nötig. Sie zeigen nochmals, daß es nicht ratsam ist, die Vv. 14-20 einerseits und die Vv. 24-27 andererseits als separate Einzelüberlieferungen oder Fragmente zu betrachten 114 . Aber läßt sich - über die oben zum Problem der Vorlage (s. 3.) angestellten literarkritischen Überlegungen hinaus - ein positiver Gedankenzusammenhang nachweisen? Das ist dadurch erschwert, daß schon die Vv. 24-27 selbst bisher nicht wirklich als einheitliches Form- und Sinngefüge erkannt wurden. Die Behandlung der Vv. 24-27 in der Forschungsgeschichte ist ein Musterbeispiel für atomistische Exegese. Einerseits werden jüdisch-apokalyptische Einzelmotive geortet. Andererseits werden Einzelbezüge zum Alten Testament herausgestellt, vor allem die Abhängigkeit von Dan 7 behauptet 115 . Der Text ist dann kaum mehr als eine Summe von Einzelheiten. Vermutlich hat das gebrochene Verhältnis zur Apokalyptik solche Auslegung erträglich gemacht. So bietet der Text nach der Beurteilung vieler eben nur apokalyptische Bilder, Metaphern, „symbolische Stichworte" m . Aber wofür? Das entscheiden dann wohl die jeweiligen systematisch-theologischen oder hermeneutischen Voraussetzungen. Was sich die Exegese bei solchem Verfahren entgehen läßt, ist die Beobachtung, wie alte realitätsgefüllte Grunderfahrungen, die immer schon im Zusammenspiel des Versuchs der theologisch-reflektierenden Bewältigung stehen, in neuen zeitgeschichtlichen Erfahrungen als Sinnhorizonte vorhanden sind, die mehr oder weniger kritisch weiterschreitend in Anspruch genommen werden 117 . 114

So Lohmeyer, Markus z. St.; in anderer Weise auch Schweizer, Markus z. St. Tödt, Menschensohn 32, und ihm folgend Gnilka, Markus z. St., haben gesehen, daß diese Behauptung nicht ausreicht und zusätzlich auf äthHen 62 hingewiesen; vgl. auch Pesch, Naherwartungen 170 ff. Aber das führt über die zugrundeliegende Methodik ebenfalls nicht hinaus. 1,4 So Pesch, Naherwartungen, der diese Auslegungsrichtung 158-163 zusammenfaßt. Mit Recht hat Hahn, Markus 13, gegen ein solches Interpretationsmuster, das auch von A. Vögtle, Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos, 1970, 67 ff., geteilt wird, Einwände erhoben und geäußert, die Aussagen hätten „noch eine reale und nicht nur eine metaphorische Bedeutung" (264-266); dem folgt auch Gnilka, Markus 200f. Doch führen derartige Einwände schon exegetisch kaum weiter. Und: Was sind denn „in ihrem apokalyptischen Motivcharakter bewußt als Grenzaussagen verstand(ene)" kosmologische Aussagen (Hahn, Markus 13,265)? Wird man nicht fragen müssen: Worin oder womit ist theologiegeschichtlich die Nötigung zu solchen Aussagen gegeben? 117 Für Fragestellung und Methodik verweise ich auf meine Arbeiten Fleisch und Geist (1968); Frieden im Neuen Testament (1973); Das Recht des Weltenrichters (1980). ui

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

Der einzige Ansatz, in den Vv. 24-27 überhaupt ein Sinngefüge zu entdecken und auch mit den Vv. 14-20 in Beziehung zu setzen, dürfte in dem Versuch liegen, den Text von der „Gerichtssymbolik" des Tages Jahwes her zu erfassen 118 . Die metaphorische Interpretation des Textes ist aber, wie schon erwähnt, kaum angemessen. Vor allem ist zu fragen, ob der Gerichtsgedanke derart leitend ist. Der Terminus des „ Tages" Gottes beziehungsweise des Menschensohnes kommt bezeichnenderweise nicht vor. Der Gerichtsgedanke ist zwar durchaus vorhanden U 9 . Aber er bildet nur einen Aspekt des Ganzen, und zwar keineswegs den beherrschenden. Der leitende Gesichtspunkt ist der des Kommens des Menschensohns vom Himmel her, und dieses vollzieht sich unter typischen, gottheitlichen Begleiterscheinungen. Bevor darauf weiter eingegangen wird, ist gegenüber einer gängigen Auslegungstendenz der Sachverhalt herauszustellen, daß auch der Schriftbezug auf Dan 7 in keiner Weise die Gesamtkonzeption von Mk 13,24-27 zu erklären vermag. Der vereinzelte Hinweis auf äthHen 62 führt ebenfalls nicht entscheidend weiter. Ebensowenig liefert die in 4 E s r l 3 verarbeitete Menschensohn-Tradition, auf die noch hätte hingewiesen werden können, die Basis oder den Ausgangspunkt für die Mk 13,24-27 vorliegende Konzeption. Diese genannten Menschensohnaussagen allein konstituieren nicht die Gesamtaussage der markinischen Vorlage. Die genannten frühjüdischen Texte haben jeweils nur wenige Berührungspunkte mit Mk 13,24-27. Die für diese Texteinheit wesentlichen und tragenden 118 So Pesch, Naherwartungen 157-175. Die Verbindung wird allerdings nur S. 166 und zwar auf folgende Weise geknüpft: „Die Vorlage des Markus zielte auf das Gericht über die, die den Tempel bedrohen." Doch ist fraglich, ob sie nur oder vornehmlich auf das Gericht zielt und dabei nur auf diesen Personenkreis (Pesch kommt wohl darauf, weil er δψονται V. 26 fälschlich der Vorlage abspricht). Peschs Auffassung ist stark von der metaphorischen Interpretation geleitet; sodann auch von Lohmeyers These vom fragmentarischen Charakter der Aussagen. Die „Aussagerichtung" sieht er durch die „Bilder" der Vv. 24 f. vorgezeichnet, in denen nach dem Kontext alttestamentlicher Gerichtsmetaphern „der Gerichtstag (sc. der Tag Jahwes) gemalt" sein soll (161). Das läßt sich ebensowenig halten wie die unberechtigte Kritik (162) an F. Hauck (ThHK 2,159) und W. Grundmann (ThHK 2, 1959, 269), welche die Vv. 24 f. mit Recht auf das sich vom Himmel her vorbereitende Kommen des Menschensohnes deuten. Zutreffend wird herausgestellt, daß der Kontext der in V. 24 f. zitierten Jesajatexte „nach dem alten Schema .Unheil für die Völker - Heil für Israel' aufgebaut" ist (165). Aber daraus folgt nicht schon, daß die Vv. 24 f. selbst vom Gerichtstag sprechen und V. 26 diese „symbolischen Bilder . . . vollends aufschlüsselt" (166). 119 Das hat Pesch, Naherwartungen 166, insoweit zu Recht gegen eine weit verbreitete Auslegungstradition geltend gemacht, die ein Gerichtsmotiv in den Vv. 24-27 bestreitet und die Parusie des Menschensohnes ausschließlich positiv auf die Erlösung der Auserwählten bezieht.

Apokalyptischer Entwurf: die Heilswende

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Motive fehlen dort. Auch eine Kombination der Motive jener Texte führt nicht einfach zur Konzeption von Mk 13,24-27. Mk 13,24-27 und die angeführten frühjüdischen Menschensohntexte verhalten sich wie folgt zueinander. Dan 7: Vergleichbar sind aus den knappen Bemerkungen Dan 7,13 f. nur die Motive „Kommen des Menschensohns", „(in) den Wolken". Bei letzterem differieren die Formulierungen. Mk: έν νεφέλαις, LXX: έπί των νεφελών τοΰ ούρανοϋ, Theod.: μετά των . . . Dan 7 formuliert unbestimmt: einer „wie ein Menschensohn" (ώς υιός άνθρωπου), die Markus-Vorlage schon eher im titularen Sinne. Der Menschensohn in Dan 7 kommt, um vor den Hochbetagten, also vor Gottes Thron geführt zu werden. Das ist etwas total anderes als das Kommen vom Himmel her, das die Markus-Vorlage vorstellungsmäßig voraussetzt (V. 24f.!). Nach Dan 7 kommt er auch nicht μετά δυνάμεως πολλής και δόξης (so Mk 13,26); vielmehr erhält er vom Hochbetagten εξουσία (LXX) oder ή άρχή και τιμή και ή βασιλεία (Theod.). Vor allem fehlt Dan 7 der weitere Gedankenzusammenhang Mk 13,24. 25 und 27; er kann nicht vorkommen. ÄthHen 62: Vergleichbar ist das Motiv des Menschensohns selbst, die Verbindung mit dem Doxa-Motiv (Zeichen der Herrscherstellung), auch die Funktion des Menschensohns als Richter und Retter; die positive Beziehung zu „den Auserwählten"; die negative zum Rest der Massa perditionis, wobei hier gleicherweise das Motiv des „Sehens" des Menschensohnes eine gewichtige Rolle spielt. Die Gemeinsamkeiten der Markus-Vorlage mit äthHen 62 reichen also erheblich weiter als die schwachen Anklänge an Dan 7. Aber auch wesentliche Unterschiede sind zu verzeichnen: Das für die Markus-Vorlage tragende Motiv des Kommens des Menschensohns fehlt, damit auch das Erscheinen vom Himmel her und das Kommen „in Wolken". Der Menschensohn von äthHen 62 sitzt auf dem Thron, man muß zu ihm kommen. Auch sitzt er auf Gottes Thron, wie er an dessen Doxa auch nur partizipiert. Es gibt hier also kein selbständiges Kommen des Menschensohns „mit großer Kraft und Doxa". „Man" wird ihn darum auch nicht als Kommenden sehen, sondern „Könige, Mächtige, Hohe" werden vor seinen Richterstuhl gestellt. Alle weiteren Motive aus Mk 13,24. 25 und 27 (ausgenommen die Bezeichnung „die Auserwählten" und ihre Rettung) fehlen; sie müssen fehlen. 4Esr 13: Vergleichbar ist die - wie in Dan 7 nur andeutend formulierte Vorstellung „wie ein Mensch" (V. 3), das Sichnähern dieses Menschengleichen „mit den Wolken des Himmels" (V. 3) und das damit verbundene Theophaniemotiv (V. 3f.). Nur entfernt läßt sich das durchgehende Gegenüber Völker Israel mit dem von „man" - „die Auserwählten" vergleichen. Aber immerhin kennt 4Esr 13,12. 39 f. dabei das Motiv, daß der Menschengleiche die Exilierten „herbeiruft" und sie sich so (auf andere Weise als in der Markus-Vorlage) bei ihm „versammeln". Man kann die Gemeinsamkeiten der Markus-Vorlage mit 4 Esr 13 für weitreichender halten als die mit Dan 7. Aber auch hier sind die Differenzen erheblich: Der Menschengleiche aus 4 Esr 13 kommt nicht vom Himmel, sondern aus dem Meer; er „fliegt" mit den Wolken. Die Theophaniemotive differieren, ganz

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

erheblich auch das Gerichtsmotiv. 4Esr 13 dominiert beim Vernichtungsgericht das Motiv vom Krieg zwischen den Völkern und dem Messias-Menschensohn, wenn es auch teilweise nur übertragen angewandt wird. Weiterhin fehlen gegenüber der Markus-Vorlage die Motive vom „Sehen" (V. 26), „die Auserwählten" (V. 27), die Engelbegleitung des Menschensohns und die Sammlung der Auserwählten durch die Engel (V. 27). Was die Aussagen der Vorlage über die Heilswende (Mk 13,24-27) prägt, sind also weder verstreute, zufällige Anleihen bei der frühjüdischen Apokalyptik, noch entsprechende einzelne Schriftbezüge, noch auch allein und vornehmlich das Motiv vom Gerichtstag des Menschensohns in Umwandlung des Motivs vom Tag Jahwes. Kennzeichnend für die Texteinheit ist vielmehr die durchgehende Prägung durch Motive, die für das Sinngefüge - oder die Gattung 1 2 0 - der Theophanie konstitutiv sind. Schon die Schriftbezüge des Textes - zu V. 24 f.: Jes 13,10; 34,4, zu V. 27: Sach 2,6 - stammen aus solchem Vorstellungsgeflecht. Besonders deutlich ist der Zusammenhang Sach 2,6-13: „Siehe, ich komme und wohne bei dir, ist der Spruch Jahwes" (V. 10, vgl. 15); Jahwe „erhebt sich schon von seiner heiligen Wohnung" (V. 13). Sach 2,6-9 ist gänzlich positiv vom Gedanken des Kommens Gottes im Sinne seiner heilstiftenden Herrschaft bestimmt. Jes 13 spricht hingegen vom Kommen des „Tages Jahwes" im Sinne des Vernichtungsgerichts (V. 9), ebenfalls Jes 34 vom Kommen des „Tages der Rache" (V. 8); dazu fährt Jahwe vom Himmel herab (V. 5). Man sieht, der Theophaniegedanke kann auch gänzlich von der Tradition des Tages Jahwes beansprucht werden. Bezüge und Beeinflussungen beider Traditionen sind in Rechnung zu stellen, je später, desto mehr. Das Verhältnis beider Traditionen zueinander ist umstritten. Zum Teil wird angenommen, daß die Tradition vom „Tag Jahwes" in ihrem Kern aus der Theophanieschilderung kommt 121 . Wie dem auch sei, das Vernichtungsgericht ist als Teil der umfassend an der positiven Weltordnung orientierten Theophanie denkbar, die Herleitung des Theophaniegedankens in dieser Gestalt aus der Vorstellung des Vernichtungsgerichts hingegen kaum. In Mk 13,24-27 dominiert deutlich der Gedanke der Wende zum Heil. Darauf ist auch die Markus-Redaktion (V. 28-31) ausgerichtet. Der nur in οψονται (V. 26) anklingende Gedanke des Vernichtungsgerichts (dazu s.u.) ist vom positiv orientierten Theophaniegedanken her umgriffen. Und selbst das Vernichtungsgericht hat ja den Sinn, daß Gott das seiner Herrschaft Entgegenstehende ausschaltet, damit sich seine Herrschaft als Heil stiftende durchsetzen kann. Wichtig ist nun zu sehen, wie nicht die einzelnen Schriftzitate oder Schriftbezüge den Gedankenzusammenhang konstituieren. Das zeigt 120 Jeremias, Theophanie 7, spricht von „der Gattung der Theophanieschilderung", vgl. auch den Untertitel des Werkes. 121 Vgl. Jeremias, Theophanie 175 Anm. zu S. 97 (Literatur!).

Apokalyptischer Entwurf: die Heilswende

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sich schon daran, daß die Schriftbezüge hier teilweise recht frei sind (so V. 25 a. b. 27), teilweise gerade das entscheidende, aus der Theophanieschilderung stammende Stichwort ergänzt worden ist (so σαλευθήσονται V. 25 b). Beides kann auch beim Schriftbezug auf Sach 2,6 und Dtn 30,4 (V. 27) beobachtet werden; der entscheidende Gedanke, daß die Engel zur Sammlung ausgesandt werden und dies durch den Menschensohn geschieht, sowie das wichtige Stichwort „die Auserwählten" entstammen gerade nicht diesen Texten. Beim Bezug auf Dan 7,13 (V. 26) können die beiden genannten Sachverhalte, wie zuvor gezeigt, einem kritischen Vergleich ebensowenig entgehen. Man wird also auch von diesen Beobachtungen her zu urteilen haben: Zugrunde liegt dem Ganzen das Wissen um das Sinngefüge der Theophanie Gottes einschließlich ihrer theologischen Bedeutung; und dieses grundlegende Wissen ist es, das bei den Schriftbezügen leitend ist. Insgesamt können für die Texteinheit Mk 13,24-27 folgende Einzelmotive ausgemacht werden, die sich im Vorstellungszusammenhang von Theophanieschilderungen finden. - Im entscheidenden „Kommen" des Menschensohns (V. 26) nimmt dieser nun die Funktionen des von seiner himmlischen Wohnstatt her weltordnend einschreitenden Jahwe ein 122 . - Das Kommen kann in Engelbegleitung (V. 27) geschehen 123 ; die Engel haben im Gesamtgeschehen bestimmte Funktionen. - Wenn das Kommen des Menschensohns „mit großer Kraft und Herrlichkeit" (V. 26) geschieht, so nimmt er auch damit Funktionen wahr, die das Wesen des kommenden Gottkönigs kennzeichnen, strahlt dieser doch bei seinem Kommen Doxa als äußeres Zeichen seines Wesens aus und ordnet er als so erscheinender Gottkönig die Weltverhältnisse mit herrscherlicher Stärke und Macht 124 . - Wie in V. 24 f. wird das Sicherheben Gottes von seinem himmlischen Herrschersitz 125 sowie sein Kommen von kosmischen Erscheinungen im voraus oder begleitend angekündigt: Himmel und Erde mit ihren Kräften erbeben, werden erschüttert (V. 25 a. b) 126 ; aber auch Sonne, Mond und Sterne werden in ihren Funktionen verkehrt 127 . 122

Dtn 33 (vom Sinai her); Ps 68; 96,13; 98,9; 102,13f.; Jes 26,21; Mi 1,3; äthHen 1,3 f.; AssMos 10: „Denn (es wird aufstehen) der Himmlische vom Sitz seiner Herrschaft und heraustreten aus seiner heiligen Wohnung . . . " Im Folgenden wird statt einzelner Belege aus der Frühzeit Israels zumeist auf Jeremias, Theophanie, verwiesen. 123 Vgl. Jeremias, Theophanie 186. 189; weiterhin Sach 14,5; äthHen 1,4. 9; 1 Q H 3,35f.; AssMos 10,2; vgl. Mk8,38parr.; M t l 3 , 4 1 f.; 25,31; Apk 9; 14,6ff.; 19,19. 124 Zu diesen Dynamis- und Doxaphänomenen vgl. neben den älteren Theophanietexten (dazu Jeremias, Theophanie) Ps 68,34f.; 96,6; 97,6; 99,4; 102,17; Ez 39,21; äthHen 125 1,4. Vgl. besonders AssMos 10,3-6. 126 Das ist typisch für Theophanieschilderungen, vgl. Jeremias, Theophanie 100. Aus späterer Zeit siehe äthHen 1,5-7; AssMos 10,4. 6; 4Esr3,18.

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

- Unter den Reaktionen auf das Erscheinen des Weltenkönigs in Dynamis und Doxa - wie Erschrecken, Grauen, Klage etc.128 - ist hinsichtlich V. 26 besonders das Motiv des „Sehens" oder Erkennens seitens der (feindlichen) Völker zu nennen 129 . - Des öfteren gehört zum Theophaniegeschehen das Gericht Gottes an den Feinden beziehungsweise den Völkern im Sinne eines Vernichtungsgerichts. Das steht indessen, wie in V. 27, unter dem übergreifenden Aspekt der Hilfe oder Rettung zugunsten des Gottesvolkes 130 . Beide Aspekte stehen hier also nicht isoliert oder statisch gleichgeordnet nebeneinander. Nur in einem späten und gesonderten Uberlieferungsstrang ist innerhalb des Theophaniegeschehens an die Stelle des Gottesvolkes wie in V. 27 die Sondergruppe der „Auserwählten" getreten 131 . - Gelegentlich tritt in einer Vermischung der Traditionsstränge der Theophanie und des Tages Jahwes auch das Motiv von der Sammlung der Zerstreuten (Exilierten) auf 132 . Aus dieser Aufstellung läßt sich folgendes entnehmen. Die kleine Texteinheit Mk 13,24-27 ist randvoll mit Motiven der Theophanieschilderungen. Alle wesentlichen Motive dieses Sinngefüges sind hier auf engem Raum beisammen. Theophanieschilderungen sind nicht nur in den jüngeren Partien des Alten Testaments, sondern auch noch in der frühjüdischen, vor allem der apokalyptischen Literatur lebendig geblieben. Eine Abhängigkeit von Mk 13,24-27 von einem bestimmten Textkomplex läßt sich nicht nachweisen. Hier wird bestätigt, was schon zuvor bei den erkennbaren Schriftzügen zu beobachten war: Die Fülle der Einzelmotive ist offenbar aus dem Wissen um das Sinngefüge des Theophaniegedankens beigezogen worden. Die einzelnen Motive liegen in Mk 13,24-27 in klarer Ordnung des Gedankens vor. Der Aufbau kommt dem der ebenfalls eschatologisierten Theophanieschilderungen in äthHen 1,3-8(9) und AssMos 10 am nächsten:

127

Zweifellos in Theophanieschilderungen: Hab 3,10f.; AssMos 10,5. Nach Jeremias, Theophanie 98 ff., wäre dies Motiv aus der Tradition vom Tag Jahwes zugewachsen (doch s. ebd. 175: Nachtrag zu S. 97 oben). Motivwanderungen sind, in späterer Zeit besonders, in Rechnung zu stellen. Um so mehr ist zu beachten, ob der Theophaniegedanke dominiert oder nur der Tag Jahwes im Blick steht. 128 Vgl. Jeremias, Theophanie 1 u.ö. 129 Siehe Ps 97,4. 6; 98,2f.; Jes 66,18; Ez 38,23; 39,21 ff.; vgl. äthHen 62,3ff. 130 Jeremias, Theophanie 1. 183. 185. Vgl. weiterhin äthHen 1,3-9; AssMos 10; beidemal die gleiche Abfolge wie in Mk 13,24-27. 131 So äthHen 1,8; vgl. Kap. 62. 132 Ez 39,27f.; 4 E s r l 3 , 1 2 f . 39f.

Apokalyptischer Entwurf: die Heilswende

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Einleitend wird die kleine Einheit dem endzeitlichen Unheilsgeschick der unermeßlichen Drangsal antithetisch als Heilswende zugeordnet (άλλά . . . V. 24). Das entspricht dem Gegenüber von AssMos 8 f. und 10.

Dann werden zuerst die typischen Begleiterscheinungen des Theophaniegeschehens in den Vv. 24 und 25 relativ breit geschildert beziehungsweise angesagt. Vorstellungsmäßig werden sie folgendermaßen zu verstehen sein: Während im himmlischen Thronbereich die Entscheidung zum weltordnenden Eingreifen auf Erden fällt und sich der Menschensohn von Gottes (oder schon seinem?) Herrschersitz aufmacht, künden die kosmischen Erscheinungen synchron dazu, aber vom irdischen Bereich aus gesehen im voraus, das baldige Kommen oder irdische Erscheinen an. In den Vv. 24 f. werden also die entscheidenden Zeichen enthüllt, die das unmittelbar bevorstehende Kommen des Menschensohns und damit die Heilswende untrüglich anzeigen. Davon deutlich abgesetzt durch zweimaliges και τότε (V. 26. 27) sind zwei Akte oder Aspekte des auf Erden sich vollziehenden Erscheinungsgeschehens nach dem „Kommen". Ziel des Ganzen ist die endgültig Heil stiftende Herrschaftsergreifung, die der Menschensohn als Mandatar des Königtums Gottes vollzieht. Ebendarum geht es ja dem eschatologisierten Weltordnungsdenken des Sinngefüges der Theophanie. Heil vollzieht sich hier freilich nur noch als Sammlung der Auserwählten, ausgeführt durch die vom Menschensohn ausgesandten Engelwesen in seiner Begleitung (V. 27). Das ältere Motiv von dem unter feindliche Völker zerstreuten und von ihnen unterdrückten Gottesvolk ist hier nicht nur eingeengt, sondern vermutlich auch in übertragener Bedeutung auf die unter Heiden wie Juden bedrückte und bedrängte Kleingruppe „der Auserwählten" angewendet. Meines Erachtens ist in dieser Weise die Lösung der alten Crux interpretum zu suchen. Dafür spricht vor allem, daß die Heilsansage (V. 27) personell dem Gerichtsaspekt (V. 26) des umgreifenden Sinngefüges antithetisch entsprechen muß. Das „man" von V. 26 geht analog zu äthHen 62 (s. o.) auf die den Auserwählten gegenüberstehende Massa perditionis, die hier nicht mehr nur aus den heidnischen Fremdvölkern bestehen kann. Es ist darum auch nicht schlüssig, V. 27 - wie bei Hölscher - nur auf die „Ausbreitung der jüdischen Diaspora" zu beziehen und in V. 27 einen „positiven Beweis für den jüdischen Ursprung der Apokalypse" zu sehen 1 3 3 . Seine Begründung: Auf die Christenwelt angewandt spiegele der Text erst ein späteres Stadium der Ausbreitung. Aber mit solchem wörtlichen Verständnis kommt man wegen des Gegenübers von universalem „man" und „den Auserwählten" nicht durch. Unter dem leitenden Selbstverständnis der Kleingruppe der Auser133

Hölscher, Ursprung 196.

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Situation und t h e o l o g i s c h e K o n z e p t i o n der V o r l a g e

wählten k ö n n e n die Exilierten o d e r die D i a s p o r a e b e n s o w e n i g eo ipso z u m Kreis der Heilsteilhaber g e h ö r e n wie das G o t t e s v o l k als g a n z e s . S o z i a l t y p i s c h scheinen der H e n o c h k r e i s und die G r u p p e der V o r l a g e verw a n d t . B e i d e verstehen sich als die Auserwählten ( = Gerechte, Heilige), bei beiden ist der M e n s c h e n s o h n eine zentrale Gestalt. A b e r die M e n s c h e n s o h n vorstellung d i f f e r i e r t auch erheblich. D i e Bilderreden kennen kein K o m m e n des M e n s c h e n s o h n s . M a n k o m m t vor ihn als himmlischen Richter zu stehen, es gibt vermutlich eine E r h ö h u n g zu ihm ( ä t h H e n 70 f.); aber die T h e o p h a n i e v o r stellung wird nicht mit ihm verbunden, nur mit G o t t selbst ( ä t h H e n 1 , 3 - 9 ) .

Der Theophaniegedanke setzt in der Regel für die Durchsetzung der Heil schaffenden Herrschaft Gottes zuvor das Vernichtungsgericht über die ihr entgegenstehenden Kräfte oder Menschen voraus. In dieser Richtung ist wahrscheinlich auch das der Etablierung des Heils vorausgehende Geschehen in V. 26 zu verstehen, doch sind hier die Besonderheiten des außerordentlich knapp angedeuteten Motivs zu beachten, daß „man" den in Wolken mit großer Dynamis und Doxa kommenden Menschensohn „sehen wird". Wie der apokalyptische Prophet sich dieses Geschehen im einzelnen vorgestellt hat und was er in der Sache damit zum Ausdruck bringen wollte, ist nicht näher ausgeführt. Sicher nicht, weil er, wie apologetische und kurzschlüssige Auslegung allzu oft voraussetzt, apokalyptische Vorstellungen reduzieren wollte. Er konnte im Gegenteil damit rechnen, daß er verstanden wurde, weil im Kommunikationsraum seiner Adressaten die knappe Andeutung genügte. Nun zeigt das Sinngefüge der Theophanieschilderungen, in denen das Motiv des „Sehens" vorkommt 1 3 4 , wie es einzuordnen und zu verstehen ist. Dieses Sehen ist ein erster, vorläufiger Akt im Ablauf des eigentlichen Vernichtungsgerichts. Das Sehen oder Erkennen richtet sich auf die „Herrlichkeit" des kommenden und erschienenen Gottes. Man kann sich diese „Herrlichkeit" einerseits kaum konkret genug vorstellen. Andererseits sind diese Konkretionen theologisch klar durchreflektiert. Die geschaute Doxa ist die konkrete Erscheinung der vernichtenden Dynamis des Gottkönigs, der zur Wahrung oder Wiederherstellung seiner Weltordnung in das Weltgeschehen einschreitet. Meist ist an ein Kriegsgeschehen gedacht, in dem Jahwe wunderbar-siegreich die Fremdvölker und Feinde, die als Störung der durch ihn geordneten Welt begriffen sind, vernichtet. Besonders kraß kommt das im Motiv des Blutbades oder des Opfermahls zum Ausdruck. In der Zeit des Urchristentums kommt der Grundgedanke aber auch in übertragener, teilweise sublimierter Form vor. 134 Für das Folgende verweise ich auf die Vorstellungszusammenhänge der oben in Anm. 129 genannten Texte.

Apokalyptischer Entwurf: die Heilswende

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Vgl. 4Esr 11,36ff., mit 12,31 ff.: Vorhalt mit Worten-, 13,9ff., mit 13,27f.: der Messias-Menschensohn führt im Endzeitkampf „kein Schwert noch eine Waffe" (doch vgl. demgegenüber Apk 18; 19). Die Art der Ausschaltung ändert sich also teilweise, aber mit dieser Veränderung bleibt der Grundgedanke, daß die Störung der Weltordnung vernichtet, außer Kraft gesetzt werden muß, konstitutiv.

Eine veränderte Gestalt hat der Gedanke auch in jenem Traditionsstrang erhalten, bei dem der Gerichtsvorgang im ersten Akt des Geschehens vor dem himmlischen Thron Gottes stattfindet, auf dem der Menschensohn die Richterfunktion des Weltenkönigs Jahwe wahrnimmt (äthHen 62). Es fehlt aber das Theophaniemotiv, und nur im zweiten Akt der Handlung wird das Vernichtungsgericht vollzogen, freilich nur teilweise gleichartig (62,10-12). Analog gibt es auch hier im ersten Akt des Gerichtsgeschehens das Motiv des Sehens oder Erkennens. Es ist hier ebenfalls auf Gottes „Herrlichkeit" gerichtet, allerdings auf den Herrlichkeitsthron des Richter-Gottes, auf dem jetzt der Menschensohn sitzt. Der Henochtext macht auch gut sichtbar, wie das eschatologische „Sehen" zu verstehen ist. Es ist ein überraschtes Erkennenmüssen, das Schmerz, Scham und Erschrecken auslöst (V. 4 f.): Verfehlte Existenz wird vor der nun offenbaren Wahrheit als Lebenslüge sichtbar. Es muß der nun nicht mehr bestreitbaren und für die Sünder tödlichen Wahrheit ins Auge gesehen werden, daß „der Mensch" auf Gottes Thron die Königsherrschaft Gottes und damit die Weltordnungsmacht repräsentiert und innehat, die jetzt am Ende menschliche Existenz auf Heil hin bestätigt oder als Unheil stiftend der Vernichtung preisgibt (V. 8. 13-16 gegenüber V. 10-12). Wie ist nun Mk 13,26 im einzelnen zu deuten? Das „Sehen" kann sich hier nicht wie äthHen 62 auf den Herrlichkeitsthron des Richters beziehen. Zu deutlich ist die Markus-Vorlage im Sinngefüge des Theophaniegedankens entworfen; und darauf weist ja auch, daß der weltordnend einschreitende Menschensohn „mit großer Dynamis" und so in Herrlichkeit kommend wahjqgenommen werden muß 135 . 135 Insoweit hat Matthäus in 2 4 , 3 0 b M k l 3 , 2 6 kongenial interpretiert, wenn er auch w e g e n des in 2 4 , 3 0 a eingebrachten neuen Motivs die Aussage über die W e h k l a g e der Völker vor das ο ψ ο ν τ α ι . . . des M k - T e x t e s eingeordnet hat. D i e Klage ist im Zusammenhang der erschrockenen Erkenntnis sowie der vergeblichen Proskynese mit Erbarmungsbitte zu verstehen, wie das ä t h H e n 6 2 , 4 f. und 9 in anderem Rahmen erkennen läßt. D e r alttestamentliche Bezugstext Sach 1 2 , 1 0 - 1 2 ist bei Matthäus von solchem Verständnis des T h e o p h a n i e g e s c h e h e n s aus umgedeutet worden. In 2 4 , 2 9 - 3 1 denkt Matthäus also wie Markus an das Vernichtungsgericht im Rahmen der traditionellen A n w e n d u n g des T h e o p h a n i e g e d a n k e n s . D i e Verbindung der T h e o p h a n i e mit dem allgemeinen Weltgericht nach den T a t e n vor dem „Thron seiner Herrlichkeit" ist hingegen ein religionsgeschichtliches N o v u m . Vgl. dazu Brandenburger, Weltenrichter 1 3 1 - 1 3 8 .

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

Ob in Mk 13,26 die Konkretion der Erscheinungsherrlichkeit des Menschensohns in Analogie zu Apk 18; 19 oder in (teilweise) sublimierter Form vorzustellen ist, läßt sich kaum entscheiden. Sicher ist allerdings, daß das Motiv des Sehens hier negativ qualifiziert ist und das entsetzte Erkennenmüssen jener Wahrheit über der Welt meint, die wegen der Herrschaft der Sünde dieser Weltzeit verborgen und einstweilen nur den Auserwählten - wegen ihres Einblicks in die himmlischen Geheimnisse - offenbar ist. Das „Sehen" in Mk 13,26 ist darum der erste Akt im Sinnzusammenhang des Vernichtungsgerichts, dem nach der Systematik des Grundgedankens der Vollzug der Vernichtung als entsprechendes Fluchgeschehen unweigerlich folgt 136 . Betroffen sind davon alle („man") mit Ausnahme der Auserwählten. An den Abschluß der exegetischen Behandlung der Vorlage sei die Frage nach der theologischen Konzeption gestellt, die darin Unheilszeit und Heilswende gleichermaßen übergreift. Alles konzentriert sich vom entscheidenden Ende des Geschehens her auf das Sinngefüge des Theophaniegedankens. Dabei ist zu berücksichtigen, daß dieser Gedanke, der in Israel als einem Teil der vorderorientalischen Umwelt freilich in teilweise höchst spezifischer Form 137 - aufgenommen wurde, in sich alte Grunderfahrungen und theologisch reflektierte Einsichten birgt. Nach der Vorlage wird die Heilswende durch das Kommen des Menschensohns herbeigeführt. Das bedeutet von der theologiegeschichtlichen Entwicklung des Gedankens aus gesehen: Der Menschensohn ist Funktionsträger des Königtums Gottes geworden. Sein siegreich-rettendes Einschreiten von der himmlischen Wohnstatt her in die bestehenden Weltverhältnisse soll die Herrschaft Gottes durchsetzen und damit Heil ermöglichen. Schaffung und Wahrung heilsamer Weltverhältnisse durch den Antritt der Herrschaft des Gottkönigs ist ja das Thema des in den Theophanieschilderungen zum Ausdruck kommenden Weltordnungsdenkens. Die Eschatologisierung dieses Gedankens zeigt unter anderem folgende Besonderheiten oder Variationen des genannten Sinngefüges: - Die Gegenwart, vor allem das letzte Stadium dieses Äons, gilt als beherrscht von einer sich steigernden Gegenmacht, der Endzeittyran136 Zum Kontrast vgl. die Beurteilung bei Tödt, M e n s c h e n s o h n 31, der hier nur die weithin übliche Auslegung wiedergibt: „ M k l 3 , 2 6 f . schildert nur die positive Seite der endzeitlichen Tätigkeit (sc. des Menschensohns). D a s empfindet der Verfasser des M a t thäus-Evangeliums als eine Einseitigkeit. Er, der der jüdischen Apokalyptik mit innigeren Banden verbunden ist, fügt an dieser Stelle einen Hinweis auf die negative Seite im Erscheinen des M e n s c h e n s o h n e s ein." 137 Zu diesem Problem Jeremias, T h e o p h a n i e 183 ff.

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nis. Daraus entwickelt sich im übrigen langsam die Vorstellung vom Antichrist. - Apokalyptische Propheten haben angesichts dieser unter höchster Drangsal leidenden Welt Einblick in die Weisheit der Geheimnisse beim himmlischen Thron Gottes. Das ist ein Einblick in die jetzt noch verborgene, aber am Ende zu gemessener Zeit sich durchsetzende, heilschaffende Weltherrschaft Gottes. - Die Gemeinde der Auserwählten vermag durch solche Vermittlung der über der Welt verborgenen himmlischen Weisheit die drangvollen gegenwärtigen Weltverhältnisse im Vertrauen auf das Kommen Gottes beziehungsweise des Menschensohnes durchzustehen. - Von dieser für die Apokalyptik fundamentalen Erkenntnis aus wird auch das Verhalten der Gruppe der Auserwählten in der Welt bestimmt. Das letztere wird in der Vorlage nicht ausdrücklich thematisiert - um so stärker dann bei Markus. Das mag einmal an der besonderen Situation der Vorlage liegen, welche neben der Ermunterung zum Vertrauen (V. 7 f.) die Anweisung zur Flucht (V. 14-20) in den Mittelpunkt rücken läßt. Möglich ist aber auch, daß diese Flucht nicht nur dem irdischen Überleben gilt, sondern zugleich ein anderes Verhalten gegenüber jenen Einstellungen einschließt, die in Jerusalem angesichts der anrückenden römischen Streitmacht eingenommen und propagiert werden. Zumindest zeigt die Selbstbezeichnung „die Auserwählten", die zu Bezeichnungen wie „die Gerechten" und „die Heiligen" in Parallele zu setzen ist, nicht nur ein bestimmtes Selbstverständnis, sondern auch ein Programm im Weltverhalten insgesamt: Nur ein dem kommenden Gott und seinem Menschensohn entsprechendes Verhalten in der Welt ist jene Heiligkeit und Rechtheit, die vor dem Andringen der Wahrheit Bestand haben wird. Das Wesen der Herrschaft Gottes und die ihr gegenüber einzunehmende, entsprechende Haltung - Grundvertrauen und Rechtverhalten in der Welt - sind als Einheit zu begreifen.

4.5 Der Trägerkreis und seine Menschensohntheologie Wo die These einer Vorlage für Markus 13 vertreten wird, betrachtet man diese Vorlage in der Regel als ein Produkt jüdischer Apokalyptik. Nur vereinzelt hält man die Vorlage für das „Dokument eines Judenchristen" 138. Als Hauptargument für jüdische Herkunft wird genannt, 138 So Grtilka, Markus 212; vgl. bereits Schoeps, Apokalyptik. Hahn (Markus 13) und Pesch ( M k - K o m m e n t a r ) sollte man hier nicht nennen, da sie abweichend von der älteren

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Situation und theologische Konzeption der Vorlage

die Vorlage habe neben Schriftbezügen nur Material aus der jüdischen Apokalyptik aufgenommen und trage keine spezifisch christlichen Züge 139 . Aber ist beides stichhaltig 140 und letzteres richtig? literarkritischen These in weitem M a ß e christliches Traditionsgut als Teil der Vorlage behaupten (dazu oben 3.2.3). Auch Grundmann, der den „Ursprung" (einen Teil?) der Vorlage „bei einem urchristlichen Propheten nach Art des Hagabos (Apg 11,28)" sucht (Markus 357), kann man hier nicht aufführen; auch er rechnet zur Vorlage, wenn auch auf andere Weise, „apokalyptisches Material und auch W o r t e Jesu" (ebd.). 13 ' Zu Hölschers speziellem Argument s.o. bei Anm. 133. 140 Eine nicht unerhebliche Rolle in der Argumentation spielt V. 22 (teilweise auch V. 6), der von einigen Exegeten zur Vorlage gerechnet wird. D a z u ist folgendes anzumerken: D a ß das Auftreten von Verführern vor dem Ende - eine recht ungenaue Wiedergabe von V. (6.)22 - „ein alter Satz apokalyptischer Erwartung (Erfahrung)" sei (so u.a. Lohmeyer, Markus 270 f.; Gräßer, Parusieverzögerung 156; ebenso zuletzt Gnilka, Markus 187 bei Anm. 8), ist durch die hier angeführten Belege (AssMos 7 - 9 bzw. 7,3; syrBar 70,5) und den Verweis auf Bousset -Greßmann, Religion 254 ff., nicht gedeckt. Bousset handelt ebd. 254-256 über den Antichrist, der „in ältesten Quellen" als gottloser tyrannischer Herrscher, „daneben" als falscher verführerischer Prophet aufgetreten sei. Für den falschen Propheten, der „durch trügerische Zeichen und W u n d e r seine H e r r schaft aufrichte", nennt Bousset keine frühjüdischen Belege. Kein Wunder: „Diese Vorstellung ist allerdings nur mittelbar durch christliche Zeugnisse erhalten, stammt aber doch wohl schon aus dem Judentum" (ebd. 256). SyrBar 70,5 („die Weisen werden schweigen, Törichte aber werden reden") trägt nichts aus. Die „betrügerischen Leute" AssMos 7,3 sind nur wegen ihres Wandels so genannt und eindeutig keine Propheten. Für M k 13,(6.) 22 aus Josephus (Bell. II 13,4 u.ö.) eine gängige Erwartung frühjüdischer Apokalyptik zu entnehmen, ist angesichts seines durchsichtigen Urteils gegenüber den jüdischen Messiasprätendenten nicht unproblematisch. Festeren Boden bekommt man erst mit 1 Q p H a b 10,9 („Lügenprophet, der viele verführt") und mit 1 Q H 4 . 1 6 („Lügenpropheten", vgl. 4,9 f. 20) unter die Füße (CD 5,20 hingegen spricht nicht von Propheten). Dem Endzeitgeschehen werden sie hier freilich nicht zugeordnet (das ist erst konstruktiv über das Selbstverständnis der Gruppe gewonnen); vor allem verführen sie nicht durch „Zeichen und Wunder". Allein von da aus läßt sich also die gängige, glatte These der H e r k u n f t von M k 13,(6.) 22 aus einem festen T o p o s spätjüdischer Apokalyptik nicht ableiten. Auch die Darstellung bei H. Braun, T h W N T VI 242,10-42 und 247,38-248,36, systematisiert noch zu sehr, verbindet Verschiedenes miteinander und neigt zur Rückdatierung ausgebildeter Motivkomplexe ins Frühjudentum. D a ß in apokalyptisch-dualistischer Sphäre ,,ψευδόχ ρ ι σ τ ο ς vermutbar" sei (ebd. 248,4), halte ich mit den Verweisen in 242,22-43 gerade nicht f ü r begründet; Lohmeyers Vermutung christlicher Analogiebildung (Markus 278 Anm. 1) hat weiterhin die Textlage f ü r sich. Als Fazit kann festgehalten werden: Traditionell ist in M k 13,(6.) 22 das Motiv der (des) Lügenpropheten, gerade auch hinsichtlich ihrer gelungenen Einwirkung auf „viele" außerhalb der Sondergruppe; möglicherweise vorgegeben ist der eschatologische H o r i zont. Alles Weitere, besonders das Gegenüber zu messianischen „Lügen"-Propheten, scheint eher der Problemlage christlicher Gemeinden zu entsprechen. Man wird also wie beim Problem des Antichrist - mit einem langsamen Zusammenwachsen zu ausgebildeteren Motivkomplexen zu rechnen haben. Die häufige Erwähnung von Pseudopropheten als V e r f ü h r e r in christlichen Texten ist jedenfalls ebenso auffallend wie das Fehlen dieses Motivs in den klassischen jüdischen Apokalypsen (äthHen, AssMos, 4Esr, syrBar).

Der Trägerkreis und seine Menschensohntheologie

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Als Argument für die christliche Herkunft wird geltend gemacht: „Im Gegensatz zu bekannten jüdisch-apokalyptischen Vorstellungen fehlen aber die glanzvolle Erneuerung des Tempels, die sinnlich irdische Ausmalung des Schicksals der Gerechten und Sünder; der Triumph über die Frevler ist mit großer Zurückhaltung gezeichnet; die herrscherliche Stellung Israels über die Heiden tritt gar nicht in den Blick." 141 Beachtenswert ist in der Tat im Vergleich mit jüdischen Apokalypsen (4 Esr; syrBar) das Fehlen eines Hinweises auf die Erneuerung des Tempels. Die restlichen Argumente können aber, gerade auch nach den vorhergehenden Erörterungen über die Vorlage und die Apokalyptik im allgemeinen, nicht als stichhaltig betrachtet werden. So muß die schwierige Frage nach dem Trägerkreis der apokalyptischen Vorlage erneut und möglichst unter neuen Aspekten aufgenommen werden. Von vornherein verdient Beachtung, daß die Sorge des apokalyptischen Propheten beziehungsweise Gottes sowohl in der Unheilszeit (V. 14 ff. 20 b) als auch hinsichtlich der Heilsverwirklichung (V. 27) ausschließlich einem begrenzten Kreis, einer Sondergruppe gilt: den „Auserwählten" (oi εκλεκτοί V. 20a. 27; vgl. das „ihr" in V. 14a. 18). Das Gegenüber dazu bleibt abgesehen von dem Rückschluß auf die anrückende Weltmacht Rom im dunklen und tritt nur in V. 26 als unbestimmtes „man" heraus (οψονται). Zum Vergleich sollen die oben beigezogenen jüdischen Texte zur Menschensohnvorstellung dienen. Dan 7 stehen gegenüber die „vier Tiere" oder „die Völker aller Nationen" „die Heiligen (des Höchsten)" bzw. das „Volk der Heiligen des Höchsten" (identifiziert mit dem Menschensohn, V. 18). 4 Esr 13: ein „unzählbares Heer von Menschen" = „alle Völker", „Heer der versammelten Heiden" - „ein anderes, friedliches Heer" = die 9V2 Stämme (die Exilierten) oder diese mit dem in Palästina verbliebenen Volk zusammen = „Volk (Israel), soviel davon übrig (d.h. noch am Leben) ist". AthHen 62: „die Könige, die Mächtigen, die Hohen und die, welche die Erde bewohnen/beherrschen/besitzen" - „die Auserwählten" oder „die Gerechten und (seine = Gottes) Auserwählte" oder „die Gemeinde der Heiligen und Auserwählten". Dieses Gegenüber kommt der Vorlage am nächsten.

Nun setzt jeder sinnvolle apokalyptische Text nicht nur eine bestimmte Krisen- oder Unheilssituation, sondern auch eine darauf bezoAls frühjüdischen Anknüpfungspunkt könnte man sich außerdem Dan 11,32 vorstellen (MT; kürzer Theod., wo έπάγω verwendet wird; abweichend allerdings LXX). Bei dieser Danielstelle fällt wiederum auf, daß die Sondergruppe selbst von der Verführung nicht überwältigt wird; vgl. 1 Q H 4,25 f. (Gegenbild: 4,6 ff.). Zum Problem siehe auch unten bei Anm. 307. Die Sondergruppe ist vom Verführungsversuch der Falschpropheten betroffen; ein Gelingen wird aber eher für unmöglich gehalten (vgl. das εί δυνατόν Mk 13,22). Die starke, kritische Warnung der Gemeinde selbst (V. 5b) fällt demge141 genüber auf. So Gnilka, Markus 212.

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gene eschatologische Problemlösung voraus. Und solche Problemlage hat selbstverständlich auch - mehr oder weniger gut sichtbar wegen der apokalyptischen Verschlüsselung - als Pendant ein personelles Gegenüber. Es geht ja um starkes Angefochtensein und Bedrängnis in einer im Urteil höchst umstrittenen Weltlage, zumeist ausgelöst durch bestimmte äußere Ereignisse. Wie ist nun die apokalyptische Vorlage von Markus 13 unter diesen Aspekten zu beurteilen und einzuordnen? Die Sondergruppe der Auserwählten steht anscheinend in einer eigenartigen Zwischenstellung. Einerseits: Diese Gruppe muß mindestens partiell mit der Wertung des angesagten „Greuels der Verwüstung" (V. 14) übereinstimmen. Sie muß also die Entweihung des Tempels als Frevel am tragenden Heiligtum verstehen. Und sie muß die damit in Gang kommenden Schreckensereignisse zwischen Judenschaft und der Weltmacht Rom als theologisch zu wertende Drangsal, als eschatologisches Unheilsgeschehen mindestens teilweise analog oder mitbetroffen einschätzen können. Das ist aber nur möglich bei zumindest im Ansatz positivem Verhältnis zum Tempel beziehungsweise zu Jerusalem und den damit verbundenen theologischen Gedankenzusammenhängen. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch indirekt in der entsprechenden eschatologischen Erwartung der Vorlage. Das weltordnende Eingreifen bei der endzeitlichen Theophanie des Menschensohns schließt nach apokalyptischer Systematik sicher auch die Außerkraftsetzung des Frevels (V. 14) samt seiner verheerenden Folgen für die Weltordnung mit ein. Wird nur den Auserwählten Heil zuteil (V. 27), muß das erschrockene und schmerzliche Erkennenmüssen des Menschensohns als Mandatar der sich durchsetzenden Königsherrschaft Gottes, wie gezeigt, nach apokalyptischer Systematik die endgültige Vernichtung als Fluchgeschehen zur Folge haben (sog. Vernichtungsgericht). Andererseits: Neben dem zuvor Ausgeführten läßt die Vorlage eine Reserve, wenn nicht gar eine gewisse Distanzierung gegenüber den Verwüstungsfolgen des Tempelfrevels erkennen. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man, wie oben gezeigt, mit Gegenbildern zeitgenössischer jüdischer Erwartungen vergleicht. Bestimmend ist für die Vorlage das Fluchtmotiv; und das bedeutet, daß sich für sie im Ausstrahlungsbereich des Tempelfrevels und des Zion schlechterdings nur Unheilsgeschehen ereignen kann. Denkbar wäre nach jüdischen Texten aber auch und eher, daß der frevelnden Weltmacht Rom widerstanden wird oder daß auf das Eingreifen Gottes oder seines Messias im Sinne eines endzeitlichen Entscheidungskampfes im Bereich des Zion gesetzt wird, sei es auch nur in der stark vergeistigten Form eines Vernichtungsgerichts wie 4 Esr 12,31 ff.; 13,5-11 mit 27-38. Das gleiche distanzierte Verhältnis spiegelt sich in der Ansage der eschatologischen Wende (Mk 13,24-27). Es gibt hier eben keine expli-

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zite Aussage eines Vernichtungsgerichts über die gegen Heiligtum und Gottesvolk frevelnde Weltmacht Rom, die mit den Aussagen in den zuvor genannten Texten vergleichbar wäre. Es findet sich vor allem auch nicht die geringste Andeutung über den in Herrlichkeit wieder auferbauten Zion wie 4Esr 10,25ff. 40-48. 53f.; 13,55f.; syrBar 32,4; 68,5. Dabei muß man berücksichtigen, daß beide Apokalypsen wie die Vorlage von Markus 13 das Geschehen um 70 n.Chr. bedenken. Auch das ist zu beachten, daß in der Vorlage das „man" derer, die vor der am Ende offenbaren Wahrheit des Menschensohnes zunichte werden, weil sie im Leben dessen Sein für nichtig hielten, weit geöffnet ist. Dieses „man" begreift alle ein außer der Sondergruppe „der Auserwählten". Eine solche Apokalypse kann man allenfalls einer israelkritischen jüdischen Sondergruppe zuordnen. Als Trägerkreis möglich ist aber ebenso gut auch eine christliche Gruppierung mit starken Bindungen an jüdische Traditionen, wie das für die Christengemeinde Jerusalems vorauszusetzen ist. Vermutlich spricht aber schon das zuvor genannte, im Vergleich auffallende Fehlen gängiger Motive eher für die Verwurzelung der apokalyptischen Vorlage in der Jerusalemer Christengemeinde. Der Prophet hätte seine Weissagung an sie gerichtet („ihr" V. 7 a. 14 a. 18). Da zugleich auch die Christengemeinden im übrigen Judäa, im Umkreis Jerusalems, mitbetroffen sind, käme etwas hart daneben die unpersönliche Formulierung „dann sollen die in Judäa (sc. einschließlich der Christen Jerusalems) in die Berge fliehen" zustande. Da die Weissagung nicht nur mündlich, etwa im Gottesdienst, verlautbart wurde, sondern Schriftform erhielt (V. 14 b!), kann man ohnedies an eine Verbreitung außerhalb Jerusalems denken. Neben dem zuvor Ausgeführten sprechen weitere Erwägungen für die Entstehung der Vorlage in einer christlichen Gemeinde. Zunächst einmal ist es wenig wahrscheinlich, daß für Markus Anlaß und Sachinteresse bestand, eine während des Jüdischen Krieges entstandene jüdische Apokalypse kurze Zeit später als Rede Jesu in Anspruch zu nehmen. Solche Inanspruchnahmen jüdischen Uberlieferungsgutes sind ja in der Frühzeit des Urchristentums kein bloß formaler Prozeß. Vergleiche mit der späteren Hochschätzung und Tradierung jüdischer Apokalypsen im Christentum sind für die Frühzeit nicht zwingend. Bei stattfindender Übernahme sind dabei des öfteren auch christliche Interpolationen zu orten. Außerdem ist zu bedenken, daß zumindest das von Markus aufgenommene Traditionsmaterial ein starkes Interesse hat, gegenüber Messiaserwartungen jüdischer Provenienz auf starke Distanz zu gehen (Vv. 5b-6. 21-23). Vor allem sei hier in Zusammenfassung oben vorgelegter Beobachtungen zum Menschensohnkomplex folgende Thesen vertreten. Die Menschensohnanschauung der Vorlage läßt sich erstens in dieser Form

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in vorhandenen jüdischen Texten nicht nachweisen. Sie ist zweitens nicht die Weiterbildung eines derartigen Textes - am allerwenigsten von Dan 7 - , von den Datierungsproblemen der Bilderreden noch ganz abgesehen. Sie ist drittens auch nicht einfach als Kombination von Motiven aus Dan 7, Bilderreden (äthHen) und 4 Esr 13 zu begreifen, obschon Einzelmotive, wie sie in diesen Texten vorkommen, in der Vorlage eine Rolle spielen 142 . Schließlich darf sie viertens in dieser Form schwerlich als jüdische Traditionsbildung vermutet oder postuliert werden. Was die Menschensohnanschauung der Vorlage kennzeichnet, ist der das Ganze bestimmende Gedanke der eschatologischen Theophanie. Dieser Gedanke ist dabei zum Teil im Horizont einer Reihe von Schriftstellen entfaltet worden, die zumeist selbst das Thema der Theophanie des Gottkönigs Jahwe nach Form und Inhalt variieren. Ein ähnliches Verfahren hat sich auch beim Ausbau der Menschensohnaussagen in der Matthäus-Redaktion, insbesondere in 25,3 Iff., nachweisen lassen 143 . Diese Übertragung des Gedankens der Theophanie auf den Menschensohn als solche und die Ausarbeitung des Eigengewichtes dieser Heilsgestalt im einzelnen — bei Matthäus im Vergleich verständlicherweise noch besser zu beobachten als bei Markus - setzen einen hohen Grad von Selbständigkeit bei dieser Heilsperson voraus. Das ist in dieser Form mit den frühjüdischen Menschensohnvorstellungen in Dan 7 und in den Bilderreden (äthHen), aber auch mit 4 Esr 13 nicht wirklich vergleichbar 144 . Außerdem zeigen die Menschensohnbelege der synoptischen Tradition im Vergleich, daß man es in Mk 13,24-27 und noch mehr in Mt 25,31 ff. mit einer immer stärkeren christologischen Ausarbeitung der Menschensohngestalt zu tun hat 145 . Es besteht-also Grund zur Annahme, in solcher Ausbildung der Menschensohnanschauung ein urchristliches Charakteristikum zu sehen. Dabei bestimmt das Sachinteresse, Jesus als unverwechselbaren Reprä142 Es kann an folgende Einzelmotive gedacht werden. Dan 7: in Wolken (doch anders!) kommender Menschensohn (Mk 13,26). ÄthHen 62: endzeitliches (doch wiederum anderes!) Sehen des Menschensohnes (Mk 13,26); „die Auserwählten" als Sondergruppe im Gegenüber zu allen anderen (V. 27). Vielleicht 4 Esr 13,39: (anders bezogenes und vollzogenes) Sammlungsmotiv (Mk 13,27). 145 Dazu s. Brandenburger, Weltenrichter 51-55. 131-138. 144 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die polemische Äußerung in 4 Esr 6,6: „Damals habe ich dies alles vorbedacht und durch mich und niemand weiter ward es erschaffen; so auch das Ende durch mich und niemand weiter" (Ubersetzung H. Gunkel, vgl. dessen Anm. z. St. bei KautzschAP\ s. weiterhin H. Greßmann z. St. bei Violet, Apokalypsen 339. 145 Zur kritischen Begründung des zuvor Geäußerten s. Brandenburger, Weltenrichter 35-55, speziell auch 51 Anm. 83.

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sentanten der Verkündigung von der Königsherrschaft Gottes zu prädizieren, das Verfahren bei der Inanspruchnahme der Schrift. In solchem Verfahren kommt zum Ausdruck, daß der zum Menschensohn erhöhte, also ins Recht gesetzte Repräsentant solcher auch leibhaft vertretenen Verkündigung ebendamit in die Funktion der weltordnenden Herrschaft Gottes selbst eingerückt ist 146 . Sie wird nun unter der eigenständigen und unverwechselbaren Perspektive der Verkündigung und des Geschicks Jesu als gültig verstanden und so weiter verkündigt. Die apokalyptische Denkweise, sich in irdisch strittiger Situation solcher bleibenden Gültigkeit zu vergewissern, spiegelt sich in der Aussage der endzeitlichen Theophanie des Menschensohns Jesus. In seinem das umstrittene Weltgeschehen am Ende entscheidend klärenden Kommen wird die Gültigkeit der von ihm verkündeten und repräsentierten weltordnenden Herrschaft Gottes eschatologisch gewahrt. Sinn solcher apokalyptischen Prophetie ist es, dies jetzt zur Einstellung darauf einzuschärfen, sei es in der Drangsal beim Glauben haltend, Vertrauen stiftend (tröstend), sei es - gegebenenfalls zugleich auch - mahnend, Gehorsam im Rechtverhalten fordernd. Es scheint, daß die nicht abreißenden Versuche, christologisch ausgebildete Menschensohnaussagen der synoptischen Tradition für den sogenannten historischen Jesus zu reklamieren, solches Nachdenken aufgrund der theologiegeschichtlichen Zusammenhänge - und damit eine Sachinterpretation wenigstens im historischen Rahmen - eher verhindert haben. Aber das gilt auch von dem bloßen gegenteiligen Hinweis, daß die Verkündigung von der kommenden Königsherrschaft Gottes und die Menschensohnvorstellung in der synoptischen Tradition zu unterscheidende Traditionsstränge darstellten. Das letztere dürfte, wenn einige Modifikationen berücksichtigt werden 147 , an sich durchaus zutreffen. Sollte es aber richtig sein, daß der Ausbau der urchristlichen Menschensohnanschauung in einem wichtigen Teilbereich unter dem Leitgedanken der Theophanie erfolgt ist, so wird ebendamit die Gültigkeit, die eschatologische Wahrung und Durchsetzung der Königsherrschaft Gottes unter der Perspektive ihres christologischen Repräsentanten bedacht und verkündet. Die Menschensohn-Christologie vermag also durchaus ein Hauptanliegen der jesuanischen Verkündigung der Königsherrschaft Gottes in 146 Zur Vorstellungsweise und dem darin verschlüsselten Denkvorgang vgl. äthHen 71,15 f., wo es nach der Erhöhung bzw. Insrechtsetzung Henochs und seinem Empfang als „Menschensohn" heißt: „Er (sc. der Hochbetagte im Kreise der begleitenden Engel) ruft dir Frieden zu im Namen der zukünftigen Welt . . . Alle, die auf deinem Wege wandeln werden . . ., deren Wohnungen und Erbteil werden bei dir sein, und sie werden sich bis in alle Ewigkeit nicht von dir trennen" (Übersetzung G. Beer, bei KautzschAP). 147 Dazu Brandenburger, Weltenrichter, bei Anm. 60 S. 45 f. sowie dort Abschnitt 2.3.5 insgesamt.

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Situation u n d t h e o l o g i s c h e K o n z e p t i o n der V o r l a g e

sich aufzunehmen und so zu wahren. Sie tut das aber notwendigerweise unter gleichzeitiger Aufnahme und Reflexion zunächst des strittigen Todes- und Erhöhungsgeschicks Jesu von Nazareth, sodann der veränderten Realitäts- und Erfahrungsbedingungen urchristlicher Gruppen, welche ihre Theologie innerhalb dieses Traditionstyps entfalten. Die geschichtliche Aufnahme und weitere Reflexion der Verkündigung Jesu von der kommenden Königsherrschaft Gottes darf man jedenfalls, auch im Blick auf theologiegeschichtliche Entwicklungen außerhalb des Typs der synoptischen Tradition, nicht auf das Vorkommen der Wortkombination βασιλεία τοΰ θεοϋ samt engerem Motivkomplex beschränken 148. Urchristliche Apokalyptik ist dieser Verkündigung - auch wenn der Wortbestand das nicht sofort anzeigt - durchgehend als leitendem Thema verpflichtet. Sie erfährt und reflektiert diese Thematik unter veränderten Realitätszwängen und Erfahrungsbedingungen. Nicht erst sie freilich hat dieses Thema entdeckt und auch nicht die jüdische Apokalyptik als solche 149 . Urchristliche wie jüdische Apokalyptik stellen sich dieser Thematik aufgrund älterer fundamentaltheologischer Voraussetzungen, die in krisenhafter Welterfahrung nicht mehr zu tragen scheinen und darum in ihr neu gewonnen werden müssen. Die spätestens mit den ersten Verfolgungen auch in der Urchristenheit ständig wiederkehrenden analogen Problemlagen dürften der „Sitz im Leben" für die urchristliche Inanspruchnahme der Gattung Apokalypse sowie überhaupt typischer Elemente apokalyptischer Sprachformen und Theologie gewesen sein150. D a z u k a n n m a n aus d e m s o n s t i g e n U b e r l i e f e r u n g s g u t v o n M a r k u s 13 d i e V v . 10. 12. 13 a. b innerhalb d e r V e r f o l g u n g s t r a d i t i o n v e r g l e i c h e n . A n d e r e w i e d e r k e h r e n d e D i f f e r e n z e r f a h r u n g e n , die z u b e w ä l t i g e n waren, sind z u m Beispiel l T h e s s 4 , 1 3 - 1 8 z u e r k e n n e n . S c h o n das hier - n e b e n d e r n e u e n u n d n u n g r u n d l e g e n d e n c h r i s t o l o g i s c h e n Basis V . 14 - b e i g e z o g e n e a p o k a l y p t i s c h e L o g i o n V . 16 f. (mit v o r a u s g e h e n d e r A u s l e g u n g in V . 15) d ü r f t e in a n a l o g e r P r o b l e m l a g e e n t s t a n d e n sein. O b nicht a u c h die v o n der b e t r o f f e n e n J ü n g e r s c h a f t 148 In diesem Zusammenhang sei auch auf die Thematisierung des Gedankens der Königsherrschaft Gottes unter der Perspektive des Weltordnungsdenkens im apokalyptischen Problemfeld hingewiesen. Dazu s. Brandenburger, Verborgenheit, passim und Stichwortregister s.v. Herrschaft Gottes und Weltordnung (Gottes). 14 ' Das wäre in der Diskussion mit E. Käsemanns bekannter These zu bedenken. 150 Zum Problem vgl. auch die Überlegungen bei Conzelmann, Mitte der Zeit 88; aufgenommen bei Gräßer, Parusieverzögerung 152. Die Parallelisierung der Entwicklung in der jüdischen Apokalyptik und im Urchristentum (Nähe des Heils - Verzögerung) erscheint allerdings etwas glatt und nur teilweise zutreffend. Zu berücksichtigen sind ferner einerseits gemeinsame fundamentaltheologische Voraussetzungen, andererseits die unverwechselbare, teilweise grundlegend verändernde Sachinterpretation dieser Voraussetzungen in der Einheit von Verkündigung und Geschick Jesu.

Der Trägerkreis und seine Menschensohntheologie

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vorgenommene Interpretation des Leidens- und Todesgeschicks Jesu von Nazareth teilweise unter apokalyptischen Denkvoraussetzungen vor sich ging, kann man zumindest fragen. Auf jeden Fall ist der Nährboden und der „Sitz im Leben" von Apokalypsen sowie sonstiger apokalyptischer Formensprache und Theologie mit Sicherheit nicht der „Enthusiasmus" als solcher - was immer mit diesem inzwischen sehr beliebten, aber zumeist verschwommen angewendeten Begriff im einzelnen auch angedeutet sein mag.

5. Komposition und theologische Konzeption der Markus-Redaktion Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß Markus bei der Gestaltung von Kapitel 13 in weitem Maße auf Traditionsmaterial zurückgreifen konnte. Aber dieser überlieferte Stoff ist nach Umfang, Stil, Gattung und entsprechenden Situationen recht unterschiedlich. Zu fragen ist nun, wie Markus mit diesem Überlieferungsgut, mit mehr oder weniger knappen eingestreuten Einzelbemerkungen, mit eigener Szenenbildung und vor allem auch durch die kompositionelle Anordnung des Traditionsstoffes ein neues Ganzes schuf. Damit ist notwendigerweise die Frage verbunden, welche unterschiedliche oder neue Lage den Evangelisten zu solcher Neugestaltung veranlaßte oder sie sogar erzwang. Die „kleine Apokalypse" hat ihren Sitz in der durch äußere, feindlich bewertete Einwirkung einer frevelnden Weltmacht hervorgerufenen Drangsal. Auch die Verfolgungslogien, welche typische Situationen zusammenfassend formulierten, waren von apokalyptischer Denkbewegung her überarbeitet worden. Wenn nun Markus 13 ebenfalls nach Form und Thematik geheime Offenbarung zukünftigen Geschehens zur Klärung einer gegenwärtigen Problemlage vermitteln will, so ist von vornherein die Beobachtung maßgebend, daß dabei die neue Einheit einer Apokalypse vom Gattungsmerkmal eines Schul- oder Lehrgesprächs mit testamentarischem Einschlag geprägt ist. Nimmt man diese Beobachtung zur Gattung und zur Struktur der neuen Texteinheit ernst, müssen von da aus auch die Fragestellungen und der Gang der folgenden Untersuchung strukturiert werden 151 . Zunächst ist auch hier eine Basis zu schaffen durch die Frage nach dem Standort des Verfassers „Markus" (5.1). Sodann ist zu fragen, was sich unter Voraussetzung dieser geschichtlichen Basis für die weitere Untersuchung aus der leitenden Szenerie und dem das Ganze prägenden apokalyptischen Schul- oder Lehrgespräch ergibt (5.2). Schließlich ist nach der Bedeutung der in den ersten Teil des Schulgespräches eingefügten, paränetisch akzentuierten Einschübe zu fragen. 151 Für die Frage des Zusammenspiels zwischen dem Wesen einer Gattung („Apokalypse" als Uberformungsbegriff) und dem Vorgehen bei der Entschlüsselung s. die Bemerkungen zum teilweise analogen Fall der Vorlage im Abschnitt 3.1 am Ende.

Der Standort des Markus

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Es hat den Anschein, als seien die unterschiedlichen Traditionsstoffe mit Bedacht in das neue, von Markus geschaffene Sinngefüge eingeordnet worden: - Das Apophthegma über die Tempelzerstörung (V. 1 b-2) dient als Vorspann zur markinischen Exposition des Schulgesprächs (V. 3f.). - Die schriftliche Vorlage - die „kleine Apokalypse" (V. 7 f. 14-20. 2 4 27) - verwendet Markus als Grundstock des ersten Teils des apokalyptischen Schulgesprächs, und zwar als zeitlich-geschichtlich orientierten Aufriß. - Die Verfolgungstradition (V. 9 b-13) und die Überlieferung über die Pseudopropheten (V. 21 f.) sowie die markinische Doppelung des letzten Motivs (V. 5 b-6) bilden die Einschübe im ersten Teil des Lehrgesprächs, soweit dessen apokalyptischer Aufriß den Endetappen der Geschichte dieses Äons gilt. - Die Gleichnisstoffe und die eschatologischen Jesuslogien verwendet Markus im zweiten Teil des Schulgesprächs (V. 28-36).

5.1 Der Standort des Markus: in der Geschichte und im Textverlauf Zwischen dem Standort des Markus im GeicAicAfrverlauf und im Textverlauf zu unterscheiden, um beides zu bestimmen, ist angesichts des Standes der Auslegung dringend nötig. Die Mehrheit der Ausleger läßt Markus kurze Zeit nach dem Jüdischen Krieg schreiben 152 . Diese Datierung wird durch Rückschluß gerade aus Markus 13 gewonnen. Teils wird die Möglichkeit offengehalten, V. 2 b als vaticinium ex eventu zu verstehen 153 , teils wird - weniger wahrscheinlich - die Schlußwendung δς ού μή κ α τ α λ ύ τ η der markinischen Redaktionsarbeit zugeschlagen 154 . Teils wird, wie auch in der 152

Unter den neueren Arbeiten zu Mk 13 z.B. Conzelmann, Walter, Pesch, Hahn, Gnilka. Dagegen Marxsen, Suhl. Unentschieden z.B. Gräßer, Parusieverzögerung 155 bei Anm. 4. 153 So Walter, Tempelzerstörung 42, mit beachtenswerter Argumentation gegen die geläufige Exegese, die aus der Tatsache, daß der Tempel im Jahre 70 durch Feuer zerstört wurde, den voreiligen Schluß zog, V. 2 könne darum kein vaticinium ex eventu sein: Die zunächst stehengebliebenen Mauern des Tempelkomplexes (Jos., Bell. VI 250-266) wurden wenig später auf Befehl Vespasians geschleift (ebd. VII 1-3); „dem Zustand, der sich Ende des Jahres 70 darbot, entspricht die Beschreibung in Mc 13,2 durchaus" (Walter, ebd.). 154 So Pesch, Mk-Kommentar 271, der darin „den deutlichsten Hinweis für die Abfassungszeit des ältesten Evangeliums nach dem Jahre 70 n.Chr." sieht (ebd. 272). Aber ist diese (redaktionskritische) Basis tragfähig?

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

vorliegenden Untersuchung, vorausgesetzt, daß der Evangelist die in der Vorlage geweissagte, aber in dieser Form im Jüdischen Krieg nicht eingetroffene Tempel entweihung rückblickend als erfüllte Tempel zerstörung verstand 155 . Es bleibt die Frage, ob sich die von vielen übereinstimmend vorausgesetzte Datierung nicht besser und ohne zweifelhafte Begründungen vertreten läßt. Auch wo man über die Datierung im Geschichtsverlauf einig ist, wird der Standort des Markus im Textverlauf unterschiedlich bestimmt. Teils wird dieser Standort, wie auch in dieser Studie, nach V. 14-20 festgelegt 156 . Teils sieht man Markus vor den in V. 14-20(22) geschilderten Ereignissen agieren. Mit dieser letzteren Standortbestimmung ist engstens verwoben: zum einen die Deutung von V. 7 auch auf die Zerstörung des Tempels bzw. Jerusalems, zum anderen die Deutung von V. 14-20(22) auf das zukünftige, in der Endphase dieses Äons sich vollziehende Wirken des Antichrist 157 . Eine zutreffende Bestimmung des Standorts des Markus im Textverlauf ist außerordentlich wichtig. Denn die Entscheidung dieser Frage hat erhebliche Konsequenzen für die Interpretation der markinischen Konzeption insgesamt. Verfasser von Apokalypsen geben in der Regel ihren Standort nicht an 158 . Das ist geradezu gattungsgemäß und gilt natürlich auch für „Markus" als Verfasser von Markus 13. Dennoch verraten sich die apokalyptischen Verfasser meist indirekt durch ein bestimmtes, typisches Gehabe oder durch einzelne Bemerkungen. Im Falle von Markus 13 verrät sich der Verfasser unabsichtlich - also entgegen der typisch apokalyptisch-fiktiv im Leben Jesu lokalisierten Szenerie - auf zweifache Weise: zum einen durch die in V. 23 vorliegende apokalyptisch-testamentarische Bemerkung, zum anderen durch die Absicht der redaktionellen Verknüpfung zweier Szenen, nämlich der Vorschaltung der Weissagung der Tempelzerstörung als Exposition der esoterisch-apo155

Vgl. vor allem Pesch, Naherwartungen 139-144; ders., Mk-Kommentar 266. 289 f.; auch schon Walter, Tempelzerstörung 43, freilich mit der unwahrscheinlichen Hypothese verbunden, Markus habe die auf V. 14 zielende συντέλεια (V. 4) auf den Antichrist bezogen; dem folgen auch Hahn, Markus 13, 255 f., und Gnilka, Markus z.St. 156 So vor allem Pesch, Mk-Kommentar 289 f. 157 Vgl. ζ. B. Walter, Hahn, Gnilka. Diese Deutung auf den Antichrist mit den genannten weiteren Konsequenzen ist stark verbreitet, vgl. die Ahnengalerien bei Pesch, Naherwartungen 140 Anm. 472, und bei Hahn, Markus 13,255 Anm. 60. Dagegen neben Hölscher, Ursprung 199, besonders energisch Pesch, Naherwartungen 140 f.; ders., MkKommentar 289. 291. Grundmann, Markus, ist inzwischen ('1977, 358 f.) Pesch gefolgt, freilich auch dessen korrespondierender symbolischer Umdeutung von Judäa (V. 14) auf das - in Richtung „Galiläa, dem Land des Christus" - zu fliehende „Land des Judentums" (bei Grundmann 359). Pesch hat diese windige Deutung im Mk-Kommentar stillschweigend unter den Tisch fallen lassen und durch die Pella-Hypothese ersetzt (dagegen s.o. 4.4.2 gegen Ende). 15e Apk 1,1-3. 4. 9 ff. ist als Ausnahme zu betrachten.

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kalyptischen Jüngerfragen in V. 3 f. Angesichts des Auslegungsstandes werden beide Textstellen im folgenden gesondert behandelt. Da V. 3 f. bereits - im Gegensatz zu V. 23 - genügend Aufmerksamkeit gefunden hat, wird vor allem die Bedeutung von V. 23 herausgearbeitet und auf V. 3 f. lediglich kurz am Schluß eingegangen. Erst wenn die Bedeutung von V. 23 für den Zusammenhang erkannt ist, lassen sich einigermaßen verläßliche Rückschlüsse auf den Standort des Verfassers im Textverlauf und im aktuellen Problemgeflecht ziehen. Hinsichtlich der Aussage ύμεΐς δέ βλέπετε - προείρηκα ύμΐν πάντα (V. 23) können aus der Geschichte der Auslegung folgende Ergebnisse vorab festgehalten werden: V. 23 wird zu Recht durchweg der markinischen Redaktion zugewiesen; der Imperativ βλέπετε gehört in die Kette ähnlicher Mahnungen in Markus 13, die ebenfalls auf Markus zurückgehen (V. 5 b. 9 a. 33 a); dabei hat Markus mit V. 5b-6 und 2123 formal eine Inklusion gebildet 159 . Ungefähr in die richtige Richtung weist auch die Beobachtung, das προείρηκα kennzeichne Jesu Rede als „prophetische Voraussage" 16°. Problematisch ist aber schon die Auswertung solcher Erkenntnis, wenn Prophetie und Paränese alternativ gegen Apokalyptik ausgespielt werden: Die Voraussage stehe ganz im Dienst der Paränese, „nicht im Dienst irgendwelcher apokalyptischer Belehrung" 161 . Hier wird das Nächstliegende abgeblendet, Zusammengehöriges auseinandergerissen und die Paränese von ihrer Basis, eben dem theologischen Begründungsgefüge, abgeschnitten. In die Irre führt auch, das προείρηκα als Folge der Ausführung der Jüngeraufforderung εΐπόν ή μ ΐ ν (V. 4) zu verstehen 162 . Dabei wird assoziativ miteinander verbunden, was nicht zusammengehört und was schon von der Gattung und damit von der Funktion her zu unterscheiden ist. Die Jüngerfrage nach Termin und Zeichen gehört ins Sinngefüge des esoterisch-apokalyptischen Schulgesprächs, V. 23 hingegen muß aus einem anderen Gattungszusammenhang her verstanden werden. Auf mögliche Unterschiede wiesen auch die Beobachtungen zur Struktur des Ganzen (s. 2.): Die Jüngeraufforderung (V. 4) gehört in den das Ganze überlagernden Sinnzusammenhang des Schulgesprächs, V. 23 hingegen gehört zu den Einschüben (V. 5 f. 9-13. 21-23), welche dem ersten Teil des Schulgesprächs kontrapunktisch zugeordnet sind. Völlig verfehlt ist darum die Deutung von V. 23: „Wichtig ist vor allem, 15

' So Lambrecht, Redaktion 173; aufgenommen bei Pesch, Naherwartungen 79. So Pesch, Naherwartungen 156; vgl. insbesondere die Verweise auf Robinson, Geschichtsverständnis 92. 161 So Pesch, ebd. 156, mit Verweis auf Hauck, Schmid, und Grundmann. 162 So Pesch, ebd. 156. Die Folgen kann man bei Hahn (s.o. bei Anm. 71) und auch Neirynck, Marc 13, 377 f., beobachten. 160

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

daß damit angedeutet werden soll, daß nun alles, wonach die Jünger in V. 4 gefragt haben, ,vorhergesagt' ist." 163 Die Voraussage richtet sich rückblickend auf „alles", die Jüngerfrage aber vor allem auf das „Zeichen". Funktion und Bedeutung von V. 23 ergeben sich aus der Gattung, der die Anweisung V. 23 a wie vor allem auch der Riickverweis auf die zuvor ergangene Weissagung V. 23 b als Gattungselemente zugehören. Eigenartigerweise ist solche Frage nach der Gattung in der bisherigen Auslegung von V. 23 überhaupt nicht gestellt worden. Natürlich gehört zu den ferneren Verstehensvoraussetzungen, daß eine prophetische Voraussage auf ihre Erfüllung hin angelegt ist 164 . Aber das genügt bei weitem nicht für V. 23. Beide Aussagen von V. 23 sind Elemente der Gattung des Testaments, und zwar eines testamentarischen Sinngefüges, das vom Impuls, apokalyptische Enthüllung zu geben, überformt ist 165 oder die typische Problemlage und theologische Bewältigung der Apokalyptik zur Voraussetzung hat 166 . Das Vergleichsmaterial liegt in verschiedenen Variationen, wie sie für dieses Testamentsmotiv kennzeichnend zu sein scheinen, in frühjüdischen und auch in einer ganzen Reihe urchristlicher Texte vor 167 . Die Voraussage wird ausgesprochen von einer in den Tod gehenden oder sonstwie scheidenden Person. Darum findet sich das Vergleichsmaterial meist in Abschiedsreden, die der Gattung des Testaments verpflichtet sind, auch in entsprechenden Briefsituationen oder vorauszusetzenden realen Abschiedssituationen. Das letztere ist für lThess 3,4; 4,6 anzunehmen, während in den sonstigen Belegen, wie in Markus 13, die Testamentslage gattungsgemäß fingiert ist. So ist der historische Verfasser der apokalyptischen Abschiedsrede Markus 13 natürlich der Evangelist; er läßt aber den Lehrer Jesus als apokalyptischen Propheten mit testamentarischem Gehabe die Weissagungen aussprechen. In der Sache beziehen sich die fingierten Weissagungen auf gegenwärtige Problemlagen zur Zeit des historischen Verfassers. Von da aus wird das Motiv des Gedenkens, der Erinnerung verständlich. Das vorher Gesagte soll die kritische Situation der Gegenwart erhellen. Mit der So Hahn, Markus 13,251 Anm. 45 (Hervorhebung von mir). Vgl. z.B. das Gegenüber von vorhergesagt - erfüllt in Jer 40,2; Act 3,18. 165 Das gilt für AssMos 3,10-13; 5,2; 12,5. 13 (s. dazu den Literaturhinweis Anm. 9); syrBar 84. 166 Das wird man anzunehmen haben für TestSim 6,1; TestLevi 19,1; TestNapht 8,1: „Siehe, meine Kinder, ich habe euch die letzten Zeiten gezeigt, denn alles wird sich in Israel (so) ereignen." Aber auch in der johanneischen Bearbeitung (Texte s. Anm. 167) schimmert das noch durch: „Aber dieses habe ich zu euch geredet, damit ihr wenn die Stunde kommt, euch daran erinnert, daß ich es euch (vorher) gesagt habe" (Joh 16,4). Vgl. Becker, Johannes 493; er macht zu Recht auf die Herkunft aus einer apokalyptisch verarbeiteten Verfolgungstradition aufmerksam. 164

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Weissagung der kommenden Krisenlage ist zumeist das Motiv der Ermunterung oder Ermahnung fest verbunden. Es besteht ein bestimmtes Gefälle: Die Weissagung ergeht, damit man sich in der Gegenwart so und nicht so auf die Problemlage einstellt. So korrespondiert der Voraussage der Krisensituation öfter ein „habt acht!", „hütet euch!", oder „darum wacht!". TestSim 6,1 korrespondiert zuvor dreimal φυλάξασΟε (3,1; 4,5; 5,3). Der geweissagten Problemlage in der Abschiedsrede des Paulus geht προσέχετε έαυτοΐς voraus (Act 20,28) und folgt διό γρηγορείτε nach (V. 31). Den festen Folgezusammenhang zwischen Weissagung und Paränese spiegelt deutlich in kurzer Rede der Abschluß des 2 Ptr: ύμεΐς ούν, αγαπητοί, προγινώσκοντες φυλάσσεσθε (3,17).

Daraus ergibt sich, daß die beiden Satzhälften von Mk 13,23 in einem festen Sach- und Begründungszusammenhang stehen. Die esoterisch-apokalyptische Prophetie (V. 23 b) ist die Grundlage für die Weisung (V. 23 a). Ja, mehr noch: Hier wird sichtbar, daß schon die entsprechenden Weisungen in V. 5 b und V. 9 a auf diese apokalyptischtestamentarische Grundlage hin angelegt sind. Sie beherrscht in der Sache die drei Einschübe im ersten Teil des Lehrgesprächs; denn jeder dieser Einschübe hat ein βλέπετε als charakteristisches Signal. An Einzelheiten ist erwähnenswert, daß anscheinend auch das ausweitende „alles vorhergesagt" typisch ist 168 . Auch wenn sich ταϋτα πάντα V. 4 und πάντα V. 23 beide auf die Schrecken und Angst verbreitenden Endereignisse in V. 5-22 beziehen, so geschieht das beidemal aus einem von der jeweiligen Gattung her unterschiedenen Blickwinkel und damit auch in verschiedener Funktion. Die in den genannten Texten erwähnten Krisenlagen sehen naturgemäß verschieden aus. Dennoch ist bemerkenswert, wie in den neutestamentlichen Belegen einerseits die Drangsal der Verfolgung 169 , andererseits je später, desto häufiger das Problem des Falschglaubens und der Irrlehre 170 in den Blickpunkt tritt. Das wirft sowohl von der Gattung als auch von der historischen Seite der Entwicklung aus ein bezeichnendes Licht auf die diesen beiden Themen gewidmeten drei Einschübe in Markus 13. Es lohnt sich auch, über das in den genannten Texten gängige Verfahren nachzudenken, für die Lösung der gegenwärtigen Problemlage 167

AssMos 3,10-13; 5,2 und die zugehörigen Aussagen in 12,5. 13; TestSim 6,1; TestLevi 19,1; TestNapht 8,1; syrBar 84; Joh 14,25. 29; 16,1-4; vgl. 13,19; 15,20; Act 20,28-31; 2Thess 2,5; Jud 17; 2Ptr 3,2. 17; vgl. IThess 3,4; 4,6. " e Siehe TestSim 6,1: ιδού εϊρηκα (v. 1. sekundär, aber sinngemäß richtig προείρηκα) ύ μ ΐ ν πάντα. TestNapht 8,1: ύπέδειξα ύ μ ΐ ν καιρούς έσχατους δτι πάντα γενήσεται 'Ισραήλ. 169 Siehe IThess 3,3f.; Joh 16,1-4; vgl. 15,20. 170 Siehe 2Thess 2,5; Act 20,29; Jud 17; 2Ptr 3,2ff. 17.

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fiktiv eine herausragende Person der heiligen Geschichte als Propheten in Anspruch zu nehmen. Das gründet einerseits im fundamentaltheologischen Konzept der eschatologischen Weisheit (Apokalyptik). Dabei sollte aber nicht übersehen werden, daß zumal mit den fiktiv herausgehobenen Personen im Urchristentum auch an ein reales Erfahrungspotential der eigenen Ur-Geschichte angeknüpft wird. Das daran sich anhängende Vertrauen ist nicht schlechtweg unbegründet, im Gegenteil auch wenn das Ganze nun in die Denkvoraussetzungen apokalyptischer Theologie einrückt. Zu den fundamentalen Grundlagen solcher apokalyptischen Denkbewegung, die auch den Sinn von Mk 13,23 im Zusammenhang weiter entschlüsseln hilft, gehört: Der apokalyptische Lehrer Jesus ist in Markus 13 in teilweiser Analogie zu Mose und anderen scheidenden Propheten in die Geheimnisse des Weges oder Planes Gottes mit der Welt eingeweiht. Er hat Einblick in die den Thron des Gottkönigs gründende himmlische Weisheit. Aus der Offenbarung solchen esoterischen Wissens kann die angefochtene Gemeinde die widrige, teils grauenvolle Weltlage im Vertrauen auf Gottes weltordnendes Walten positiv bestehen. Die Mahnungen können im übergreifenden Sinngefüge als begründet, sinnvoll und notwendig erkannt werden. So kann ihnen auch in verführerischer, schwieriger Lage und selbst im Leiden um Christi willen entsprochen werden. Die Aussage V. 23 b bedeutet also im Blick auf die bisherige Weissagung in V. 5b-22 (πάντα!) 1 7 1 zunächst einmal - also noch bevor irgendwelche notwendigen Konsequenzen gezogen werden - : Die Lage ist da, die Weissagung hat sich erfüllt. Dies soll ebenfalls zum Vertrauen und zum tätigen Bestehen der Krisenlage motivieren. Es ist sogar zu erwägen, ob nicht speziell für die Partien der Vorlage aus dem Jüdischen Krieg noch ein weiteres Moment des apokalyptischen Testaments in Anschlag gebracht werden muß. Aus dem neuen Blickwinkel von V. 23 ist das in den Vv. 7 f. und 14-20 Geschilderte inzwischen vergangene Geschichte; die Gegenwart wird durch die in den Einschüben V. 5b-6. 9-13. 21 f. beigezogenen Traditionen transparent. So könnte auf das in den Vv. 7 f. 14-20 geschilderte Geschehen so zurückgeblickt werden, wie das ausdrücklich in AssMos 3,10-13; 5,2 geschieht 172 : Die 171 Das umfassende πάντα kann nicht gut auf V. 21 f. beschränkt werden. Das formale Darstellungsmittel der Inklusion (s. bei Anm. 159) und die vorherigen Erwägungen zur Gattung (s. vor Anm. 168) weisen auf V. 5 b - 2 2 insgesamt, vor allem auf die Einschübe V. 5b-6. 9-13. 21 f. 172 „Dann werden sie meiner (sc. Gottes) gedenken, indem sie an jenem Tage sprechen . . .: ,Ist dies nicht das, was uns Mose [damals] in (seinen) Prophezeiungen bezeugte . . . ? Nachdem er es bezeugt hatte, rief er auch Himmel und Erde zu Zeugen über uns an, daß wir seine Gebote nicht übertreten sollten, die er uns vermittelt hatte. Diese Dinge

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Vorhersagen des apokalyptischen Lehrers Jesus haben sich wie die des großen Propheten Mose in der Geschichte erfüllt. Um so mehr kann den weiteren, auch die Zukunft (Mk 13,24-27) betreffenden Enthüllungen vertraut werden 173 . Für die Frage nach dem Standort des Markus im Textverlauf kann dann folgendes zusammenfassend festgehalten werden. Bemerkungen wie „ich habe euch alles vorhergesagt" sind samt den zugehörigen Bezugsaussagen - hier die Vv. 5 b-22 - in aller Regel als vaticinia ex eventu zu betrachten. Das bedeutet, daß Markus am Ende der in den Vv. 5 b-22 geschilderten Gegenwart, also der noch im Gange befindlichen Endgeschichte dieses Äons steht. Während der Standort des Verfassers der Vorlage vor V. 14 lag, muß der des Markus nach V. 1420 (22) angesetzt werden. Die zuvor vorgetragene Deutung, die auf der Gattungsbestimmung von V. 23 - einschließlich der zugehörigen paränetischen Leitsignale (βλέπετε) für die drei Einschübe (V. 5b-6. 9-13. 21-23) - beruht, hat folgende erste Konsequenz. Die verbreitete Umdeutung von V. 14-20 auf den Antichrist, der in der geschichtlichen Zukunft zwischen der Gegenwart des Markus vor V. 14 und dem Weltende wirken soll, läßt sich nicht halten. Dafür gibt es in der von V. 23 her zu entschlüsselnden Geschichtsanschauung des Markus schlechterdings keinen Raum 174 . Ohnehin muß als nächstliegende Annahme gelten, daß Markus die echte Weissagung der Vorlage (V. 14-20) in jenem unverwechselbaren historischen und geographischen Raum belassen hat, auf den sie gemünzt war. Für Markus wie seine Gemeinde waren die Ereignisse, vor sind (nun) gemäß seinen Worten und Versicherungen über uns gekommen, so wie er es uns in jenen Zeiten bezeugt hat; und sie sind eingetroffen . . ."' (AssMos 3,10-13; Übersetzung JSHRZ V,2). 173 Zur Begründung solchen Verständnisses hinsichtlich des apokalyptischen Testaments AssMos vgl. meine Ausführungen dazu in der Anm. 9 genannten Literatur, 62-65. Konstitutiv für solches Verständnis von 3,10-13 und 5,2 ist der fundamentaltheologische Zusammenhang mit 12,5. 13, wonach Gott „alles" Geschehen dieses Äons vorhergesehen und vorherbestimmt hat. Denn in ebendiese himmlischen Geheimnisse hat der große Prophet Mose Einblick genommen, und aus diesem esoterischen Wissen sind die voraufgehenden apokalyptischen Schilderungen der AssMos samt ihren Ermunterungen und Ermahnungen gespeist. 174 Pesch, Mk-Kommentar 289 f., hat gegenüber einer weithin üblichen Auslegung von V. 14-20 mit Recht - zuletzt gegen Hahn, Markus 13 - darauf bestanden, daß Markus von V. 23 aus zurückblickt. Die Erkenntnis der Gattung und damit die wichtigste Begründung dieser These ist Pesch freilich entgangen. Die weitere Auslegung von V. 23 bei Pesch (vgl. ebd. 297 und oben bei Anm. 160-162) halte ich nicht für zutreffend. So dürfte Markus mit V. 23 auch kaum gleichwertig auf alle Ereignisse V. 5-22 hinweisen (s.o.). Und wieso nach Markus von V. 23 aus „insbesondere die Anweisung zur Flucht (sc. nach Pella)" (ebd. 297) Aufmerksamkeit verdient, ist unerfindlich und von der Gattungsbezogenheit von V. 23 her gerade nicht begründbar.

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

allem Tempelzerstörung und Fall Jerusalems, noch in frischer Erinnerung, ja außerordentlich nahe - die hinter der Exposition V. 3 f. stehende Problematik belegt das. So müssen auch ursprünglicher Sinn und Zusammenhang der Weissagung als bekannt vorausgesetzt werden. Daß diese Weissagung nach der Tempelzerstörung einer völligen Umdeutung unterzogen wurde, darf schon angesichts dieser Sachlage als ausgeschlossen gelten. Und wer sollte bei solch frischer Erinnerung der gerade erst vergangenen Ereignisse die Vv. 14-20 als Umdeutung auf den Antichrist begreifen können? Desgleichen darf man bezweifeln, ob es für die Adressaten unter den genannten Voraussetzungen naheliegen konnte, die Schreckensereignisse in Jerusalem nun in V. 7 f. statt in V. 14-20 wahrzunehmen. Die in den Vv. 14 c. 15 f. 17. 18 und 20 beibehaltenen Bezüge auf das Geschehen in Jerusalem beziehungsweise in Judäa sind so unverwechselbar, daß sie - zumal bei der vorauszusetzenden zeitlichen Nähe und der frischen Erinnerung - schlechterdings nicht auf einen zukünftig wirkenden Antichrist bezogen werden konnten. Bestreiten darf man weiterhin, daß überhaupt ein ernsthafter Anlaß zur Umdeutung der Vorlage bestand. Das gegenüber dem neutrischen βδέλυγμα auffallende maskulinische έστηκότα - in der Vorlage auf den im Bild gegenwärtigen Kaiser bezogen - konnte im Rückblick auf die tatsächlichen Ereignisse ohne allzu große Schwierigkeit auf die römische Streitmacht oder noch besser auf die Person des Feldherrn T i tus bezogen werden 1 7 5 . Das war die nunmehr bekannte Weise, in der die Verwüstung des Tempels und das ganze Schreckensgeschehen in Jerusalem seinen Gang genommen hatte. Sieht man von der Art und Weise ab, in der nach der Weissagung der Vorlage das verwüstende Geschehen seinen Anfang nehmen sollte durch Entweihung des Tempels mittels des Kaiserbildes - , so konnten Markus und Gemeinde die Weissagung des urchristlichen Propheten (V. 14-20) durchaus als erfüllt betrachten. Da nun auch das tatsächliche Geschehen ohne allzu große Schwierigkeit mit der andeutenden Formulierung von V. 14 a zu verbinden war, lag nichts näher als von einer erfüllten Prophetie auszugehen. Die Gemeinde, welche diese Möglichkeit nicht lieber ergriffen hätte als das Eingeständnis des Scheiterns eines ihrer Propheten - diese Gemeinde müßte erst noch erfunden werden. Daß im Rückblick von den tatsächlichen Geschehnissen aus der Bezug der echten Weissagung V. 14-20 auf die Tempelzerstörung im 175 Vgl. zuletzt auch die Beurteilung von Lührmann, Zerstörung des Tempels 473 Anm. 70; zuvor die Erörterungen bei Pesch, Naherwartungen 139-144; den., Mk-Kommentar 291 f.

Exkurs: Zur A n t i c h r i s t - D e u t u n g in M k 13

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Jahre 70 n. Chr. das Nächstliegende war, belegt auf seine Weise im übrigen auch der erste Interpret des Markustextes: der Evangelist Lukas. In der pauschalen Deutung auf die Verwüstung Jerusalems (21,20) und vor allem in der theologischen Bewertung dessen als Zorngericht Gottes (V. 22. 23b-24) geht Lukas zwar neue Wege. Aber die Deutung auf die Jerusalemer Ereignisse im Jahre 70 n. Chr. als solche kann er unmöglich aus dem in Mk 13,14-20 angeblich vorliegenden Hinweis auf einen nach dem Jüdischen Krieg wirkenden nebulösen Antichrist entnommen haben 176 . Nein, Lukas hat im geschichtlichen Rückblick die in Mk 13,14-20 geschilderten Ereignisse durchaus richtig lokalisiert, in dieser Hinsicht nicht anders als Markus. Lukas hat die Geschehnisse aber anders interpretiert, als ihm das an der Zeit zu sein schien. Exkurs: Zur Antichrist-Deutung in Markus 13 Die Art und Weise, wie in der Kommentarliteratur und in Spezialarbeiten die Deutung von Mk 13,14-20 (22) auf den Antichrist vertreten wird, ist wenig erhellend. Was man erkennen kann, ist die gewiß imposante Kette der Ausleger, die diese Deutung vertreten oder besser behaupten. Eine solide Begründung fehlt. Begründungsversuche sind rar. Noch relativ ausführlich ist, was N. Walter zur Begründung der Hypothese beigetragen hat 177 . Er stützt die Deutung auf zwei Argumente. Erstens: Das βδέλυγμα „wird . . . personifiziert: der Antichrist in persona". Aber das ist auch nur eine Behauptung. Zu ihr ist das Nötige zuvor schon ausgeführt. Zweitens: Markus habe es „so deutlich wie möglich" gemacht, daß er in V. 14 nicht vom Tempel reden wolle. Er habe die ursprüngliche, in der Tat auf den Tempel gehende Daniel-Anspielung ,.entähnlicht". Aber diese Beweisführung beruht auf der sehr unwahrscheinlichen literarkritischen Voraussetzung, die Vorlage habe Ιερόν geboten und Markus habe in οπου ού δει abgeändert 178 . Eine Auseinandersetzung mit der Antichrist-Hypothese zu Markus 13 ist insofern schwierig, als eine klar faßbare Darlegung der vorausgesetzten Vorstellung eher verweigert wird. Die Hypothese lebt offensichtlich von einer im dunkeln gehaltenen, (halb-)mythischen Figur 179 . 176

Anders Vielhauer, Geschichte 101 Anm. 17. Tempelzerstörung 43. 178 Nichts anderes als solche Argumentation legen unter den jüngsten Arbeiten zu dieser Frage z.B. auch Hahn, Markus 13,255 („ein noch bevorstehendes rätselhaftes Geschehen, dessen genaue Erscheinungsform unbekannt ist") und Gnilka, Markus 194 f. (ein „zur Person gewordene(s) Scheusal, das sich an einem bewußt rätselhaft umschriebenen heiligen Ort unmißverständlich zu erkennen geben wird") zugrunde. Dagegen zuletzt Pesch, Mk-Kommentar 289; Lührmann, Zerstörung des Tempels 467. 473 bei Anm. 70. 179 Neben den Zitaten in Anm. 178 vgl. Walter, Tempelzerstörung 43: Die Epoche der συντέλεια sei „weit nach vorn, in eine halb mythische Zukunft gerückt". Vielhauer, Ge177

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Exkurs: Zur A n t i c h r i s t - D e u t u n g in M k 13

Aus dem gleichen Grund kann aber auch die vereinzelte Ablehnung der Antichrist-Hypothese nicht überzeugen. Denn der bloße Hinweis, Mk 13,14-18 spreche „nun einmal von Kriegsereignissen" 180 , befriedigt insofern noch nicht, als er vom gleichen Grundmuster ausgeht. Zu fragen ist, ob die beiderseits zugrundeliegende Voraussetzung richtig ist, nämlich die Alternative: mythische Gestalt oder reale, zeitgeschichtlich faßbare Ereignisse. Die Bezeichnung „Antichrist" taucht erst spät auf, und zwar in der deutlich umdeutenden Inanspruchnahme in l j o h 2,18. 22; 4,3; 2Joh 7. Aber das muß durchaus keine Historisierung einer mythischen Gestalt sein. Was die Texte erkennen lassen, ist zum einen die Umdeutung des Antichrist in den Lügner, den Irrlehrer sowie die Pluralisierung άντίχριστοι πολλοί. Zum anderen ist als Grundlage die Vorstellung sichtbar, in der Endzeit dieses Äons komme der Antichrist. Das weist natürlich zurück auf die apokalyptische Vorstellung vom endzeitlichen Gegenspieler Gottes oder seines Messias, eben des Endtyrannen, der am Ende dieses gegenwärtigen Äons wirken soll. 4Esr 5,6: „.. . und zur Herrschaft kommt, den die Erdenbewohner nicht erwarten". Das wird 4Esr 11 f. ausgeführt. Hier wie in Dan 7-12 und AssMos 8 f.; 10,8 ff. ist aber das Wahrscheinlichste, daß eine frühere zeitgeschichtlich faßbare Herrschergestalt als Endtyrann und Gegenspieler Gottes sowie seines Volkes in apokalyptischen Traditionen fortlebt und in neuen geschichtlichen Problemlagen im Rahmen apokalyptischen Denkens aktualisierend in Anspruch genommen wird. Analoges läßt sich im Urchristentum in Apk 13 und 17 beobachten. Die gleiche Art der Inanspruchnahme haben wir oben hinsichtlich der vormarkinischen Vorlage festgestellt 181 . Selbst in der Umdeutung im l j o h liegt noch eine konkrete geschichtliche Inanspruchnahme (nicht „Historisierung") vor. Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür, daß Markus mit diesem Verfahren zeitgeschichtlich-aktualisierender Inanspruchnahme gebrochen und auf eine - wie 2Thess 2 - zukünftig wirkende mythische Gestalt hin umgedeutet habe. Dagegen spricht allein schon die Standortbestimmung gemäß V. 23. Markus blickt nur auf das Geschehen bereits zurück. Daß Markus nicht auf den Antichrist deutet, geht auch daraus hervor, daß er selbst hart neben V. 14-20 die Überlieferung oder sogar die schichte 474, setzt ähnliches voraus, wenn er „die apokalyptische und mythische Gestalt" im l j o h und in Lk 21,20ff. (101 Anm. 17) „historisiert" sein läßt. Wie die traditionelle Exegese versteht Vielhauer Mk 13,14-20 von 2Thess 2 her und unterscheidet zwischen beiden Texten nur quantitativ (ebd. 505). 1,0 So Pesch, Naherwartungen 140; dem folgt Lührmann, Zerstörung des Tempels 473 Anm. 70. 181 Siehe im Abschnitt 4.4.2.

Der Standort des Markus

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eigene Formulierung von den vielen Pseudochristussen einbringt, ohne auch nur die leiseste Verbindung anzudeuten. Andererseits sind so bei ihm jene Stoffe nebeneinander gerückt, die in der weiteren Entwicklung zum Motivkomplex des Antichrist zusammenwuchsen. Was von diesem Motivkomplex in der Vorlage sowie bei Markus noch fehlt, ist vor allem auch die wechselseitige Gegenspielerschaft, bei dem auch der Messias als Endzeitkämpfer in Aktion tritt. Eine zweite Konsequenz aus den Beobachtungen zu V. 23 betrifft den Aufbau des ersten Hauptteils von Markus 13 und die Geschichtsanschauung des Markus. Im ersten Teil des Schulgesprächs (V. 5-27) hat Markus zwar grundsätzlich den Geschichtsaufriß der Vorlage übernommen. Auch er gliedert das ganze Geschehen in drei Etappen, wobei die ersten beiden dem Endgeschehen dieses noch kurze Zeit bestehenden gegenwärtigen Äons zugehören, die letzte hingegen die Heilswende bringt. Aber durch die Standortverlagerüng von der Vorlage (vor V. 14) zum Markusaufriß (nach V. 22) hat eine andere Gewichtung stattgefunden. Der Einschnitt vor V. 24 wird von Markus durch den redaktionellen Einschub in V. 24 - „nach jener Drangsal" - und vor allem durch V. 23 erheblich verstärkt. Der zuvor in der Vorlage durch den Standort ihres Verfassers vor V. 14 gegebene Einschnitt verliert praktisch seine Bedeutung 182 . Das bedeutet nun aber nicht, daß die Vv. 5-22 gänzlich zur Vergangenheit werden. Das gilt anscheinend nur von den Partien der vormarkinischen Vorlage, also hinsichtlich der berichtenden Stücke V. 7 f. und V. 14-20. Daß nicht das Ganze zur Vergangenheit wird, dieses eigenartige Phänomen bringt offensichtlich die von V. 23 her rückwärts das Ganze überlagernde Testamentsperspektive zu Wege. Was sie einschärft, gilt ja gattungsgemäß der noch andauernden Gegenwart der Gemeinde. Darauf wird später (s. 5.3) zurückzukommen sein. Insgesamt sind damit die Unterschiede in der Geschichtsanschauung der Vorlage und des Markus zwar deutlich, aber doch nicht grundstürzend. Für die Vorlage Schloß dieser Äon mit der um die Jerusalemer Ereignisse entstehenden großen Drangsal ab. Für Markus geht die Geschichte noch eine kurze Weile weiter, maximal um eine Generation (V. 30). Die Drangsalszeit des Endgeschehens ist nicht vorbei; Markus scheint sie aber nun in anderem begründet zu sehen, wenn der testamentarische V. 23 im Verein mit den Leitsignalen der Einschübe (βλέπετε) eine gattungsgemäße Funktion haben soll. 182 Zum Kontrast vgl. Hahn, Markus 13,256: „Die Struktur der Rede ist also wie in der Vorlage durch die Zäsur in V. 14 entscheidend bestimmt."

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Instruktiv ist andererseits ein Vergleich mit Lukas. Anders als er beläßt Markus die Schreckensereignisse des Jüdischen Krieges (V. 7 f.) und die Drangsal der Jerusalemer Ereignisse (V. 14-20) innerhalb des Endzeitgeschehens dieses Äons (V. 5-23). Markus nimmt also keine grundsätzlich andere Epochengliederung vor als Lukas 183 . Die Akzente, die Markus setzt, sind anderer Art, aber als solche von Zeit und Geschichte herausgefordert: erstens die Kennzeichnung der noch verbleibenden kurzen Weltzeit als Endzeit von Verfolgung und Verführung; zweitens die sowohl zeitlich als auch sachlich bedeutsame Unterscheidung von Tempelzerstörung und entscheidendem „Zeichen" der Zeit. Dem letzten Gesichtspunkt ist der nächste Abschnitt (5.2), dem ersten der übernächste (5.3) gewidmet. Zuvor sei noch kurz auf eine dritte Konsequenz der vorgetragenen Auslegung von V. 23 hingewiesen. Sieht man V. 5-22 von V. 23 her geprägt, gewinnen einige Beobachtungen der neueren Exegese zu V. 3 f. für die Frage nach dem Standort des Markus Uberzeugungskraft - freilich erst auf diese Weise. In der älteren Auslegung war man zumeist davon ausgegangen, daß die beiden Fragen in V. 4 in der Sache zusammenfallen, „nur formell . . . doppelte" Fragen sind 184 . Aber das ist schon angesichts der Differenz zwischen dem ταΰτα der ersten und dem umfassenderen ταϋτα πάντα der zweiten Frage eine wenig befriedigende Annahme. Entscheidend gegen diese Annahme sprechen die zuvor dargelegten Beobachtungen zu V. 23. Damit wird jene Auffassung bestätigt, die in den beiden Fragen eine von Markus bewußt aufgerissene Differenz wahrgenommen hat 1 ' 5 . 183 Insofern erscheint Conzelmanns Feststellung (Geschichte 215) mißverständlich, falls nicht gar verfehlt, wenn er gegen Marxsens „zeitgeschichtliche Interpretation" geltend macht: „Er (sc. Markus) verfolgt nicht ein aktuelles Programm, sondern sucht eine grundsätzliche Lösung der eschatologischen Problematik" (Hervorhebung im Original). Conzelmann kommt durch systematische Konstruktion zu diesem Ergebnis, und zwar von der Christologie her. Aber ändert sich die Christologie von der Vorlage zu Markus, und wenn ja: tut sie das grundsätzlich? Die bisherigen Beobachtungen der vorliegenden Untersuchung ergaben, daß sich das Verhältnis des Markus zur Geschichte nicht primär von der Christologie her ändert, sondern durch die weiter verlaufende Geschichte dieser Weltzeit. Dem stellt sich Markus, offensichtlich aus Sorge um die Gemeinde in der Zeit. 184 So z.B. Klostermann, Markus z.St. Auch Gräßer, Parusieverzögerung 155, vertrat die Meinung, „daß für Markus Tempelzerstörung und Weltende zusammengehören". Dabei weiß er sich einig mit Schlatter, Markus 239, für den ebenfalls die Beseitigung des Tempels ein Ereignis ist, „mit dem das Ende dieser Zeit, die συντέλεια τοϋ αιώνος, zusammenfällt". 185 So zunächst vor allem Conzelmann, Geschichte 215, und zwar in Weiterführung einer Beobachtung von Marxsen, Evangelist 119: Markus bringe „das Verhältnis von Zerstörung des Tempels und Ende in eine eigenartige Schwebe". Aufgenommen und weitergeführt bei Walter, Tempelzerstörung 41 ff. (aber mit der Antichrist-Hypothek belastet), vor allem bei Pesch, Naherwartungen 104 f.

Die leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben

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Wenn nun die Auslegung von V. 23 gezeigt hat, daß Markus nach Abschluß des Jüdischen Krieges geschrieben hat und sein Standort im Textverlauf nach V. 14-20 liegt, also die Tempelzerstörung als vorläufig letztes Ereignis der Geschichte akzentuiert wird, so wird folgender Schluß unausweichlich: Das Apophthegma über die Tempelzerstörung bringt Markus als Exposition für die Leitfragen V. 4 ein, gerade weil die Tempelzerstörung bereits geschehen ist. Der eigentliche Grund aber ist darin zu suchen, daß mit der erfolgten Tempelzerstörung ein aktuelles Problem in der Gemeinde gegeben war. Dem trägt der Evangelist in den zusammengeordneten beiden Fragen Rechnung, indem er darin zugleich eine Spannung aufbaut, die im ersten Teil des Lehrgesprächs zu einer vorläufigen Lösung gebracht wird. Worin die Problemlage besteht und wie Markus zur Lösung schreitet, das ist nun im nächsten Abschnitt zu untersuchen.

5.2 Die leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben Apokalyptische Texte sind keineswegs, wie immer wieder vorausgesetzt wird, aus dem Interesse an wunderlichen Vorstellungen, Spekulationen und Zeitberechnungen entstanden. Sie sehen sich herausgefordert durch eine akute, schwerwiegende Krisensituation, die den gegenwärtigen Lebensraum der zugehörigen Gruppe bedroht. Da sie dabei von der gegenwärtig herrschenden Welt und dem davon bestimmten Denken und Handeln keine Lösung mehr erwarten, sind die Sprachformen, in denen sie ihre Botschaft vermitteln, durchweg vom Impuls, Offenbarung aus der am Ende sich durchsetzenden Welt Gottes zu bringen, überformt. Die Problemlage wird häufig in bewegter Klage vorgebracht. Ein Ausdrucksmittel solchen Selbstverständnisses ist selbst noch im Schulgespräch, das Markus 13 prägt, die verwandte, drängende Wann-Frage (zweimaliges ό τ α ν V. 4) und die nicht weniger aus der Bedrängnis kommende Frage nach dem die Wende anzeigenden „Zeichen". „Apokalyptisch" an diesem Schul- oder Lehrgespräch ist schon, daß der Lehrer, von dem die bedrängten Schüler die Lösung ihres Problems erbitten, als in die himmlischen Geheimnisse des Endzeitgeschehens eingeweiht gilt. In dieser Weise agiert er in Markus 13 von Anfang bis Ende. Der Geschehensraum des Problems ist im vorausgehenden Abschnitt (5.1) abgesteckt worden. Die entscheidende Grundlage f ü r die weitere Auslegung ist nun, zu ermitteln, welche Krisenlage Markus in seinem Lebenskreis im einzelnen voraussetzt, wie er sie wahrnimmt und wie er ihr zu begegnen versucht.

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Durchmustert man die neuere Exegese 186 unter dieser Fragestellung, drängt sich ein beherrschender Gesamteindruck auf. Die Kunst der Exegese besteht offenbar darin, die schon allein in den Leitfragen V. 4 offenkundigen apokalyptischen Sprachformen beharrlich und unwillig als untergeordnet oder unwesentlich aus der weiteren Erörterung auszuschließen - geschweige, die das Ganze prägende Gattung des apokalyptischen Schul- oder Lehrgesprächs wahrzunehmen. Solcher Ansatz ist so konsequent durchgehalten worden, daß man gar nicht erwogen hat, von der Gattung der Leitfragen aus auf die Problemlage und die Funktion der Aussagen zurückzuschließen, wozu die sogenannte Formgeschichte die methodischen Möglichkeiten erschlossen hatte. Im einzelnen läßt sich das traditionelle exegetische Verfahren mit seinen Schlußfolgerungen in folgende Schritte aufschlüsseln. 1. Am Beginn steht die Erkenntnis einer Spannung, einer eigenartigen Differenz zwischen den beiden Fragen in V. 4. Darin sieht man ein aktuelles Problem der Gemeinde des Markus gespiegelt, das er lösen will. 2. Beim Versuch des Rückschlusses auf dieses Problem wird die Szenerie V. 3 f. mit ihren typisch apokalyptischen Fragen sogleich abgeblendet. Die Fragen dienen nur als hurtig zu verlassendes Sprungbrett, von dem aus der Exeget das eigentliche Thema, das wahre Textinteresse - nun wirklich durch einen Sprung zu erreichen versucht. 3. Begründet wird solcher Sprung weniger von der Gattung her, als von der Thematik, vom wahren oder vorherrschenden Interesse und vom beherrschenden Anliegen. Anlaß ist der überraschende Einsatz der Antwort V. 5 b auf die Fragen V. 4. Am Anfang einer sich darauf rückbeziehenden Kette von Auslegungen steht die Feststellung: Sofort im ersten Satz (V. 5) schlage die apokalyptische Rede „ihr eigentliches Thema an, das sie als ganzes durchzieht und Ziel und Zweck bestimmt: βλέπετε μή τις ύμάς πλανήση". Und weiter: „Sie (sc. solche Ermahnungen) bestimmen ihr wahres Interesse: nicht apokalyptische Belehrung, sondern (!) paränetische Weisung will sie geben." 187 Wenig später sieht das so aus: „Das vorherrschende Interesse liegt nicht, wie die Frage vermuten lassen könnte (!), bei der apokalyptischen Darstellung, sondern (!) bei der richtigen 1,6 Im Folgenden beziehe ich mich auf die deutschsprachige Auslegung etwa der letzten 25 Jahre. Einzelexegetisch ist daran manches neu. Wesentliche Grundeinstellungen werden aber aus der älteren Exegese übernommen. Die Alternative, ob der Text apokalyptisch oder paränetisch orientiert sei, ist ζ. B. auch in der älteren angelsächsischen Kommentierung verbreitet. 187 So Gräßer, Parusieverzögerung 156, Hervorhebungen im Original. Damit wird eine verbreitete ältere Grundeinstellung übernommen; vgl. oben Anm. 5. In diesen Bahnen auch Grundmann, Markus 356 (Pesch wird zitiert); Schweizer, Markus 147; Gnilka, Markus 186: „Nicht eschatologische Neugier soll die Adressaten beherrschen, sondern (!) eschatologische Wachsamkeit".

Die leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben

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Einstellung auf das Kommende, also bei der eschatologischen Paränese." 188 Eine weitere Variante der Auslegung, die Rede sei „von einem paränetischen Anliegen beherrscht", ist die Folgerung, sie rücke damit in die Nähe der Testamente und unter anderem darum sei die Kennzeichnung Apokalypse unzutreffend 189. Schließlich geht das die Markuskomposition prägende Gattungs- oder Strukturmerkmal gänzlich unter, wenn behauptet wird, die Szene V. 3 f. sei als „Einleitung" der „Redekomposition" nur ein „Teil" der „eschatologischen Paränese Mkl3" 1 9 0 .

4. Die Markus 13 zugrundeliegende Problemsituation wird dann freilich nicht in den paränetischen Weisungen insgesamt gesucht, sondern vornehmlich in einem Teilbereich der paränetischen Einschübe in die Vv. 5-23. Basis sind vor allem die Vv. 5 b - 6 und 21 f. Die Aussagen der Pseudopropheten, die im Namen Christi kommen und sagen „Ich bin's", „Siehe hier ist der Christus, siehe dort" und dabei „Zeichen und Wunder" tun, werden so verstanden: Es handle sich um in der Gemeinde tätige, Unruhe stiftende christliche Irrlehrer. Nach der Tempelzerstörung hätten sie die Parole verkündet, das sei das Zeichen für das unmittelbar bevorstehende Weltende und die Parusie. Leitbild dieser Deutung ist, bewußt oder unbewußt, 2Thess 2,1-12; teilweise bezieht man sich ausdrücklich darauf als (gewisse) Parallele. Gelegentlich wird sogar M k l 3 , 7 damit interpretiert 191 . Insgesamt wird die Problemsituation also als ein durch Irrlehrer hervorgerufenes apokalyptisches Schwärmertum mit akuter Naherwartung verstanden oder als urchristlicher Enthusiasmus, für den das Ende bereits da ist 192 . 5. Für die Absicht, die Markus in der so verstandenen Problemsituation verfolgt, sind folgende Kennzeichnungen charakteristisch: 18 * So Conzelmann, Geschichte 214 (1959). Ebd.·. „Man fragt nach dem Zeitpunkt und wird belehrt, daß der ,Tag' k o m m e wie der Dieb in der Nacht. Erst unter diesem Vorzeichen wird dann auch apokalyptische Belehrung gegeben." Das ist eine sehr freie Auslegung, die dem Textverlauf in dieser Weise nicht entspricht. Will man sie f ü r die Abfolge von V. 3 f. nach V. 5 f. hin gelten lassen, so stellen sie doch den Textverlauf von V. 28-36 auf den Kopf. 189 So Walter, Tempelzerstörung 40 (1966). Die Beobachtung zur Gattung Testament ist teilweise richtig. Doch wäre sie anders zu begründen (s. 5.1), und jedenfalls ist das alternative Ausspielen von Testament und Apokalypse verfehlt (s. ebd. und oben bei Anm. 9). 1.0 Pesch, Naherwartungen 105 (196). 1.1 Siehe oben bei Anm. 47 und 48. 1.2 Für die in Ziffer 4 zusammengefaßte Hypothese kann man etwa folgende Kette in der neueren Auslegungsgeschichte beobachten: Gräßer, Parusieverzögerung 157. 169; Conzelmann, Geschichte 214 f.; Walter, Tempelzerstörung 40. 44; Pesch, Naherwartungen 104 f.; ders., M k - K o m m e n t a r 267. 272. 276f.; Grundmann 351 f.; Haenchen, Weg Jesu 440 f.: gleicher Rückschluß von V. 5 f. 7 auf das Problem in V. 3 f., „allzu kurzfristige N a h e r w a r t u n g " (im übrigen abweichende, eigenwillige Konzeption, s.o. Anm. 108); Schweizer, M a r k u s 147; Hahn, M a r k u s 13,259. 261 (nur kurz); Gnilka, Markus 183. 187; Lührmann, Zerstörung des Tempels 467 f.

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

„Korrektur der(!) urchristlichen Naherwartung im Sinne des Aufschubs", mit der Periodisierung (V. 7 fin. 8 fin. 10) werde „bewußt gegen die Meinung polemisiert . . ., das Ende sei da" 193 ; „Korrektur umlaufender eschatologischer Irrlehre", „kritische Abwehr" von „zeitgeschichtlich-apokalyptischer Spekulation" 194 . „Die Vorstellung, die eschatologische Irrlehre, der apokalyptische Schwärm von der Verbindung von Tempelzerstörung und Endvollendung, wie sie in der Gemeinde des Evangelisten angesichts der erfolgten Tempelzerstörung verbreitet werden, soll überwunden werden." 1,5 Die Funktion von Markus 13 wird gesehen in „Bestreitung", in „Abwehr von . . . Verführern und Pseudopropheten" und „deren Parolen". Sie sind „Gegner" des Markus. Markus „setzt dabei seine Christologie gegen eine an den Kriegsereignissen entzündete Naherwartung" 196 . In der Tat enthält die zusammengehörige Doppelfrage V. 4 in sich zugleich eine eigenartige Spannung, eine Differenz bei gleichartiger Fragerichtung und Frageform. Da Markus wie die Gemeinde auf die erfolgte Tempelzerstörung zurückblicken, muß die nun doppelt anachronistische Frage nach dem - inzwischen längst bekannten - Termin der Tempelzerstörung mit dem in der Gemeinde entstandenen Problem zusammenhängen 197 . Aber muß man dieses Problem notwendig mit einer akuten, unmittelbaren oder schwärmerischen AWierwartung zusammenbringen? Gibt es nicht zumindest auch eine andere, vielleicht sogar eine viel näherliegende Möglichkeit? Daß das nicht einmal erwogen wird, hängt mit dem problematischen Vorgehen zusammen, die übergreifende Gattung des Schulgesprächs und speziell die Gattungselemente in V. 4, also die nächstliegenden und verläßlichsten Rückschlußmöglichkeiten, nicht zu nutzen oder erst gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Statt dessen wird in den Textbereich der paränetischen Einschübe hinübergesprungen und vorschnell behauptet, diese Thematik beherrsche das Ganze. Aber auf solche Weise sollte man das Sachanliegen nicht gegen die übergreifende Sprachform 1,5 So Gräßer, Parusieverzögerung 157. 169. In dieser Art wird der „Enthusiasmus" auch bei Schweizer, Markus 147, verstanden, ebenso bei Gnilka, Markus 187: Die Verführer gäben unter Berufung auf Jesus vor, „daß das endzeitliche Heil schon präsent ist". 1.4 So Conzelmann, Geschichte 214 ff.; von Grundmann, Markus 351, im Zitat aufgenommen. Vgl. Walter, Tempelzerstörung 44, der zunächst die zeitgeschichtliche Situation noch etwas offenhält: Markus „korrigiert . . . die Erwartung des Flugblattes, das ja - zumindest auch - die Gemüter von Christen erregte, indem es die schon vor dem August des Jahres 70 absehbare Schändung des Tempels apokalyptisch als Auftakt der Endzeit deutete". 1.5 So Pesch, Naherwartungen 104; gleichbleibend im Mk-Kommentar 267. 272; ähnlich Gnilka, Markus 183. 186. 1.6 So Lührmann, Zerstörung des Tempels 468. 1.7 Siehe oben 5.1 am Ende.

Die leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben

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des Textes geltend machen. Schon von der Thematik her ist solches Verfahren anfechtbar, vor allem aber von den Beobachtungen zur Gattung und Struktur des Textes aus 198 . Der Ubergang von den Schülerfragen (V. 4) zur Lehrantwort in V. 5b ist gewiß höchst überraschend. Diese kritische Wendung innerhalb des Schulgesprächs, der die parallelen, leitenden Bemerkungen V. 9 a und 23 a entsprechen, wird noch genauer zu bedenken sein (s. 5.3). Das in den einzelnen Kommentierungen mehr oder weniger starke alternative Ausspielen von eschatologischer Paränese und apokalyptischer Belehrung oder Apokalyptik überhaupt ist grundsätzlich verfehlt. Auch von der apokalyptischen Literatur des Frühjudentums aus läßt sich solche beliebte, aber tendenziöse Beurteilung nicht länger halten 199 . Bei solcher Beurteilung wird nicht nur ein verzerrtes Bild der Apokalyptik weitergereicht, man macht sich auch die nötige Auseinandersetzung mit dieser theologischen Strömung reichlich bequem. Die Paränese ist nicht nur im allgemeinen fester Bestandteil apokalyptischer Theologie. In der Apokalyptik findet sich auch ein in manchem vergleichbares kritisches Bemühen, die Adressaten aus Fehleinstellungen herauszuholen 200 . Schon dieser Sachverhalt läßt es nicht geraten erscheinen, in Markus 13 aufgrund der paränetischen Einschübe und der Schlußparänese eine kritische Abwehr oder gar Polemik gegen apokalyptische Belehrung oder die Apokalyptik überhaupt zu postulieren. Vom methodischen Vorgehen ganz abgesehen ist auch fraglich, ob die paränetischen Textpartien - vor allem V. 5 f. 21 f., teilweise V. 7 die ihnen zugeschriebene Problemsituation, die dann für V. 3 f. und Mk 13 insgesamt vorausgesetzt wird, wirklich spiegeln. Von den Aussagen in V. 7, die überdies nicht der markinischen Redaktion zugehören, darf man gewiß nicht auf ein apokalyptisches Schwärmertum zurückschließen 201 . Die Vv. 5f. 21 f. deuten nichts hinsichtlich falscher Lehre an. Trotz der Wendung „kommen in meinem Namen" (V. 6) gibt es keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Vermutung, es handle sich um christliche Propheten.

1.8

Anders auch Conzelmann, Geschichte 216: „Am A n f a n g derselben (sc. der Rede!) dominiert durchaus die kritische Abwehr. Sie bildet zusammen mit dem paränetischen Schluß die Klammer um den belehrenden Mittelteil." Aber das ist eine Behauptung, die sich literarisch nicht verifizieren läßt und Beobachtungen zur Gattung und Struktur nicht standhält. D a z u s . o . die Darlegungen in Kapitel 2. 1.9

D a z u s . o . die Ausführungen in Kapitel 1 und 2. Siehe im einzelnen etwa 4 E s r 4 , 3 3 - 3 7 ; darüber hinaus die Gesamtanlage des 4. Esrabuches, in dem u. a. die Absicht verfolgt wird, im Verein mit apokalyptischen Belehrungen zugleich auch höchst kritisch Fehlhaltungen abzubauen. Vgl. dazu Brandenburger, Verborgenheit passim. 201 D a z u s . o . bereits bei Anm. 47 und 48. 200

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Es wäre dafür auch erst der Nachweis zu führen, daß christliche Apokalyptiker behaupten, „ich bin (der Christus)" - zumal wenn sie angeblich verkünden, die Parusie des Herrn sei unmittelbar nahe. Daß für V. 3 f. die Parolen, das Ende sei da oder das eschatologische Heil sei präsent, die vorauszusetzende Situation nicht zutreffend beschreiben können, ergibt sich allein schon aus der Logik der Wann-Fragen (V. 4) als solcher. Ein Evangelist, der zur Uberwindung der Parole von der Gegenwart des Endes oder des Heils noch die anachronistischen Fragen nach dem Termin und dem Zeichen dafür als Leitfrage seiner Komposition vorausstellt, gäbe doch eine eher hilflose, ja klägliche Figur ab. Nicht gut bestreiten läßt sich, daß in nachfolgenden Generationen des Urchristentums - und auch später noch - immer wieder einmal schwärmerische Naherwartung auftrat. Es gibt aber keine verläßlichen Anhaltspunkte dafür, daß man eine Ergänzung wie Lk 21,8 (ό καιρός ήγγικεν) oder die Situation aus dem pseudepigraphen 2Thess (2,2 f.) bewußt oder unkontrolliert - im Anschluß an die ältere Exegese - in Mk 13,5 f. 21 f. eintragen darf. „Lügenprophet(en)" ist eine Kampfparole, die von jeder Seite aus und traditionell auch in den verschiedensten Zusammenhängen verwendbar war. Bleibt man mit dem Rekonstruktionsversuch zunächst, wie es geboten ist, innerhalb der in den Leitfragen angeschlagenen Thematik - also im Textbereich V. 3 f. mit zugehöriger positiver Behandlung in den Vv. 7 f. 14-20. 24-27 und 28-32 - fällt auf, wie vorsichtig Markus hier vorgeht. Er versucht behutsam zu überzeugen, läßt Einblick in die Geheimnisse des endzeitlichen Weges (des Geschichtsplanes) Gottes gewinnen (V. 7f. 14-20. 24-27), leitet zu eigenem Erkennen an (V. 28f.), beteuert und versichert hinsichtlich der Nähe(!) der Heilswende (V. 30 f.). Kennzeichnungen wie Bestreitung, Abwehr - von Naherwartung zumal - oder gar Polemik stimmen schlechterdings nicht zu diesem Bild. Auch von anderen, die Gemeinde verführenden Personen oder gar von Gegnern ist in diesem übergreifenden Textbereich nichts zu spüren. Die Jünger tragen ihrem Lehrer eine Doppelfrage vor. Was die Fragen spiegeln, ist die eigene Betroffenheit der Gemeinde. Nicht mehr. Das entspricht der Markus 13 übergreifenden Gattung: Es handelt sich eben um ein apokalyptisches Schulgespräch, nicht dagegen um ein Streitgespräch oder um einen Disput. Und selbst die kritisch-paränetischen Einschübe sind nicht disputativ charakterisiert. Sie enthalten eine von den Denkvoraussetzungen zumindest christlich-apokalyptischer Theologie aus selbst mögliche Kritik. Es geht aber nicht um eine grundsätzliche Kritik von einer außerhalb der apokalyptischen Theologie gelegenen Basis aus.

D i e leitende Szenerie und ihr Sitz im Leben

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In eine ähnliche Richtung weisen Erwägungen aufgrund der Feststellungen zum Standort des Verfassers der Vorlage und zu dem des Markus und seiner Gemeinde. Auch von dieser Voraussetzung aus ist es durchaus nicht schlüssig, die Differenz in den beiden Leitfragen (V. 4) ausschließlich mit der zugrundeliegenden Situation einer schwärmerischen Naherwartung zu verbinden. Zwar war die Vorlage im Rahmen des apokalyptischen Denkmusters vom Umschlag der äußersten Drangsal in die Heilswende, also nach Lage der Dinge von der Naherwartung durchdrungen 2 0 2 . Aber das war während der Schreckensereignisse, wo solche Naherwartung ihren Ort hat (vgl. Apk). Nach der erfolgten Tempelzerstörung, nach der Drangsal der Kriegsereignisse und - wohlgemerkt - nach dem Sieg der Endtyrannis ist, wenn die angesagte und sehnlichst erwartete Heilswende ausbleibt, eine andere Problemlage nicht nur gleicherweise denkbar, sondern als die normale Reaktion das Nächstliegende: Ernüchterung, bei positivem Verhältnis zur früheren Weissagung unruhiges, banges Warten. Die Weissagung der Vorlage und die Gemeinde, die mit dieser Weissagung oder mit ähnlichen Erwartungen vertraut war, hatte ihr Zeichen, das untrüglich die nahe Heilswende anzeigen sollte: den „Greuel der Verwüstung" mit anschließender Drangsal seitens der Endtyrannis der Weltmacht Rom. Nun konnte zwar die Weissagung des „Greuels der Verwüstung" im Endeffekt als erfüllt angesehen werden. Aber als Zeichen, als verläßliche Anzeige der nahen Heilswende hatte sie getrogen. Die Zeit war als nicht erfüllte darüber hinweggeschritten. Die Welterfahrung hatte der gespannten H o f f n u n g auf das Heil nicht entsprochen. Eine neue Problemlage war da. Nun ist das ebenjene typische Krisensituation, auf die in der apokalyptischen Literatur mehrfach reagiert wird. Die apokalyptischen Fragen nach dem Termin und den Zeichen haben hier ihren Sitz im Leben. Entsprechend sind sie bei akuter Naherwartung funktionslos, was man zum Beispiel an ihrem Fehlen in der Johannesoffenbarung beobachten kann 203. Mit dieser Beobachtung wird das ohnehin notwendige, aber bislang nicht angewendete methodische Vorgehen bestätigt, die Krisenlage, die in den Leitfragen und in ihrer Beantwortung vorausgesetzt ist, durch Rückschluß aus jener Gattung zu gewinnen, die diesen übergrei202 Yg[ 205

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(Jje Interpretation der Vorlage in Kapitel 4.

Angesichts des nahen Kommens Gottes bzw. seines Messias (vgl. Apk 1,1; 22,6. 10. 12. 20 u.ö.) gibt es mit Mk 13,4 vergleichbare Fragen hier nicht. Im Gegenteil, die solchen Fragen entsprechende Klage wird abgewiesen (5,5). Ein nur begrenzt vergleichbares Relikt ist lediglich die Frage „Wie lange ...?" seitens der bereits getöteten Blutzeugen, deren Geist-Selbste sich unter dem himmlischen Altar befinden (6,10). Zu beachten ist dabei auch die gegenüber 4 Esr 4,35 f. modifizierte Antwort (Übergabe des weißen Kleides; nur noch kurze Zeit).

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

fenden Textbereich prägt. Aber auch die Absicht des Markus ergibt sich analog aus jener Funktion, die ein apokalyptisches Schulgespräch in der Regel hat. Es wird darum in der vorliegenden Untersuchung nicht mehr vom Bild der geläufigen Auslegung ausgegangen. Nicht die schwärmerische Naherwartung beherrscht die Situation der Gemeinde. Markus hat sich eher mit den Folgeerscheinungen einer solchen Hoffnung auseinanderzusetzen, nachdem sie von der Zeit und damit von notwendigerweise widerständigen Welterfahrungen eingeholt wurde. Das apokalyptische Denkmuster, wie es - im Anschluß an Daniel und die späteren apokalyptischen Entwürfe - auch die markinische Vorlage bestimmte, ist von der Erfahrung der geschichtlichen Realität überrollt worden. Solche Konfrontation mit der Realität ist - unter weiterer Voraussetzung des apokalyptischen Denkvorgangs - jene krisenhaft erfahrene Weltlage, welche die typischen Wann- und Zeichen-Fragen aus sich heraussetzt. Wir werden noch sehen, wie auch die Vv. 28-32 nicht nur einen solchen Problemhorizont voraussetzen, sondern darauf auch gattungsgemäß eingehen. Man darf darum für die Intention von Markus 13 schwerlich folgern: „Seiner Gemeinde mußte Markus . . . die Erfahrung der sich dehnenden Zeit (Conzelmann) nahebringen." 204 Diese Erfahrung hat die Gemeinde gemacht, zumindest anfangsweise. Markus vermittelt nicht (widerständige) Welterfahrung - wie könnte er das auch tun? Die Aufgabe, die Markus vor sich sah und die Intention, die er in Markus 13 verfolgte, bedarf also einer Neubestimmung. Die doppelt gestaltete Leitfrage in V. 4 hat den Sinn, in fiktiver Rückdatierung einerseits in der ersten Frage eine gegenwärtige Problemlage aufzunehmen und andererseits in der zweiten Frage behutsam den Weg für eine Lösung dieser Problemlage zu bahnen. Ob diese Lösung dann wieder einfach in traditionellen Bahnen verläuft oder eine Neuorientierung erfährt, das entscheidet sich daran, worin man das entscheidende Zeichen sieht, auf das Markus hinführen will. Damit ist das Thema für den nächsten Abschnitt gegeben (5.2.1). Schon hier aber soll nicht unerwähnt bleiben, daß Markus auch noch eine andere Gefährdung der Gemeinde sieht. Wie er darauf reagiert, das wird Thema des Abschnitts über die paränetischen Einschübe sein (5.3). 204

So Walter, Tempelzerstörung 44.

Schulgespräch Α: Geschichtsabriß und Eschaton V. 5-27

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5.2.1 Die Leitfragen des Schulgesprächs (V. 3 f.) und ihre Beantwortung in V. 5-27 Die Eröffnung von Schul- oder Lehrgesprächen durch Fragen der Schüler an den Lehrer ist ganz allgemein ein Element dieser Sprachform 205 . Wichtiger ist, daß die Fragen V. 4 nach Form und Thematik speziell dem apokalyptischen Lehrgespräch zugehören, für das die Eröffnung durch Schülerfragen ebenfalls typisch ist 206 . Auch Doppelfragen im Rahmen der Termin- oder Zeichenthematik sind üblich 207 . Eine Besonderheit der markinischen Doppelfrage besteht freilich in der eigenartigen Spannung der zusammengehörigen beiden Fragen. Sie ist veranlaßt durch die spezielle Problemlage, die Markus hier literarisch geschickt eingebracht hat 208 . Gleichwohl ist die gattungsgemäße Funktion der eröffnenden Fragen erhalten geblieben: Die Fragen nach dem Termin (πότε . . . εσται) und nach dem Zeichen des Endes (τί τό σημεΐον όταν . . . συντελεΐσθαι) geben die das Ganze des Schulgesprächs leitende Thematik an, die durch eine typische Krisenlage ausgelöst wurde (s. 5.2). Diese eröffenenden Schulfragen sind darum in dieser Studie als Leitfragen bezeichnet worden. Der Bezug der ersten Frage „Wann wird das sein?" ist klar und nicht umstritten. Da sich ταϋτα auf das Nächstliegende zurückbezieht, kann nur gemeint sein: Wann werden die eben erwähnten Dinge geschehen? Zu welchem Zeitpunkt ereignet sich die Erfüllung der geweissagten Tempelzerstörung? Aber das ist in der jetzigen markinischen Komposition eine noch zu vordergründige Sinnbestimmung. Die eigentliche, weitergreifende Intention dieser ersten Frage, die Markus die Jünger literarisch-fiktiv stellen läßt, ergibt sich erst im Zusammenhang mit der zweiten Frage und dem apokalyptischen Schulgespräch insgesamt. Denn die Vv. 1 f. sind literarische Exposition dazu-, und die zunächst auf die Tempelzerstörung bezogene Frage muß natürlich als Leitfrage der folgenden apokalyptischen Lehreinheit begriffen werden. Bezug und Sinn der zweiten Frage sind umstritten - unter den Exegeten. Man darf daraus nicht schließen, sie sei von Haus aus schwierig oder undurchsichtig. Im Kommunikationsgeflecht der ursprünglichen 205

Vgl. das Material bei Bultmann, Tradition 20-24 bzw. 26 und die Besprechung

56-58. 206 Vgl. 4Esr 3,28-35 (in dieser Form am Ende von Eingangsklagen eine Besonderheit des 4Esr); 4,6. 22-25. 33. 39. 44. 51; 5,35. 41. 50 u.ö. 207 Vgl. Dan 8,13; 4 Esr 4,33. 51; aufgenommen 8,63. 208 Dazu vgl. bereits oben 5.1 und 5.2 jeweils gegen Ende. Das wird hier vorausgesetzt und im folgenden durch die Analyse des Gegenübers von ταϋτα (Frage 1) und ταϋτα πάντα (Frage 2) sowie des Sinnes und Bezuges der zweiten Frage fortgeführt und genauer begründet.

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Adressaten war der Sinn der Frage klar. Sie kannten den Problemhorizont und waren fähig, auch die feinen Nuancen in der Spannung der beiden Fragen sofort zu erfassen. Schwierigkeiten hat nur der moderne Exeget, zumal wenn er - aus teilweise durchaus verständlichen theologischen Vorbehalten - durch ein gebrochenes Verhältnis zur Apokalyptik geprägt ist. Die zweite Frage scheint nur auf das Zeichen zu gehen. Aber das täuscht. Die erste Frage nach dem Termin der Tempelzerstörung ist im Horizont des Problems zugleich die Frage nach der Tempelzerstörung als Zeichen für das Ende. Die zweite Frage nach dem Zeichen hat zugleich ausdrücklich eine zeitliche Komponente (όταν . . .). Gefragt wird nach dem Zeichen für den Zeitpunkt, an dem „dies alles" gerade dabei ist, abgeschlossen zu werden 2 0 9 . Der Zusammenhang zwischen Zeichen und Zeitpunkt ist in dieser verschränkten Formulierung besonders eng. Das zeigt: Nach dem Verständnis des Markus, das hier aus der Schülerfrage spricht, wird das Zeichen im allerletzten Moment dieses Äons erscheinen, wenn aus der Sicht Gottes die Zeiten dieser Welt voll sind und darum diese Weltzeit eben jetzt zum Abschluß gebracht werden muß. Im Rahmen solchen apokalyptischen Denkvorgangs ist auch die viel verhandelte Wendung ταΰτα πάντα zu verstehen, wie jetzt noch etwas genauer zu begründen ist. Zunächst ist diese Wendung, wie die erste Frage, im Anschluß an die von der Markus-Komposition vorausgestellte Exposition formuliert. Das bedeutet: Auch das ταϋτα der zweiten Frage bezieht sich auf die geweissagte Tempelzerstörung zurück; rein philologisch gibt es keine andere Wahl. Aber die zweite Frage ist schillernd formuliert, sie hat eine erheblich größere Spannbreite als die erste. Das legt schon das weit ausgreifende πάντα nahe. Es muß erheblich mehr umfassen als nur den Vorgang der Tempelzerstörung. Das Daniel-Kolorit der Formulierung bestätigt das. 2 0 9 μ ε λ λ ε ι ν mit Infinitiv des Präsens = im Begriff stehen, eben dabei sein; vgl. Bauer, Wh. s. v. 1 c (das „beginnt" in Bauers eigener U b e r s e t z u n g ist eingetragen). σ υ ν τ ε λ έ ω kann an sich zweierlei bedeuten: 1. vollenden, zu E n d e bringen, abschließen, 2. ausführen, erfüllen, wobei σ υ ν τ ε λ ε ϊ σ Ο α ι auch einfach „ g e s c h e h e n " meinen kann. Bauer, Wb. s.v., hat das belegt und überträgt „wenn dies alles sich vollziehen soll"; die Wahl der B e d e u t u n g läßt er o f f e n . D i e f ü r M k 13,4 in F r a g e k o m m e n d e W o r t b e d e u t u n g ist bestimmt 1. durch den Anschluß an K o n t e x t und Formulierung in D a n 1 2 , 6 f . L X X : σ υ ν τ έ λ ε ι α V. 6 und σ υ ν τ ε λ ε σ θ ή σ ε τ α ι π ά ν τ α τ α ϋ τ α ( ! ) V. 7; 2. durch d a s S i n n g e f ü g e des apokalyptischen Schulgesprächs (und nicht allein durch V . 1 f., s . o . ) ; 3. durch den z u g e h ö r i g e n apokalyptischen M o t i v k o m p l e x im allgemeinen: G o t t bringt den alten Ä o n zu seinem Ende, schließt ihn ab; er vollendet die Zeiten oder (Zeit-)Welten (Belege s. u.) U b e r s e t z u n g : „wenn dies alles g e r a d e zum E n d e / z u m Abschluß k o m m t " oder „wenn dies alles dabei ist, vollendet/zum Abschluß gebracht zu werden (sc. von G o t t ) " .

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In die gleiche Richtung weist das Nebeneinander der beiden Fragen, wenn man sie - wie es geboten ist - nicht so sehr als Fortsetzung von V. 1 f., sondern als literarisch konzipierte Eröffnung des apokalyptischen Schulgesprächs betrachtet. Dann wird auch die Spannung und die Konkurrenz beider Fragen deutlich. Schon die Terminfrage (Frage 1) hatte die Tempelzerstörung als Zeichen für das Ende im Visier wie analog in der Vorlage der „Greuel der Verwüstung" samt großer Drangsal die nahe Heilswende anzeigte. Die Zeichen-Frage stellt also die richtige Frage behutsam daneben. Das ist für jeden klar, der weiß, was das Zeichen im apokalyptischen Sprachraum ist und was es nicht sein kann: Die Tempelzerstörung kann als Zeichen verstanden werden; aber nicht sie braucht ein Zeichen - wie man bei parallelem Verständnis von Frage 1 und 2 voraussetzen muß - , sondern die Wende der Äonen wird durch Zeichen angezeigt. Vor allem zeigt uns der Standort des Markus nach der geschehenen Tempelzerstörung, daß die Gemeinde in ebendieser Lage die in die Leitfragen eingebaute Spannung begreifen mußte. Sie konnte nun sehen, wie die Frage nach dem Zeichen im esoterischen Jüngerkreis richtig gestellt wurde. Und sie wurde so zur nötigen Unterscheidung geführt: Eines ist der Termin der Tempelzerstörung, ein anderes ist das davon zu unterscheidende, entscheidende Zeichen, welches das Ende der Weltzeit untrüglich anzeigt. Die zweite Frage ist also die entscheidende Leitfrage, zu der Markus seine Adressaten hinüberziehen will. Zu beachten ist aber, wie in dem schillernden „dies alles" das Geschehen der Tempelzerstörung aufgenommen, zugleich aber von einer umfassenderen und auch anderen Sicht der Schreckensereignisse im Endgeschehen dieses vergehenden Äons übergriffen wird. Damit hat Markus die Tempelzerstörung durch Jesus als apokalyptischen Lehrer richtig in das Geheimnis der Zeiten einordnen lassen und so schon hier - und nicht erst und nur in V. 5 b jene Sicht, welche die jetzige Krisenlage der Gemeinde auslöste, behutsam zurechtgerückt. Will man konkret wissen, was Markus in jenem „alles" eingeschlossen sieht, erhält man die Antwort im ersten Teil des Lehrgesprächs, dem die Leitfrage zugehört, und zwar genauerhin in den beiden Etappen des zum Abschluß kommenden Äons (V. 5-23). Markus blickt also insofern auch schon voraus auf jene Schreckensereignisse, Versuchungen und Drangsale, in denen er die Gemeinde nach V. 5b-22 stehen sieht. Darauf wird von hinten her in der testamentarischen Schlußbemerkung V. 23 in anderem Sinne, speziell auf das Verhalten in den Versuchungen und Verfolgungsleiden bezogen, aber gleichfalls mit umfassendem „alles" zurückgeblickt. Das Denken, in dem Markus die Leitfrage V. 4 stellt, ist die apokalyptische Konzeption von der durch Gott gemessenen und so von Gottes weltordnendem Walten gehaltenen Zeit.

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion „Denn er hat die Welten auf der Waage gewogen, er hat die Zeiten mit dem Maß gemessen, hat die Zeitläufte nach der Zahl gezählt. Er wird sie nicht stören und wird sie nicht wecken, bis erfüllt sein wird das bestimmte Maß."

(4 Esr 4,36 f.)

Aus solchem Grundgedanken ist zu verstehen, daß Jesus als apokalyptischer Lehrer, der im Sinne des esoterischen Lehrgesprächs in das „Geheimnis der Zeiten" (4 Esr 14,5 ff.) eingeweiht gilt, nach dem Zeichen für jenen Termin gefragt wird, zu dem die Zeiten dieses Äons zu Ende gehen. Was in solcher Schulfrage mit eingeschlossen ist, läßt sich etwa der analogen Frage in einem Lehrgesprächsgang 4 Esr 6,7 entnehmen: „Wie wird die Scheidung der Zeiten geschehen? Wann wird das Ende der ersten Welt sein und wann der Anfang der kommenden?"

Wie hier, so ist Mk 13,4 selbstverständlich nicht nur nach dem bloßen Ende dieser Weltzeit gefragt. Die Frage ist darauf gerichtet, durch welches Zeichen angezeigt wird, wann das diesem Aon jenseits seiner Zeit zugemessene Ende unmittelbar bevorsteht; ein Ende sowohl jenseits seiner ihm innewohnenden Lebensmöglichkeiten als auch seiner Zerstörungskräfte. Solches Außerhalb dieser Weltzeit ist der von jenseits, aber in der Apokalyptik vom Ende der Zeiten her („eschatologisch") andringende Gott. Das Kommen Gottes oder das des Menschensohnes setzt diesem Aon sein Ende und eröffnet zugleich die neue Weltzeit. Oder in der teilweise verwandten Vorstellungsweise des Tages Jahwes ausgedrückt: „Der Tag des Gerichts aber ist das Ende dieser Welt und der Anfang der kommenden Welt, in der das Leben nicht stirbt und die Vergänglichkeit vorüber ist, die Zuchtlosigkeit ausgetrieben und der Unglaube vertilgt ist, die Gerechtigkeit aber erwachsen und die Wahrheit entsprossen ist." (4 Esr 7,113 f.)

Die Leitfrage V. 4 nach dem Abschluß dieser Welt schließt also zugleich die Frage nach der Wende zum Heil ein. Aus Bedrängnis und Unsicherheit wird jenes Zeichen erfragt, welches das nahe Einschreiten Gottes untrüglich anzeigt. Ersehnt wird der Zeitpunkt, an dem gesagt werden könnte: „Da sah der Höchste seine Zeiten an: siehe, sie waren zu Ende, und seine Welten: sie waren voll."

(4 Esr 11,44)

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Erst von solchen Denkvoraussetzungen und dem darin verwurzelten Gedanken der in diesem Äon von Gott gesetzten - und das heißt geordneten - Zeiten wird verstehbar, warum Markus in der Beantwortung der Leitfragen auf den Geschichtsabriß der Vorlage zurückgreift. Der Gemeinde wird der Ablauf des Endgeschehens enthüllt. Da sie den gleichen Standort mit Markus teilt - nach V. 14-20 (s. 5.1) - , vermag sie nun die Tempelzerstörung richtig einzuordnen und zu erkennen, worin das allein entscheidende Zeichen für die Heilswende besteht. Daß dies aufgrund der Vorlage und gegen ihr Grundkonzept neu erkannt werden kann, hat drei Voraussetzungen: erstens die geschickte Exposition und die in der doppelten Leitfrage aufgebaute Spannung; zweitens den nach der Tempelzerstörung neuen Standort im übernommenen Geschichtsaufriß der Vorlage; drittens den testamentarischen Rückblick in V. 23. Unter diesen Voraussetzungen gehört das in den Vv. 5 b-22 geschilderte Geschehen teils der Gegenwart, teils der unmittelbaren Vergangenheit an. Der letzte, in V. 14-20 geschilderte Teil der Vergangenheit wird nun als erfüllte Weissagung auf die Tempelzerstörung und zugehörige Schreckensereignisse gedeutet. Ist die Tempelzerstörung so in die Endgeschichte dieser Weltzeit eingeordnet und V. 21 f. nicht gut als Zeichen deutbar, so liegt die Beantwortung der Leitfrage nach dem entscheidenden Zeichen in V . 2 4 f . vor 210 . 210

Auch Pesch, M k - K o m m e n t a r 301 f., sieht neuerdings - gegen Naherwartungen 157-175 - in V. 24 f. die Antwort auf die Frage nach dem Zeichen (V. 4) gegeben. Ich kann mir aber seine Begründung nicht zu eigen machen: „Das doppelte και τ ό τ ε W 26. 27 spricht deutlich dafür; denn das Gericht und das Heil, das der Menschensohn bei seiner A n k u n f t bringt, bedeuten das Ende." Pesch scheint einen Begriff von „Endvollendung" (wohl = V. 26 f.) vorauszusetzen, der so mit τ α ϋ τ α σ υ ν τ ε λ ε ΐ σ θ α ι π ά ν τ α in V. 4 nicht vorliegt (s.o. bei Anm. 209). Die Auslegung: „Zeichen und Endvollendung fallen zusammen", halte ich samt Begründung - „denn der H e r r kommt .plötzlich' (V. 36)", ebd. 303 - f ü r u n z u t r e f f e n d . Auch die weitere Meinung von Pesch, Markus 13,366, teile ich nicht: „ O f f e n b a r ist zwischen Vor-Zeichen und ,dem Zeichen' unterschieden. Denn gefragt ist nach ,dem Zeichen' (V. 4); in W 5-22 werden nur mehrere Vor-Zeichen genannt." Μ . E. impliziert die Differenzierung in V. 4 (s. o.), die Abwendung vom Zeichenbegriff der Vorlage (DanielTradition) und die Aufnahme von V. 24 f. als das eine und einzige Zeichen, eine grundsätzliche Abkehr vom innerweltlichen Zeichenbegriff (s.u.). Kritik übt an Peschs Auffassung von ganz anderen Voraussetzungen aus auch Neirynck, M a r c 13,377. 391-393. Er hebt mit Recht Schwierigkeiten und Unausgeglichenheiten zwischen Peschs erster (Naherwartungen) und zweiter Hypothese ( M k - K o m m e n t a r ; M a r k u s 13) hervor. Aber das ist doch nur ein Kurieren an Symptomen, das nicht weiterführt. Die Probleme der früheren wie der neueren Deutungsversuche von Pesch liegen in den m. E. unhaltbaren literar- und redaktionskritischen Voraussetzungen, in der mangelnden Durchklärung von Vorlage und Markuskonzeption im religionsgeschichtlichen H o r i z o n t sowie in der Vernachlässigung der Frage nach übergreifender Gattung, Gliedgattungen und einzelnen Gattungselementen samt ihrer Funktion.

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Dafür sprechen auch Sinn und Funktion des Zeichens in der Apokalyptik: In der Krisenlage der Differenzerfahrung werden Zeichen offenbart, die in der Zukunft - nach der himmlischen Weisheit des von Gott zugemessenen und so bestimmten Weltzeitenlaufs - das Nahen der Heilswende anzeigen. Gemäß der vom Evangelisten in V. 23 gegenüber der Vorlage neu gesetzten Zäsur, die zugleich aufgrund der geschichtlichen Realität mit dem Standort der Gemeinde identisch ist, kann solches Zeichen nur in der nach V. 23 beschriebenen Zukunft liegen. Die Deutung, Markus lehre seine Gemeinde, das eine und allein entscheidende Zeichen in V. 24 f. zu sehen, kann man nicht mit dem Einwand widerlegen, in den Vv. 24-27 fehle das dafür maßgebende WennDann-Schema (wenn ihr seht . .., dann erkennt . . .) 211 . Es ist keineswegs nötig, daß immer in solchem Schema auch formuliert wird. Zu beachten ist, wie Markus die Antwort auf die Leitfrage V. 4 im ersten Teil des Schulgesprächs in der Form eines Geschehensablaufs (V. 5b-27) gibt und dabei Aufriß und Formulierungen der Vorlage aufnimmt. Im übrigen wird die Funktion des Zeichens im anschließenden zweiten Teil des Schulgesprächs lehrhaft-reflektierend eingeprägt (V. 28 f.); und das geschieht dann im Wenn-Dann-Schema des Grundgedankens. Auch der mögliche Einwand, die Leitfrage spreche von einem oder genauer von dem einen Zeichen, während in V. 24 f. mehrere Erscheinungen erwähnt werden, ist nur scheinbar überzeugend. Die kosmischen Erscheinungen, die von der Region der Gestirne und himmlischen Kräfte her die irdische Welt betreffen, sind als vorauslaufendes Begleitgeschehen zum Kommen des Menschensohns als Einheit gedacht. Solcher Wechsel vom Singular zur nachfolgenden Schilderung Die grundsätzliche Kritik von Neiryrtck an Peschs These, das in V. 4 erfragte Zeichen liege in V. 24 f. vor, ist nicht überzeugend. Neirynck (ebd. 377) beruft sich einerseits auf die Meinung von Hahn (Markus 13,251 Anm. 45) nach der V. 23 den Sinn haben soll, daß „nun alles, wonach die Jünger V. 4 gefragt haben, .vorhergesagt' ist". Aber damit ist der Sinn von V. 23 nach Gattung und Funktion verfehlt (s.o. die Erwägungen in 5.1, speziell bei Anm. 162 und 163). Andererseits wendet Neirynck (ebd.) mit den Worten von Dupont (Temple 218 f.) ein: „La description de la Fin, objet des w . 24-27, ne fait plus partie de cette reponse: c'est un complement." Aber damit wird die Funktion von V. 24-27 im Sinngefüge der Vorlage wie in dem der Mk-Red grundlegend verkannt. Die Vv. 24-27 sind nach apokalyptischen Denkvoraussetzungen die eigentliche Problemlösung der Krisenlage: von V. 7 f. 14-20 in der Vorlage, von V. 3 f. sowie von V. 5-23 in der Mk-Red. Neirynck sieht freilich richtig gegen Pesch, daß die Unterscheidung von Vor-Zeichen (V. 5-22), die nur die Nähe des Endes anzeigen, und dem Zeichen für das Ende selbst problematisch ist; ebenfalls, daß man V. 24 f. nicht gut als „Zeichen der Vollendung" ausgeben kann (Pesch, Mk-Kommentar 301), wenn man an anderer Stelle erklärt „Zeichen und Endvollendung fallen zusammen" (ebd. 303). 211 Einwand von Neirynck (ebd. 392 f.) gegen Pesch.

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mehrerer Erscheinungen taucht auch gelegentlich in anderen apokalyptischen Texten auf 2 1 2 . Das Besondere an der von Markus aufgenommenen Konzeption der apokalyptischen Zeichen ist die Konzentration auf ein entscheidendes Zeichen, vor allem aber die Identifizierung dieses Zeichens mit den kosmischen Begleiterscheinungen, welche die Theophanie im voraus auf Erden ankündigen. Dafür gibt es in der frühjüdischen Apokalyptik vereinzelt gewisse vorstellungsmäßige Anknüpfungspunkte. Gelegentlich erscheinen in der frühjüdischen Apokalyptik unter den das Weltende und damit die Heilswende ankündigenden Zeichen auch kosmische Erscheinungen, vgl. 4Esr 5,4; OrSib 3,796 ff. Man kann fragen, ob dieses Motiv aus dem Traditionskomplex der Theophanie oder des Tages Jahwes stammt. Eine andere Variation liegt 4Esr6,11-24 vor: Parallel zu dem noch im himmlischen Bereich geschehenden Sichaufmachen Gottes im Zusammenhang des Einschreitens im Theophaniegeschehen künden unterdessen auf Erden die traditionellen Zeichen sein Erscheinen an. Das Verfahren des Markus geht erheblich darüber hinaus. Insofern ist mit der Feststellung, „Daß kosmische Veränderungen, die Erschütterung der himmlisch-kosmischen Kräfte, Zeichen des Endes sind, ist in apk (apokalyptischen) Texten geläufig" (Pesch, Markus 13,366), noch nichts gewonnen, im Gegenteil. Daß solche Vorstellung „geläufig" ( = gängig) sei, wie Pesch von Κ. H. Rengstorf (ThWNT VII 230) übernimmt, hat Neirynck (Marc 13,391) zu Recht kritisiert. Aber auch diese Kritik bringt im Entscheidenden nicht einen Schritt weiter, eher zurück, wenn damit die These abgelehnt werden soll, V. 24 f. sei für Markus das V. 4 erfragte Zeichen. Das enge - zeitliche wie sachliche - Beieinander von Zeichen und Heilswende in der Abfolge von V. 24 f. und 26 f. entspricht im übrigen der eigenartigen Formulierung in V. 4 (s.o.) und wird von Markus auch in V. 28f. durchgehalten. 212 SyrBar 25: „Da antwortete er und sprach zu mir: .Auch du wirst aufbewahrt für jene Zeit, zu jenem Zeichen, das der Höchste wirken wird für die Bewohner dieser Erde am Ende aller Tage. Dies also wird das Zeichen sein: Wenn Entsetzen die Bewohner der Erde überfällt und sie in viele Drangsal fallen werden und danach in übergroße Plagen; und wenn es geschehen wird, daß sie in ihrem Denken sagen werden um ihrer großen Drangsal willen: ,Der Mächtige gedenkt nimmermehr der Erde' - dann also wird's geschehen, wenn sie die Hoffnung aufgegeben haben: daß dann die (neue) Zeit erwachen wird'" (Ubersetzung: Klijn, in JSHRZ V, 2). OrSib 3,796-806: „ Ich werde dir aber ein deutliches Zeichen sagen, daß du erkennen kannst, wann das Ende aller Dinge auf Erden kommt: wenn Schwerter am gestirnten Himmel nächtlicherweile erscheinen gegen Abend und auch gegen Morgen; alsbald wird auch Staubwirbel vom Himmel herfahren gegen die ganze Erde, und der Glanz der Sonne wird vom Himmel mitten (am Tage) verschwinden und des Mondes Strahlen sichtbar werden und zurück auf die Erde kommen. Mit blutigen Tropfen aus den Felsen wird ein Zeichen geschehen; in der Wolke werdet ihr sehen einen Kampf von Fußvolk und Reisigen [Reitern], gleichsam eine Jagd auf wilde Tiere, Nebeln ähnlich. Damit wird das Ende aller Dinge erfüllen Gott, der den Himmel bewohnt" (Übersetzung: F. Blaß, in

KautzschAP).

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Trotz der genannten Anknüpfungspunkte muß das Zusammendenken des apokalyptischen Zeichenbegriffs mit dem Sinngefüge der Theophanie, zumal jetzt der des Menschensohns Jesus, als eine gewichtige theologische Leistung des Markus betrachtet werden. Ausgelöst wurde sie offenbar durch die Krisensituation in der Gemeinde, nachdem die mit den Drangsalen des Jüdischen Krieges verquickten H o f f nungen auf die Heilswende mit der Parusie des Menschensohns durch die geschichtliche Realität als trügerisch erwiesen worden waren. Markus ging in dieser Lage nicht den Weg, der vor ihm und auch mannigfach nach ihm, bis heute, immer wieder beschritten wurde. Er verlagert die Hoffnung nicht auf andere, analoge Schreckensereignisse der bestehenden Weltzeit, seien es geschichtliche, seien es naturhaftkosmische Erscheinungen. Vielmehr verbindet er das Zeichen in der Sache engstens mit dem Kommen jenes himmlischen Menschensohns, der die Heilswende herbeiführt - ohne daß man dieses Kommen oder besser das Erscheinen des Menschensohns auf Erden selbst als das Zeichen verstehen dürfte. Die negativen und positiven Akte, die der Gekommene vollzieht, sind deutlich mit zweimaliger zeitlicher Versetzung markiert (και τότε V. 26 und V. 27) 213 . Man hat also vorstellungsmäßig genau zu unterscheiden: Zunächst geht es um das vorbereitende Sichaufmachen Gottes oder des Menschensohnes von der himmlischen Wohnstatt. Dieser Phase des Geschehens geht das auf Erden sichtbare Zeichen der vom Himmel her andringenden kosmischen Erscheinungen parallel (V. 24f.). Die nächste Phase ist das Kommen oder Erscheinen Gottes oder des Menschensohnes selbst. Ihm gegenüber können negative Epiphaniereaktionen erfolgen, wie in Mk 13,26 das bestürzte „Sehen". Dem folgt dann auf Erden zunächst der Akt der Vollziehung des Vernichtungsgerichts (V. 26 nur eben angedeutet). Dieses Geschehen ist die Voraussetzung für die Durchsetzung des Heils als dem letzten Akt der Theophanie (V. 27), welche die Wiederherstellung der Weltordnung Gottes bewirken soll. Das wird bei Markus stellvertretend durch das Einschreiten des Menschensohnes vom Himmel her in Gang gesetzt.

Diese Neuinterpretation des Markus, welche die Hoffnung von den Projektionen der geschichtlich-kosmischen Drangsale dieser Weltzeit freimacht, ist eine unter aktuellen Bedingungen gewonnene grundsätzlich kritische Denkbewegung. Sie löst sich insoweit vom Danielschen Denkmuster, das in der apokalyptisch-christlichen vormarkinischen Vorlage nicht weniger aktualisierend in Anspruch genommen worden war als zum Beispiel in 4Esr 11,39-46. Man sollte das freilich nicht dahingehend interpretieren, daß Markus damit die Denkvoraussetzungen der Apokalyptik selbst verläßt - der ganze Entwurf Markus 13 spricht dagegen. 213

Zur Sache im einzelnen s.o. im Abschnitt 4.4.3.

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Wie Markus diese kritische Denkbewegung gewonnen hat, sagt er natürlich nicht. Man kann vermuten, daß ihn eine Uberlieferung wie Mk 13,21 f. (vgl. Lk 17,23 par) 214 dazu angeleitet hat. Markus hätte dann eine christologische Erkenntnis, die schon in der Auseinandersetzung mit einem anderen Verständnis von Erscheinungen des Heils aktualisiert wurde, in den Problembereich der Eschatologie theologisch übersetzt. Er hätte die Bindung der Hoffnung an geschichtlich-kosmische Phänomene grundsätzlich als ebenso trügerisch erkannt wie den Legitimationsversuch von konkurrierenden Heilbringern mit „Zeichen und Wundern" (V. 22). Die Verkündigung von der Königsherrschaft Gottes und das Todesgeschick Jesu sind im Bekenntnis der Gemeinde zum erhöhten, himmlischen Menschensohn gegenwärtig. Von dieser christologischen Grundlage aus sind Zeichen, die der irdischen Sphäre zugehören, trügerisch. Das endzeitlich allein entscheidende Zeichen besteht in den seinem Kommen vorauseilenden kosmischen Erscheinungen vom Himmel her. Von welcher Basis im einzelnen aus auch immer Markus bei seiner Erkenntnis geleitet gewesen sein mag, der kritische Denkweg als solcher hat sich in der dargelegten Weise in Markus 13 niedergeschlagen. Es handelt sich um eine für den Bereich der Eschatologie grundlegende theologische Erkenntnis. Man wird dabei freilich folgendes nicht übersehen dürfen: Diese Erkenntnis ist in einem aktuellen Zusammenhang aufgeleuchtet und wird in solcher Lage als Lehre dargeboten. Die so gewonnene Erkenntnis läßt - wahrscheinlich von der Christologie aus einen wesentlichen Grundzug des apokalyptisch-danielschen Denkmusters kritisch hinter sich, verbleibt aber zugleich sehr wohl innerhalb fundamentaler apokalyptischer Denkvoraussetzungen. D a s alles ist in der Literatur durchgehend verkannt worden. Man sieht fälschlich in der paränetischen Zuspitzung von Markus 13 eine antiapokalyptische Einstellung des Markus, läßt ihn hingegen zugleich - in verschiedener Weise: mit der Tempelzerstörung etc., oder mit dem Wirken des Antichrist mit Zeichen dieser Weltzeit die mehr oder weniger große N ä h e des Endes anzeigen. W o Markus wie die Apokalyptik auf die Bewährung in der Gegenwart angesichts des Endes drängt, macht man ihn also zum Antiapokalyptiker, w o er dagegen eine kritische Konzeption vorträgt, hat man das in der Regel nicht wahrgenommen! Auch Pesch hat sich trotz der neuerdings vertretenen D e u t u n g des Zeichens V. 4 auf V. 24 f. von dieser Deutung nicht gelöst, da er nun daneben mit dem Begriff des „Vor-Zeichens" operiert 2 1 5 . V o n solchem Interpretationsmuster aus sind dann auch die weitergehenden Betrachtungen abhängig, wie sie zum Beispiel Schweizer (Markus, zu V. 29) vorträgt. Er geht zunächst im Sinne jenes Deutungsmusters davon aus, das τ α ΰ τ α V. 29 b könne sich nicht auf V. 27 (V. 24-27?) beziehen, sondern „nur 214

Dazu s.o. 3.2.1, nach Anm. 33.

ni

Dazu s.o. Anm. 210.

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auf das . . . , was vor dem Ende" (V. 5-23?) geschieht, das heißt nach der folgenden Erläuterung jedenfalls: auf die Weltgeschichte. Das mit dem Zeichen Gemeinte lasse Markus „wohl gerne offen" (!), ,,weil(!) seit Jesus alles (!) Geschehen Vorzeichencharakter bekommen" habe. Dagegen ist neben dem oben Ausgeführten schon einzuwenden, daß Markus 13 gar nicht bei „Jesus" einsetzt auch nicht mit „Ostern", wie Hahn (Markus 13,264) unbegründet voraussetzt - , sondern mit Geschehnissen im Zusammenhang des Jüdischen Krieges 66-70 n.Chr. Weiter: „Seit Gott sich in Jesus der Welt zugewandt hat, sieht die Gemeinde im Gang der Weltgeschichte (!) Gott auf sein Ziel zuschreiten, freilich nicht so, daß sie den Gang der Geschichte erklären und verstehen könnte, wohl aber so, daß sie immer wieder Zeichen erblicken, da und dort einen Zusammenhang erkennen darf, worin die verheißene Zukunft schon aufleuchtet." Aber Markus spricht ja gerade nicht im Plural von Zeichen. Und der hier vorausgesetzte Zeichenbegriff - Antizipation der verheißenen Heilszukunft - ist in den Text eingetragen. Schließlich: Das „zu beachtende .Zeichen'" (spricht Markus so?),das Markus angeblich „gerne offen" ließ, wird abschließend auf „das durch Jesus sichtbar gewordene Wirken Gottes durch die Geschichte hindurch" gedeutet. Mit Text und Intention von Markus 13 hat das allerdings nichts zu tun. Erkannt hat die kritische Denkbewegung des Markus Conzelmann (Geschichte 215 f.), freilich eher von systematischen Erwägungen her. Auch die sonstige, damit verbundene Auslegung von Markus 13 kann ich mir nicht zu eigen machen. Die Feststellung „Er (sc. Markus) verfolgt nicht ein aktuelles Programm, sondern sucht eine grundsätzliche Lösung der eschatologischen Problematik" erscheint mir nur im Sinne der zuvor vorgetragenen Auslegung möglich. Bezogen auf eine aktuelle Problemlage hat Markus Grundlegendes gelehrt, dabei aber nicht über die begrenzte Zeitspanne höchstens einer Generation hinausgeblickt (V. 30-32, vgl. 9,1). Hermeneutische Reflexion kann freilich wahrnehmen, daß die Wahrheit dieser Erkenntnis die Zeiten übergreift, also innerhalb der weiterlaufenden Geschichte einen weit grundsätzlicheren Charakter bekommen hat - gerade auch in der Zeit veränderter universalgeschichtlicher Weltentwürfe, seien sie nun theologisch oder kryptotheologisch konzipiert.

5.2.2 Apokalyptische Lehre im zweiten Teil des Schulgesprächs: V. 28-32 Der Übergang von V. 27 oder 5 b - 2 7 einerseits zu V. 28 f. oder 2 8 - 3 2 andererseits hat der Auslegung schon immer besondere Schwierigkeiten bereitet. Der W e g zu einer neuen Lösung der Schwierigkeiten wird zunächst am besten dadurch gebahnt, daß man sich die Aporien der bisherigen Auslegung vor Augen führt. Offenkundig sind die Aporien, w o man dem Übergang im Text hilflos gegenübersteht oder gar dem redigierenden Evangelisten Ungeschick in seiner Kompositionsarbeit attestiert. Gräßer hat diese Einstel-

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lung gebündelt: „Aber die Stellung der Parabel (sc. V. 28 f.) im Gesamtaufriß der Apokalypse ist auffällig und hat zu theologischen Kombinationen geführt. Man hat gefragt, worauf sich das τ α ϋ τ α von v. 29 beziehe. Die nächstliegende Auskunft: auf das Vorhergehende! bereitet die größten Schwierigkeiten. Was w . 14-27 beschrieben war, ist ja schon das Ende selber und nicht dessen Vorzeichen. Das ταϋτα ist also ganz fehl am Platze. Wie also der Kompilator (!) sich den Ubergang von v. 27 zu v. 28 f. gedacht hat, wissen wir nicht. Auf jeden Fall ist das Gleichnis an dieser Stelle deplaziert und sekundär." 2 1 6 Aber solche Schwierigkeiten hat man sich selbst bereitet. Die Gründe liegen darin, daß man den Standort und die Problemlage des Markus sowie seiner Gemeinde nicht zutreffend erfaßt hat; weiterhin darin, daß man V. 23 und V. 24-27 weder bezüglich der Gattung noch hinsichtlich der religionsgeschichtlich faßbaren Motive untersucht hat. Das wiederum hatte zur Folge, daß man den philologisch einzig möglichen Bezug des τ α ϋ τ α V. 29 b auf das Nächstliegende (V. 24 f.) in den Wind schlug. Hier ist der Evangelist zu früh und ohne wirkliche N o t als ungeschickter Kompilator getadelt worden. Solche Kritik fällt auf seine Exegeten selbst zurück. Aber auch da, wo man einen sinnvollen Bezug der Vv. 28 ff. zumVorausgehenden voraussetzt oder ausdrücklich behauptet, sind die Aporien bei näherem Zusehen unübersehbar. Sieht man in dem Gleichnis (V. 28 f.) einfach „die Frage nach dem Wann" - vermutlich unter Aufnahme von V. 4 - beantwortet 2 1 7 , bleibt zweierlei ungeklärt: Die zweite Frage von V. 4 fragt dem Wortlaut nach scheinbar nur nach dem, worin in der Sache das Zeichen zu sehen sei (τί τό σημεΐον;). Wie kommt man nun von der Was- zur Wann-Frage? Sodann bleibt offen, wie sich die Vv. 28 f. zu V. 30 verhalten, wo die Frage des Wann eindeutig thematisiert ist, und zwar unter der Perspektive von Gegenwart und Heilswende. Es bleibt also zu fragen, inwiefern oder aus welcher anderen Perspektive das Wann in den Vv. 28 f. bedacht wird. 216 Gräßer, Parusieverzögerung 164 f. Er verweist für diese Auffassung auf eine stattliche - durchaus noch erweiterbare - Reihe von Exegeten: Hauch, Markus 160; Lohmeyer, Markus 281; Schniewind, Markus 175; Klostermann, Markus 137 (er spricht von einem „Nachtrag"); Bultmann, Tradition 187; B. T.D. Smith, Parables 90; Jeremias, Gleichnisse 99; Kümmel, Verheißung 15; Dahl, Parables of Growth 145. Vgl. unter den neueren Kommentierungen auch Conzelmann, Geschichte 220 (Aufnahme von Gräßers Argumentation); Schweizer, Markus z. St.: „Die Verse sind freilich ungeschickt piaziert", wiederum damit begründet, daß ταϋτα vor V. 24-27 zurückweisen müsse; Haenchen, Weg Jesu 450 f.: „Trotzdem wird jeder (!) Leser empfinden, daß sie (sc. die Vv. 28 f.) hier eben dennoch nicht recht am Platz sind"; Schmithals, Markus 578 (er zitiert Lohmeyer und Schweizer, s.o.). 217 So ohne weitere Begründung Gnilka, Markus 205 (im Anschluß an Pesch, Naherwartungen?)

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Anderwärts wird „die Frage nach dem Wann" (V. 4) eher in V. 33 und 35(!) als beantwortet angesehen und ungeklärt daneben gesetzt, der „Schlußabschnitt" (V. 28-37) wende sich wieder der „richtigen Einstellung auf das Kommende", also der „eschatologischen Paränese" zu 218 . Bei Pesch, der diesen Ansatz im einzelnen aufarbeitet 219 , läßt sich jenes ungeklärte Nebeneinander besonders gut als unentdeckter Widerspruch beobachten. Einerseits: „Aus der apokalyptischen Hochstimmung des V. 27 wird der Leser (sc. ab V. 28) in die nüchterne Atmosphäre folgernder Paränese zurückgebracht." 220 Andererseits: „Nach den Warnungen im ersten Teil (sc. V. 5b-23) wird die Frage von V. 4 nun positiv beantwortet." 221 Oder: „Die Parabel mit ihrer Anwendung (sc. V. 28 f.) sagt das, was der erste Teil der Rede negativ ausführte, positiv."222 Die Vv. 28 f. oder 28-32 sollen also die apokalyptische Leitfrage nach dem Zeichen (V. 4) positiv beantworten - und gleichzeitig Paränese darbieten. Aber beides zusammen ist nicht möglich. Pesch läßt sich dazu verleiten, weil er die Imperativischen Anweisungen zum Lernen (μάθετε V. 28 a) und zum Erkennen (γινώσκετε V. 29 c) der angeblich paränetischen Hauptstruktur von Markus 13 (dem βλέπετε) subsumiert 223 . Die Imperative von V. 28 f. und 29 sind jedoch nicht paränetisch orientiert, wie die Vv. 28-32 insgesamt nicht der Gattung Paränese zugehören. Pesch fragt zwar ausdrücklich nach dem Verhältnis von V. 28 f. zu V. 30 f. Aber die Unterscheidung, in V. 28 f. gehe es nur um das „Zeichen für die Nähe des Endes", in V. 30 hingegen wie in V. 4 um „das 218 So Grundntann, Markus 363 f., der dabei Conzelmann, Geschichte 214, aufnimmt. Conzelmann hatte überdies (ebd.) behauptet, die apokalyptische Belehrung - also die Beantwortung der Frage V. 4 - werde erst unter dem Vorzeichen der Paränese gegeben. Aber das Gefalle in V. 28-36 jedenfalls verläuft gerade umgekehrt. 219 Pesch, Naherwartungen 175-181; teilweise - d.h. mit anderer Deutung von V. 2 4 f . auch durchgehalten im Mk-Kommentar z. St. 220 Ebd. 175; beachte auch 178. Auslegungsgeschichtlich, also für die Voraussetzungen solcher Beurteilung, ist der Verweis auf V. Taylor, Markus 520, aufschlußreich: „The writer's interests are catechetical and practical." 221 p e s c h t Naherwartungen 175. 222 Ebd. 178; mit ausdrücklicher Kritik an Gräßer. 223 „In V. 28 a setzt mit einem nachdrücklich vorangestellten Genitiv die Paränese (μάθετε) wieder ein" (ebd. 176; mit Verweis auf Grundmann); vgl. oben bei Anm. 220. „Die παραβολή (V. 28 b) ist durch das γινώσκετε schon auf den paränetischen Ton gestimmt" (Pesch, ebd. 178). V. 28 b ist allerdings indikativisch formuliert, der Imperativ folgt erst in V. 29 c. Unhaltbar ist auch die Auslegung von Schweizer, Markus, zu V. 28: „Die ganze Schilderung der Ereignisse, wie sie in V. 1-27 vorliegt, läuft also auf die Mahnung an die Gemeinde hinaus. Einzig (!) in dieser Form des Aufrufs zum Bereitsein wird auf die Frage nach dem Wann von V. 4 geantwortet." Zur Kritik s.o. Abschnitt 3.2.2, speziell nach Anm. 54.

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Ende selbst" 224 , trifft den Sachverhalt nicht. Sie ist vermutlich nur eine Verlegenheitslösung, veranlaßt zum einen durch die exegetische Tradition, zum anderen durch die Deutung von V. 24 f. auf das Zeichen von V. 4. Begründet ist diese Lösung unter anderem in der problematischen Voraussetzung, V. 29 b könne sich nicht auf V. 24-27 beziehen, weise vielmehr zurück auf die in V. 4 und V. 14 gemeinte Tempelzerstörung. Aber der Bezug von V. 29 b und V. 24 f. ist das philologisch Nächstliegende und darum einzig Vertretbare. Da andererseits, wie ebenfalls oben dargelegt wurde, die Differenzierung zwischen V. 24 f. und 26 f. den einzelnen Etappen im Geschehensablauf der Theophanie entspricht, ist damit der Anlaß für jene Verlegenheitslösung hinfällig geworden. Dabei ist zu bedenken, daß Markus, wie gezeigt, den Zeichencharakter von V. 14-20 - sowie von V. 5b-22 überhaupt - theologisch außer Kraft gesetzt und alles auf das eine Zeichen (V. 4. 24 f.) konzentriert hat. Diese kritische Denkbewegung verbietet es, das οταν ιδητε V. 29 b auf die aus der Vorlage stammende und noch das Danielmuster des Zeichens repräsentierende wortgleiche Wendung in V. 14 zu beziehen. Ein solcher Bezug und die Unterscheidung zwischen dem „Zeichen für die Nähe des Endes" - neuerdings „Vor-Zeichen" - und dem „Zeichen für das Ende selbst" (so Pesch) empfiehlt sich überdies schon nicht von der Funktion des apokalyptischen Zeichenbegriffs her. Danach zeigt das Zeichen untrüglich die Nähe des Endes selbst an. Genauer: Es verweist im voraus auf die Heilswende als Scheidung der Zeiten und das damit notwendigerweise verbundene Kommen Gottes oder jetzt des Menschensohns - , das jene Scheidung und dadurch die Wende bewirkt 225 . Das Bild vom nahen Sommer (V. 28 b) und die verschlüsselte Aussage, er stehe nahe vor der Tür (V. 29 c), haben wie die Aussagen über die Nähe in V. 30 f., über „jenen Tag oder die Stunde" (V. 32), über den Kairos (V. 33 b) und den nahenden Herrn (V. 35 b) alle gemeinsam das Kommen des Menschensohns oder des Kyrios und damit die Heilswende im Blick. Sie beleuchten dieses eine Geschehen nur aus verschie224 So Pesch, Naherwartungen 179 ff. 186; durchgehalten im Mk-Kommentar und gekoppelt mit der ebenfalls problematischen Unterscheidung von Vor-Zeichen und Zeichen, vgl. oben bei Anm. 210. 225 Die eigenartige und teils recht künstliche (literarisch bedingte) Stufung von Zeichen in 4Esr 8,63 ff. - und in visio 1-3 insgesamt - liegt Mk 13 nicht vor. Sie verändert auch nicht den Begriff des Zeichens, könnte also die abgelehnte Unterscheidung nicht stützen. Zum Gedanken, daß das Kommen Gottes (Theophanie) oder der Tag des Gerichts die Scheidung der Weltzeiten herbeiführt, vgl. 4Esr 7,113: „Der Tag des Gerichts ist das Ende dieser Welt und der Anfang der kommenden Welt."

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denen Blickwinkeln. Auf nichts anderes ist das in V. 29 b anvisierte Zeichen als Vorverweis ausgerichtet. Ist die kritische Umgestaltung der traditionellen Zeichen durch Markus in V. 4-27 erkannt, sollte man auch danach in V. 28 f. nichts anderes mehr erwarten. Es wäre ein Rückfall in das, was Markus zuvor aus theologischen Gründen überwunden hat. Schon darum trägt die Berufung auf die οταν-Wendung als angeblich „strukturbildendes Element" 2 2 6 von Markus 13 insgesamt nicht. Es ist auch nicht zutreffend, daß die Leitfrage V. 4 vor V. 28 nur negativ beantwortet werde und nun in V. 28 f. ihr positives Pendant finde. Diese Behauptung beruht zum einen auf einer fragwürdigen literarkritischen Hypothese zu V. 7 c. 8d und 10, zum anderen auf der Verkennung von V. 24 f. als positiver Antwort auf die Leitfrage V. 4 227 . Im übrigen bezeichnen die οταν-Wendungen in den Vv. 4. 7 a. 14 a. 28 b. 29 b gar nicht die Frage nach dem Wann im üblichen Sinne, also nach dem Termin der Heilswende beziehungsweise des Kommens des Menschensohnes. Sie sind vielmehr auf jenen Zeitpunkt gerichtet, an dem ein Geschehen als apokalyptisches Zeichen erscheint. Die ο τ α ν Wendungen bezeichnen also erst die Basis, von der aus auf das Wann das heißt auf den nahen Zeitpunkt des Kommens des Menschensohns und damit auf den Abschluß dieses Äons sowie auf die Wende zum Heil - geschlossen werden kann. Es ist also durchaus noch offen, welcher Gattung die Vv. 28 f. zugehören, worin ihr Sitz und ihre Funktion zu sehen sind, sowohl f ü r sich, als auch im Zusammenhang. O f f e n ist ebenfalls das Verhältnis zu den Vv. 30 f. 32 sowie die Frage nach der Funktion von V. 28-32 insgesamt und im Zusammenhang von Markus 13. Schließlich bleibt zu fragen, ob und gegebenenfalls inwiefern auch V. 28 f. noch Antwort auf V. 4 sein kann, wenn die Leitfrage nach dem Was des Zeichens bereits in V. 24 f. beantwortet worden ist. Zunächst sei erwogen, was sich f ü r diese Problemstellungen aus dem bisher untersuchten Textkomplex und aus der Untersuchung zur Gattung insgesamt ergibt. Die apokalyptische Schilderung, also f ü r den Bearbeiter Markus die lehrhafte Darlegung in Form des Geschichtsabris226 pesch, Naherwartungen 177: „Die Vv. 28-29 sind durch das ο τ α ν auf V. 4 und den ersten Teil der Rede (5b-23) deutlich bezogen." Ebd. 178: „Das ο τ α ν ϊδητε von V. 29 erinnert gerade an V. 14 (neben V. 4) . . . Schon die δταν-Struktur unserer Verse gemahnt an die rechten, vom Evangelisten intendierten Zusammenhänge." Aber in dieser Form ist das reiner Formalismus, der die Auslegung eher in die Irre führt. Zur Kritik am vielfach parallelen Vorgehen von Hahn, Markus 13, s.o. Abschnitt 3.2.3 nach Anm. 65. 227 pesch h a t zwar inzwischen seine Meinung zu V. 24 f. revidiert. Aber er hat mit der Distinktion von „Vor-Zeichen" und „Zeichen" etc. den m. E. unhaltbaren Ansatz der Dissertation in die sonst teilweise veränderte Kommentierung von Mk 13 hinübergerettet.

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ses, die V. 5 b-27 bestimmt, ist mit V. 27 zu ihrem Abschluß gekommen. An ebendiesem Punkt schließt auch das zugrundeliegende Äonenschema ab. Da die Lehre des Schulgesprächs mit V. 28 neu und in Form einer anderen Gliedgattung einsetzt (s. 2.), darf man gar nicht erwarten, die Form der Darlegung von V. 5 b-27 könnte in V. 28 ff. eine Fortsetzung finden. Dem korrespondiert eine andere Beobachtung zu V. 28-37. Während in V. 5 b-27 immer neues, in Etappen gegliedertes Zukunftsgeschehen der Endzeit enthüllt wurde, wird Derartiges in V. 28-37 nicht mehr offenbart. Hier wird statt dessen das eine, bereits enthüllte Geschehen der Heilswende (V. 24-27) in seiner Bedeutung speziell für die Gemeinde („ihr", „euch") aus verschiedenen Perspektiven reflektiert. Es geht nun um den Schluß auf den „nahen Sommer" und was er in Wahrheit als „nahe vor der Tür" anzeigt (V. 28 f.), um die erfahrbare Teilhabe an den Geschehnissen der Heilswende (V. 30 f.), um das Problem der Kenntnis von „jenem Tag oder der Stunde" (V. 32), um die Konsequenzen aus dem Nichtwissenkönnen des Kairos (V. 33) oder des Kommens des weggegangenen Herrn (V. 34-36). Vermutungen ergeben sich aus den Gattungsbeobachtungen zu Markus 13 insgesamt (s. 2.) und aus der gattungsgemäßen Funktion der Leitfragen in V. 4 (s. 5.2.1). Die zweite Leitfrage ist aus der Situation erfahrener Differenz, aus Unsicherheit und Bedrängnis gestellt. In Frage steht das Kommen der Heilswende, da sie entgegen der gehegten akuten Naherwartung ausgeblieben ist. Daß in V. 4 explizit nur nach dem Was des Zeichens gefragt wird, entspricht der besonderen Situation: Die auf die Tempelzerstörung fixierte Haltung muß behutsam auf das eigentliche Zeichen hingeführt werden. Mit solcher Frage nach dem Zeichen ist aber nach der Systematik des apokalyptischen Zeichenbegriffs indirekt auch das Wann der Heilswende erfragt. Die Gattung des Schul- oder Lehrgesprächs übergreift Markus 13 im ganzen. Da nun die zweite Frage in V. 4 als Leitfrage für das Ganze fungiert, darf vermutet werden, daß sie auch für V. 28 ff. noch als Frage leitend bleibt, jetzt allerdings über V. 5 b-27 hinaus noch eine andere und in anderer Form ergehende Antwort erhält. Uber solche Vermutungen läßt sich nun entscheidend hinauskommen, wenn man sich wiederum - wie zuvor schon in dieser Untersuchung praktiziert - auf die Möglichkeiten der religionsgeschichtlichen Methode besinnt. Die in dieser Untersuchung kritisch diskutierten Arbeiten sind Musterbeispiele für die weithin in Mode gekommene Vernachlässigung solcher Methode 228 . Daß solche Vernachlässigung bei 228 Hier muß ich auf die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser Einstellung und mit den dafür maßgebenden Gründen in meiner Untersuchung Fleisch und Geist 2 6 41 („Methodische Erwägungen") verweisen.

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der Auslegung von Markus 13 nicht nur den Textsinn verfehlt, sondern auch teilweise entstellt hat - in der Grundintention sowie in vielen Einzelheiten - dürfte schon deutlich geworden sein. Die religionsgeschichtliche Rückfrage betrifft in unserem Falle die Gattung und den Sitz, die Funktion der Motive und das Schlußverfahren hinsichtlich des apokalyptischen Zeichens. Besonders nahe liegt der Vergleich mit den entsprechenden Partien von visio 1-3 im 4. Esrabuch. Neben den für den 4 Esr spezifischen und dominierenden disputativen Gesprächsgängen finden sich hier auch solche, die einfach in lehrhafter Darlegung um die Frage des Termins der Heilswende und die dafür maßgebenden Zeichen kreisen 229 . Es handelt sich hier um einen mit Markus 13 vergleichbaren thematischen Gesamtkomplex, der mehr oder weniger künstlich auf die drei „Visionen" literarisch aufgeteilt ist. Am Anfang steht, auch formal parallel zu Markus 13, eine doppelte Leitfrage: „Wie lange noch? Wann wird das geschehen?" (4,33, vgl. 4,35). Diese Grundfrage wird durch die literarische Aufgliederung in verschiedene, neu einsetzende - teils wiederholende, teils spezifizierende - Gesprächsgänge variiert: „Soll noch längere Zeit kommen, als vergangen ist, oder ist das meiste schon an uns vorübergegangen?" (4,45); parallel: „Ist unsere Mutter, von der du zu mir gesprochen hast, noch jung oder nähert sie sich schon dem Alter?" (5,50); oder: „Meinst du, daß ich jene Tage erleben werde? Was wird in jenen Tagen geschehen?" (4,51); oder: „Wie wird die Scheidung der Zeiten geschehen? Wann wird das Ende des ersten Äons sein und der Anfang des kommenden?" (6,7). Bevor die Leitfrage zu Beginn eine positive Antwort erfährt, wird zunächst in einem Gesprächsgang kritisch auf die Einstellung des Fragenden eingegangen (4,33-37) - formal nicht unähnlich dem Einsatz in Mk 13,5 b. 9 a. Das Drängen auf ein nahes Ende ist selbstsüchtig. Es bedenkt auch nicht, daß Zeit und Geschichte geordnet sind, und zwar nach der von Gott gemessenen Zeit. Das aber bedeutet für die Gesamtkonzeption des 4 Esr: Die Gegenwart der zu Ende eilenden Weltzeit ist die Zeit der Bewährung; und das heißt hier in einer jüdischen Apokalypse: die Zeit der Werke des Gesetzes und des Vertrauens auf Gottes weltordnendes Walten. In solcher überraschenden Wende des Gedankens schon zu Beginn des apokalyptischen Lehrgesprächs wurzelt formal und teilweise auch inhaltlich das Verfahren des Einsatzes in Mk

Hierfür beziehe ich mich im Folgenden auf 4Esr 4,33-5,13 ( = Ende visio 1); 5,50-6,28 ( = Ende visio 2); 8 , 6 2 b - 9 , 1 3 (gegen Ende von visio 3). Für die Unterscheidung dieser durch einfache Erklärungsbitten eingeleiteten Gesprächspartien von dem das Ganze überformenden disputativen Dialog siehe Brandenburger, Verborgenheit 67 bei Anm. 24. 144-147. 150 f. bei Anm. 3 und 4.

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13,5 b—6 sowie in den Einschüben V. 9-13 und 21-23 insgesamt. Neu ist in solchem Rahmen die christologische Basis. Bei der positiven Beantwortung der mit den oben genannten Fragen eingeleiteten Schulgespräche lassen sich vier Themenbereiche als Grundelemente des apokalyptischen Lehrdialogs erkennen, soweit er auf den Termin der Heilswende gerichtet ist. 1. Die Zeitspanne zwischen Gegenwart und erfragter Heilswende („wann?"). Diese Zeitspanne wird in ungefähren Umrissen, in pauschalen Aspekten enthüllt (4 Esr 4,44-50; 5,50-55, vgl. 6,7-10). Näheres wird verweigert: „Aber frage nicht (weiter), Esra!" ( 6 , 1 0 ) D e m entspricht Mk 13,30 und 9,1. Daß das im Sinne der Enthüllung zeitlichpauschaler Angaben, gewissermaßen von zeitlichen Annäherungswerten, zu verstehen ist, zeigt auch die frühere, in solchem apokalyptischen Stil gehaltene Angabe Rom 13,11. 2. Der Termin der Heilswende. Die Enthüllung des genauen Zeitpunktes der Heilswende wird hingegen verweigert. Die direkte TerminFrage steht 4 Esr 4,33. Sie wird aufgenommen in der Variation 4,51: „Meinst du, daß ich jene Tage erleben werde?" Die darauf erfolgende Antwort des Offenbarungsengels Uriel lautet: „Uber dein Leben aber etwas zu dir zu reden, bin ich nicht gesandt und weiß es selbst nicht" (4,52). Das entspricht in der Sache Mk 13,32 nicht nur hinsichtlich der Verweigerung des Termins der Heilswende, sondern auch in der Einschätzung des fenwinbezogenen Nichtwissens von Engelwesen, die Gott im Thronbereich immerhin sehr nahestehen. Uriel offenbart ja unter anderem weithin Gottes „Geheimnisse der Zeiten". Der Grundgedanke ist also folgender: Grundsätzlich hat kein irdisch-fleischliches Wesen Einblick in die Geheimnisse des Thronbereiches Gottes (4 Esr 4,1-11; 5,34-40). Einen weiten Einblick in ihn haben zuständige Engelwesen. Sie können einem ausgewählten Kreis von Menschen - Propheten oder Weisen - diese Geheimnisse aufgrund bestimmter Vorbedingungen offenbaren. Ein besonderer Teilbereich der himmlischen Geheimnisse aber bleibt Gott allein vorbehalten 231 . 3. Die Zeichen. Möglich ist die Enthüllung der Zeichen an einen esoterisch ausgegrenzten Kreis. „Er (sc. der Engel Uriel) antwortete mir und sprach: Uber die Zeichen, nach denen du mich gefragt hast, kann 230 Zu diesem Verständnis der Stelle vgl. Violet, Esra-Apokalypse z. St.; anders Gunkel, bei KautzschAP z.St. Vgl. den kritischen T o n in 8,51. 55; 9,13. 231 Zu diesem Motiv vgl. auch Strobel, Kerygma 85-88; die hier aufgeführten Belege dokumentieren allerdings meist nur die allgemeinen Denkvoraussetzungen, 4 Esr 5,51 f. fehlt. Eine Parallele liegt auch in der späteren ApkEsr 3,3 f. vor: „Gott sagt: Mein auserwählter Sohn! Es weiß kein Mensch von jenem großen Tag und der Erscheinung für das Weltgericht. Nur dir zuliebe, mein Prophet, red ich von jenem Tag. Ich sag dir aber nicht die Stunde" (Rießler).

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ich zum Teil 232 mit dir reden" (4,52). Das entspricht Mk 13,7f. 14-20. 24-27. Parallel ist auch, daß die so vom Engel (4Esr) oder von Jesus (Mk 13) als Offenbarungsmittler enthüllte Lehre insoweit in der Form zukünftigen Geschehens geschildert wird (4Esr 5,1-12; 6,20-28). 4. Die Funktion der Zeichen. Zum apokalyptischen Schulgespräch gehört schließlich eine Belehrung über die Funktion der Zeichen (4Esr 8,63-9,6). Die Zeichen werden in der gegenwärtigen Differenzerfahrung, die durch Unsicherheit über das Kommen der Heilswende gekennzeichnet ist, als Geheimlehre (14,3-8) offenbart. In der Zukunft, wenn die Zeichen eintreffen, erfüllen sie dann für die Eingeweihten die Aufgabe, untrüglich das nahe Bevorstehen des Einschreitens Gottes und damit der Heilswende erkennen zu lassen. Das entspricht, wie weitere Einzelheiten gleich noch näher verdeutlichen werden, M k l 3 , 2 8 f . Parallel ist auch die Abfolge: Die Belehrung über die Funktion des Zeichens steht am Ende. Die Basis dafür bildete zuvor die Enthüllung, was in der Zukunft als Zeichen erscheinen wird 233. Ziehen wir das Fazit für Markus 13. Die oben aufgrund der Aporien in der Auslegung von V. 28-32 formulierten offenen Fragen lassen sich durch den religionsgeschichtlichen Vergleich einer Lösung zuführen. Offenkundig ist geworden, daß man in der Leitfrage V. 4 samt den in den Vv. 28 f. 30 f. und 32 behandelten Einzelthemen Grundelemente eines apokalyptischen Schulgespräches zu sehen hat, das um die Frage nach dem Zeitpunkt der Heilswende kreist. Das bestätigt die Auffassung der zweiten Frage von V. 4 als Leitfrage und die Bestimmung der Gesamtgattung als apokalyptisches Schul- oder Lehrgespräch. Weiterhin wird die Auffassung von V. 28-32 als zweiter Teil des esoterischen Lehrgespräches bestätigt. Denn die Abfolge von V. 28-32 ist zum einen in der Zusammengehörigkeit der Grundelemente des apokalyptischen Lehrdialogs, zum anderen speziell in der sinnvollen Abfolge von V. 5 b— 232

D a s dürfte kaum grundsätzlich gemeint, sondern ein literarischer Hinweis auf die Fortsetzung (den anderen Teil) in 6 , 2 0 - 2 8 sein: 6,12! Vgl. auch die beide Teile der Zeichenenthüllung rückblickend zusammenfassende Bemerkung 8,63: „Siehe, Herr, du hast mir jetzt die Fülle (!) der Zeichen kundgetan, die du in den letzten T a g e n tun willst . . ." 233 Damit erledigt sich die o h n e Beachtung der religionsgeschichtlichen Z u s a m m e n hänge geäußerte Behauptung, man k ö n n e die Parabel V. 28 f. „durchaus nach V. 5 a als Beginn der Rede denken" (Pesch, Naherwartungen 175); ebenso die andere Behauptung, die Vv. 28 f. dürften „sogar als die Keimzelle der ganzen Rede M k 13 bezeichnet werden". Abenteuerlich auf andere Art verfährt Schmithals, Markus 557. 561 ff., wenn er die Vv. 28 f. der kleinen Apokalypse (Vorlage) zuweist und an V. 22 anschließt. D a z u vgl. insgesamt oben Anm. 35. D e r Gedanke V. 22 wäre für eine jüdische Apokalypse (die Schmithals, ebd. 569, voraussetzt) noch nachzuweisen (s.o. Anm. 140), vor allem aber seine Funktion als Zeichen im G e d a n k e n z u s a m m e n h a n g mit V. 28 f. Für ersteres nennt Schmithals (ebd. 563) nur spätere und späte christliche T e x t e (ApkEsr 3 , 1 5 vermerkt Rießler 1273 als christliche Interpolation), für die letztere Gedankenverbindung fehlt jeder Beleg.

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27 als Lehre über das Was des zukünftigen Zeichens und von V. 28 f. als Belehrung über die Funktion dieses Zeichens begründet. Das Durchgehen der Einzelthemen in V. 30 f. und 32 entspricht nicht der Anordnung im 4 Esr. Markus fügt diese Themen an in dem Wissen um die Zugehörigkeit zum Sinngefüge insgesamt. Die Abfolge ergibt sich nun aus der Sachlogik des von ihm geschaffenen einen Lehrgesprächsrahmens gegenüber den vielfältigen Gesprächsgängen im 4 Esr. Die Esoterik und die Offenbarungslehre des Schulgesprächs über den Zeitpunkt der Heilswende und über die Geheimnisse der Zeiten entsprechen dem Grundkonzept der apokalyptischen Offenbarungslehre. Weitere Form- und teilweise auch Sachparallelen werden sich noch bei genauerem Vergleich mit V. 28 f. ergeben: hinsichtlich der Anwendung des Gleichnisses, der Lernanweisung und des Schlußverfahrens. Von der gemeinsamen Gattung her ist der Schluß auf einen analogen Sitz im Leben unausweichlich. Wie schon zuvor für die Leitfrage und ihre Beantwortung in V. 5b-27 herausgearbeitet, ist auch für V. 28-32 die Situation in der Unsicherheit der Differenzerfahrung maßgebend. Die Vv. 28-32 haben also ebensowenig wie V. 4 und V. 5b-27 die Funktion, falsche Naherwartung zu bestreiten und apokalyptische Schwarmgeister abzuwehren 234. Wichtig ist vor allem auch - wiederum entgegen der allgemeinen exegetischen Schulmeinung - die Beobachtung, daß das um die Frage des Zeitpunktes der Heilswende kreisende apokalyptische Lehrgespräch eine kritische Komponente enthält. Die aus der Bedrängnis heraus auf den Termin der Heilswende fixierte Schülerfrage wird zurechtgerückt und die Einstellung angesichts der Sachbedeutung des Endes kritisch ins Spiel gebracht. Die gängige Exegese hat daraus eine polemische, antiapokalyptische Hauptstruktur konstruiert und die kritische Komponente als Besonderheit christlicher Haltung gegenüber der berechnenden und spekulierenden jüdischen Apokalyptik behauptet. Man wird eher für wahrscheinlich halten dürfen, daß die Verbindung des paränetischen Motivs mit Aussagen oder Fragen zum Zeitpunkt der Heilswende, wie sie sich schon lThess 5; Rom 13,11 ff. und in eschatologischen Gleichnissen der synoptischen Tradition findet, bereits aus der Schultradition der jüdischen Apokalyptik stammt. Die Parallelität hinsichtlich der in Markus 13 und im 4 Esr nachweisbaren Elemente des apokalyptischen Lehrgesprächs insgesamt ist jedenfalls sehr auffallend. Nimmt man hinzu, daß der diesbezügliche Stoff im 4 Esr stark traditionell, ja kompendienhaft wirkt 235 , läßt sich am ehesten an die Tradie234 G e g e n Pesch, Naherwartungen 181 und passim, der hier nur scharf herausstellt, was weithin in der Auslegung von M k 13 vertreten wird. 235 Vgl. dazu kurz Brandenburger, Verborgenheit 67 bei Anm. 24, mit Verweis auf O. Plöger, D a s 4. Esrabuch, in: R G G 3 II 698.

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rung solcher Motivkomplexe und gedanklichen Schemata im Schulbetrieb denken. Solche Traditionsbindung schließt die eigenständige Ausarbeitung gerade nicht aus, sondern ein. Traditionelle Gattungen, Motivkomplexe und gedankliche Schemata werden nicht nur aktualisiert, sie können auch, wie bei Markus, eine grundlegende Neuorientierung erfahren. Soweit der Inhalt der Leitfrage V. 4 und die kritische Komponente im apokalyptischen Lehrgespräch (V. 5b-6 mit 21-23. 9-13. 33-36) traditionell sind, werden sie jetzt von der Neuorientierung und den Erfahrungen der christlichen Gemeinde in Anspruch genommen. Die traditionellen Grundelemente des apokalyptischen Lehrgesprächs in V. 30 f. und 32 - auch in V. 28 f.? - werden mit Logienstoff aus der christlichen Tradition vorgebracht. Man kann aber auch urteilen: Die urchristliche Gemeinde wird auch in ihrer Neuorientierung mit Grunderfahrungen und Grundfragen konfrontiert, die in ihrer in die alttestamentlich-jüdische Tradition zurückreichenden Theologiegeschichte wurzeln. Neu ist, daß die Offenbarergestalt im apokalyptischen Schulgespräch Jesus und nicht ein mythologisches Engelwesen ist und daß die Tradenten nicht Gestalten aus der Urzeit wie Mose, Henoch oder in anderer Weise auch Esra sind. Der esoterische Jüngerkreis Jesu kommt nun ins Spiel (V. 3 f. 37), gewissermaßen eine neue Ur-Zeit, jetzt die der Gemeinde des Menschensohns. Die Rückübertragung des apokalyptischen Schulgesprächs auf den irdischen Jesus ist, auch wenn sie nach historischem Urteil als fiktiv gelten muß, alles andere als eine bloß formale Aneignung alter Schultradition. Grundlage dafür ist das Bekenntnis zu Jesus als dem erhöhten Menschensohn. In solchem Bekenntnis wird die Verkündigung des Propheten Jesus von der Königsherrschaft Gottes in der Einheit mit seinem Geschick als unbedingt gültig ausgesprochen. Was so als gültig erkannt ist, ist der zum Kriterium gewordene, weggegangene Herr (V. 34-36) beziehungsweise der kommende, weltordnend einschreitende Menschensohn (V. 24 f.) 234 . Nach der Heilswende unter dieser neuen Perspektive wird in Markus 13 gefragt. Dieser neue Gesichtspunkt wird, wie in der Auslegung von V. 4-27 erkennbar geworden sein dürfte (s. 5.2.1), von Markus kritisch ins Spiel gebracht. Das zeigt aber schon: Der Offenbarungslehrer des apokalyptischen Schulgesprächs ist vom christologischen Glaubenswissen gezeichnet. So kommt es zu der eigenartigen Konzeption, daß der weggehende und wiederkehrende Kyrios, der vom Himmel kommende Menschensohn und der irdische Offenbarungsmittler Jesus in der Sache eine Einheit bilden. Und „die Auserwählten", denen der esoterische Jüngerkreis Das oben im Abschnitt 4.5, vor allem nach Anm. 145, Entwickelte ist hier vorausgesetzt.

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(V. 3 f.) das im apokalyptischen Schulgespräch übermittelte geheime eschatologische Wissen zu übermitteln hat (V. 37), bilden jetzt die Gemeinde des irdischen Menschensohnes Jesus (πάντες V. 37; vgl. 8,31-9,1) - eben weil er der erhöhte und kommende Mandatar Gottes ist. Zuvor war die Grundlage zum Verständnis der Vv. 28-32 geklärt worden: die Bedeutung der Einzelmotive in einem größeren Sinngefüge, das Verhältnis zu der bestimmenden Gattung von Markus 13 insgesamt und die Stellung im Ablauf des Schulgesprächs. Auf dieser Basis soll nun im Folgenden auf die einzelnen Schritte im Textverlauf der Vv. 28-32 abgehoben werden. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei die Einzeluntersuchung von V. 28 f. Die Logik, welche die Abfolge der vier Lehrelemente des apokalyptischen Schulgesprächs bei Markus bestimmt, ist folgende. Die Basis des Schulgesprächs ist - situationsbedingt nötig - die kritische Bestimmung des allein entscheidenden Zeichens (V. 5b-27: τί τό σημεΐον;). Auf dieser Basis kann die Funktion des Zeichens gelehrt werden (V. 28 f.). Das Wann der Heilswende kann näherungsweise enthüllt werden (V. 30 f.). Der genaue Zeitpunkt jedoch bleibt das alleinige Geheimnis des die Zeiten ordnenden Gottes (V. 32). Auch wenn sich in dieser Weise der Sinn des Lehrverlaufs bestimmen läßt, so ist doch zu beachten, daß die Grundelemente des apokalyptischen Lehrgesprächs hier wie im 4Esr ohne nähere Anzeige einer Gedankenverbindung nebeneinander stehen. Das weist auf den kompendienartigen Charakter der einzelnen Elemente hin 237 . Die Logik des Lehrverlaufs ergibt sich nur aus der Bedeutung im übergreifenden Sinngefüge und aus der Stellung in der Komposition. Diesen Beobachtungen entsprechend werden die Einzelelemente des Lehrgesprächs im Folgenden angeordnet. 1. Die Funktion des Zeichens (V. 28 f.) Auffallend ist der Neueinsatz in V. 28 a. Bisher hatte der Lehrer des Schulgesprächs auf die Schülerfragen hin die Geheimnisse der Endzeit dieses Äons und der Heilswende lehrhaft-schildernd enthüllt. Jetzt spricht er eine Lehranweisung aus (μάθετε). Gelernt werden soll, aus dem Sehen eines bestimmten Geschehens (ταΰτα γινόμενα) zu einem 237 Man könnte darum auch fragen, ob das δέ in V. 32 überhaupt einen adversativen Sinn hat. Für die Annahme einer bloßen Überleitungspartikel sprechen nicht nur die aneinanderreihenden Betreff-Angaben in 1 Kor 7,1. 25; 8,1; 12,1 (περί δέ . . .)> sondern vor allem auch dieselbe Art der katechetisch aufreihenden Themenangaben im gleichartigen Kontext 1 Thess 5,1: περί δέ των χ ρ ό ν ω ν και των καιρών. Dennoch wird im Gedankengefälle ein leicht adversativer Sinn der Einführung anzunehmen sein; vgl. 4Esr 4,52. Entgegen der gängigen Auslegung darf der adversativen Einführung aber nur eine begrenzte Bedeutung beigemessen werden.

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nicht weniger bestimmten Erkennen zu kommen. Vermittelt wird die Erkenntnis lehrhaft durch ein Gleichnis (V. 28b). Der dabei erfolgende Erkenntnisgewinn steht freilich nicht offen. Er wird vielmehr durch die Deuteanweisung des Lehrers nach Form und Inhalt gesteuert (V. 29). Das entspricht dem Sachverhalt, daß schon die Basis des Erkenntnisgewinns, eben das Zeichen, sich der vorausgehenden Offenbarung des Lehrers verdankt. Das zeigt das όταν ϊδητε ταΰτα γινόμενα (V. 29 b). Es handelt sich also um eine auf Offenbarung eschatologischer Geheimnisse beruhende und vom Offenbarungslehrer vermittelte Erkenntnis. Zwar wird ins selbständige Erkennen eingewiesen, doch liegt insgesamt ein esoterischer Erkenntnisvorgang vor. Insofern ist dieser vom Offenbarungsmittler begründete und geleitete Erkenntnisprozeß nur eine Variante oder eine Station in der übergreifenden Gattung des apokalyptischen Schulgesprächs. Das zuvor analysierte und charakterisierte Element des Schulgesprächs ist Markus vermutlich aus einem Kreis von Lehrern der eschatologischen Weisheit (Apokalyptik) vermittelt worden. In deren Lehrdialogen findet sich die typische Lernanweisung, und zwar in Verbindung damit, daß der Offenbarer mittels eines Gleichnisses in den selbsttätigen Erkenntnisprozeß einführt. Zwei Beispiele dafür liegen in den Gesprächsgängen 4Esr 4,44-50 und 5,50-55 vor. Auf die Schülerfrage apokalyptischen Inhalts antwortet der Lehrer - hier der Engel Uriel als Vermittler eschatologischer Weisheit - mit dem Hinweis auf ein Gleichnis. Dem folgt die Anweisung zum selbsttätigen, reflektierten Lernen: „Uberlege bei dir selbst . . .!" (4,50); „Auch du bedenke . ..!" (5, 54) 238. In beiden Fällen vollzieht sich der Erkenntnisvorgang im Schema Wie - so. Insoweit liegt hier der gleiche Ubertragungsvorgang vor wie M k l 3 , 2 9 a : ούτως και ύμεΐς. In beiden Beispielen ist der Erkenntnisprozeß nun freilich auf jenes Element des Lehrgesprächs bezogen, dem es um die Enthüllung der ungefähren, pauschalierten Zeitspanne zwischen Gegenwart und Heilswende geht. So fehlt hier auch das Wenn-Dann-Schema, welches für das andere Grundelement kennzeichnend ist, in dem die Funktion des Zeichens thematisiert wird. Aber auch für dieses Element gibt es einen Vergleichstext im Gesprächsgang 4Esr 8,62b-9,6. Er kommt nach Fragestellung und Verfahren M k l 3 , 2 8 f . samt Leitfrage sehr nahe, auch wenn er ohne Gleichnis im Erkenntnisvorgang arbeitet. Untergeord238 Gunkel (bei KautzschAP z.St.) erfaßt den Sinn in etwas freier Übertragung gut: „Nun überlege selbst. . ."; „Nun ermiß du selber . . ." Der Lat. hat: cogita tibi (4,50) und: considera ergo et tu (5,54). Beides meint den Appell, durch eigene Beobachtung und Denkleistung zu einer Erkenntnis zu kommen.

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nete Einzelheiten sind in solchen Lehrdialogen also variabel; man hat sich an das Grundschema zu halten. „Ich (Esra) antwortete und sprach: (63) Siehe, Herr, du hast mir nun die Fülle der Zeichen enthüllt, die du in den letzten Tagen tun willst. Du hast mir aber noch nicht enthüllt, zu welcher Zeit. (1) Er (Uriel) antwortete und sprach zu mir: Das ermiß du bei dir selbst! Und wenn du sehen wirst, daß ein Teil der vorhergesagten Zeichen vorüber ist, (2) dann wirst du erkennen, daß dies die Zeit ist, da der Höchste vorhat, die Welt, die er geschaffen hat, heimzusuchen. (3) Und wenn in der Welt erscheinen werden Beben an verschiedenen Orten, Verwirrung der Völker und Anschläge der Nationen, Unruhen der Führer und Wirren der Herrscher, (4) dann wirst du erkennen, daß darüber der Höchste seit den Tagen der Vorzeit geredet hat . . . "

Spezifisch für den 4 Esr ist hier wie in visio 1 und 2 die Verwendung verschiedener älterer Zeichen-Traditionen, die Zweiteilung der Zeichen und die dunkle Reflexion in 9,5 f., die schon von der Textüberlieferung her nicht eindeutig ist. Vermutlich bringt der Wenn-Dann-Schluß in V. 3 f. nicht nur die Stimmigkeit der apokalyptischen Prophetie der Urzeitgestalten zur Erkenntnis, sondern bestätigt ebendamit, daß solche anderen Apokalypsen gleicherweise von Zeichen der Endzeit her, wie sie V. 3 genannt werden, auf die nahe Scheidung der Zeiten geschlossen haben. Daß dies der Grundgedanke des komplizierten Gebildes ist, kann kaum zweifelhaft sein. Das bestätigt auch die Einleitung zu den Zeichen, die in OrSib 3,796-807 genannt werden. Sie läßt die Funktion des apokalyptischen Zeichens klar sichtbar werden: „Ich werde dir aber ein deutliches Zeichen sagen, daß du erkennen kannst, wann das Ende aller Dinge auf Erden kommt . . ." Aufbau und Verfahrensweise in 4 Esr 8,63 ff. und in Mk 13,28 f. sind gleichartig. Das ist so sehr der Fall, daß das kaum ohne Verwurzelung in einem analogen Schulbetrieb erklärbar ist. Vorausgesetzt ist beiderseits die Leitfrage nach dem Wann der Heilswende; 4 Esr 8,63 rekapituliert die zu Beginn (4,33) gestellte Frage. Basis des Gesprächsganges über die Funktion des Zeichens oder der Zeichen ist jeweils die bereits geschehene Enthüllung des in der Zukunft liegenden Zeichens, also das Was des Zeichens. Sodann wird hier wie dort das eigentliche Geschehen des Gesprächsganges eröffnet mit der Lernanweisung des Offenbarungsmittlers zu selbsttätiger geistiger Erfassung der Lage. Das zielt aber nur scheinbar auf die Gegenwart. In Wirklichkeit werden die Schüler schon jetzt zu jener Haltung aktiviert, die ihnen - und nur ihnen - zu gegebener Zeit, also in der Zukunft, die richtige Deutung des Zeichens ermöglicht.

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Mitten in der Differenzerfahrung werden die Verunsicherten also zum einen durch die geheime Enthüllung des gültigen Zeichens gewissermaßen als Vertraute in das göttliche Geheimnis der Zeiten eingeweiht. Das erneuert das in dieser Situation notwendige Vertrauen. Zum anderen werden sie durch die Anweisung zu selbständigem Erfassen schon jetzt auf das künftige Geschehen aktiv eingestimmt, geradezu proleptisch am Geheimnis des künftigen Geschehensablaufs beteiligt. Ein interessanter Nebenzug ist der genaue Wortlaut der Lernanweisung. Er läßt sichtbar werden, worum es bei dem dann folgenden Schlußverfahren, auch bei Markus, geht: „Messend miß bei dir selbst!" ( 4 E s r 9 , l ) . Das ist als Anspielung auf das weiter oben (s. 5.2.1) erwähnte Tun des weltordnenden Gottes zu verstehen: „Wägend gewogen hat er die Welten, messend gemessen hat er die Zeiten, zählend gezählt hat er die Alter."

(4 Esr 4,36 f.)

Unter der Vorgabe des offenbarten Zeichens und unter der Anleitung des Offenbarungsmittlers wird also der esoterische Schülerkreis in dieser Phase des apokalyptischen Lehrgesprächs auf den demnächst wichtigen Nachvollzug der Zeitmessung Gottes selbst hin aktiviert. Das Maß der Zeit Gottes kann dann - aufgrund solcher Vorgabe und Anleitung - selbst ermessen werden. Dieser Nachvollzug wird bei Markus wie im 4 Esr im typischen Wenn-Dann-Schema vorgestellt. Dem läuft parallel das Schema Sehen -Erkennen. Das bedeutet: Wer durch Enthüllung des zukünftigen Zeichens und Lernanleitung befähigt wurde, vermag zu gegebener Zeit zu erkennen, daß die Heilswende nahe ist, unmittelbar bevorsteht. Dann gilt, daß die Zeit da ist, in der Gott sich von seinem himmlischen Thron zur Heimsuchung der Welt vorbereitet (4 Esr), daß „er" nahe vor der Tür ist (Mk) - wohl doch schon in allegorischer Verschlüsselung ein Hinweis auf den sich vom Himmel her zu seinem irdischen Erscheinen aufmachenden Menschensohn Jesus (V. 24 f.) 239. Als Ergebnis kann dann entgegen der gängigen Auslegung von V. 28 f. dreierlei festgehalten werden: Die für V. 28-32 vorauszusetzende Problemlage ist - wie das bereits für den ersten Teil des apokalyptischen Schulgesprächs (V. 4 mit 5 b-27) ermittelt wurde - die von der Gemeinde gemachte Erfahrung des Ausbleibens der sehnlichst erwarteten Heilswende sowie die in solcher Differenzerfahrung übliche Unsicherheit mit ihren Orientierungsproblemen. Die Vv. 28 f. sprechen Die Wendung εγγύς έστιν έπι θύραις (V. 29 c) entstammt dem thematisch zugehörigen Sprachschatz des Urchristentums. Das zeigen Apk 3,20: ιδού εστηκα έπϊ τήν 8ύραν και κρούω und Jak 5,9: ιδού ό κριτής προ των θυρών εστηκεν.

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nicht von der Nähe des Heils im Verhältnis zur Gegenwart2*0. Sie beteiligen vielmehr die Verunsicherten schon jetzt am erkennenden Erfassen der noch bei Gott verborgenen Geschehnisse der Endzeit, also an einem Geschehen zwischen der künftigen Zeichen-Erscheinung und der dann unmittelbar nahen Wende zum Heil. Die Basis des sehenden Erkennens, auf die Markus mit ταΰτα γινόμενα (V. 29 b) zurückverweist, ist dieselbe, die er mit der Leitfrage V. 4 von vorne her im Visier hatte: die kosmischen Erscheinungen vom Himmel her als das allein gültige Zeichen des sich zum Kommen aufmachenden Menschensohnes (V. 24 f.). 2. Die Nähe der Heilswende (V. 30 f.) Erst jetzt, in V. 30, kommt die Naherwartung des Evangelisten ins Spiel. Neben der vorgetragenen Analyse von V. 28 f. wird das vor allem durch den Anschluß an das entsprechende Gattungselement des apokalyptischen Schulgesprächs bestätigt. In diesem und nur in diesem Element wird die Gegenwart in zeitliche Beziehung zur Heilswende gesetzt. In den Lehrgesprächen des 4 Esr werden zu dieser Lagebestimmung Gleichnisse aus dem alltäglichen Erfahrungsbereich zu Hilfe genommen. Markus setzt in diesem Element - für seine Gemeinde sehr viel 240 So die übliche Auslegung. Vgl. z.B. Pesch, Markus 13,359: „Den jüdischen (richtig: judäischen) Gemeinden ist die N ä h e des Endes mit der A n k u n f t des Menschensohnes ( W 2 8 f . ) angesagt, die das gegenwärtige Geschlecht noch erleben wird (V. 30)"; ebenso den., M k - K o m m e n t a r 307 f. 311 (die „eschatologisch vorgeprägte Vokabel έγγύς", ebd. 307, kann allein noch nicht über den Sinn entscheiden; ihr Sinn ergibt sich erst aus dem Kontext). Hahn, Markus 13,243: V. 30 „unterstreicht ebenso(!) wie die direkt vorangegangene Aussage (V. 29b) die unmittelbare N ä h e der Parusie". Gnilka, Markus 207: „Seine Antwort (sc. des Evangelisten auf die „eingangs gestellte Frage nach dem Wann") besagt, d a ß es in der Gegenwart nur Anzeichen f ü r die N ä h e des Endes gibt, die man aufmerksam registrieren soll."

Mit beteiligt an solcher Beurteilung scheint die Einschätzung von V. 28 b als Jesusgleichnis. N u n kann, wie auch die vorgetragene Auslegung bestätigt, V. 28 a und 29 wohl nur auf die M k R e d zurückgehen. V. 28 b ist f ü r sich kaum überlieferungsfähig. Andererseits hat die Analyse gezeigt, wie die Verwendung von Gleichnissen f ü r das apokalyptische Lehrgespräch charakteristisch ist. Es ist also naheliegend, auch V. 28 b zur M k R e d zu rechnen. Auszuschließen ist natürlich nicht, d a ß in V. 28 b eine unvollständige Reminiszenz an jesuanischen Gleichnisstoff vorliegt. Bei solchen Unsicherheiten erscheint es mir nicht geraten, wie bei Hahn, Markus 13,257 (im Anschluß an Pesch), „dieses Gleichnis als Keimzelle f ü r die Rede überhaupt" fest zu postulieren. Er kritisiert, die Forschung habe bisher übersehen, „daß die eigentliche Schlüsselstelle und der Kristallisationskern (sc. der vormarkinischen Parusierede) das Gleichnis vom sprossenden Feigenbaum V. 28 gewesen" sei. Für das großartige, den Neigungen der neueren Exegese entsprechende Gebäude, das darauf errichtet wird, ist die Basis doch reichlich wacklig - falls sie überhaupt vorhanden ist.

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wirkungsvoller - Logienstoff aus der Jesusüberlieferung ein. Dabei ist der aus dem Traditionsgut stammende V. 30 am ehesten als redaktionelle Variation des thematisch entsprechenden Logions 9,1 zu verstehen 241 . Die markinische Aussage erweist sich im Vergleich mit entsprechenden Ausführungen im 4 Esr als sehr viel bestimmter. Einerseits zeigt das die Amen-Einführung, welche Zuverlässigkeit und Gültigkeit betont, andererseits das „gewiß nicht" (ού μή) vor der Zeitbestimmung selbst. Die Zeitangabe, die Heilswende werde innerhalb der Lebenszeit „dieses Geschlechts" geschehen, wird also mit doppelter Versicherung unterstrichen. Die Lebenszeit einer Generation hat man mit etwa 30 Jahren anzusetzen. Das ist nicht vom Standort des Sprechers, sondern von dem des Markus aus zu betrachten 242 . Dafür spricht entscheidend, daß in den genannten Gattungsparallelen ebenso selbstverständlich nicht vom Standort Esras, sondern von dem des Verfassers der Komposition des 4 Esr aus die Zeit bedacht wird. Aus der von der Gattung bestimmten Angabe ergibt sich aber auch dies: Die Absicht besteht darin, in der Unsicherheit der Differenzerfahrung auf eine Zeitspanne in ungefähren Umrissen einzustimmen. Das läßt einen gewissen, freilich nicht unbegrenzten Spielraum (vgl. 9,1!). Angesichts des Umschlags der unmittelbaren, glühenden Erwartung der Heilswende - die während des Jüdischen Krieges entstand und nach dem endgültigen Sieg der Weltmacht Rom nicht mehr allzu lange bestehen konnte - vertritt Markus in der Situation der Differenzerfahrung also eine gemäßigte Naherwartung. Er stellt die Gemeinde auf den im Geheimnis der Zeiten beschlossenen Fortbestand der gegenwärtigen Weltzeit ein, begrenzt diesen aber zugleich sehr nachdrücklich. Die doppelte, starke Versicherung von V. 30 wird in V. 31 mit einem weiteren Logion überboten. Das Logion hatte in der Tradition einen viel weiteren, anderen Sinn; er läßt sich im einzelnen freilich nicht mehr mit Sicherheit ausmachen. In der jetzigen, redaktionellen Verwendung wird mit dem Logion speziell die vorangehende Angabe in V. 30 aufs stärkste, im Sinne einer nochmaligen Beteuerung, unterstrichen 243 . Man 241 Vgl. Pesch, Naherwartungen (ebenso den., Mk-Kommentar 308), der diese umstrittene Frage 181-188 ausführlich diskutiert hat. 242

Vgl. dazu Haenchen, Weg Jesu 451. Daß sich V. 31 zugleich vorweisend auf V. 32 beziehen könnte, darf als ausgeschlossen gelten. Für eine solche Verbindung gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt im Text: Der Anschluß von V. 32 spricht dagegen; mit V. 32 kommt ein anderes Gattungselement ins Spiel; entsprechend setzt die Betreff-Angabe περί δέ eine gewisse Distanz. Die These von Pesch, Naherwartungen 189 f. (ebenso Mk-Kommentar 309), V. 31 bilde die Mitte zwischen V. 30 und V. 32, halte diese Aussagen „in der Waage" und „erweise" V. 31 „insofern auch als geheime (!) Mitte des letzten Abschnittes", ist eine gedankliche Konstruktion, die am Text keinen Anhalt hat. 243

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mag das, wie zumeist, „feierlich" nennen. Wichtiger ist etwas anderes: Wenn die Angabe, spätestens bis zum Ableben dieser Generation sei die Erfahrung, der Heilswende zu machen, schon in V. 30 doppelt bekräftigt und das dann in der starken Beteuerung V. 31 nochmals überboten wird, so muß das eine konkrete, in der Problemlage begründete Stoßrichtung haben. Die ungezwungenste und nächstliegende Erklärung einer solchen Versicherung der baldigen Erfahrbarkeit der Heilswende ist, daß damit auf die Probleme der gegenwärtigen Differenzerfahrung reagiert wird. Eine solche Erklärung entspricht dem Sitz im Leben der zuvor herausgestellten Gattungselemente. Der umstrittene Bezug des ταΰτα πάντα in der Zeitangabe „bis dies alles geschieht" (V. 30) läßt sich von zwei Seiten her eingrenzen. Die Wendung nimmt zunächst selbstverständlich auf die ähnliche Wendung in V. 29 b Bezug. Beidemal weist ταΰτα also auf V. 24 f. als das Nächstmögliche. Aber das ταΰτα πάντα erweitert; am ehesten auf jenes Geschehen, das im Schlußverfahren V. 29 als nahe bevorstehend angegeben wurde. Dann steht das Gesamtgeschehen der Heilswende im Blick: beginnend mit dem Zeichen der himmlisch-kosmischen Erscheinungen, die das Kommen des Menschensohns ankündigen (V. 24 f.), und nach dem Gerichtsgeschehen (V. 26) zu Ende gehend mit der Rettung der Auserwählten (V. 27). Man sollte die gleichen Wendungen ταΰτα πάντα in V. 4 und V. 30 nicht auf dasselbe Geschehen deuten. Dafür können ja auch nur formalistische Gründe geltend gemacht werden. Entscheidend sind die philologischen Möglichkeiten des Bezuges und der jeweilige Kontext. In V. 4 bezieht sich die bange Schülerfrage auf das Zuendekommen des bedrängenden gegenwärtigen Äons in seiner Gesamtheit. In V. 30 wird hingegen versichert, daß die Wende zum Heil sich in nicht allzu ferner Zukunft vollständig vollzogen haben wird. Auf die zukünftige Heilswende, nicht mehr auf das vergangene und gegenwärtige Geschehen im alten Aon, sind ja auch aus verschiedener Perspektive die drei Gattungselemente in V. 28 f. 30 f. und 32 ausgerichtet; nicht weniger der Textverlauf von Markus 13 nach der mit V. 23 gesetzten Zäsur, bis einschließlich V. 32. 3. Uber den Zeitpunkt von „Tag und Stunde" (V. 32) Die Auslegung ist vielfach - in literarkritischer 244 wie in theologischer Hinsicht - damit belastet, V. 32 in Widerspruch, Spannung oder Konkurrenz mit V. 28-31 oder schon mit der Leitfrage in V. 4 überhaupt zu sehen. Neben den paränetischen Partien hat die antiapoka244 So beim Ansatz der Hypothese von Hahn, der Pesch neuerdings folgt; s. o. im Abschnitt 3.2.3.

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lyptische Interpretation von Markus 13 sich natürlich besonders auf V. 32 gestützt 245 . Demgegenüber ist für die Auslegung von V. 32 von der Erkenntnis auszugehen, daß hier wie in V. 4. 28 f. und 30 f. ein älteres, bereits in der jüdischen Apokalyptik nachweisbares Gattungselement des apokalyptischen Lehrgesprächs vorliegt. Ist der Gedanke Teil eines größeren Sinngefüges, erübrigt sich jeder Versuch einer literarkritischen Differenzierung zwischen V. 32 und V. 28-31. Zwar bringt der Gedanke im apokalyptischen Lehrgespräch einen kritischen Gesichtspunkt zur Geltung, jedoch keinen gegenteiligen oder mit V. 28 f. 30 f. und V. 4 in Konkurrenz stehenden. Bildet dieser kritische Gesichtspunkt ein Element des apokalyptischen Lehrgesprächs, so hält er neben und ergänzend zur umrißhaften Enthüllung des Verhältnisses von Gegenwart und Heilswende (V. 30 f.) den genauen Zeitpunkt dieser Wende als bleibendes Geheimnis göttlicher Weisheit offen. Aber das gilt selbstverständlich innerhalb der als Geheimnis enthüllten pauschalen Zeitspanne, nicht außerhalb und vor allem nicht grundsätzlich gegen solche apokalyptische Belehrung 246 . Schon jüdische Apokalyptik hat, wie wir sahen, den genauen Zeitpunkt der Heilswende jenem Bereich der Weisheit des im Himmel thronenden Weltenkönigs zugerechnet, der ihm allein zugänglich ist und offenbar auch um der Welt und des Menschen willen - vorbehalten bleiben muß. Dem grundsätzlichen Vorbehalt dieses Wissens gegenüber den Wesen der irdischen Welt wie auch den Engelwesen der himmlischen Thronsphäre fügt das Logion V. 32, das Markus schon durch die urchristliche Tradition vermittelt worden ist, zusätzlich das Nichtwissen „des Sohnes" zu. Das absolute „der Sohn" ist etwas sperrig im Kontext. Man beläßt diese Aussage darum am besten der Tradition. Vermuten kann man, Markus habe die Wendung „oder der Stunde" als Vorverweis auf

245 In extremer Form hat Schreiber, Vertrauen 126-145, entsprechende Äußerungen oder Tendenzen früherer Arbeiten zu M k l 3 aufgenommen und ist in fragwürdiger redaktionsgeschichtlicher Argumentation etwa zu folgenden Ergebnissen für V. 32 gekommen: Der Grundsatz von V. 32 „macht streng genommen alle eschatologischen Weissagungen unnütz" (128, Aufnahme eines Zitates von Wellhausen). „Markus widerspricht mit V. 32 allen eschatologischen Konzeptionen des Judentums" (128, mit Verweis auf Busch, Verständnis 115). Von V. 32 her werde klar, warum auf die Leitfrage V. 4 „in 13,5 ff keine Antwort erfolgt und statt dessen Mahnungen ergehen", worunter auch die Vv. 14 und 28 f. subsumiert werden (128). V. 4 sei „eine Frage der unverständigen Vertrauten"; sie werde ab V. 5 „korrigiert", „um schließlich in 13,32 radikal zurückgewiesen zu werden" (129). 246 Die Auslegung bei Gnilka, Markus z.St. (206), ist in dieser Hinsicht zumindest sehr mißverständlich formuliert.

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V. 35b ergänzt 247 . Über die weitere mögliche Vorgeschichte des Logions in der christlichen Tradition ist reichlich spekuliert worden 2 4 8 . In dieser Frage läßt sich nur weiterkommen, wenn man nochmals neu und von anderen Gesichtspunkten aus ansetzt. Auszugehen ist von der Zuordnung der umstrittenen Wendung οΰδέ ό υιός (zur bisherigen Diskussion s. Pesch, Naherwartungen 192 ff.). Für die Frage, unter welchen Denkvoraussetzungen diese Wendung dem traditionellen apokalyptischen Motiv vom Nichtwissen der irdischen Wesen und sogar der Engel hinsichtlich der letzten Geheimnisse der Zeiten zugewachsen sein könnte, ist dreierlei zu bedenken: erstens der absolute Gebrauch von „der Sohn"; zweitens das nicht weniger absolute Gegenüber „der Sohn - der Vater"; drittens und insbesondere, daß der Grundgedanke des Logions im Sinne einer Klimax angelegt ist. Nimmt man dies zusammen, so kann ursprünglich nicht an den irdischen Sohn Gottes gedacht sein - der dem Redaktor Markus natürlich vorschwebt. Und weiter: Nach dem der Klimax zugrundeliegenden Denken in Seinsordnungen muß „der Sohn" wesenhaft - und nicht erst durch nachträgliche Erhöhung „dem Vater" als Schöpfer und Weltenherr noch näherstehen als die himmlischen Engelwesen der Thronsphäre Gottes. Am besten erklärt sich das Ganze unter der Voraussetzung schöpfungstheologischer Gedankengänge, wie man sie durch das hellenistische Judenchristentum als vermittelt annehmen darf. Das Nebeneinander von apokalyptischen Denkvoraussetzungen und solchen aus der hellenistisch-jüdischen Weisheitstheologie belegt im übrigen schon Paulus. Ist solche Annahme richtig, dann wäre die in dem Logion angelegte Klimax wirklich perfekt: In das letzte Geheimnis der Zeiten hat kein Wesen der irdischen Sphäre Einblick, auch nicht die der himmlischen Sphäre zugehörigen, dem Weltenherrn von jeher nahestehenden Engelwesen - ja, nicht einmal der präexistente Sohn als Schöpfungsmittler! Was im Logion bedacht wird - der Vorbehalt des Weltenherrn beim Geheimnis der Zeiten gehört im übrigen ebenfalls in den Bereich der Schöpfungstheologie. Wenn Jesus einem esoterischen Kreis eschatologisches Geheimwissen in Fülle enthüllt und ihm als „dem Sohn" dennoch der Einblick in einen li7 Vgl. die Beobachtung bei Lambrecht, Redaktion 237f.; Pesch, Naherwartungen 191; dem folgt auch Gnilka, Markus 205. Eine Präzisierung von „jener Tag" sollte man das freilich nicht nennen (zur Bedeutung s.u. in 5.2.3). 248 Dazu vgl. Pesch, Naherwartungen 190-195. 207. Für die Vermutung, auf Jesus lasse sich „vielleicht auch das eschatologisch belehrende Wort V 32, bei dem sich Jesus (ohne Hinweis auf den Sohn oder den Menschensohn) in den Kreis der Nichtwisser . . . eingeschlossen hätte", zurückführen (Pesch, Mk-Kommentar 311), sind bisher wirklich überzeugende und überprüfbare Gründe nicht angeführt worden (Pesch gibt hier einer langen exegetischen Tradition Ausdruck). Anders als etwa das traditionelle Logion V. 31 - auch V. 28 b, wenn er traditionell wäre (was ich bezweifle) - ist V. 32 von vornherein im apokalyptischen Schulgespräch verwurzelt. Ist der dafür maßgebende Sitz im Leben - die Problemlage der apokalyptischen Differenzerfahrung - für den historischen Jesus gegeben? Doch wohl gerade nicht. Aber das wäre wahrscheinlich zu machen, wenn die Hypothese überzeugen soll.

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Teil der Geheimnisse der Zeiten vorenthalten bleibt, so ist das im Sinne apokalyptischer Theologie keineswegs ein Widerspruch. Dieser Sachverhalt hat seine Parallele beim Engel Uriel als Offenbarungsmittler im 4 Esr. Wenn dem Sohn ein Teil der himmlischen Weisheit unzugänglich bleibt, so dürfte das als Parallele und teilweise Überbietung jenes Motivs anzusehen sein, das in jüdischer Apokalyptik auf Offenbarungsengel angewandt wurde. Zur Kette Mensch - Engel wäre also in christlicher Apokalyptik der Sohn im Sinne einer weiteren Steigerung des Motivs hinzugetreten. Dieses Begrenzungsmotiv muß irgendwie seine Verwurzelung in der Erfahrung und Erkenntnis der unbedingten Souveränität und Transzendenz Gottes haben. Sie spiegelt sich auch noch in der mythologisch-kosmischen Stufung, die selbst die dem Thronbereich Gottes nächststehenden und mit seiner Weisheit vertrautesten himmlischen Wesen nicht völlig am Geheimnis der Zeiten beteiligt sein läßt. In diesem wichtigen Gedanken von V. 32 lag ein Potential bereit, das dann auch über seine Beschränkung auf den Zeitrahmen von V. 30 hinauswachsen konnte, als Zeit und Geschichte über die von Jesus inspirierte Naherwartung, die in V. 30 noch in veränderter Form kräftig nachwirkt, hinweggingen. Die anthropologische Komponente des Gedankens läßt sich zum Teil am ehesten aus den kritischen Partien des apokalyptischen Lehrgesprächs entnehmen 249 . Die Einstellung der Fragenden in der Zeit kommt hier ins Spiel; doch sind die üblichen grobschlächtigen Alternativen hierbei fernzuhalten. Denn die Frage der Bedrängten, ihr sehnliches Ausschauhalten nach dem weltordnenden Kommen und Eingreifen Gottes oder des Menschensohnes wird einerseits durchaus anerkannt und deshalb positiv darauf eingegangen. Die Ausbildung des apokalyptischen Lehrgesprächs mit den oben dargelegten Gattungselementen - im Anschluß an jüdische Apokalyptik - ist schon allein Beweis genug dafür. Aber gerade die aus Verunsicherung und entsprechender Bedrängnis geborene Frage nach der Heilswende kann auch so auf das Ende der Zeit fixiert sein, daß sie die Forderung Gottes in der Zeit bis zum Ende zu überspringen droht. Darum wird andererseits innerhalb des apokalyptischen Lehrgesprächs jener kritische Aspekt zur Geltung gebracht. Aber es ist absurd, daraus eine antiapokalyptische Einstellung zu konstruieren 250 . Und der Sitz im Leben von V. 32 ist ebensowenig wie der 249 Dazu s.o. zum Vergleich von 4Esr 4,33-37; 6,10; 8,51. 55; 9,13 mit Mk 13,5b. 9 a. Vgl. weiterhin unten in 5.2.3 zur Verknüpfung von V. 33-36 mit V. 32. 250 Dazu vgl. wiederum als Exponenten dieser verbreiteten Deutung Pesch, Naherwartungen: In V. 32 sei das die ganze Komposition des Evangelisten durchziehende Bemühen gekrönt, „vor falscher Schwärmerei zu warnen" (190); hier liege „antiapokalypti-

Schulgespräch Β 2: Apokalyptische Paränese V. 33-36

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von V. 4. 28 f. und 30 f. der Kampf des Evangelisten mit Naherwartungsparolen und Schwärmertum von Pseudopropheten 251 .

5.2.3 Die Paränese des Schulgesprächs: V. 33-36 Mit βλέπετε (V. 33 a) erfolgt ein Neueinsatz. Es handelt sich um ein Leitwort; auch die Einschübe V. 5b-6. 9-13. 21-23 sind dadurch charakterisiert. Das Leitwort eröffnet den von V. 33-36 reichenden zweiten Abschnitt im zweiten Teil des Schulgesprächs. Während für den ersten Abschnitt (V. 28-32) die Lernanweisung μάθετε charakteristisch war, weist schon das Leitwort βλέπετε den zweiten Abschnitt als paränetisch orientiert aus. Für die Zugehörigkeit des Abschnitts zur Gattung Paränese im weitesten Sinne sprechen deutlich weiterhin die Mahnungen zur Wachsamkeit: αγρυπνείτε (V. 33 a), γρηγορείτε (V. 35 a); ebenfalls als negatives Pendant dazu die abschließende Warnung: „damit er (der Hausherr), wenn er plötzlich kommt, euch nicht schlafend antreffe" (V. 36). Einen Nachhall findet die Paränese im γρηγορείτε der das Ganze beschließenden Rahmenbemerkung. Der Abschnitt wird zwar in V. 33 a formal unverbunden angeschlossen. Hervorstechend ist dennoch die intensive gedankliche Verknüpfung mit der im vorausgehenden Abschnitt des Schulgesprächs enthüllten eschatologischen Lehrgrundlage. Zweifach wird die Mahnung zur Wachsamkeit mit dem zuvor genannten apokalyptischen Grundsatz begründet, der Termin der Heilswende bleibe allein dem „Vater" vorbehalten, also dem Schöpfer als dem Herrn über die Weltzeiten: „Paßt auf, wacht! denn ihr wißt nicht, wann der Zeitpunkt ist" (V. 33); „Also bleibt wach! denn ihr wißt nicht, wann der Hausherr kommt . . ." (V. 35). Angesichts des gebrochenen Verhältnisses der gängigen Exegese zum apokalyptischen Grundmuster von Markus 13 sind die entscheidenden sehe", „nichtapokalyptische Naherwartung" vor (192. 195). Die „Intention des Evangelisten" sei hier „durch Polemik und Apologetik gekennzeichnet" (207). Abgemildert wird das im Mk-Kommentar 309: „Die in W 28-30 genährte Naherwartung" werde in V. 32 „vor mißbräuchlicher Auslegung geschützt". Aber wo läßt sich in Mk 13 überzeugend begründen, daß falsche Auslegung der Problemhorizont ist, mit dem der Evangelist rechnen muß? Die ebd. 310 bei Anm. 17 zitierte Erkenntnis von Strobel (Kerygma 235 ff.) kann bei solchen Voraussetzungen für die Exegese nichts austragen. 251 Anders Gnilka, Markus 207: „Das Wort (sc. V. 32) wird in einer Situation drängender Parusieerwartung als deren Korrektur entstanden sein . . . " Das geht wiederum auf Pesch, Naherwartungen, zurück, der den Evangelisten in V. 32 gegen Falschpropheten, „die in der Gemeinde Verwirrung stiften", sprechen läßt, „um den Parusieschwärmern die Möglichkeit einer Berufung auf Jesus zu nehmen" (193).

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Sachfragen zu V. 33-36 noch kaum gestellt worden: Wie ist die Paränese in dem zugrundeliegenden apokalyptischen Lehrsatz theologisch begründet? Welcher Art ist die auf solcher Basis begründete Paränese? Läßt sich von da aus schon etwas für das Verhältnis zu den paränetischen Einschüben im ersten Teil des Schulgesprächs sagen? In welchem Verhältnis steht die eschatologische Konzeption vom kommenden Herrn (V. 3 3 - 3 6 ) zu der vom kommenden Menschensohn (V. 2 4 - 2 7 . 2 8 - 3 0 ) und zu „jenem Tag und der Stunde" (V. 32)? Auszugehen ist zunächst von der Frage, wie weit sich vormarkinische Tradition und redaktionelles Verfahren des Markus bestimmen lassen. Der Redaktion rechnet man am besten die einleitende Mahnung (V. 33 a) zu, doch ist das in der Sache das βλέπετε wiederholende und intensivierende α γ ρ υ π ν ε ί τ ε vermutlich ein Stichwort des im Folgenden beigezogenen traditionellen Gleichnisstoffs. Auch die Wiederholung der Mahnung in V. 35 a weist auf die Markus-Redaktion. Ebenfalls gehören ihr höchstwahrscheinlich die beiden Begründungen zu: V. 33 b gänzlich, in V. 35 b zumindest das einleitende ούκ ο ϊ δ α τ ε γάρ. Innerhalb dieses tragenden Gerüstes verarbeitet Markus traditionellen Gleichnisstoff in V. 34, im Rest von V. 35 und in V. 36. Dominierend ist der Gleichnisstoff vom weggehenden Herrn und dem auf seine nächtliche Rückkehr wartenden Sklaven (Türhütergleichnis). Außer dem Gleichnis selbst dürfte dem auch der Stoff in V. 35 b. c und 36 zugehört haben. Fraglich ist, ob dieser letztere Teil des Stoffes in ursprünglicher Form vorliegt und das ursprüngliche Ganze sich durch eine Ergänzung komplettieren läßt 2 5 2 . Der in V. 35 b sowie in V. 36 nötige Subjektswechsel spricht eher dagegen. Ob das auffallende αγρυπνείτε (V. 33a) dem Gleichnis zugehörte und als Einleitung diente 253 , muß ebenfalls offenbleiben; die Mahnung allein dürfte für eine Einleitung nicht ausgereicht haben. In anderer Verarbeitung wird dieser Gleichnisstoff auch Lk 12,35-38 geboten. Da beide Versionen nicht voneinander abhängig sind und zufällige Parallelität als ausgeschlossen gelten darf, kann eine gemeinsame Urform angenommen werden. Ihre Gestalt läßt sich freilich kaum verläßlich rekonstruieren. Eine Rückführung als reines Gleichnis auf Jesus, der darin zum Bereitsein „für das in der Zukunft liegende Eintreten der Vollendungsgestalt der βασιλεία τοϋ θεοϋ" aufgefordert hätte 254 , emp2 , 2 So Weiser, Knechtsgleichnisse 174. Er ergänzt nach V. 34: „Er wird also wachen, da er(!) ja nicht weiß . . W i e bei οϊδατε wird dann ein weiterer Subjektswechsel bei ύμάς und καΟεύδοντας vorgenommen. Dem folgt neuerdings Pesch, Mk-Kommentar 313. 316, gegen seine Rekonstruktion in Naherwartungen 195-201. 253 So Pesch, Mk-Kommentar 313. 254 So Weiser, Knechtsgleichnisse 144-151, speziell 150; ihm folgt Pesch, Mk-Kommentar 316 f.

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fiehlt sich nicht. Auf die Königsherrschaft Gottes, zumal in so spezieller Bedeutung, deutet nichts hin. Dagegen weist die Betonung des Zeitpunktes beim Kommen des Herrn, zumal im Gegenüber zu seinem Weggang, deutlich auf die Verarbeitung christologischer Reflexion. Die Motive vom plötzlichen Kommen, dazu noch in der Nacht, die Mahnung zum Wachen und das Gegenüber von „wachen" und „schlafen" spiegeln überdies zu auffällig entsprechende nachösterliche Paränese (s.u.). Der Gleichnisstoff dürfte also von Anfang an in allegorischer Verschlüsselung auf den kommenden Kyrios Jesus ausgebildet worden sein und in den Bereich der Paränese im weiteren Sinne gehört haben. Mit dem Türhütergleichnis verquickt, und zwar nicht ohne Spannung, ist jetzt ein anderer, ebenfalls allegorischer Gleichnisstoff: Ein Hausherr geht für längere Zeit auf Reisen und gibt seinen Sklaven Vollmacht, jedem speziell für eine bestimmte Aufgabe. Das ist offenkundig ein sekundärer Einschub; den ausgeführten Gleichnisstoff bot auch die Logienquelle (Mt 25,14-30 II Lk 19,12-27; vgl. auch Mt 24,45-51 par). Wer diesen Einschub ins Türhütergleichnis vornahm, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Für vormarkinische Zugehörigkeit spricht, daß Markus im Zusammenhang scheinbar ausschließlich am Motiv der Wachsamkeit liegt, der Einschub also kaum aus seiner Hand stammt. Ganz ausschließen kann man aber nicht, daß ihm daneben auch an der längeren Abwesenheit des Herrn und dem Motiv der Verantwortung lag. Stammt der Einschub nicht von ihm, hat er das Motiv immerhin nicht ausgeschieden, sondern aufgenommen. In jedem Falle darf man der Art des knappen Einschubs vielleicht entnehmen, daß es genügte, den sehr viel breiteren Gleichnisstoff nur eben anzudeuten - das Weitere war bekannt. Den Leitgedanken der redaktionellen Partien - Mahnung zu gespannter Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, begründet im Nichtwissenkönnen des genauen Zeitpunktes der Heilswende (V. 33 a. b. 35 a. b) - konnte Markus dem Stoff des Türhütergleichnisses entnehmen. Dennoch ist nicht anzunehmen, daß er ihn erst aus diesem Stoff bezogen hat. Der Leitgedanke mit seinen zugehörigen Einzelmotiven ist nicht nur weit verbreitet, sondern auch älter. Es ist durchaus möglich, ja wahrscheinlich, daß der allegorisch verschlüsselte Gleichnisstoff erst ein sekundäres Stadium darstellt. Folgende Einzelmotive, die einen Motivkomplex bilden und fast ausnahmslos in die Paränese im weiteren Sinne gehören, sind zu nennen: - Häufig ergeht die Mahnung, zu wachen 255. Das kann als Warnung, aber auch als Makarismus, jeweils im eschatologischen Horizont, ab255

So IThess 5,6; 1 Kor 16,13; 1 Ptr 5,8; Mk 14,34. 37f. II Mt 26,38. 40f. (in der par-

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

gewandelt werden 256. Zumeist wird das Verbum γρηγορεΐν, gelegentlich (wie Lk 21,36) auch άγρυπνεΐν verwendet. - In der Sache gleichbedeutend ist die Mahnung, bereit zu sein, zumal sie im gleichen apokalyptischen Zusammenhang steht 257 ; auch kann die Aussage mit γρηγορεΐν wechseln 258. - Zugrunde liegt das Gegenüber von Schlaf und Wachsamkeit, das gelegentlich ausdrücklich thematisiert wird (lThess 5,6; M k l 4 , 3 2 42 par). Das steht im Zusammenhang des Motivs, daß der endzeitlich kommende Herr die Seinen wachend oder schlafend „antrifft" (εύρίσκειν). Das Ereilen im Schlaf wird warnend vor Augen gestellt 259 . Das Antreffen in Wachsamkeit wird mit einem Makarismus bedacht 260 . - Uberall steht ausgesprochen oder unausgesprochen das Motiv von der Verborgenheit beziehungsweise dem Nichtwissenkönnen des Zeitpunktes des kommenden Herrn oder Menschensohns im Hintergrund, also jener Grundgedanke, der oben bereits als Element des apokalyptischen Lehrgesprächs herausgestellt worden ist. Ausdrücklich wird das Nichtwissen des Kommens in Apk 3,3 erwähnt. Mit dieser Stelle läßt sich auch belegen, daß das verbreitete Bild vom Kommen des Herrn „wie ein Dieb (in der Nacht)" 261 diesen alten apokalyptischen Grundgedanken gleichnishaft abbildet, und zwar jetzt in christologischer Abwandlung. Dasselbe muß dann auch vom Türhütergleichnis gelten. Stete Wachsamkeit für den zu unbekannter Stunde zurückkehrenden Herrn ist auch hier das Thema. Das Motiv vom unverhofften, plötzlichen Kommen (1 Thess 5,3; Mk 13,36), das auch im Bild vom Dieb in der Nacht anklingt, intensiviert nur jenen alten Grundgedanken. - Unübersehbar ist der apokalyptische Horizont des Ganzen auch, wenn man fragt, was die Mahnung zur Wachsamkeit verhindern und wozu sie verhelfen will. Die Gemeinde soll vor dem eschatologischen Verderben (lThess 5,3), vor dem Zorngericht Gottes bewahrt werden, für das sie nicht bestimmt ist (1 Thess 5,9), sondern vielmehr für die Erlangung des endzeitlichen Heils (ebd.). Auch der Makarismus änetischen Überarbeitung der Gethsemaneszene); Apk 3,2; M t 24,42; 25,13 (vielleicht Umbildungen von M k 13,33. 35); nur von Lukas geboten in 21,36. Paränetische Umbildungen mit engerem Bezug liegen Act 20,31 und Kol 4,2 vor. 256 Warnung: Apk 3,3; Makarismus: Lk 12,37; Apk 16,15. 257 M t 24,44 II Lk 12,40 (aus Q): ύμεΐς γίνεσΟε έτοιμοι. 258 So M t 24,43, wohl M t R e d (vgl. Lk 12,39), doch nimmt M t den Stoff aus Q damit sachentsprechend auf. 259 So in unserem Text M k 13,36; vgl. Apk 3,3. 260 So Lk 12,37; vgl. Apk 16,15. 261 l T h e s s 5,2; Apk 3,3; M t 24,43par.

Schulgespräch Β 2: Apokalyptische Paränese V. 33-36

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Apk 16,15 steht eindeutig im Horizont des vom apokalyptischen Propheten geschauten und dann geschilderten endzeitlichen Zornes Gottes (16,1-21). Die Wachsamkeitsforderung Lk 21,36 gibt als Ziel an, die Gemeinde vermöge so dem endzeitlichen Gerichtsgeschehen zu „entrinnen" (έκφεύγω) und vor dem Menschensohn „zu stehen", was als eschatologische Heilsaussage verstanden werden muß. - Charakteristisch ist für das genannte Stellenmaterial, daß nur allgemein das Grundverhalten der Wachsamkeit oder des Bereitseins gefordert wird. Selbstverständlich zielt das auf konkretes Verhalten. Aber es muß beachtet werden, daß der apokalyptische Prophet offenbar seine Aufgabe und Funktion nicht in der konkreten paränetischen Weisung, also in der Setzung des Rechts hat, nach dem Verhalten sich orientieren soll. Als Ausnahme muß schon gelten, wenn Apk 3,2 allgemein auf die Unvollkommenheit der Werke hingewiesen wird und 16,15 auf das „Festhalten der Kleider". Aber auch solcher paränetische Bezug darf nicht zu eng, etwa nur im Sinne der Ethik, verstanden werden. Die Kleidung (Panzer, Helm) besteht aus Glaube, Liebe, Hoffnung (lThess 5,8). Die Wachsamkeitsforderung kann präzisiert werden mit „steht fest im Glauben!" (1 Kor 16,13; l P t r 5,8 f.). - Auch das Verhalten, aus dem die Forderung zur Wachsamkeit herausholen will, wird meist nur mit dem Bild des Schlafs verallgemeinert und damit für viele konkrete Situationen offengehalten. Gleiches gilt vom parallelen, teilweise eng damit verbundenen Gegenüber von Trunkenheit und Nüchternheit 262 . Nur selten wird die Situation, in der die Forderung zur Wachsamkeit ergeht, etwas näher gekennzeichnet. In Mk 14,32-42 ist es die Situation der Versuchung (πειρασμός), allgemein gegeben mit der hinfälligen, schwachen und damit versuchlichen Konstitution menschlichen Wesens in der irdischen Welt (σάρξ). Stärker mythologisch und apokalyptisch ist in 1 Ptr 5, 8 f. an den feindlich agierenden Teufel und damit an den Herrscher dieser Weltzeit gedacht. Konkreter Anlaß ist übrigens beidemal der drohende irdische Lebensverlust. Wiederum wird als Problemlage apokalyptischer Theologie und Paränese die Bedrängnis in dieser Weltzeit sichtbar. Vor weiteren Erörterungen ist ein vorläufiges Fazit zu ziehen. Die Motive, die den von Markus in V. 33-36 beigezogenen allegorisierenden Gleichnisstoff sowie die den Text leitenden redaktionellen Bemerkungen beherrschen, haben jeweils nicht nur eine starke Verbreitung, sondern auch eine Vorgeschichte in apokalyptischer Paränese des Ur262 „Laßt uns nicht schlafen . . ., sondern wachen und nüchtern sein" ( l T h e s s 5,6). „Seid nüchtern und wacht!" (1 Ptr 5,8).

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

Christentums. Deren Grundgedanken - also nicht nur gewisse „Vorstellungen" - reichen in die jüdische Apokalyptik zurück. Das gilt unter anderem auch für die tragende Verbindung zwischen den beiden Abschnitten im zweiten Teil des Schulgesprächs, also für den Gedanken von der Verborgenheit des Zeitpunkts der Heilswende und der damit begründeten Paränese. Die Forderung zur Wachsamkeit hat den positiven Sinn, am Heil des endzeitlich kommenden Kyrios teilhaben zu lassen. Das schließt aber die kritische Warnung ein, beim plötzlichen und damit menschlichem Wünschen und Erwarten jenseitigen, unvorhersehbaren Kommen des Kyrios nicht im Schlaf befindlich angetroffen zu werden 263 . Der Schlaf symbolisiert das Gesamtverhalten dessen, der das Bewußtsein vom kommenden Herrn abgeschaltet hat und der betörenden Versuchung dieser Weltzeit verfallen ist; so wie das parallele Motiv der Trunkenheit im apokalyptischen Kontext das Gefangensein von der berauschenden Kraft dieser Weltzeit versinnbildlicht. Wachsein und Nüchternheit meinen hier dementsprechend das vom apokalyptischen Wissen geleitete Denken und Gesamtverhalten, daß diesem gegenwärtigen Aon sein Ende bevorsteht und Heil nur unter der Perspektive des kommenden Herrn eröffnet ist. Wie in den meisten der vorgeführten Parallelen ist die Schlußparänese von Markus 13 betont umfassend und grundsätzlich gehalten. Sie nimmt also nicht einfach summierend die paränetischen Einschübe des Geschichtsabrisses auf. Denkt man diese verschiedenen paränetischen Partien von Markus 13 konstruktiv zusammen, hat man in V. 3336 (37) die umfassende paränetische Grundlegung zu sehen, während die paränetischen Einschübe V. 5b-6. 9-13 und 21-23 mögliche und nötige Konkretionen ins Auge fassen. Der grundsätzliche Charakter der Paränese V. 33-36 und deren Zielrichtung in apokalyptisch erfaßter Weltlage läßt einen wichtigen Sachverhalt erkennen. Solche Paränese wird von apokalyptischem Prophetentum vertreten. Es hat im himmlischen Thronbereich des Gottkönigs geschaut, was dieser gegenwärtigen Weltzeit und den in ihr eingenommenen Grundhaltungen als jeweiliges Ende in Heil oder Unheil, Leben oder Tod schon bereitet ist und am Ende für alle sichtbar in Erscheinung treten wird. Von diesem Ende her beziehen diese Propheten ihre Vollmacht und auf dies Ende hin orientieren sie die Gegenwart - hier die Christengemeinde - in Ermunterung, Mahnung und Warnung.

263

D a s Textgefälle in M k 1 3 , 3 3 - 3 6 lautet: „Paßt auf, bleibt wach . . . , damit n i c h t . . . " In der Stoffparallele Lk 1 2 , 3 5 - 3 8 ist die Aufforderung mit dem f o l g e n d e n ί ν α - S a t z hingegen ausschließlich ins Positive gewendet. Darum f o l g e n hier zwei Makarismen.

Exkurs: Prophetie, Gericht und Recht

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Exkurs: Das apokalyptische Prophetenamt, das Gericht und das Recht Nach den vorherigen Feststellungen wird das in der Gemeinde geltende Rechtverhalten (das Recht im weitesten Sinne) von apokalyptischen Propheten unter der Perspektive des Endgeschehens dringlich in Erinnerung gebracht und gehalten. Das Recht erscheint so in der Form der Gerichtsparänese: als Ermunterung, Mahnung und Warnung zum Rechtverhalten angesichts des andringenden Heils- und Gerichtsgeschehens. Damit ist eine andere Beurteilung formuliert, als sie in entsprechenden Thesen von E. Käsemann vorgetragen wurde: Vor allem in dem Aufsatz „Sätze heiligen Rechtes im Neuen Testament" (1954, jetzt in EVB II 69-82), aber auch in den späteren Aufsätzen „Die Anfänge christlicher Theologie" (1960, ebd. 82-104) und „Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik" (1962, ebd. 105-131). Nach Käsemann gehört zur Charakteristik urchristlicher Apokalyptik - als dem Ursprung der gesamten christlichen Theologie - unter anderem, daß sie das in der Gemeinde geltende Recht im Gericht oder im Jüngsten Tag und so in der Naherwartung begründet sieht. Urchristliche Propheten setzen dieses Recht. Käsemann kann aber auch sagen „der (heilige) Geist" setze hier das Recht, und zwar als die gegenwärtig wirkende Macht des Richters. Das versteht sich von daher, daß im Propheten „der Geist" (eben die Macht dieses Richters) wirkt; der Prophet ist Charismatiker in diesem Sinne. Als solcher proklamiere und vollziehe der Prophet - im Sinne der Antizipation des Gerichts - das eschatologische oder charismatische Recht. Im Anschluß an diesen Exkurs wird die zu Beginn formulierte Beurteilung weiter zu entfalten sein. Da dabei nach Lage der Dinge vor allem die Auseinandersetzung mit den Thesen Käsemanns in den Vordergrund rückt, soll hier zunächst etwas kurz in Erinnerung gebracht und dann vor allem eine Sachfrage aufgegriffen werden, die in den seitherigen kritischen Stellungnahmen zu Käsemanns Thesen zu kurz gekommen ist oder als nicht sachgemäß beiseite geschoben wurde: die Frage nach dem Recht als solchem. Käsemann hat mit Recht an die urchristliche Apokalyptik als ein unbewältigtes Problem von Exegese und Theologie nachdrücklich erinnert. Das gilt auch, wenn man die Lösung dieses Problems weithin in anderer Richtung sucht. Käsemann ist einer der wenigen Exegeten, bei denen die Apokalyptik in der Interpretation positiv in Anschlag gebracht wurde - wie immer man das im einzelnen beurteilen mag. So findet sich bei ihm auch nicht das gängige, beliebte Ausspielen der Paränese gegen die Apokalyptik, das gerade auch die Auslegung von Markus 13 weithin beherrscht.

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Exkurs: Prophetie, Gericht und Recht

Käsemann spricht freilich vom „Recht", und damit ist eine Sachfrage gegeben, die im Folgenden erneut aufgenommen werden soll, soweit das der Rahmen der vorliegenden Untersuchung erlaubt und nötig erscheinen läßt. Dabei ist das Interesse weniger auf die spezielle Frage der sogenannten Sätze heiligen Rechtes gerichtet; vielmehr sollen die im Zusammenhang damit aufgeworfenen Fragen zur apokalyptischen Theologie bedacht werden, hier insbesondere die Frage nach dem Verhältnis von apokalyptischem Prophetenamt und Recht. Die Diskussion hat sich fast ausschließlich auf das spezielle Problem der sakralen Rechtssätze und allenfalls noch auf das des positiven Rechts im Sinne der Gesetzeskorpora bezogen. In dieser Hinsicht war Käsemanns These in form- und traditionsgeschichtlicher Hinsicht sieht man von einigen aus dem sakralen Gottesrecht verstehbaren Sätzen ab - freilich relativ leicht angreifbar. Das hat die Kritik von Berger (NTS 1970/71) gezeigt. Sie wurde unter anderem aufgenommen bei Dautzenberg (Prophetie 24-27) und bei Müller (Prophetie 178-183 u.ö.). Vor allem bei Berger wird die Frage des Rechts auf die Traditionen der Rechtssphäre im engeren Sinne eingegrenzt, dem Bereich der (alten) Weisheit entgegengesetzt und die apokalyptische Gerichtsvorstellung ausschließlich aus der traditionsgeschichtlichen Verwurzelung im weisheitlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang verstanden. Nun wird die Rechtsfrage schon da nicht abgeblendet werden können, wo auf ein rechtlich vorgehendes Verfahren beim Endgericht Wert gelegt wird. Insbesondere sind die Gerichtsszenen vor dem Thron des Gottkönigs zu bedenken, der hier ja die Funktion der Rechtswahrung wahrnimmt. Vor allem wird zu erwägen sein, ob der das Recht endzeitlich wahrende Gottkönig nur einem speziellen Lebensbereich zugeordnet werden kann, oder ob nicht gerade die theologisch verstandene übergreifende Richterfunktion des Gottkönigs auch einen übergreifenden Rechtsbegriff nötig macht, der das Rechtverhalten vor Gott über alle einzelnen Lebensbereiche hinweg in sich begreift. Von dieser Frage ausgehend, seien im Folgenden einige Erwägungen vorgestellt, welche die berechtigten, aber auch begrenzten Aspekte einzelmethodischer Fragestellungen überschreiten. 1. Die Bereiche der Gesetzeskorpora (des Rechts im engeren Sinne), des speziellen Sakralrechts (des sogenannten Gottesrechts) und der Weisheit (die eher vom „Ethos" aus zu begreifen ist) können und müssen selbstverständlich zunächst gesondert betrachtet und auch traditionsgeschichtlich verfolgt werden. Zu bedenken ist aber, daß schon innerhalb der Jahweverehrung solche Bereiche nicht isoliert bleiben und spätestens in Teilen des Frühjudentums eine zentrale Orientierung bekommen. Durchgehend zu beobachten ist zum Beispiel auch, wie die

Exkurs: Prophetie, Gericht und Recht

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Weisheit von der Prophetie in Anspruch genommen werden kann; in dieser Hinsicht hat bereits Müller (179 f.) Einwände gegenüber Bergers historisierender Ableitung erhoben. Problematisch ist es vor allem, aufgrund der durchaus zutreffenden traditionsgeschichtlichen Beobachtung, daß der eschatologisierte weisheitliche Tun-Ergehen-Zusammenhang in der Apokalyptik eine bedeutende Rolle spielt, auch in der Sache alles Entscheidende aus alten weisheitlichen Grundgedanken und Prämissen abzuleiten. Solches Verfahren liegt etwa vor, wenn aus dem weisheitlichen Gedanken des Ausgleichs von Tun und Ergehen gefolgert wird, dem Gerichtsgedanken der Apokalyptik liege „der Gedanke an Gesetz, Recht und Übertretung dieser Größen fern" (Berger, ebd. 31); oder wenn suggeriert wird, der Gerichtsgedanke sei ohne Zusammenhang mit dem Gesetz (Recht) entworfen worden (ebd. u.ö.). Das Gegenteil ist - jedenfalls für die Apokalyptik im 1. Jahrhundert n.Chr. (AssMos; 4Esr; syrBar) - der Fall: Gesetz und Weisheit, auch Prophetie und Weisheit zeigen sich hier in starker gegenseitiger Durchdringung. Mose ist hier das Urbild des apokalyptischen Propheten! Weisheit als Weisesein meint in diesem Stadium der Apokalyptik, den Weltenherrn (Gottkönig) als solchen gelten zu lassen, seinem „Weg" gegenüber Vertrauen zu wahren und sein weltordnendes Gesetz oder Recht grundsätzlich anzuerkennen und konkret zu halten. Der Schöpfer als königlicher Weltenherr, das Gesetz als Gesamterscheinung der Rechtsforderung oder Rechtsordnung Gottes und das Endgericht sind engstens zusammengedacht: Gesetz und Gericht gehören zur Grundordnung der Schöpfung! Im Gesetz sind förderliche Weltverhältnisse verheißen, also Leben, Segen und Heil. Die Funktion des Gerichtes ist es, das weltordnende Recht Gottes zu wahren 264 . 2. Im Gericht kommt primär das Herrsein des Weltenkönigs zur Geltung. Darauf ist die Hoffnung derer gerichtet, die in dieser Weltzeit teilweise unter Hingabe des Lebens - sich an diesen Herrn und sein Recht gebunden und darin geborgen wissen. Im apokalyptischen Gerichtsgedanken im wesentlichen „einen Ausgleich in Glück und Unglück" zu sehen, oder nur den Zeitpunkt, „von dem ab die ,natürlichen' Folgen des Handelns eintreffen", die bloße „Übertragung" des weisheitlichen Grundmusters aus der Immanenz ins Eschaton (so Berger 24. 31; „lediglich" dies 27, „primär eine ausgleichende Funktion" 31), trifft nicht den Nerv apokalyptischer Theologie. Es besteht kein Anlaß, den richtenden Gott der Apokalyptik primär als realisierenden Funktionär des weisheitlichen „Grunddogmas" zu begreifen (zu Bergers Feststellung ebd. 24). Der Lebensbereich der Weisheit, ihr Erfahrungs- und 264 Vgl. zum Vorherigen insgesamt Brandenburger, Verborgenheit: s. Stichwortregister und z.B. 166f. 175. 184f. 190f.

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Exkurs: Prophetie, Gericht und Recht

Reflexionspotential, ist in eine andere Gotteserfahrung integriert worden. 3. Man kann den auf das Rechtsein und das Rechtverhalten zielenden Schöpferwillen Gottes durchaus systematisch unter dem Begriff des Rechtes zusammenfassen. Im Neuen Testament kann man sich hierfür auch auf Rom 6,12-23; 8,4; Gal6,2; Mt 5,17-20 und bereits auf den zentralen Gedanken der Königs herrschaft Gottes in der Verkündigung Jesu berufen. Dieser letztere Gedanke taucht bezeichnenderweise wieder in der urchristlichen Apokalyptik auf (1 Kor 15,23-28; Apk: durchgehend). In der paulinischen Theologie wird dieses Sachanliegen in anderer Gestalt auch in der Reflexion aufgenommen, welche Macht in dieser Welt königliche Herrschaft ausübt (βασιλεύειν: Rom). Dabei geht es im Gegenüber um verfehlte und gnädig neu gewährte Existenzordnung. Die königliche Herrschaft der Gnade, die im Christusgeschehen vermittelt ist und sich als neue Gewährung des Rechtseins verwirklicht (Rom 5,21), unterstellt darin zugleich dem Recht dieser neuen Existenzordnung (Rom 6,12-23). Allerdings ist folgendes zu beachten: Solcher Begriff des Rechts greift erheblich weiter und ist vor allem grundsätzlich anders orientiert als die Bereiche des sogenannten positiven Rechts, des Ethos usw. Er liegt ihren geschichtlichen Erscheinungen immer schon grundsätzlich voraus, geht nicht in ihnen auf, hält sie ständig kritisch in Bewegung ist jedenfalls darauf aus. Es ist zwar etwas mißlich, zwei Begriffe von Recht zu verwenden: erstens das sogenannte positive Recht, das Recht im engeren Sinne; zweitens das Recht.als umgreifender Gotteswille, der auf das Rechtsein der Beziehung zu ihm als Weltenkönig und damit auch auf das Rechtsein der Bezugsverhältnisse in der Schöpfungswelt gerichtet ist. Aber in wichtigen Bereichen frühjüdischer Theologie, wie der Apokalyptik (s. o.) und der theologischen Weisheit, in deren Rahmen sich urchristliches Denken zunächst - nehmend und kritisch verwandelnd - entfaltet hat, ist das Gesetz oder das Recht, in der Apokalyptik auch das Gericht, zu einer universalen, die Schöpfung insgesamt ordnenden Größe geworden. Bei solchen Verwandlungen älterer Voraussetzungen unter den Herausforderungen einer anderen Zeit kann das alte Erbe notwendigerweise nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt bewahrt werden. Die Gefahr, daß es auch in seinem Wesen verändert wird, ist dabei immer gegeben. Dennoch sollte man das Stadium, in dem das Recht (Gesetz; Gerechtigkeit) und das Gericht zu weltordnenden Größen in einem universalen Schöpfungsdenken werden, nicht rückwärtsgewandt, also dann mehr oder weniger romantisch, nur als Abfall vom Ursprung betrachten. Welche zeitgeschichtlichen Bedingungen auch immer als aus-

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lösende Faktoren mitgewirkt haben mögen, die genannte theologiegeschichtliche Weiterführung in späterer Apokalyptik und theologischer Weisheit muß als solche bedacht und auch für die Interpretation urchristlicher Phänomene in Anschlag gebracht werden. Nach diesem Exkurs sei nun die Ausübung des apokalyptischen Prophetenamtes hinsichtlich der Gerichtsparänese weiter bedacht. Zunächst wird man feststellen müssen, daß solche Propheten in dieser Funktion nicht eigentlich Recht setzen, etwa ein neues, eschatologisches oder gar charismatisches Recht 265 . Das Recht in der Gemeinde, also die grundsätzliche und die konkrete Weisung Gottes für das Rechtverhalten in der Welt, wird nicht dadurch in seinem Wesen gesetzt oder verändert, daß apokalyptische Propheten die endzeitlichen Ergehensfolgen (Heil oder Unheil) in Vollmacht ansagen. Was sie als vom Geist Inspirierte und Ergriffene schauen, ist, daß der Weltenkönig auf das bekannte, aber allenthalben verdrängte, niedergehaltene Recht hält, daß er es im endzeitlichen Retten und Richten wahrt und ihm sowie seinen konkreten Ergehensfolgen somit zum Durchbruch verhilft. So kann man also weder sagen, die Naherwartung oder der jüngste Tag 2 6 6 noch auch der inspirierende Geist setzten das Recht oder sie begründeten es apokalyptisch 267 . 265

Diese Begriffe verwendet Käsemann, Sätze 74: „charismatisches Recht", weil durch Charismatiker verkündet und vollzogen; 75. 76: „eschatologisches Recht/Gottesrecht"; Anfänge 103: „eschatologisches Gesetz". Die Formulierung „Gesetz des göttlichen H a n delns vom jüngsten Tage" (Sätze 70), die wohl denselben Sachverhalt bezeichnen soll, ist ebenfalls mißverständlich. Sie wird aber später (Anfänge 96) zutreffend präzisiert: Die Propheten rufen die Jünger Jesu zum Gehorsam, indem sie ihnen „die Kriterien des Jüngsten Gerichtes" vorhalten (Hervorhebung von mir); vgl. ebd. 91. 103. Aber ist dann die Rede vom charismatischen oder eschatologischen Recht sinnvoll? Wenn f ü r Käsemann (Anfänge 92 u. ö.) „die apokalyptische Naherwartung . . . wie der Enthusiasmus . . . die Prämissen (!) der behandelten Sätze (sc. heiligen Rechtes)" sind, so könnte der Eindruck entstehen, dies sei in der Sache ein anderes Recht, etwa das Recht der Zeit der N a h e r w a r t u n g und des Enthusiasmus. Doch denkt Käsemann wohl nicht an Interimsethik o. ä. 266 Käsemann sieht Gottes Recht „mit dem Handeln des Weltenrichters am jüngsten Tage begründet" (Sätze 81). „Der vor der T ü r stehende Weltenrichter begründet das . . . Recht" (ebd. 75). „Die Paränese ist in der nachösterlichen Gemeinde zunächst apokalyptisch begründet w o r d e n " (Anfänge 96). Diese These wird bis in die Römerbriefkommentierung durchgehalten: „Hier (sc. in Rom 13,11-14) schimmert noch durch, d a ß ursprünglich die Naherwartung (!) die christliche E r m a h n u n g begründete ( G r a b n e r - H a i d e r 108 ff.) . . . " (Käsemann, Römer 349). An frühjüdischer Apokalyptik kann man studieren, daß der Gerichtsgedanke nicht eigentlich das Recht begründet. Was Recht ist, also das Gesetz, ist längst bekannt; es gehört in den Bereich der Schöpfung, welche Weltordnung konstituiert. Das Gericht wahrt den Sinn der Schöpfung, setzt neue Welt in Kraft. Der Gerichtsgedanke ist von der N a h oder Fernerwartung unabhängig. Ein in der AfcAerwartung begründetes Recht wäre ja auch mit dieser hinfällig.

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Zurückhaltung ist im Rahmen apokalyptischer Texte schon mit der Rede von „dem Geist" angebracht. Jüdische Apokalyptik legitimiert solche Rede nicht. In christlicher Apokalyptik, die hier eine Besonderheit haben könnte, findet sich „der Geist" als Sprecher erst am Ende des ersten Jahrhunderts in den sieben sogenannten Sendschreiben der Apk (2,7. 11. 17. 29; 3,6. 13. 22; vgl. 14,13). Die erst allmähliche Verwandlung des zugrundeliegenden alttestamentlichen Botenspruches läßt sich noch in Texten um die Jahrhundertwende und danach beobachten (Act 13,2; 21,11; IgnPhld 7, 2) 268. Die vorherrschende Anschauung ist die der pneumatischen Ekstase, die bei der Vermittlung des Einblicks in die eschatologischen Geheimnisse, die schon im himmlischen Thronbereich bereitet sind, eine Rolle spielt. In diesem Zusammenhang besteht Anlaß, die konkreten Vorgänge im Auge zu behalten: Vision, Audition, Entrückung oder Himmelsreise, Beteiligung von Engeln (z.B. Apk 1,1 f.; 4,1 f.; 10,8-11; 21,9f.; 22,6. 8 u.ä.). Die nahezu hypostatische Rede von „dem Geist", zumal mit Anklängen an paulinische Christologie die Glaubenden „in Christus", der Christusgeist als wirkende Dynamis „in" ihnen - , ist hier fehl am Platze 269 . Diese letzteren Anschauungen 267 Nach Käsemann wird das durch das Nahesein des Weltenrichters begründete Recht zu einer „Funktion des Geistes" (Sätze 75). „Der Geist . . . setzt feste O r d n u n g " (ebd. 76). „Vom heiligen Geist wird wirklich dekretiert" (ebd.). „Der Geist setzt hier Recht" (ebd. 80). 269 Müller, Prophetie 51-54, sieht darin eine Verquickung der alttestamentlich-jüdischen mit der hellenistischen Prophetenanschauung. Für die letztere beruft er sich auf Philo n, SpecLeg IV 49; RerDivHer 265 u.ä. (vgl. ebd. 32 f.). Das ist der T e n d e n z nach möglich, geht aber vielleicht schon etwas zu weit. Die philonischen Texte jedenfalls f ü h r e n auch in andere Bereiche, die mit der Apokalyptik nicht mehr vergleichbar sind; vgl. zu den verschiedenen Zusammenhängen Brandenburger, Fleisch und Geist 123-134 (140). 4 E s r 14,39 sollte nicht übersehen werden (dazu ebd. 125). Bei der Frage der Identifizierung von Geist und (redendem!) Christus ist Müller (ebd. 51) mit Recht zurückhaltend. Sollte „der Geist" als Redender in Apk 2,7 etc. und 14,13 einerseits und 22,17 andererseits einer sein, käme eine Identifizierung - wegen des Bittrufes „Komm!" und der Parallelität mit „der Braut" - nicht in Frage (die Äußerungen Müllers, ebd. 51 und 203, passen nicht ganz zueinander). Μ . E. bezeichnet hier „der Geist" nicht den redenden Christus selbst - Vorstellungsweisen wie Rom 8 , 9 f f . sind davon ohnehin zu unterscheiden. Es redet durchaus der Prophet, und zwar auf dem Hintergrund üblicher ekstatischer Entrückung (Apk 1,10; 4,2 έ γ ε ν ό μ η ν έν πνεύματι). Er redet als ein Wesen, das in solcher ekstatischen Entrückung schon proleptisch der himmlischen Welt kurzfristig zugehört, darum den thronenden himmlischen Christus vernehmen und das Gehörte der irdischen Gemeinde vermitteln kann. „Der Geist" ist das von der K r a f t des jenseitigen Pneuma ergriffene, himmlische Ich des Propheten. 2M Neben den in Anm. 267 genannten Äußerungen vgl. u. a.: „Der Geist ist die Macht, welche Gottes Recht auf Erden im W o r t der Verkündigung proklamiert, mit dem H a n deln des Weltenrichters am jüngsten Tage begründet und im neuen Gehorsam des Christen verwirklicht" (Sätze 81). Aber so - vor allem in der Verbindung mit dem Geist als W i r k k r a f t des neuen Gehorsams - läßt sich nur formulieren, wenn man die Sprach- und

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sind ja auch nicht im religionsgeschichtlichen Horizont der Apokalyptik vermittelt worden. Auf jeden Fall setzt hier der Geist weder das Recht noch begründet er es im genauen Sinne des Wortes. Aber auch das Gericht - geschweige die Naherwartung - setzt und begründet in der Apokalyptik nicht das Recht. Das läßt sich an Texten frühjüdischer Apokalyptik studieren 270 . Worin das Recht besteht, das Denkmöglichkeiten, welche die Apokalyptik und die dualistische Weisheit bereithielten, unterschiedslos vermengt und die letzteren f ü r Apokalyptik ausgibt. Dieses Verfahren, über dessen teilweise Berechtigung zur systematischen Erfassung paulinischer Theologie durchaus nachzudenken wäre, ist an wichtigen exegetischen Knotenpunkten f ü r die späteren Arbeiten Käsemanns einschließlich der Römerbriefkommentierung charakteristisch. Beispielhaft liegt es bereits der Interpretation von „Gottesgerechtigkeit" bei Paulus zugrunde. Das Drängen auf die Interpretation im ganzen hat gewiß sein Recht. Wenn dabei aber die historischen Konturen und Eigentümlichkeiten von erheblich verschiedenen Sprachund Denkbereichen auf Kosten weithin einliniger und einseitiger Interpretation verwischt werden, darf man Käsemanns eigene, berechtigte Kritik an vorschneller hermeneutischer Interpretation in Erinnerung rufen (Thema 106 f. Anm. 2, Abs. 2). Auch innerhalb historischer Interpretation hat diese Kritik ihr Recht. 270 Käsemann hat in keinem der drei genannten Aufsätze diesen naheliegenden Sprach- und D e n k h o r i z o n t f ü r die Interpretation zu Rate gezogen und fruchtbar gemacht. Das hat seinen Preis. Gerade bei den knappen sog. Sätzen heiligen Rechtes, die des zugehörigen Kontextes entbehren, muß der H o r i z o n t apokalyptischer Texte bedacht werden. Verständlicherweise werden so bei Käsemann auch etliche Denkmuster eingetragen, die nicht der Apokalyptik entstammen. D a z u zählt u. a. die Behauptung, im „Wort des Charismatikers" ( = des Propheten!) werde nicht nur der Maßstab des göttlichen Handelns vom Jüngsten Tage aufgedeckt (das läßt sich im Rahmen der oben und unten vorgenommenen Modifikationen durchaus vertreten), sondern er „nimmt den Urteilsspruch des letzten Richters vorweg" (Sätze 70 f.); kritisch und differenziert dazu Müller, Prophetie 180 (zu Apk 22,18 f.; 1 Kor 14,38), 181-183 (zu 1 Kor 5,3-5), zusammenfassend 183-185. Diese Behauptung der Antizipation des Gerichts als Charakteristikum des apokalyptischen Propheten qua Charismatiker wird durchgehend vertreten: „Das durch den Charismatiker erfolgende Gericht . . ." (ebd. 71). „Der Charismatiker warnt nicht bloß, sondern proklamiert die bereits gegenwärtige Macht (!) des Richters, deren Antizipation vor dem jüngsten Tage . . . " (ebd. 72; „eschatologisches Urteil vorwegnehmen"). „Wer es (sc. das eschatologische Gottesrecht im Medium des Wortes) vernimmt, wird dadurch gerichtet oder begnadigt und verfällt dabei immer der darin handelnden Gottesmacht" (ebd. 75). Die spätere Behauptung verwundert dann nicht mehr: „Die Johanneische Aussage, daß das Gericht bereits gegenwärtig stattfinde, ist in nuce, wenngleich in anderen religionsgeschichtlichen Aussageformen, schon in der nachösterlichen Gemeinde präfiguriert" (Anfänge 103). Das ist zu bestreiten. Die hier in Frage kommenden religionsgeschichtlichen Phänomene sind nicht nur in der „Form" - also in der äußeren Hülle, bei gleichem Kern in der Sache - verschieden. Was Käsemann hier f ü r Apokalyptik ausgibt, ist keine geläufige apokalyptische Denkstruktur. Die f ü r Käsemann hier und sonst tragenden Begriffe „Macht", „handelnde Gottesmacht" sind aus anderen Denkstrukturen in die Apokalyptik eingetragen worden, vielleicht über seine Vorstellung vom „Charismatiker" und vom „Enthusiasmus". Differenzierte Beobachtung von historischen D e n k - und Interpretationsvorgängen wird so erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. So kann auch das Grundproblem der

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ist längst bekannt - aber es wird jetzt in dieser Weltzeit an seiner wirksamen Erscheinung gehindert, niedergehalten, unterdrückt. Ebendas charakterisiert diesen Aon unter anderem als böse. Das Recht gehört in den Bereich des Schöpfers, der die Welt auf ihn und auf das Leben hin orientiert, geordnet hat. Darum legt Jesus in seinem irdischen Wirken und für die Gegenwart das tradierte Recht kritisch auf seinen eigentlichen, wahren Sinn hin aus und praktiziert dem entsprechendes Rechtverhalten. Darum sehen Teile des Urchristentums in ihm den neuen Mose. Andere verstehen ihn als Schöpfungsmittler, in dem Weltordnung anders und neu gesetzt worden ist als in der mit dem Gesetz einigen Weisheit jüdisch-hellenistischer Theologie. Jesus wird damit und insofern als die wahre Weisheit bekannt - übrigens längst vor Paulus 271 und auch nicht nur in Umformung der Apokalyptik als „Mutter aller (!) christlichen Theologie" 272. Das Gericht hat nach apokalyptischem Denken die Funktion, das die Welt ordnende Gesetz in Geltung zu halten. Im apokalyptischen Gerichtsgedanken wird das irdisch umstrittene Denkmuster des weltordnenden Tun-Ergehen-Zusammenhangs als eschatologisch in Geltung und Kraft stehend betrachtet. Mag das in der prophetischen Schau der himmlischen Geheimnisse und damit nicht als rational-theologisches Gedankengebilde zugekommen sein, es ist gleichwohl der Versuch der Vergewisserung einer alten Hoffnung 2 7 3 . In der theologischen AnwenApokalyptik nicht zum Vorschein kommen: d a ß die K r a f t des weltordnenden Schöpfers in der gegenwärtigen Welt dem tragenden Bekenntnis H o h n zu sprechen scheint. Nicht von der Antizipation des Eschaton, sondern von der Abwesenheit, Ferne und Verborgenheit Gottes im Weltgeschehen muß gesprochen werden, wenn sichtbar werden soll, was Apokalyptik provöziert hat, was sie bedenkt und zu lösen beansprucht - doch nicht durch Antizipation im strengen Sinne des Wortes; das hätte ihr in der zu bewältigenden Problemlage niemand abgenommen. In der Situation der Bedrängnis schaut der apokalyptische Prophet, was Gott für die Zukunft „bereitet" hat, und dies wird den bedrängten Gruppenzugehörigen vermittelt. D e r Begriff der Antizipation (Vorwegnahme) d ü r f t e dieses Phänomen - im Unterschied zu hellenistisch-mystischen Himmelsreisen - kaum zutreffend erfassen. 271 In 1 Kor 8,6 liegt bereits vor Paulus geprägte Tradition und Theologie vor, nicht weniger Kol 1,15-20 (abzüglich der Interpretamente des Verfassers des Kol). Die Basis solcher Konzeption ist breiter; darauf kann hier nicht eingegangen werden. Der Sinn solcher Aussagen innerhalb der theologiegeschichtlichen Auseinandersetzung zwischen Teilen des Urchristentums mit Teilen des Judentums ist noch kaum theologisch erfaßt worden (im allgemeinen begnügt man sich mit dem Aufweis von „Vorstellungen"). Jedenfalls läßt sich hier eine bedeutende theologische Reflexion greifen, die urchristlicher Apokalyptik insoweit nicht nachsteht. M a n f ü h r t in die Irre, wenn man diese theologischen Entwürfe nur als Reflex oder als U m f o r m u n g der urchristlichen Apokalyptik sieht und behauptet (vgl. Anm. 272). 272 So Käsemanns bekannte, provozierende These (Anfänge 100). Von da aus leitet er die anderen Entwürfe als U m f o r m u n g e n ab; vgl. T h e m a 121 ff. 273 Z u r Frage des apokalyptischen Gerichtsgedankens siehe Brandenburger, Verborgenheit 180 f. 185. 190; den., Weltenrichter 135 ff. (vgl. Register).

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dung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs lagen schon immer Erfahrung und H o f f n u n g eng beieinander. Solche grundlegende Funktion des endzeitlichen Gerichts, verkündetes und durch Lehre vermitteltes Recht in Geltung und Kraft zu halten, und so zu wahren, ist auch der wahre Grund, warum in der Apokalyptik in der Regel die konkrete Paränese fehlt und pauschal das Gesetz in Erinnerung gebracht wird 2 7 4 . Dem entspricht, was oben zu Markus 13,33-36 und den neutestamentlichen gerichtsparänetischen Parallelen beobachtet wurde. Worin Recht und Rechtverhalten bestehen, das braucht auch bei Markus vom apokalyptisch-prophetischen Lehrer Jesus nur umfassend und grundsätzlich in Erinnerung gebracht zu werden. Es ist der Gemeinde bekannt, es ist ihr gelehrt worden. Grundlage solcher Lehre ist die kritische Aufnahme und vollmächtige Interpretation des Gesetzes durch Jesus samt der Setzung von Rechtverhalten in seinem Lebensweg und Leidensgeschick. Beides hat der Evangelist Markus, soweit ihm das Traditionsmaterial eine Basis d a f ü r bot, dargestellt. Wie speziell die Grundlage des Geschickes Jesu Recht setzt, kann man an der Komposition des Evangelisten in 8,27-9,1 studieren, später an 14,32-42, aber wohl auch teilweise in der Passionsgeschichte sonst. In 13,5-32 hatte apokalyptisches Prophetenamt darin bestanden, auf eine aus bedrängter Lage gestellte Frage einzugehen. Es stiftete erneut Vertrauen durch die Enthüllung des Weges Gottes, durch die O f f e n barung des wahren Zeichens und den Einblick in das Geschehen der Heilswende; ebenfalls durch die Beteiligung am apokalyptischen Erkenntnisprozeß (V. 28 f.) und die Enthüllung und Bekräftigung des Standortes der bedrängten Gemeinde nicht weit vor der Heilswende (V. 30 f.). Eine kritisch ermunternde und warnende Funktion nimmt apokalyptische Prophetie in der Paränese wahr: Auf der Basis des durch Lehre vermittelten Rechtverhaltens wird dies grundsätzlich in Erinnerung gebracht und - andeutend nur in Markus 13 - unter das endzeitliche Heils- und Unheilsgeschehen gestellt 275 . Wer solches apokalyptische Prophetenamt in welcher sonstigen Stellung auch immer wahrnehmen mag, ist vermutlich gar nicht so wichtig 276 . Es kann in dieser Frage daran erinnert werden, daß der 274 Der Tatbestand selbst ist bei Rössler, Gesetz 45-54, richtig beobachtet worden. Aber die hier und später daraus gezogenen Folgerungen sind problematisch und lassen wenig Veständnis für das Grundproblem apokalyptischer Theologie und für ihren Lösungsvorschlag erkennen. 275 Was positiv verheißen ist, hat Markus schon mit dem traditionellen V. 13 b gesagt, einem Logion, das stark an die Uberwindersprüche der Apk erinnert. Der Sitz im Leben d ü r f t e der gleiche sein. 276 Käsemann (Sätze 79 f.) stellt Propheten und Lehrer alternativ gegeneinander. Die frühe Gemeinde sei „von Propheten geleitet", später die Prophetie „vom Lehrstand abge-

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Kreis der Weisen im 4 Esr diese Funktion ausübt. Er versteht sich als in der Kette der apokalyptischen Propheten von Mose her stehend, ist mit ekstatischen Praktiken sowie mit der Inspiration durch den Geist bestens vertraut - und trägt dennoch sein Anliegen auf weite Strecken in weisheitlichen Lehrdialogen vor 2 7 7 . In der AssMos wird Mose nebeneinander als „der göttliche Prophet" und als „der vollkommene Lehrer in der Welt" bezeichnet (11,16), wobei diese Offenbarungsschrift (profetia) durch und durch apokalyptische Prophetie darbietet, diese aber weithin in der Form des Testaments vorträgt. Paulus versteht sich als Apostel nicht nur auf die Prophetengabe 2 7 8 ; er weist ausdrücklich darauf hin, daß er in allen seinen Gemeinden das Rechtverhalten in Christus als Lehrer vermittelt hat und Mitarbeiter beauftragt, dies in Erinnerung zu bringen (1 Kor 4,16 f.). Wichtig ist, wie er hier und öfter gerade nicht prophetisch geschautes, charismatisch-eschatologisches Recht, sondern sich selbst - „meine Wege in Christus" - der Gemeinde als Wegweisung einprägt. Diese Existenzbewegung soll die Gemeinde „nachahmen", wie er sich von der im Christusweg begründeten Existenzordnung prägen läßt ( l K o r 11,1; vgl. Phil 2). Markus stellt zunächst Jesus als in Vollmacht Lehrenden dar (1,21 f.). Am Ende seiner Wirksamkeit läßt er ihn als Lehrer des esoterischen Schulgesprächs das apokalyptische Prophetenamt ausüben. Eher noch schärfer tritt das bei Matthäus heraus, wenn man die Kapitel 5 - 7 mit 24-25 konfrontiert. Das Vermächtnis des Lehrers ist - eine Apokalypse, eine prophetischesoterische Offenbarungsrede f ü r den Jüngerkreis. Wichtiger noch ist die Frage, was Apokalyptik in ihrem Wesen charakterisiert und unter welchen Bedingungen sie aufgetreten ist. Aufgrund von Untersuchungen zur jüdischen Apokalyptik und der in dieser Untersuchung vorgetragenen Analyse der vormarkinischen kleinen Apokalypse sowie von Markus 13 selbst meine ich begründet behaupten zu können, daß ursprüngliche Apokalyptik nicht ohne Vorliegen einer mehr oder weniger schweren Krisensituation oder bestimmter, gravierender Differenzerfahrungen entsteht. Solche Krisenlage sucht der löst" worden. Aber darf man im M t E v nur „die Übernahme und M o d i f i k a t i o n des prophetischen Erbes durch den christlichen Rabbi" konstatieren? Zu solcher Annahme wird man verleitet, w e n n man Matthäus pauschal und undifferenziert ein „antienthusiastisches Ressentiment" unterstellt. Aber richtet sich etwa M t 7 , 1 5 - 2 2 gegen apokalyptisches Prophetentum? Kaum. M k 13 kann nach der oben gegebenen Analyse nur schreiben und eine Ausarbeitung dieser Apokalypse wie in M t 2 4 - 2 5 kann nur bieten, wer selbst viel v o m apokalyptischen Prophetentum versteht. U n d in M t 2 5 , 3 1 - 4 6 - sowie schon in der V o r lage dazu - tritt, ähnlich wie in 7 , 1 5 - 2 2 , apokalyptische Prophetie gegen ein anderes Prophetentum an, vgl. dazu Brandenburger, Weltenrichter 8 6 - 9 7 . 177

D a z u vgl. meine Analyse des 4. Esrabuches. Einseitig stellt Käsemann, Sätze 73 ff., alles auf Paulus als Propheten im Sinne charismatisch-eschatologischen Rechtes ab. 278

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apokalyptische Prophet zu bewältigen: von dem gewährten Einblick in die jenseitige Weisheit des himmlischen Königtums Gottes her, die von ihrem endzeitlichen Erscheinen her die Verborgenheit Gottes im Weltgeschehen entschlüsselt. Auf dieses Ende in Heil (Rettung) und Unheil hin sucht der apokalyptische Prophet darum seine in einer bestimmten Weltlage bedrängte Gemeinde zu orientieren. Ist das richtig, dann muß solche Beobachtung bei der schwierigen Frage, seit wann und unter welchen auslösenden Geschehnissen es Apokalyptik im Urchristentum gab, als Ausgangspunkt weiteren Überlegungen zugrunde gelegt werden. Solche Beobachtungen schließen aus, urchristliche Apokalyptik durch die Grundhaltung des Enthusiasmus und die nachösterliche Geisterfahrung ausgelöst zu sehen 2 7 9 . Wohl dürften den Trägern des apokalyptischen Prophetentums, das den W e g wies, der Einblick ins himmlisch-endzeitliche Geschehen ekstatisch und vermittelst der Inspiration des Geistes gewährt worden sein. Und es wird wohl die lösende theologische Konzeption in der Naherwartung des kommenden himmlischen Menschensohnes beziehungsweise des kommenden Kyrios bestanden haben. Aber die auslösenden Ereignisse, welche apokalyptische Botschaft und Theologie - unter Inanspruchnahme frühjüdischer Apokalyptik - als lösende, die Krisenlage bewältigende Antwort erscheinen ließen, sind damit nicht benannt. 279 So Käsemann (Thema 106 u.ö.): „Da die urchristliche Apokalyptik im Sinne der Naherwartung . . . durch die nachösterliche Geisterfahrung ausgelöst, durch Pneumatiker lebendig erhalten und theologisch aus der Tradition jüdischer Apokalyptik gespeist, endlich von enthusiastischen H o f f n u n g e n und Manifestationen begleitet wird, sehe ich in ihr die erste Phase des weitergreifenden nachösterlichen Enthusiasmus." Aber worin genau besteht „die Geisterfahrung" (Käsemann scheint an mehr zu denken, als die f ü r die Apokalyptik charakteristischen Phänomene)? Darf man so unpräzis von „Pneumatikern" und vom „Enthusiasmus" sprechen? Worin genau bestehen die „enthusiastischen Manifestationen" eines apokalyptischen Propheten? Es sieht so aus, als habe Käsemann einen anderen Typus des Propheten, den es ja gibt, in die urchristliche Apokalyptik hineinprojiziert. Wohl kann und muß man erwägen, ob frühe und spätere urchristliche Apokalyptik nicht gegenüber der frühjüdischen eine spezifische Gestalt hatte, und zwar auch ganz abgesehen von dem entscheidenden Unterschied, daß der kommende Weltenrichter Jesus die Rechtskriterien des Gerichts teilweise selbst neu gesetzt hat. Dennoch: Kann auch die glühendste apokalyptische Naherwartung (von „Enthusiasmus" spreche ich hier nicht, weil dieses Phänomen dem zugehörigen anderen religionsgeschichtlichen Bereich vorbehalten bleiben sollte) jene Differenzerfahrung der Johannesapokalypse zwischen dem grauenvollen Geschehen in diesem Aon und der im himmlischen Thronbereich gerade eben entscheidend sich anbahnenden Heilswende überspringen? Der Prophet hat geschaut, was bald kommen soll. Die gegenwärtige Weltzeit aber bleibt bestehen mit ihren Leiden, Todeserfahrungen und Versuchungen. Die apokalyptische Prophetie soll das durchstehen helfen. Ist es wirklich nötig, führt es weiter, wenn man das alles mit den aus anderen Bereichen stammenden Charakterisierungen „Charismatiker", „Pneumatiker", „Enthusiasmus", „enthusiastische Manifestationen" bedenkt?

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Das Problem kann und soll hier nicht ausführlich weiter verfolgt werden. Dazu sind eine breitere Textbasis und weitere diffizile Einzeluntersuchungen nötig. Der Ausgangspunkt allein und speziell bei den sogenannten Sätzen heiligen Rechtes erscheint für dieses Problem nicht besonders hilfreich. Hinweise f ü r die Rückfrage in frühere Textbereiche hinein könnte die in dieser Studie herausgearbeitete Art der Problemlagen in der vormarkinischen kleinen Apokalypse und in Markus 13 selbst geben. Nicht unwichtig ist auch die apokalyptische Verarbeitung des Verfolgungsleidens im vormarkinischen Traditionskomplex V. 9b-13 2 8 0 . Eine Vermutung mag die gegebene Problemanzeige beschließen. Man käme bei der Rückfrage wohl ein Stück weiter, wenn es gelänge, den aramäischen Gebetsruf Maranatha („unser Herr komm!") 281 , der höchstwahrscheinlich in die palästinische Urgemeinde, also mit in den ältesten Uberlieferungsbestand zurückreicht, besser als bisher in seinem ursprünglichen Sinn und Lebenszusammenhang zu bestimmen. Ist das Ursprüngliche wirklich in der überlieferten Verbindung von Ausschlußformel (beim Herrenmahl) und Maranatha (1 Kor 16,22) gegeben, also in der Bitte um das Kommen des Richters, in der drohenden Bekräftigung eines Satzes heiligen Rechtes, der den Ungläubigen oder Unwürdigen durch eine Fluchformel an den Zorn Gottes überantwortet 2 8 2 ? Soll sich etwa daraus die durch Prophetenmund erklingende positive Ansage an die Gemeinde „Siehe, ich komme bald" und das entsprechend respondierende „Komm, Herr Jesu!" (beides mehrfach in Apk 22,6-20) entwickelt haben? Hier (22,14f.) wie in einigen Gleichnisstoffen (Lk 19,11-26 II M t 2 5 , l - 1 3 ; 24,45-51; 25,14-30) sowie zweimal in dem Stück der Herrenmahlsliturgie Did 10,6 stehen positiver und negativer Aspekt nebeneinander. Der positive Aspekt steht dabei immer voran, der negative ist ihm in der Sache untergeordnet - analog wie beim Motiv des „Kommens" Gottes selbst. Die verwandte Ansage der Nähe des Herrn begründet wohl auch den Aufruf zur Freude (Phil 4,4 f.). Ebenfalls ist der endzeitliche Rahmen des Herrenmahls nach 1 Kor 11,26 die positive Erwartung des Kommens des Herrn. Unberücksichtigt blieb dabei bisher vor allem das wichtige Motiv des „Kommens" selbst. Naheliegend wäre doch, dieses Motiv vom Theo2,0

Vgl. weiterhin oben am Ende von Abschnitt 4.5. 1 Kor 16,22; Apk 22,20; Did 10,6; vgl. 1 Kor 11,26. Zu den sprachlichen Möglichkeiten des Verständnisses s. K. G. Kuhn, T h W N T s.v., IV 470-475. 2,2 K. Wengst, Christologische Formeln und Lieder des Urchristentums, S t N T 7, 2 1973, 49-54, bestreitet sogar den ursprünglichen Sitz des Maranatha im Rahmen des Herrenmahls und meint, es „hätten . . . urchristliche Propheten ihre Verkündigung eines Satzes heiligen Rechts mit Maranatha abgeschlossen, und dies wäre dann der ursprüngliche Sitz im Leben für diese Wortverbindung" (53). Der Begründungsversuch hat mich nicht überzeugt. 281

Schulgespräch Β 2: Apokalyptische Paränese V. 33-36

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p h a n i e g e d a n k e n geprägt z u sehen. Sollte die T h e s e Z u s t i m m u n g verdienen, d a ß w e s e n t l i c h e Bereiche der M e n s c h e n s o h n - C h r i s t o l o g i e bez i e h u n g s w e i s e die alte christologische K o n z e p t i o n v o m K o m m e n des Kyrios Jesus v o m T h e o p h a n i e g e d a n k e n bestimmt sind 283 , wäre es l o h nend, d e m M a r a n a t h a - R u f in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g s o w o h l hinsichtlich des t h e o l o g i s c h e n S i n n g e f ü g e s als auch des m ö g l i c h e n Sitzes im Leben weiter nachzuspüren. Solche Rückfrage nach den auslösenden Faktoren urchristlicher Apokalyptik anhand der f ü r apokalyptische Texte - analog auch im Frühjudentum - typischen Verarbeitung bestimmter Problemlagen reicht allein freilich noch nicht aus. Schon Kontrollbeobachtungen zu entsprechenden Problemlagen und ihrer Bewältigung im Hebräerbrief und im Johannes-Evangelium - auch in gnostischen Kreisen und deren Vorformen - zeigen, daß andere Möglichkeiten im weiteren Umfeld durchaus gegeben waren. Und das gilt bereits vom entsprechenden H o r i z o n t in Kreisen des hellenistischen Judentums her. Es muß also als Vorbedingung auch die spezifische geschichtliche Prägung durch überkommene, aber jeweils verschiedene theologische Problemlösungen mitbedacht werden. Schon die Sehweise einer Problemlage und die Einstellung darauf sind durch den theologiegeschichtlichen H o r i z o n t in verschiedenen Kreisen jeweils andere. Weiterhin kann, um noch einen Schritt weiter zurückzugehen, die Begegnung Jesu mit dem Täuferkreis nicht unberücksichtigt bleiben. Höchstwahrscheinlich darf Jesus nicht einfach dem Typus des apokalyptischen Propheten zugeordnet werden, wohl auch Johannes der T ä u f e r nicht. Mit Sicherheit lassen Jesu Botschaft und sein Verhalten gewichtige Unterschiede zum T ä u f e r erkennen. Aber selbst in der Umprägung eines theologiegeschichtlichen H o r i z o n tes bleibt dieser als teilweise prägende Sphäre, eben in den Möglichkeiten und Anregungen des Fragens und Denkens immer gegenwärtig. Ja, dieser theologiegeschichtliche H o r i z o n t hat ein eigenes Gewicht und kann gegenüber allen späteren geschichtlichen Erscheinungen eine eigene, nahezu geschickhafte K r a f t und Autorität behalten. So verhält es sich zum Beispiel hinsichtlich der überkommenen und damit wachgehaltenen Frage nach der Königsherrschaft Gottes in der Welt. Das ist der auch f ü r Jesu Botschaft, Wirken und Verhalten zentrale Fragehorizont, den nicht erst er geschaffen, sondern dessen Realität er sich gestellt hat. S o l c h e Fährten w e i t e r z u v e r f o l g e n , ist unter anderem auch nicht unwichtig für die Frage, aus w e l c h e r Traditionslinie o d e r aus w e l c h e m M o t i v k o m p l e x der in V. 3 3 - 3 6 anvisierte G e r i c h t s g e d a n k e z u verstehen ist. D a s Gerichtsmotiv kann ja, s c h o n v o n d e n alttestamentlich-jüdischen V o r a u s s e t z u n g e n her, eine recht verschiedene Perspektive u n d einen entsprechend unterschiedlichen Sitz haben. W i e in den o b e n b e i g e z o g e n e n Motivparallelen im N e u e n T e s t a m e n t 2 8 4 u n d w i e im vergleichbaren Gleichnismaterial 2 8 5 steht in 283 284

Dazu s.o. den Abschnitt 4.4.3 und Brandenburger, Weltenrichter 131-138. Vgl. oben nach Anm. 255.

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M k 13,33-36(37) ausschließlich die Gemeinde im Blick. Das hier anklingende Gerichtsmotiv hat also einen (teilweise) anderen Sitz als der Theophaniegedanke in V. 24-27, wo „die Auserwählten" allen anderen („man") im Sinne der Alternative von Unheils- und Heilsgeschehen gegenüberstehen. Das universale Vernichtungsgericht steht in Mk 13,3336 also nicht im Blick. Das allein auf die Gemeinde bezogene Gerichtsmotiv könnte sich aber als Teilaspekt daraus entwickelt haben: Die Gruppe der „Auserwählten" (V. 27) steht in dieser Weltzeit unter dem kritischen paränetischen Aufruf. Die Perspektive ist aber auch eine andere als in der ursprünglichen Gestalt des Logions V. 32, das vermutlich nur von „jenem Tage" sprach. Das steht in der Tradition des Motivs vom fürchterlichen, finsteren „Tag Jahwes" 286, an dessen Stelle im Neuen Testament der „Tag des H e r r n " ( = Christus) treten kann 287. Möglicherweise ist das Motiv im Neuen Testament teilweise noch mehr mit dem der T h e o phanie innewohnenden Gerichtsmotiv zusammengeflossen. Bei Paulus ( l T h e s s 5,2 mit 1,10) und Lukas (21,34-36) kann man noch folgendes beobachten: „jener Tag" ist mit dem Gedanken des Zornes Gottes kombiniert; alle Menschen werden ihm ausgesetzt sein am Ende, und die Frage ist, wer kann entrinnen und danach am Heil teilhaben. In diesem letzteren Sinne ist Markus 13 von Lukas abgeändert worden, nachdem er zuvor den eschatologischen Theophaniegedanken des Markus d a f ü r zubereitet hatte 288. Lukas kennt in Kap. 21 ein zweifaches Gericht: das über Jerusalem beziehungsweise Israel ergangene und das in der Ferne liegende allgemeine Zorngericht an „jenem Tage". Anders verfährt Matthäus. Er übernimmt zunächst den Theophaniegedanken im Sinne des Vernichtungsgerichtes zur Rettung der Auserwählten. Verständnisvoll erweitert und verdeutlicht er das Gerichtsmotiv (24, 30 f.) und f a ß t zuvor die Problemlage der Gemeinde zusammen mit dem Motiv des Gehaßtwerdens von „allen Völkern" (24,9). M k 13,3336 baut er am Ende der eschatologischen Rede zunächst gleichsinnig aus mit 24,37-25,30. Den Schluß der Rede aber bildet das allgemeine Weltgericht des Menschensohnes: ein wirkliches Gerichtsverfahren vor seinem Richterthron, bei dem die Taten aller der Tatbestand des nach 285 Vgl. Lk 12,35-38; M t 24,43f. II Lk 12,39f.; M t 24,45-51 II Lk 12,42-46(48); M t 22,11-14; 25,1-13; 25,14-30 II Lk 19,12-27; vormatthäische Grundlage 25,34-46. 286 Vgl. Am 5,18. 20; Zeph 1,14; Joel 2,31 u . ö . 287 Vgl. I T h e s s 5,2; 1 Kor 1,8; 5,5; 2 K o r 1,14; 2Thess 2,2; 2 P t r 3,10. 288 Lukas tilgt die zweite Frage aus M k 13,4 - Gerichtsgeschehen ist f ü r ihn zunächst nur die Zerstörung Jerusalems! Aus M k 13,24-27 tilgt er den Gedanken der Sammlung der Auserwählten (Mk 13,27). Damit wird das Gerichtsmotiv (Mk 13,26) funktionslos. Lukas dürfte so verstehen, daß alle den Menschensohn zu „jenem T a g e " (21,34 f.) kommen sehen, wobei die Glaubenden die damit f ü r sie nahende (21,28!) Erlösung erwarten dürfen.

S c h u l g e s p r ä c h Β 2: A p o k a l y p t i s c h e P a r ä n e s e V . 3 3 - 3 6

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Segen und Fluch ergehenden Urteilsspruchs sind, das Urteil des Recht sprechenden Richters begründet und die Urteilsvollstreckung angesagt wird. Mk 13,33-36 ist von diesen verschiedenen Ausprägungen des Gerichtsgedankens zu unterscheiden. Markus bezieht nicht nur ausschließlich auf die Gemeinde. Schon der ursprüngliche eschatologische Terminus „jener Tag" wird durch Zufügung von „oder die Stunde" zu irgendeinem unbekannten Tag neutralisiert 289 . In dieser Weise spricht Markus ja im Folgenden vom unbekannten Zeitpunkt (καιρός) und vom nicht vorhersehbaren Kommen des Herrn. Wie in den genannten verwandten Stoffen steht hier also das Kommen des Kyrios zum Heil allein für seine Gemeinde im Vordergrund. Aber das schließt der Gemeinde gegenüber zugleich notwendig den kritischen Gesichtspunkt ein, daß verheißenes Heil verwehrt werden kann, weil Glaube und verliehene Verantwortung nicht in der gegenwärtigen Welt bewährt wurden. Auch dies ist, wenn auch in anderer Form, ein Gerichtsmotiv. Der schenkende Christus ist und bleibt zugleich auch der Rechenschaft fordernde Herr. Am Schluß dieses Abschnitts sei die Frage erörtert, inwiefern im Nichtwissen des Endzeitpunktes Paränese begründet sein kann. Zwar ist das Bildmaterial - hier vom unvorhersehbar zurückkehrenden Hausherrn, anderwärts vom Dieb in der Nacht - in sich schlüssig: In solcher Situation hilft nur Aufpassen und Wachbleiben. Aber was ist der Sinn des zugrundeliegenden theologischen Gedankens? Auffallend ist, wie nach der Leitfrage sofort (in V. 5 b-6) und dann noch zweimal während ihrer Beantwortung (in V. 9-13. 21-23) auf Gefährdungen in der Gegenwart dringlich hingewiesen wird (βλέπετε!), über welche die Jüngerfrage drängend hinausgreift. Nicht daß die Frage nicht erlaubt wäre. Sie wird nicht nur sorgfältig beantwortet; ihr wird auch noch weitergehende Belehrung zuteil (V. 28-32). Dann aber werden in der Schlußparänese die Fragenden wiederum als Gefährdete angesprochen. Die Wendung des Gedankenverlaufs - von der Terminfrage zu den paränetischen Einschüben und von der Beantwortung der Frage wiederum zur Paränese - entspricht sich chiastisch. Vor dieser letzten Wende im Textverlauf wird der entscheidende Gedanke in V. 32 eingebracht. Das ist ein Motiv, das offenbar lange Erfahrung und theologische Reflexion hinter sich hat. Nicht erst das Urchristentum ist dieses Sachverhaltes ansichtig geworden. Einerseits weiß apokalyptische Theologie: Die aus dem Leiden aus der Verbor28

' Die W e n d u n g „jener T a g oder die Stunde" (V. 32) entspricht dann dem, wie M t versteht: „an welchem Tage" (24,42); irgendein T a g / S t u n d e (25,12); irgendein unbekannter T a g (24,50 II Lk 12,46).

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Komposition und theologische Konzeption der Mk-Redaktion

genheit Gottes im Weltgeschehen kommende Frage ist nicht einfach unberechtigt und erfordert eine positive Antwort. Sie wird mit dem Einblick in das Geheimnis der Zeiten gegeben, um erneut Vertrauen in Gottes weltordnendes Walten, Mut und Hoffnung zu stiften. Andererseits weiß apokalyptische Theologie, daß der himmlische Weltenkönig allein souveräner Herr über das Geheimnis der Zeiten ist und bleiben muß. Sie hat auch die anthropologische Komponente dieses Geheimnisses erkannt. Der über die ihm zugemessene Zeit hinausgreifende Mensch kann - er muß das nicht unbedingt - gefährdet sein. Theologisch reflektierte Erfahrung hat gezeigt, wie die auf den künftigen Zeitverlauf fixierte bedrängte, sorgenvolle Fragehaltung die Gegenwart zu überspringen droht. Es wird nicht mehr oder nicht genügend wahrgenommen, daß die Einstellung in der Zeit über die Gültigkeit des Lebens entscheidet, die vom Ende her zugesprochen oder verweigert wird. Sie hat auch die Selbstvergessenheit in der Zeit erkannt. Diese droht aus dem Auge zu verlieren, daß der aus dem Eschaton andringende Gott über die in der Zeit anvertrauten Gaben und Chancen Rechenschaft fordern wird. Das aus dem Leiden an der Zeit entstandene Fragen wird also behutsam auch an jene Grenze geführt, an der Gott als der alleinige, souveräne Herr der Zeit entgegentritt. Gerade das so an einem Problemfall von Zeit und Geschichte apokalyptisch in Erinnerung gebrachte grundsätzliche Herrsein Gottes über die Zeiten weist in das rechte Verhalten in der Zeit ein. Darauf verweisen die Gleichnisstoffe in ihrer Anschaulichkeit und zwingenden Eindringlichkeit. Sie fangen geradezu das in V. 32 als apokalyptische Lehre vorgetragene Herrsein Gottes über Welten und Zeiten in den endzeitlichen, stets zu gegenwärtigenden Vollzug ein: Der souveräne Gott - nun vertreten durch den Kyrios oder den Menschensohn Jesus - kommt überraschend und unvorhersehbar. Er bricht in die gegenwärtige Weltzeit ein und bringt sie zu Ende aufgrund jener verborgenen Weisheit des himmlischen Thronbereichs, in deren Geheimnis weder Menschen, Engelwesen noch auch der Gott am nächsten stehende Sohn Einblick haben. Diese notwendige Grenze hat selbst apokalyptisch-esoterische Offenbarungslehre um Gottes selbst und um des Menschen willen in klarer theologischer Erkenntnis nicht zu überschreiten gewagt. Es ist die Frage, ob die verschiedensten christlichen und profanen Geschichtsentwürfe, welche alle mehr oder weniger, direkt oder indirekt vom Erbe der Apokalyptik herkommen, sich ihr aber zuweilen weit überlegen fühlen, diese eherne Grenze respektiert und in der ihr zukommenden Weise bedacht haben. Diese Grenze bestimmt ja, wie die Wende des Gedankens von V. 32 zur Paränese V. 33-36 - und schon zuvor von V. 4 zu V. 5b-6. 9-13 und 21-23 - nachdrücklich zeigt, gerade nicht

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erst das Ende der Zeit, auf das man später Eschatologie reduzierte, sondern die gewährte Zeit als Ganzes. Der Vertretung Gottes durch den endzeitlich waltenden Menschensohn oder Kyrios Jesus liegt folgender Gedankenzusammenhang zugrunde 2 9 0 . Der Gott über Welten und Zeiten ist vorgestellt als König, der im obersten aller Himmel, also über und jenseits von Welt und Mensch seinen Thronsitz hat. In solcher Vorstellung ist Inbegriffen das Wissen um sein souveränes Herrsein und um seine Funktion als Setzer und Wahrer des Rechts als Grundlage des Rechtverhaltens auch des Menschen gegenüber dem Schöpfer sowie in den Bezügen zu Mensch und Welt. Jesus von Nazareth hat dieses Königtum Gottes in kritisch verwandelnder Aufnahme des alttestamentlich-jüdischen Erbes verkündet und leibhaft vertreten. Seine Erhöhung zum himmlischen Menschensohn durch den Weltenherrn hat die so in der Welt vertretene Königsherrschaft Gottes ins Recht gesetzt, also für unbedingt gültig und wegweisend erklärt. Was in der Person des Menschensohnes oder des Kyrios vom Ende der Zeit her Heil und Unheil verbreitend andringt, ist in der Sache ebendieses irdisch vertretene, noch in dem von Gott zugemuteten und besiegelten Leidens- und Todesgeschick ausgetragene königliche Herrsein Gottes in der Welt.

5.3 Die Einschübe im Geschichtsabriß: V. 5 b - 6 . 9-13. 21-23 Der erste Teil der Antwort auf die Leitfrage V. 4 wird in einem Geschichtsabriß gegeben (V. 5b-27). Er beginnt mit den Kriegswirren zu Beginn des Jüdischen Krieges und reicht bis zur Rettung der Auserwählten im Eschaton. Innerhalb der ersten beiden Etappen dieses Geschichtsabrisses, die mit der Endgeschichte des vergehenden gegenwärtigen Äons identisch sind, bringt Markus nach Zahl und Abfolge drei Einschübe ein: V. 5b-6, V. 9-13 und V. 21-23. In der Sache handelt es sich freilich nicht um drei, sondern um zwei Problembereiche. Denn der Einschub V. 5 b-6, der vor der ersten Geschichtsetappe piaziert ist, bildet mit dem Einschub V. 21-23, der nach der zweiten Etappe eingerückt ist, thematisch eine Einheit. Die Verführung durch Pseudochristusse und die Situation des Verfolgungsleidens um Christi willen: das sind die beiden in den drei Einschüben behandelten Problembereiche. 2,0

Vgl. bereits oben im Abschnitt 4.5.

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Die Charakterisierung der Vv. 5 b - 6 . 9-13. 21-23 als „Einschübe" läßt sich von drei verschiedenen Gesichtspunkten aus rechtfertigen, ja sie wird von da aus zwingend nötig 2 9 1 : - Für die übergreifende markinische Komposition ist das Schulgespräch mit Schülerfrage (V. 3 f.) und Lehrerantwort (V. 5 a. 7 f. 14— 20. 24-27) maßgebend. Die Vv. 5 b - 6 . 9-13. 21-23 unterbrechen diesen Frage-Antwort-Zusammenhang in gewisser Weise, bringen jedenfalls innerhalb des Schulgesprächs einen anderen Gesichtspunkt zur Geltung. - Auch im einzelnen sind die rahmenden von den eingeschobenen Textpartien nach Gattung und Funktion voneinander unterschieden. In der Rahmengattung dominiert der zeitlich gegliederte, eschatologische Geschichtsablauf. In den eingeschobenen Textpartien spielt dieser Blickwinkel offenbar keine oder fast keine Rolle. Gliedgattung und Funktion werden hier durch das Leitwort βλέπετε bestimmt. - Den bereits genannten Beobachtungen korrespondiert weithin die literarkritische Sachlage des Textes. Die in der Weise des Geschichtsabrisses gegebene Lehrerantwort basiert auf der Vorlage der vormarkinischen kleinen Apokalypse. Die eingeschobenen Textpartien haben eine andere Traditionsgeschichte und entstammen auch anderen Problemlagen. Die Bestimmung der in Frage stehenden Textpartien als Einschübe hat eine über das Formale weit hinausreichende Bedeutung. Solche Bestimmung bildet die erste Station auf dem Wege, das Sachanliegen dieser Textpartien im Sinne der markinischen Komposition zu erfassen. Erst wenn man dem literarischen Verfahren der Kompositionsarbeit auf die Spur kommt, besteht Aussicht, auch die theologische Absicht des Evangelisten begründet bestimmen zu können, ohne sich nur mehr oder weniger von gedanklichen Assoziationen leiten zu lassen. Eine begründete Bestimmung der Absicht des Markus in diesen Textpartien ist jedenfalls nicht ganz einfach und sicher mit erheblich mehr Problemen belastet, als die Exegese gemeinhin zu erkennen gibt. Bevor ein Lösungsvorschlag unterbreitet wird, soll auch hier zunächst auf bestehende Aporien hingewiesen werden. Da die Einschübe in einen etappenweise gegliederten Geschichtsablauf eingebracht werden, könnte man vermuten, sie seien den Etappen zeitlich zuzuordnen. Eine entsprechende Zuordnung ergibt folgendes Bild. Der erste Einschub wäre noch vor den Ereignissen zu Beginn des Jüdischen Krieges zu piazieren, der zweite Einschub hingegen während 2,1

Im Folgenden kommen Ergebnisse aus den Kapiteln 3., 4. und 5.2 zur Anwendung.

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oder am Ende dieser Etappe. Der dritte Einschub wäre nach der zweiten Etappe (και τότε . . .) 292, also zwischen der großen Drangsal der Jerusalemer Ereignisse und der Heilswende einzuordnen. Vor und nach dem Jüdischen Krieg wäre also die Verführung durch Pseudochristusse aktuell, zu Beginn der außerhalb sich vollziehenden Kriegswirren wären Verfolgungsleiden gegeben, während in der großen Drangsalszeit selbst nichts dergleichen die Gemeinde bedrängte! Schon dieses Ergebnis eines zeitlichen Einordnungsversuchs läßt fragen, ob solcher Versuch dem Anliegen der markinischen Kompositionsarbeit überhaupt gerecht werden kann. Solche Zweifel verstärken sich, wenn man beachtet, wie das allen drei Einschüben gemeinsame Leitwort βλέπετε auf ein Sachanliegen hindeutet, dieses weiterhin in die Gegenwart von Markus und Gemeinde weist, während im Textverlauf des Geschichtsabrisses die Gegenwart erst mit V. 21-23 erreicht ist. Man kann sich die Aporien auch beispielhaft am Auslegungsversuch von H a h n verdeutlichen. V. 5 f. und 21 f. ordnet er zeitlich ein. V. 5 f. soll „zurückliegende Gefährdungen der Gemeinde" vor den Geschehnissen des Jüdischen Krieges bezeichnen. V. 21 f. soll in die Zukunft nach der Zerstörung des Tempels weisen, in die Zeit des Antichrist mit ihrer höchsten Gefährdung der Gemeinde 2 , } . Aber inwiefern darf man die sorgsam parallelisierten Vv. 5 b - 6 und 21 f., also literarisch bedingte Doppelungen 2 9 4 , auf verschiedene Problemlagen zu verschiedenen Zeiten beziehen? Und kann das normalerweise auf die Gegenwart zielende Leitwort auf Vergangenheit und Zukunft bezogen werden? Bei gleichem methodischen Verfahren müßten auch die Vv. 9-13 zeitlich begrenzt zugeordnet werden. Hier wird jedoch behauptet, sie gälten „grundsätzlich", sie kennzeichneten „die Situation der Jünger zwischen Ostern und Parusie" und sprächen „insofern die Gegenwart 2.2

Mit και τότε wird in V. 21 zeitlich Nachfolgendes eingeführt (und dann = darauf); vgl. zum unklassischen Gebrauch Blaß- Debrunner - Rehkopf % 459,2 und z. St. W. Bauer, Wb. s.v. 2. Die andere sprachliche Möglichkeit (in jener Zeit = damals) gibt im Kontext keinen Sinn. Sie käme auch darum nicht in Frage, weil für Markus die Jerusalemer Ereignisse abgeschlossen sind. Anders Hahn, Markus 13, der den mit και τότε gesetzten Zeiteinschnitt überspielt (248. 255 f.; das sei „eine Wiederaufnahme von V. 19 f.") und die Verführung durch Pseudochristusse (V. 21 f.) der großen Drangsalszeit des Antichrist zuordnet (255 f.). Auch Pesch, Mk-Kommentar 298 f., überspielt den Zeiteinschnitt bei der Deutung der von ihm angenommenen Vorlage·. Die Christen sollten sich nicht angesichts der Aufforderung V. 14 ff. durch falsche Messiasprätendenten „von der Emigration aus Judäa abhalten lassen". Uneinheitlich setzt er hingegen für Markus beim selben Textbestand einen zeitlichen Einschnitt voraus: Parusieschwärmer wirken nach der Zerstörung Jerusalems. 2.3 Hahn, Markus 13,256. 2.4 Pesch betrachtet V. 5 b - 6 und 21 f. als Inversion und kommt vermutlich von dieser literarischen Beobachtung dazu, beide Textpartien für Markus (anders als Hahn) der Gegenwart zuzuordnen, obgleich diese nach seiner Auslegung erst mit V. 21-23 erreicht ist.

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der Gemeinde neben V. 33-37 am unmittelbarsten an" 295. Aber inwiefern können für Markus die Vv. 9-13 der Zeit zwischen Ostern (!) und Parusie zugewiesen werden, wenn die Vv. 5b-6 und 21 f. bei gleichem literarischen Verfahren des Evangelisten anders bestimmt werden? Warum sollen die Vv. 9-13 der Gegenwart der Gemeinde gelten, die mit gleichem Leitwort versehenen Vv. 5b-6 und 21 f. dagegen nicht? Eine plausible Begründung für solch ungleiches Verfahren fehlt. Diese Auslegung wird auch nicht dadurch überzeugender, daß später die Vv. 9-13 als „Zwischenphase" verstanden werden, und zwar „zwischen den zurückliegenden Ereignissen des Jüdischen Krieges und der noch bevorstehenden großen Drangsal" ( = Zukunft des Antichrist) 2% . Zieht man die Konsequenzen aus den aufgezeigten Verlegenheiten, die bei der zeitlichen Zuordnung der drei Einschübe notwendigerweise auftreten, kann man zu folgender vorläufigen Beurteilung kommen. Markus ist zwar offenbar von dem Interesse geleitet, die Verführung durch Pseudoheilsmittler und die Anfechtung durch Verfolgungsleiden der Endgeschichte dieses Äons insgesamt zuzuordnen. Aber das dürfte eher sachlich-zeitlicher Wertung als historisch-zeitlichem Bemühen entspringen - so wie nach apokalyptischer Weltsicht dieser vergehende, böse Aon in der Sache als Welt-Zeit begriffen wird. Ein chronologisches Interesse, die Einschübe vor, nach oder neben den Etappen des Geschichtsablaufs im einzelnen einzuordnen, wird Markus kaum bestimmt haben. Dafür spricht schließlich auch die auffallende Tatsache, daß die Einschübe ohne .die klaren Zeitsignale des Geschichtsabrisses - δταν δέ . . . , όταν δέ . . . , άλλα έν έκείναις ταϊς ήμέραις μετά τήν θ λ ΐ ψ ι ν έκείνην (V. 7. 14. 24) - und auch ohne eine eindeutige Zuordnung dazu eingefügt werden. Betrachtet man sie unter chronologischem Blickwinkel, haben sie eher etwas Schwebendes und Unbestimmtes an sich. Die ersten beiden Einschübe werden völlig ohne Zeitsignal eingebracht. Der letzte Einschub wird zwar mit einem vergleichsweise leichten Zeitsignal eingeleitet; das και τότε entspricht der Einführung von Einzelakten in einem Gesamtgeschehen wie in V. 26 und 27. Man darf aber bezweifeln, ob das in V. 21 primär der Thematik des Einschubs gilt. Wahrscheinlicher ist, daß dieses Zeitsignal aufgrund des Standortes des Evangelisten nach den Jerusalemer Ereignissen einfließt. Auf der anderen Seite darf man die Aussagen der Einschübe nicht einfachhin in Gegenwartsgeschehen einebnen. Sieht man von den Leitwörtern ab, gibt es hier vom Stoff her nicht einen einzigen klaren Bezug zur Gegenwart des Evangelisten oder seiner Gemeinde. Natürlich hängt das weithin mit der Aufnahme von Traditionsmaterial zusam"5

Hahn, M a r k u s 13,256.

Ebd. 263 f.

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men. Aber das erklärt durchaus nicht alles. Die Eingriffe des Evangelisten in das Material der synoptischen Tradition sind anderwärts mannigfaltig. Auch hat Markus ja den ersten Einschub (V. 5 b-6) selbst formuliert. Hier findet man aber keine präzisen Bezüge zur historischen Situation. Eher waltet das Interesse der Verallgemeinerung: „viele werden kommen . . . und werden viele verführen". Das ist das Signum dieser zu Ende gehenden Weltzeit: mehr eine pauschale Wertung von gemachten Erfahrungen als eine genaue chronologische Beschreibung. Das kann man als Fingerzeig nehmen, wie etwa und wie gewiß nicht zu interpretieren ist. Insgesamt bedarf aber die Absicht, die der Evangelist in den Einschüben verfolgt, ebenso einer begründeten Erklärung wie die Verwendung des Traditionsmaterials angesichts der für Markus und seine Gemeinde vorauszusetzenden Problemlage. Auszugehen ist zunächst von der Scheidung des Traditionsmaterials von jenen Merkmalen markinischer Redaktions- und Kompositionsarbeit, welche die Absicht des Evangelisten, die er mit den Einschüben verfolgt, erkennen lassen 297. Ein Traditionskomplex mit eigener Vorgeschichte ist in V. 9 b—13 aufgenommen worden. Er verdankt seine Entstehung verschiedenen, also immer neu zu bewältigenden Verfolgungserfahrungen der Christengemeinde. Auf eine andere Problemlage, in der sich die Gemeinde mit konkurrierenden Heilsverheißungen jüdischer Messiasprätendenten auseinanderzusetzen hatte, geht das traditionelle Logion V. 21 zurück. Ihm könnte bereits vor Markus der Grundbestand der Erläuterung V. 22 zugewachsen sein. Auf Markus könnte das τότε V. 21, die Doppelung ψευδόχριστοι και in V. 22 und die Formulierung am Ende von V. 22 zurückgehen. Auf der Mitte zwischen Tradition und Redaktion steht V. 6. Der Evangelist hat hier eine Doppelung zu V. 21 f. gebildet, in Anlehnung an das Motiv der Tradition, aber teilweise in eigener Formulierung. Was daraus f ü r die Absicht des Redaktors entnommen werden kann, ist zuvor schon vermerkt worden. Eindeutig greifbar ist der Evangelist in folgenden drei Merkmalen seiner Redaktions- und Kompositionsarbeit: - Die dreimalige Unterbrechung des schulmäßigen apokalyptischen Frage-Antwort-Zusammenhangs, besonders auffallend zu Beginn (V. 5 b-6), ist ein bewußtes literarisches Mittel in der Komposition des Ganzen. - Die aus Traditionsmaterial gebildeten Einschübe erhalten jeweils an betonter Stelle - zweimal zu Beginn, einmal am Schluß - ein einheitliches Leitprinzip mit geringen Variationen. Das Leitprinzip wird ge2,7

Auch hier wird wieder von den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen in Kapitel 2.-5.2 ausgegangen, ohne daß das im einzelnen vermerkt wird.

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K o m p o s i t i o n u n d t h e o l o g i s c h e K o n z e p t i o n der M k - R e d a k t i o n

bildet aus dem Imperativischen Leitwort βλέπετε, dem betont anredenden ύμεΐς und teilweise aus näheren Hinweisen: βλέπετε μή τις ύμας πλανήση (V. 5 b), βλέπετε δε ύμεΐς έαυτούς (V. 9 a), ύμεΐς δε βλέπετε (V. 23a). - Schließlich wird vom Ende (V. 23) her klar, daß der Evangelist die drei Einschübe bündelt: „Habt acht! Ich habe euch alles vorhergesagt." Die Einschübe werden hier in V. 23 b einheitlich unter einem Gattungsmerkmal des apokalyptisch überformten Testaments zusammengefaßt. Auf diese rückblickende Bemerkung des scheidenden Lehrers hin waren sie von Anfang an orientiert 298 . Von dieser letzten Beobachtung aus wird deutlich, wie der Evangelist in die übergreifende Gattung des apokalyptischen Schulgesprächs wichtige Elemente des eschatologisierten Testaments als Gliedgattung einbringt. Das Element der Vorhersage bezieht sich dabei auf jene Partien im ersten Teil des Schulgesprächs, die dem Endgeschehen im gegenwärtigen Aon gewidmet sind. Vor allem von der Funktion des Testamentsmotivs her darf man den entscheidenden Aufschluß über die Absicht erwarten, die der Evangelist mit den Einschüben im Schulgespräch verbunden hat. Gelegentlich kann der Hinweis auf die Vorhersage vornehmlich dazu dienen, vergangenes Geschehen im Geschichtsüberblick als erfüllt zu akzentuieren. Aber auch das steht im Dienste der Bewältigung von Gegenwart und Zukunft: Hat sich die Vorhersage des apokalyptischen Propheten bisher erfüllt, verdient seine weitere Prophetie samt den Weisungen für die Gegenwart Vertrauen 299 . Dieses Motiv könnte in Markus 13 dann eine Rolle spielen, wenn man V. 23 b nebenbei auch auf die Aussagen des Geschichtsabrisses beziehen dürfte. Aber das ist nicht sicher, eher fraglich. Eindeutig im Vordergrund steht in Markus 13 der Bezug von V. 23 b auf die drei Einschübe und damit auf Problemlagen, die in der Gegenwart von Evangelist und Gemeinde erhöhte Aufmerksamkeit verdienen. Daß so zu verstehen ist, beweist die feste Verklammerung zweier Elemente des Testaments: der paränetischen Weisung (βλέπετε V. 5 b. 9 a. 23 a) mit der diese begründenden prophetischen Vorhersage (V. 23 b). Solche Verklammerung und die darin beabsichtigte Stützung der Paränese durch die prophetische Vorhersage ist der Regelfall in der

2,8

Alles Nähere ist oben im Abschnitt 5.1 begründet worden, w o die Bedeutung von V. 23 im Zusammenhang bereits für die Frage des Standortes des Evangelisten zu erörtern war. 299 Zu dieser Konzeption in AssMos vgl. oben bei Anm. 172 und 173.

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zeitgenössischen Anwendung des Testaments in entsprechenden Zusammenhängen 300. Die drei Einschübe V. 5b-6. 9-13. 21-23 weisen damit gemäß der Gliedgattung, in welcher der Evangelist sein Anliegen vorträgt, einheitlich und ohne Ausnahme in die Gegenwart der Gemeinde. Daraus ergibt sich zwingend, daß Markus die Gemeinde in die Bewährung gegenüber der Verführung durch andere Heilsvorstellungen und gegenüber der Verfolgungserfahrung einweisen will. Obwohl also in den Einschüben kein direkter und konkreter Hinweis auf die Gegenwart gegeben wird, muß dennoch von der Art, wie das Traditionsmaterial von Markus in Anspruch genommen und in die neu gestaltete Komposition eingebracht wird, auf konkret zu bestehende Problemlagen der Gemeinde zurückgeschlossen werden. Gängige Exegese hat aus der paränetischen Orientierung der Einschübe eine antiapokalyptische Tendenz oder Haltung des Evangelisten erschlossen. Aber damit wird, was nach der Gattung des eschatologisierten Testaments, nach seiner Funktion und nach der darin zum Ausdruck kommenden theologischen Reflexion zusammengehört, auseinandergerissen. So wird die spezielle Art der hier vorliegenden eschatologischen Paränese von der apokalyptisch-testamentarischen Basis, die sie stützt, abgetrennt, ja alternativ dagegen ausgespielt. Bei solcher Exegese muß dann freilich auch die Wirklichkeitserfahrung und die darauf reagierende theologische Reflexion, die jener eschatologisch ausgerichteten Paränese zugrunde liegt, auf der Strecke bleiben. Aber was ist gemeint, wenn die Aufforderung zur Bewährung gegenüber verführerischer Heilsversprechung und Verfolgungsbedrängnis mit dem Vorherwissen des apokalyptischen Propheten begründet wird? Der Prophet hat geschaut, daß diese widerwärtigen Weltverhältnisse in der Weisheit der Weltordnung Gottes bedacht und aufgehoben sind. Gott wird gegen Widerwärtigkeit und Frevel zu gemessener Zeit einschreiten und sein Recht durchsetzen. Jetzt, in der Zeit der Verborgenheit Gottes, gilt es, nicht falschen, irdischen Heilsversprechungen anheimzufallen und auch in der Differenzerfahrung das Recht Gottes zu wahren. Nur wer so standhält und durchhält, wird am Heil des erhöhten Menschensohns Jesus teilhaben (V. 13 b). Wenn das eintrifft, was Markus - historisch fiktiv - Jesus als apokalyptischen Propheten zuvor schauen und worin er ihn vorab lehrend einweisen läßt, so bedeutet das erstens: Der Weg Gottes nimmt, auch durch die Schrecknisse und Gefährdungen irdischen Daseins hindurch, seinen Lauf zum vorgesehenen Ziel; das ermöglicht Vertrauen. Und 300 Texte und Nachweise hierzu und zum Ganzen finden sich oben in 5.1 nach Anm. 163.

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zweitens: Mit dem Eintreffen des Vorhergesagten ist jene Krisenlage gekommen, in der Glaube und Leben in widriger Zeit zu bewähren sind. Was darin jetzt gilt und sich im Eschaton als bleibend gültig erweisen wird - was der Lebensperspektive Gottes, nicht der des begrenzten, versuchlichen Menschenwesens entspricht - , ist der Gemeinde längst gesagt worden (vgl. 8,27-9, l) 301 . Die eschatologisch begründende Paränese liefert nicht mehr die Kriterien für gültiges Existenzvertrauen (πίστις V. 21) und gültigen Lebensvollzug vor Gott (8,34 ff.). Sie sucht vielmehr zur Bewährung dessen zu ermuntern und sie dringlich zu machen: durch Stiftung von Vertrauen in den Weg Gottes, wo dieser irdisch nicht zu sehen ist, und durch Erinnerung an den rettend und richtend kommenden Herrn und die dabei sich endzeitlich durchsetzende Grundordnung des Königtums Gottes in der Welt. Das ermunternde und nach Lage der Dinge auch kritisch mahnende Erinnern ist ein wichtiges Element in der Anwendung der Gattung des Testaments 3M . Sind diese Zusammenhänge erkannt, wird verstehbar, warum Markus das auf die Schülerfrage antwortende apokalyptische Lehrgespräch dreimal durch paränetische Einschübe unterbricht, die in der Gattung des eschatologisierten Testaments verwurzelt sind. Die Gliedgattung sprengt zwar nicht das übergreifende apokalyptische Schulgespräch, setzt aber darin einen wichtigen kritischen Akzent. Schon der Beginn ist höchst auffallend. Der Offenbarer antwortet in V. 5 b-6 zunächst so, als habe er die typische Schülerfrage nach dem Termin und nach dem Zeichen der Heilswende gar nicht aufgenommen. Das täuscht zwar - und die Auslegung hat sich dadurch fast durchweg täuschen lassen. Denn die Leitfrage wird, wie gezeigt, ernsthaft und in zwei Durchgängen schulmäßig behandelt. Dennoch ist der Überraschungseffekt schon zu Beginn beabsichtigt. Das ist eine in der formalen Gestaltung unterschiedliche, aber in der Sache analoge Wende im Lehrdialog wie im zweiten Durchgang nach der Erörterung der Terminfrage im Ubergang von V. 32 zu V. 33-36. Von vornherein wird nach der entsprechenden Leitfrage V. 4 dem apokalyptischen Schulgespräch ein zweiter Aspekt der Gesamtproblematik kritisch oder kontrapunktisch zugeord301 Zum Zusammenhang von 8,27-9,1 und Kap. 13 vgl. auch D.-A. Koch, Verhältnis 395. 404-408. Seine Prämissen teile ich allerdings nicht alle. Auch ist weder 13,9-13 „von der Endzeit abgehobene Gegenwart" (407) noch die Alternative von apokalyptischer Darstellung und richtiger Einstellung auf das Kommende (408, nach Conzelmann) sachgemäß. 502 Die Stichworte „erinnern" und „gedenken" tauchen in den Anm. 167 genannten Testamentstexten zumeist ausdrücklich auf. Vgl. dazu auch das Verfahren des Paulus nach 1 Kor 4,14-17; Phil 3,17, nachgeahmt in der testamentarischen Abschiedsrede Act 20,18 ff.

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net. Dieser Aspekt begleitet das gesamte Schulgespräch. Beide Aspekte sind aber in der Sache aufeinander angewiesen und ergänzen sich gegenseitig notwendigerweise 303. Es muß beachtet werden, daß die Jüngerfrage durch die kritischen Erinnerungen nicht einfachhin abgewiesen oder paränetisch - schon gar nicht nur ethisch - überholt wird, wie kurzschlüssige Exegese gemeint hat. Sie wird gewissermaßen kritisch begleitet, in ihre Grenzen eingewiesen, aber ihre Berechtigung wird nicht bestritten. Die Jüngerfrage entspringt der unbestreitbaren Welterfahrung, daß das die Welt auf heilvolle Verhältnisse hin ordnende Kommen oder Einschreiten des Menschensohns auf sich warten läßt. Sie verlautbart das sehnsüchtige Verlangen nach der offenkundigen Durchsetzung der Königsherrschaft Gottes. Diese Erfahrung und dieses Verlangen werden nicht bestritten. Aber es wird einerseits auf den Herrn der Zeit hingewiesen (V. 32) und die Konsequenz daraus aufgezeigt (V. 33-36). Andererseits wird in den paränetischen Einschüben daran erinnert, daß der besorgt nach der Einlösung des Königtums Gottes in der Zeit fragende Mensch in der ihm zugemessenen Zeit selbst auf dem Spiel steht. Soweit er selbst nicht in der Nachfolge des Christus die Zeit besteht (V. 9-13), soweit er sein Existenzvertrauen auf irdische Manifestationen des Heils und nicht auf den zu Gott erhöhten und von da rettend und richtend andringenden himmlischen Menschen setzt (V. 5 b-6. 21 f.), wird Gottes heilschaffende Königsherrschaft Welt und Zeit entzogen. Apokalyptische Paränese gemahnt und erinnert also daran, in der Verborgenheit der gegenwärtigen Weltzeit auf das achtzuhaben, das zu bewähren, was als gültiges Leben erkannt worden ist. Basis solcher Erkenntnis ist zum einen die Verkündigung Jesu von der Königsherrschaft Gottes sowie deren Bewährung in seinem Lebensgeschick, zum anderen die prophetische Schau, daß ebendies von Gott ins Recht gesetzt worden ist und so vom Eschaton her als gültige Weltordnung andringt und sich durchsetzen wird. Solche Erinnerung wird von Markus so vorgetragen, daß er dazu entsprechendes Traditionsmaterial kompositorisch aktiviert. Historisierendem Interesse entspringt das nicht. Und der bloß formale Verweis auf übliche Übernahme von Tradition durch den Evangelisten ist ebenfalls keine zureichende Erklärung. Es könnte sein, daß Markus bei solcher Inanspruchnahme der Traditionen an Verbreiterung und Verallgemeinerung lag: Was die Gemeinde in der Gegenwart zu bestehen hat, ist nichts Singuläres. Es stellt sie in jenes Weltgeschick dieses Äons, in dem sich auch bereits Christen an anderem Ort und zu anderer Zeit zu bewähren hatten. Auf jeden Fall muß vom Evangelisten beabsichtigt 303

Dazu vgl. bereits oben Abschnitt 5.2.3 gegen Ende.

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und von der Gemeinde erkennbar gewesen sein, daß das Traditionsmaterial auf die Gegenwart der Adressaten hin transparent wurde. Was das im Blick auf V. 9 - 1 3 bedeutet, ist klar und bedarf keiner weiteren Erörterungen. Die konkreten historischen Bedingungen bleiben freilich gerade wegen der Transparenz des Materials für uns im dunkeln. Schwieriger ist die Problemlage der Gemeinde hinsichtlich V. 5 b - 6 und 21 f. zu beurteilen. In dem traditionellen Stoff war das Problem der V e r f ü h r u n g zu falschem Glauben seitens der Heilsverkündung jüdischer Messiasprätendenten akut. Ihr wurde mit dem Hinweis auf Jesus als den erhöhten himmlischen Menschensohn als Grundlage der Heilshoffnung und des gültigen Existenzvertrauens begegnet. Das läßt die parallele Überlieferung in M t 24,26 f. II L k l 7 , 2 3 f . erkennen, liegt aber auch gedanklich, wie gezeigt, der Komposition des Markus zugrunde (V. 24-27). Aber ist das noch die Problemlage der Gemeinde des Markus ? Ist sie das noch gleicherweise nach den Ereignissen des Jüdischen Krieges? Für die Jahrzehnte davor und auch noch während der Jerusalemer Ereignisse ist solches Gegenüber im palästinischen Raum verständlich 3 M . Doch auch danach und außerhalb? Das ist fraglich, zumindest offen. Skepsis ist berechtigt, obgleich es gelegentliche, einzelne messianische Phänomene in der Diaspora gegeben haben mag. Markus setzt aber massenhaftes, zumindest sehr häufiges Auftreten verführerisch wirkender Pseudochristusse und Pseudopropheten voraus (πολλοί V. 6). Daneben wird neuerdings zumeist angenommen, Markus sehe innerhalb der Gemeinde Lügenpropheten als Parusieschwärmer am Werke. Sie verwirrten die Gemeinde durch falsche Deutung der Zeichen der Zeit, also durch die Behauptung, das Eschaton stehe unmittelbar bevor oder sei schon da. Zugleich seien sie Pseudochristusse, die behaupten, der wiedergekommene Christus oder Menschensohn zu sein 305. Aber solche Deutung beruht, wie oben dargelegt wurde, erstens auf einer methodisch problematischen Vermengung der Einschübe (V. 5 f. 21 f.) mit der Problemlage der Vorlage (V. 7 f.) einerseits und der Leitfrage (V. 4) des Schulgesprächs andererseits; zweitens auf einer verfehlten Deutung der Problemlage der Leitfrage V. 4 sowie des apoka-

304 Vgl. oben bei Anm. 113 und die Zusammenstellung der Texte aus Josephus und dem Neuen Testament bei Pesch, Mk-Kommentar 298 f. 305 Exemplarisch vorgeführt bei Pesch, Mk-Kommentar 278 f., vgl. bereits Pesch, Naherwartungen 106-118. Zusammenfassung: „. . . diese Gemeinde muß vor solchen Falschpropheten gewarnt werden, die sich mittels der Offenbarungsformel als Messias ausgeben, also als der wiedergekommene Jesus, der Menschensohn (V. 26), und die somit das Ende der Welt als gegenwärtig behaupten" (ebd. 117).

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lyptischen Schulgesprächs überhaupt; drittens auf einer unhaltbaren Auslegung von V. 7 sowie V. 4, teilweise geleitet durch die angebliche Parallele von 2 Thess 2 306 . Doch der Problemhorizont, wie er in der Jüngerfrage erscheint, ist eines, die zu bewährende Problemlage, auf die Markus in den paränetisch-testamentarischen Einschüben kritisch hinweist, ein anderes. Wo beides vermengt wird, kann die kontrapunktische Denkbewegung von Markus 13 nicht ans Licht kommen. Vermutlich ist überhaupt darauf zu verzichten, in der V. 5 f. 21 f. erscheinenden Gefährdung der Gemeinde nur ein innerkirchliches, durch christliche Lügenpropheten heraufbeschworenes Phänomen zu sehen. Das Verfahren des Markus, durch die Transparenz des Traditionsmaterials an die in der Gegenwart zu bestehende Problemlage zu erinnern, fordert gleicherweise, also analog zu V. 21 f., eine von außen kommende Gefährdung im Heilsverständnis. Dafür spricht auch der apokalyptische Horizont des Ganzen sowie die dabei gegebene Parallelität mit dem paränetischen Einschub V. 9-13, wo die Bedrängnis ebenfalls von außen kommt. Weiterhin wird die fiktiv in der Zukunft liegende, aber tatsächlich bereits geschehene Verführung einer großen Menge (πολλοί V. 6) nur verständlich, wenn das zumindest weithin auf Personen außerhalb der Gemeinde bezogen ist 307 ; die Spannung zu V. 5b und vor allem zu V. 22 (εί δυνατόν) wäre sonst unerträglich. Die Verführung dieser Menge durch christliche Falschpropheten - welcher Art auch immer - ergibt keinen Sinn 308. Was zu der Deutung auf Christen als Lügenpropheten verführt hat, dürfte neben fragwürdigen neutestamentlichen Parallelen der Begriff ψευδόχριστοι (V. 22) und die schwer deutbare Wendung έπί τ φ ονόματι μου λέγοντες ότι έγώ εΐμι (V. 6) gewesen sein. Aber ist es überzeugend, daß christliche Propheten, welche die Heilswende als unmittelbar bevorstehend ansagen, sich zugleich als wiedergekommener Christus oder Menschensohn bezeichnen - und das gleich massenweise (πολλοί έλεύσονται V. 6)? Ist der Anspruch, der wiedergekommene Christus zu sein, in der Gemeinde dieser Zeit oder auch außerhalb der 306

Zu letzterem vgl. oben Abschnitt 3.2.2. Zu den ersten beiden Punkten s.o. Abschnitt 5.2, vor allem nach Anm. 197. 307 Zutreffend akzentuiert hat das nur H. Braun (ThWNT VI 248,12 ff.): Die Objekte der Verführung sind nach V. 6 die „Vielen" ( = die heidnische Welt); die Angesprochenen sollen sich vorsehen, ihre Verführung ist möglich. Vom Motiv her ist teilweise das Wirken des Pseudopropheten Apk 13,11-18 zu vergleichen (s. 16,13 u.ö.), sofern es sich ebenfalls - unter Anwendung von „großen Zeichen" (Wundern) - auf die heidnische Welt („Bewohner der Erde") richtet (vgl. auch Braun ebd. 249,18 ff.). Zum Traditionsproblem insgesamt siehe bereits oben Anm. 140. 308 Siehe auch oben Abschnitt 5.2 zur Kritik der gängigen Auslegung; speziell zu V. 5b-6. 21 f. siehe vor und nach Anm. 201.

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Gemeinde denkbar 3 0 9 ? D o c h wohl kaum. Nachgewiesen ist beides jedenfalls nicht. Zu einer Lösung dieses Problems dürfte man am ehesten mit folgenden Erwägungen gelangen. Erstens ist für Markus von einer genauen Differenzierung der Begriffe „Lügenchristusse" und „Lügenpropheten" sowie der Wendungen „in meinem N a m e n (Auftrag)" und „ich bin's" abzusehen. D a ß sie ursprünglich Verschiedenes bezeichnen, ist anzunehmen. Markus identifiziert aber diese Wendungen ( λ έ γ ο ν τ ε ς ότι . . .), wobei die letztere, also die interpretierende Identifizierungsaussage έ γ ώ είμι, alles Gewicht trägt. Das entspricht der Einfügung von ψ ε υ δ ό χ ρ ι σ τ ο ι in V. 22. Markus denkt also nicht mehr so sehr an Pseudopropheten, er sieht die Gemeinde durch konkurrierende Heilsmittlergestalten gefährdet. Zweitens wird zu berücksichtigen sein, daß Markus hier nicht objektiv oder historisch abwägend, sondern völlig überzeugt vom christologisch vermittelten Heilsverständnis aus denkt und formuliert 3 1 0 . Heil vermittelt einzig „Christus" - ursprünglich Jesus als Menschensohn oder Messias. Jede andere Heilsmittlergestalt ist damit ein Lügenchristus, einer, der - aus christlicher Sicht - faktisch beansprucht, Heilbringer und damit „Christus" zu sein 3 1 1 . 30

' Neben den Erwägungen in 5.2 vgl. auch die kritischen Ausführungen bei Haenchen, Weg Jesu 437 ff. 510 Vgl. ebd. 438. 311 Wenn man nicht an Heilsmittlergestalten außerhalb der Gemeinde denken will, wären die Wendungen έπί τ φ ό ν ό μ α τ ί μου und έ γ ώ είμι - was bisher m . W . nicht bedacht wurde - wohl am ehesten vom Anspruch der (apokalyptischen) Propheten her zu verstehen: im Sinne der Botenformel und der sog. Selbstidentifikation mit der Rede des erhöhten und k o m m e n d e n Menschensohns oder Kyrios (vgl. Apk 16,15; 22,7. 12f. 20). Aber ist das wahrscheinlich, wenn Markus in Kap. 13 selbst das apokalyptische Prophetenamt wahrnimmt und das von ihm gestaltete apokalyptische Schulgespräch als das Jesu vorträgt? Ja, wenn er in V. 30 und 31 Logien in Ich-Form in der Art eines apokalyptischen Propheten einstreut? Kann, wer zumal dies letztere tut, christlichen Propheten, die im Ich-Stil W o r t e des Erhöhten vorbringen, den Anspruch unterstellen, sie seien der Christus selbst? Sollte mit „Ich bin's" nur die Übung, Logien des Erhöhten im Ich-Stil vorzutragen, gemeint sein, wäre das doch sehr mißverständlich, eher (absichtliche?) M i ß interpretation. Bei der zuvor genannten Deutung wäre die nach Markus gegebene Lüge nicht im konkurrierenden Heilsmittleranspruch, sondern eher in einer falschen Botschaft zu suchen. Worin sie in der Sache bestanden hätte, bliebe allerdings im dunkeln - gegen das übliche Verfahren bei der W a r n u n g der Gemeinde vor falscher Prophetie: M t 7,15-19. 20-23; 24,11 f.; Lk 21,8; 2 T h e s s 2,2; Apk 2,20; l j o h 4,1-3; 2 P t r 2,1 ff. Die erwähnte Deutung von V. 5 b - 6 wäre auch kaum mit V. 21 f. in Einklang zu bringen, obgleich V. 6 doch offensichtlich eine Doppelung dazu sein soll. Den Inhalt der Botschaft christlicher Propheten kann man in V. 21 nicht gut sehen. Und mit den im Ich-Stil proklamierten Herrenworten jedenfalls haben die „Zeichen und W u n d e r " (V. 22) nichts zu tun. Aus all diesen Gründen dürfte die genannte Deutungsmöglichkeit nicht in Frage kommen, obwohl sie zunächst näher als alle bisher vorgeschlagenen Erklärungen beim W o r t -

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Drittens denkt Markus damit nach 70 n. Chr. vermutlich nicht mehr an die Legitimationswunder von jüdischen Messiasprätendenten. Er sieht vielmehr in der Verführung durch „Wunder und Zeichen" (V. 22) - im Sinne der Transparenz des Traditionsmaterials - nun in seiner Umwelt und der seiner Gemeinde hellenistische Heilsmittlergestalten am Werke. Für sie vermitteln die Wunder die Erscheinung des Göttlichen im Irdischen, dessen Steigerung und Überhöhung sie zu bewirken versprechen. Das widerstreitet der Christologie des Markus, somit seinem Verständnis von gültigem Leben in der irdischen Verborgenheit und damit seiner Auffassung vom Heil im Sinne des erhöhten und kommenden Menschensohns 312 .

laut der fraglichen Wendungen von V. 6 und bei der Erscheinung urchristlichen P r o p h e tentums liegt. 312 Markus polemisierte dann in V. 5 b - 6 . 21 f. auch nicht gegen eine in seiner Gemeinde von seinen christlichen Gegnern vertretenen θεϊος-άνήρ-Christologie, so Weeden, Heresy (im zweiten Teil seines Aufsatzes passim) und einige andere. Die Begründung f ü r V. 5 f. die vermutete Analogie zu den Gegnern im 2 Kor nach D. Georgis Darstellung; f ü r V. 21 f. die These, die Doppelwendung „Zeichen und W u n d e r " weise nach sonstigem V o r k o m m e n im Neuen Testament auf θείοι ά ν δ ρ ε ς - ist wenig überzeugend; das Ganze ist sehr hypothetisch. Die gattungsgemäße Intention des Gesamttextes und die Art, in der Markus vorgeht, läßt, wie wir sahen, nicht zu, von Gegnern, verschiedenen Parteien in der Gemeinde und vom Versuch der Uberwindung durch Polemik zu sprechen. Weeden hat sich sichtlich auch durch die verfehlte traditionelle Auslegung verleiten lassen, die in den Einschüben (V. 5 b-6. 9-13. 21-23) und Anfügungen (V. 28-37) die Apokalyptik der Vorlage durch Markus zurückgedrängt sieht. Fälschlich hält er dabei die Vv. 28-32 f ü r Paränese. Angesichts der verbreiteten Deutung des markinischen Gegenübers auf jüdische Messiasprätendenten oder christliche Parusieschwärmer (als Pseudopropheten) scheint mir Weeden mit seiner Hypothese aber teilweise etwas Richtiges im Auge zu haben; ebenso mit seiner Meinung, das „Ich bin's" in V. 6 gebe nicht direkt den eigenen Anspruch der Pseudopropheten wieder. Im übrigen liegt mir daran, daß der zuvor unterbreitete Lösungsvorschlag nicht schon als r u n d u m fertige These, sondern als Diskussionsvorschlag aufgefaßt wird. Die in diesem Abschnitt (5.3) vorgetragenen Problemanzeigen und Erörterungen dürften gezeigt haben, welche Schwierigkeiten eine Deutung zu bewältigen hat. Die zuletzt vorgebrachte Hypothese wäre vor allem dann zu überdenken, wenn im Lebensraum der markinischen Gemeinde Bewegungen jüdischer Messiasprätendenten als häufig anzutreffendes, weit verbreitetes, also typisches Phänomen nachgewiesen werden könnte. Neben dem zuvor schon Vorgetragenen ist zur Hypothese selbst noch auf Folgendes hinzuweisen. Die W e n d u n g „Zeichen und W u n d e r " bzw. das damit Bezeichnete ist im Urchristentum (und in seiner Umwelt) einerseits durchaus nicht auf den Zusammenhang endzeitlichen (jüdischen) Messiasprätendententums beschränkt. Wenn man die Verkündigung Jesu, seiner Apostel und sonstiger Funktionsträger sowie die Verkündigung insgesamt ganz unapokalyptisch durch die Begleitung von „Zeichen und W u n d e r n " charakterisiert sah ( 2 K o r 12,12; Rom 15,19; H e b r 2,4; J o h 4,48; Act 2,22. 43; 4,30; 5,12; 6,8; 14,3; 15,12), könnte das auch f ü r entsprechende, konkurrierende Gegenphänome als typisch betrachtet worden sein (gegenseitige Wechselwirkung). U n d solche Konkurrenz muß man auch durchaus nicht nur und vornehmlich in jüdischen Kreisen suchen.

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Zum Schluß sei die Frage aufgeworfen, welche Veränderungen sich am Gesamtkonzept von Unheils- und Heilsgeschehen durch den Einbau der paränetisch-testamentarischen Einschübe ergeben haben. Für den Trägerkreis der Vorlage bedeutete das Kommen des Menschensohns die Ablösung des gegenwärtigen Äons, vor allem das Ende der unermeßlichen Drangsal an seinem Ende im Rahmen der Jerusalemer Ereignisse. Für Markus hat sich diese Sicht zunächst insofern verschoben, als die Jerusalemer Ereignisse hinter ihm liegen und er in der großen Drangsal dieser Ereignisse nicht mehr das entscheidende Zeichen f ü r den unmittelbar bevorstehenden Anbruch der Wende zum Heil zu sehen lehrt. Die Zeit dieses Äons dauert noch f ü r eine knappe Zeitstrecke an. Die Ereignisse des Jüdischen Krieges bleiben für Markus gleichwohl dem Endgeschehen dieser Weltzeit zugehörig. Aber das Gesicht der Drangsalszeit verändert sich. Zwar kann man nicht ganz ausschließen, daß die in den Jerusalemer Ereignissen gipfelnde Schreckensherrschaft der frevelnden Weltmacht Rom in ihren ferneren Auswirkungen noch spürbar ist. Doch nach der apokalyptischen Konzeption des Evangelisten treten jener Drangsal zunehmend die Bedrängnisse durch endzeitliche V e r f ü h r u n g und weltweite Verfolgungsleiden zur Seite. Entsprechend ändert sich die Erwartung, gegen welche Frevel und Drangsale der Menschensohn bei seinem Kommen weltordnend einschreitet. Ebenfalls werden die Bedingungen der Heilsteilnehmer, denen die Sammlung durch die Engel des Menschensohns zukommt (V. 27), nun neu akzentuiert. Die Bewährung der Gemeinde innerhalb der Endgeschichte dieser Weltzeit und angesichts des Kommens des Menschensohns rückt als das eine Sachanliegen der drei Einschübe in zwei Problembereichen in den Vordergrund: Zu den Auserwählten wird gehören, wer der bedrängenden V e r f ü h r u n g falscher Heilsmittlergestalten nicht erliegt, ihnen das dem Christus gebührende Existenzvertrauen verweigert (μή πιAndererseits zeigt urchristliche Apokalyptik etwa 20 Jahre später (Apk 13,13 ff.; vgl. 16,13; 19,20; 20,10; auch 2Thess 2,9f.), wie phänomenologisch gleichartige propagandistische Konkurrenz aus der Sicht der Bedrängten als Endzeitgeschehen begriffen werden kann, und zwar im Sinne eines verführerischen Prophetentums in Diensten eines lügenhaften Gegenchristus (weithin wird Apk 13,13 ff. auf Propagandisten für den Kaiserkult oder sogar speziell auf die römische Priesterschaft Kleinasiens im Dienste dieses Kultes gedeutet; vgl. das Referat bei O. Böcher, Johannesapokalypse, 76-83). Was in Mk 13,5 f. 21 f. mit dem ursprünglich anders gelagerten Traditionsstoff geschieht, kann man als eine der - im übrigen unter diesem Aspekt kaum beachteten - Voraussetzungen für die Weiterbildung in den genannten späteren Texten urchristlicher Apokalyptik verstehen. Die Herkunft der Figur des endzeitlich wirkenden Pseudopropheten, der offenbar eine Mehrheit von Personen repräsentiert und jedenfalls durch Wundertaten verführend wirkt (Apk 13,11 ff.), ist bis jetzt jedenfalls nicht wirklich überzeugend geklärt worden (zum Problem vgl. auch oben Anm. 140).

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στεύετε V. 21 f.). An der künftigen Rettung durch den Menschensohn und damit am Heil wird teilhaben, wer in der gegenwärtigen Drangsal von Haß und Verfolgungsleiden „um meinetwillen" analog das Geschick des irdischen und nun erhöhten Menschensohns standhaft durchhält (ό δέ ύπομείνας εις τέλος ούτος σωθήσεται V. 13b). Diese Aussagen über die endzeitlichen Bedränger und über die Bedingung der Heilsteilhabe bilden nun die neue Verstehensachse zu den Aussagen über das endgültige Ergehen dieser Welt beim Kommen der Heilswende (V. 24-27).

6. Anhang

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