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German Pages 288 Year 2023
Gerd-Inno Spindler
Marketing anders denken
Wie Sie die Spielregeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern 3. Auflage
Marketing anders denken
Gerd-Inno Spindler
Marketing anders denken Wie Sie die Spielregeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern 3., überarbeitete Auflage
Gerd-Inno Spindler Kahl am Main, Deutschland
ISBN 978-3-658-42412-1 ISBN 978-3-658-42413-8 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Ursprünglich erschienen unter dem Titel: „Querdenken im Marketing“ © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2011, 2016, 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Maximilian David Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es, immer das Gleiche zu tun und auf andere Ergebnisse zu hoffen. (Albert Einstein1)
1 Albert
Einstein, deutscher Physiker und Nobelpreisträger.
Vorwort zur dritten Auflage
Bei meinen Vorträgen, Seminaren und Workshops ergeben sich immer wieder neue Aspekte und Erkenntnisse im „Anders Denken“. Diese habe ich, ebenso wie neue Beispiele für Anders-Denker, in die dritte Auflage meines Buchs aufgenommen. Die Recherchearbeit für die neuen Beispiele hat mir wieder gezeigt, dass ein anders Denken unabhängig von Unternehmensgröße und Art des Unternehmens ist. Bestimmend sind die Offenheit und der Wille der handelnden Personen, Hindernisse nicht zu akzeptieren, sie zu hinterfragen und zu beseitigen. Die Gespräche mit den Verantwortlichen dieser Unternehmen und Organisationen waren hoch interessant und erfrischend. Sie zeigen das riesige Potenzial, das sich bietet und sind eine Quelle weiterer Ideen und Gedanken. Den Titel des Buches haben wir geändert, da nach der Corona-Krise der Begriff „Querdenken“ leider nicht mehr für seine ursprüngliche Bedeutung steht. An den Stellen im Buch, wo er noch genutzt wird, steht er einzig für die ursprüngliche Bedeutung eines geänderten Denkprozesses im Unternehmen mit dem Ziel Innovationen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Gerd-Inno Spindler
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Vorwort zur ersten Auflage – warum dieses Buch entstand
Im heutigen Wirtschaftsleben steht immer weniger Zeit zur Verfügung, die richtigen Maßnahmen zu finden und umzusetzen. Und doch sind es oft keine wirklich neuen Themen und Probleme, mit denen wir uns beschäftigen, sondern Themen, mit denen wir uns schon länger und immer wieder auseinandergesetzt haben. In der Vergangenheit aber offensichtlich nicht mit dem notwendigen Erfolg, denn sie liegen immer noch vor uns. Das Gleiche gilt für strategische Entscheidungen, die unser Unternehmen in die Zukunft führen und unser Unternehmen vom Wettbewerb absetzen sollen. Wenn die Unternehmen in einem Markt gleich denken und sich gleich verhalten, sind auch ihre Angebote und Produkte für die Kunden vergleichbar. Sie bieten keine Unterschiede oder Alleinstellungsmerkmale. Der Markt wird homogen und langweilig. Ein Kunde wird sich in einem solchen Markt, ohne wirkliche Differenzierungen, für das Produkt mit dem günstigsten Preis entscheiden. Das wiederum zwingt die Unternehmen, mangels einer anderen Art zu denken und zu handeln, zu einem permanenten Optimierungsprozess, um die Produkte zu verbessern und immer günstiger anzubieten. Wer im Markt etwas bewegen will, muss etwas anders machen. Er muss anders denken und zwar nicht nur als die Anderen, sondern auch anders als bisher. Wer sich als Unternehmen nur damit beschäftigt, die bestehenden Produkte und Prozesse zu verbessern und Kosten einzusparen, läuft Gefahr, sich in einem Optimierungswettlauf mit dem Wettbewerb, der genau das Gleiche versuchen wird, zu verirren. Deutlich effektiver ist es, sich als Spielmacher im Markt zu bewegen und dem Wettbewerb als Spielmacher gegenüberzutreten. Der Markt soll nach unseren Regeln spielen und nicht wir nach den Regeln anderer. Warum sollten wir permanent mit dem Wettbewerb um den günstigsten Preis für das Produkt kämpfen, anstatt innovative Maßnahmen und Produkte im Markt zu platzieren und uns kreativ mit dem Kunden zu beschäftigen? IX
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Vorwort zur ersten Auflage – warum dieses Buch entstand
Wenn die bisher angewendeten Lösungsansätze nicht den erhofften Erfolg gebracht haben, sollte etwas geändert werden. Auf der Suche nach einer anderen Managementmethode, die aktuellen Problemstellungen zu lösen, bin ich auf das Thema „Querdenken“ (in seiner ursprünglichen Bedeutung) oder „Spielregeln im Markt ändern“, wie ich es genannt habe, gestoßen und war vom ersten Moment an überzeugt und begeistert. Anders denken als bisher, ist eine Managementmethode, die höchst innovativ ist und die Beteiligten und das Unternehmen gleichermaßen fordert. Mir war vom ersten Moment an klar, dass wir diese Denkweise im Unternehmen starten und umsetzen mussten. Sie würde uns dabei unterstützen, bestimmte Probleme zu lösen und unsere anspruchsvollen Ziele zu erreichen. Es gab keine Literatur über einen Umsetzungsprozess und keine Hilfestellung, wie so etwas funktionieren kann. Also musste ein Prozess, der sich in einem Unternehmen umsetzen lässt, erst entwickelt werden. Während der operativen Umsetzung dieser Managementmethode habe ich viel gelernt und möchte meine Erfahrungen in diesem Buch weitergeben. Aus voller Überzeugung. „Anders denken“ als bisher löst sich von den bisherigen Denkprozessen und Denkmodellen im Unternehmen und blendet die vermeintlichen Branchengesetze aus. Quasi auf der „grünen Wiese“ beginnen die Überlegungen zur Gestaltung eines Prozesses oder zur Lösung eines Problems ganz neu. Die Anwender dieser Methode lösen sich von der Orientierung an den Marktgesetzen und akzeptieren diese nicht länger, sondern hinterfragen sie. So zu denken limitiert das Denken nicht auf das Gewohnte und Bekannte. Aus diesem Grund sind es oft völlig branchenfremde Unternehmen, die einen bestehenden Markt revolutionieren. Denken Sie z. B. an Apple, Google oder Red Bull. Für die Zukunftsplanung eines Unternehmens ist es zwingend notwendig anders als bisher zu denken, denn wie können Sie absehen, was in fünf oder zehn Jahren auf Ihrem Markt los sein wird? Sie gelangen nur mit anderen Methoden und Denkprozessen in die heute noch virtuelle Zukunft. Dieses Buch zeigt Ihnen, was „Anders denken“ ist und wie man als Spielmacher in der Lage ist, die Spielregeln in einem Markt zu seinen Gunsten zu ändern oder anzupassen. Es nennt Ihnen Beispiele für erfolgreiches anders denken und weniger erfolgreiches „weiter wie bisher“. Aus der Unternehmenspraxis kommend stelle ich Ihnen eine erfolgreiche Vorgehensweise zur Umsetzung des Prozesses vor. Die ausgewählten Sprüche werden Ihnen bestimmt ein Schmunzeln entlocken und einen gewissen Aha-Effekt erzielen. Nachdem mich die Begeisterung für ein anderes Denken gepackt hatte, wollte ich natürlich unbedingt mein Team davon überzeugen und diese Methode bei
Vorwort zur ersten Auflage – warum dieses Buch entstand
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uns im Unternehmen einsetzen. Also habe ich angefangen, eine Präsentation für ein Kick-off-Meeting zusammenzustellen. Einige Grundbegriffe, Beispiele und Gedanken dazu habe ich zusammengetragen und aufbereitet. Sollten Sie genauso wie ich von diesem Thema gepackt werden, soll Ihnen diese Arbeit erspart bleiben. Mithilfe des Buches können Sie sofort loslegen, wenn Sie das Thema in Ihrem Unternehmen umsetzen wollen. Es hat viel Spaß gemacht, meine Erfahrungen aufzuschreiben und Anregungen für Sie zusammenzustellen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Buches und freue mich, wenn ich Sie für das „Anders denken“ und die Spielmacher-Theorie begeistern kann. Die Umsetzung des Prozesses hat unserem Unternehmen in erheblichem Maße geholfen, uns vom Wettbewerb zu differenzieren und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Dass wir dabei auch viel Spaß hatten und dieses Vorgehen das gesamte Unternehmen motivieren kann, sei nur am Rande erwähnt. Lassen Sie den Ausflüchten und Entschuldigungen der Vergangenheit keine Chance und nutzen Sie die großen Möglichkeiten, die sich jenseits der Marktbarrieren und -gesetze anbieten. Verlassen Sie die eingezeichneten Wege im Markt und gestalten Sie neue Trampelpfade. Wenn die bisherigen Methoden Sie im Stich gelassen haben oder wenn Sie einfach mehr erwarten als die kleinen Schritte der Optimierung für Ihr Unternehmen, dann haben Sie das richtige Buch ausgewählt. Die einzelnen Kapitel sind so aufgebaut, dass sie auch separat gelesen werden können oder Sie gezielt etwas nachschlagen können. Aus didaktischen Gründen finden Sie deshalb Wiederholungen von Inhaltsschwerpunkten in den Kapiteln. Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Buch auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Alle Formulierungen sprechen gleichermaßen alle Geschlechter an. Gerd-Inno Spindler
Danksagung
Die Planung, die Recherche, das Schreiben, Korrigieren und wieder vorn vorne hat viel Zeit gekostet und doch unendlich viel Spaß gebracht. Mein Dank gilt meiner Familie, die in den Abend- und Nachtstunden, an den Wochenenden und im Urlaub während der Autorentätigkeit nicht allzu viel von mir hatte und doch immer wieder mit dem Thema durch Fragen und „lies doch mal“ berührt wurde. Vielen Dank für die erste interne Lektoratsrunde durch meine Frau Jutta, die mir viele wertvolle Tipps gegeben hat. Danke für die Unterstützung und das Verständnis für manchmal komische Fragen und Launen. Meinen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein besonderer Dank, für das, was sie alles durch ihr Engagement und ihre Kreativität bei der Umsetzung des Prozesses ermöglicht haben. Es hat so viel Freude gemacht, mit diesem Team der aws Wärme Service zu arbeiten und diese Managementmethode zu probieren und erfolgreich umzusetzen. Nie werde ich die erstaunten Blicke zum Start des Projektes, die ausdrückten: „Jetzt ist er völlig verrückt geworden“ und auch nicht die wachsende Begeisterung in den folgenden Monaten bis zum „Wann denken wir mal wieder quer, Herr Spindler?“, vergessen. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Jens Böcker, der bei unserem ersten Gespräch zum Thema Querdenken sofort Feuer und Flamme war und der mit seinem Team an der Universität in Bonn den empirischen Teil des Buches ermöglicht hat. Mit seiner Hilfe konnte ich einen Teil der Arbeit vor Publikum präsentieren und viel Mut durch die Reaktionen daraus schöpfen. Vielen Dank auch an seine Frau Uli, die uns an manchen Abenden so gut versorgt hat, dass wir uns nur um unsere Gedanken kümmern mussten. Das Projektteam um Manuel Hammes als Projektleiter an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in St. Augustin hat mit dem „Forschungsprojekt Querdenken“ hervorragende Arbeit geleistet.
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Danksagung
Mein Dank gilt aber auch allen zitierten Autoren, die mir in den vielen Lesestunden immer einen neuen Blick und neue Gedanken im Hinblick auf mein Projekt ermöglicht haben. Meinen Gesprächspartnern aus den „Anders-Denker“Beispielen, danke ich für ihre Offenheit, die erfrischenden Gespräche und die Möglichkeit, einen Blick in diese phantastischen Unternehmen werfen zu können. Ganz herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lektorat des Springer Gabler Verlags in Wiesbaden, die viele wertvolle Tipps zur Realisierung meines Buchprojektes gegeben haben. Vielen Dank auch für den Mut, es umzusetzen. Insgesamt hat es so viel Spaß gemacht, dass bestimmt weitere Projekte folgen werden.
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1 Die Zukunft kommt. Sie auch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Blick nach vorne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Zukunftsplanung statt Optimierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Die Notwendigkeit anders zu denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Eine Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Anders als die anderen und anders als bisher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2.1 Sich vom Wettbewerb abheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2.2 Marktforschung reicht nicht aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2.3 Einzigartig oder austauschbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.3 „Billig“ ist kein Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3.1 Optimieren ist keine Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3.2 Bedürfnisse wecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.4 So kann man sich täuschen!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3 Anders denken als bisher, wie geht das?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Spielregeln im Markt ändern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1.1 Vom Alten lösen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.2 Die richtigen Fragen stellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.2 Der Fokus des Marketings ändert sich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.3 Spielmacher und Mitspieler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.3.1 Das „OMA“-Prinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.3.2 Offensive Spielweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3.3 Fünf Schritte des Spielmachers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3.4 „Was würde mein Nachfolger tun?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
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3.5 3.6 3.7 3.8
„Was würde Apple tun?“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Wechseln Sie die Perspektive!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Es gibt keine Einwände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Exkurs: Irrationales Verbraucherverhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.8.1 Die Abo-Werbung und der Köder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.8.2 Der Kugelschreiber und der Anzug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.8.3 Kino oder nicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.8.4 Der Anker und das Experiment. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1 Der Anfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.2 Die Präsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.3 Ein Denken „Off the Limit“ kommt von oben. . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.4 Teambuilding und Kick-off. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.5 Die Arbeit im „Off the Limit“-Team. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.6 Der „Anders als bisher“-Preis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.6.1 Umsetzung des Siegervorschlages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4.6.2 Anders denken – Ideen entwickeln – Handeln. . . . . . . . . . . . 84 4.7 Weitere Quellen für „anders als bisher“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.7.1 Die neuen Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.7.2 Reisen und Präsentieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.7.3 Task Forces und Workshops. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.7.4 Live Testing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.7.5 Budgetgespräch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.7.6 Training und Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 4.7.7 ILA Company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.7.8 Job Rotation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.8 „Unlimited Thinking“ ist eine Frage der Einstellung . . . . . . . . . . . . 98 4.9 Umsetzungshilfen für den „Anders denken als bisher“-Prozess. . . . 100 4.9.1 Die ersten Schritte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.9.2 Der Prozess in Kurzform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4.9.3 Die „anders als bisher“-„Regeln“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.9.4 Aufgaben- und Fragenkatalog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.9.5 Die „Anders Denker“-Einstiegsfragen und das „GIRL“. . . . 109 4.9.6 Der Vortrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.9.7 „Anders denken als bisher“-„Sprüche“. . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
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5 Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken. . . . . . 121 5.1 Zielsetzung und Stichprobe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 5.2 Die Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.3 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert. . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.1.1 Ryanair. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.1.2 Red Bull. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.1.3 Cirque du Soleil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6.1.4 Europa-Park. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6.1.5 Kirschenhofer Maschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6.1.6 Schwan-STABILO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren. . . . . . . . . . . . 159 6.2.1 Jägermeister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.2.2 Spreewaldhof Get One. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.2.3 Weber Grill. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 6.2.4 Best Worscht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.3.1 Starbucks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.3.2 Ikea. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 6.3.3 engelbert strauss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6.3.4 Leitner Seilbahnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6.4 Hindernisse im Markt eliminieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 6.4.1 Dick Fosbury. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 6.4.2 RTL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6.4.3 aws Wärme Service. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6.4.4 Premium-Cola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6.4.5 AllDent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6.5 Existente Märkte neu beleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.5.1 Nespresso. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.5.2 FedEx. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 6.5.3 Swatch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6.5.4 SUN-SNIPER. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6.5.5 edding. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 7 Leider nicht selbst die Spielregeln geändert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 7.1 Zündapp, Kreidler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 7.2 Dual. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
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Inhaltsverzeichnis
7.3 Telefunken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 7.4 Olympia Schreibmaschinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 7.5 Sony Walkman. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 7.6 Quelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8 Fazit: Es gibt keine dummen Gedanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Stimmen aus dem Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
Über den Autor
Gerd-Inno Spindler hat in Göttingen Betriebswirtschaftslehre studiert und begann seine Karriere bei Blaupunkt in Hildesheim. Danach war er in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen, u. a. für Black & Decker und Nintendo of Europe tätig. Er wechselte später zur VEBA Oel AG (ab 2002 BP Europa SE), wo er zunächst die Geschäftsführung der Caramba Chemie GmbH, anschließend der Aral Wärme Service GmbH und später der aws WärmeService GmbH übernahm. Heute arbeitet Gerd-Inno Spindler als Autor und Unternehmensberater. Er leitet Seminare und moderiert Innovations-Workshops zum Thema „Anders denken als bisher“ und ist gefragter Referent und Keynote Speaker auf Marketing- und Strategiekonferenzen. Als Dozent für Marketing und Betriebswirtschaftslehre lehrt er an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach, Heilbronn und Weinsberg. Sein Buch „Und Action, bitte! – Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen“ ist 2020 im Springer Gabler Verlag erschienen. Das vorliegende Buch „Querdenken im Marketing – Wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern“ (der Titel wurde ab der 3. Auflage geändert) ist ein vielbeachtetes Fachbuch zu diesem Thema. „Basiswissen Marketing“ und „Basiswissen
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Über den Autor
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ sind in der 3. Auflage veröffentlicht und gehören an vielen Hochschulen zu den Standardwerken. Gerd-Inno Spindler hat an der Actor‘s Company in Aschaffenburg unter der Leitung von Torsten Stoll Schauspielunterricht genommen und wirkt seitdem in Theaterproduktionen als Schauspieler mit. Zusammen mit einer Kollegin ist er für die Produktion zahlreicher Theaterstücke verantwortlich. www.gerd-inno-spindler.de [email protected]
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1 Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9
Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 „Querdenken“ in seiner ursprünglichen Bedeutung: eine Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Anders denken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Die Optimierungsfalle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Anders denken als bisher: Wie geht das? . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Ansatzpunkte des Marketings für unlimitiertes Denken. . . . . . 41 Spielmacher und Mitspieler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Schritte des Spielmachers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Was würde Apple tun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Meeting, aber wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Das anderes Denkmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abo-Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Köder schafft Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kugelschreiber und Anzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kino oder nicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Experiment: Was kostet?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 „Wo kämen wir hin?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Der Unterschied. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 „Was machen wir heute?“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Das Anabis-Nominierungsblatt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Pool für „anders denken als bisher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 „Anders denken als bisher“-Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 „Anders Denker“ Einstiegsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Gedanken und Ideen Rundlauf (GIRL). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Der Vortrag, graphic recording von Cornelia Koller. . . . . . . . . 113
XXI
XXII
Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 6.1 Abb. 6.2 Abb. 6.3 Abb. 6.4 Abb. 6.5 Abb. 6.6 Abb. 6.7 Abb. 6.8 Abb. 6.9 Abb. 6.10 Abb. 6.11 Abb. 6.12 Abb. 6.13 Abb. 6.14 Abb. 6.15 Abb. 6.16 Abb. 6.17 Abb. 6.18 Abb. 6.19 Abb. 6.20 Abb. 6.21 Abb. 6.22 Abb. 6.23 Abb. 6.24 Abb. 6.25 Abb. 6.26
Abbildungsverzeichnis
Projektteam: Zielsetzung. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Projektteam: befragte Unternehmen. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Projektteam: inhaltliches Verständnis. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Projektteam: Grenzen. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Projektteam: Einsatzbereiche. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Projektteam: Organisation. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Ryanair . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Red Bull. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Cirque du Soleil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Europa-Park Logo. (Quelle Europapark) . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Europa-Park Foto. (Quelle Europapark). . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Rulantica. (Quelle Europapark). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Europa-Park Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Kirschenhofer Maschinen GmbH Logo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Roboter YASKAWA. (Bildquelle YASKAWA). . . . . . . . . . . . . 146 Logo VPS-ROBERTA®. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 VPS-ROBERTA® mit einem Display. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 VPS ROBERTA® Transport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Sebastian Schwanhäußer. (Quelle Schwan-STABILO). . . . . . . 150 STABILO BOSS Textmarker. (Quelle Schwan-STABILO). . . 150 Fineliner STABILO point 88. (Quelle Schwan-STABILO) . . . 151 Schwan Logo ca. 1925. (Quelle Schwan-STABILO). . . . . . . . 151 Dermatograph. (Quelle Schwan-STABILO). . . . . . . . . . . . . . . 152 Lirola Einmal-Lippenstift. (Quelle Schwan-STABILO). . . . . . 153 Schwan-STABILO DNA. (Quelle Schwan-STABILO) . . . . . . 156 Schwan-STABILO 2023. (Quelle Schwan-STABILO). . . . . . . 158 Jägermeister Logo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Jägermeister Anzeige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Jägermeister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Spreewaldhof Get One!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Spreewaldhof Gurken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Weber Grill Logo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
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Abb. 6.27 Abb. 6.28 Abb. 6.29 Abb. 6.30 Abb. 6.31 Abb. 6.32 Abb. 6.33 Abb. 6.34 Abb. 6.35 Abb. 6.36 Abb. 6.37 Abb. 6.38 Abb. 6.39 Abb. 6.40 Abb. 6.41 Abb. 6.42 Abb. 6.43 Abb. 6.44 Abb. 6.45 Abb. 6.46 Abb. 6.47 Abb. 6.48 Abb. 6.49 Abb. 6.50 Abb. 6.51 Abb. 6.52 Abb. 6.53 Abb. 6.54 Abb. 6.55 Abb. 6.56 Abb. 6.57 Abb. 6.58 Abb. 6.59 Abb. 6.60
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Weber Grill Original Store . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Weber Grill 360 Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 BWIT Schärfe- u. Geschmacksrichtungen – Brenn-O-Meter. (Quelle BMIT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 BWIT Dolle Äbbel. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Best Worscht Imbiss. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 „Godfather of Worscht“. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Best Worscht Food Truck. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . 176 Best Worscht Opening Flughafen Frankfurt Main (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Best Worscht in Dubai 1. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Best Worscht in Dubai 2 (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Best Worscht Shopprodukte. (Quelle BMIT) . . . . . . . . . . . . . . 180 Best Worscht Gate Fuerteventura. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . 181 Lars Obendorfer „on work“ auf Fuerteventura. (Quelle BMIT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Starbucks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Ikea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 engelbert strauss Logo. (Quelle engelbert strauss). . . . . . . . . . 189 engelbert strauss Eingangspanorama. (Quelle engelbert strauss). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 engelbert strauss CI Factory. (Quelle engelbert strauss). . . . . . 192 Leitner Schmittenhöhebahn. (Quelle: Leitner AG) . . . . . . . . . 194 Cablebus Mexico City. (Quelle Leitner AG). . . . . . . . . . . . . . . 195 Flying Belt Barroso, Brasilien. (Quelle Leitner AG). . . . . . . . . 196 Dick Fosbury. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 RTL. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aws Wärme Service. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Premium-Cola Flasche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Premium-Cola Betriebssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Premium-Cola Kalkulation (Beispiel 2015). . . . . . . . . . . . . . . 212 Premium-Cola Etikett. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 AllDent Zahnklinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 AllDent Zahnklinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Nespresso. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 FedEx. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Swatch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 SUN-SNIPER Logo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
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Abb. 6.61 Abb. 6.62 Abb. 6.63 Abb. 6.64 Abb. 6.65 Abb. 6.66 Abb. 6.67 Abb. 6.68 Abb. 6.69 Abb. 6.70 Abb. 6.71 Abb. 6.72 Abb. 6.73 Abb. 6.74
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SUN-NIPER Produkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Logo edding. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 edding No. 1 Filzstift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Per Ledermann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 edding Permanent Spray. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 edding L.A.Q.U.E. Nagellack. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 edding Tattoo Studio Hamburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 edding Tattoo Farbe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 edding in-line Kompaktdrucker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 edding portable Kompaktdrucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 transparente Folie, digital lesbar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 easy check by edding. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Legamaster LoopMeeting Room Panel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Logo PLAYROOM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
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Die Zukunft kommt. Sie auch?
Zusammenfassung
In diesem Kapitel möchte ich die enorme Wichtigkeit der eigenen und vor allem der aktiven Zukunftsgestaltung eines Unternehmens im Marketing- und Vertriebsbereich herausstellen und verdeutlichen, dass man an der Zukunft nicht durch Reagieren oder Optimieren teilnimmt. Der Blick kann nur nach vorne gehen, die Zukunft ist das, was zählt. Beim Vorwärtsgehen müssen wir unsere Kraft und unsere Finanzen einsetzen. In die Vergangenheit zu optimieren, ist sinnlos. Die Zukunft wird in den seltensten Fällen nur eine Fortsetzung der Vergangenheit sein und sieht anders aus als das Heute. Wer nur nach hinten schaut, verliert den Blick nach vorne und gerät schnell ins Stolpern.
1.1 Blick nach vorne „If everything seems under control, you are just not going fast enough.“1
Das Herangehen an die Lösung von Problemen, die uns heute beschäftigen, gehört schon zur Gestaltung der Zukunft. Darum gibt es für mich einen ganz engen Zusammenhang zwischen Zukunft und Problemlösung. Immer und immer wieder die gleiche Vorgehensweise im Markt zu praktizieren, die gleichen
1 Mario Andretti,
amerikanischer Rennfahrer.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_1
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1 Die Zukunft kommt. Sie auch?
Produkte und Vertriebskanäle zu haben, sichert kein Geschäft für die Zukunft. Wären wir mit den heutigen Produkten und Strategien in zehn Jahren noch erfolgreich? Denken Sie einmal zehn Jahre zurück, zum Beispiel an die Telefonie oder den Computer. Mit den damaligen Produkten wäre heute im Markt kein Kunde mehr zu gewinnen. Aufgabe ist es, die eigene Zukunft und das eigene Schicksal selbst zu bestimmen, denn die Zukunft kommt nicht schlagartig wie aus dem Nichts. Die Zukunft ist nichts Passives, sie wird vorbereitet und zwar von den Personen, die sich als Spielmacher aktiv im Markt bewegen. Also weg vom Klon-Marketing, hin zu einer aktiven Gestaltung mit einem anderen Denkprozess als bisher. Mit dem Optimieren von Prozessen und Produkten werden nur die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit beseitigt. Es ist wichtig zu erkennen, dass man das Geld für Optimierung und Restrukturierung aus den vergangenen Jahren auch in die Zukunft hätte investieren können. Wo stünde das Unternehmen dann heute? Auf welchen neuen Märkten, mit welchen neuen Produkten und mit welchen neuen Kunden hätte man arbeiten können, wäre das Geld anders eingesetzt worden? Dieses Bußgeld für die Vergangenheit wäre besser in die Zukunft investiert worden. Wo begrenzt uns das Gewohnte und verbaut den Blick nach vorne? In folgendem Experiment aus dem Tierreich werden die Beschränkung auf das Gewohnte und die sich daraus ergebenden Folgen gut sichtbar: Beispiel
Vier Affen sind in einem Käfig, in dem ein Baum mit Bananen an der Baumspitze steht. Jeder Affe versucht natürlich, an die Bananen zu kommen, aber immer, wenn er zugreifen will, kommt von oben eine kalte Wasserdusche. Alle Affen machen diese Erfahrung. Dann wird ein Affe gegen einen neuen „unerfahrenen“ Affen ausgetauscht. Der neue Affe will selbstverständlich auch an die Bananen, aber die anderen erfahrenen Affen halten ihn zurück, sie wissen ja, was passieren würde. Nacheinander werden nun alle Affen ausgewechselt, bis zum Schluss keiner mehr die Erfahrung mit der Wasserdusche selbst gemacht hat. Aber trotzdem halten alle den jeweils neu hinzukommenden Affen davon ab, die Bananen zu greifen. Das Fernhalten von der Banane wurde zur Gewohnheit, selbst wenn die Wasserdusche nicht mehr erfolgen würde. Soweit zu Erfahrungen in der Vergangenheit und was sie für die Zukunft taugen. ◄
1.1 Blick nach vorne
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Der Spielmacher ist erfolgreich, weil er flexibel und schnell ist und sich zutraut, die Zukunft aktiv anzugehen und sich mit ihr auseinanderzusetzen, und zwar nicht aufgrund von Kostenvorteilen, operativer Effizienz oder organisatorischen Vorteilen. Der Spielmacher und „Anders als bisher Denker“ schaut hinter die typischen Strategiepläne, er schaut weiter. Was brauche ich für den Markt der Zukunft? Diese Frage sollte einen wichtigen Platz einnehmen. Es geht nicht um einen aktuell höheren Marktanteil, das ist operatives Tagesgeschäft. Es geht um den Markt von morgen, der heute vielleicht noch nicht einmal in Ansätzen existiert. Wichtig sind die Nicht-Kunden, die zu Kunden werden sollen. Welche neuen Services, Vorteile oder Produkte will ich meinen Kunden in zehn Jahren anbieten? Welche neuen Kunden will ich überzeugen? Welche Kompetenzen brauche ich dafür? Welche Technik, welche Mitarbeiter? Werden dafür Lizenzen oder Firmenkäufe notwendig sein? Muss ich Mitarbeiter mit dem notwendigen Know-how suchen und für das Unternehmen gewinnen? Sind interne Versetzungen oder eventuell neue Shareholder notwendig? Wofür geben Sie im Unternehmen mehr Geld aus und investieren mehr Zeit? Für die Erklärung und Bewältigung der Vergangenheit, zum Beispiel mithilfe detaillierter Analysen, für etwas, was schon längst vorbei ist? Oder für die aktive Gestaltung der eigenen Zukunft? Nach einer Analyse, nachzulesen bei Gary Hamel und C. K. Prahalad (1995), ist uns die Zukunft gerade mal drei Prozent unserer Aufwendungen wert. Testen Sie sich selbst
Frage 1: „Wie verbringen Sie Ihre Zeit: Mit internen oder mit externen Fragen?“ Frage 2: „Bei den externen Themen, schauen Sie auf die nächsten fünf bis zehn Jahre oder auf den nächsten lukrativen Auftrag?“ Frage 3: „Bei den Themen in den nächsten fünf bis zehn Jahren, werden diese nur mit internen Kollegen besprochen oder diskutieren Sie auch mit externen Personen aus anderen Unternehmen und Branchen und versuchen, völlig andere Ansätze zu finden?“ Anstatt insgesamt fünfzig Prozent für die aktive Gestaltung der Zukunft einzusetzen, verbleiben durchgerechnet gerade einmal drei Prozent. Dramatisch daran ist, dass damit nichts Entscheidendes für die Zukunft getan wird, sondern die Vergangenheitsbewältigung uns offensichtlich erheblich mehr Zeit und Geld wert ist. Oft beherrscht uns die Angst eines Mitspielers vor der Zukunft und nicht der
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1 Die Zukunft kommt. Sie auch?
Wille und das Selbstbewusstsein eines Spielmachers. Auf die unterschiedlichen Rollen von Spielmachern und Mitspielern wird später noch eingegangen. Wachstum und Marktanteil kann man kaufen. Man kauft einen Wettbewerber und schon steigt der Marktanteil. Man kann Synergien heben und alles ist vermeintlich in Ordnung. Akquisitionen sind allerdings die am wenigsten intelligente Art im Markt zu wachsen. Meistens rechnen sich die Aufwendungen für Zukäufe selbst nach Jahren nicht. Es wird nur in sehr wenigen Fällen gelingen, eine Spitzenstellung in der Zukunft auf Zukäufe zu begründen. Die alleinige Sicht auf den Marktanteil hat ihre Tücken. Wie definiere ich meinen Markt? Als spezialisierter Reifenproduzent von Winterreifen für Allradfahrzeuge ist mein Marktanteil am gesamten Reifenmarkt eher gering. Beziehe ich ihn nur auf Winterreifen, ist er deutlich höher. Beziehe ich ihn auf Winterreifen für Allradfahrzeuge sieht die Marktanteilswelt schon wieder ganz anders aus. Am Ergebnis des Unternehmens hat sich allerdings nichts geändert. Also Vorsicht bei der Interpretation von Marktanteilen und dem „Gesundrechnen“. Es ist eminent wichtig zu wissen, wo Geld in Form von Investitionen ausgegeben werden soll. Kaufen Sie mit viel Geld Marktanteile im heutigen Markt, der vielleicht morgen gar nicht mehr vorhanden ist oder zahlen Sie lieber in die Zukunft ein? Für die Zukunftsplanung eines Unternehmens ist es besser, ein Problem auch als solches anzuerkennen, als es durch Zahlenquälerei nur optisch zu lösen und dabei viel Zeit zu verlieren. Es ist besser die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Um satt zu werden, reicht es nicht, sich über das gute Essen von gestern zu freuen. Manchmal ist es besser und auch notwendig, die Vergangenheit einfach auszublenden. Die Positionierung des Unternehmens und der Produkte im aktuellen Markt ist wichtig, aber immer reaktiv und nicht auf die Zukunft gerichtet. Die aktuelle Positionierung übernimmt den Status quo. Als Spielmacher, der anders denkt als bisher, beschäftigt man sich mit einem heute noch unbekannten Markt. Das macht die Aufgabe umso spannender. Nehmen wir den Videorekorder als Beispiel. Keiner wusste, was der Markt will, es gab ihn schlicht noch nicht. Wo sollte der Preis des Videorekorders liegen? Welche Aufnahmezeit sollte eine Kassette haben? Welche Features sollte das Produkt haben? Zeitlupe, schneller Vorlauf, Programmierung, Schneidemöglichkeit? Eine Marktforschung war schwierig, denn der Konsument hatte vorher nie einen Videorekorder gesehen. Also galt es, einfach zu probieren, Standards zu setzen und schneller als andere im Markt zu sein, um Erfahrungen zu sammeln und darauf aufzubauen. So hat es Matsushita gemacht und so hat es Sony mit seinem Beta-System gemacht. Anfangs für den B2C-Bereich konzipiert und später die Messlatte im Profibereich. Durch die Auseinandersetzung mit dem Neuen, lernt und entwickelt sich ein Unternehmen.
1.2 Zukunftsplanung statt Optimierung
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1.2 Zukunftsplanung statt Optimierung Es ist wichtiger, neue Märkte zu entdecken, als im heutigen Markt zu arbeiten und alles auszuquetschen, was noch eben geht. Das ist die Aufgabe Ihrer Spezialisten im Unternehmen, oft die Bewahrer der Vergangenheit. Sie selbst sollten anders denken und arbeiten. Es ist besser, Sie erfinden die Zukunft, als an der eigenen Zukunft nicht beteiligt zu sein. Nur der Aktive hat die Macht. Was wollen Sie oder Ihre Mitarbeiter in zehn Jahren erreicht haben bzw. hinterlassen haben? An welchen bahnbrechenden Entwicklungen im Markt wollen Sie mitgewirkt haben, welche wollen Sie initiiert haben? Die Zukunft ist erheblich reizvoller als die Vergangenheit. Das Festhalten an Verhalten und Lösungen, die in der Vergangenheit ausgereicht haben und sinnvoll und erfolgreich waren, wird nicht die Lösungen für eine sich verändernde Zukunft bringen. Wir haben oft Angst vor dem Dunkel der Zukunft, aber dann müssen wir eben die passenden Scheinwerfer finden. Diese Angst vor der Zukunft wird von Paul Watzlawick (1983) in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ beschrieben: Ein Mann verliert nachts auf dem Weg nach Hause seinen Schlüssel und sucht offensichtlich erfolglos immer nur unter dem Lichtschein einer Laterne. Auf die Frage eines dazu kommenden Polizisten, ob er den Schlüssel hier verloren hätte, antwortet der Mann: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster, um etwas zu sehen.“ Wenn wir immer unter dem gleichen Lichtkegel, immer nur im Vertrauten nach Lösungen suchen, kommen wir keinen entscheidenden Schritt voran. Eine lineare Weiterentwicklung des immer Gleichen läuft irgendwann ins Leere. Bruno Weisshaupt (2006) beschreibt in seinem Buch „Systeminnovation – Die Welt neu entwerfen“ eine Art Gesetzmäßigkeit des Fortschritts, indem eine lineare Weiterentwicklung des immer Gleichen, irgendwann ins Leere läuft. Er sieht zum Beispiel den Höhepunkt einer Produktentwicklung dann erreicht, wenn der Aufwand einer Optimierung des Produktes, in keiner Relation mehr zum Wert des Produktes steht. Dieser Punkt ist meistens schneller erreicht, als man denkt und wahrhaben will. Manchmal kommt es mir so vor, als wenn viele nach dem Motto „Keine Ahnung, wohin wir gehen, aber von diesem Weg weichen wir keinen Millimeter ab“ handeln. Was muss ich heute tun, um das Morgen zu erreichen? Wer könnten die neuen Wettbewerber und die neuen Kunden im Zukunftsmarkt sein? In diesem Stadium reicht die grobe Richtung, Details der Zukunft oder der komplette Weg werden jetzt noch nicht benötigt. Es reicht, den ersten Schritt zu sehen und diesen auch
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1 Die Zukunft kommt. Sie auch?
zu tun. Wenn sie mit dem Auto von Hamburg nach München zum Hauptbahnhof fahren wollen, müssen Sie erst einmal die grobe Richtung kennen, die A7 Richtung Süden; der Straßenplan von München nutzt Ihnen hier noch nichts. Er interessiert an dieser Stelle noch gar nicht, kann aber mächtig irritieren. In diesem Stadium reicht es grobe Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln, aber noch keine Details, die sich erst mit den weiteren Schritten ergeben werden. Unterwegs auf der Reise nach München werden Sie etwas essen und trinken und Sie werden das Auto auftanken müssen. Kaum einer wird schon seine gesamte Verpflegung dabei haben: Sie werden sich unterwegs die Dinge besorgen, die Sie für die Weiterreise brauchen. Sich einfach ins Auto setzen und losfahren, funktioniert allerdings auch nicht, denn dann fahren sie eventuell nach Flensburg und nicht nach München. Als Franz und Roland Mack, Entwickler und Hersteller von Fahrgeschäften für Jahrmärkte, die Idee für ein Ausstellungsgelände für ihre Produkte hatten, wussten sie auch nicht, dass ihre Idee zu Europas größtem Freizeitpark führen würde. Heute ist der Europa-Park Rust weltweit eine Messlatte in der Freizeitindustrie und Roland Mack wurde fast nebenbei zu Deutschlands größtem Hotelier (s. Kap. 6). Gestaltung der eigenen Zukunft ist, sich neue Produkte und Anwendungen für die bestehenden Kompetenzen im Unternehmen zu suchen oder sich die Frage zu stellen, welche Kompetenzen für den Markt der Zukunft aufgebaut werden müssen (Abb. 1.1). Recaro z. B. produziert und verkauft Auto- und Flugzeugsitze. Aus dieser Kompetenz entwickelt sich ein Angebot an Bürostühlen. Der Einstieg in einen neuen Markt. Die Zukunftsplanung ist kein einmaliger, sondern ein permanenter Prozess, für den nicht Geld entscheidend ist, sondern das Wollen und Können der Manager und Mitarbeiter. Das Management eines Unternehmens sollte sich dem „Anders Denken als bisher“ öffnen und sich nicht zu viel im Tagesgeschäft verlieren. Ein Unternehmen muss sich verändern, und zwar bevor es eine Notwendigkeit wird. Genau dafür muss ein anderer Weg des Denkens und des Managements eingeschlagen werden. Da es keine unsterblichen Geschäftsmodelle gibt, ist es effektiver sich selbst in Frage zu stellen und sein eigenes Geschäftsmodell anzugreifen, bevor es Andere tun. „Keine Marktführerschaft ist für die Ewigkeit. Jedes Geschäftsmodell wird irgendwann angegriffen werden. Und vor diesem Hintergrund ist es strategisch klüger, selbst das eigene Geschäftsmodell anzugreifen, als von Anderen angegriffen zu werden. Konsequenz: wir müssen uns selbst
1.2 Zukunftsplanung statt Optimierung
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Abb. 1.1 Zukunft
kannibalisieren.“2 Die Hersteller von analogen Filmen und Kameras haben das schmerzlich erfahren. Mit Einführung der digitalen Fotografie ist der Markt für analoge Fotografie in kurzer Zeit zusammengebrochen. Es gab viele namhafte und starke Unternehmen in diesem Bereich, wie z. B. Fujifilm (s. Komori, Shigetaka, 2015). Der Umsatzanteil der Filme betrug bei Fujifilm ca. 60 %. Ab 2002 brach der Markt für diese Produkte um jährlich bis zu 30 % ein und kam nahezu zum Erliegen. Einige Wettbewerber stellten ihr Sortiment auf digitale Produkte um, einige spezialisierten sich auf andere optische Produkte, wie medizinische Geräte oder Kopierer und einige verschwanden vom Markt. Fujifilm stellte seine Produkte ebenfalls um, ging aber noch einen Schritt weiter. Das Ziel war es, mit der Kernkompetenz aus dem Fotogeschäft neue Märkte zu erschließen. Ein wichtiges Know-how bestand darin, das Verblassen von Fotos zu verlangsamen. Die eigene Forschungsabteilung beschäftigte sich intensiv
2 Sven
Gábor Jánsky, deutscher Zukunftsforscher
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1 Die Zukunft kommt. Sie auch?
mit dem Protein Kollagen und verschiedenen Antioxidantien (chemischen Verbindungen). Da die menschliche Haut zu großem Teil aus Kollagen besteht und der Alterungsprozess von Fotos und der menschlichen Haut vergleichbar ist, entschloss sich Fujifilm ins Kosmetikgeschäft einzusteigen und führte 2012 eine Anti-Aging-Hautpflege ein. Heute macht Fujifilm nur noch knapp ein Prozent seines Umsatzes mit Filmen. „Ihr müsst nach vorne denken, in die Führung gehen statt zu verwalten. Sonst werdet ihr sterben.“3
Literatur Hamel, Gary, und C.K. Prahalad. 1995. Wettlauf um die Zukunft. Wien: Ueberreuter. Komori, Shigetaka. 2015. Wir blickten in den Abgrund. Düsseldorf: Handelsblatt. Watzlawick, Paul. 1983. Anleitung zum Unglücklichsein. München: Piper. Weisshaupt, Bruno. 2006. Systeminnovation – Die Welt neu entwerfen. Zürich: Orrel Füssli.
3 Frank
Thelen, deutscher Unternehmer, Investor und Autor
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Die Notwendigkeit anders zu denken
Zusammenfassung
Im Folgenden wird der Begriff Querdenken in seiner ursprünglichen Bedeutung definiert und erläutert. Es wird beschrieben, warum ein anderes Denken im Marketing und in anderen Unternehmensbereichen dringend notwendig ist. Die bisherigen Ansätze sind Schnee von gestern und somit morgen bereits getaut. Die Chancen, die ein anderes Denken im Marketing ermöglicht und die negativen Folgen, wenn man sich stattdessen im Markt auf den Preis reduzieren lässt, werden veranschaulicht. Am Ende des Kapitels wird an einigen klassischen Fehlinterpretationen verdeutlicht, warum oft aus der aktuellen Situation heraus die Zukunft falsch eingeschätzt wird.
2.1 Eine Definition Joseph Alois Schumpeter (2005) hat in seinem Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ schon 1943 in der englischsprachigen Ausgabe bzw. 1946 in der deutschen Übersetzung von der „schöpferischen Zerstörung“ („Process of Creative Destruction“) gesprochen. Er bezeichnet so den Prozess einer wirtschaftlichen Mutation, der permanent von innen alte Strukturen zerstört und damit immer wieder neue Strukturen schafft. Für eine dynamische und sprunghafte Entwicklung ist dieser Wandel aus seiner Sicht notwendig. Erst das Neue sprengt den normalen, langsamen Ablauf in der Wirtschaft. Schumpeter hat sicher nicht das Querdenken, wie hier beschrieben, im Sinn gehabt, seine Gedanken weisen aber doch viele Parallelen auf. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_2
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2 Die Notwendigkeit anders zu denken
Edward de Bono, ein britischer Mediziner und Schriftsteller, hat den Begriff des „lateralen Denkens“ 1967 in einer Veröffentlichung eingeführt. De Bono sieht das laterale Denken im Gegensatz zum vertikalen oder linearen Denken, das kontinuierlich verläuft und auf dem bisher Bekannten beruht. Das laterale Denken zeichnet sich dadurch aus, dass • • • • •
auch subjektive Eindrücke und Empfindungen zugelassen werden, keine Kontinuität in den Gedanken vorhanden sein muss, das Unwahrscheinliche nicht ausgeblendet wird, beschränkende Rahmen nicht akzeptiert werden, Schwarz-Weiß-Entscheidungen nicht erlaubt sind.
Für mich ist Querdenken, bezogen auf Marketing und Vertrieb in einem Unternehmen, eine strategische Denkmethode, die sich durch folgende Grundzüge auszeichnet: • • • • • •
die Optimierung des Bestehenden alleine ist zu wenig, Branchengesetze werden als Beschränkung nicht akzeptiert, bewusster Ausbruch aus dem Bestehenden, „geht nicht“ gibt es nicht, aktives und unvoreingenommenes Vorgehen, Adaptionen aus anderen Branchen als Hilfsmittel. Querdenken definiere ich folgendermaßen (Abb. 2.1): „Querdenken (in seiner ursprünglichen Bedeutung) ist eine strategische Denkweise, bei der aktiv, bewusst und unvoreingenommen das bisher Erreichte nicht weiter optimiert, sondern infrage gestellt und ohne Akzeptanz der bestehenden Branchenregeln nach neuen Möglichkeiten und Regeln im alten oder neuen Markt gesucht wird.“
Beim Querdenken in dieser Bedeutung gibt es keine Begrenzungen im Denken. Wer sich Grenzen setzt, wird sie auch einhalten. Wenn ein Unternehmen drei Prozent Umsatzsteigerung als Ziel definiert, werden auch nicht mehr als diese drei Prozent realisiert. Wir kennen alle die Selffulfilling Prophecy. Wenn man schon das Scheitern und Nicht-Gelingen erwartet, wird es auch so passieren. Positiv nach vorne denken, ist eine Grundlage des Querdenkens. Eine plakative Formulierung dessen, was gemeint ist, habe ich bei Anja Förster und Peter Kreuz gefunden (2005): „Gesucht ist nicht die bessere Art, zwei Holzstücke aneinander zu reiben, um Licht zu machen, sondern die Glühbirne.“
2.1 Eine Definition
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Abb. 2.1 „Querdenken“ in seiner ursprünglichen Bedeutung: eine Definition
Querdenken ist eine Strategie, eine Managementmethode, um die Zukunft und die Sicherung des Unternehmens anzugehen. Jack Welch hat in seinem Buch „Winning“ (2005) beschrieben, dass für ihn bei einer Strategie weniger gegrübelt, sondern mehr gehandelt werden sollte. Es gibt kein Verrennen in Zahlenkolonnen und Power Point Charts, die einem den Durchblick vernebeln, anstatt zu erhellen. Strategie ist keine Theorie, sondern pure Praxis am Markt. Idee haben – Team bilden – Umsetzen. Querdenken ist eine Methode, die uns in die Lage versetzt, ein Thema unvoreingenommen zu behandeln und ein Unternehmen in vielen Bereichen fit für den Markt der Zukunft zu machen. Es gelingt auf diese Weise sich von den bisherigen und nicht erfolgreichen Denkprozessen und -methoden zu befreien und diese hinter sich zu lassen, denn geholfen haben sie bisher nicht. Es bedeutet, aus diesen Modellen auszubrechen und die Lösung eines Problems oder Innovationen in einem völlig neuen Bereich und einer völlig neuen Richtung zu suchen. Der große Vorteil dieser Art zu Denken liegt darin, genau das nicht zu akzeptieren, was der Wettbewerb und die anderen Marktteilnehmer als fixen Rahmen und als Branchengesetze ansehen und nicht mehr hinterfragen. Sieht man nur die Branchengesetze, wird man erheblich eingeschränkt und verstellt sich geradezu den
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2 Die Notwendigkeit anders zu denken
Blick für ein völlig neues Spielfeld. Der „Anders Denker“ ignoriert diese Grenzen. Er fühlt sich als grenzenloser Spielmacher: Er will die Spielregeln in seinem Markt ganz bewusst ändern. Nicht das Unternehmen soll sich nach dem Markt richten, sondern der Markt nach den eigenen Spielregeln des Unternehmens. So zu denken schafft Abstand zu den Wettbewerbern und hält sie auf Distanz. Sie selbst setzen aktiv neue Standards im Markt. Im Gegensatz dazu wurden die existierenden Benchmarks in der Branche von anderen gesetzt und oftmals blind verfolgt.
2.2 Anders als die anderen und anders als bisher Am besten beschreibt für mich Henry Ford die Notwendigkeit des Querdenkens: „Wenn Sie immer das tun, was sie bisher getan haben, werden Sie auch immer das bekommen, was Sie bisher bekommen haben.“1
Wenn wir immer mit den gleichen Methoden und Prozessen Themen bearbeiten oder Probleme lösen, wird uns das nicht weiter bringen als bisher. Wir kommen immer wieder zu den fast gleichen Ansätzen und Ergebnissen. Ergo bedeutet die gewohnte Methode Stillstand statt Weiterentwicklung. Wir alle kennen dieses Phänomen immer wieder mit den gleichen Problemen und Umständen zu kämpfen, ohne einen Durchbruch zu erzielen oder die entscheidende Lösung zu finden. Viele Probleme sind schon wie alte Bekannte, die immer mal wieder vorbeischauen, auch wenn sie ab und an ihr Aussehen und ihr Verhalten ändern. Analog gilt dies auch für die generelle Zukunftsgestaltung im Unternehmen. Im Marketing und Vertrieb kennen wir dieses Phänomen gleichermaßen. Immer wieder gehen wir wie gewohnt vor und starten mit großem Aufwand eine Prozessanalyse, die alles bis ins Kleinste zerlegt. Im Marketing und Vertrieb schauen wir gebannt auf die Maßnahmen und Produkte der Wettbewerber und reagieren in gleicher Weise. Wir tun das natürlich mit denselben Menschen wie immer und optimieren an den nicht funktionierenden Dingen herum, ohne sie generell infrage zu stellen und nach dem Neuen zu suchen. Mit der klassischen Vorgehensweise lässt sich jedoch das Neue und Ungewohnte nicht identifizieren. Ähnlich verhält es sich mit den Ideen, die mit den immer gleichen Teilnehmern in
1 Henry
Ford, Gründer Ford Motor Company.
2.2 Anders als die anderen und anders als bisher
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einem Workshop entwickelt werden, wenn man immer mit der gleichen „Denke“ herangeht. Sie kennen die vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten noch vom vorletzten Jahr. Aber schon da haben sie nicht dauerhaft funktioniert. Trotzdem werden sie, bei der immer gleichen Vorgehensweise, immer wieder als vermeintliche Lösung herangezogen werden. Wir müssen uns zum einen von der rein funktionalen Sicht und der rein technischen Sicht (bei Produkten) lösen und zum anderen, die traditionellen Prozess- und Strukturbarrieren aufbrechen und mit einer neuen Sichtweise auf die Prozesse und Produkte schauen. Die beste Sichtweise auf ein Produkt hat der Kunde, der das Produkt kaufen und nutzen soll. Oftmals beschäftigen sich viele Unternehmen nur mit internen Themen, weil sie alles Interne für viel wichtiger als den Kunden und den Markt halten. Optimieren der bestehenden Produkte, der internen Strukturen und der Prozesse macht offensichtlich mehr Spaß und bringt relativ schnell kleine Erfolge, von denen man sich aber nicht blenden lassen sollte. Bruno Weisshaupt (2006) fordert daher: „Es wird in Zukunft nicht mehr darum gehen, immer neue Features in die alten Pflichtenhefte der Techniker zu schreiben. Wir brauchen neue Pflichtenhefte, die der Markt und nicht der Techniker diktiert.“ Weisshaupt verdeutlicht dies am Beispiel der Drehtür, die nach mehr als 120 Jahren Entwicklungsgeschichte immer noch nicht richtig funktioniert und sich oft als Behinderung erweist anstatt den Personenverkehr flüssiger zu gestalten. Zur Sicherheit gibt es neben den Drehtüren noch zwei Flügeltüren, falls die 120-jährige Entwicklung doch nicht funktioniert. Welche Eingangsvariante hätten wir heute, wäre das Entwicklungsgeld für die Drehtür in andere Möglichkeiten gesteckt worden? Wenn man immer an der Verbesserung des Bestehenden arbeitet und die ganze Kraft darauf konzentriert, verliert man den Blick für die bessere Lösung. Wir beharren auf schlechten und nicht funktionierenden Systemen, Prozessen und Produkten, weil wir glauben, dass es keine besseren gibt. Bei diesem Tunnelblick gelingt es oftmals nicht, aus dem Detail auszubrechen und das gesamte System – hier Personenverkehr und Klimatrennung – zu sehen. Weisshaupt fordert, die Systemgrenzen und die Wertschöpfungsketten aufzubrechen und dem Kunden Lösungen für seine Probleme und Bedürfnisse anzubieten, die über das Heutige weit hinausgehen. Wir lieben verbesserte Produkte, aber sie sind kein Ersatz für die Zukunft. Brauchen wir immer schnellere und leichtere Autos oder wird ein völlig neues Verkehrskonzept benötigt? Wollen wir unsere Städte mit immer mehr und immer größeren und schnelleren Autos verstopfen? Reicht es uns, wenn das neue Auto einen halben Liter Treibstoff weniger verbraucht als das alte, oder müssen wir nicht einen Minderverbrauch von fünfzig Prozent erwarten? Oder sogar ein Verkehrskonzept, in dem das Auto nur eine Teilrolle spielt und die Schiene eine weitere Rolle.
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Bruno Weisshaupt hat dies in seinem Buch anschaulich beschrieben. Was bringt die Leichtbau-Querlenker-Hinterachse, wenn man morgens nur fünf Kilometer zum Bahnhof fahren will? Damit werden die Produkte für alle teurer, ohne dass alle den Nutzen des technischen Aufwandes daraus ziehen können. Wäre es nicht viel besser ein Konzept zu entwerfen, wie man kostengünstig und schnell zum Bahnhof kommt? Man muss lernen und üben, so zu denken Beispiel
In großen Städten verzichten immer mehr Menschen auf ein eigenes Auto. Für die Autohersteller eine dramatische Entwicklung, leben sie doch vom Verkauf der Autos. Oder lässt sich dieser Trend für eine neue Strategie nutzen? Viele Städte sind auf diesem Gebiet aktiv geworden. Dort stehen jedem angemeldeten Kunden mehrere Kleinwagen zur Verfügung. Die Parkspots der Fahrzeuge im Stadtgebiet können online und per App gesucht und das Auto direkt reserviert werden. Das Warten auf den Bus oder die Anschaffung eines eigenen Autos können damit in der Stadt vermieden werden. Genutzt werden die Autos für den Einkauf, einen Arztbesuch oder innerstädtische Fahrten jeder Art. Der Autohersteller Stellantis (u. a. Fiat, Maserati, Opel, Peugeot, Citroën, Alfa Romeo, Chrysler) ist mit seinem Tochterunternehmen Free2move heute einer der globalen Marktführer im Carsharing. Die Tarife werden in Minuten und nicht in Kilometern getaktet. Die Tarifstruktur haben sich die Anbieter aus der Telekommunikationsbranche abgeschaut. ◄
2.2.1 Sich vom Wettbewerb abheben Unsere Wettbewerber im Markt werden ebenfalls die gewohnten und klassischen Methoden nutzen, um sich zu entwickeln. Also bewegen wir uns absolut parallel, der Abstand und die Positionierung zu den anderen Marktteilnehmern werden bleiben, sich vielleicht punktuell ändern. Wie beim Seifenkistenrennen, mal ist der eine vorne, mal der andere. Die Frage ist aber, wie zünde ich den Turbo, um einen uneinholbaren Vorsprung rauszuarbeiten? Nicht, wenn alle mit den gleichen Prozessen und Denkmodellen arbeiten. Das führt wie bei Bolko v. Oetinger (2006) beschrieben zum Treffen der Branche in der Grauzone des Durchschnitts. Schon eigenartig, wenn man immer das Gleiche macht und doch auf ein anderes Ergebnis hofft. Der Kunde wird aber auf eine Grauzone oder ein „Alles ist gleich“ keinen Wert legen.
2.2 Anders als die anderen und anders als bisher
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Entweder kann der Wettbewerb in einem Punkt deutlich geschlagen werden oder es müssen neue, für den Kunden wichtige Punkte, gesucht werden, die der Wettbewerb nicht aufzuweisen hat. Dafür kann wiederum auf Punkte verzichtet werden, die dem Kunden nicht wichtig sind bzw. die er nicht honoriert. Die Frage ist „Was ist bei meinem Unternehmen oder meinem Angebot einzigartig?“ Suchen Sie sich Benchmarks in anderen Branchen, so laufen Sie nicht Gefahr, nur dem direkten Wettbewerb zu folgen. Auch reine interne Benchmarks zeigen keine entscheidende Entwicklungsmöglichkeit auf. Große Unternehmen sind schwerfällig; Richtlinien, Controlling und Genehmigungsverfahren im internen Ablauf behindern eine neue und ungewohnte Vorgehensweise. Sie lasten wie eine schwere Rüstung auf den Mitarbeitern, obwohl mit dem Verfassen von Richtlinien noch keiner Marktführer geworden ist. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass in einem Unternehmen, in dem alle erdenklichen Schritte und Wege haarklein in Richtlinien und Vorschriften gefasst sind, keine Kreativität für die Zukunft aufkommen kann. Hier werden Kreativität und Mut der Mitarbeiter zunichte gemacht. Freiraum gehört zu einer radikalen Vorwärtsentwicklung dazu. Unglücklicherweise sind die Bewahrer und Gralshüter des Gestrigen weit verbreitet und oft ganz oben im Unternehmen angesiedelt. Die Spielmacherrolle muss auch gewollt sein, das Querdenken als Managementmethode auch unterstützt werden. Ansonsten werden die Bewahrer diejenigen im Unternehmen sein, die immer Recht bekommen, weil sie keine Fehler machen, sondern immer das Gestrige fortführen. Wir müssen uns immer wieder fragen, was uns nach vorne treibt. Sind es die Aktivitäten und Aktionen unserer Wettbewerber im Markt oder sind es unsere eigenen Gedanken und Ideen für die Zukunft? Schaffen Sie eine ‘Anders Denken“ Abteilung, ein Ideen-Labor in der Spielmacher arbeiten. Schaffen Sie einen eigenen Vorstandsbereich dafür. Sie können auch ein „Shadow Board“ installieren. Kein offizieller Aufsichts- oder Beirat, sondern eine Art „Schattenkabinett“. Besetzt mit Menschen aus Ihrem Unternehmen, erweitert um Experten oder Menschen von befreundeten Unternehmen oder Lieferanten. Das Shadow Board betrachtet Ihre Arbeit nur unter den Gedanken „welchen Status Quo sollten wir in Frage stellen?“ und „wo sind wir zu bequem geworden und sehen andere Lösungen nicht?“. Wenn etwas Unvorhergesehenes oder Ungewöhnliches im Markt passiert, dann sollte Freude ausbrechen über die Chance, sich damit beschäftigen zu können. Nehmen Sie das als Aufforderung zum Tanz mit der Zukunft. Einen
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Tanz, bei dem Sie führen und nicht geführt werden. Wollen wir „Malen nach Zahlen“ oder lieber ein eigenes Bild gestalten? Wenn Sie nur vernünftige Entscheidungen treffen wollen, denken Sie daran, dass solche Entscheidungen auch von Ihrem Wettbewerb genauso getroffen werden. Unterscheiden Sie sich von anderen, setzen Sie sich von ihnen ab. Selbstverständlich ist es eine Pflicht, den Markt und den Wettbewerb zu kennen und diesen nicht zu unterschätzen, wozu Marktführer manchmal neigen. Kennen alle Ihre Mitarbeiter den Markt und Ihre Wettbewerber, die Ziele Ihres Unternehmens, die der Wettbewerber? Aus der eigenen Erfahrung kenne ich dieses Phänomen gut. In einer meiner früheren Stationen bei einem Marktführer in seinem Segment, zu dem ich als Branchenfremder gewechselt bin, wurde von einem der Wettbewerber als der „Hinterhof-Werkstatt“ gesprochen. Mich hat gewundert, dass wir so oft im Markt auf diesen „Hinterhof“ getroffen sind. An einem Wochenende bin ich zu diesem „Hinterhof“ gefahren und habe Fotos vom Unternehmen gemacht, einem modernen und großen Unternehmen. Die Fotos habe ich am nächsten Tag – ohne Nennung des Namens – meinem Team gezeigt und bat um Einschätzung dieses Unternehmens. Alle waren tief beeindruckt und sahen hier einen echten und eindrucksvollen Wettbewerber. Nach der Auflösung gab es keinen unterschätzten „Hinterhof“-Wettbewerber mehr und alle im Unternehmen kannten später jeden Wettbewerber bis ins Detail.
2.2.2 Marktforschung reicht nicht aus Marktforschung alleine reicht nicht aus. Marktforschung kann Anhaltspunkte für Verbesserungen und Weiterentwicklung bestehender Produkte geben, aber eine heute unbekannte Zukunft kann sie kaum beschreiben. Es ist schwierig, Kunden über etwas zu befragen, was es noch nicht gibt. Die Kunden wissen in der Regel nicht, was in der Zukunft kommen könnte. Qualifizierte Aussagen sind somit nur schwer zu bekommen. Welche Kunden sollen befragt werden? Die aktuellen Kunden? Sind das die Kunden für die morgige Geschäftseinheit? Eigentlich müssen gerade die Nicht-Kunden befragt werden, denn die sollen für das Unternehmen gewonnen werden. Der Kunde kann und wird nicht überall als Experte auftreten können. Stellen Sie sich eine Marktforschung mit Kunden vor, die noch vor der Einführung des Internets stattgefunden hätte: Die Teilnehmer der Marktforschung wären nach ihren Bedürfnissen und Erwartungen an ein World-Wide-Web gefragt worden. Sie hätten sagen sollen, wie und für welche Zwecke sie das Internet nutzen wollen.
2.2 Anders als die anderen und anders als bisher
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Hätte man sich nur auf diese Ergebnisse verlassen können, als man das Internet ins Leben gerufen hat? Hätte irgendjemand gesagt, dass es außer der Information, die man suchen und finden kann, man im Internet Produkte kaufen sollte, Freunde finden, Daten, Videos oder Musik runterladen sollte? Niemals wären mit dieser Vorgehensweise diese Produkte und diese neuen Märkte entwickelt worden. Der Kunde wird nicht aus eigenem Antrieb der Visionär oder Vordenker sein, daher bringt die Marktforschung für noch nicht existente Produkte nicht die richtigen Ergebnisse. Henry Ford hat einmal gesagt: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie sich schnellere Pferde gewünscht“. Wer hätte wohl Apple gebeten, den iPod zu erfinden? Oder hätte jemand IKEA gebeten, die Möbel selbst transportieren und aufbauen zu dürfen? Für den Prozess neue Ideen zu entwickeln ist es sinnvoller, den „normalen“ Kunden zu „beobachten“ – im Gegensatz zu einer Befragung – direkt und live. Damit erhält man qualifiziertere Ansätze für das weitere Vorgehen. Focus Groups sind hierbei eine exzellente Hilfe und Unterstützung. Die Volkswagen AG hat dafür eine sogenannte „Produktklinik“ ins Leben gerufen. In einer großen Messehalle werden 100 PKW-Modelle aufgestellt, die ausgewählte Verbraucher begutachten können. Die Marketingverantwortlichen können den Verbraucher bei seiner Entscheidungsfindung live beobachten und erhalten so wertvolle Erkenntnisse, die dann in die Modellpolitik einfließen. Die „Produktklinik“ wird auch zusammen mit einer „Preisklinik“ durchgeführt. Damit ergeben sich sehr schnell Hinweise über die Preiselastizität der eigenen Modelle im Vergleich zum Wettbewerb. Ein Kundenbeirat mit großen Kunden ist ebenfalls eine wirksame Konzeption, die gerade von den großen Kunden im B2B-Bereich gerne unterstützt wird, da sie auch eigene Interessen an der Zukunft und an sicheren Lieferanten haben. Marktforschung muss sein, aber der Spielmacher tastet sich weiter voran und nimmt weder die Ergebnisse noch die im Markt geltenden Regeln als unumstößlich hin. Er fängt sein Spiel dort an, wo andere aufhören zu denken und die Regeln im Markt als fest verankert ansehen. Im Unternehmen müssen solche Denkprozesse vom Management in Gang gesetzt werden. Ein anderer Denkprozess ist nicht nur die Aufgabe von Marketingleuten im Unternehmen oder von externen Beratern. Das gesamte Unternehmen muss beteiligt sein, in allen Bereichen sind kreative und aufgeschlossene Menschen zu finden. Es kommt in diesem Prozess nicht darauf an, wer die zündende Idee hatte, sondern dass man sie überhaupt haben darf. Es ist ist keine Frage der Hierarchie, jeder kann eine Idee haben. Es ist auch keine Frage der Spontanität nach dem Motto „O.K., wir denken jetzt quer. Wer fängt an und hat eine Idee?“ So wird es nicht funktionieren. So zu denken ist ein kontinuierlich laufender Prozess, der ein anderes Denken und eine andere Einstellung erfordert.
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2.2.3 Einzigartig oder austauschbar? Jetzt sind Sie gefragt
• Ist Ihr Ansatz wirklich einzigartig im Markt und unterscheidet sich deutlich von den anderen Marktteilnehmern? Stellen Sie einmal das Konzept Ihres Unternehmens, Ihre Regeln der Kundenorientierung, Ihre Strategie im Markt Ihrem eigenen Führungsteam vor. Sagen Sie aber nicht, wessen Konzept Sie gerade präsentieren. • Lassen Sie Ihr Team raten, welches Unternehmen Sie gerade vorstellen. Was glauben Sie, wird dabei herauskommen? • Erkennen alle ihr Unternehmen oder folgen gerade Ihre Mitarbeiter den Ansätzen des Wettbewerbs? Sehr wahrscheinlich sind genau die Ansätze im Markt, die einen Unterschied beim Kunden ausmachen sollen, absolut vergleichbar, wenn nicht sogar identisch und austauschbar. Der Kunde muss von Ihrem Unternehmen und Ihren Produkten begeistert sein, er muss das Gefühl haben, etwas Einmaliges, ganz Besonderes bei Ihnen zu finden. Ansonsten gehen Sie im Meer der Masse unter und schwimmen bestenfalls mit. Kopieren oder Imitieren der Wettbewerber wird nichts Einmaliges hervorbringen. Wer im Mittelfeld der Liga spielt, läuft Gefahr abzusteigen. Wer permanent oben in der Liga spielt, wird mit dem Abstieg nichts zu tun haben und die Chance haben, in der Champions League zu spielen. Versuchen Sie nicht, mit Ihrer gesamten Energie das Teilstück des aktuellen Marktes größer werden zu lassen, setzen Sie Ihre gesamte Energie ein, um einen neuen Markt zu finden oder zu schaffen. Das Unmögliche hat doch sowieso den größten Reiz. Der Ansatz, „Immer alles schön geregelt, nach der Reihe und bloß kein Risiko eingehen“, ist keine Entwicklung in Richtung Zukunft. Oft werden in Meetings die tollsten Ideen kaputt geredet und immer wieder vertagt, anstatt einfach anzufangen und im kleineren Umfeld zu testen. Das Vertagen auf ein späteres Leben ist keine kreative Einstellung, eher eine für Angsthasen. Ein Projekt, eine Idee auch mit nicht hundertprozentiger Sicherheit aufzunehmen, damit geht es voran. Was sollte Dramatisches passieren, wenn eine Idee nicht auf hundertprozentiger Sicherheit beruht? In der Regel kommen die kreativen Ideen auch nicht von Dummköpfen in einem Unternehmen, denn die werden gar nicht beschäftigt. Den Gedanken von Mitarbeitern, die eingestellt
2.2 Anders als die anderen und anders als bisher Abb. 2.2 Anders denken
19 Anders denken …
… als die Anderen und anders als bisher. © Gerd-Inno Spindler
wurden, weil viel von ihnen erwartet wurde, sollte auch vertraut werden. Sicherheit bedeutet Stillstand und entspricht in einem schnellen Markt dem Rückwärtsgang. Andere werden überholen. Welcher Markt ist heute nicht schnellen Veränderungen unterworfen? Die Vorgehensweise und die Denkweise sind zu ändern, um sich zu differenzieren. Das „anders sein“ hat zwei Komponenten: • Sich von den Wettbewerbern unterscheiden und anders sein als sie. Sich anders im Markt bewegen, sich anders gegenüber den Kunden verhalten, ihnen andere Leistungen anbieten. Einzigartig im Empfinden des Kunden sein. Wenn Sie sind wie alle anderen, gelingt das nicht. • Sich in der Vorgehensweise und der Denkweise verändern, damit endlich etwas anderes passiert. Seien Sie anders, anders als die anderen und vor allem anders als bisher (Abb. 2.2). Wir müssen raus aus der Vergleichbarkeit und raus aus den alten Denkmodellen, −prozessen und -routinen. Wie soll man sonst den Wettbewerb hinter sich lassen, der auch in den alten Routinen denkt? Alles trifft sich wieder beim Preis, wie langweilig und gefährlich. Warum sollte sich plötzlich der Erfolg einstellen, wenn alles – auch das Denkmodell – so bleibt wie immer? Jetzt sind Sie gefragt
• Müssen wir unsere Probleme anders lösen? Müssen wir andere Probleme lösen? • Müssen wir unsere Kunden anders bedienen? Müssen wir andere Kunden bedienen?
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• Müssen wir Gespräche anders führen? Müssen wir andere Gespräche führen? • Müssen wir anders mit Menschen sprechen? Müssen wir mit anderen Menschen sprechen? Es sind der Blickwinkel und die Einstellung, die sich ändern sollten. Frei nach Goethe sollten wir nicht fragen, was wir schon erreicht haben, sondern nach dem fragen, was uns noch fehlt. Damit stellt Goethe das Bestehende, infrage und sucht nach dem Neuen und bisher Unbekannten. Die Logik von gestern bringt keine Produkte von morgen.
2.3 „Billig“ ist kein Marketing Wenn alle im Markt mit den gleichen Mitteln arbeiten, wird sich schwerlich ein Unterschied oder eine Präferenz für die Kunden ergeben. Präferenzen schafft man nicht, indem alle das Gleiche tun und mit gleichen und uniformen Produkten und Dienstleistungen auf Kundenjagd gehen. Im Markt trifft dann ein Klon auf den anderen. Es reicht heute nicht mehr nur alle operativen Prozesse im Griff zu haben, das schafft der Wettbewerb auch. Das parallele Rennen mit den Wettbewerbern reduziert die Vergleichbarkeit auf den Preis des Produktes oder der Dienstleistung, keiner hat die Nase vorn, keiner den entscheidenden USP (Unique Selling Proposition). Der Kunde wird im konformen Markt mit konformen Produkten seine Wahl schnell treffen, über den Preis. Denn der macht dann den einzigen Unterschied. Sie laufen nur noch bei den Kosten und der Qualität mit den anderen Marktteilnehmern um die Wette. Sich darauf einzulassen, dass der Preis das Allheilmittel im hart umkämpften Markt ist, bedeutet nicht nur ein Armutszeugnis für die Marketingabteilung, sondern ist zudem hochgradig gefährlich. Den Preis als entscheidendes Mittel gegen seine Wettbewerber einzusetzen, setzt ein äußerst effizientes und vor allem permanentes Kostenmanagement voraus und trotzdem läuft man Gefahr, sich die eigene Zukunft abzuschneiden. Schon so mancher hat beim Kostenschneiden zu tief angesetzt und dabei das überflüssige Fett mit den Muskeln verwechselt. Schon war die Zukunft weg. Man merkt das zu tiefe Schneiden bzw. das Verletzen der Muskeln meist erst später, fast immer aber zu spät. Ich nenne das „Cost Cutting bis zum Muskel“ oder die „Optimierungsfalle“ (Abb. 2.3). Wenn Sie sich im Autorennen die Räder weg-
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2.3 „Billig“ ist kein Marketing Die „Optimierungs Falle“
Wenn alles gleich ist, entscheidet der niedrigste Preis.
Cost Cutting bis zum Muskel © Gerd-Inno Spindler
Abb. 2.3 Die Optimierungsfalle
gespart haben, werden Sie kaum noch ein Rennen gewinnen. Heute glücklich, weil Kosten gespart, morgen kaputt, weil handlungsunfähig. „Billig“ ist kein Marketing, sondern nur einfallslos und zerstörerisch. Es wird immer jemanden im Markt geben, der es noch billiger versuchen wird (vgl. Spindler 2022a, 2022b).
2.3.1 Optimieren ist keine Lösung Es ist wichtig, die operativen Prozesse im Griff zu haben und die klassischen Methoden zur Optimierung anzuwenden. Nur müssen wir uns fragen, ob uns diese Methode wirklich entscheidend nach vorne bringt. Die permanente Optimierung von Prozessen oder Produkten wird uns drei Prozent Verbesserung bringen, bestimmt auch einmal fünf Prozent, aber wenn bisher nicht der ganz entscheidende und gravierende Schritt nach vorne passiert ist, warum dann gerade jetzt? Permanente Optimierung behindert die Zukunftsplanung. Zeit und Kapazitäten werden in Form von Personal und Mitteln gebunden und stehen nicht für die Gestaltung der Zukunft zur Verfügung. Wer permanent optimiert, behindert sich erfolgreich zu sein.
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Auch Unternehmen wie Quelle, Telefunken oder Grundig haben im Tagesgeschäft permanent optimiert und Verbesserungsprogramme laufen lassen. Jedes Jahr wieder und aufs Neue. Was hat es gebracht? Komplette Unternehmen mit Milliarden Umsätzen und mehreren Zehntausend Mitarbeitern sind vom Markt verschwunden. Das Optimieren hat wahrscheinlich die Blicke von den richtigen und wichtigen Fragen abgelenkt. Viel Geld, das für Restrukturierung ausgegeben wurde, wäre besser in die Zukunft investiert worden. Optimieren in dieser Form ist nichts anderes als Bestandswahrung. Man kann auch von einer kurzfristig profitorientierten Abgabe von Marktanteil sprechen, denn darauf läuft es hinaus, wenn durch permanentes Optimieren und Gleichmachen im Markt letztendlich nur noch der Preis das ausschlaggebende Kriterium ist. Kosten runter, um sich für die Zukunft zu lähmen und dem Spielmacher im Markt den eigenen Marktanteil zu überlassen. Kurzfristig ist sicherlich Erfolg zu verspüren, langfristig wird das eigene Amputieren aber nicht zum Wettbewerbsvorteil führen. Der letzte Kunde mit dem letzten Mitarbeiter wird es schon richten. Die Optimierungsfalle hat zugeschnappt, wenn ein Unternehmen schneller kleiner anstatt besser wird. Auch die Moral der Mitarbeiter wird bei diesem Vorgehen kaum steigen. Schlank zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig gesund zu sein. Jede Strategie, die nur innerhalb der Grenzen des Marktes arbeitet, ist operative Taktik und hat mit aktiver Zukunftsgestaltung wenig zu tun. Der Anspruch der Erste in der Zukunft zu sein ist sinnvoller, als das Messer immer wieder zu wetzen und an den Kosten zu tief zu schneiden. Der Wettbewerbsvorteil von heute ist morgen aufgebraucht und Standard für alle anderen Marktteilnehmer, die aufgeholt haben. Das zukünftige Geschäft wird gar nicht erst kommen, wenn man nicht anders wird. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist: Wo wären die Bewahrer der Vergangenheit heute, wenn niemand die Scheinwerfer angemacht hätte, um im Tunnel Licht zu machen und das Ende des Tunnels zu sehen? Dann würden wir heute noch zum Telefonieren die Wählscheibe drehen oder mit dem Rechenschieber rechnen. Allerdings würde sich die Wählscheibe durch permanentes Optimieren und Verbessern wahrscheinlich schneller und viel leichter drehen lassen, vielleicht hätten wir auch schon ein Tastentelefon, aber mit Sicherheit kein Handy. Es ist wichtig, das aktuelle Geschäft im Griff zu haben und es optimal aufzustellen, aber das ist reines Tagesgeschäft. Stärken-Schwächen-Analysen, Struktur und Kapazitäten anpassen, das ist wichtig für heute. Es ersetzt aber nicht die Beschäftigung mit der Zukunft, ersetzt nicht den Blick nach ganz vorne.
2.3 „Billig“ ist kein Marketing
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Nicht die Wartung oder die Reparatur ist gefragt, sondern die Architektur. Ergreifen Sie die Chance, die die Zukunft bietet. Was passieren kann, wenn man die Chance verpasst oder sich zu spät mit der Zukunft beschäftigt und sich nur auf das Optimieren im aktuellen Geschäft konzentriert, zeigen die Beispiele weiter hinten im Buch.
2.3.2 Bedürfnisse wecken Ein Manager sollte sich fragen, was er an Neuem in den letzten Monaten geschaffen hat. Welchen einzigartigen Wert er für sein Unternehmen geschaffen hat. Was hat er seinen Kunden gegeben, was sie sich bisher nicht einmal erträumt haben? Schaffen Sie Bedürfnisse, von denen der Kunde heute noch gar nicht weiß, dass er sie einmal haben wird. Der Game Boy von Nintendo ist ein Beispiel dafür. Es hat mir viel Spaß gemacht, dieses Produkt, während meiner Zeit für Nintendo of Europe, zu verkaufen von dem die Kunden ein paar Jahre vorher nicht wussten, dass sie es einmal lieben werden. Schaffen Sie Ihr eigenes Preismodell, das der Wettbewerb nicht so leicht kopieren kann. Stellen Sie das Pricing der Branche infrage und schauen Sie nach etwas Besserem. Preis gekoppelt mit Kundenbindung wäre ein möglicher Ansatz. Später im Buch wird das Beispiel eines Mineralölhändlers, der aws Wärme Service, beschrieben. Hier wurde eine Art Prepaid-Card für Heizöl im Markt installiert, die dem Kunden einen guten Vorteil bietet. Die Kundenbindung ist gleich eingebaut. Denken Sie bei Ihren Überlegungen immer daran, dass der Kunde es gerne einfach und transparent hat. Keep it simple. Schwierig zu durchschauende und komplexe Angebote erwecken Misstrauen. Außerdem möchte der Kunde in der Regel nicht viel nachdenken und abwägen. Machen Sie es ihm mit Ihrem Angebot leichter. Dieser Trend zur Einfachheit verstärkt sich in Krisenzeiten noch. Ohne das Thema hier vertiefen zu wollen, gibt es einen sehr interessanten Artikel von Paul Flatters und Michael Willmot in der Ausgabe 09/2009 der Zeitschrift Harvard Business Manager. Der Trend zur Einfachheit trifft das Produkt selbst sowie auch seine Preisstellung und Verpackung, also das komplette Angebot. Ein Supermarkt muss nicht die zehnte Erdbeermarmelade im Angebot haben, dies kann den Kunden verwirren. Ein breites Sortiment ist gut, ein zu tiefes Sortiment kann sogar negativ auf den Kunden wirken. Vertrauen spielt hierbei eine riesige Rolle, Vertrauen in das Angebot, das Unternehmen und das Management.
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Die entscheidenden Schritte werden gemacht, wenn neue Wettbewerbsvorteile im Markt aufgebaut werden und der Preis nicht die einzige Rolle spielt. Heute an einem Markt arbeiten, der erst morgen entstehen wird. Das ist eine andere Art zu denken als bisher, so denkt der Spielmacher. Aufbauen statt gesund schrumpfen, das ist die eigentliche Aufgabe im Management. Keiner sollte Angst haben, so zu denken. Es gibt beim anders denken nichts zu verlieren.
2.4 So kann man sich täuschen! Folgende Zitate bekannter Personen – mit einem Augenzwinkern zusammengestellt –zeigen, dass man bei der Einschätzung der Zukunft nur aus der aktuellen Sicht häufig daneben liegen kann:
„Es ist dem Menschen unmöglich, die hohen Geschwindigkeiten der Eisenbahn zu ertragen. Sein Atmungssystem wird zusammenbrechen; Tod durch Lungenbluten wird die Regel sein.“
Prof. Dr. Dionysys Lardner, 1793–1859, britischer Arzt
„Die Amerikaner brauchen vielleicht das Telefon, wir aber nicht. Wir haben sehr viele Eilboten.“
Sir William Preece, Chefingenieur der britischen Post, 1878
„Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten. Alleine schon aus Mangel an Chauffeuren.“
Gottlieb Daimler, 1901
„Wer zur Hölle will Schauspieler reden hören?“
Warner Brothers über Tonfilme, 1927
„Ich denke, es gibt weltweit einen Markt für vielleicht fünf Computer.“
Thomas Watson, Vorsitzender von IBM, 1943
Literatur
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„Computer der Zukunft werden nicht mehr als 1,5 Tonnen wiegen.“
Die Zeitschrift „Populäre Mechanik“, 1949
„Ich kann Ihnen versichern, dass Datenverarbeitung ein Tick ist, welcher dieses Jahr nicht überleben wird.“
Der Herausgeber einer Geschäftsbuch-Reihe, 1957
„Es wird Jahre dauern, bis eine Frau Parteichefin der Konservativen oder Premierministerin wird. Ich denke nicht, dass ich es miterleben werde.“
Margaret Thatcher, ehemalige britische Premierministerin, Ende 1960er-Jahre
„Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand in der Zukunft einen Computer bei sich zu Hause haben sollte.“
Ken Olsen, Gründer von Digital Equipment, 1977
„640 Kilobyte sind genug für jeden.“
Bill Gates, 1981
Literatur Edward De Bono. 1967. The Use Of Lateral Thinking. London: Jonathan Cape. Flatters, Paul, und Michael Willmot. 2009. Die Verbraucher von Morgen. Hamburg: Harvard Business Manager. Förster, Anja, und Peter Kreuz. 2005. Different Thinking! Frankfurt: Redline Wirtschaft. Förster, Anja, und Peter Kreuz. 2007. Alles, außer gewöhnlich! Berlin: ECON. Förster, Anja, und Peter Kreuz. 2008. Spuren statt Staub. Berlin: ECON. Schumpeter, Joseph Alois. 2005. Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Stuttgart: UTB. von Oetinger, Bolko. 2006. Hänsel und Gretel und Die Kuba-Krise. München: Carl Hanser Verlag. Weisshaupt, Bruno. 2006. Systeminnovation – Die Welt neu entwerfen. Zürich: Orrel Füssli Verlag. Welch, Jack, und Suzy Welch. 2005. Winning – Das ist Management. Frankfurt/New York: Campus Verlag.
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2 Die Notwendigkeit anders zu denken
Spindler, Gerd-Inno. 2022a. Basiswissen Marketing. Wiesbaden. Springer Gabler. Spindler, Gerd-Inno. 2022b. Basiswissen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden. Springer Gabler.
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Anders denken als bisher, wie geht das?
Zusammenfassung
Dieses Kapitel zeigt, wie die andere Art zu denken funktioniert und was es heißt, im Markt die eigenen Spielregeln zu implementieren, anstatt den Regeln der Wettbewerber nur hinterherzulaufen. Der Fokus und die Marketingansatzpunkte im „Anders denken“ sind an dieser Stelle zusammengefasst. Die Unterschiede zwischen Spielmacher und Mitspieler im Markt werden aufgezeigt und die Spielweise des Spielmachers betrachtet. Ein Exkurs verdeutlicht, wie irrational der Verbraucher manchmal entscheidet.
3.1 Spielregeln im Markt ändern Wir kennen alle die Geschichte, in der ein Mann in seinem Auto im dichten Nebel nur den Rücklichtern des Vordermannes gefolgt ist. Er folgte den Regeln des Vordermannes und landete in dessen Garage. Eigene Regeln zu haben ist – wie das Beispiel zeigt – ein großer Vorteil und dringend notwendig. Auch im Sport werden Regeln geändert, denken wir an die Formel 1 und die Diskussion um die Begrenzung der Motorleistung oder der Budgets für die einzelnen Teams. Im Fußball ändert sich schon einmal die Abseitsregel, die Auswärtstorregel oder die Entscheidung was ein Handspiel ist. Welcher Marktteilnehmer glaubt aber, dass man Regeln im Markt ändern kann? Die meisten folgen einfach den anderen Marktteilnehmern bzw. dem vermeintlichen Marktführer. Wer im Markt aber einen entscheidenden Schritt schaffen will, der muss bereit sein, die Spielregeln (Abb. 3.1) © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_3
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Abb. 3.1 Anders denken als bisher: Wie geht das?
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zu brechen zu ändern zu revolutionieren oder neu zu erfinden
wie es Andreas Buchholz und Wolfram Wördemann (2008) beschreiben. Der Denkprozess beginnt beim Kunden, denn der Kunde bestimmt den Markterfolg eines Unternehmens. Bei jeder Tätigkeit sollte gefragt werden: Was bringt dies meinem Kunden? Wenn man darauf eine gute Antwort findet, ist auch die Tätigkeit sinnvoll. Ansonsten ist sie das nicht. Es geht um eine konsequente Ausrichtung auf den Kunden, seine Bedürfnisse und seinen Nutzen. Der Kunde möchte nicht als Masse, sondern als Individuum – mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen – behandelt werden. Der Kunde ist sich in den meisten Fällen gar
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nicht sicher, wie er sich entscheiden soll, wie er Qualität und Leistung beurteilen soll. Seine Entscheidungskriterien sind nicht immer sinnvoll, nachvollziehbar oder auch logisch. Manchmal entscheidet er sich auch nicht rational. Kulturelle und religiöse Einflüsse sind zu respektieren. Auch der Geschmack, der sich wandelt, spielt eine große Rolle. Schöne Beispiele dafür sind Armbanduhren und Plattenspieler. Je komplizierter die Technik, desto begehrter und teurer die Produkte. Eigentlich will der Verbraucher sonst immer unkomplizierte Produkte. Dann müsste er aber anstatt der komplizierten Luxusuhr mit Mondphase, zweiter Zeitzone und mechanischem Aufzug eine günstigere Quarzuhr vorziehen. Zudem ist die Uhr mit manuellem Werk wartungsintensiver, ungenauer und anfälliger für Störungen. Der wieder in Mode gekommene technisch aufwändige Plattenspieler, der schon vom Markt verschwunden war, dürfte sonst keine Chance gegen CD-Player, Downloads oder dem Streaming haben, die viel einfacher in der Anwendung bzw. günstiger in der Anschaffung sind. Wer würde auch nach rationalen Maßstäben eine stone washed Jeans kaufen, bei der es darauf ankommt, alt und getragen auszusehen. Maßstäbe, nach denen der Kunde entscheidet, sind nicht immer rational, fair oder richtig. Der Spielmacher nutzt dieses Wissen. Lesen Sie dazu den Exkurs am Ende des Kapitels (Abschn. 3.8). Sie werden über sich selbst erstaunt sein. Damit ist es möglich, im Markt neue Kriterien, die der Kunde nachvollziehen kann, zu installieren. Diese Kriterien geben dem eigenen Unternehmen im Vergleich zu seinen Wettbewerbern bessere Voraussetzungen im Markt. Während der Wettbewerb die Rahmenbedingungen vorbehaltlos annimmt und sich nach ihnen richtet, nimmt der Spielmacher die Chance wahr, die Regeln und Bedingungen zu seinen Gunsten zu ändern. Außerordentliches Wachstum und Erfolge im Markt, vielleicht auch in einem neuen Markt, sind die Folge. Wenn Sie der Spielmacher sind, der anders als bisher denkt, dann brechen Sie aus den alten Rahmenbedingungen aus, dann ändern Sie Strukturen im Markt bzw. im Unternehmen. So sind Sie in der Lage, die Führungsrolle zu übernehmen, wenn es darum geht • • • • •
neue Marktsegmente oder Märkte zu gründen neue Nachfrage für bestehende Produkte zu generieren eine neue Wettbewerbssituation zu schaffen Hindernisse im Markt zu eliminieren existierende Märkte neu zu beleben.
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Jetzt sind Sie gefragt
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Hinterfragen Sie die vermeintlichen Grenzen und Rahmen. Welche sind die Gesetze des Marktes, die Branchengesetze? Wer hat diese Regeln aufgestellt? Sind diese Regeln noch aktuell oder stammen sie aus grauer Vorzeit? Wurden sie jemals aktualisiert? Und vor allem: Welche Chancen lassen diese Regeln und Gesetze im Markt Ihnen und Ihrem Unternehmen? Würde eine kleine Regeländerung Ihnen einen großen Vorteil verschaffen, Sie vielleicht sogar uneinholbar nach vorne marschieren lassen? Oder weiter gedacht: Können Sie in einem neuen Markt Ihre eigenen Regeln und Branchengesetze aufstellen und alle anderen Marktteilnehmer müssten sich dann nach Ihren Regeln richten und Ihr Spiel spielen? Ein Spiel, das Sie natürlich bestens verstehen und in dem Sie der Leader sind.
Das sind verlockende Aussichten. Es ist wichtig, bei den ersten gedanklichen Schritten auch die unrealistischen Dinge zu diskutieren. Ansonsten wären wohl der MP3-Player oder das Handy nicht erfunden worden und der Mensch wäre nicht auf dem Mond gelandet. Vielmehr ist es die Aufgabe der Firmenlenker, das Unmögliche denkbar zu machen. Der Schritt nach vorne gelingt nur, wenn Sie sich von den Rahmenbedingungen lösen. Mit dem Prozess anders als bisher zu denken, lassen sich zum Beispiel neue Vertriebskanäle finden. Auch hier sind wieder der Kunde und sein Verhalten die Ausgangslage. Welche Maßstäbe hat der Kunde und was erwartet er? Vielleicht können die aktuellen Erwartungen des Kunden in eine andere Richtung gelenkt werden, die für das eigene Unternehmen günstiger sind. Die meisten Vertriebskanäle für ein Produkt stammen aus der Vergangenheit, haben sich im Laufe der Zeit so gebildet und sind stabil. Die Rollen im Feld der Wettbewerber sind klar verteilt. Der Spielmacher will das ändern. Es gibt viele Beispiele dafür, dass sich völlig neue Vertriebskanäle finden und erfolgreich installieren lassen. Tchibo hat uns gezeigt, dass Haushaltsartikel und Textilien in einem Kaffeegeschäft vertrieben werden können. Die Metro hat Autos im Lebensmittelmarkt angeboten. Kaffee im Media Markt war früher undenkbar. Kaffee und Musik eine neue Verbindung, die Starbucks vormacht. Computer im Discounter, Aldi und Lidl zeigen, wie es geht.
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Beispiel
Wie ist beispielsweise Dell im Markt der Computer vorgegangen? Technisch waren die Produkte absolut konkurrenzfähig und Dell hatte eine innovative Idee zur Produktkonfiguration. Aber die Positionen im Markt waren verteilt. Compaq hatte ein starkes Händlernetz und IBM eine starke Direktvertriebsorganisation. Dell hat nicht versucht, die Stärken der beiden anderen nachzuahmen, sondern hat sich für einen völlig neuen Ansatz im Vertrieb entschieden. Dell setzte auf den Postversand seiner Produkte und hat damit seine Vertriebskosten äußerst variabel gestaltet. Die Stärken der anderen wurden plötzlich zu deren Schwächen, denn sowohl Compaq als auch IBM konnten den Weg des kostengünstigeren Postversandes nicht mitgehen. Dies hätte ihre eigene Organisation geschwächt und für viel Aufruhr im eigenen Hause gesorgt. Aus diesem Grund war auch der Postversand als Vertriebsmöglichkeit nicht im Fokus von Compaq und IBM, diese Möglichkeit wurde nicht bemerkt. Quergedacht hat Dell, die beiden anderen haben nur den bestehenden und bis dahin guten Vertriebskanal verwaltet. An diesem Beispiel zeigt sich, dass man die Stärken des Wettbewerbers zu seinen Schwächen umfunktionieren kann. Hätte Dell nur imitiert, wäre das nicht geglückt. ◄ Den großen Schritt nach vorne oder den nachhaltigen Lösungsansatz bei einem Problem finden Sie nur, wenn es gelingt, die Rahmenbedingungen nicht länger zu akzeptieren. Hilti zeigt dies bei der Preispolitik und dem Vertriebskanal seiner Produkte. Hilti produziert und vertreibt technisch aufwändige Produkte für die Bauindustrie. Anbieter solcher Produkte gibt es zahlreiche: Bosch, Metabo, Black & Decker und viele mehr. Alle konkurrieren mit dem Wettbewerb um die Gunst des Anwenders, alle wollen ihre Produkte für die gleichen Anwendungsgebiete verkaufen. Das endet irgendwann natürlich beim Preis, temporäre Vorsprünge im Markt durch Innovationen einmal ausgenommen. Denken Sie nur an die Platzierungen von Bohrmaschinen in einem großen Baumarkt. Hier entscheiden nicht nur die technisch gute Ausstattung der Geräte, sondern auch der Einkaufspreis und die Listungsrabatte bei den einzelnen Handelsketten, die in diesem Bereich sehr kreativ sind. Hilti entzieht sich diesem Rabatt-Wettlauf und bietet seine Produkte in einem Leasingmodell und mit speziellen Garantien an. Inspiriert wurde Hilti von den Autovermietern, einer komplett anderen Branche. Die Baufirmen suchen sich mit Unterstützung der Berater den passenden Maschinenpark bei Hilti aus und bestellen ihn. Hilti liefert die Maschinen
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und rechnet monatliche Leasinggebühren ab. Die Firmen brauchen sich um Abnutzung und Reparatur der Geräte keine Gedanken zu machen, alles wird von Hilti geregelt. Für Hilti ist dieses System eine gute Möglichkeit, Neuheiten im Markt ohne den Umweg über teure Listungsgespräche einzuführen. Ein Weg, sich durch neue Regeln dem Wettbewerb zu entziehen. Warum waren oft Branchen-Neulinge erfolgreicher als die etablierten Unternehmen in der Branche? Markt-Neueinsteiger haben nicht das Problem, die vermeintlichen Rahmengesetze ignorieren zu müssen, sie kennen sie erst gar nicht. Ein großer Vorteil, wenn man Spielregeln zu seinen Gunsten ändern will. Apple, ein Computerhersteller, hat den iPod erfunden, nicht ein Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik oder der Musikbranche. Eigentlich wäre der iPod die konsequente Weiterentwicklung des Walkman von Sony gewesen. Der Walkman war für den mobilen Einsatz gedacht, Musik hören an jedem Ort und bei jeder Beschäftigung, sogar beim Sport. Ein riesiger Erfolg für Sony, mehr als 200 Mio. der Player wurden verkauft. Sony trotzte auch den vielen Nachahmern und blieb unangefochten der Marktführer für den portablen Musikgenuss. Walkman wurde zum Gattungsbegriff für diese Art von Produkten. Mit der Zeit änderte sich das Speichermedium vom analogen zum digitalen, aber Sony blieb dran und optimierte sein Produkt. Sony spielte das gewohnte Spiel weiter, war doch der Walkman eine Idee des Marktführers. Die Zeiten änderten sich jedoch gewaltig, das Internet boomte und Apple hatte im Gegensatz zu Sony eine Vorstellung, wie ein zukünftiges Produkt aussehen könnte. Apple brachte viele neue Features in sein Produkt, die komfortabler waren und es dem Nutzer ermöglichten, sein eigener Discjockey zu sein. Der zur Verfügung stehende Speicher wuchs gewaltig. Apple ging sogar so weit, nicht nur die Hardware, sondern auch gleich die Software in Form von Musikstücken anzubieten. iTunes und iPod gehörten ab sofort zusammen und veränderten die Spielregeln im Markt deutlich und zwar zu Gunsten von Apple. Ein Closed Shop entstand und sichert Apple bis heute das Geschäft. Apple hat es geschafft, dass der Verbraucher seine Gewohnheiten und sein Verhalten änderte. Ein Spielmacher hatte das Geschäft geändert, sogar mit Auswirkungen auf die komplette CD-Industrie, die jetzt feststellt, dass sie geschlafen hat. Sony hat die Jahre damit verbracht, weitere Evolutionsstufen des Walkman herauszubringen, Apple startete eine Revolution des portablen Musikgeschäftes. Der letzte Walkman von Sony wurde 2010 produziert. Warum ist der iPod nicht von Sony? Sony hat sein Produkt permanent optimiert, Apple völlig neu gedacht, ohne die vermeintlichen Regeln der Unterhaltungsindustrie zu kennen oder sie zu akzeptieren. Mobiltelefonie in Deutschland hat uns eine Stahlfirma, Mannesmann, gebracht. Nicht ein Unternehmen aus der Branche der Telekommunikation. Nicht
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IBM, Wang oder Bull haben den PC erfunden, sondern Apple war es. Erwartet hätte man das eigentlich von den großen Firmen in der Branche, nicht von einem damals noch kleinen Außenseiter. Nicht Microsoft hat uns dazu gebracht im Internet Bücher zu bestellen, zu navigieren oder uns zu informieren, sondern Firmen wie Amazon und Google.
3.1.1 Vom Alten lösen Die Beispiele zeigen, dass es notwendig ist, sich vom Alten zu lösen, wenn man einen wirklichen Aufbruch nach vorne schaffen will. Das Vergessen oder „Ablernen“ der bisherigen Regeln im Markt ist ein wichtiger Faktor beim „anders denken als bisher“. Die Etablierten im Markt erkennen oft die Signale aus dem Markt nicht oder interpretieren sie falsch. Der Unvoreingenommene hat diese Probleme nicht. Er geht völlig ohne „Alterswissen“ an die Dinge. Bei den „Alten“ dreht sich alles um das aktuelle Geschäft und den nächsten Auftrag. Wer aber beschäftigt sich mit den Menschen, die noch gar keine Kunden sind, weil das Produkt für diese Zielgruppe noch nicht angeboten wird? Wer nimmt sich die potenziellen Kunden als Zielgruppe vor und zwar aus einer völlig neutralen Sicht ohne die aus der Vergangenheit eingefärbten Brillengläser? Will der Kunde wirklich nur das, was wir ihm gerade anbieten? Hier liegt ein riesiges Wachstumsfeld. In ihrem Buch „Der Blaue Ozean als Strategie“ beschreiben W. Chan Kim und Renée Mauborgne (2005), dass man neue Märkte oder Marktsegmente findet, indem man das Bestehende infrage stellt. Sie bezeichnen den existenten Markt für ein Unternehmen als den roten Ozean und den bisher unentdeckten als den blauen Ozean. Durch neue Technologien und den Wegfall von Handelsschranken übersteigt das Angebot an Produkten die Nachfrage, was zu dem schon beschriebenen Preiswettbewerb führt. Diese Situation macht es erforderlich, einen blauen Ozean zu erobern. Sie stellen vier Änderungsbereiche für ein Unternehmen im bestehenden Markt vor: • Reduzierung: Gibt es Bestandteile im Angebot, die unter den Branchenstandard verringert werden können, um Kosten zu verringern? • Steigerung: Gibt es Bestandteile, die über den Durchschnitt gesteigert werden sollten, um neue Kunden anzusprechen? • Eliminierung: Gibt es Bestandteile, die völlig eliminiert werden können? • Kreierung: Gibt es Bestandteile, die völlig neu geschaffen werden können?
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Alle Fragestellungen gehen von einem Nicht-Akzeptieren der bestehenden Regeln aus und helfen, die blauen Ozeane zu identifizieren. Warum sollte man nach den Regeln anderer spielen? Steve Jobs, der Gründer von Apple hat einmal gesagt: „Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, das Leben eines anderen zu leben.“ Nie würde sich Apple dem Markt anpassen bzw. den Marktveränderungen hinterherlaufen wollen. Apple wird immer versuchen, eigene Märkte zu schaffen und die alten Märkte zu verändern, indem neue AppleRegeln aufgestellt werden. Mobiltelefone gab es schon bevor das iPhone auf den Markt kam. Apple war ein Spätstarter in die Mobiltelefonie. Während andere schon wieder vom Markt verschwunden waren und sich keiner vorstellen konnte, wie man diesen Markt revolutionieren könnte, startete der Newcomer. Und heute kommen neue Handys auf den Markt und werden als Erstes mit dem iPhone verglichen. Der Newcomer im Markt hat neue Standards gesetzt und die etablierten Hersteller hecheln hinterher; manche verabschieden sich sogar aus dem Markt. Wahrscheinlich ist Apple in Gedanken schon bei den nächsten Regeländerungen in einem anderen Markt. Mittlerweile zittern ganze Branchen vor den alljährlichen Showevents zur Produktvorstellung durch Apple. Dabei gab es einmal Zeiten, in denen es für Apple nicht rosig aussah.
3.1.2 Die richtigen Fragen stellen Ein gutes Hilfsmittel, um neue Spielregeln zu entdecken, ist zu fragen, „Was müsste jetzt passieren, um nicht mehr erfolgreich zu sein?“ Gemeint sind Veränderungen im Markt durch den Wettbewerb, durch neue Gesetze, sich verändernde Bedürfnisse der Verbraucher. Veränderungen bei den Kunden in Bezug auf Alter, Bildung und Einkommen. Veränderungen im Bereich der Wirtschaft durch eine Finanzkrise und deren Folgen. Wie wahrscheinlich sind diese möglichen Einflussfaktoren auf das heutige Geschäft? Deutlich wird mit dieser Übung, dass es höchste Zeit wird, die Blickrichtung nach vorne einzuschlagen und den Blick nicht nach hinten zu richten. Wer beim Wettlauf nur zurückschaut, wird stolpern und überholt werden. Trauen Sie sich mit aller Kraft, nach vorne zu schauen. Ein Rollenspiel mit Mitarbeitern unter dem Motto „Wie sieht unsere Zukunft aus, wenn diese oder jene Hindernisse auftreten?“, motiviert sich mit der Zukunft aktiv zu beschäftigen. Ein bisschen Unruhe ist sicher notwendig und schadet nicht, um den Blick zu schärfen. Der richtige Zeitpunkt den Prozess zu beginnen, ist nicht dann, wenn es dem Unternehmen schlecht geht. Dann hat man weder die Zeit noch die Ruhe unaufgeregt an solche Themen zu gehen, dann stehen andere Dinge im Vordergrund.
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Beschäftigen Sie sich mit dem anders denken, wenn das operative Geschäft läuft. In solchen Zeiten muss dieses Thema im Vordergrund stehen. Aber wer die Krise als Ideengeber und nicht als Katastrophe begreift, wird für die Zukunft seines Unternehmens die richtigen Schritte einleiten. Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sollte man den Kopf nicht hängen lassen. Der erste Schritt in einer Krise muss sein, sich aus ihr zu befreien, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und die nächsten Schritte wohlüberlegt angehen zu können. Schaffen Sie wieder eine souveräne Situation, in der Sie bestimmen, was zu tun ist und in der Sie nicht mehr von der Krise getrieben werden. Als Getriebener eine Strategie entwickeln zu wollen, wird nicht funktionieren. Sie sind dann nicht Herr der Lage und handeln nicht souverän. Das merken auch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie werden als Getriebener die wichtigen Optionen des Handelns nicht sehen, weil Sie operativ gebunden sind. Sie sind nicht frei, nicht mutig genug, sondern abhängig und ohne Spielraum. Die Folge ist dann ein blinder Aktionismus und ein Hinterherlaufen im Markt. Sie müssen raus aus dieser Situation und die Opferrolle verlassen. Krisenzeiten sind dennoch Zeiten der Chancen. Läuft das Geschäft gut, scheinen alle Regeln etabliert und alles unter Kontrolle. Aber genau das ist der Zeitpunkt, die richtigen Fragen zu stellen und vor allem Einiges infrage zu stellen. Stellen Sie die richtigen Fragen früher als die Anderen. Stellen Sie andere Fragen als bisher. Erfolgreiche Unternehmen tun das permanent. Der US-amerikanische Ökonom Peter Drucker hat es so ausgedrückt: „The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence, it is to act with vesterday’s logic“. Ich verstehe das andere Denken im Sinne von Feed-Forward-Gesprächen, in dem andere Sichtweisen und Fragen aufgeworfen werden, im Gegensatz zu den Feed-Back-Gesprächen. Sie bekommen viele Anregungen, wenn Sie paradoxe Interviews führen und zum Beispiel fragen „Wie können wir unser Problem vergrößern?“ Ganz ungewöhnlich und doch überaus hilfreich, weil man so auf bisher völlig isolierte Aspekte und Beziehungen kommt. Oder überlegen Sie: „Was müsste passieren, damit unser Problem über Nacht gelöst wird?“ Lernen Sie aus dem taktischen Vorgehen anderer Unternehmen, außerhalb Ihrer Branche. Seien Sie neugierig, warum andere etwas anders machen. Die Größe macht einen Marktteilnehmer nicht zum Leader, der die Regeln ändert, oder ist Garant für Innovationsvermögen, denn gerade der Große hängt zu oft an seinen Konventionen. Der Kleine, der Flexible oder der Neue im Markt denken oft anders, wie die vielen Beispiele im Buch zeigen. Hier kommen ein verändertes Denken und das Verhalten eines Spielmachers zusammen, mit dem wir uns später noch genauer beschäftigen (Abschn. 3.3).
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Sicher ist Abwarten und auf Fehler des Marktführers zu hoffen, auch eine Möglichkeit. Aber das hat nur dann Erfolg, wenn der Marktführer Fehler macht. Wer auf Fehler der Anderen wartet, ohne die Gestaltung selbst in die Hand zu nehmen, verliert wichtige Zeit. Wenn wir uns immer in den gleichen Grenzen bewegen, hält sich auch die Kreativität in Grenzen und spielt nicht das mögliche Potenzial aus. Die uns bekannten Branchengesetze und Rahmenbedingungen, die wir alle im Detail kennen, halten uns von den wirklich innovativen Lösungsansätzen unserer Probleme ab. Wir schaffen es nicht, diese Grenzen zu überspringen und uns frei mit einem Problem zu beschäftigen. Wir orientieren uns immer wieder an diesen Grenzen und erkennen nicht, welche Lösungsansätze sich hinter dem Zaun ergeben können. Der normale Mitspieler positioniert und optimiert, aber befolgt blind die Regeln des Marktes. Alle Tools im Marketing-Mix und im Strategie-Mix gehen von bestehenden Regeln aus. Der anders denkende Manager aber fühlt sich durch die Regeln und Rahmenbedingungen in seinen Zielen und in seinem Vorgehen begrenzt. Also bezieht er sie in seine Strategie als Handlungsoption mit ein. Er will die Regeln in seinem Sinne ändern und beeinflussen. Der Markt soll seinen Regeln folgen. Für ihn gibt es keine Denkverbote, alles Denkbare ist erlaubt, ja Pflicht für ihn. Damit kann er Märkte revolutionieren und nachhaltig beeinflussen. Reine Produktveränderungen oder -verbesserungen interessieren ihn an dieser Stelle nicht, er denkt und fühlt erheblich revolutionärer. Er fühlt sich stark genug, den Wettbewerber durch seine Regeländerung in für ihn ungewohnte Grenzen zu zwingen. Die Rollenverteilung im Markt wird geändert. Das Spiel wird neu erfunden. Das heißt nicht, dass sich ohne weiteres alle Regeln im Markt ändern lassen, es gibt Bedingungen, die nahezu unveränderbar sind; aber die meisten bestehen nur aus informellen Rahmen und müssen nicht ewig bestehen bleiben. Genau diese muss der Spielmacher finden und für sein Spiel anpassen. So kann man Märkte umwälzen, neu definieren und den etablierten Spielern im Markt die Kunden wegnehmen und für sich sichern. Man ist dem Markt voraus und alle anderen Marktteilnehmer müssen sich nach den neuen Maßstäben richten, die der Spielmacher selbst gesetzt hat. Der kennt sich natürlich bestens mit den eigenen Maßstäben und Regeln aus. Welch’ ein Traum. Sie ändern die Kriterien bei ihren Kunden, nach denen etwas gut oder schlecht beurteilt wird. Das hätte früher in der Schule bei den Aufsätzen beste Ergebnisse gebracht, hätte man selbst die Kriterien für eine gute Note setzen können. Es ist zu prüfen, ob die eigenen Produktmerkmale und eventuellen Vorteile gegenüber Wettbewerberprodukten vom Markt und von den Kunden überhaupt
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gewollt und akzeptiert sind. Wenn nicht, so ist der vermeintliche Technologieführer seine Rolle als Marktführer schnell wieder los. Vielleicht lässt sich im Markt ein Kriterium platzieren, das den Marktführer oder Hauptwettbewerber in den Augen der Kunden herunterstuft. Die neu gesetzten Regeln müssen zwar nicht rational, wohl aber in den Augen der Konsumenten sinnvoll und nachvollziehbar sein. Vor einigen Jahren kamen die SUVs (Sports Utility Vehicles) auf den Automarkt und starteten eine rasante Karriere. Eine Art Geländewagen, höhere Sitzposition, unförmig und mit Allradantrieb ausgestattet. Es war schick, wie der Förster oder Großgrundbesitzer in der Stadt zum Einkaufen zu fahren. Den Allradantrieb brauchte man nicht, allenfalls half er manchmal im Winter. Der Trend kam aus Amerika zu uns und löste einen regelrechten Boom nach diesen Autos aus. Viele Automobilhersteller entwickelten ein solches Auto und verkauften ihr Modell gut. Ein neuer Markt für eine Art von Auto, das keiner wirklich braucht, wurde geschaffen. Es gab die SUVs in allen Kategorien, vom einfachen Modell bis hin zur absoluten Luxusversion. Sogar Porsche als Sportwagenhersteller sah für sich die Chance mehr Autos abzusetzen, indem ein Modell für diesen Markt entwickelt wurde. Alle Leistungsklassen wurden besetzt. Eines hatten diese Autos gemeinsam: Sie verbrauchten sehr viel Treibstoff. Sie waren damit keine umweltfreundlichen Autos, aber darüber sah man meist hinweg. Als allerdings die Benzin- und Dieselpreise kräftig anzogen, waren diese Autos schnell verpönt. Was sollte man als Hersteller tun, der erst jetzt in diesen Markt einsteigen wollte? Eigentlich hatte man keine Chance mehr, die Fahrzeuge waren einfach nicht mehr zeitgemäß. Aber es gelang, die Maßstäbe in der Kundenwahrnehmung zu verändern. Toyota setzte sich in die Spielmacherrolle, obwohl man den Zug der SUVs fast verpasst hatte. Einfach ein entwickeltes Modell auf einen mit negativem Image besetzten Markt zu bringen, wäre eine undankbare und nicht sehr clevere Mitspielerrolle gewesen. Der Spielmacher denkt und handelt entsprechend anders. Das Toyota-Modell verbrauchte durch Verzicht auf die aufwändige Allradtechnik weniger Sprit, war damit also umwelt-freundlicher, es war bedeutend einfacher zu fahren und bot eine Menge Komfort. Toyota brachte keinen neuen SUV, sondern einen Crossover auf den Markt. Den Markt der Crossover, Optik eines SUVs und Technik eines Pkws, gab es bis dahin nicht, also konnte Toyota die Kriterien für diese Klasse definieren und umging so die negativ besetzte Klasse der SUVs. Heute sind wieder die SUVs, mit vielen Eigenschaften eines Crossover, bei vielen Herstellern die Autos mit den höchsten Stückzahlen. Der Spielmacher verändert den Markt, einmal in Richtung SUV, daraus in Richtung Crossover und wieder zurück. Und wahrscheinlich haben wir bald einen neuen Spielmacher im Markt, wenn es dem indischen Konzern
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Tata wirklich gelingt, ein Auto für 2000 EUR auch in Europa auf den Markt zu bringen. Ein solches Konzept ist nicht durch bloße Kostenreduktion im Personalbereich möglich, sondern hier ist eine Revolution in allen Bereiche notwendig, vom Marketing über die Fertigung bis zum Einkauf. Ryanair ist ebenfalls ein Beispiel für ein Unternehmen, das eine neue Kategorie im Markt installiert hat. Die Kategorie der Billigflieger. Ähnlich hat es Red Bull mit dem Segment Energy Drink gemacht. Ikea verlagert Prozesse wie das Suchen der Artikel im Lager, den Transport und den Aufbau der Möbel auf seine Kunden. Die Beispiele werden später im Buch ausführlich beschrieben. Die Beispiele zeigen, dass Marktstrukturen und Rahmenbedingungen oft nur darauf warten geändert zu werden. Hier liegt der Ansatz, über ein geändertes Denken zum Spielmacher zu werden und neue eigene Kriterien und Maßstäbe im Markt zu platzieren. Man muss wagen auch „Heilige Kühe“ zu schlachten und diesen Weg konsequent gehen. Die Zeiten und das Verhalten der Verbraucher ändern sich und damit auch die Werte, die ein Konsument hat und zu verwirklichen sucht. Diesen Veränderungsprozess nutzt der Spielmacher. Er gelangt damit zu völlig neuen Geschäftsmodellen.
Fragen Sie sich, was in Zukunft sein kann und was geschehen muss, damit es wirklich passiert. Schauen Sie dabei nicht durch die aktuelle Unternehmensbrille
• Wo liegen neue Horizonte, losgelöst von den heutigen Geschäftseinheiten? • Was geschieht im Markt, wenn mein Produkt nur noch zehn Prozent vom heutigen Preis kostet? Mit diesem Ansatz wurde der Weg vom Großkopierer zum Kleinkopierer für kleinere Unternehmen oder Abteilungen gefunden, die Wegwerfkamera erdacht und der Markt für Swatch-Uhren begründet. • Wer hat Zugriff auf meine Kunden? • Welche fremde Idee, welche Entwicklung, welches Produkt, welche Gesetze würden das Verhalten unserer Kunden in Bezug auf unser Produkt ändern? • Welche neue Klientel für die heutigen Produkte ist zu gewinnen? • Welche neuen Produkte werden benötigt, um angrenzende Kundengruppen zu generieren?
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Viel Bewegung und Erkenntnis bekommt man, wenn neue Kennzahlen gebildet werden, die auf die Zukunft gerichtet sind und das Nutzen eines neuen Denkprozesses und nach vorne Marschierens honorieren; gleichzeitig aber auch die Overhead-Kosten einbeziehen. Was halten Sie von folgenden Kennzahlen?
• Nicht Ergebnis pro Mitarbeiter, sondern Ergebnis pro Führungskraft oder Manager. • Ergebnis neuer Produkte pro Euro F+E-Aufwand, oder pro Euro Overhead Kosten. Hier ergeben sich interessante Kennzahlen, die ein völlig neues Licht auf Ihr Unternehmen werfen werden. An der Entwicklung dieser Kennzahlen sieht man sehr schnell, ob ein Unternehmen sich in die richtige Richtung entwickelt. Egal, ob der Markt groß oder klein ist, ob er gesättigt ist oder Wachstumspotenziale erkennen lässt; es spielt keine Rolle, ob man selbst Marktführer ist, ob man viel Geld in der Hinterhand hat oder nicht. Nicht limitiert denken und losgelöst an die neuen Aufgaben gehen, machen den Prozess erfolgreich. Es gibt die Möglichkeit, den Markt neu zu regeln, die etablierten Spieler zu entmachten und sich selbst in die Leader-Rolle zu heben. Auf diesem Weg gelangt man auch zu heute nicht existenten Märkten. Fangen Sie dort an zu denken, wo der alte Hase im Geschäft blind ist und aufhört zu denken. Optimieren Sie nicht, sondern revolutionieren Sie das Geschäft! Spielen Sie außerhalb der vermeintlichen Rahmenbedingungen und der Marktgesetze. Denken Sie radikal. Ändern Sie das Verhalten im Markt. Alles was bisher galt und für Sie richtungsweisend war, hat zu der heutigen Situation für Sie und Ihr Unternehmen geführt. Wenn Sie nichts ändern, bleibt das auch so. Werden Sie respektlos gegenüber den bestehenden Regeln des Marktes, akzeptieren Sie sie nicht. Die Ideen, die Sie haben, müssen nicht genial sein. Oft sind es Kleinigkeiten, die den Markt neu regeln können. Das revolutionäre Potenzial liegt überall im Unternehmen. Nutzen Sie das Denken ohne Limit nicht nur für die großen Dinge des Lebens, sondern versuchen Sie auch die „normalen“ Probleme, die Sie schon immer lösen wollten, mit diesem Ansatz zu bewältigen.
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3.2 Der Fokus des Marketings ändert sich Wie notwendig es ist, im Marketing andere Wege des Denkens einzuschlagen, wird sehr deutlich, wenn man sich folgende Daten vergegenwärtigt (Stand 2013). Innerhalb einer Minute werden beispielsweise weltweit • • •
1,9 Mio. Likes auf Facebook gegeben 100 h Material auf YouTube hochgeladen 320.000 Suchbegriffe bei Google eingegeben 2,8 Mio. Tweets versendet.
Diese Zahlen sind beeindruckend und in der Größenordnung nicht jedem gegenwärtig. An ihnen wird deutlich, dass sich die Welt im Marketing längst geändert hat. Wer diese Entwicklung ignoriert, lebt nicht mehr im Gestern, sondern schon im Vorgestern. Verfolgen konnte man diese Zahlen im Internet bei den „Social Media Counts“ von Gary Hayes. Was passieren kann, wenn man diese Entwicklung nicht berücksichtigt und sich zum Beispiel bei Kundenreklamationen immer noch nach dem Motto „Duck and Cover“ verhält, hat die Fluggesellschaft United schmerzlich zu spüren bekommen. Dave Caroll, einem amerikanischen Country Musiker, wurde auf einem Flug mit United seine wertvolle Gitarre zerstört. Seine zahlreichen Reklamationen hatten keinen Erfolg, Niemand bei United kümmerte sich um die Beschwerde. Dave Caroll hat kurzerhand einen Song darüber geschrieben und auf YouTube veröffentlicht. Das Lied „United Breaks Guitars“ wurde mittlerweile 22 Mio. Mal angehört. Dave Caroll hat seine Unzufriedenheit so mit 22 Mio. Menschen geteilt (Stand 2023). Wer sich in dieser Zeit noch nach den Regeln von Gestern verhält, bekommt schonungslos die Quittung. Marketing sollte in vier Bereichen seinen Fokus auf ein unlimitiertes Denken legen (siehe Abb. 3.2): Auch wenn der Bereich „People“, die Mitarbeiter des Unternehmens, bisher nicht als typisches Betätigungsfeld für das Marketing gesehen wurde, bin ich überzeugt, dass auch hier Ansatzpunkte notwendig sind. Die Punkte „Coaching“ und „Club der Besten“ sind einfacher als Marketingfelder zu verstehen, als der „Arbeitsplatz“ oder „Job Rotation“. Wenn Sie an ein neues Marktsegment denken, welches Ihr Unternehmen betreten will, ergeben sich allerdings in den genannten Bereichen eine Reihe von Ansatzpunkten für unterstützende Maßnahmen. Die einzelnen Unterpunkte sollen Beispiele für mögliche Handlungsfelder sein. Sie finden bestimmt eine Reihe weiterer Möglichkeiten.
3.2 Der Fokus des Marketings ändert sich
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Abb. 3.2 Ansatzpunkte des Marketings für unlimitiertes Denken
Diese Art zu denken gibt Ihnen im Marketing die Möglichkeit, das ruinöse Preisthema hinter sich zu lassen und Ihr Produkt mit anderen Argumenten zu verkaufen. Die Notwendigkeit dafür wurde im Kapitel „Billig ist kein Marketing“ dargestellt. Ein Unternehmen benötigt Verkaufsargumente und Wettbewerbsvorteile für seine Produkte, die jenseits des Preises liegen. Eine langfristige Existenz wird es beim Thema „Billig“ nicht geben. „Billig“ wird vom Kunden mit schlechter Qualität assoziiert. „Anders denken als bisher“ macht es möglich, an der Preis-Wert -Relation in den Augen der Kunden zu arbeiten und so zumindest „preiswert“ zu argumentieren. So finden Sie Argumente für den „gefühlten Preis“ beim Kunden, der natürlich passen, aber nicht „billig“ sein muss. Darauf wird beim Beispiel der aws Wärme Service noch einmal eingegangen. Geben Sie Ihren Kunden das Gefühl, dass der Preis genau der richtige für Ihr Angebot ist. Wie diese Art zu denken im Marketing funktioniert, wurde im Abschnitt „Spielregeln im Markt ändern“ behandelt und an vielen Beispielen aus der Praxis dargestellt und wird in der „Hall of Fame“ noch intensiv behandelt. Wie konkret der Prozess anders zu denken abläuft, was zu tun ist und welche Hilfsmittel es gibt, wird im 4. Kapitel thematisiert.
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Was Sie selbst im Marketing mitbringen sollten, wird im Folgenden beschrieben. Sie werden erfahren, dass ein Spielmacher, der sein Denken geändert hat, bestimmte Eigenschaften besitzt, die jedoch für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter im Marketing nicht außergewöhnlich sind.
3.3 Spielmacher und Mitspieler Der Prozess auf diese andere Art zu denken und der Änderung der Spielregeln ist nicht abhängig von Positionen im Unternehmen. Zwar stehen einem Unternehmer ein nicht limitiertes Denken und das Verhalten als Spielmacher näher als angestellten Managern. Ein Unternehmer ist eher bereit, Risiken einzugehen und neue Dinge zu probieren. Aber gerade als Manager muss man sich wie ein Unternehmer verhalten und ebenso denken und fühlen, nur dann arbeitet man mit Herzblut. Der Spielmacher läuft voraus, der Mitspieler hinterher. Regeln bestimmen ein Spiel und wollen ihm Ordnung geben, es vergleichbar und messbar machen. Mitspieler haben Respekt vor den Regeln. Aber genau das ist es, was der Spielmacher nicht akzeptieren will, denn wenn alles geordnet ist und alles gleich ist, gibt es nichts zu gewinnen. Im Markt können Spielmacher im Unterschied zum Sport auch Regelmacher sein. Der Spielmacher ist derjenige im Markt, der nicht bereit ist, nach den Regeln anderer zu spielen und sich im Markt zu bewegen. Er will dem Markt eigene Regeln geben. Spielregeln werden nicht von den Mitspielern in einem Spiel geändert, sondern vom Chef im Ring, vom Spielmacher. Was unterscheidet den Spielmacher vom normalen Mitspieler? Am besten kann man den Spielmacher beschreiben, indem er direkt mit einem Mitspieler verglichen wird (Abb. 3.3). Der Spielmacher „tickt“ anders als der Mitspieler. Er will ein Spiel lenken, anstatt nur dabei zu sein. Er setzt die Mitspieler vorteilhaft ein, er beschleunigt oder verlangsamt ein Spiel. Er passt sich den Situationen schnell an. Der Spielmacher hat den unbändigen Willen, das Spiel zu gewinnen und zu gestalten. Er ist permanent präsent und spürt Entwicklungen, Möglichkeiten und Risiken des Handelns im Voraus. Er produziert immer wieder neue Ideen und kann das Spiel in andere Richtungen verlagern. Er arbeitet mit dem Ziel, sein Spiel zu gewinnen. Er ist neugierig. Er denkt aus dem „Heute“ nach vorne in die Zukunft und leitet dann die notwendigen Schritte in der Gegenwart ein. Er denkt und spielt mit Zukunftsoptionen in seinem oder einem neuen Geschäftsfeld. Der Spielmacher muss die Regeln der Vergangenheit vergessen, sich innerlich entrümpeln und den Ballast der Vergangenheit abwerfen. Mit zu viel Gepäck kommt man zu schnell
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3.3 Spielmacher und Mitspieler
Spielmacher und Mitspieler
Hoch
Mitspieler
Spielmacher
Interesse C-Spieler Niedrig
Mitspieler
austauschen
Niedrig
Know How
Hoch © Gerd-Inno Spindler
Abb. 3.3 Spielmacher und Mitspieler
ins Schwitzen und gerät aus der Puste. Er geht befreit in seinen Denkprozess. Für den muss der Spielmacher offen, wach und aufmerksam den Markt und die Kunden beobachten. Spielmacher kann man nicht nebenbei sein, Mitspieler sehr wohl. Der Spielmacher geht unvoreingenommen in ein Spiel und erfasst schnell die Zusammenhänge im Markt, die Lage und Situation der Wettbewerber. Er setzt auf Team-Spirit seiner ausgewählten Mannschaft. Mit dieser Einstellung und diesem Vorgehen spürt er Chancen und Risiken im Markt schneller als andere. Er sieht und spielt mit Gefahren und Potenzialen. Er hat keine Angst, sich zu blamieren. Jegliche Veränderung des Status quo sieht er als Chance. Der Mitspieler verzettelt sich häufig im Detail, er optimiert nur in kleinen Einheiten. Der Spielmacher geht in die Adlerperspektive und verschafft sich so einen kompletten Überblick der Marktlandschaft. Er sieht die Wettbewerber und Mitspieler, deren Produkte und Angebot, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten im Markt aus dieser unabhängigen Perspektive. Er hat und wahrt die Distanz und spielt schon früh mit möglichen Optionen. Die Problemanalyse des Tagesgeschäftes, die Soll-Ist-Abweichungen betreffen eher das operative Geschäft, in der Regel nicht die weitere strategische Zukunft. Der Mitspieler setzt die Kernkompetenzen im Markt ein, der Spielmacher entwickelt sie weiter und findet neue Einsatzmöglichkeiten für die eigenen Kernkompetenzen. Er beobachtet die anderen Märkte, auch wenn sie das eigene
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Unternehmen aktuell nicht tangieren. Er adaptiert Ideen und Entwicklungen anderer Märkte auf das eigene Geschäft. Er versucht immer positive und vorteilhafte Positionen im Markt für sich zu schaffen. Ihm obliegt es, an die Spitze zu gehen und das Spiel anzuführen und zu lenken. Der Spielmacher weiß, warum ein Wettbewerber etwas macht oder eben nicht macht. Unter dem Begriff Markt versteht er das komplexe System aus Kunden, Wettbewerbern, Mitarbeitern, Lieferanten und allen anderen Beteiligten (vgl. Spindler 2022). Durch diese genauen Kenntnisse erkennt er Veränderungen und Bewegungen im Markt und deren Auswirkungen frühzeitig. Damit wiederum erhält er wichtige Ansatzpunkte für sein eigenes Spiel.
3.3.1 Das „OMA“-Prinzip Der Spielmacher arbeitet nach dem „OMA“-Prinzip: Offenheit, Mut, Adaptieren von Ideen. Adaptieren ist kein Stehlen von Ideen. Adaptieren ist, mit offenen Augen nach Best Practice-Lösungen und -Ansätzen in allen Branchen zu suchen. Adaptieren ist ein wichtiger Schritt. Wie branchenfremde Unternehmen mit ihren Kunden umgehen, kann viele neue Ansätze für das eigene Geschäft liefern. Die Frage „Wie kann ich das für mein Unternehmen umsetzen oder anpassen“ ist erlaubt und sinnvoll. • Der Spielmacher fragt sich, was die aktuellen Spielregeln verhindern und was neue Regeln bewirken könnten, welche Auswirkungen sie auf die Wettbewerber und den Markt haben könnten. • Er checkt die Kernkompetenzen der Wettbewerber und prüft was der Kunde wirklich will und braucht. • Er überlegt, wie man in einem Kunden einen Bedarf wecken kann. Der Spielmacher versucht, das Verbraucherverhalten zu beeinflussen. Ein Spielmacher ist selbstbewusst und zweifelt nicht ständig an sich und seinen Entscheidungen. Ein positiv gestimmter, selbstbewusster Spielmacher treibt die gesamte Mannschaft an und führt sie zum Erfolg (vgl. Spindler 2020). Der Spielmacher weiß, dass die Zukunft wichtig ist und er weiß: • Die Zukunft ist anders als die Vergangenheit. • Die Zukunft ist nicht einfach eine Fortschreibung von Trends. • Die Zukunft kündigt sich durch schwache Signale an.
3.3 Spielmacher und Mitspieler
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Der Spielmacher weiß, dass man die Zukunft früh erkennen muss, um mehr Zeit für notwendige Reaktionen zu haben. Er berücksichtigt wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und technische Faktoren bei seinen Szenarien. Er wird die Kernkompetenzen seines Unternehmens in die Szenarien integrieren und erkennt so die Stellschrauben. Ein Spielmacher hat Visionen, konkrete Vorstellungen von der Zukunft. Steve Jobs hatte eine Vision „Personal Computer für alle“, John F. Kennedy wollte „Erster auf dem Mond“ sein und Henry Ford wollte „Ein Auto für alle“ bauen. Eine Vision ist etwas Neues, abgeleitet aus der erwarteten Entwicklung. Ein konkretes Ziel, an dem man arbeiten kann. Der Spielmacher kann mit seinen Visionen inspirieren und in seinem Team Feuer entfachen. Der Spielmacher agiert. Der Mitspieler wartet auf die Aktionen der anderen. Er reagiert nur. Frei nach Friedrich Nietzsche1 „bleiben die Mitspieler bei der Herde“. Die verschiedenen Spielertypen sind sehr schön bei Klaus M. Kohlöffel und Jan-Dirk Rosche (2009) beschrieben. „Macht hat, wer etwas macht“, eine treffende Formulierung. Nur der Aktive gewinnt das Spiel. Der Spielmacher sucht nach dem USP im Handeln und setzt Ressourcen und Know-how kompetent in unterschiedlicher Zusammensetzung ein, um seine Ziele zu realisieren. Er ist permanent auf sein Ziel fokussiert.
3.3.2 Offensive Spielweise Die Literatur unterscheidet zwischen verschiedenen Spielweisen im Management. Unser Spielmacher bevorzugt eindeutig die offensive Spielweise und fühlt sich als First Mover (vgl. Spindler 2022). Man kann mit Veränderungen im Markt offensiv, defensiv oder neutral umgehen. • In der offensiven Spielweise finden wir den First Mover, der vorne weg marschieren und die Veränderung aktiv beeinflussen will. Er wird versuchen, die eigenen Stärken zu nutzen und gleichzeitig die Schwächen des Wettbewerbs einzukalkulieren. Der First Mover wählt in manchen Situationen eine Kooperation mit anderen Unternehmen oder er agiert wettbewerbsorientiert.
1 Friedrich
Wilhelm Nietzsche (1844–1900), Deutscher Philosoph: „Willst Du das Leben leicht haben? So bleibe immer bei der Herde und vergiss Dich über der Herde.“
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Er setzt eher auf Angriff als auf Rückzug oder Ausweichen. Er versucht im Markt Barrieren für den Wettbewerb zu schaffen, indem er seine Kostenvorteile nutzt oder sich mit Patenten vor den Nachahmern schützt. • Bei der defensiven Spielweise verhält sich der Spieler eher abwartend. Er wartet, wie der Wettbewerber reagiert und ahmt ihn nach. Er reagiert. Er neigt zu Kooperationen, aber eher um Fehler zu vermeiden. • In einer neutralen Spielweise ist man nicht Fisch und nicht Fleisch. Man wählt die Mitte und bewegt eigentlich überhaupt nichts. In dieser Spielweise liegt keine Eigenmotivation, etwas zu bewegen. Unschlüssigkeit und Angst bestimmen die Vorgehensweise im Markt. Ein gefundenes Fressen für den Wettbewerb mit einer offensiven Spielweise. Das Risiko der jeweiligen Vorgehensweise muss abgeschätzt werden. Aber generell ist es kein Problem, Risiken einzugehen und Fehler zu machen. Oder anders ausgedrückt: „Wenn Sie erfolgreich sein wollen, verdoppeln Sie Ihre Misserfolgsrate“2
Anja Förster und Peter Kreuz (2008) haben es ebenfalls treffend beschrieben: Erfolgreich ist nur der, der Dinge anpackt, die der Wettbewerber für zu riskant hält. Das größere Risiko ist es aber, kein Risiko einzugehen. Ein Spielmacher ist eine Führungskraft, die eine Krise nicht leugnen wird und sie nicht gesund reden will. Damit würde er notwendige Zeit verlieren. Oft erlebt man, dass schlechte Zahlen eines Unternehmens oder eines Bereiches nicht als das, was sie sind, wahrgenommen werden. Es wird auf den nächsten Monat, das nächste Quartal vertröstet und gehofft, dass es doch wieder aufwärts geht. Hoffnung als Managementmethode. Wie lange muss ein sinkender Marktanteil verfolgt werden, bis man glaubt, dass es keine Eintagsfliege ist? „Die Zahlen können nicht stimmen, wir warten noch mal ab“, das kennen wir leider. Es ist besser, unverzüglich und ohne Panik geeignete Schritte einzuleiten und die Situation als solche zu erkennen und zu akzeptieren. Die Führungskraft wird sich der Krise stellen und sie mit den geeigneten Mitteln, auch wenn diese noch nicht gefunden sind, bewältigen. Er wird aus der Krise lernen (vgl. Spindler 2020). Der Spielmacher kennt sich in strategischen Planspielen aus und weiß um die Chancen und Risiken. Er liebt die offensive Spielweise. Der Spielmacher möchte
2 Thomas
Watson, Gründer von IBM.
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etwas hinterlassen und nicht nur sein Geschäft und seinen Aufgabenbereich gemanagt haben. Das kann jeder, auch ohne Spuren zu hinterlassen. Ist das heutige Geschäftsmodell noch tragfähig für die Zukunft? Wächst meine bisherige Zielgruppe aus meinen Produkten heraus und haben die Nachkommen andere Erwartungen an meine Produkte oder an meine Kommunikation? Gibt es schon Zweifler daran im Unternehmen? Das sind erste Anzeichen, dass mit einer anderen Strategie, mit anderen Überlegungen angefangen werden sollte. Taucht in der Organisation eine Kundenreklamation auf, ist das eine große Chance, sich zu verbessern und sich für die Zukunft besser aufzustellen. Es ist eine Frage der Grundeinstellung, ob ich diese Situation als Chance oder als Bedrohung sehe, die am besten unter den Tisch gekehrt wird. Will ich helfen oder abwehren? Fußspuren im Schnee sieht man nur von demjenigen, der voraus gegangen ist. Alle dahinter verschwinden im Matsch. Der Spielmacher und sein Team sind Menschen, die nach Veränderungen verlangen, die keine Angst davor haben, sondern die Chancen sehen und umsetzen wollen. Sie sind Stehaufmännchen, die sich nicht durch Misserfolge irritieren lassen. Sie trauen sich mutige Entscheidungen zu und wollen stetig etwas Neues probieren. Man erkennt sie. Beurteilen Sie selbst, ob Ihr Unternehmen oder Sie selbst ein Spielmacher oder ein Mitspieler im Markt sind.
3.3.3 Fünf Schritte des Spielmachers Der Prozess „Spielregeln ändern“ wird in Anlehnung an Klaus M. Kohlöffel und Jan-Dirk Rosche (2009) in fünf Phasen bzw. Schritte eingeteilt (Abb. 3.4): 1. Spielidee entwickeln 2. Spielfeld verändern 3. Spielregeln ändern 4. Spieler entwickeln 5. Beziehungen ändern.
3.3.3.1 Spielidee entwickeln Voraussetzung ist es, die Ist-Situation genau zu kennen. Dann werden die Visionen und Ziele definiert. Dazu muss man selbst und das Team offen und bereit sein, neue Wege zu gehen und die alten „Denk“-Pfade zu verlassen. Was kann sich ändern und was sollte sich ändern? Welche Trends gibt es im Markt
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
Abb. 3.4 Schritte des Spielmachers
oder bei den Kunden und wie werden sie von einem selbst bewertet? Im Vorfeld werden die Talente und Kompetenzen des Unternehmens und der Mitarbeiter beurteilt; das ist für den Prozess und die nachfolgende Teambildung sehr wichtig. Es hilft, wenn ebenfalls vor dem Start des Prozesses die Niederlagen und Siege des Unternehmens angeschaut werden. Und danach gilt einfach:
Machen statt zweifeln. Was will ich erreichen, was sind meine Träume?
Wir kommen später noch auf die Zusammensetzung des Teams zu sprechen, hier nur so viel: Frei nach Jack Welch ist das Know-how im Unternehmen sicher groß, sonst wären die Leute nicht an ihrem Platz. Daher kann man auch kaum völlig falsche Entscheidungen treffen, zu 90 % werden Sie richtig liegen.
3.3 Spielmacher und Mitspieler
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3.3.3.2 Spielfeld verändern Auf welches Spielfeld möchte ich? In welchen Markt möchte ich eintreten? Hat das Unternehmen dazu die notwendige Kraft, die notwendigen Kompetenzen? Ist es flexibel und schnell genug, um in das gewählte Spielfeld einzutreten? Wenn nicht müssen die benötigten Fähigkeiten „besorgt“ werden. Hierbei ist es wie bei der Akquisition eines Unternehmens, welches eingegliedert wird und das Unternehmensportfolio erweitern soll. Wenn die Fertigkeiten im Unternehmen vorhanden sind, können Mitarbeiter speziell für diesen Prozess umgesetzt und ausgebildet werden.
3.3.3.3 Spielregeln ändern Dieser Punkt wurde schon ausführlich beschrieben. Zuerst werden die Regeln im Markt analysiert und danach werden Regeln entwickelt, die besser für das eigene Unternehmen sind und zugleich eine Schwächung für den Wettbewerber bedeuten. Als Ansatz hilft es, das Geschäftsfeld auf der „grünen Wiese“ neu aufzubauen. Nutzen Sie das Wissen und die Vorstellungskraft des Teams. Ohne Grenzen und Regeln sollte hier das neue Geschäftsfeld beschrieben werden. Wie sollen einzelne Funktionen und Prozesse ablaufen, um erfolgreich zu sein?
3.3.3.4 Spieler entwickeln Die einzelnen Teammitglieder sollten für ihre neue Rolle trainiert und gecoacht werden. Im Vordergrund steht das Coaching des Vorgesetzten und anders als bisher denkenden Spielmachers, der dem Team den Mut weitergeben soll, den Prozess zu beginnen und durchzuführen. Geht es darum, spezielles Know-how zu vermitteln, kann dies auch durch externe Spieler ermöglicht werden.
3.3.3.5 Beziehungen ändern Es kann sich aus dem Prozess heraus ergeben, die Beziehungen zwischen Partnerunternehmen oder Wettbewerbern zu ändern. Aus Wettbewerbern können nach der Änderung der Spielregeln durchaus Partner werden und aus Unternehmen, die man bisher nicht im Fokus hatte, können nun wirkliche Wettbewerber werden. Ein ganzes Geflecht aus Beziehungen kann sich völlig neu ergeben. Dies ist spannend zu beobachten und im Voraus damit Spielideen zu überlegen. Bei einzelnen Schritten ist es eine gute Methode, Gäste aus anderen Unternehmen zu einem Meeting einzuladen. Natürlich wird man kaum den Wettbewerb bitten, wohl aber Unternehmen aus anderen Branchen, die ähnliche Probleme schon gelöst haben. Es ist hilfreich, sich gerade am Anfang des Prozesses diese
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Gedanken zu machen: Welche andere Branche kämpft auch mit den eigenen Problemen oder Themen? Welche Unternehmen oder Mitarbeiter dieser Unternehmen kennen wir und können wir ansprechen? Arbeiten Sie zum Beispiel in einem stark saisonalen Geschäft, bietet es sich an, mit Unternehmen zu sprechen, die auch in einem volatilen Markt arbeiten: Mineralölfirmen, Autoreifenhersteller, Autospediteure und so weiter. Ihnen fällt ganz bestimmt eine umfangreiche Liste mit Namen ein, wenn Sie sich dafür ein wenig Zeit nehmen.
3.4 „Was würde mein Nachfolger tun?“ Ein nicht limitiertes Denken fängt dort an, wo andere klassische Methoden aufhören oder gar nicht erst hinkommen (Abb. 3.7). Es geht viel weiter als eine strategische Überlegung über die Positionierung im Markt, es geht weiter als eine Optimierung der Prozesse. Diese Methode stellt Bestehendes infrage und versucht, neu zu gestalten und zwar nicht nur Prozesse im Unternehmen, sondern den gesamten Markt. Wer auf diese Art zu denken anfängt, versucht die Scheuklappen abzulegen. Er sieht sich in anderen Märkten und Unternehmen um und bewertet permanent, ob bestimmte Dinge, Methoden oder Strategien adaptiert werden können. Die „offenen Augen“ brauchen wir, um alles stets zu hinterfragen. Er spielt mit der Frage „Was würde mein Nachfolger sofort ändern?“ Eine sehr interessante Fragestellung, die hilft, sich selbst sowie die eigenen Strategien und Maßnahmen kritisch zu hinterfragen. Versuchen Sie es einmal: Sie wurden gerade entlassen und Ihr branchenfremder Nachfolger übernimmt Ihren Job. Was würde er anders machen? Sicher ist das eine ungewöhnliche Frage, wollen wir doch gerade das gar nicht wissen oder uns mit dieser Situation beschäftigen. Aber diese Gedanken helfen, sich von allem Bekannten und Gewohnten zu lösen und sich auf den Stuhl des Anderen zu setzen. Würde mein Nachfolger auch an den Dingen festhalten, die ich für unveränderbar halte? Oder würde er sich einfach über bestimmte Dinge hinwegsetzen? Versetzen Sie sich einmal in die Situation zurück, in der Sie waren, als Sie in das heutige Unternehmen eingetreten sind. Wie sind Sie an die Aufgabe herangegangen? Was wollten Sie alles ändern? Sie konnten sich losgelöst von dem Gewohnten über die zukünftige Strategie Gedanken machen und sich mit Ihrem Team beraten. Sie hatten einen großen Vorteil: Sie brauchten bestimmte Regeln nicht zu vergessen, Sie kannten Sie gar nicht. Seien Sie Ihr eigener Nachfolger! Denken Sie wie er.
3.4 „Was würde mein Nachfolger tun?“
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Jetzt sind Sie gefragt
• Was würde er in einer bestimmten Situation tun? Wie würde er entscheiden? • Würde er auf die gleichen Dinge Rücksicht nehmen, würde er sich an den gleichen Regeln orientieren oder würde er gerade das nicht tun? • Warum würde er etwas anders machen? • Wie würde er denken? Auf jeden Fall würde er nicht vorbelastet an die Themen und Entscheidungen gehen. • Würde er die bessere Entscheidung treffen? Das bedeutet aber nicht, die positiven Dinge in der Vergangenheit kaputt zu reden, wohl aber sich den ändernden Zeiten bewusst zu sein und nicht einfach die Vergangenheit fortzusetzen. Wichtig ist, dies früher als andere zu tun, da sonst die anderen die Regeln ändern werden. Seien Sie selbst Ihr erster und stärkster Kritiker bzw. Nachfolger. Wie lange wäre das heutige Konzept noch erfolgreich? Lässt sich die Vergangenheit immer wiederholen? Irgendwann greift jemand Ihr Geschäftsmodell an. Besser Sie tun das selbst. Ihr Nachfolger würde genau das tun.
3.5 „Was würde Apple tun?“ Gerade das Lösen von den bestehenden Regeln und Usancen, das anders denken als bisher, ist ein schwieriger Punkt im Prozess und benötigt eine Eingewöhnungszeit. Neben der Frage „Was würde mein Nachfolger tun?“ hat sich in meinen Seminaren und Workshops zum Thema „Anders denken als bisher“ eine weitere Methode als große Hilfestellung im Prozess erwiesen, indem sie hilft sich vom Gewohnten zu lösen. Stellen Sie sich eine Titelseite der Bild-Zeitung mit folgender Headline vor (Abb. 3.5): „Die Verbraucher sind begeistert! Schock in Handel und Industrie! ‚Apple: Einstieg in die … (Ihre Branche). Was wird Apple alles ändern? Was bleibt?‘“ Ich nutze solche Anzeigen bei meiner Arbeit und sofort beginnt die Diskussion und die Ideen sprudeln. Die Vorstellung Apple steige in die eigene Branche ein, hilft zu abstrahieren und eine andere Sicht auf das eigene Unternehmen einzunehmen. Jeder kennt Apple, viele besitzen ein Apple Produkt oder haben zumindest schon einmal eins ausprobiert. Es fällt viel leichter sich in
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„Was würde Apple tun?“ Die Verbraucher sind begeistert! Schock in Handel und Industrie!
Apple: Einstieg in die …. Branche Was wird Apple alles ändern? Was bleibt? © Gerd-Inno Spindler
Abb. 3.5 Was würde Apple tun?
diese kreative Rolle eines bekannten Innovators zu versetzten, den die eigenen Branchenregeln nicht interessieren würden, als das in der eigenen Person zu tun. Als Apple kann man auch Ideen äußern, zu denen sonst eventuell der Mut fehlen würde. Apple würde alles im Markt und alles im Unternehmen infrage stellen. Apple würde ohne Rücksicht auf die Historie der Branche völlig neue Wege gehen. Als Apple fällt es viel leichter Gedanken zu äußern und anders zu denken als die Anderen und anders als bisher. Diese visuelle Hilfestellung löst die Denkblockaden. Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, welche Kreativität damit freigesetzt wird. Probieren Sie es aus.
3.6 Wechseln Sie die Perspektive! Sie kennen das: Alle Meetings im Unternehmen laufen gleich ab, viel Neues kommt nicht dabei heraus. Alle Teilnehmer betreten in Business-Kleidung den Raum und setzen sich an ihren Platz. Das Alphatier vertritt gleich zu Anfang vehement seine Meinung und einige andere folgen dem lauten Vorredner ohne ihre eigene Meinung zu äußern. Ein nutzloses Meeting. Die Meinung des Alphatiers kennen sowieso alle. Die Meinungen und Ideen der Anderen wären interessant. Gut, dass es Lösungen für dieses Problem gibt Abb. 3.6 und 3.7.
3.6 Wechseln Sie die Perspektive!
Abb. 3.6 Meeting, aber wie?
Gehen Sie mit einer klaren Agenda und Fragestellung in ein Meeting. Fragen Sie vor dem Beginn des Meetings schriftlich die Meinung oder Vorschläge aller Teilnehmer ab. Keiner kann sich mehr verstecken und Sie bekommen von allen ihre persönlichen Ansätze. Wechseln Sie die Sitzordnung. Meist sitzen alle an ihrem angestammten Platz im Besprechungsraum. Schon bei der Sitzordnung ist alles wie immer. Dann wird das Denken auch gleich bleiben. Verändern Sie die Sitzordnung, nehmen auch Sie einen anderen Platz ein. Alle Teilnehmer wechseln damit auch ihre Perspektive auf das Geschehen. Legen Sie eine außergewöhnliche Kleiderordnung für Ihre Besprechung fest. Keine Business-Kleidung, sondern Sportkleidung oder Jeans und T-Shirt. Lassen Sie jeden Teilnehmer seine Lieblingskleidung anziehen. Oder geben Sie ein Motto vor: z. B. Bergsteigen, Gartenarbeit oder Hausbau. Sie werden sehen, dass die Teilnehmer
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
Abb. 3.7 Das anderes Denkmodell
mit der Kleidung auch eine andere Rolle als gewohnt einnehmen. Die Teilnehmer werden andere Ideen haben. Bitten Sie die Teilnehmer zum nächsten Meeting einen ganz speziellen Gegenstand mitzubringen. Ein Werkzeug, ein Küchengerät, ein Autoteil oder den eigenen Lieblingsgegenstand. Diese Gegenstände lenken vom Gewohnten ab und helfen anders zu denken. Lassen Sie jeden Teilnehmer mit dem Stift des Sitznachbarn schreiben. Auch so werden Perspektiven und Rollen gewechselt. Eine Änderung des Gewohnten. Lassen Sie jeden Teilnehmer zu Beginn des Meetings eine Idee zu einem bestimmten Thema auf ein weißes DIN A4 Blatt schreiben. Haben das alle getan, wird das Blatt an den rechten Nachbarn weitergegeben. Der liest die Gedanken des linken Nachbarn und schreibt seinen eigenen Gedanken dazu darunter. So geht es weiter bis alle Blätter bei allen Teilnehmern waren. Damit haben Sie nicht nur eine
3.7 Es gibt keine Einwände
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Vielzahl von Ideen und Gedanken, sondern diese auch gleich mit Ihren Experten bearbeitet und verfeinert. Sie werden selten eine so effektive Besprechung gehabt haben (s. auch „GIRL“ in Abschn. 4.9). Ein kreatives Meeting sollte nicht im eigenen Haus durchgeführt werden, sondern in einem fremden Raum, in fremder Umgebung. Das ändert nicht nur die Perspektive, sondern konzentriert auch die Gedanken auf die Zielsetzung. Wechseln Sie das Bühnenbild. Probieren Sie die Vorschläge aus. Sie werden über die Ergebnisse erstaunt und begeistert sein (vgl. Spindler 2020).
3.7 Es gibt keine Einwände Wir kennen alle die Einwände, die schon ganz automatisch kommen, wenn ein außergewöhnlicher Vorschlag gemacht wird: • „Hört sich ja gut an, aber …“ • „Das haben wir noch nie gemacht“ • „Früher haben wir in einem solchen Fall immer …“. Das „Früher“ hat nur leider das aktuelle Problem hinterlassen und nicht gelöst. Wenn wir immer auf diese Einwände gehört hätten, wäre unser Handy heute groß, mit langer Schnur und einer Wählscheibe drauf. Wenn Sie ungewöhnlich im Markt auftreten und Dinge veranstalten, die man bisher nicht kannte, werden Sie anderen natürlich auf die Füße treten. Allerdings kann man nur Füße treffen, die gerade unbewegt herumstehen. Füße, die in Bewegung sind, trifft man selten. Kritik vom Wettbewerb ist außerdem das beste Lob, das man bekommen kann. Auf Applaus vom Wettbewerb zu hoffen, ist vergebliche Mühe. Applaus vom Kunden ist viel wichtiger. Welche Vorbehalte wird es geben, wenn Sie mit dem „Anders denken“-Ansatz in Ihr Unternehmen gehen? • „Unsere Spielregeln sind schon immer da, die kann man nicht ändern.“ Genau das ist der Grund, warum es endlich Zeit wird, die Regeln zu hinterfragen und sie zu ändern. Wenn die Regeln schon immer da waren, dann sind sie alt und überholt. Konnten Sie in der Vergangenheit erfolgreicher als der Markt und die Wettbewerber nach den Regeln spielen? Wenn nicht, ist das
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
Spiel nicht gut gelungen und schon gar nicht zukunftssicher. Zeit also, etwas an den Regeln zu seinen Gunsten zu tun. „Ändern können doch nur die Großen.“ Dann schauen Sie mal in die Liste der erfolgreichen Beispiele in der „Hall of Fame“ im Buch. Viele von ihnen haben ihre Denkweise geändert und versucht, die Spielregeln zu ändern, als sie noch nicht ihre heutige Größe und Marktstellung hatten. Eben durch das Ändern der Spielregeln wurden sie zu dem, was sie heute sind. Auch kleine Unternehmen können einen Markt revolutionieren und ihn nach ihren Regeln spielen lassen. „Spielregeln ändern kostet eine Menge Geld.“ Die Beispiele zeigen das Gegenteil. Nicht das Ändern der Spielregeln, nicht das anders denken kostet Geld, die Umsetzung später vielleicht. Aber das passiert erst dann, wenn die Idee, der Ansatz erfolgversprechend genug erscheint. Vorher brauchen Sie nur den Mut etwas Außergewöhnliches tun zu wollen und den Willen, etwas an Ihrer jetzigen Situation im Markt zu ändern. „Dafür muss ein großes Netzwerk im Markt bestehen, alleine geht gar nichts.“ Durch die Idee des Spielmachers baut sich das Netzwerk erst auf, es muss nicht vorher bestehen. Die Idee muss die Meinungsführer und natürlich die Kunden überzeugen. Dann bildet sich das Netzwerk in der richtigen Zusammensetzung von selbst. „Unser Markt stagniert, da geht das nicht.“ Warum stagnieren die Märkte denn? Weil sich die Manager nicht bewegen und aus dem Stagnieren ausbrechen. Nicht der Markt ist unbeweglich, sondern die Manager darin sind es. Schauen Sie die verschiedenen Beispiele aus den verschiedenen Märkten und Branchen an. Ein Denken „off the limit“ geht in jedem Markt und in jeder Marktphase.
Mut gehört zweifellos dazu und es wird anfangs schwer fallen, die neu entwickelten Ideen wirtschaftlich zu bewerten, aber abschrecken darf das nicht. Fehlende Zeit darf ebenfalls kein Argument sein. Checken Sie doch einmal, wie viele Daten Sie erheben oder erheben lassen, die niemand wirklich anschaut oder wenn er sie anschaut, welchen Nutzen er davon hat. In der Regel verschwendet man viel Zeit für Dinge, von denen man glaubt, sie müssten sein. War ja immer so. Wenn Sie dann noch überlegen, wer diese Daten, die keiner anschaut, erhoben hat und wie viel Zeit er dafür gebraucht hat, wird es noch schlimmer. Bedenken Sie das, bevor Sie Daten an Ihr Team weitergeben. Was der Chef weitergibt, wird meistens auch gelesen, auch wenn es nicht sinnvoll ist und keinen weiterbringt. Alles verlorene Zeit. Nutzen Sie die Zeit besser, um von anderen zu lernen und nach vorne zu schauen. Alles was nur „Nice to have“ ist, kann auch unterbleiben (vgl. Spindler 2020).
3.8 Exkurs: Irrationales Verbraucherverhalten
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3.8 Exkurs: Irrationales Verbraucherverhalten Marktgesetze und -regeln sind oft nicht rational. Ebenso ist das Verhalten der Verbraucher im Markt oft irrational. Im vorliegenden Exkurs wird das irrationale Verbraucherverhalten genauer untersucht.
3.8.1 Die Abo-Werbung und der Köder Dan Ariely, Professor für Psychologie und Verhaltensökonomik, hat das irrationale Verhalten der Verbraucher in seinem Buch „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“ (2008) anschaulich beschrieben. Er zeigt am Beispiel einer Abonnementswerbung für eine Zeitschrift, wie der Verbraucher sich bei unterschiedlichen Angebotsvarianten entscheidet. Folgende Varianten eines Abos werden angeboten (Abb. 3.8):
Abb. 3.8 Abo-Werbung
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
1. Onlineversion für 59 US-$ 2. Druckversion per Post für 125 US-$ 3. Druckversion plus Onlineversion für 125 US-$ Unglaublich dieses Angebot, aber was steckt dahinter und wie wirkt es auf den Verbraucher? Was wählt der Verbraucher in den meisten Fällen? Er wird die Variante der Kombination (Angebot 3) für ein Schnäppchen halten und zuschlagen. Über achtzig Prozent, das hat ein Test von Ariely ergeben, würden sich so entscheiden. Knapp 20 % wählen Angebot 1 und niemand entscheidet sich für Angebot 2. Natürlich wurde der Verbraucher hier gelenkt, das funktioniert aber nur, weil er sich nur allzu gerne lenken lässt und nicht rational entscheidet. Er interpretiert die Kombi-Variante als unschlagbar günstig im Vergleich zur reinen Druckversion. Er entscheidet nur zwischen diesen beiden Varianten, die er vergleichen kann, bei denen er eine Relation bilden kann. Es fällt ihm schwer, sich zwischen der Onlinevariante und der reinen Druckvariante mit unterschiedlichen Preisen zu entscheiden. Aber zum Preis der Druckversion noch die Onlinevariante quasi kostenlos dazu zu bekommen, ist für ihn hoch interessant. Diese Relation kann er bilden und erkennen. Variante 1, die Onlineversion, die ihm vielleicht gereicht hätte, zieht er nicht mehr in Betracht. Ein völlig anderes Bild würde sich zeigen, wenn im Beispiel nur Variante 1, die Onlineversion, und Variante 3, die Druck-plus Onlineversion, zur Auswahl stünden. Es fehlt hier nur die Variante, die bei dem Angebot von drei Möglichkeiten keiner gewählt hat. Gut zwei Drittel der Kunden würden sich bei diesem Angebot jetzt für die günstigere Variante entscheiden. Der Preis gibt dann den Ausschlag, wenn kein anderer Vergleich möglich ist oder der Vergleich schwer fällt. Der Verlag erzielt bei dem Angebot der drei Varianten einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 114 US-$. Hätte er nur die zwei Varianten angeboten, läge der durchschnittliche Verkaufspreis bei 80 US-$, also 30 % niedriger. Der Verlag hat Angebot 2 als „Köder“-Angebot platziert, um für den Kunden eine Vergleichbarkeit zu schaffen und ihn damit auf Angebot 3 zu lenken. Die meisten Menschen wissen nicht, was sie wollen, bis sie einen Zusammenhang sehen (Abb. 3.9). Entscheiden ist anstrengend und Anstrengungen gehen wir gerne aus dem Wege. Entscheidungen fallen uns leichter, wenn wir Dinge im Verhältnis zueinander sehen.
3.8 Exkurs: Irrationales Verbraucherverhalten
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Der „Köder“ schafft Vergleichbarkeit
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
Direkte Vergleichbarkeit
2
Wertigkeit Qualität
Wertigkeit Qualität
Keine direkte Vergleichbarkeit
schwierig zu entscheiden
1 0
2
4
6
8
10
9 8 7 6 5 4 3 2 1 0
2 2leicht zu entscheiden
1 0
Wertigkeit Preis
2
4
8
6
10
Wertigkeit Preis Quelle: Dan Ariely
© Gerd-Inno Spindler
Abb. 3.9 Köder schafft Vergleichbarkeit
3.8.2 Der Kugelschreiber und der Anzug Nehmen wir ein anderes Beispiel (nach Dan Ariely): Beispiel
Sie wollen sich einen Kugelschreiber kaufen (Abb. 3.10). Genauso einen, wie Sie schon immer haben wollten. Marke, Farbe, Mine, alles passt. Er kostet 25 EUR. Sie stehen an der Kasse und wollen bezahlen. Da bekommen Sie die Information, dass am anderen Ende der Fußgängerzone – Sie haben dort eigentlich nichts mehr zu besorgen und Sie bräuchten 15 Min. bis dorthin – genau der gleiche Kugelschreiber nur 18 EUR kostet. Also sieben EUR weniger. Was tun Sie? Bleiben Sie stehen und kaufen ihn für 25 EUR oder machen Sie sich auf den Weg zum anderen Geschäft und sichern sich die sieben EUR Preisvorteil? Überlegen Sie genau. Die meisten Menschen verlassen das Geschäft ohne den Kugelschreiber und nehmen den Umweg von 15 Min. auf sich, um sieben Euro zu sparen. Soweit alles verständlich. Eine andere Situation. Sie stehen in einem Geschäft und haben den Anzug oder das Kleid Ihres Lebens gefunden. Genau die Marke, die Farbe, die Sie schon immer wollten und das Teil passt, wie für Sie gemacht. Kostenpunkt:
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
Rational /: Irrational?
Warum? In beiden Fällen geht es um 7.- € für den gleichen Aufwand. Sind 15 Minuten nun 7.- € wert oder nicht?
Sie wollen in einem Geschäft kaufen:
Kugelschreiber
25.- €
Ersparnis für 15 Minuten Weg
455.- €
Anzug
oder
oder
15 Minuten weiter weg für
Sie wollen in einem Geschäft kaufen:
18.- €
7.- €
15 Minuten weiter weg für
448.- €
Ersparnis für 15 Minuten Weg 7.- € Quelle: Dan Ariely
© Gerd-Inno Spindler
Abb. 3.10 Kugelschreiber und Anzug
455 EUR. Sie entscheiden sich für den Kauf. Sie ahnen, was jetzt kommt. Als Sie in der Schlange vor der Kasse stehen, erhalten Sie die Information, dass exakt das gleiche Kleidungsstück in einem anderen Geschäft, am anderen Ende der Fußgängerzone – Sie haben dort eigentlich nichts mehr zu besorgen und Sie bräuchten 15 Min. bis dorthin – nur 448 EUR kostet. Also sieben EUR weniger. Was machen Sie? Bleiben oder gehen Sie? Die meisten Menschen bleiben stehen und verlassen das Geschäft mit dem Anzug oder dem Kleid für 455 EUR. Alles ganz rational, oder? Einmal ist uns der Umweg von fünfzehn Minuten sieben Euro wert und einmal nicht. Der Grund liegt darin, dass wir immer versuchen, einen Vergleich zu ziehen um zu entscheiden. Wir argumentieren gerne mit der prozentualen Wertigkeit, einmal knapp 30 % und einmal nur 1,5 % Ersparnis. Allerdings geht es jedes Mal um die gleichen fünfzehn Minuten und um die gleichen sieben Euro. Nicht sehr rational, wie wir denken. ◄ Interessant, nicht wahr? Dann nehmen wir noch ein drittes Beispiel für die noch nicht Überzeugten.
3.8 Exkurs: Irrationales Verbraucherverhalten
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3.8.3 Kino oder nicht? Beispiel
Stellen Sie sich folgende Situation (nach Jonah Lehrer) vor (Abb. 3.11): Sie wollen abends ins Kino gehen und haben sich Ihre Eintrittskarte schon gekauft. Sie haben 10 EUR dafür bezahlt. Als Sie zur Einlasskontrolle gehen, stellen Sie fest, dass Sie Ihre Eintrittskarte verloren haben. Was tun Sie? Sind Sie so verärgert, dass Sie nun keine Lust mehr haben ins Kino zu gehen oder kaufen Sie sich eine neue Eintrittskarte für 10 EUR? Bei einem Test haben 54 % der Teilnehmer gesagt, den Film nicht mehr anschauen zu wollen, sondern verärgert das Kino zu verlassen. Nun eine leicht veränderte Situation: Sie wollen abends ins Kino gehen und als Sie zur Kasse kommen, stellen Sie fest, dass Sie einen 10-EUR-Schein verloren haben. Wie reagieren Sie nun? Kaufen Sie sich trotzdem eine Eintrittskarte oder sind Sie so verärgert, dass Sie das Kino verlassen? 88 % der Teilnehmer im Test würden trotzdem ins Kino gehen. Warum das? In beiden Fällen haben Sie einen Verlust von 10 EUR, einmal gehen Sie verärgert nach Hause und einmal kaufen Sie eine Eintrittskarte und gehen ins Kino. Der Verlust der 10 EUR teuren Eintrittskarte und das Verlieren des
Warum? 10 Euro sind in beiden Fällen verloren Sie wollen ins Kino gehen: Eintrittskarte kostet
Sie wollen ins Kino gehen: 10.- €
10.- €
Eintrittskarte kostet
54 %
88 %
Sie verlieren die Eintrittskarte
Sie verlieren 10 Euro
Gehen Sie noch ins Kino?
Gehen Sie noch ins Kino? Quelle: Jonah Lehrer
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Abb. 3.11 Kino oder nicht?
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
10-EUR-Scheins werden von uns innerlich auf unterschiedlichen „Konten“ verbucht. Im ersten Fall würden wir beim Kauf einer zweiten Eintrittskarte den Kinobesuch mit 20 EUR bewerten. Zu teuer. Im zweiten Fall ist uns ein Missgeschick passiert, der mit dem Kinobesuch nichts zu tun hat. ◄ Wir bewerten beide Situationen völlig unterschiedlich.
3.8.4 Der Anker und das Experiment Ariely beschreibt in seinem Buch auch wie sich Preisvorstellungen beim Kunden bilden und wie sie beeinflusst werden können. In der Wirtschaftspsychologie gibt es den Begriff „Anker“. Ariely beschreibt ein Experiment in dem Studenten gebeten wurden die letzten zwei Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer zu notieren und anschließend ein Gebot für unterschiedliche Produkte abgeben sollten. Ohne hier tiefer auf das Experiment einzugehen, stellte sich heraus, dass die Studenten mit höheren Endziffern ihrer Sozialversicherungsnummer höhere Gebote für die Produkte abgegeben haben. Die beiden Ziffern haben als Anker für den Preis gewirkt. Ich habe die Bildung von Preisankern auf andere Art geprüft. Als Dozent für Marketing habe ich in meinen Vorlesungen den Studentinnen und Studenten zwei einfache Fragen gestellt (Abb. 3.12). Sie sollten den Preis für einen Airbus A380 schätzen. Ich habe zwei Gruppen gebildet. Bevor sie ihre Schätzung abgaben, sollte Gruppe A beantworten, ob ein A380 mehr oder weniger als 500 Mio. US-Dollar kostet. Gruppe B dagegen sollte vorher beantworten, ob der A380 mehr oder weniger als 50 Mio. Dollar kostet. Das Ergebnis bestätigte die Untersuchung von Ariely eindrucksvoll. Die Schätzung des Preises bei Gruppe A lag im Durchschnitt bei 396 Mio. Dollar, die bei Gruppe B bei 80 Mio. Dollar. Die Zahl in der Eingangsfrage „Kostet ein Airbus A380 mehr oder weniger als … Dollar?“ hat als Anker gedient, ohne, dass die beiden Gruppen das wahrgenommen haben. Die willkürlich von mir gesetzte Zahl hat die Studentinnen und Studenten in eine Richtung bei der Einschätzung des Preises gelenkt. Um das Ergebnis des Experiments zu bestätigen, habe ich zwei weitere Fragen gestellt. Die beiden Gruppen sollten die Einwohnerzahl von Las Vegas schätzen. Auch hier gab es eine Einstiegsfrage. „Hat Las Vegas mehr oder weniger als 50.000/5 Mio. Einwohner?“ Das Ergebnis der Airbus Frage wurde bestätigt. Die Gruppe mit der Einstiegsfrage „… mehr oder weniger als 50.000 Einwohner …“ schätzte die Einwohnerzahl von Las Vegas im Durchschnitt auf 891.000. Die Gruppe mit der Einstiegsfrage „… mehr oder weniger als 5 Mio. Einwohner …“, schätzte die Einwohnerzahl im Durchschnitt auf 4,0 Mio..
Literatur
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Abb. 3.12 Experiment: Was kostet?
Die Beispiele zeigen, dass es sich nicht lohnt, im Markt hinter vermeintlich logischen Regeln und Verhalten her zu laufen. Alles kann hinterfragt werden und das Wenigste ist rational begründbar. Es bietet sich ein riesiges Feld für ein anderes Denken als bisher, wie auch Florian Bauer und Hardy Koth in Ihrem Buch „Der unvernünftige Kunde“ (2014) zeigen. Eine kurze Zusammenfassung des Exkurses habe ich unter dem Titel „Wir wissen nicht, wie unser Kunde denkt“ (2014) veröffentlicht.
Literatur Ariely, Dan. 2008. Denken hilft zwar, nützt aber nichts. München: Droemer Verlag. Bauer, Florian, und Hardy Koth. 2014. Der unvernünftige Kunde. München: Redline Verlag. Buchholz, Andreas, und Wolfram Wördemann. 2008. Spielstrategien im Business – Die Regeln des Wettbewerbs verändern. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
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3 Anders denken als bisher, wie geht das?
Förster, Anja, und Peter Kreuz. 2008. puren statt Staub. Berlin: ECON. Kahneman, Danie. 2011. chnelles Denken, langsames Denken. München: Siedler Verlag. Kim, W. Chan, und Renée Mauborgne. 2005. Der Blaue Ozean als Strategie. München: Hanser. Kohlöffel, Klaus M., und Jan-Dirk Rosche. 2009. Spielmacher im Management. Weinheim: Wiley-VCH. Lehrer, Jonah. 2009. Wie wir entscheiden. München: Piper Verlag. Spindler, Gerd-Inno. 2014. Wir wissen nicht, wie unser Kunde denkt. Leipzig: Brennstoffspiegel, Ceto-Verlag. Welch, Jack, und Suzy Welch. 2005. Winning – Das ist Management. Frankfurt/New York: Campus Verlag. Spindler, Gerd-Inno. 2022. Basiswissen Marketing. Wiesbaden. Springer Gabler. Spindler, Gerd-Inno. 2020. Und Action, bitte! – Vom Mitspieler zum Regisseur im Unternehmen. Wiesbaden. Springer Gabler.
4
Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird der Prozess detailliert beschrieben: Vom Start, über die Präsentation bis zur Teambildung und Arbeit im Team. Welche Themen sind zu beachten und wie sieht ein Leitfaden zur Umsetzung des gesamten Prozesses aus? Es werden Tipps zur Unterstützung des Prozesses und zu geeigneten Quellen gegeben. Die Ausführungen basieren auf meinen Erfahrungen, die bei der Umsetzung im Unternehmen gemacht wurden.
4.1 Der Anfang Wir alle kennen diese Situation: Seit längerer Zeit wird sich immer wieder mit einem bestimmten Themenkomplex beschäftigt. In jedem Meeting dazu werden Lösungen und Ansatzpunkte gefunden und doch spürt man, dass die Lösung nur ein kurzes Haltbarkeitsdatum haben wird. Der Ablauf solcher Meetings zu einem speziellen Thema ist schon im Voraus abzusehen. Alle haben das Thema und das Problem erkannt und die Teilnehmer sind kompetente Fachleute in der jeweiligen Branche. Jedes Meeting bringt annähernd die gleichen Ergebnissen und Maßnahmen hervor, obwohl sich jeder sehr engagiert hat. Das Ergebnis der Gruppe wird auch jedes Mal ein wenig besser und das definierte Maßnahmenpaket wird immer ein wenig differenzierter als das vorherige. Aber die alles entscheidende Lösung, der Durchbruch, ist nicht dabei. Die Meetings laufen immer ähnlich ab. Die Beiträge sind zu achtzig Prozent identisch und
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_4
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Treiber in den Meetings sind in der Regel dieselben Personen (vgl. Spindler 2020). Angeregt durch ein Buch von Jack Welch (2005) und Büchern von Anja Förster und Peter Kreuz (2005–2008), hatte ich mich mit dem Thema „Anders denken“ beschäftigt. Es war nicht einfach, vertiefende Literatur zu finden. Über die verschiedenen Literaturhinweise in den Büchern, die sich zumindest ansatzweise mit dem Thema befassten, wurde meine Arbeit mit dem Thema immer intensiver und ich habe viele Denkanstöße bekommen. In einigen Büchern gab es einzelne Kapitel, in anderen auch nur einige Sätze, die in diesem Zusammenhang hilfreich waren. Einige Autoren haben Teilaspekte intensiv behandelt, eine konkrete Handlungsanweisung zur Umsetzung habe ich allerdings in keinem Buch gefunden. In dieser Zeit stand in unserem Unternehmen wieder unser „LieblingsProblem“ auf der Agenda und die Vorbereitung auf ein Meeting begann. Wieder stand eine Prozessanalyse am Anfang der Überlegung. Es galt, den gesamten Prozess in alle Einzelteile zu zerlegen, zu analysieren und wieder neu zusammenzusetzen. Das ist eine wichtige Arbeit, die aber weder Spaß macht noch den Erfolg garantiert. In mir hat sich alles gegen diese Vorgehensweise gesträubt. Warum soll man einen Prozess immer wieder aufwändig analysieren und viel Engagement dabei investieren, wenn man schon vorher weiß, dass diese Vorgehensweise nicht erfolgreich sein wird? Für mich bestand die große Gefahr, diesen Prozess damit nicht genug zu hinterfragen und viel zu schnell wieder als eine Art Guideline zu betrachten. Wieder und wieder hangelt man sich an bestimmten festen Größen entlang und sieht die Lösungen und Chancen, die hinter den festen Größen liegen nicht. Alle im Unternehmen waren hochkarätige Fachleute in ihren Bereichen. Wir mussten doch in der Lage sein, einen anderen Weg zu gehen und ganz frisch und ohne Grenzen den Problembereich neu aufzubauen. Oder waren wir schon so „betriebsblind“? Verlieren wir nicht unendlich Zeit, wenn wir nicht einen anderen Weg probieren? Permanent habe ich mich gefragt, wie würde ein Seiteneinsteiger in unserer Branche die Dinge regeln? Wir haben doch schon in Marketing und Vertrieb so viele neue Dinge gemacht, die Standards geändert haben. Ich wollte das Thema nicht zum wiederholten Mal auf die gleiche Weise behandeln und besprechen. Ich habe mich an den Laptop gesetzt und angefangen, eine Präsentation zum „Anders denken als bisher – ein neuer Ansatz“ zusammenzustellen. Warum sollten wir es nicht einmal mit einem neuen Weg versuchen? Das Risiko war gering, die Chance riesig. Mich hatten die Beispiele erfolgreicher Unternehmen, die unlimitiert gedacht haben, überzeugt und ich habe
4.2 Die Präsentation
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die Möglichkeit gesehen, in unserem Unternehmen eine neue Denkweise zu implementieren. Die hier geschilderte Vorgehensweise haben wir in der Praxis mit großem Erfolg durchgeführt und sie lässt sich praxisnah übertragen. Es handelt sich um eine erprobte operative Umsetzung.
4.2 Die Präsentation Es war schnell klar, dass ein solches Projekt nicht ohne größere Vorbereitung durchzuführen ist. Allein durch Reden ist es nicht zu schaffen, dafür ist der Ansatz noch zu unkonventionell. Es galt zunächst an die neue Methodik heranzuführen und zu überzeugen. Ein einfaches „Los, jetzt anders denken“ geht nicht. Der erste Teil der Präsentation war einfach. Das zu lösende Thema wurde konkretisiert und dargestellt. Diese Arbeit und diese Art der Vorbereitung kennen wir alle aus unserem „Meeting-Alltag“. Es ist allerdings wichtig und aus meiner Sicht zwingend, den Prozess an ein ganz konkretes und aktuelles Thema oder Problem zu koppeln. Ohne Ankerpunkt mit einer neuen Art zu denken oder „Spielregeln ändern“ anzufangen, wird nicht gelingen. Es fehlt dann der feste Bezugspunkt für Ihre Überzeugungsarbeit und in den weiteren Schritten des Projekts werden Ihnen und dem Team die messbaren Erfolgserlebnisse fehlen. Stecken Sie viel Energie in diesen Teil der Vorbereitung. Sie haben schon an diesem Punkt die große Chance, das Team vorzubereiten und abzuholen. Das Thema, das Sie behandeln wollen, werden die meisten aus Ihrem Team schon kennen und Ihnen zustimmen. Bei dem Wunsch nach einer Lösung sind sich bestimmt alle einig. An diesem Punkt sind Basisarbeit und Schaffen eines konkreten Bezugspunktes notwendig. Bevor man mit den „no limits“ im Denkprozess beginnt, ist es hilfreich, noch einmal kurz den klassischen Weg der Problembehandlung als theoretischen Hintergrund aufzuzeigen, ohne ihn aber jetzt praktisch umzusetzen. Prozessanalyse, Beschreiben der einzelnen tangierten Prozessteile, Suchen nach den Fehlern bzw. der Optimierung und späteres neues Zusammensetzen der verbesserten Prozessteile. An diesem Punkt werden Sie schon das innerliche Stöhnen im Team wahrnehmen. Schon wieder dieser Weg, den wir zum wiederholten Mal gehen. Das kennen doch alle und jetzt soll es plötzlich die Lösung bringen. Es handelt sich um einen wichtigen Punkt, den Sie hier erreichen, denn die innere Stimme der Teammitglieder schreibt Ihnen schon fast die nächsten Charts. Der zweite Teil ist etwas anders gelagert. Anhand der Literatur, die im Literaturverzeichnis aufgeführt ist, habe ich Material für die Präsentation
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Abb. 4.1 „Wo kämen wir hin?“
Veränderung „Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und niemand ginge, um zu sehen, wohin man käme, wenn man ginge.“ (Kurt Marti, Schweizer Pfarrer und Schriftsteller)
zusammengestellt. Mit den ersten Charts zu einem veränderten Denkprozess schaffen Sie die Grundlage, das Verständnis für eine neue Vorgehensweise. Ein die Gedanken öffnendes Zitat erleichtert diesen Weg (Abb. 4.1). Sie zeigen Ihrem Team mit diesem Satz, dass man bereit sein muss, einen Weg zu gehen, bevor man ihn beurteilen kann. In den weiteren Charts der Präsentation wird gezeigt, dass die immer gleiche Denkweise immer die gleichen Ergebnisse liefern wird. Wenn alle Marktpartner den gewohnten Weg gehen, unterscheidet sich keiner mehr vom anderen. Der Preis wird das Differenzierungsmerkmal im Markt, mit allen negativen Auswirkungen auf das Unternehmen, wenn sich alle Marktteilnehmer einer Branche an die vermeintlichen Marktgesetze und Rahmenbedingungen halten. Sie müssen selbst von dieser neuen Vorgehensweise überzeugt sein, um Ihr Team mitzureißen. Sagen Sie deutlich, dass eine radikale Veränderung der Bedingungen eine radikale Denk- und Handlungsweise erfordert. Beispiele für erfolgreiche „Ignoranten“ von Marktgesetzen sind • • • •
der PC von Apple, nicht von IBM Amazon, eBay, Google, alle nicht von Microsoft Mobiltelefonie in Deutschland von Mannesmann, einer Stahlfirma Die ersten Elektroautos von Tesla, nicht von VW, BMW oder Mercedes.
Die Beispiele zeigen, dass die Außenseiter im Markt und nicht die Marktführer den jeweiligen Markt revolutioniert haben. Denn alle Außenseiter haben sich nicht um die Rahmenbedingungen eines Marktes und die Branchengesetze gekümmert. Bauen Sie an dieser Stelle auch ein Beispiel aus dem Kapitel „Irrationales Verbraucherverhalten“ ein. Manchmal ist es nicht klug, einen vermeintlichen Zaun im Markt nicht zu überspringen. Hier fühlt sich fast jeder „ertappt“ und versteht den Ansatz. Damit haben wir die Überleitung zum „Spielregeln im Markt ändern“ geschaffen. Zeigen Sie, welche Möglichkeiten der Spielregeländerung es gibt.
4.2 Die Präsentation
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Anhand folgender Unternehmen lassen sich diese Spielregeländerungen verdeutlichen: • • • • •
Red Bull für „Neue Marktsegmente oder Märkte gründen“ Weber-Grill für „Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren“ Starbucks für „Neue Wettbewerbssituation schaffen“ AllDent für „Hindernisse im Markt eliminieren“ Nespresso für „Existente Märkte neu beleben“
Die meisten kennen diese Unternehmen und verbinden mit ihnen bestimmte Vorstellungen. Sie wissen auch, wie sich die Unternehmen im Markt bewegen und wo die Besonderheiten sind. Das Neue ist zu erkennen. Was steckt hinter den jeweiligen Strategien und wo leitet sich die Vorgehensweise ab? Bei diesen Beispielen fängt das Verständnis für „Anders als bisher und Spielregeln ändern“ an, jetzt erkennt man Zusammenhänge und sieht, dass die jeweiligen Vorgehensweisen nicht aus dem Nichts entstanden sind, sondern man versteht die zielgerichteten Regeländerungen und die Auswirkungen auf komplette Branchen. Das sehr abstrakte Thema wird langsam greifbar. Nach den Beispielen wird verdeutlicht, dass auch das eigene Unternehmen sich schon manchmal anders als die anderen verhalten und im Markt Dinge revolutioniert hat. Ich habe diesen Punkt aufgenommen, um der Mannschaft zu zeigen, dass dies das Unternehmen als Team schon bewiesen hat und die Vorgehensweise nicht nur auf dem Papier Gültigkeit hat. Dieser Punkt ist wichtig, denn oft heißt es: „Das können nur die ganz, ganz Großen“ oder „Das geht bei uns nie“. Sie werden in Ihrem Unternehmen sicher ähnliche Beispiele finden, die Sie an diesem Punkt herausstellen können. Es spielt dabei keine Rolle, aus welchem Unternehmensbereich die eigenen Beispiele kommen und wie gewichtig sie sind. In der Präsentation folgt nun die Aufgabenstellung „Was machen wir heute?“. Hier geht es um die Aufstellung der vermeintlichen Regeln und Usancen der Branche, nach denen wir uns als Unternehmen zu richten haben. Spielregeln des Marktes werden gesammelt und aufgeschrieben. Dieser Punkt kann vorbereitet und dann diskutiert und ergänzt werden. Zum Abschluss folgen noch einige selbst aufgestellte Thesen, um zu verdeutlichen, dass es beim Denken in dieser Form keine Grenzen gibt (Abb. 4.2). Aus der Branchenbrille vielleicht abstruse Theorien, die aber dem Team auch die Angst nehmen, sich bei der eigenen Neukonstruktion zurückzunehmen oder zu blamieren.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Abb. 4.2 Der Unterschied
4.3 Ein Denken „Off the Limit“ kommt von oben Entscheidend ist, das Thema „anders denken als bisher“ und „Spielregeln ändern“ als Vorgesetzter vorzuleben und für das gesamte Unternehmen zu öffnen. Es werden in diesem Zusammenhang auch völlig unsinnige und nicht umsetzbare Ideen vorgeschlagen, aber das ist keine Schwäche, sondern zeigt, wie offen und frei damit umgegangen wird. Sie werden sehen, dass viele absolut neue Vorschläge kreiert werden, die dem Unternehmen wichtige Impulse für die Zukunft geben werden. Sie haben nichts zu verlieren, außer vielleicht ein wenig Zeit. Aber Zeit haben Sie, denn in der Vergangenheit sind die Probleme mit den klassischen Denkmodellen nicht gelöst worden. Freude werden Sie und Ihr Team auf jeden Fall haben. Die neue Art zu denken ist für alle Beteiligten motivierend, ist es doch jetzt erlaubt und sogar ausdrücklich gewünscht, das „so etwas geht doch nie“ endlich einmal auszusprechen und zu diskutieren.
4.3 Ein Denken „Off the Limit“ kommt von oben
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Sie benötigen Verbündete im Unternehmen, um einen solchen Prozess starten zu können. Überzeugen Sie anhand Ihrer Präsentation Ihre Vorgesetzten und Kollegen, diesen Weg zu gehen. Es liegt nahe, auch die Marketingverantwortlichen einzubeziehen und die Vorgehensweise vorzustellen. Da viele der Beispiele für erfolgreiches anders denken und Spielregeln ändern aus dem Marketingbereich kommen, findet man hier schnell Mitarbeiter, die aufgeschlossen für einen neuen Weg sind. In der Praxis hat sich gezeigt, dass es ebenso wichtig ist, an entscheidenden Punkten des Prozesses auch die Shareholder zu informieren und einzubeziehen. Hängen Sie das Projekt hoch auf. Es ist ein wichtiger Schritt im Vergleich zu den anderen Unternehmen im Markt. Besser können Sie als Management Ihre Zukunftsorientierung, Ihre Identifikation mit dem Unternehmen und den sorgfältigen Umgang mit dem Geld der Shareholder nicht zeigen. Machen Sie Lärm um dieses Projekt. Ein Unternehmen, das für die Zukunft lebt, verhält sich auch entsprechend gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eine zu enge Führung des Vorgesetzten in allen Detailfragen und operativen Prozessen verleiht sicher keine Flügel, um sich nach vorne und an der Zukunft zu orientieren. Der Mitarbeiter muss nicht nur das Gefühl haben, Fehler machen zu können, sondern er muss es auch wirklich tun dürfen. Bei jedem Fehler auf die Palme zu gehen und Köpfe zu fordern, passt in ein streng geführtes Königreich, aber nicht in ein nach vorne orientiertes Unternehmen. Der Chef muss auch loslassen können und nicht nur Aufgaben, sondern Verantwortung delegieren. Gegenseitiges Vertrauen ist ein wichtiger Faktor. Wenn schon der Chef lieber alles beim Alten lässt, wird auch das Unternehmen schnell altern. Wenn der Chef nicht radikal denken will, wird es das Team auch nicht tun. Muss ein Chef wirklich alle Handgriffe im Unternehmen selbst können und das auch jeden Tag betonen und die Mitarbeiter spüren lassen, oder sollte er sich lieber mit der Zukunft seines Unternehmens beschäftigen und dafür auch im Team die gedanklichen Freiräume schaffen? Leidenschaft bei der Arbeit ist die beste Voraussetzung, um sich mit einer Aufgabe zu identifizieren. Das schließt ein, dass es auch mal wehtun kann, wenn man sich mit seinen Ideen vergaloppiert. Wer identifiziert sich mit seinem Job und entwickelt Leidenschaft für ihn, wenn er sich jeden Morgen erst die Marschparolen abholen muss? Radikales und Ungewöhnliches wird nur erreicht, wenn das Umfeld diesen Freiraum bietet (vgl. Spindler 2020). Der Chef ist nicht dazu da, alle Fragen zu beantworten. Er sollte eher neue Fragen stellen, die nach vorne weisen. Frei nach Jack Welchs Buch „Winning“ (2005) formuliert: „Jeder Tag braucht eine neue Frage“. Der Chef ist da, um
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
die Scheuklappen aus dem Unternehmen zu verbannen. Macht er das nicht, dann wird sich das Unternehmen immer hinter dem Wettbewerb einreihen und maximal zweiter Sieger sein. Ist der Vorgesetzte eine wirkliche Führungskraft, so stärkt er die Mitglieder seines Teams und gibt ihnen Selbstvertrauen. Er setzt positive Energie im Team frei. Er schafft Vertrauen durch Offenheit. Er hat gleichzeitig den Mut zu unpopulären Maßnahmen und für Bauchentscheidungen. Meistens liegt der Bauch richtig. Eine Führungskraft ist aber auch penetrant und konsequent in der Umsetzung der gesetzten Ziele und macht Mut, Neues zu probieren. Der Chef muss mit hohen Zielen und Visionen ein wirkliches Leitbild abgeben. Die Mitarbeiter brauchen ein solches Ziel zur Orientierung. Reinhold Würth hat damit immer gearbeitet und visionäre, aus dem Augenblick unwahrscheinliche Umsatzziele, an seine Mannschaft gegeben. Als Würth noch bei zweihundert Millionen Euro Umsatz war, wollte er einige Jahre später eine Milliarde Euro Umsatz realisieren. Das Ziel wurde früher als geplant erreicht und so ging es weiter auf fünf Milliarden Euro Umsatz. Heute liegt Würth bei 20 Mrd. EUR Umsatz (2022). Eine unglaublich schnelle Expansion. Immer konnten sich alle Mitarbeiter an den gesetzten Zielen „reiben“ und darauf hinarbeiten. Würth ist auch ein gutes Beispiel für konsequente Führung und Verfolgung der gesteckten Ziele. Würth als Spezialist im Handel mit Montage- und Befestigungsmaterial für Handwerk und Industrie, hat sich in 80 Jahren von einem Zweimannbetrieb zum weltweit agierenden Konzern mit vier Millionen Kunden entwickelt. Über 40.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Kundenkontakt, in Deutschland insgesamt fast 8.000, müssen konsequent geführt werden (Daten 2023). Aber trotz einer straffen Führung leiden weder Motivation noch Identifikation mit dem Unternehmen. Im Außendienst fangen z. B. alle Beschäftigten mit einem Pkw der gleichen Fahrzeugklasse als Firmenwagen an. Bei besonderer Leistung ist ein Aufstieg in eine höhere Pkw-Klasse möglich. Ein aufmerksamkeitsstarkes Zeichen für Erfolg, das die Familie und die Nachbarn sehen können. Es gibt einen Club der erfolgreichen Verkäufer, der außergewöhnliche Reisen unternimmt. Würth hat für die Organisation dieser Reisen eine eigene Tochtergesellschaft gegründet. Bei einer herausragenden Umsatzsteigerung gibt es schon einmal ein neues Auto geschenkt. Die konsequente Führung und Motivation sind aber nur ein Teil der Erfolgsgeschichte. Würth kümmert sich intensiv um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und jeder von ihnen weiß, dass er sich bei Problemen, auch aus dem privaten Bereich, an seinen Vorgesetzten wenden kann. Die Würth-Akademie für die Mitarbeiter ergänzt die Aus- und Weiterbildung. Würth lebt seine Kultur und Führung bedeutet, nicht allein nach Zahlen zu beurteilen. Eine Unternehmenskultur geht weiter und wird ebenso konsequent
4.3 Ein Denken „Off the Limit“ kommt von oben
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gelebt. Führte z. B. Martin Schäfer,1 der ehemalige stellvertretende Sprecher der Geschäftsleitung in Deutschland, mit seinen Mitarbeitern ein Gespräch, erhält der Mitarbeiter direkt nach dem Gespräch die Gesprächsnotiz. Schreiben an die Mitarbeiter unterschreibt Martin Schäfer persönlich, auch wenn dies manchmal eine lange Nacht bedeutet. Ein persönlich vom Geschäftsführer unterschriebener Brief hat eine erheblich tiefere Wertschätzung für den Mitarbeiter als etwa eine unpersönliche E-Mail. Aber Würth ist natürlich konsequent in der Verfolgung seiner Ziele. Aus fünf Prozent Marktanteil sollen zehn Prozent werden. Das bedeutet auch für jeden Verkäufer eine Verdopplung der Umsätze oder eine größere Anzahl am Außendienstmitarbeitern. Potenzial gibt es im Markt genug. Es werden neue Niederlassungen eröffnet, also in den Markt investiert anstatt nur an der Kostenschraube zu drehen. Dass Würth mit seinen Maßnahmen und seiner Kultur richtig liegt, zeigt eine Fluktuation im Außendienst von nur fünf Prozent. Ihr Team muss Ihnen folgen wollen und können. Glaubwürdigkeit ist unerlässlich und Konsequenz beim „anders denken“ notwendig. Ihr Team will sich auf Sie verlassen, gerade wenn Sie neue Wege mit ihm gehen wollen. Zeigen Sie, dass Sie ein Denker ohne Grenzen sind, seien Sie auch im Alltag „anders“. Machen Sie außergewöhnliche Dinge, damit Ihr Team merkt, dass Sie dieses Thema auch wirklich leben. Ich erinnere mich gerne an die Verblüffung, als ich mit einem Mitarbeiter ein Meeting mit einem kleinen Rahmenprogramm geplant hatte und zu ihm sagte, dass man keine Go-Kart-Veranstaltung als Event planen kann, wenn man nicht auf der Bahn Probe gefahren ist. Da meine persönliche Einladung zu einer sofortigen Testfahrt nur zehn Minuten später erfolgte, sprechen wir noch heute über diesen Tag und die Spontanität. An einem anderen Tag bin ich mit einem Mitarbeiter auf einer gemeinsamen Reise auf der Autobahn am Hockenheimring vorbeigefahren. Ich habe ihn gefragt, ob er schon einmal an einer Formel-Eins-Strecke einen Kakao getrunken habe. Die Frage wurde mit einem netten Lächeln verneint. Das Lächeln wurde aber groß, als ich dann sofort dorthin gefahren bin und gesagt habe „Wir sollten dieses gemeinsame Erlebnis haben.“ Es war nebensächlich, dass der Kakao nicht besonders schmeckte, denn unser Gespräch über strategische Themen war hervorragend. Eine neue Umgebung, bringt neue Ideen (vgl. Spindler 2020).
1 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Martin Schäfer, Geschäftsführer Adolf Würth GmbH & Co. KG, 23.02.2015, Künzelsau.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
4.4 Teambuilding und Kick-off Für den „anders denken“-Prozess werden Sie je nach Thematik ein oder mehrere Teams benötigen. Sehr wichtig ist die Zusammensetzung der Teams. Es kommt auf die richtige Mischung zwischen Erfahrung und Unvoreingenommenheit, internen Mitarbeitern und externen Teilnehmern, Jung und Alt, Damen und Herren an. Bewährt haben sich übergreifende Teams, die nicht nur fachspezifisch zusammengesetzt sind. Ein guter Mix ist hinsichtlich der Handlungsweise und der Einstellung wichtig. Sind die Teammitglieder eher offensiv oder defensiv in ihrer Handlungsweise? Sind sie eher aktiv oder passiv in ihrer Einstellung? Unter offensiv versteht man eine agierende Handlungsweise, eine offene Einstellung, den Willen etwas Neues zu finden, den Wunsch nach Veränderung. Defensiv geht jemand vor, wenn er eher bewahren statt verändern will. Er bevorzugt dann, das Erreichte zu schützen, und vermeidet ein Risiko einzugehen. Eine aktive Einstellung steht für eine gewisse Aggressivität, den Wunsch immer vorne zu stehen, Veränderungen bewusst zu suchen und nicht die Aktionen der anderen abzuwarten. Eine passive Einstellung sieht man bei einem Menschen, der abwartet und nie der First Mover sein möchte. Meiner Meinung nach wird der passive Spieler der erste Verlierer sein. Die Erfahrung der Alten mit den Ideen der Neuen zu verbinden, ist eine spannende Aufgabe. Die Neuen kennen noch keine Zusammenhänge, Netzwerke und Regeln und brauchen sie daher auch nicht „abtrainieren“. Die Alten kennen eventuell Vernetzungen und Fallstricke und können sie zur Diskussion bringen. Interessant wird, ob diese Fallstricke auch im gesamten Team als solche gesehen werden. Eine kritische Meinung im Team ist wichtig und gut, eine destruktive Einstellung gehört nicht ins Team. Durch die kontinuierliche Beobachtung benachbarter und weiter entfernter Märkte findet man externe Teammitglieder für den eigenen Prozess. • Wen kennt man von Messen und Tagungen, den man gerne in sein Team holen möchte? • Welche Kompetenzen und Charaktere gibt es in einer der Konzerntöchter des eigenen Unternehmens, in Beteiligungsfirmen oder bei den Lieferanten und Partnern? Setzen Sie das Team nicht nach freien Kapazitäten zusammen, das wird dem Thema nicht gerecht und der Prozess ist zu Ende, bevor er angefangen hat. Setzen
4.4 Teambuilding und Kick-off
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Sie es nach Fähigkeiten, Begeisterungsvermögen, individuellen Stärken und kreativen Möglichkeiten zusammen. Sie brauchen keine Leute im Team, die nur nach Regeln spielen wollen und nur auf Positionen im Unternehmen aus sind. Betrauen Sie Ihre Besten mit dem Projekt. Der leidenschaftliche Akteur ist hier gefragt und gefordert. Denn nur dieser gibt seine Einstellung und Euphorie auch an die anderen Mitglieder weiter und versucht immer, die positive Entwicklung des Prozesses im Auge zu behalten. Die Vernetzung der einzelnen Teammitglieder ist hilfreich. Die unterschiedlichen Interessen und Charaktere sind richtig zu positionieren und einzusetzen. Egoismus, Altruismus und auch eine gewisse Souveränität sind entscheidende Faktoren. Der Wohlfühlcharakter im Team ist wichtig für den Erfolg. Wo möglich, bietet es sich an, mehrere Teams einzusetzen, um das Problemfeld zu unterteilen und so auch „gezwungenermaßen“ von verschiedenen Seiten und aus unterschiedlichen Blickwinkeln an eine Lösung zu gehen. Die Unterteilung hat den großen Vorteil, dass sich die Ideen und Vorschläge multiplizieren. Wenn ein Team zehn Vorschläge entwickelt, haben Sie bei fünf Teams schon fünfzig Ideen, die auf die neue Art zu denken entstanden sind. Außerdem können Sie das Problemfeld viel detaillierter behandeln. Denken Sie daran, dass die Vorschläge, die mit dem Denken ohne Limit entwickelt werden, auf normalem Weg nicht zu entdecken sind. Das Team sollte nicht zu groß sein, sodass sich kein Teilnehmer verstecken kann und auch jeder Gedanke auf den Tisch kommt. Besetzen Sie die Position des Teamleaders mit einer Führungskraft, mit der Sie sich im Vorfeld ausgiebig über das „anders denken als bisher“ und die zu lösenden Probleme unterhalten. Nehmen Sie sich hierfür ausreichend Zeit. Der Teamleader soll inspirieren und im Team das Feuer für die Aufgabe entfachen. Laden Sie zu einem Kick-off-Meeting ein.
Kick-Off-Meeting – der Start
• Der erste Schritt besteht darin, das Problem aufzuzeigen und zu beschreiben. Allen muss klar sein, worum es geht, was zu bearbeiten und zu lösen ist. • Zeigen Sie, was in der Vergangenheit getan wurde, um das Problem zu lösen. • Zeigen Sie die Erfolge, die Sie damit erreicht haben. • Machen Sie aber auch klar, dass alles was bisher getan wurde zwar zum aktuellen Meeting, aber nicht zu einer Lösung geführt hat.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
• Zeigen Sie, wie der normale Ablauf einer Problemlösungsfindung aussieht. An diesem Punkt muss klar werden, warum das alte Denkmodell heute nicht gefragt ist. • Legen Sie nach der Problembeschreibung und der Darstellung der normalen Vorgehensweise eine kleine Pause ein. Allein die Diskussion der Teilnehmer in der Pause ist eine gute Erfahrung.
Sie merken, dass eine Spannung aufgebaut wird, eine Neugierde auf das, was jetzt kommen wird. Man kann Ihnen folgen, aber was kommt jetzt?
Kick-off-Meeting – Beispiele
• Präsentieren Sie nach der Pause Beispiele für erfolgreiche „anders Denker“ und Unternehmen, die Spielregeln zu ihren Gunsten geändert haben. Ausführlich dargestellte Beispiele finden Sie in diesem Buch. Die gezeigten und diskutierten Beispiele sind auch für den späteren Prozess noch wichtig. Ich komme auf die Reminder E-Mails und den „Anders als bisher“-Preis zur permanenten Aktivierung des Prozesses noch zu sprechen. • Fordern Sie Ihre Mannschaft auf, ebenfalls Beispiele zu finden und davon zu erzählen. Spätestens an diesem Punkt werden alle Teammitglieder im Boot sein.
Ich hatte schon erwähnt, dass nun die Regeln und Branchengesetze ermittelt werden. Lassen Sie sich und Ihrem Team Zeit dabei. Es wird nur so an Regeln und Gesetzen sprudeln. Halten Sie diese auf einem Flip-Chart oder Bildschirm für alle sichtbar fest. Diskutieren Sie diese Regeln und fragen Sie nach den Hintergründen.
Kick-off-Meeting – der entscheidende Punkt
• Fordern Sie Ihr Team auf, die Aufzeichnungen mit all den Regeln und Branchengesetzen zu zerreißen, wegzuwerfen oder zu löschen und das zuvor Aufgeschriebene für die folgenden Schritte zu vergessen und auszublenden. Sie werden sehr viele fragende Blicke ernten.
4.4 Teambuilding und Kick-off
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• Dieser Punkt ist vergleichbar mit dem Abtrainieren einer eingeübten Rolle bei einem Schauspieler, bevor er eine neue Rolle lernt. Die Kunst des Vergessens, die einem erst die Basis gibt, unvoreingenommen an ein neues Projekt und eine neue Sichtweise zu gehen. Das Alte soll nicht mehr beim Blick nach vorne behindern und die Scheuklappen sollen abgelegt werden. Ziel ist es nicht, das bisher Gültige zu optimieren, sondern wirklich neu zu starten. • Machen Sie dies als oberster „Anders Denker“ an Beispielen aus Ihrer Branche deutlich. Stellen Sie zunächst abstruse Thesen auf, die die Branche revolutionieren würden. Dies soll verdeutlichen, dass alle Gedanken erlaubt sind. Wenn Sie ein Problem in der Logistik haben, könnte eine solche These lauten „Der Kunde holt die Ware selber ab.“ Damit wäre das Problem gelöst. Wenn Sie Flüssigkeiten verkaufen, die jeweils zu Tausenden Litern transportiert werden, eine gewagte Theorie. Aber es macht dem Team deutlich, worum es geht.
Im Anschluss folgt der eigentliche Denkprozess ohne Limit, der SpielmacherTeil.
Kick-off-Meeting – der eigentliche „no limit“-Teil
Auf der grünen Wiese, auf einem weißen Blatt Papier wird aufgeschrieben, wie aus Sicht des Kunden der Problem-Prozess völlig neu aufgebaut werden sollte. Unterstützen Sie den freien Denkprozess, es gibt keine Regeln. Nur das Wort „Aber …“ ist nicht erlaubt. Besonders am Anfang, wenn es schwerfällt ohne die gewohnten Beschränkungen der Rahmenund Branchengesetze zu denken, fällt dieses Wort öfter. Sie spüren bei Ihrem Team erst Ungläubigkeit, Verwunderung und die nicht ausgesprochenen Fragen „Was will er denn jetzt? Ist er verrückt geworden?“. Sie spüren aber auch, „Er hat ja Recht. So geht es doch nicht weiter. Ich wüsste schon, was man anders machen könnte“. Das Thema und die Aufgabenstellung reizen zum Mitmachen. Der Blickwinkel sollte stark kundenorientiert sein. Es ist hilfreich, sich folgende Fragen zu stellen:
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Kick-Off-Meeting: „Was machen wir heute?“ 1. Eckpfeiler und Rahmenbedingungen unseres Geschäftes (Traditionen, Konventionen)?
2. Chart vernichten: V e r g e s s e n und a u s b l e n d e n Kurzfristig vergessen wie die Evolution des Marktes verlaufen ist.
3. Aus Kundensicht am „Reißbrett“ ohne Bauvorschriften den Markt neu erfinden, wie wenn es ihn bisher nie gegeben hätte.
4. Provokante Ideen vom Chef © Gerd-Inno Spindler
Abb. 4.3 „Was machen wir heute?“
• „Würde ich, wenn ich jetzt gerade neu ins Unternehmen kommen würde, die Themen genauso bearbeiten und die Prozesse genauso gestalten wie sie heute sind?“ • „Wenn heute mein Nachfolger im Unternehmen beginnen würde, würde er die Prozesse so lassen, wie sie heute sind, oder was würde er ändern?“ • „Wenn Apple jetzt in unseren Markt einsteigen würde, was würde passieren? Was würde bleiben, was geändert?“
Ihre Mannschaft wird die Aufgabenstellung erfolgreich behandeln können, da sie Experten auf ihren jeweiligen Gebieten sind (Abb. 4.3). Es ist gleichermaßen eine reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe, einen Prozess, eine Struktur oder eine völlig neue Vorgehensweise aufzubauen. Es ist die einmalige Chance, Teile des Unternehmens neu zu strukturieren. Fachleute setzen sich zusammen und bauen mit ihrem Wissen unbeschränkt von historischen Marktgrenzen und -barrieren die zu behandelnden Themenblöcke neu auf. „Wie würden wir, wenn wir unser Unternehmen auf der grünen Wiese aufbauen müssten, bestimmte Dinge aus Kundensicht regeln und definieren?“. Gestalten Sie wie ein Baumeister Ihren
4.5 Die Arbeit im „Off the Limit“-Team
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Markt, so wie er ohne die alten Zöpfe der Tradition aussehen müsste. Prägend sollte einzig der Blickwinkel des Kunden sein, die wirtschaftliche Prüfung kommt später. Es gibt keine Rahmenbedingungen, keine Zäune auf Ihrem Grundstück und keine Bauvorschriften.
4.5 Die Arbeit im „Off the Limit“-Team An dieser Stelle wird das Kick-off-Meeting unterbrochen und die einzelnen Teams werden in ihren eigenen neuen Denkprozess „entlassen“. Die Arbeit wird so spannend und motivierend sein, dass alle Teams sofort anfangen werden. Die Geschäftsführung sollte in den einzelnen Gruppen nicht aktiv sein, dafür sind die Teamleader installiert. So schwer es mir gefallen ist, nicht überall dabei zu sein, so wichtig ist es, dass der Prozess ohne den Vorstand oder die Geschäftsführung in Schwung kommt. Die einzelnen Gruppen arbeiten freier und mit weniger Hemmungen, wenn sich der Chef „raus hält“. Stellen Sie es den Teams frei, sich externe Hilfe von Experten, zum Beispiel aus anderen Unternehmen, zu holen. Lassen Sie sich nur vorher informieren, wenn „größeres Geld“ fließen würde. Obwohl die Erfahrung gezeigt hat, dass das eigentlich nicht nötig war. Die Teams suchen sich selbstständig Experten und laden sie zu einem der nächsten Meetings ein. Schon dieser Punkt wird für die Teilnehmer ein Zeichen sein, dass in diesem Prozess alle Gedanken erlaubt und sogar gefordert waren. Die Organisation liegt komplett in den Händen der jeweiligen Teams. In unserem Prozess hatte sich eine Gruppe zum Beispiel einen Gast, Professor Dr. Jens Böcker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, eingeladen. Eine sehr gute Möglichkeit sich Sachverstand von außen zu holen. Stimmen Sie zu, zeigen Sie, dass der Prozess neu zu denken wirklich ernst gemeint ist und die Führung des Unternehmens nicht nur alten Wein in neuen Schläuchen „erfinden“ will. Prof. Böcker war von der Idee nach unserem ersten Gespräch begeistert und wir haben zusammen später ein Forschungsprojekt „Querdenken“ im Schwerpunktfach Marketing für seine Studentinnen und Studenten auf die Beine gestellt. Ein Projektteam hat dazu einen Fragebogen für Interviews entworfen und eine Reihe von Unternehmen dazu befragt. Die Besprechungen mit dem Projektteam in Sankt Augustin waren erfrischend und haben sehr gute Ergebnisse gebracht, die in Kap. 5 gezeigt werden. Fordern Sie Ihr Team auf, sich unregelmäßig zu treffen und am Thema zu arbeiten. Lassen Sie sich vom Teamleader regelmäßig über den aktuellen Arbeitsstand berichten. So sind Sie stets involviert. Die Teams arbeiten selbst-
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
organisiert bis zu einem terminierten Treffen des „Anders Denker-Kreises“ und sammeln Vorschläge und Ideen. Der gesamte Kreis, also alle Teams, finden sich nach sechs bis acht Wochen außerhalb der Büros wieder zusammen. Die Arbeit in den einzelnen Teams wird unterschiedlich laufen. Es ist normal und gehört zum Prozess, dass sich manche anfangs schwer tun, alle gewohnten Regeln zu ignorieren und die „Freiheit der Ideen“ voll auszuspielen. Das liegt möglicherweise sogar an Ihnen selbst, wenn es in der Vergangenheit schwer war, bei Ihnen neue Ideen zu platzieren. Andere sprudeln nur so von Vorschlägen und möchten am liebsten schon Morgen das Unternehmen neu organisieren. Geben Sie in diesem Stadium noch keine „Realitäts-Checks“ vor, es besteht sonst die Gefahr, die Kreativität einzudämmen. Die Teams sollen ihre Ideen sammeln und selbst mit den eigenen Teammitgliedern diskutieren. Jede Idee, jeder Vorschlag ist willkommen und nichts wird „tot geredet“. Sie werden bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Kreativität entdecken, die Sie nicht für möglich gehalten haben. Innerhalb der Teams werden Gedanken Einzelner aufgenommen und von anderen Teammitgliedern weitergesponnen, weiterentwickelt und verfeinert. Die Teams regulieren ihre Gedanken ganz alleine. Die einzige Aufgabe ist es, bis zum nächsten Treffen des „Anders Denker-Kreises“ Vorschläge zu sammeln. Die Mannschaft wird mit großem Engagement an diese Aufgabe gehen. Halten Sie engen Kontakt zu den Teamleadern, um zu sehen, ob es Verbindungen zwischen den Teams gibt, die auszubauen sind oder ob ein Team Unterstützung benötigt, um wirklich alle Barrieren zu überspringen. Neben dem Kick-off-Meeting und den einzelnen Teammeetings ist es für den Prozess von Bedeutung, dass das Team seine Arbeit, seine Gedanken und Vorschläge auch anderen vermitteln kann. Dazu lässt sich eine Veranstaltung mit dem „Anders Denker-Kreis“, wenn es mehrere Teams sind oder mit dem Führungskreis des Unternehmens, wenn es ein Team ist, nutzen. Die Teilnehmer sollten ihre im Team erarbeiteten Vorschläge präsentieren und einzeln im Detail beschreiben. Auch hier gilt: Lassen Sie das „Spiel“ laufen. Bei der ersten Veranstaltung des gesamten Kreises könnte jeder Teilnehmer auf seinem Tisch eine Dose Red Bull vor sich haben. Red Bull ist aus der Kickoff-Veranstaltung eines der Beispiele für erfolgreiches anders denken und Spielregeln ändern. Ich halte es für sehr wichtig, dass sich auch in der Argumentation und den Beispielen der Kreis schließt. Sie sollten die Beispiele bei vielen Gelegenheiten einsetzen. Die Teams fühlen sich bestätigt, wenn die einzelnen Vorschläge beschrieben werden und ein Publikum zuhört, diskutiert und Fragen stellt. Das Team hat sich
4.5 Die Arbeit im „Off the Limit“-Team
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schließlich zum Experten für die eigenen Vorschläge gemacht und ist bestimmt in der Lage alle Fragen zu beantworten. Diese Veranstaltung ist ein Meilenstein im gesamten Prozess und wird auch von den Teilnehmern so interpretiert. Stellen Sie sich die Situation vor: Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen die Gelegenheit, in einem größeren Kreis mit führenden Personen des Unternehmens eigene Ideen und Gedanken zur Verbesserung des Unternehmens vorzustellen. Allein die Tatsache, dass dafür ein Team gebildet wurde und selbstständig arbeiten durfte, ist für viele im Unternehmen eine umwerfende Erfahrung. Dazu nun auch noch eine solche Veranstaltung. Das Unternehmen meint es wirklich ernst. Diese Meetings sind Highlights und Motivation pur für die Teilnehmer und durch die anschließende Mundpropaganda für das gesamte Unternehmen. Sie werden über die Kreativität Ihrer Mannschaft staunen und Sie werden Vorschläge hören, an die Sie nie gedacht haben. Ihr Team wird Ihnen Dinge präsentieren, die sie auf normalem Wege in den nächsten zehn Jahren nicht „erdacht“ hätten. In unserem Prozess waren diese Veranstaltungen grandios und erfrischend, die Stimmung auch unter den einzelnen Teams äußerst positiv und produktiv. Die Teilnehmer der unterschiedlichen Teams haben sich gegenseitig angeregt und selbst in den Pausen gab es kein anderes Thema als die vorgestellten Punkte und das Projekt selbst. Nach diesem Meilenstein schicken Sie die Teilnehmer wieder in ihre Teams und lassen sie an den Vorschlägen weiter arbeiten. Bis zum nächsten Anders-Denker-Meeting im großen Kreis. Warum haben diese Veranstaltungen eine so phantastische Stimmung? Was ist geschehen? Fachleute auf ihrem Gebiet, Experten im Unternehmen, werden nach ihrer Meinung gefragt. Sie bekommen den Freiraum, das Vertrauen und das Gefühl, dass sie für wichtig und kompetent gehalten werden, einen Unternehmensbereich oder einen Prozess eigenständig aufzubauen. Die Experten werden aufgefordert, das eigene Unternehmen durch die Brille des Kunden zu sehen und verbunden mit ihrem Wissen, dies in Vorschläge umzusetzen. Ihnen wird mit dem so aufgebauten und neuen Prozess eine hohe Wertschätzung entgegengebracht. Nach der Präsentation der einzelnen Vorschläge können, wenn Sie mit mehreren Teams arbeiten, auch Teams zusammengeführt werden, wenn die Synergien und die Überschneidungen sehr groß sind. Zwischen den Meetings erreichen alle Teilnehmer wöchentliche Reminder E-Mails. Das Thema und die Stimmung werden damit hoch gehalten. Die Mails haben einen sogenannten Anders Denker-Spruch zum Inhalt und gehen kurz auf das letzte oder das nächste Meeting ein. Die E-Mails schließen mit einem Hin-
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
weis auf die Unternehmensbeispiele aus dem Kick-off-Meeting. „Viel Spaß beim nächsten Besuch eines Starbucks“, oder „beim nächsten Flug mit Ryanair,“ oder einfach „hoffentlich schmeckt’s“ in Verbindung mit dem Logo von Red Bull. Der Wiedererkennungswert ist extrem hoch. Ziel ist es, mit den Beispielen, die im täglichen Leben ganz automatisch präsent sind, immer wieder an das gemeinsame Projekt und „anders denken“ als erfolgreiche Methodik, zu erinnern. Damit erzielen Sie neben den Reminder E-Mails eine Automatik der zusätzlichen Erinnerung und Motivation. Beim Einkaufen stößt man auf Red Bull, beim Stadtbummel kommt man an Starbucks vorbei und im Fernsehen sieht man die Nespresso Werbung mit George Clooney. Wer die Werbung mit den günstigen Flugtickets von Ryanair sieht oder einfach nur RTL schaut, denkt an das Projekt. So werben alle obigen Unternehmen kostenlos für Ihr Projekt und Sie sind mit der neuen Methodik permanent präsent. Wann macht schon einmal George Clooney Werbung für ein internes Projekt? Darum ist es wichtig, im Kick-off mehrere bekannte Beispiele zu zeigen, auf die man später immer wieder zurückgreifen kann. In Kap. 6 finden Sie zahlreiche Beispiele und in Abschn. 4.9.7 lesen Sie viele der Sprüche, die für solche Erinnerungen genutzt werden können. Für den nächsten Schritt ändert sich nun die Aufgabe an das Team. Priorität hat ab jetzt, in Optionen zu denken und zu überlegen, wie der Wettbewerber reagieren würde, wenn bestimmte Ideen umgesetzt würden. Prüfen Sie im Team auch die Frage, was passieren würde, wenn sich nichts ändert. Eine Kalkulation mit Pro und Contra der einzelnen Ideen, die Prüfung der Umsetzbarkeit gehört jetzt ebenfalls dazu. Am Ende steht die Entscheidung, welche Vorschläge umgesetzt werden sollen.
4.6 Der „Anders als bisher“-Preis Zur Motivation der Teammitglieder kann ein Preis ausgelobt werden. Jedes Team nominiert zwei der erarbeiteten Vorschläge für diesen Preis. Die Nominierung sollte das Team unter Berücksichtigung von Kreativität, Umsetzbarkeit im Markt, Erfolgsaussichten für das eigene Unternehmen und Kosten machen. Auf diese Weise muss sich das Team noch einmal intensiv mit den eigenen Vorschlägen befassen und diese bewerten. Damit wird der nächste Schritt, der Realitäts-Check, direkt von den Teammitgliedern vorbereitet und beurteilt. Das Team beschäftigt sich jetzt mit der Kostenseite und den wirtschaft-
4.6 Der „Anders als bisher“-Preis
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lichen Fragen. Der Wettbewerb und seine Reaktionen im Markt kommen ins Spiel. Den „Anders als bisher“-Preis könnte man „Anabis“ taufen, ein völlig legales „Aufputschmittel“ für Unternehmen. Damit schaffen Sie ein Label, das die Möglichkeit gibt, immer wieder an die andere Art zu denken zu erinnern.
4.6.1 Umsetzung des Siegervorschlages Wenn Sie ankündigen, dass der Siegervorschlag sofort umgesetzt wird, erhält die Mannschaft nochmals einen ordentlichen Motivationsschub. Man kann diesen Preis wie bei einer Oscar-Verleihung ausloben. Es gibt eine Bekanntmachung mit einem „offiziellen“ Nominierungsblatt, es gibt einen definierten Einsendeschluss, auf den mehrmals hingewiesen wird. Die beiden Vorschläge, die zur Wahl gestellt werden, müssen sich einer kleinen Prozedur unterziehen. Auf dem Nominierungsblatt werden die zur Beurteilung notwendigen Angaben durch das Team notiert. Die Jury benötigt eine Beschreibung des Vorschlages, eine grobe Kosten NutzenKalkulation und eine Einschätzung der Marktfähigkeit des Vorschlages. Für alle Angaben reicht ein PowerPoint-Chart völlig aus, das wie in Abb. 4.4 dargestellt aussehen kann. Der pünktliche Eingang der Nominierungen wird den Teilnehmern per E-Mail bestätigt. Wieder eine Möglichkeit, das Thema aktuell zu halten. Eine Jury bewertet dann die eingegangenen Vorschläge und kürt einen davon zum Gewinner des Preises des Unternehmens. Mit dem Preis und der Besetzung der Jury können Sie den gesamten Prozess intern hoch aufhängen und ihm ein hohes Gewicht verleihen. Geschäftsführung, Vorstand oder Gesellschafter können beispielsweise Mitglieder der Jury sein und unvoreingenommen und neutral die Vorschläge bewerten. Nehmen Sie auch einen Außenstehenden in die Jury auf. Mit Sicherheit steigt die Bedeutung des Prozesses und der einzelnen Teammitglieder im Unternehmen. Auch innerhalb der Jury wird das Thema damit greifbar und wichtig. Zwischeninformationen zum Stand des Bewertungsprozesses erhalten die Spannung. Zum Beispiel eine kurze Information, dass nun ein bestimmter Shareholder sein Votum abgegeben hat. Diese Information zeigt dem Team, dass sich der Shareholder mit seinen Ideen beschäftigt hat; dies motiviert ungemein. Auch die Jury wird Freude haben, sich mit den verschiedenen Vorschlägen zu beschäftigen. Sinnvoll ist es, den Preis für das Team aus den aufgeführten oder vom Team selbst gemachten Beispielen für erfolgreiches anders als bisher bzw. Spielregeln
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Abb. 4.4 Das Anabis-Nominierungsblatt
ändern zu wählen. Also Ryanair Flüge als Gewinn, eine Nespresso Maschine oder Starbucks Gutscheine. Hier sind dem Einfallsreichtum und dem Budget keine Grenzen gesetzt. Die Teams wollen den Preis gewinnen, unabhängig von der Wertigkeit. Eine Nespresso Maschine gibt es für 100 EUR, einen RyanairFlug für wenige Euro. Wollen Sie die Motivation für alle hoch halten, geben Sie jedem Teilnehmer einen Gutschein von Starbucks. Die Gutscheine kann man in leeren Starbucks-Bechern übergeben. Sie haben wieder einen Erinnerungseffekt bei Ihrer Mannschaft installiert. Dieser Effekt wirkt bei der Ankündigung, bei der Übergabe und beim Einlösen des Gutscheins.
4.6.2 Anders denken – Ideen entwickeln – Handeln Nachdem Sie mit der Jury die Bewertung der Vorschläge vorgenommen haben und damit auch die Kreativität Ihres Teams vorgestellt haben, geht es zur Preisverleihung. Diese findet wieder im großen Kreis statt und beginnt mit der Vor-
4.6 Der „Anders als bisher“-Preis
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stellung aller Nominierungen. Jedes Team präsentiert seine beiden Favoriten und stellt sich den Fragen des Auditoriums. Ihre Mitarbeiter haben sich wochenlang Gedanken um ihr Unternehmen gemacht und ihr Unternehmen in bestimmten Punkten neu entworfen. Es ist wunderbar, das mitzumachen und zu erleben. Die Spannung steigt. Welche Vorschläge, welche auf die neue Denkweise geborene Idee und welche Änderung der Spielregeln hat die Jury am besten bewertet? Sie verkünden den Sieger und verleihen den Anabis-Preis. Einwände, dass man nur mit viel Geld in einem Prozess seine Denkweise ändern und die Spielregeln in einem Markt ändern kann, sind nicht richtig. Es erfordert im Prinzip erst einmal kein Geld, Ideen zu haben und zu denken, außer Zeit. Zeit ist wertvoll und nicht kostenlos zu haben, aber hier sinnvoll investiert. Sie haben die gesamte Firma infiziert und alle sind dabei, neue und erfolgreichere Wege zu finden. An Kosten schlagen, neben der Arbeitszeit, die Kosten für den Meetingraum und die Bewirtung zu Buche. Aber auch das ist ein überschaubarer Kostenblock, den Sie steuern. Es ist allerdings nicht sinnvoll, aus Kostengesichtspunkten die Meetings intern abzuhalten und auf einen Moderator zu verzichten. In den eigenen Räumen werden Sie und die Teammitglieder viel zu schnell durch das Tagesgeschäft abgelenkt und konzentrieren sich nicht auf die eigentliche Aufgabe. Auf einen Moderator sollten Sie nicht verzichten, da es ihm leichter fällt, ein solches Meeting zu steuern. Der Moderator hat zudem nicht das Problem, dass er zunächst die Branchenregeln und Marktbarrieren abtrainieren muss. Er kennt sie gar nicht. Sie haben nun neben dem Sieger-Vorschlag weitere hochkarätige Ideen und Maßnahmenvorschläge in Ihrem Fundus. Jetzt haben Sie die Aufgabe, sich um die nächsten Schritte im Prozess zu kümmern. Bieten Sie dem Team oder den Teams an, seine Vorschläge in Zukunft dem Führungsteam des Unternehmens zu präsentieren und dort umgehend eine Entscheidung zu bekommen. Das Team, das seine neuen Ideen realisiert sehen möchte, meldet das Thema als Tagesordnungspunkt an und wird auch so schnell wie möglich berücksichtigt. Die Präsentation wird ausgearbeitet und von einem oder zwei Teammitgliedern im Führungsteam vorgestellt. Hier sitzt der Kreis zusammen, der nach einer Fragerunde Bedenken anmelden oder sofort seine Zustimmung zur Umsetzung geben kann. In jedem Fall gibt es eine direkte Entscheidung nach der Präsentation. Ihre Teams werden diese Möglichkeit nutzen, und Sie können auf diesem Weg einige Ideen aus dem Prozess umsetzen. Sie haben damit eine Plattform für einen neuen Weg der Entwicklung von Ideen geschaffen.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Eine kurze Zusammenfassung des Prozesses habe ich unter dem Titel „Querdenken – Eine strategische Denkweise, um neue Weg zu gehen“ in der „Zeitschrift für Führung und Organisation“ (Spindler 2012) veröffentlicht.
4.7 Weitere Quellen für „anders als bisher“ Der Prozess muss weitergehen und ist nie zu Ende. Es ist Ihre Aufgabe, die Methodik als festen Bestandteil Ihrer Führungsaufgabe im Unternehmen zu implementieren und „am Kochen“ zu halten. Geben Sie dem anders denken einen festen Raum in Ihrer Struktur und leben Sie selbst auch in kleinen Dingen des Tagesgeschäftes diese Einstellung. In Abb. 4.5 ist ein Pool mit einigen weiteren Quellen zusammengestellt, die als Fundus und Einrichtung sehr gut für ein Denken ohne Limit genutzt werden können. Einige werden Sie verblüffen, aber das soll in diesem Prozess auch sein.
4.7.1 Die neuen Mitarbeiter Es gibt eine weitere erfolgreich durchgeführte Methode, um an Ideen zu gelangen. Nutzen Sie das Potenzial der noch nicht „im Markt Verhafteten“ in Ihrem Unternehmen. Eine Gruppe sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die noch nicht lange in Ihrem Unternehmen arbeiten. Setzen Sie sich mit diesen Kollegen zusammen und nutzen Sie das Potenzial an noch nicht gefärbtem Wissen und noch nicht eingefärbter Meinung. Meine Erfahrungen damit sind sehr positiv. Laden Sie alle Mitarbeiter, die erst seit maximal sechs Monaten im Unternehmen sind, zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Es ist hierbei gleichgültig, in welcher Position diese sind bzw. in welchem Bereich sie arbeiten. Stellen Sie den Mitarbeitern in der Einladung nur eine Frage „Was würden Sie anders machen?“ Welch ein Effekt. Die Teilnehmer werden sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen. Nach der Sammlung werden die Vorschläge an kleinere Arbeitsgruppen zur Diskussion und Bearbeitung gegeben. Fragen Sie in der Runde, wer welche Vorschläge etwas genauer untersuchen möchte und bilden Sie so die kleineren Arbeitsgruppen. Auch hierbei ist es sinnvoll, nachdem alle Vorschläge und Gedanken gesammelt und diskutiert wurden, die Teilnehmer selbst bestimmen zu lassen, welche Vorschläge konkret an die Unternehmensführung herangetragen werden sollen. Die Aufgabenstellung kann lauten: „Formulieren Sie nun Ihren
4.7 Weitere Quellen für „anders als bisher“
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Abb. 4.5 Pool für „anders denken als bisher“
Vorschlag als Wunsch an die Geschäftsführung“. Das Regulativ der Bewertung der Ideen durch die Teams selbst ist dabei eine große Hilfe. Lassen Sie das Gespräch von einem externen Moderator führen und lassen Sie sich überraschen. Der Moderator wird die Ideen neutral kanalisieren und die Themenschwerpunkte herausarbeiten. Sie werden an diesem Tag in kurzer Zeit viele Anregungen bekommen und zwar von Mitarbeitern, die Sie eingestellt haben und denen Sie offensichtlich etwas zutrauen. Der Teilnehmerkreis hat die ersten Erfahrungen im Unternehmen gemacht, kennt das Unternehmen und die Kunden ein wenig, aber die internen und externen Regeln noch nicht so genau, als dass sie nicht infrage gestellt werden würden. Diese Mitarbeiter werden in den ersten Monaten ihrer Firmenzugehörigkeit ständig Abgleiche mit früheren Erfahrungen machen. Jeden Tag und bei jeder Maßnahme wird sich dieser Mitarbeiterkreis Fragen stellen und Vergleiche ziehen. Sie sind sicher noch keine Experten oder perfekt in ihrem Aufgabengebiet, aber sie haben genug Wissen, um eine qualifizierte und ungefilterte
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Meinung zu haben. Dieses große interne Potenzial bleibt meistens ungenutzt. Profitieren Sie von der Unvoreingenommenheit dieser Mitarbeiter. Ein solches Meeting hat einen weiteren wichtigen Aspekt. Sie hören in Ihr Unternehmen hinein und bekommen ungefilterte Meinungen und Ansichten zu einzelnen Themen zurück. Dieser Prozess sollte mit Rückmeldung an die Teilnehmer fortgesetzt werden. Jetzt sind Sie wieder am Zug: Sie entscheiden über die Umsetzung der Vorschläge. Auch diese Methode hat eine enorme Wirkung im Unternehmen, denn alleine schon die Einladung wird für Gesprächsstoff sorgen, da sie ungewöhnlich ist. Sie unterstreichen damit Ihren Ansatz und alle im Unternehmen wissen, dass jeder Mitarbeiter an der Entwicklung des Unternehmens aktiv teilnehmen kann.
4.7.2 Reisen und Präsentieren Denken Sie auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon länger im Unternehmen sind. Kitzeln Sie auch hier die Ideen mit dem „anders denken als bisher“ heraus. Geben Sie ihnen die Chance, Dinge aus anderen Bereichen und Branchen kennenzulernen und dann für das eigene Unternehmen zu adaptieren. Die kreativen Köpfe nur zum Funktionieren nach Schema F einzusetzen, wird sie nicht lange im Unternehmen halten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Potenzial zum „anders denken als bisher“ sollten vom Vorgesetzten gefördert werden. Hier liegt die Basis des Unternehmens für die Zukunft. Die besten Mitarbeiter des Unternehmens sollten ans Unternehmen gebunden werden. Gebunden werden heißt aber nicht, Gehalt erhöhen und weiter machen wie bisher. Die Besten müssen auch auf Reisen gehen und die Chance bekommen, in andere Unternehmen und Tochtergesellschaften reinzuschauen, dort eine Zeit lang zu arbeiten und Neues zu erleben und zu lernen. Steve Jobs von Apple hat einmal gesagt:“ Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen zu sagen, was zu tun ist. Wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen können, was zu tun ist“ (Steve Jobs). Der am meisten unterschätzte Etat ist aus meiner Sicht der für Seminare. Die Mitarbeiter müssen die Chance bekommen, ein eigenes Netzwerk aufzubauen und andere Unternehmenswelten kennenzulernen, die dann wiederum für die eigene Arbeit genutzt werden können. Dieser Etat sollte fest in das Budget eingebaut werden. Ganz speziell auch Sie als Vorgesetzter sollten raus gehen, denn Reisen bildet. Vom Schreibtisch aus kann man kein Unternehmen führen. Lernen von Anderen ist angesagt.
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Besuchen Sie Fachveranstaltungen, um ein externes Netzwerk aufzubauen. Wenn Ihnen bei einem anderen Unternehmen etwas richtig Gutes auffällt, sei es im Marketing, im Vertrieb oder in anderen Bereichen, nehmen Sie Kontakt zu dem Unternehmen auf und laden einen Verantwortlichen des Unternehmensbereiches, der Sie interessiert, zu sich als Referenten ein. Bitten Sie ihn, sein Unternehmen, sein Projekt zu präsentieren. Eine Gelegenheit bietet sich immer, ein Marketing-Workshop, ein Führungsteam-Meeting oder ein speziell dafür eingerichtetes Meeting. Seine Erfolgsgeschichte erzählt jedes Unternehmen gerne. Auch General Electric hat sich verschiedene Dinge bei anderen Unternehmen anderer Branchen abgeschaut bzw. sich dort inspirieren lassen. Präsentieren Sie ihr Unternehmen bei anderen, suchen Sie nach solchen Gelegenheiten. Lernen Sie aus den Reaktionen der Zuhörer. Das ist Weiterbildung für kleines Geld. Wenn sich ein Unternehmen einen neuen Dienstleister oder einen neuen Servicepartner sucht, ist es meist so, dass man diesen in die Zentrale einlädt. So wird Lernpotenzial verschenkt. Es heißt ja auch „Reisen bildet“ und nicht „Kommen lassen bildet“. Besuche anderer Unternehmen bieten so viel mehr für die eigenen Gedanken und Überlegungen, als im eigenen Meeting-Raum perfekt gemachte Power Point Charts anzuschauen. Die Charts zeigen Ihnen nur, was Sie hören und sehen sollen. Der bessere Weg ist selbst zu entscheiden, was man sehen und hören möchte. Sie erfahren mehr, wenn Sie reisen. Oft sind es auch vermeintliche Kleinigkeiten, die Ihnen auffallen und zum Gedankenaustausch anregen (vgl. Spindler 2020). Ich habe diesen Weg immer beschritten und bin immer mit einer neuen Idee für das eigene Unternehmen nach Hause gefahren.
4.7.3 Task Forces und Workshops Eine weitere Möglichkeit, Ideen mit einem veränderten Denken zu entdecken, besteht darin, spezielle Task Forces für verschiedene Themenbereiche zu bilden. Eine Task Force arbeitet drei Monate an einem Thema und berichtet dann, welche Ansatzpunkte sie für die zukünftige Ausrichtung sieht. Eine Task Force wird im Unternehmen eingerichtet und mittels interner Kommunikation den Mitarbeitern bekannt gemacht. Mitarbeiter können sich direkt in eine Task Force bewerben. Die Mitglieder werden motiviert und engagiert dort arbeiten und haben in der Regel auch das notwendige Know-how zur Mitarbeit in der Task Force. Einer erfolgreichen Arbeit steht damit nichts mehr im Wege.
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Wenn Sie Mut haben, dann fragen Sie auch bei anderen Unternehmen Task Force-Mitglieder an. Ein Anfang sind zum Beispiel die Partnerfirmen aus verschiedenen Unternehmensbereichen. Bieten Sie sich im Gegenzug bei Ihren Partnern für solche Projekte an. Für die Zusammensetzung der Task Force gilt das vorher Erwähnte zur Teamzusammensetzung. Gute Erfahrungen habe ich mit Workshops zu bestimmten Themenkomplexen gemacht. Ein solcher Workshop wird am Ende eines Jahres für das Folgejahr ins Leben gerufen. Ein guter Zeitpunkt ist das Umfeld der Budgetgespräche. Diese Workshops behandeln über einen Zeitraum von einem Jahr ein bestimmtes Thema, und der Teilnehmerkreis trifft sich in Tagesveranstaltungen einmal im Quartal. Der Themenkomplex wird durch die Struktur und die Aufgaben Ihres Unternehmens bestimmt. So kann zum Beispiel der Kunde oder eine spezielle Kundengruppe, das Internet, die Vertriebswege, die Logistik, die Buchhaltung oder die Preisstellung der Produkte ein Workshop-Thema sein. Sie schreiben die Workshop-Teilnahme im Unternehmen aus, beraten sich im Führungskreis über potenzielle Kandidaten und geben eine kurze Inhaltsbeschreibung. Auch dieser Kreis an Teilnehmern sollte nicht zu groß sein und ist mit fünf Teilnehmern ausreichend besetzt. Eine solche Organisation hat den Vorteil, aktuell aufkommende Themen auch direkt an den Workshop adressieren zu können. Allerdings sollte die Agenda für die einzelnen Meetings nicht zu voll sein und genügend Raum für Kreativität bieten. Externe Gäste beleben diese Meetings und bringen immer wieder neue Aspekte für ein Thema. Die Erfahrungen mit dieser Art der Workshops waren positiv und eine nicht versiegende Quelle von Ideen und Vorschlägen. Neben dem ausgefülltem Geschäftsalltag haben Sie so Fixpunkte für wichtige Themen und Bereiche gesetzt, die Sie später nicht mehr werden missen wollen. Für die Mitarbeiter ist diese Art motivierend und wird ebenso zu einem Fixpunkt im Alltag. Damit ist die Möglichkeit gegeben, neue Mitarbeiter oder Mitarbeiter, bei denen Sie hohes Potenzial vermuten, heranzuführen und ihnen Gelegenheit zu geben sich zu beweisen. Für die anders denkenden Provokateure ist ein Workshop genau der richtige Platz, um sich auszutoben. Ich meine nicht den ewigen Nörgler und Besserwisser, sondern den Rebellen im Unternehmen, der zeigen kann, was er wirklich meint und kann. Sie legen damit den Fokus auf die Zukunft des Unternehmens und reservieren dafür Zeitblöcke. Stellen Sie sich einen Workshop für „Produkte und Vertriebswege“ (PuV) vor, der sich einmal pro Quartal zusammensetzt und der die in jedem Unternehmen ganz vorne stehenden Themen Kunde, Markt und Vertrieb behandelt. Der Kreis kann hier risikolos Schritte und Gedanken besprechen und eventuell in Tests ausprobieren.
4.7 Weitere Quellen für „anders als bisher“
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Ein aus meiner Sicht wichtiger Workshop ist ein „CMM“, ein „Creative Meeting Marketing“. Leider ist es in kreativen Bereichen so, dass der Alltag kaum Zeit lässt, neue Dinge zu besprechen oder zu probieren. Eher hetzen sie von Termin zu Termin und von Aufgabe zu Aufgabe. Die Zeit zum „Denken nach vorne“ bleibt oft nicht. Aus eigener Erfahrung ist ein „CMM“ eine wichtige und notwendige Auszeit, die Sie für sich und Ihr Team reservieren sollten. Sonst schneidet Ihnen der Alltag die Kreativität systematisch ab. Ein „CMM“ hat keine Agenda, die schaffen Sie sich in der ersten halben Stunde des Meetings durch eine Anfangsdiskussion von interessanten Dingen oder Bereichen, in denen Sie etwas bewegen wollen. So kann jeder seine Ideen und Gedanken einbringen und alle denken gemeinsam an diesen Punkten quer. Gehen Sie auch unkonventionelle Wege, wenn ein Meeting zu träge läuft. Allein durch Worte hier eine Änderung zu erwirken, dürfte recht schwer fallen. Scheuen Sie sich nicht auch einmal auf den Tisch zu springen und zu jubeln, wenn Ihnen etwas richtig gut gefällt oder, wenn Sie mehr Bewegung und Leben in das Treffen bringen wollen. Vor einem Meeting hatte ich Faschingströten und Pfeifen besorgt und vor dem Beginn ausgegeben. Die Anwesenden habe ich dazu aufgefordert, ihre Zustimmung bzw. ihre Begeisterung während der Tagung mit der Tröte oder Pfeife kundzutun. Die Veranstaltung war genial und jeder ist mit dem Gefühl nach Hause gegangen: „Mensch, das war so laut, da waren so viele tolle Gedanken dabei.“ Auf diese Weise schaffen Sie Präsenz und ein Forum für Ihre „anders Denker“.
4.7.4 Live Testing Hat Ihr Team oder haben Sie eine Idee, etwas anders zu machen als die Anderen? Dann probieren Sie es doch einfach aus. Während der normale Ablauf, den wir alle kennen, mehr aus Abstimmung, Abwägen und Verschieben besteht, um noch genauer herauszubekommen, wie denn eine bestimmte Maßnahme im Markt ankommt, hat der anders Denker es schon längst ausprobiert. Warum lange zappeln und sich vor einer Entscheidung drücken, denn nichts anderes ist es, wenn Sie permanent ein Projekt verschieben? Die besten Erkenntnisse und die genauesten Marktreaktionen bekommen Sie aus dem Markt vom Kunden selbst und nicht durch immer wiederkehrende theoretische Überlegungen im Büro. Das Spielfeld für die Ideen ist der Markt mit den Kunden, nicht das Büro oder ein Labor. Suchen Sie sich eine Mikrozelle im Markt, lokal, regional oder bei einer bestimmten Kundengruppe und versuchen Sie es, testen Sie live. Die Vorschläge und Ideen brauchen nicht zu 100 % ausgearbeitet werden, das kostet enorm viel
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Zeit, die im Markt verpufft, und das kann ein entscheidender Nachteil sein. Für einen solchen Test ist es ausreichend, mit zu 80 % ausgearbeiteten Ansätzen auf das Spielfeld zu gehen. Es genügt, relativ hemdsärmelig und trotzdem kostenbewusst heranzugehen. Lernen Sie beim „Live Testing“. Der beste Ratgeber ist der Markt selbst. Sie können sowieso nicht alle möglichen Reaktionen und Verhaltensweisen im Voraus prüfen. Das Leben im Markt spielt nach ganz eigenen Regeln. Es ist wichtiger, schneller zu sein, als das letzte Detail ausgefeilt zu haben. Neben der Schnelligkeit ist die Frequenz der Ideen entscheidend. Derjenige, der schneller und öfter mit Vorstellungen für die Zukunft kommt, wird den zukünftigen Markt schneller und besser besetzen. Im „Live Testing“ erkennen Sie die Reaktionen der Kunden und Sie bekommen Hinweise auf mögliche Reaktionen Ihrer Wettbewerber. Im Gesamtmarkt kann nicht viel passieren, da in einer Mikrozelle getestet wird. Die Kosten halten sich für einen kleinen überschaubaren Test im Rahmen, ohne das Risiko, viel Geld für eine im Markt nicht umsetzbare Maßnahme zu versenken. Wenn das „Live Testing“ ein positives Ergebnis bietet, planen Sie den Rollout im Gesamtmarkt. Wenn Sie am Ende die Maßnahme im „Live Testing“ und die dann im kompletten Markt umgesetzte Maßnahme vergleichen, werden Sie schnell sehen, was Ihnen der Test gebracht hat. Die Maßnahmen werden sich in einigen Punkten unterscheiden. Endet der Test negativ, haben Sie viel Geld gespart und viel gelernt. „Live Testing“ ist einfacher und schneller als die bekannte Methode der regionalen Testmärkte, die wir aus der Marktforschung kennen.
4.7.5 Budgetgespräch Ein Budgetgespräch als Ideen-Quelle? Das hört sich zunächst eigenartig an, werden Sie denken. Wenn das Budgetgespräch im üblichen Rahmen abläuft, haben Sie natürlich Recht. Wie läuft es normal? Man schätzt den Markt ein, er wird um drei Prozent steigen oder er wird um zwei Prozent sinken. Wie es wirklich läuft, weiß man dann zwölf Monate später und wundert sich mal wieder über den Verbraucher, das Wetter oder was auch immer. Dann werden noch die Kosten angepasst, je nachdem in welche Richtung der Markt laufen wird. Vertrieb und Marketing bekommen ein paar Aufgaben und das war es dann. Einige bekommen die Maurerkelle verliehen, weil sie so stark defensiv budgetiert haben und es wird gefeilt und gefeilt, bis alles einigermaßen passt. Irgendwann sind die Gesellschafter dann zufrieden und man wartet ab, was das wahre Leben im Markt
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wirklich bringt. Die Erklärung, warum dann später vom Budget abgewichen wurde, egal ob nach oben oder unten, hat man schon in der Tasche. Egal ob Top-down oder Button-up geplant wird (vgl. Spindler 2022), in der Regel ist das Ergebnis unbefriedigend und schon nach den ersten Monaten hat die Realität es eingeholt. Das ist eine knappe Zusammenfassung und auch mit Augenzwinkern beschrieben. Es macht auf jeden Fall viel Arbeit, das komplette Zahlengerüst zusammenzustellen und zu bewerten. Wenn es so läuft, ist das meiner Meinung nach eine unnütze Arbeit und nur für die Ablage, die keinerlei Erkenntnisse für die Zukunft liefert. Die wirklich interessante Aufgabe ist mit der Prämisse „Der Markt im Core Business geht um dreißig Prozent zurück“ ein Budget aufzustellen. Eine Aufgabe mit viel Sprengstoff. Die Absicht ist nicht, die Kosten soweit zurückzuschrauben, dass die Welt dann wieder in Ordnung kommt. Das wird nicht funktionieren, sonst wären sie aktuell schon deutlich überdimensioniert. Außerdem wollen wir kein Cost Cutting bis zu unseren Muskeln und eine gefährliche Spirale in Bewegung setzen. Nein, es geht darum, sich mit einer solchen Situation auseinanderzusetzen, um neue Wege, Maßnahmen, Produkte, Vertriebswege oder Märkte zu entdecken. Sie zwingen sich und Ihre Mannschaft mit einer solchen Fragestellung, diese Wege zu suchen. Nun führt kein Weg mehr daran vorbei, sich völlig andere Gedanken zu machen, die Feile für das 08/15-Budget kann im Koffer bleiben. Man wird nicht die Chance haben, mit den normalen Mitteln und den normalen Produkten auf den normalen Märkten mit unveränderten Kosten ein solches Budget aufzustellen. Eine Fragestellung mit Tiefgang, nachdem der erste Schrecken vorbei ist. Bereiten Sie eine solche Fragestellung vor, die Notwendigkeit wird irgendwann ohne Ankündigung kommen. Suchen Sie sich Beispiele für Märkte oder Unternehmen, die ganz plötzlich einer gewaltigen Umwälzung unterlegen waren. Der Inlandsabsatz für Heizöl ist im Jahr 2007 um fast vierzig Prozent gegenüber 2006 gesunken. Gründe waren ein milder Winter, gut gefüllte Heizöltanks bei den Hausbesitzern und ein hohes Preisniveau für das Heizöl. Drei markbestimmende Faktoren, die gleichzeitig auftraten. Es gab nur sehr wenige Unternehmen, die in diesem Jahr keine roten Zahlen geschrieben haben. Anders als bisher Denkende können solche Jahre überstehen, weil sie vorbereitet sind. Budgetgespräche mit diesem Ansatz sind eine große Quelle für Ideen, da eine so massive Aufgabenstellung nicht mit den bisherigen Tools und Gedanken zu lösen ist.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
4.7.6 Training und Coaching Zur Einstellung, die bisherige Denkweise zu ändern, gehört auch ein professionelles und dauerhaftes Trainings- und Coachingkonzept für die Mitarbeiter im Unternehmen. Damit ist nicht ein lockeres Vortragsprogramm, bei dem die Teilnehmer nur Zuhörer sind und nach der Veranstaltung alles wieder in der Ablage verschwindet, gemeint. Kein Alibi-Training, sondern ein sich entwickelndes System an Maßnahmen für die Mitarbeiter, die nach den Kunden zu den wichtigsten Menschen für das Unternehmen zählen. Ein solches Coachingprogramm entwickelt sich über Jahre weiter und bietet die Möglichkeit zur individuellen Entwicklung der Teilnehmer. Kein Programm von der Stange, sondern ganz speziell auf Ihr Unternehmen und Ihre Mitarbeiter zugeschnitten, bietet es neben den Dingen, die Sie als Verantwortlicher transportieren wollen, den Freiraum und auch die Anleitung zum anders denken als bisher. Ein solches Programm ist aus Modulen aufgebaut und setzt sich jeweils im Folgejahr fort. Natürlich gehören die klassischen Themen wie Rhetorik, Einwandbehandlung und Argumentationstraining für die Verkäufer dazu, aber genau diese Themen sollten nicht nur im großen Forum, sondern auch als Einzelcoaching vor Ort stattfinden. Als Heimspiel in gewohnter Umgebung für den Mitarbeiter. Das hat den Vorteil, dass sich der Mitarbeiter voll auf das Programm konzentrieren kann und nicht durch eine neue Umgebung abgelenkt wird. Wenn die Coachings in Modulen angeboten werden, bietet sich die Möglichkeit nach einem 360-Grad-Feedback oder einer Potenzialanalyse – ganz individuell und doch im Programm – die Mannschaft zu coachen. In jedes Modul, in jede Trainingsmaßnahme sollte das Thema „anders als bisher“ und die entsprechende Einstellung transportiert werden. Auch hier spielen Vertrauen und Glaubwürdigkeit eine entscheidende Rolle. Es war immer klar, wenn ich mit den Trainern in regelmäßigen Abständen gesprochen habe und wenn wir im Herbst über das Programm für das Folgejahr diskutiert haben, dass nie über Einzelergebnisse der Mitarbeiter gesprochen wird. Es geht nicht darum, etwas über die Mitarbeiter zu erfahren, es geht einzig um die Entwicklung des Einzelnen. Wenn sich die Trainingsteilnehmer aufgrund der Anreise manchmal am Vorabend getroffen haben, war es für mich selbstverständlich, dort vorbeizuschauen und zumindest eine Stunde mit den Teilnehmern zu verbringen. Dies alles sind Möglichkeiten, Ihre Gedanken zu vermitteln, in die Mannschaft reinzuhören und Themen, die auf der Seele brennen oder Ideen, die ein Einzelner hat, aufzunehmen und zu verarbeiten.
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Ebenso müssen die Trainer das Vertrauen und die Akzeptanz der Mannschaft haben, sonst landet man wieder beim Training von der Stange. Die Teilnehmer sollen sich dem Trainer und Coach öffnen können. Dazu gehört es auch, dass sich die Trainer selbst ein individuelles Programm zum Einarbeiten in Ihr Unternehmen verordnen, um den Ablauf, die Stimmung, die Kunden und das Geschäft kennenzulernen. Solch ein Training bietet eine weitere Quelle für Ideen, denn auch die Frage „Was läuft aus Ihrer Sicht gerade völlig falsch?“, spiegelt den Gedanken wieder und bietet eine Reihe von Ansatzpunkten. Dies ist eine große Chance, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte.
4.7.7 ILA Company Hinter der „ILA-Company“ (Ideen Labor) steckt der Gedanke, in einem größeren Unternehmen eine eigene Tochtergesellschaft oder in kleineren Unternehmen eine separate Abteilung nur für das „anders denken als bisher“ aufzubauen. „Anders denken – Ideen entwickeln – Handeln“ ist die Aufgabenstellung für dieses Unternehmen oder diese Abteilung. Hier kommen die Spielmacher, die kreativen und mutigen Köpfe aus dem Unternehmen zusammen und bilden einen eigenständigen Bereich. Sie bekommen den nötigen Freiraum und die notwendige Unterstützung von oben und können neue Produkte oder neue Märkte identifizieren. Die Besetzung wird wie im Buch beschrieben durch die richtige Mischung aus Alter, Erfahrung, Unvoreingenommenheit, Kreativität, Offenheit, Mut und dem Wollen etwas Neues zu schaffen, bestimmt. Eine Mitarbeit im ILA sollte zeitlich begrenzt und auf maximal sechs Monate befristet sein. Es ist wichtig, dass immer wieder neue Ideen und neue Sichtweisen in die Gruppe kommen und sich dort entfalten können. Es spricht aber nichts gegen die Möglichkeit, dass man sich alle drei Jahre wieder neu ins ILA bewerben kann. Ergänzend kann eine Zusammenarbeit mit einer Universität aufgebaut werden, um so Studenten für bestimmte Projekte zu involvieren. Die ILA-Mitarbeiter haben Zugriff auf die gesamten Ressourcen des Unternehmens und können auch neue interne Mitarbeiter rekrutieren. Natürlich kann jeder, auch außerhalb des Unternehmens, neue Ideen an das ILA geben, die dort nach einer Prüfung weiter verfolgt, geparkt oder auch verworfen werden. Dahinter steckt auch der Gedanke, die Spielmacher im Unternehmen nicht durch Regeln und Richtlinien zu demotivieren und aus dem Unternehmen zu treiben. Das soll nicht heißen, dass im ILA jeder tun und lassen kann was er will, dass er kommen und gehen kann, wann er will. Es gehört dazu, dass alles ein wenig
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
freier als üblich ist, aber das Ziel wird nicht aus den Augen gelassen. Also keine Kuschelfirma, sondern wirklich harte Arbeit, allerdings befreit vom hektischen Alltagstrott. Keine permanenten E-Mails, Anrufe, Meetings oder Nachfragen des Chefs, die den Tag bestimmen. Wenn ein Mitarbeiter des ILAs meint, er müsse einen Außendienstmitarbeiter des Unternehmens bei seiner Kundentour begleiten, um die Wünsche der Kunden besser zu verstehen oder einfach mit einem Kunden vor Ort sprechen möchte, ist das völlig in Ordnung. Auch Misserfolge führen nicht zu einem negativen Ansehen der Mitarbeiter, sondern gehören hier dazu und dienen als Lernquelle. Die Mitarbeiter haben die Verantwortung, neue Dinge zu präsentieren und diese nach Prüfung an die entsprechenden Unternehmensbereiche zur Umsetzung weiterzugeben. Eine Begleitung während der ersten Monate der Umsetzung durch einen ILA-Mitarbeiter ist dabei selbstverständlich. Im ILA kann hervorragend mit Prämien oder Boni für umgesetzte Ideen gearbeitet werden. Das monatliche Einkommen bleibt weiter im Gehaltsgefüge des Unternehmens. Das ILA präsentiert einem ausgewählten „ILA-Beirat“ monatlich seine Vorschläge mit Ziel und Nutzen für das Unternehmen. Der Beirat ist mit zwei Verantwortlichen aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens, einem Mitarbeiter eines Nicht-Wettbewerbers und einer neutralen, externen Person besetzt. Nach welchen Kriterien dann entschieden und umgesetzt wird, wird individuell festgelegt.
4.7.8 Job Rotation Job Rotation innerhalb der eigenen Firma ist eine exzellente Quelle für neue Gedanken. Es verbindet sich das vorhandene Fachwissen mit dem Nichtkennen der Verhältnisse und Regeln in der in der Rotation ausgeübten Aufgabe. Hat ein Unternehmen zum Beispiel eine klassische Aufteilung des Vertriebs in Regionen, bietet sich eine Rotation der Regionalleiter an. Für die nächsten zwei Monate führt der Leiter Nord die Region Mitte, der Leiter Mitte die Region Süd und so weiter. Er führt die „Rotations Region“ mit allen Konsequenzen und der kompletten Verantwortung für den „Rotations Zeitraum“. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der Job Rotation gemacht. Die Beteiligten sollten die Organisation für die Rotation selbst übernehmen, also die Festlegung des Zeitraums, die Reise- und Unterkunftsplanung in Eigenregie durchführen. Dies erhöht die Akzeptanz. Anfangs werden die „Rotierer“ nicht begeistert sein, aber schon nach den ersten Tagen im „neuen“ Job steigt die Euphorie und jeder
4.7 Weitere Quellen für „anders als bisher“
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erkennt die Chance, viele Punkte aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. Es ist viel mehr als nur Best Practice, es ist die Erfahrung, den eigenen Job völlig anders zu erleben. Die „neuen“ Mitarbeiter reagieren anders auf einen selbst, als die „eigenen“ Mitarbeiter zu Hause. Für Probleme in der „neuen“ Region, die schon länger ungelöst waren, gibt es nun neue Lösungsansätze. Dinge, die sich im Laufe der Zeit unbemerkt beim Kollegen eingeschlichen hatten, werden nun nach oben gespült und zur Sprache gebracht. Themen mit Mitarbeitern, die vorher schwierig lösbar waren, bekommen durch den Kollegen nun einen anderen Aspekt, da keine verhärteten Fronten zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem vorhanden sind. Auch diese „Regeln“ bzw. Hintergründe einer belasteten Beziehung kennt der neue Chef ja nicht und richtet sich somit auch nicht danach. Die „Rotierer“ sollten während ihrer Zeit in der neuen Aufgabe eine Art Logbuch schreiben. In diesem Logbuch werden alle Dinge notiert, die dem „Neuen“ aufgefallen sind. Alle Bereiche sind hiervon betroffen: große Themen, kleine Themen, Sachthemen und zwischenmenschliche Themen. Das Logbuch hat zwei Kategorien, einmal „Tipps für den Kollegen“ und zum anderen „Tipps für mich“. Es handelt sich bei den Tipps für den Kollegen nicht um Handlungsanweisungen, sondern um Empfehlungen, die rein aus dem anderen Betrachtungswinkel des Themas her rühren. Einige Dinge wird man selbst zu Hause schon gelöst haben, die im Rotations Job noch ein Problem darstellen. Die „Tipps für mich“ sind Selbsterfahrungen, die man für sich selbst mitnimmt. Quasi das „Aha-Erlebnis“. Es wird Details geben, bei denen man sich selbst ertappt fühlt, wie leicht sie doch zu lösen gewesen wären. Während der Rotation sollte ein regelmäßiger Austausch mit dem eigentlichen Funktionsinhaber stattfinden. Regelmäßig heißt nicht, sich täglich über die kleinen Dinge des Tagesgeschäftes zu unterhalten und abzustimmen, das ist nicht notwendig und sogar hinderlich. Alle Entscheidungen können vom Neuen getroffen werden. Ein wöchentliches Telefongespräch ist ausreichend. Zum Abschluss des Projektes „Job Rotation“ treffen sich alle Rotierer mit dem Vorgesetzten und ziehen ein Fazit. Sie werden erstaunt sein, wie viele Dinge jeder mit nach Hause nimmt und ab morgen anders machen wird. Bewährt hat sich auch, sich mit den eigenen Mitarbeitern nach der Rotation zusammenzusetzen und sie nach ihren Erfahrungen zu fragen. Aus solchen Gesprächen ergeben sich speziell im zwischenmenschlichen Bereich weitere Ansätze. Eine andere Art der „Job Rotation“ ist die „Praxiswoche“ für die Mitarbeiter. Wenn die Diskrepanzen zwischen Zentrale und Vertriebsmannschaft spürbar werden, ist der Zeitpunkt gekommen. Dies ist ein immer wiederkehrendes Spannungsfeld, was alle Beteiligte Energie kostet und gute Ideen zerstört. Die
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
Mitarbeiter der Zentrale planen einmal pro Jahr eine Praxiswoche an einem beliebigen Verkaufsstandort des Unternehmens. Dieser Standort wechselt jährlich. Ziel der Praxiswoche ist für die Mitarbeiter aus der Zentrale vor Ort aktiv die Produkte des Unternehmens zu verkaufen. Ob dies per Telefon oder im Außendienstbesuch stattfindet, hängt von der Vertriebsorganisation des Unternehmens ab. Wichtig ist nur, dass aktiv mit dem Kunden gearbeitet wird. Ganz speziell für alle den Vertrieb unterstützenden Funktionen ergibt sich ein neuer Blickwinkel auf die eigene Arbeit und bringt Verständnis für die Belange der Kunden und der Vertriebsorganisation. Die Praxiswochen bringen viele neue Ansätze und Ideen in Richtung Kunde und Markt für die eigene zentrale Aufgabe. Für mich ein nicht mehr wegzudenkender fester Bestandteil, der sogar in die Zielvereinbarung mit einem Mitarbeiter einfließt. Bei der „Job Rotation“ als Quelle ist der andere Blickwinkel auf eine bekannte Aufgabe der Schlüssel zum Erfolg. Ein Abtrainieren der Regeln, die im Rotations Job gelten, findet automatisch statt. Das spezielle Fachwissen um die Aufgabe selbst bleibt aber unangetastet. Ein günstige und doch effektive Methode neue Ideen zu sammeln.
4.8 „Unlimited Thinking“ ist eine Frage der Einstellung Ein Denken, das anders ist als bisher, sollte keine Eintagsfliege sein, sondern ein dynamischer Prozess. Durch den Erfolg der ersten Schritte haben Sie einen guten Grundstein für eine dauerhafte Änderung der Sichtweise und der Problemlösung gelegt. Wenn Sie sich als Spielmacher fühlen und bewegen, dann nicht nur dieses eine Mal, sondern für immer. Nutzen Sie die sich hieraus ergebenden Chancen für zukünftige strategische Entscheidungen und spielen Sie Ihr Spiel im Markt. Mit einer so erzeugten Zukunftsfrage ergeben sich als Folge daraus wahrscheinlich Konsequenzen in allen Unternehmensbereichen. Wie werden die im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen strategisch effizienter eingesetzt? Kompetenzen können im Unternehmen in den verschiedenen Bereichen oder Einheiten verschoben werden und so ein anderes Denken ohne Grenzen fast automatisieren. Die Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, neue Leute ins Unternehmen zu holen, die nicht aus der gleichen Branche und nicht vom Wettbewerb kommen. Die Mitarbeiter der Wettbewerber denken auch wieder mit den gleichen Methoden und kommen zu den schon lange bekannten Schlüssen. Fassen Sie Mut
4.8 „Unlimited Thinking“ ist eine Frage der Einstellung
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und stellen Sie Mitarbeiter aus anderen Branchen ein, die in der Vergangenheit gezeigt haben, wie man neue Felder besetzt und Spielregeln im Markt ändert. Denken Sie daran, warum Steve Jobs neue Leute eingestellt hat. Sie brauchen das Wissen, welche Voraussetzungen für die Entfaltung neuer Möglichkeiten benötigt werden. Eliminieren Sie das Abteilungsdenken und die Wissens-Inseln im Unternehmen. Das Wissen gehört allen und nicht nur denen, die etwas im Unternehmen entdeckt haben. Das Wissen allen im Unternehmen zugänglich zu machen, ist wichtig, damit auch andere Abteilungen die Chance haben, abteilungsübergreifend anders zu denken und Ideen zu entwickeln. Mitarbeiter, die sich in anderen Abteilungen und bei anderen Unternehmen, egal welcher Branche, das Beste anschauen und versuchen dies zu adaptieren, sind die richtigen Teammitglieder. Es spielt dabei keine Rolle, ob man ein hoch technisches Unternehmen oder eines aus einem Massenmarkt betrachtet. Egal, ob es produzierende Unternehmen oder Dienstleistungsunternehmen sind. Die Ansicht, dass sich in Massenmärkten keine Ansätze nach vorne finden werden oder, dass man in diesen Märkten nichts revolutionieren kann, ist weit verbreitet. Die Beispiele werden zeigen: Denken ohne Grenzen gelingt überall und ist überall notwendig. Wenn die Mitarbeiter nicht das Gefühl haben, dass die Unternehmensführung ihnen Offenheit entgegenbringt, wird es auch mit dem Weg nach vorne schwierig. Das Gefühl fehlender Offenheit lähmt den Geist und die kreativen Gedanken. Mangelnde Offenheit wird häufig genannt, wenn die Frage, was einem am eigenen Unternehmen nicht gefällt, gestellt wird. Und häufig sind diejenigen, die mangelnde Offenheit beklagen, zu ihren eigenen Mitarbeitern auch nicht offen. Jack Welch sieht drei Effekte durch Offenheit: • Erstens werden durch Offenheit mehr Menschen an Debatten beteiligt, wodurch mehr Ideen entwickelt werden. • Zweitens wirkt Offenheit entscheidungsfördernd, da man schneller zum Punkt kommt und somit schneller in eine Umsetzung der relevanten Themen. • Drittens senkt Offenheit Kosten, da unnötige Meetings entfallen und nur die wichtigen Fragen behandelt werden müssen. Zur Offenheit gehört auch, negative und schlechte Dinge direkt anzusprechen und nicht damit hinter dem Berg zu halten. Es ist besser sich mehrerer Köpfe zur Problemlösung zu bedienen. „Anders als bisher“ beginnt schon bei der persönlichen Einstellung. Gehen Sie in ein Gespräch mit Kunden oder in ein Meeting mit Geschäftspartnern, um zu erzählen oder um etwas zu lernen? Sie lernen nur, wenn Sie dem anderen
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
zuhören, anstatt zu versuchen, ihn von sich zu überzeugen. Von anderen etwas mitzunehmen gelingt nur mit Zuhören. Ein gemeinsames Brainstorming mit Geschäftspartnern ist Gold wert. Ergebnisse interner Gespräche reichen nicht an die solcher Treffen heran (vgl. Spindler 2020).
4.9 Umsetzungshilfen für den „Anders denken als bisher“-Prozess Das vorliegende Kapitel gibt Ihnen spezielle Umsetzungshilfen an die Hand, um das „anders als bisher“ im Unternehmen umzusetzen: • Welche sind die ersten Schritte und welche folgen darauf? Sie finden an dieser Stelle die „Vorgehensweise in Kurzform“, eine Art Checkliste für den gesamten Prozess. • Die „Anders als bisher“-„Regeln“ geben Ihnen und Ihrem Team einen Leitfaden für die Meetings und den gesamten Prozess an die Hand. • Der Aufgaben- und Fragenkatalog gibt eine Hilfestellung für die Teamarbeit und deren Vorbereitung. • Die „Anders als bisher-Sprüche“ sollen Ihnen helfen, Ihrem Team die Grundidee näherzubringen. Sie können für Reminder E-Mails und den Start der Meetings genutzt werden.
4.9.1 Die ersten Schritte Wenn Sie das Thema „Denken ohne Grenzen“ und „Spielregeln ändern“ überzeugt hat und Sie diese Methodik auch in Ihrem Unternehmen einsetzen wollen, stellt sich die Frage, was als Nächstes zu tun ist (Abb. 4.6). 1. „Ja“ zum „anders denken als bisher“ Zuerst sollten Sie selbst wirklich überzeugt davon sein, denn Sie müssen später Ihre Verbündeten im Unternehmen überzeugen. Wenn Sie „Ja“ zum „anders denken als bisher“ gesagt haben, eignen Sie sich das nötige Wissen zum Thema an. Dieses Buch ist der erste Schritt dazu und vermittelt umfangreiches Wissen. 2. Fragestellung Für eine praktische Umsetzung muss der Rahmen abgesteckt werden, und Sie benötigen eine konkrete Fragestellung. Das kann die strategische Zukunft
Abb. 4.6 „Anders denken als bisher“-Prozess
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
betreffen oder ein aktuelles operatives Problem bzw. Fragestellung. Diese Fragestellung muss detailliert beschrieben und aufgezeigt werden. Sie ist die Grundlage, mit deren Unterstützung durch den Prozess geführt wird. 3. Zieldefinition Was ist der Status quo? Wo will ich hin? Was soll konkret erreicht werden? Die Lösung eines Problems, die Veränderung des bestehenden Marktes, die Identifikation eines neuen Marktes, eine Veränderung der Vertriebskanäle, Produktveränderungen oder die Suche nach neuen Produkten für die vorhandene Kompetenzausstattung? Das Feld für eine Zielbestimmung ist sehr groß. Zum Abstecken des Rahmens gehört auch, sich Gedanken über den benötigten Zeitbedarf und die Kosten zu machen. 4. Verbündete Wenn diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, benötigen Sie Verbündete für die Umsetzung der neuen Methodik im Unternehmen. Die Verbündeten sind auf allen Hierarchiestufen des Unternehmens zu finden. Entscheiden Sie zu welchem Zeitpunkt Sie Verbündete suchen. Gleich zu Anfang Ihrer Überlegungen oder erst, wenn Ihre Präsentation steht. Aus meiner Erfahrung ist das Gewinnen von Verbündeten ein zeitlich mehrstufiger Prozess. Es empfiehlt sich die Spitze des Unternehmens erst mit fertigen Materialien hinzuziehen und dies mit einer eventuellen Jurybildung zu verbinden. 5. Moderator An diesem Punkt sollten Sie sich für einen Moderator des Prozesses entscheiden. Ein externer Moderator kann neutraler in den Meetings agieren und den Prozess insgesamt neutraler lenken. Er hat den großen Vorteil, die bestehenden Branchenregeln nicht ausblenden zu müssen, da sie für ihn keine Regeln darstellen. Eine enge Abstimmung mit dem Moderator ist selbstverständlich und wichtig. Er muss die Problem- und Zieldefinition kennen und verstehen. Er muss natürlich auch ein „Off the limit Denker“ sein und den Prozess als solchen verstehen. 6. Präsentation Dann geht es an die Präsentation, dieser Schritt wurde bereits ausführlich beschrieben. Die aktuell gültigen Rahmenbedingungen und „Marktgesetze“ müssen erkannt und analysiert werden. Erst, wenn man die jetzt existenten Regeln und Schemata im Markt durchdrungen hat, kann man daran gehen und sie neu aufstellen und die Rollen neu verteilen. Man muss sich davon lösen, immer eine Logik und ein rationales Verhalten der Konsumenten hinter den Marktregeln sehen zu wollen. Der Konsument reagiert und handelt nicht immer rational. Marktgesetze können historisch begründet sein, sie können Präferenzen der
4.9 Umsetzungshilfen für den …
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Verbraucher als Hintergrund haben oder Werbeaussagen und Marketingstrategien der Wettbewerber. Die Regeln müssen auch nicht immer fair oder richtig sein, oft ist genau das Gegenteil der Fall. Wichtig ist nur, sie zu verstehen, um sie ändern zu können. Wenn man sie erkannt und verstanden hat, sollte man sie ausblenden und vergessen und dann die eigenen Kompetenzen in Marktregeln umsetzen, sodass die neuen Regeln dem eigenen Unternehmen als Vorteil dienen. Wenn man die Schwächen der Wettbewerber und die eigenen Stärken kennt, lassen sich daraus für die Zukunft Ansätze finden. Es ist oft viel leichter von den Marktregeln auszugehen, die das eigene Produkt oder das eigene Unternehmen unvorteilhaft aussehen lassen, als gleich das komplette Produkt infrage zu stellen. Fragen Sie, wie die Rahmenbedingungen aussehen müssten, um mit den eigenen Produkten im Markt erfolgreicher zu sein. Daraus ergeben sich Ansätze sowohl für das Produkt als auch für alle anderen Bereiche im Unternehmen. Im nächsten Schritt ist es wichtig, sich auch von den aktuellen Märkten und auch Produkten zu lösen, um sich die Möglichkeit, für das eigene Unternehmen neue Märkte zu eröffnen oder an diesen teilzunehmen, nicht zu verbauen. Beziehen Sie in Ihren Prozess alle Unternehmensbereiche mit ein: Produktion, Entwicklung, Marketing, Vertrieb und auch die kaufmännischen Funktionen. Sie werden in allen Bereichen Ihres Unternehmens die geeigneten kreativen Köpfe finden. Der Spielmacher lässt sich auch hier nicht beschränken. Wenn die neuen Regeln erkannt und ausgearbeitet sind, gilt es Partner zu suchen, die helfen, die eigenen Regeln im Markt zu etablieren.
4.9.2 Der Prozess in Kurzform • Person und Methodik – Entscheidung für den „anders denken als bisher“-Ansatz – Eigenen Background für den Ansatz schaffen – Verbündete suchen (Teil 1) • Fragestellung und Zielbeschreibung – Problem detailliert beschreiben – Zielbeschreibung • Entscheidung für einen Moderator – Neutrale Person intern oder extern suchen – Moderator wählen
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
• Präsentation – Präsentation vorbereiten – Einführung „Was ist anders denken als bisher“? – Beispiele für erfolgreiche „anders Denker“ zeigen – Problem- und Zielbeschreibung – Verbündete suchen (Teil 2) • Kick-off und Folgemeetings – Team bilden – Präsentation – Beispiel aus dem Team für erfolgreiche „anders Denker“ aufnehmen – Definition des zukünftigen Marktes bzw. des Problems – Analyse von Markt und Marktteilnehmern – Aufschreiben der Rahmen und Gesetze – Vergessen der Regeln und Gesetze – Neue Verteilung der Rollen – Start der Problemlösung auf der „grünen Wiese“ – Team sammelt eigene Ideen – Verwenden der „Anders denken als bisher“-Sprüche zur Verdeutlichung – In weiteren Veranstaltungen neue Beispiele für erfolgreiche Unternehmen präsentieren – Eventuell Teams zusammenführen – Vorschläge durch das Team bewerten lassen • Unterstützung – Reminder E-Mails an das Team versenden – Feedback-Runden terminieren – Anabis-Preis ausloben („Anders als bisher“-Preis) – Jury festlegen – Sieger küren • Umsetzung – Vorschlag des Siegers umsetzen – Team auffordern, der Unternehmensleitung weiter Ideen zu präsentieren – Entscheiden – Umsetzen • Fortführung des Prozesses – Plattform schaffen – Quellen Pool für „anders als bisher“ nutzen
4.9 Umsetzungshilfen für den …
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4.9.3 Die „anders als bisher“-„Regeln“ • Offene Augen – Mit offenen Augen andere Branchen beobachten – Lernen und verstehen • Inspirieren lassen – Übernehmen Sie Ideen aus anderen Branchen – Adaptieren ist nicht „klauen“ – Mut zur Lücke – Haben Sie Mut, etwas zu ändern und zu bewegen – Auch wenn Sie noch nicht hundertprozentig sicher sind – Sie sind doch Fachmann, oder? – Trauen Sie sich • Bestimmen Sie die Spielregeln – Der Markt kann auch nach Ihren Regeln spielen – Lassen Sie die Beispiele auf sich wirken • Der Preis ist heiß – „Billig“ ist kein Marketing – Den Wettbewerb auf den Faktor Preis zu reduzieren, wird der Kunde mit der Auswahl des niedrigsten Preises „belohnen“ – „Preis kann jeder!“ • Halten Sie die Organisation am „Kochen“ – Das Thema braucht Zeit – Spaß gehört dazu – Setzen Sie Reminder E-Mails ein – Loben Sie einen „Anders als bisher“-Preis (Anabis) aus • Pool für „anders als bisher“-Quellen entdecken – Nutzen Sie externe Kontakte, um von anderen Branchen zu lernen – Fragen Sie Ihre neuen Mitarbeiter „Was würden Sie anders machen?“ – Nutzen Sie die Quellen aus dem Pool im Unternehmen – Bilden Sie Mitarbeiterteams mit unterschiedlichen Charakteren • Das Wort „Aber“ gibt es nicht – Jede Idee ist erlaubt – Die Bewertung erfolgt später durch das Team selbst • Moderator nutzen – Ein externer Moderator ist neutraler und unvoreingenommen – Er kann den Prozess lenken und bewerten
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4.9.4 Aufgaben- und Fragenkatalog Einige Aufgaben und Fragen unterstützen den Prozess. Sie helfen, ihn in die richtige Richtung zu lenken. Die nachfolgenden Fragen sind in fünf Blöcke unterteilt und sollen als Hilfestellung dienen. Sie müssen nicht komplett beantwortet werden. Es soll aber zeigen, dass „anders denken“ nicht ohne Vorbereitung funktioniert und dass es nicht um einfach ins „Blaue“ philosophieren geht, sondern um einen strukturierten Prozess. Die fünf Blöcke lauten: 1. Vision und Strategie 2. Spielfeld und Markt 3. Marktteilnehmer 4. Marktreaktionen 5. Umsetzungsplan
4.9.4.1 Vision und Strategie • • • • • • • • • • •
Was möchten Sie konkret erreichen? Was ist das Kernproblem? Wie soll es gelöst werden? Was ist dafür zu tun? Beschreiben Sie Ihre Vision Woher kommt die Begeisterung für die Vision, warum haben Sie die Vision? Welche alternativen Spielzüge gibt es? Wie sind die Erfolgsaussichten der einzelnen Möglichkeiten? Welche Kooperationen sind notwendig? Passt alles in die aktuelle Unternehmensstrategie und -philosophie? Welche Unternehmenseinheiten sind betroffen?
4.9.4.2 Spielfeld und Markt Die Märkte, auf denen das Unternehmen tätig ist bzw. in die es einsteigen möchte, sollten genau ausgesucht und beschrieben werden. • • • •
Wie sind die Regeln und Gesetze in dem ausgewählten Markt? Sind die Regeln historisch, logisch, rational oder wie sind sie entstanden? Welche gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen gibt es? Gibt es technische Rahmenbedingungen, die wichtig oder begrenzend sind?
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• Gibt es viele Regeln im Markt, die eher hemmend wirken? • Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Code of Conduct, der Ihnen den Eintritt in den Markt verbietet? • Gibt es bestimmte Voraussetzungen zum „Mitspielen“? • Wo geht die politische Reise hin, wem gegenüber sind die Medien positiv und wem gegenüber sind sie negativ eingestellt? • Was daraus kann man selbst nutzen? • Wie setzt sich der Markt zusammen und welche Historie hat er? • Welche Dynamik herrscht im Markt? • Welche Wachstumspotenziale hat dieser Markt? Welche Potenziale bieten die Nachbarmärkte hinsichtlich Anzahl der Kunden, der Produkte und der Margen? • In welchem Umfang sind Investitionen in den Markt notwendig? • Wie sind die Chancen, wie die Risiken für das eingesetzte Kapital? • Soll der gesamte Markt oder nur ein Teilmarkt bedient werden? Auch die Betrachtung des Zeitfaktors ist dabei wichtig. • Ist der neue Markt für das Unternehmen völlig neu oder nur in einzelnen Facetten? • Handelt es sich um einen schon existenten oder noch zu bildenden Markt? • Handelt es sich um einen alten oder eher jungen Markt? • In welchem Lebenszyklus befindet sich der Markt aktuell und wann ist zeitlich gesehen der richtige Starttermin? Was brauche ich dazu? • Welchen Status haben die einzelnen Produkte im Lebenszyklus erreicht? Die eigenen und die der Anderen. • Wie passen sich die eigenen Kernkompetenzen in den Markt ein? • Müssen unter Umständen neue Kompetenzen erworben werden? • Sind die eigenen Mitarbeiter in der Lage, den Markt aktiv zu beeinflussen? • Welche anderen Märkte werden tangiert? • Welche Produkte werden dort angeboten und welche Kunden gibt es dort? • Kann sich der Verbraucher im neuen Markt zurechtfinden oder braucht er dabei Hilfe? • Wie verteilen sich die Marktanteile auf die einzelnen Marktteilnehmer? • Wie sollen die Regeln des Marktes verändert werden? • Soll das Verbraucherverhalten geändert werden? • Müssen die Stärken der Wettbewerber in Schwächen umgewandelt werden? • Müssen die Wertmaßstäbe der Kunden geändert werden? • Welche Auswirkungen hat das auf den Markt und die Nebenmärkte? • Wie werden die Marktteilnehmer reagieren?
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
4.9.4.3 Marktteilnehmer Die Marktteilnehmer der definierten Märkte müssen analysiert werden. Für die Zukunft und die Ausrichtung ist es wichtig, zu ergründen, wer ein möglicher Verbündeter im Markt sein könnte. Dafür muss man wissen, wie stabil die Beziehungen im Markt sind. • Welche Marktteilnehmer gibt es? • Welche Rollenverteilung gibt es im Markt? • Die Ziele der Marktteilnehmer müssen bekannt sein und zwar in Richtung Kunde, Unternehmen und Mitarbeiter. Gemeint sind die Förderung der Mitarbeiter, die Fluktuation und ein geplanter Abbau oder Aufbau der Belegschaft. • Wer ist der Spielmacher im ausgewählten Markt? Wie spielt er sein Spiel? • Ist er offensiv oder defensiv eingestellt? Ist er aktiv oder passiv? • Spielen die Marktteilnehmer nach den gleichen Regeln? • Ist die Fluktuation der Marktteilnehmer hoch oder eher gering? • Wie lauten die Ziele der Wettbewerber? • Welche Kernkompetenzen haben die Wettbewerber? • Wie ist deren Ergebnissituation? • Wer hat wo Unternehmen zugekauft? • Wie sind die kulturellen Hintergründe von Spielern und Unternehmen? • Welche Zusammenhänge gibt es bei den Wettbewerbern untereinander? • Notwendig ist auch, sich damit auseinanderzusetzen, wer sonst noch auf diesen Markt eintreten könnte. Mit welchen Kompetenzen würden diese Teilnehmer in den Markt eintreten? • Wer hat welche Produkte in den letzten Monaten oder Jahren auf den Markt gebracht? • Welche gesellschaftsrechtlichen Strukturen haben sie? • Auch das Wissen über die Shareholder der Marktteilnehmer sollte erweitert werden. Wer sind sie und welche Ziele haben sie? • Welchen Hintergrund haben sie? Sie erfahren etwas über eine mögliche zukünftige Ausrichtung und über vorhandene Kernkompetenzen, die später einmal wichtig sein können.
4.9.4.4 Marktreaktionen • Was passiert in dem Markt, wenn ein Teilnehmer die Regeln bricht? • Welches Verhalten im Markt wird belohnt? Welches wird bestraft?
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• Wie werden die Mitspieler im Markt von der Kundenseite und vom Wettbewerb wahrgenommen? Versuchen Sie sich auf den Stuhl des Anderen zu setzen, um ihn zu verstehen. Das klappt erstaunlich gut. Nehmen Sie verschiedene Perspektiven ein. Sie müssen den Mitspieler verstehen lernen und die Abhängigkeiten im Markt verstehen. Es gibt viele Abhängigkeiten für ein Unternehmen in einem Markt: Kunden, Mitarbeiter, Shareholder, Stakeholder, Wettbewerber, potenzielle Wettbewerber, Politik, Gesellschaft, Medien und Lieferanten. Alle nehmen direkt oder indirekt Einfluss auf das Spiel. • Was müsste ein Wettbewerber tun, um Sie und Ihr Unternehmen im Kern zu treffen? • Welche Produkte müsste er einführen, um ihr Unternehmen im Markt zu eliminieren? Wenn Wettbewerber A Wettbewerber B kauft, welche Auswirkungen hätte das bei Ihnen? • Was müssten Sie tun, um Gleiches bei ihm zu bewirken?
4.9.4.5 Umsetzungsplan • • • • • •
Welche Alternative wurde gewählt? Welche Mittel müssen zur Zielerreichung eingesetzt werden? Auswahl und Besetzung der Teams. Zeitplan erstellen. Point of no Return definieren. Mitspieler und Verbündete auswählen und für die Idee gewinnen.
4.9.5 Die „Anders Denker“-Einstiegsfragen und das „GIRL“ Was würde Apple tun? Was würde mein Nachfolger tun? Mit diesen Fragen versetzen Sie Ihr Team in eine neue Situation (Abb. 4.7). Ein neuer, ungewohnter Blickwinkel auf das Bestehende entsteht und damit neue Gedanken und Ideen. Einen möglichen Fragenkatalog haben wir gerade vorgestellt. Hier eine kurze Übersicht der wichtigsten Einstiegsfragen für den Prozess. Eine erfolgreich umgesetzte Vorgehensweise, relativ schnell Gedanken und Ideen zu entwickeln, weiterzubearbeiten und zugleich mehrere kreative Köpfe damit „anzuzapfen“, ist das GIRL. GIRL steht für „Gedanken und Ideen Rundlauf“. Jeder im Team schreibt eine Idee oder einen Gedanken auf ein Blatt Papier und beschreibt ihn in den folgenden 30 Min. auf diesem Blatt. Danach gibt
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Abb. 4.7 „Anders Denker“ Einstiegsfragen
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4.9 Umsetzungshilfen für den …
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Abb. 4.8 Gedanken und Ideen Rundlauf (GIRL)
jeder sein „Ideen-Blatt“ an seinen rechten Nachbarn weiter, der wiederum den Gedanken seines Nachbarn auf diesem Blatt in den nächsten zwanzig Minuten mit seinen Anmerkungen oder weiteren Ideen dazu ergänzt. Nach zwanzig Minuten geht dann der Ideen-Rundlauf weiter, indem das Blatt nun zu seiner dritten Station gelangt usw. Gibt es vier Teilnehmer werden in 90 Min. vier Ideen von insgesamt vier Köpfen weitergedacht und ausgefeilt. Alle im Raum sind in jeden Gedanken involviert (Abb. 4.8). Zum Ende des Rundlaufes liegt das Ideen-Blatt wieder an seinem Ausgangspunkt, bei dem der den Gedanken zu erst entwickelt hat. Er stellt nun im Team seinen Gedanken mit all den Ergänzungen der anderen Teammitglieder, das komplette GIRL, vor. Eine Diskussion aller Teilnehmer entsteht. Danach folgen die übrigen Mitglieder des Teams. Mit dem GIRL ist es nicht mehr der Gedanke eines Einzelnen, sondern des gesamten Teams. Jeder hat an jeder Idee mitgearbeitet und findet sich in ihr wieder. Ergebnis sind nicht nur mehrere Ideen, sondern von allen akzeptierte und mit allen geteilte Gedanken. Schnell zeigt, sich welche Idee am tragfähigsten erscheint und weiterverfolgt werden soll. Im besten Falle alle Beiträge.
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
4.9.6 Der Vortrag Cornelia Koller2 ist Kommunikations-Designerin und hat 2014 einen Vortrag von mir zum „anders denken als bisher“ (damals noch „Querdenken“) in Bildern festgehalten (Abb. 4.9). Sie hat ein visuelles Protokoll der Veranstaltung angefertigt („visuell recording“). Anhand dieses Protokolls lässt sich die Struktur des Vortrages oder einer Präsentation gut nachvollziehen und ist ein visuelle Zusammenfassung dieses Kapitels.
4.9.7 „Anders denken als bisher“-„Sprüche“
„Wenn Sie immer das tun, was sie bisher getan haben, werden Sie auch immer das bekommen, was Sie bisher bekommen haben.“ Henry Ford, Gründer Ford Motor Company
„Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“ Henry Ford, Gründer Ford Motor Company
„Die Probleme, die es in der Welt gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, die sie erzeugt hat.“ Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik
„Es gibt nur einen Weg, um Fehler zu vermeiden. Keine Ideen mehr zu haben.“ Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik
2 www.corneliakoller.de
Abb. 4.9 Der Vortrag, graphic recording von Cornelia Koller
4.9 Umsetzungshilfen für den … 113
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
„Sieger zweifeln nicht. Zweifler siegen nicht!“ Unbekannt
„Nicht der Markt soll uns lenken, sondern wir den Markt.“ Gerd-Inno Spindler, Querdenker
„Wir schaffen uns unser eigenes Monopol.“ Gerd-Inno Spindler, Querdenker
„Traue keinem Fachmann der sagt, das mache er seit 20 Jahren so, es könnte sein, dass er es seit 20 Jahren falsch macht.“ Kurt Tucholsky, deutscher Schriftsteller
„Aus heiligen Kühen, die man schlachtet, kann man die leckersten Steaks machen.“ Richard Nicolosi, früher CEO Samsonite Luggage
„Denken Sie Revolution, nicht Evolution.“ Richard Sullivan, Home Depot
„Du siehst Dinge und fragst: Warum? Ich aber sehe Dinge und frage: Warum nicht?“ Georg Bernard Shaw, irischer Schriftsteller
„Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, die alten Küsten aus den Augen zu verlieren.“ André Gide, französischer Schriftsteller
4.9 Umsetzungshilfen für den …
„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und niemand ginge, um zu sehen, wohin man käme, wenn man ginge.“ Kurt Marti, Schweizer Pfarrer und Schriftsteller
„Wer nichts wagt, der darf auch nicht hoffen.“ Friedrich Schiller, deutscher Dichter
„Wenn ein Drache steigen will, muss er gegen den Wind fliegen.“ Chinesisches Sprichwort
„If everything seems under control, you are just not going fast enough.“ Mario Andretti, amerikanischer Rennfahrer
„Es ist unmöglich, Staub aufzuwirbeln, ohne dass einige Leute husten.“ Erwin Piscator, deutscher Theaterintendant
„Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.“ Georg Christoph Lichtenberg, deutscher Schriftsteller
„Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht. Sondern, weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“ (Seneca, römischer Philosoph)
„Hinter jedem bedeutenden Fortschritt steckt eine neue Sicht auf ein Problem.“ Unbekannt
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„Lass Deine Zukunft nicht durch Deine Vergangenheit bestimmen, aber lass Dir Deine Vergangenheit ein Ratgeber sein für die Zukunft.“ Indische Weisheit
„Damit das Mögliche entsteht, muss das Unmögliche versucht werden.“ Hermann Hesse, deutsch-schweizerischer Dichter
„Wer etwas haben möchte, was er noch nie hatte, der wird wohl etwas tun müssen, was er noch nie tat.“ Unbekannt
„Die einzige Begrenzung, das Morgen zu verwirklichen, werden unsere Zweifel von heute sein.“ Franklin D. Roosevelt, amerikanischer Präsident
„Je genauer Du planst, desto härter trifft Dich der Zufall.“ Unbekannt
„Irrlehren der Wissenschaft brauchen fünfzig Jahre, bis sie durch neue Erkenntnisse abgelöst werden, weil nicht nur die alten Professoren, sondern auch deren Schüler aussterben müssen.“ Max Planck, deutscher Physiker
„Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft.“ John Knittel, Schweizer Schriftsteller
4.9 Umsetzungshilfen für den …
„Das Merkwürdige an der Zukunft ist die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal „die gute alte Zeit“ nennen wird.“ Ernest Hemingway, amerikanischer Schriftsteller
„Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“ Dante Aligheri, italienischer Dichter
„Alles, was ein Mensch sich vorstellen kann, werden andere Menschen verwirklichen.“ Jules Verne, französischer Schriftsteller
„Wenn es stürmt, bauen Dummköpfe Mauern, Kluge bauen Windmühlen.“ Niederländisches Sprichwort
„In Zukunft wird sich die Utopie beeilen müssen, wenn sie die Realität einholen will.“ Wernher von Braun, deutscher Raketeningenieur
„Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, das Leben eines Anderen zu leben.“ Steve Jobs, Mitbegründer von Apple
„Geh nicht nur die glatten Straßen. Geh Wege, die noch niemand ging, damit Du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub.“ Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller
„Lernen ist wie rudern gegen den Strom; sobald man aufhört, treibt man zurück.“ Benjamin Britten, englischer Komponist
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4 Der „anders Denker“-Prozess im Detail
„Vielleicht ist es die falsche Art zu denken – aber es ist die richtige Strategie, um zu gewinnen.“ Paul Arden, Creative Director für Saatchi und Saatchi
„Wenn eine Idee nicht zuerst absurd erscheint, taugt sie nichts.“ Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, immer das Gleiche zu tun und auf andere Ergebnisse zu hoffen.“ Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik
„Wer nur den eigenen Fußspuren folgt, läuft immer nur im Kreis herum.“ Gerd-Inno Spindler, „anders Denker“
„Wenn zehn Leute im Raum die gleiche Meinung haben, sind neun zuviel im Raum“ Dave Clark, Amazon
„Alle sagten immer „Das geht nicht.“ Dann kam einer, der das nicht wusste und hat es einfach gemacht. unbekannt
„Wenn Sie etwas neues schaffen wollen, eine kleine Revolution anzetteln, dann müssen Sie gegen die Normen verstoßen. Das erreichen Sie nicht, indem Sie normale Dinge tun.“ James Dyson, Erfinder, Unternehmer
Literatur
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„Es macht keinen Sinn, kluge Leute einzustellen und ihnen zu sagen, was zu tun ist. Wir stellen kluge Leute ein, damit sie uns sagen können, was zu tun ist.“ Steve Jobs, Mitbegründer von Apple
„The greatest danger in times of turbulence ist not the turbulence, it is to act with yesterday’s logic.“ Peter Drucker, US-amerikanischer Ökonom
„Logik bringt Dich von A nach B. Phantasie bringt Dich überall hin.“ Albert Einstein, Nobelpreisträger für Physik
Literatur Arden, Paul. 2007. Egal, was Du denkst, denke das Gegenteil. Ehrenwirth, Bastei Lübbe, Köln 2007. Förster, Anja, und Kreuz, Peter. 2005. Different Thinking!. Frankfurt: Redline Wirtschaft. Förster, Anja, und Kreuz, Peter. 2007. Alles, außer gewöhnlich!. Berlin : ECON. Förster, Anja, und Kreuz Peter. 2008. Spuren statt Staub. Berlin: ECON. Spindler, Gerd-Inno. 2012. Querdenken – Eine strategische Denkweise, um neue Wege zu gehen, zfo (Zeitschrift für Führung und Organisation). Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 03/2012. Welch, Jack, und Welch, Suzy. 2005. Winning – Das ist Management. Frankfurt/New York: Campus Verlag. Spindler, Gerd-Inno. 2020. Und Action, bitte!. Wiesbaden. Springer Gabler. Spindler, Gerd-Inno. 2022. Basiswissen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden. Springer Gabler.
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Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken
Zusammenfassung
In diesem Kapitel stelle ich Ihnen ein Forschungsprojekt zum „Querdenken“ in seiner ursprünglichen Bedeutung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vor. Die Studie wurde 2010 durchgeführt, zu dieser Zeit konnte niemand ahnen, dass durch die Corona-Krise das Wort „Querdenken“ einmal von einigen mit einer anderen Bedeutung belegt werden würde. Das Thema Querdenken ist so aktuell, spannend und interessant, dass sich Prof. Dr. Jens Böcker von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg nach unseren ersten Gesprächen dazu entschlossen hat, eine Projektarbeit für seine Studierenden zu diesem Thema zu vergeben. Prof. Dr. Böcker ist Professor im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften für BWL mit dem Schwerpunkt Marketing. Das „Forschungsprojekt Querdenken“ wurde von einer Gruppe Studierender1 um Manuel Hammes als Projektleiter im Sommersemester 2010 bei Prof. Dr. Böcker durchgeführt. Die Arbeit am Projekt und die Ergebnisse zeigen einen interessanten Querschnitt der Meinungen zum Thema, auch wenn es sich nicht um eine repräsentative Studie handelt. Im Folgenden werden die Projektarbeit und die Ergebnisse vorgestellt.
1 Teilnehmer:
Lisa Maar, Christoph Fritzen, Benjamin Meier, Peter Stefan, Jan Winterhoff, Manuel Hammes.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_5
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5 Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken
5.1 Zielsetzung und Stichprobe Im ersten Treffen mit der Projektgruppe an der Hochschule in St. Augustin habe ich von meiner Querdenker-Erfahrung berichtet, und wir haben intensiv über das Thema diskutiert. Das junge Team hat das Thema mit Begeisterung aufgenommen und mit Engagement weiter getrieben. Die Zielsetzung der Projektarbeit war, einen Eindruck vom Status rund um das Thema Querdenken in Unternehmen zu bekommen und Anknüpfungspunkte für die Weiterentwicklung des Themas zu finden (Abb. 5.1). Zuerst hat das Projektteam die zu befragenden Unternehmen identifiziert und den Fragebogen entworfen. Der Fragebogen bestand aus 16 Fragen, die in folgende Blöcke untergliedert waren: • Definition und Abgrenzung • Stellenwert im Unternehmen/Grenzen des Querdenkens • Umsetzung • Perspektiven und Zukunftsaussichten
Abb. 5.1 Projektteam: Zielsetzung. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
5.2 Die Ergebnisse
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Dazu wurde ein Anschreiben entworfen, das einen Einstieg für die Interviews und den Hintergrund dazu wiedergibt. Am Beispiel von Red Bull wurde verdeutlicht, was mit Querdenken gemeint ist. Insgesamt wurden 24 Unternehmen aus dem B2B- und B2C-Bereich in unterschiedlichen Umsatz- und Mitarbeitergrößenklassen interviewt (Abb. 5.2). Die Interviews wurden mit dem mittleren und höheren Management durchgeführt.
5.2 Die Ergebnisse Rund 90 % der befragten Unternehmen halten es für wichtig, Spielregeln im Markt zu brechen, um erfolgreicher zu sein. Diese Ziele und Gründe nennen die Befragten dafür: • Alleinstellungsmerkmale erreichen • Die Kundenzufriedenheit steigern • Unberechenbarer für den Wettbewerb sein
Abb. 5.2 Projektteam: befragte Unternehmen. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
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5 Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken
• Wegen der übermächtigen Konkurrenz • Die Möglichkeit zu überproportionalem Wachstum nutzen Knapp 80 % der Befragten sagen, dass sie sich schon aktiv mit dem Thema beschäftigt haben. Ein Ergebnis, das den hohen und aktuellen Stellenwert von Querdenken eindrucksvoll bestätigt. Nahezu alle Befragten sehen die Notwendigkeit anders zu sein als die Konkurrenz, um sich von ihr zu differenzieren. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Querdenken unabhängig von der Unternehmensgröße oder seiner Stellung im Markt ist. Allerdings wird der Begriff Querdenken sehr unterschiedlich interpretiert und das Potenzial, das Querdenken bietet, wird nur teilweise genutzt. Dies zeigen die Antworten auf die Frage, wie der Begriff Querdenken definiert wird (Abb. 5.3). Die organisatorische Einordnung erweist sich bei einigen Unternehmen als schwierig. Meistens wird Querdenken im Marketing verankert, auch die Bereiche Business Development oder ein Competence Center werden genannt. Bei fast 60 % der befragten Unternehmen werden externe Berater zur Unterstützung in
Abb. 5.3 Projektteam: inhaltliches Verständnis. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
5.2 Die Ergebnisse
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das Unternehmen geholt, um die Risiken zu minimieren und um den Prozess im Unternehmen zu belassen. Rund 65 % sehen auch Grenzen für das Querdenken. Die genannten Grenzen decken sich nahezu mit den Vorbehalten, die im Buch behandelt und widerlegt wurden (Abb. 5.4). Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Dieses Buch soll dazu beitragen. In den Unternehmen geht Querdenken fast ausschließlich von einzelnen Personen und Gruppenprozessen aus. Der Einzelne nutzt in ruhigen Momenten zu Hause oder im Auto die Gelegenheit. Oft wird Querdenken in Workshops oder in Brainstorming-Prozessen genutzt. Es zeigt sich, dass Querdenken in den Unternehmen erkannt und sehr hoch eingestuft wird, allein der bewusst aufgesetzte Prozess fehlt meistens mangels Wissen um die Umsetzung noch. 90 % der Unternehmen erklären, dass bei ihnen Mitarbeiter Freiräume zur Entfaltung bekommen. Zusätzlich werden in den meisten Unternehmen erfolgreiche Ansätze der Mitarbeiter monetär honoriert. Daneben werden auch Auf-
Abb. 5.4 Projektteam: Grenzen. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
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5 Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken
Abb. 5.5 Projektteam: Einsatzbereiche. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
stiegsmöglichkeiten im Unternehmen, Anerkennung, Sachwerte und die Umsetzung des Projektes als Belohnung eingesetzt. Bei den Mitarbeitern ergibt sich ebenfalls ein sehr positives Bild. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter beurteilt Querdenken positiv. Alle Befragten sehen große Potenziale im Querdenken für das eigene Unternehmen. Dies speziell in den Bereichen Marketing und Vertrieb. Aber auch in der strategischen Ausrichtung und im Innovationsmanagement werden weitere Potenziale gesehen (Abb. 5.5). Ein sehr positives Feedback gab es auf die Frage, ob die Unternehmen sich vorstellen können, Querdenken im Unternehmen zu institutionalisieren. 70 % bejahen diese Frage und sehen die Ansatzpunkte im Bereich von Stabsstellen und der Verankerung in bestimmten Abteilungen (Abb. 5.6).
5.3 Fazit
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Abb. 5.6 Projektteam: Organisation. (Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg)
5.3 Fazit Alle Befragten sehen Potenziale im Thema Querdenken für die Zukunft. Über die Nutzung gibt es allerdings nur vage Vorstellungen. Die Einbindung in das Unternehmen wird unterstützt, aber konkrete Pläne gibt es noch nicht. Hierbei tritt die übergreifende Gruppenbildung mit der Möglichkeit der Umsetzung in den Vordergrund. Die Alternative wäre, den Prozess parallel zum Tagesgeschäft laufen zu lassen und die entsprechenden Freiräume zu schaffen.
Zusammenfassend ist festzuhalten
• Der Begriff des Querdenkens ist bekannt, korreliert aber häufig mit dem Begriff „Innovation“.
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5 Forschungsprojekt „Querdenken“: Wie Unternehmen denken
• Gerade bei der Positionierung im Wettbewerb nimmt Querdenken eine wichtige Rolle ein. • Grenzen und Gefahren müssen bedacht und Bedenken bei den Mitarbeitern ausgeräumt werden, da sie die treibende Kraft beim Querdenken sind. Sie brauchen Freiräume und Förderung, um sich kreativ zu entfalten. • Der Anreiz für die Mitarbeiter muss nicht unbedingt monetär sein. Querdenken steigert die Identifikation mit dem Unternehmen und die Mitarbeiterzufriedenheit. • Querdenken sollte in Form von sich regelmäßig treffenden – über die gesamte Wertschöpfungskette verteilten – Projektteams in der Organisation verankert werden. Outsourcing ist eine Möglichkeit. Hier eröffnen sich Potenziale für Beratungsunternehmen. • Querdenken bietet die Möglichkeit, bestehende Ressourcen zu nutzen, um komparative Konkurrenzvorteile zu schaffen. • Insgesamt sind die Potenziale, die Querdenken bietet, noch nicht annähernd genutzt und sollten abgeschöpft werden. Die detaillierten Ergebnisse der Projektarbeit sind eine deutliche Bestätigung für den Einsatz von „Querdenken und Spielregeln ändern“ in Unternehmen. ◄
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„Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Zusammenfassung
An dieser Stelle werden einige prägnante Beispiele für erfolgreiche „Anders Denker“ und geänderte Spielregeln beschrieben in meiner persönlichen „Hall of Fame“. Es sind Beispiele aus unterschiedlichen Branchen und aus verschiedenen Motivationen heraus. Einige der Erfolgsgeschichten werden Sie kennen, haben sie aber vielleicht noch nicht unter diesem speziellen Blickwinkel betrachtet. Für viele Beispiele ist eine Übersicht der Regeländerungen angefügt. Wie Spielregeln erfolgreich geändert werden können zeige ich anhand von Beispielen auf, die nach folgenden Kriterien strukturiert sind: • Neue Marktsegmente oder Märkte gründen: Ryanair, Red Bull, Cirque du Soleil, Europa-Park, Kirschenhofer Maschinen, Schwan-STABILO • Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren: Jägermeister, Spreewaldhof Get One, Weber Grill, Best Worscht • Neue Wettbewerbssituation schaffen: Starbucks, IKEA, engelbert strauss, Leitner Seilbahnen • Hindernisse im Markt eliminieren: Dick Fosbury, RTL, aws Wärme Service, Premium Cola, AllDent • Existente Märkte neu beleben: Nespresso, FedEx, Swatch, SUN-SNIPER, edding Die Beispiele demonstrieren anschaulich, was eine Änderung des bisherigen Denkprozesses bewirken kann. Es ist ein großer Unterschied zwischen der Umsetzung einer Idee und der Neuordnung eines Marktes bzw. der Schaffung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_6
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
eines neuen Marktes. Die dargestellten Unternehmen sind den Weg des „anders als bisher denken“ konsequent gegangen und haben die Regeln in ihren Märkten eindrucksvoll geändert.
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen 6.1.1 Ryanair Ryanair ist ein plakatives Beispiel für radikales „anders denken als die anderen und anders als bisher“ und nachhaltiges Ändern der Spielregeln in einem Markt, der als schwierig und verteilt galt (Abb. 6.1). Michael O’Leary von Ryanair zeigt, wie ein Spielmacher ein neues Segment in einem bestehenden Markt aufbauen kann. In der Luftfahrtbranche waren die Regeln für alle Marktteilnehmer unverrückbar gültig und keiner hat es gewagt oder daran gedacht, etwas zu verändern. Folgendes galt in der Luftfahrtbranche:
Beispiel: Ryanair
Neue Marktsegmente oder Märkte gründen Die Regeln der Airline Branche:
Es geht auch anders:
Flüge nur von großen und teuren Airports der großen Städte
Flüge von günstigen Provinzflughäfen
Komplexe Streckenkombinationen sind notwendig
Von Punkt zu Punkt Flüge haben Priorität
Nur Langstreckenflüge verdienen Geld
„Shuttle“-Betrieb für Kurzstrecke
Flotte unterschiedlicher Flugzeugtypen
Nur ein Flugzeugtyp
Man braucht
Man braucht
Mehrere Klassen Airport-Lounge Eincheck-Terminals im Flughafen Bordservice
Nur eine Klasse Keine Lounge Einchecken per Internet / Call Center Bordservice gegen Bezahlung
Alte Spielregeln über Bord werfen. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.1 Ryanair
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
131
• • • • •
Eine Fluggesellschaft muss von den großen Flughäfen der Welt aus fliegen. Geld kann man nur mit Langstreckenflügen verdienen. Ein Shuttle-Service kann nicht wirtschaftlich kalkuliert werden. Eine Airline benötigt für ihren Betrieb verschiedene Flugzeugtypen. Im Flugzeug braucht man verschiedene Buchungsklassen, um Geld zu verdienen. • Eine Lounge am Flughafen ist notwendig. • Das Einchecken erfolgt im Flughafen am eigenen Terminal. • An Bord wird ein Catering benötigt. Doch dann hat es ein Außenseiter gewagt, neue Spielregeln einzuführen, die den Markt revolutioniert haben. Am Anfang stand Ryanair vor der Frage, wie es im Konzert der großen Airlines mitspielen könnte. Gibt es überhaupt eine Chance, ein profitables Unternehmen aufzubauen oder wird Ryanair von den Großen erdrückt, wenn es nach deren Regeln spielt? Hätte es für Ryanair überhaupt Sinn gemacht, wie die anderen Airlines zu agieren und immer zweiter oder sogar dritter Sieger zu sein? Es hätten alle Voraussetzungen gefehlt, um sich ordentlich im Markt zu bewegen. Ryanair hat zunächst versucht, nur mit günstigeren Preisen als die etablierten Fluggesellschaften in einem Markt, der nach anderen Regeln spielt, teilzunehmen. Es war aber so nicht möglich, wirtschaftlich zu überleben. Ein solches Spiel war nicht zu gewinnen. Ryanair musste einen anderen Weg gehen. Sie waren überzeugt, das Verbraucherverhalten ändern zu können und sahen einen riesigen Markt für günstige Flüge. Um dies wirtschaftlich zu realisieren, mussten neue Regeln her. Mit einer völlig neuen Kategorie der „Billigflieger“, auf die man sich in allen Strukturen einstellen konnte, war es möglich erfolgreich zu arbeiten. Die Frage sei erlaubt, ob es die beschriebenen Branchengesetze überhaupt gegeben hat, oder ob sie vielmehr von den Großen im Spiel gewünscht und gepflegt wurden? Nun folgen die Regeln, nach denen Ryanair im Markt agierte. Vergleichen Sie selbst, was alles passiert ist und welche neuen Regeln aufgestellt wurden: • Ryanair fliegt von und zu Provinzflughäfen. Der Kunde organisiert den Weitertransfer in die großen Städte auf eigene Kosten. • Ryanair bietet nur Shuttle-Flüge an, oft mit einer Flugzeit von bis zu drei Stunden. • Auf verschiedene Flugzeugtypen wird verzichtet, man ordert nur einen Typ; den aber in größeren Stückzahlen, mit höheren Rabatten der Hersteller. Die
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•
• • •
6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Wartung wird dadurch vereinfacht, man denke an das Personal, die Schulung und die Ersatzteile. Bei Ryanair gibt es im Flugzeug nur eine Buchungsklasse. Alles ist gleich und wer zuerst kommt, kann sich seinen Platz aussuchen. Allerdings kann man via Internet auch einen kostenpflichtigen Priority Check In buchen und darf dann etwas früher einsteigen. Preisunterschiede gibt es nur hinsichtlich der Gepäckmitnahme. Auf eine Lounge im Flughafen wird verzichtet. Das Einchecken erfolgt im Internet oder per Telefon-Hotline. Wer an Bord etwas zu trinken oder zu essen wünscht, muss dies bezahlen.
Interessant fand ich die Begründung für den Verzicht auf die kostenlosen Erdnüsse, die bei den anderen Airlines Kult sind. Nicht die Kosten für die Erdnüsse werden von Ryanair vermieden, sondern die aufwändige Reinigung nach dem Verzehr der Nüsse. Wer an die vielen im Flugzeug verstreuten Erdnüsse nach der Landung denkt, versteht warum. Ryanair hat auch in weiteren Bereichen Neues eingeführt, die das eigene Konzept stützen. So werden Werbeflächen im Flugzeug vermietet und die Passagiere hören sich während ihrer Reise in den Urlaub Hörfunk-Spots von Gewinnspielen an. In überregionalen Tageszeitungen findet man Preise für Flugtickets, die vorher unvorstellbar waren. Wir können nun für ein paar Euro nach London, Pisa oder Wien fliegen. Oft kosteten die Tickets nur zehn Euro, vielleicht irgendwann einmal gar nichts mehr. Temporär war dies ja schon ab und zu der Fall. Ryanair verdient sein Geld nicht nur mit dem Fliegen, sondern mit den vielen Zusatzangeboten, die der Passagier während des Fluges „erleben“ darf. Ryanair ist als Spielmacher aufgetreten und schafft ein Segment mit eigenen Regeln, indem erst einmal alle bisherigen Regeln und Branchenusancen infrage gestellt wurden. Damit befand sich Ryanair auf der sogenannten „grünen Wiese“ wieder und konnte neu und unbelastet von dem „Alten“ ein neues Spiel beginnen, ein neues Marktsegment schaffen. Ryanair war bereit, einen solchen Schritt zu gehen und fand dies offensichtlich intelligenter als nach fremden Regeln zu spielen. Ryanair hat sein Spiel da begonnen, wo die Etablierten aufgehört haben zu denken oder nicht denken wollten. Das Verbraucherverhalten hat sich mit den neuen Regeln der „Billigflieger“ geändert und gibt uns neue Möglichkeiten, an die wir früher nur im Traum denken konnten. Fliegen zum Taxipreis. Damit wird ein kurzer Städtetrip oder ein Urlaub auch für Menschen möglich, denen dies vorher aufgrund der Kosten nicht möglich war. Wer hätte vor zwanzig Jahren daran gedacht, für ein Wochenende nach Pisa zu fliegen, um dort für einen oder zwei Tage die Sonne zu genießen,
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
133
durch die Stadt zu bummeln oder auch nur eine Pizza zu essen. Die Folgen sind nicht nur für die Airlines und die Kunden zu spüren, sondern auch bei vielen Flughäfen, die nicht zu den Metropolen gehören. Ryanair hat die Spielregeln in der Branche geändert und neue Marktgesetze geschaffen. Das Segment der „Billigflieger“ hat es vorher nicht gegeben, heute ist der Markt ohne sie nicht mehr vorstellbar. Auch die etablierten Airlines sind gezwungen, den Regeländerungen von Ryanair zu folgen und bieten günstigere Flüge an, denn das Segment wächst schnell und nimmt den anderen Airlines Geschäft weg. Die Sinnhaftigkeit und ökologischen Folgen eines so geänderten Verbraucherverhaltens dürfen aber nicht außen vor bleiben. Ryanair lebt dieses neue Segment nach innen und außen sehr konsequent. Wenn Ryanair wie Dinah Deckstein (2009) in einem Spiegel Interview mit O’Leary schrieb, darüber nachdachte, sogar die Toilettenbenutzung kostenpflichtig zu machen, kann man darüber sicher trefflich diskutieren. Laut O’Leary wurde mit Boeing darüber gesprochen, wie entsprechende Apparaturen an den WC-Türen angebracht werden können. Dahinter steckt die Überlegung, die Kunden dazu zu bewegen vor dem Flug im Flughafengebäude die Toiletten zu benutzen. Das Aufstehen und durch die Gänge gehen störe laut Ryanair die anderen Passagiere. Dahinter steht sicher aber auch die Berechnung, wie viele Sitzreihen man durch das Weglassen der Toiletten noch in das Flugzeug montieren kann. Ähnlich wie beim Gepäck kostet alles, was für Ryanair keinen Vorteil bringt oder sogar das Passagiervolumen im Flugzeug negativ beeinträchtigt, Geld. Passagiere nur mit Handgepäck, ohne Zeitverlust am Flughafen mit möglichst vielen Gästen fliegen, ermöglicht erst die Billigstrategie. Ryanair gehört mittlerweile zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Airlines und hat seit langem etablierte Fluggesellschaften weit hinter sich gelassen. Trotz der Kurzstreckenflüge ist der Gewinn pro Fluggast höher als z. B. bei der Lufthansa. Die wiederum ist nun gezwungen eigene Konzepte für dieses Marktsegment zu entwerfen und umzusetzen. Ryanair dagegen beschäftigt sich damit, von der bisherigen Strategie abzuweichen und prüft für die Zukunft abseits der Niedrigpreise, mehr auf Service und Kundenorientierung zu setzen und auch zentraler gelegene Flughäfen anzufliegen. Eine völlige Kehrtwendung wie es scheint. Ryanair betont von dem deutschen Discounter Aldi gelernt zu haben, der seine Sortimente upgradet. Auch wenn damit eine Orientierung an anderen Gesellschaften erfolgt, wäre ein solcher Strategiewechsel aus der heutigen Ryanair Philosophie heraus betrachtet, wieder ein „anders denken“. Grund der Überlegungen ist die Annahme, dass durch gesetzliche Regelungen die Flugpreise steigen und damit die Grundlage für Tickets zum Taxipreis nicht mehr gegeben sein wird. Auch
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
das gehört zum „anders denken“ und einer weitsichtigen Zukunftsplanung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass ein Unternehmen wie Ryanair immer für eine Überraschung gut ist und auch in einem kundenorientierteren Umfeld mit anderen Ideen aufwarten wird. Es wird sich zeigen, ob ein anderes denken und Spielregeln ändern nur vom Chef Michael O’Leary ausgeht oder diese Philosophie auch von anderen Führungskräften weitergetragen wird.
6.1.2 Red Bull Red Bull ist ein Beispiel dafür, wie in einem bestehenden und von großen Marktteilnehmern besetzten Markt neue Kategorien bzw. neue Teilmärkte eröffnet werden können (Abb. 6.2). Die Geschichte von Red Bull beginnt im Jahr 1984. Auf einer seiner Reisen entdeckte Dietrich Mateschitz, ein Getränk in kleinen braunen Flaschen, dessen Inhalt ihm dabei half, den Jetlag zu überwinden. Das Getränk hieß Krating Daeng, auf Deutsch „Roter Wasserbüffel“. Auf einer Liste der größten Steuerzahler Japans hatte er ziemlich weit vorne den für ihn unbekannten Namen des Besitzers eines Aufputschmittels gesehen. Diese Liste hatte ihn inspiriert, sich mit dem Thema zu beschäftigen und so stieß er über einen thailändischen
Beispiel: Red Bull
Neue Marktsegmente oder Märkte gründen Warum eine neue Limonade gegen Coca Cola und Pepsi positionieren?
Besser ein eigenes Spiel „Energy Drink“ eröffnen
Schmeckt schlechter
Wirkung muss man schmecken
Ist viel teurer
Wirkung kostet Geld
Übermächtige Gegner im Markt
Kein Spaßgetränk
Red Bull kann dieses Spiel nur verlieren
Red Bull spielt nach eigenen Regeln
Einen neuen Markt mit eigenen Spielregeln erfinden. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.2 Red Bull
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
135
Geschäftspartner auf das Getränk. Dietrich Mateschitz war zu dieser Zeit Marketingmanager bei Blendax. Er war begeistert von der Wirkung des Getränks, sah auch in Europa ein großes Potenzial dafür und beschloss sich damit selbstständig zu machen. Er besorgte sich die Rezeptur des Roten Wasserbüffels, reicherte das Getränk mit Kohlensäure an und gründete mit einem Geschäftspartner sein eigenes Unternehmen. Mateschitz steckte sein gesamtes Vermögen in das Unternehmen und entwickelte ein Konzept für sein Produkt: angefangen beim Namen, über den Endverbraucherpreis bis zur Verpackung. Er nannte es Red Bull. Wie es ein Marketingmann gewohnt ist, ging er mit seinem neuen Produkt, bevor es in den Markt eingeführt wird, in eine Marktforschung um zu erfahren, wie der Konsument auf das neue Produkt reagiert. Das Ergebnis der Marktforschung war allerdings sehr ernüchternd. Die Teilnehmer der Studie wollten das Produkt nicht, es schmeckte nach flüssigen Gummibärchen, manchen sogar nach Hustensaft. Das Getränk war vielen einfach zu süß, sirupartig und zu teuer. Fast alle, die das Testprodukt probierten, sagten, dass die Brause, die Limonade nicht schmeckte. Das Produkt Red Bull war in den Tests knallhart durchgefallen. Ein herber Rückschlag für Mateschitz, der so überzeugt von seinem Produkt und Konzept war. Red Bull war bei den Marktforschungstest in den Augen der Probanden gegen andere Limonaden von Coca Cola und Pepsi positioniert. Für sie war es ein Getränk, es war süß und es sprudelte, also eindeutig eine Limonade. Die aufputschende Wirkung des Getränks Red Bull wurde von den Probanden nicht erkannt oder gewürdigt. Aber hat eine neue Limonade gegen die riesigen Konzerne von Coca Cola und Pepsi überhaupt eine Chance? Ist eine Positionierung neben Cola, Fanta und den anderen Limonaden überhaupt gewollt? Im Spiel der Limonaden gelten natürlich spezielle Maßstäbe, primäres Kriterium ist der Geschmack, daneben auch der Preis. Dagegen haben „zerlaufene Gummibärchen“ keine reelle Chance. Red Bull schmeckte nicht im Vergleich zu Cola und Fanta, die Wirkung zählte hier nicht. Diesen Markt als Mitspieler anzugreifen hatte keinen Sinn, das Spiel wäre von vornherein verloren. Mateschitz hat dies erkannt, war aber immer noch überzeugt von seinem Produkt. Er erkannte auch, dass offensichtlich die Positionierung und nicht das Produkt selbst der Grund für den Misserfolg in den Tests war. Mateschitz handelte wie ein Spielmacher und verließ die Rolle des Mitspielers. Er entschied sich ein neues Spiel, einen neuen Teilmarkt zu eröffnen. Er wollte einen Markt, in dem er die Spielregeln aufstellt und dann nach seinen Regeln im Markt agiert wird. Die neuen Regeln würden natürlich Red Bull viel
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
vorteilhafter dastehen lassen und die anderen Limonaden im Vergleich deutlich schlechter. Der Markt für „Energy Drinks“ wurde geboren. In diesem Markt zählt nicht nur der Geschmack, hier zählt die Wirkung. Im Vergleich dazu sind die Limonaden nur Brause zum schnellen Durstlöschen. Ein Energy Drink muss Wirkung zeigen und Wirkung muss man schmecken. Und Wirkung schmeckt natürlich nicht nach süßer Limonade. Die große Wirkung zeigt sich auch im höheren Preis, der eine in der Getränkeindustrie hohe Marge ermöglicht. Die auffallende, völlig einzigartige kleine 250 Milliliter-Dose, Wirkung gibt es natürlich nur in kleineren Dosierungen, die neuartige und freche Werbung („Red Bull verleiht Flüüügel“) gehören zum Konzept und unterstützen den Siegeszug des neuen Energy Drinks Red Bull. Der Werbeetat inklusive des Sportsponsorings von Red Bull zählt zu den größten Werbeetats der Welt. Red Bull hat den Markt der Energy Drinks geschaffen, um sein Produkt in den Augen der Konsumenten vorteilhafter dastehen zu lassen. Das hat, wenn auch mit etwas Verzögerung, hervorragend funktioniert. Ausgelöst durch die herbe Enttäuschung bei den Produkttests wurde eine neue Kategorie geschaffen. Selbst die großen Konzerne müssen sich nun im Spiel der Energy Drinks nach den neuen Regeln von Red Bull richten. Tatsächlich versuchen die großen Getränkehersteller nun auf dem neuen Markt Fuß zu fassen, eine Bestätigung für Mateschitz. Das Spiel als Mitspieler zu spielen, hätte er glanzlos verloren. Als Spielmacher hat er alles gewonnen und reizt Coca Cola und Pepsi indem er eine Red Bull Cola auf den Markt gebracht hat. Die anderen werden sehr wachsam sein und beobachten, was da noch alles aus Österreich kommt. Mateschitz hat mit Red Bull eine Menge Geld verdient, fährt mit seinem eigenen Rennstall in der Formel Eins zu mehreren Weltmeisterschaften, besitzt mit Red Bull Salzburg einen eigenen Fußballclub in Österreich, einen in den USA und mit RB Leipzig einen in Deutschland. Red Bull hat sich erfolgreich vom Szenegetränk in die breite Masse begeben und ist wie Coke und Pepsi zu einer Weltmarke geworden. Mittlerweile gibt es mehr als 100 Wettbewerbsprodukte; in einem Segment, das es vorher nicht gab. Red Bull begibt sich aber auch auf neue Gebiete. Mateschitz kaufte einen TV-Sender in Salzburg und legte einen Handytarif auf. Die Überlegung dahinter ist, sich mittels dieser Medien das Interesse der Jugendlichen an den Red Bull Events zu sichern, umfassend darüber zu informieren und darüber den Absatz der Getränke zu forcieren. Unvergessen ist der Sprung aus dem All „Red Bull Stratos“ bei dem der Extremsportler Felix Baumgartner im Oktober 2012 aus einer Höhe von fast 39.000 Metern von einem Heliumballon aus der Stratospähre Richtung Erdboden absprang. Er durchbrach bei diesem Sprung die Schallmauer
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
137
Beispiel: Cirque du Soleil
Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
Das galt bisher in der Zirkuswelt:
Es geht auch anders:
Zelt mit einfacher Ausstattung
Komfortables, schickes Zelt
Programm aus isolierten Nummern
Programm mit durchgehender Thematik
Optimieren bestehender Nummern
Einführung künstlerischer Akrobatik
Clowns bieten Klamauk
Clowns bieten intellektuellen Witz
Tiernummern sind Pflicht
Verzicht auf Tiernummern
Auftritt an einem Ort
Mehrfachproduktion
Eigenes Orchester
Hohe Qualität in Ton-u. Lichttechnik
Verbindung von Zirkus und Theater. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.3 Cirque du Soleil
und bei dem Nachrichtensender n-tv verfolgten über sieben Millionen Zuschauer das Ereignis. Hohe Kosten für Red Bull, aber eine Werbewirkung, die ein Vielfaches darüber lag. Das Projekt Stratos soll ca. 50 Mio. EUR gekostet haben, aber eine Werbewirkung von mehreren Milliarden Euro gehabt haben. Dietrich Mateschitz ist am 22. Oktober 2022 im Alter von 78 Jahren in Österreich gestorben. Es wird spannend sein, wie seine Nachfolger Red Bull weiterführen. Sind neue Mitarbeiter, die etwa aus großen Konzernen kommen, in der Lage, sich mit den für Red Bull typischen unkonventionellen Methoden im Markt zu bewegen? Wird die Philosophie des anders denkens auch von anderen in der Führung des Unternehmens weiter getragen? Das Know-how dazu ist mit Sicherheit vorhanden.
6.1.3 Cirque du Soleil Auch in der Unterhaltungsbranche lässt sich mit einem anderen Denken ohne Grenzen eine neue Kategorie schaffen. Cirque du Soleil bestätigt dies eindrucksvoll (Abb. 6.3).
138
6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Der Zirkus wurde Anfang des 18. Jahrhunderts von Philip Astley erfunden und war anfangs eine reine Pferdeschau. In den folgenden Jahren hat sich das Zirkusprogramm mit der Integration weiterer Tiernummern, Clowns und Artisten entwickelt und hatte in Deutschland seinen Namen durch die Familien Busch und Krone. Die Differenzierung unter den Zirkusbetrieben bestand in der Optimierung der existenten Nummern im Programm und führte zu einer immer teurer werdenden Verpflichtung hochkarätiger und bekannter Artisten. Die Tiernummern wurden immer aufwändiger, obwohl gerade diese hohe Kosten durch Pflege, Futter und medizinische Betreuung verursachten. Das Zirkuszelt wurde zwar immer größer, aber das Publikum musste weiter relativ unbequem sitzen. Das eigene Orchester war ebenfalls nicht wegzudenken, verursachte jedoch hohe Kosten. Der Zirkus bekam ein Problem wirtschaftlich zu arbeiten und tingelte von Stadt zu Stadt. In dieser Situation gründete 1983 Guy Laliberté, ein kanadischer Straßenkünstler, den Cirque du Soleil. Anfangs war das Projekt nur für die 450-Jahrfeier von Quebec als Straßenveranstaltung gedacht. Durch den großen Zuspruch angespornt blieb das Projekt nach dem Jubiläum bestehen. Guy Laliberté wollte keinen Zirkus im herkömmlichen Sinn aufbauen, er wollte etwas völlig Neues. Ihm schwebte ein ganz anderes Erlebnis in einem anderen Rahmen für die Zuschauer vor. Er wollte die Zirkus- und Theaterwelt verbinden. Er dachte anders als die anderen. Er hat sich die alten Regeln der Zirkuswelt angeschaut und sie dann bewusst gebrochen, um eine neue Welt der Unterhaltung aufzubauen. Das Cirque du Soleil Zelt hat keine unbequemen Holzbänke, sondern komfortable Sitze wie in einem Theater. Und genau dieses Publikum wollte er in den Zirkus seiner Vision holen. Das Programm steht unter einem bestimmten Motto und dieses zieht sich durch die gesamte Aufführung. Es entstanden Shows wie Alegria, Saltimbanco, Luzia und verschiedene feste Programme in Las Vegas. Der traditionelle Zirkus dagegen war eine Aneinanderreihung isolierter Nummern, ohne roten Faden. Im Gegensatz zum Zirkus, bei dem die Tiernummern Pflicht waren, verzichtet Cirque du Soleil auf diesen aufwändigen und teuren Teil. Dafür werden künstlerische und artistische Neuheiten in das Programm integriert, bei denen die Ästhetik im Vordergrund steht. Die Clowns im Zirkus bieten Klamauk, im Cirque du Soleil bieten sie intelligenten Witz. Auch auf einen weiteren Pflichtteil im Zirkus wird im Cirque du Soleil verzichtet. Das Orchester wird durch eine aufwändige und flexible Tontechnik ersetzt, die mit einer perfekt darauf abgestimmten Licht- und Lasertechnik ergänzt wird. Während das klassische Zirkusprogramm immer nur an einem Ort aufgeführt wurde, produzieren die Regisseure, die Autoren und Choreografen des Cirque
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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du Soleil, Mehrfachshows, die zeitgleich von unterschiedlichen Teams an verschiedenen Veranstaltungsorten aufgeführt werden. So werden die hohen Kosten für die Entstehung eines Programms deutlich schneller wieder eingespielt. Der Zirkus wurde neu erfunden und im Gegensatz zu den Familienbetrieben des Zirkus, ist Cirque du Soleil mittlerweile ein Unternehmen mit über viertausend Mitarbeitern und über 150 Mio. Zuschauern weltweit. Mittlerweile hat eine Investorengruppe die Mehrheitsanteile übernommen und Guy Laliberté hält noch einen Minderheitsanteil. Durch Regeländerungen und -brüche ist eine neue Kombination von Zirkus und Theater entstanden, wofür die Zuschauer auch höhere Eintrittspreise zu zahlen bereit sind.
6.1.4 Europa-Park Wenn ein Unternehmen, das Fahrgeschäfte für Jahrmärkte entwickelt, produziert und verkauft, in der nächsten Unternehmer-Generation offene Stellen für Bilanzbuchhalter, Bauingenieure, Köche, Eiskunstlauftrainer, Busfahrer und Kosmetiker ausschreibt, wird sich dieses Unternehmen in seiner Entwicklung und Veränderung mehr als einmal über Hindernisse hinweggesetzt und vermeintliche Beschränkungen nicht akzeptiert haben. Das Unternehmen Mack Rides in Waldkirch war weltweit bekannt für seine Achterbahnen, Autoscooter und die „Wilde Maus“. Schon 1780 wurde der Betrieb gegründet und einige Generationen später in der Nachfolge von Franz Mack geleitet. Sein Sohn Roland trat Anfang der 1970er-Jahre in das Unternehmen ein. Die geschäftliche Entwicklung war gut, aber das Freizeitverhalten der Menschen begann sich zu verändern. 1955 wurde in Kalifornien mit dem Disneyland der erste stationäre Themenpark der Welt eröffnet, 1967 in der Nähe von Köln das Phantasialand, Kino und Fernsehen wurden für die Schausteller und Jahrmärkte harte Wettbewerber um die freie Zeit der Bevölkerung. Roland und Franz Mack haben die äußeren Einflüsse auf ihr Geschäft hautnah erlebt und wollten in ihrem Unternehmen etwas verändern, denn sowohl die Schausteller, als auch die stationären Jahrmärkte, wie das Tivoli in Kopenhagen, der Wiener Prater und das Disneyland in den USA, waren Kunden der Macks. Anfang der 1970er-Jahre besuchten Franz und Roland Mack einige Freizeitparks in den USA, um neue Kunden zu gewinnen. Bei den Besuchen erkannte Roland Mack, dass sie, durch ihre Kompetenz und ihr Know-how bei den Fahrgeschäften, den Kernbereich eines Freizeitparks selbst bestreiten könnten. Er
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.4 Europa-Park Logo. (Quelle Europapark)
hatte die Idee, eine große Ausstellungsfläche der Mackschen Fahrattraktionen zu schaffen, in der die potenziellen Kunden die Produkte ausprobieren und begutachten konnten. Ein überdimensionaler Showroom mit aktiv betriebenen Fahrgeschäften, zur Unterstützung des Kerngeschäfts und der Versuch in ein neues, angrenzendes Geschäftsfeld einzusteigen. Einen solchen Präsentationspark gab es bisher nicht. Der Aufwand, alle eigenen Produkte zu produzieren und fahrbereit aufzubauen, war enorm. Aber in Verbindung mit zahlenden Besuchern könnte das funktionieren. Es war eine faszinierende Idee, zwei benachbarte Bereiche in einem neuen Geschäftsfeld zu verbinden. Ein Gelände für den Park wurde in Rust, nahe Freiburg, gefunden. Nachdem die Banken skeptisch und ablehnend auf die Idee reagierten, hat die Familie Mack unter Mithilfe einiger Freunde den finanziellen und physischen Aufwand in eigener Regie gestemmt. Roland Macks Ziel war es, nicht einen stationären Jahrmarkt unter freiem Himmel zu eröffnen, sondern der Park sollte völlig anders sein als einfach nur „draußen“. Es sollte ein Themenpark entstehen, in dem die Besonderheiten einzelner Länder die Schwerpunkte bestimmen. Ein bekannter Bühnenarchitekt wurde engagiert und schuf eigene, zusammenhängende Welten für den Park. Auf eine Kulisse aus Pappmaché wurde zugunsten solider Bauten verzichtet, in die die verschiedenen Fahrgeschäfte, Restaurants und Shops integriert wurden. Im Juli 1975 wurde der Europa-Park Rust (Abb. 6.4) eröffnet und hatte schon im ersten Jahr 250.000 und nach drei Jahren eine Million Besucher. Inzwischen war auch Jürgen Mack, der Bruder von Roland Mack, in die Geschäftsführung eingestiegen und der Umsatz der „Unterstützungs-Maßnahme“ für das Fahrgeschäft lag über dem des ursprünglichen Kerngeschäfts. Ruster Bürger hatten übrigens von Anfang an freien Eintritt in den EuropaPark, was einige Achterbahn-Fans dazu bewogen hat, ihren Wohnsitz nach Rust zu legen. Das Einzugsgebiet einer großen Freizeiteinrichtung lag üblicherweise im Umkreis von gut zwei Autostunden. Das 1992 in Paris eröffnete Disneyland liegt gerade einmal vier Stunden von Rust entfernt und konnte ein potenzieller Wettbewerber werden. Roland Mack wollte in dieser Situation agieren und
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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hatte eine ungewöhnliche Idee den Europa-Park vom Disneyland Paris zu differenzieren und gleichzeitig das Einzugsgebiet für den Park zu erweitern. Er betritt wieder als Spielmacher ein neues Feld. Wenn die Besucher des Europa-Parks eine Übernachtungsmöglichkeit hätten, würde sich auch eine längere Anreise zum Park lohnen. Das Einzugsgebiet würde sich schlagartig auf ganz Deutschland und die angrenzenden Länder erweitern. Die Hotels und Pensionen in der Nähe von Rust reichten dafür bei weitem nicht aus. Roland Mack versuchte verschiedene Hotelkonzerne von seiner Idee, ein eigenes Hotel im Park zu bauen, zu überzeugen. Alle winkten ab, keiner glaubte an eine wirtschaftliche Auslastung. Ein Hotel in einem Freizeitpark, das gab es bisher nicht. Roland Mack überzeugte seinen Vater von seiner Idee und 1995 wurde mit dem „El Andaluz “ das erste eigene Hotel im Europa-Park eröffnet. Die Besucherzahlen lagen mittlerweile über 2,5 Mio. und weitere Hotels im Europa-Park sind entstanden und laden nun auch zu einem Kurzurlaub ein. Ein Freizeitpark hat während der Sommermonate geöffnet und während der Wintermonate wird renoviert, neue Attraktionen werden aufgebaut und der Geschäftsbetrieb liegt still. Wirtschaftlich ein großes Problem für die Betreiber. Aber warum sollte das so bleiben? Warum sollte ein Freizeitpark nicht auch im Winter Gäste anziehen können, die wiederum die Hotels besser auslasten? Roland Mack wollte die branchenübliche Regel der beschränkten Öffnungszeiten nicht akzeptieren. 2001 wird erstmals ein Weihnachtsmarkt im Park durchgeführt und 180.000 Besucher nutzen das Angebot und genießen u. a. Glühwein in einem Freizeitpark. Roland Mack schaffte es, eine weitere vermeintliche Branchenregel zu brechen. Heute hat der Europa-Park nur in den drei Monaten November, Februar und März geschlossen. In der Wintersaison kommen rund 500.000 Besucher und lasten auch das Personal besser aus, sodass der Europa-Park zum Ausbildungsbetrieb mit einer eigenen Europa-Park Akademie geworden ist. Der Europa-Park war nun ein Freizeitpark mit eigenen Hotels und einer selbstgeschaffenen Wintersaison. Neue Standards in der Branche waren gesetzt und durch die Verbindung von Park und Hotel kam Roland Mack auf eine neue Idee, Geschäftsfelder miteinander zu verbinden. Warum sollte der Europa-Park nicht auch Räumlichkeiten und Management für Tagungen anbieten? Hotels waren vorhanden und der Park für Events attraktiv. Das „Confertainment“, eine Wortschöpfung aus „Conference“ und „Entertainment“, wurde 1998 eröffnet. Ab jetzt konnten im Europa-Park Tagungen und Firmenevents durchgeführt werden, die wiederum bei mehrtägigen Veranstaltungen die Übernachtungszahlen erhöhen. Die bei einer Tagung notwendigen Events bietet der Park in einer bisher nicht dagewesenen Vielfalt und Attraktivität. Exklusives Achterbahnfahren am Abend
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nach der Tagung, wer kann so etwas schon bieten? Heute werden fast 1500 Veranstaltungen im Jahr im Confertainment durchgeführt. Dadurch, dass der Park immer neue, abwechselnde und echte Bauten als Kulisse bietet, ist er für viele Fernsehsender interessant geworden. Für die dort produzierten Sendungen brauchen die Sender keine eigene Kulisse entwerfen und erstellen, sie brauchen sich nicht einmal um ein eigenes Publikum Gedanken machen. Alles ist schon vorhanden. Rund 200 Sendungen werden aktuell aus dem Europa-Park gesendet. Kostenlose Werbung für den Park und positiv für die Auslastung. Michael und Thomas Mack, die Söhne von Roland Mack, sind seit 2005 ebenfalls in der Geschäftsführung und entwickeln die Idee des Parks und seines Umfelds immer weiter. Michael Mack, verantwortlich u. a. für Entertainment und Operations, erarbeitet z. B. Lizenzen und Figuren für den Park, die auch in Filmen platziert oder Inhalt eigener Filme werden sollen. Ein Support für den Park und die Option auf ein neues Geschäftsfeld. Thomas Mack, u. a. verantwortlich für die Hotels und die Gastronomie im Park, hat seinen Vater von der Notwendigkeit eines Sterne Restaurants im Park überzeugt, obwohl es dies weltweit in einem Freizeitpark bisher nicht gab. Nach seinen Überlegungen würde ein Sterne Restaurant ein anderes Gäste-Klientel erreichen. Manager und Unternehmer, die das Sterne Restaurant geschäftlich besuchen, könnten, angeregt durch den Park, ihre nächste Firmenveranstaltung im Europa-Park Confertainment planen und die Auslastung des Conference Centers erhöhen. Das Projekt wurde umgesetzt und das Restaurant „Ammolite“ hat seinen zweiten Michelin-Stern erhalten. Im November 2022 wurde das Eatrelanin eröffnet, ein Gastronomieerlebnis bei dem eine Reise durch unterschiedliche Länder kombiniert wird mit den jeweiligen kulinarischen Genusswelten. Die Gäste werden mit einem „Floating Chair“ durch elf unterschiedliche Räume geleitet und gehen während der nächsten zwei Stunden auf eine genussliche Reise. Ein solches kulinarisches und alle Sinne ansprechendes Erlebnis ist einzigartig. Heute besuchen rund 6 Mio. Menschen jährlich den Europa-Park (Abb. 6.5), mit seinen 4.500 Mitarbeitern. Er bietet in seinen sechs Hotels mehr als 6.000 Betten und ist damit das größte zusammenhängende Hotelresort in Deutschland. Die Hotelauslastung liegt mit 90 % im Spitzenfeld der Hotelbranche. Die Besucher haben an 45 Stellen im Park die Möglichkeit etwas zu essen. Vom Fastfood-Snack, über Eis bis zum Gourmetangebot kann der Besucher seine Wahl treffen. Die Gastronomie im Europa-Park ist inzwischen die umsatzstärkste in Deutschland. Der Park bietet über 100 Attraktionen, davon alleine 13 Achterbahnen und bis zu 23 h Showprogramm
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Abb. 6.5 Europa-Park Foto. (Quelle Europapark)
am Tag. In den ersten fünzig Jahren seines Bestehens zählte der Europa-Park insgesamt über 130 Mio. Besucher. Ist damit irgendwann eine Grenze im Angebot erreicht und wie gelingt der Spagat zwischen immer neuen Angeboten und einer möglichen Überforderung der Gäste? Roland Mack und seine Familie haben sich darüber viele Gedanken gemacht und z. B. den Aufbau eines zweiten Freizeitparks an anderer Stelle genauso verworfen, wie den Park nur durch die Größe zu entwickeln. Der Europa-Park soll ein Familienbetrieb und authentisch bleiben und die Nachhaltigkeit soll gesichert sein. Entschieden haben sie sich für einen zweiten, angrenzenden Park, der andere inhaltliche Schwerpunkte haben wird und die heutigen Angebote ergänzen soll, ohne den Besucher zu übersättigen. 2013 hatte die Planung für einen Wasserpark begonnen, der 2019 unter dem Namen „Rulantica“ eröffnet wurde (Abb. 6.6). Ein großer Schritt in Richtung eines neuen Geschäftsfeldes „Urlaub“. Roland Mack hat aus dem Produktionsbetrieb für Fahrgeschäfte ein neues Geschäftssegment (Abb. 6.7) mit einer Mischung aus Broadway, Cirque du Soleil, Holiday On Ice, Hotellerie, Gastronomie, Jahrmarkt und „einfach nur Spaß haben“ kreiert und dabei gegen viele ehemalige Branchenregeln verstoßen. Er war dabei immer seine eigene Opposition und hat den Park durch die Augen des Besuchers gesehen. 2013 wurde ihm vom Karlsruher Institut für Technologie die Ehrendoktorwürde verliehen und Benno Stieber hat 2014 ein Buch über ihn veröffentlicht.
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Abb. 6.6 Rulantica. (Quelle Europapark)
Durch kürzere Arbeitszeiten, die Rente mit 63 und die Veränderung in der Altersstruktur der Menschen, wird sich das Freizeitverhalten weiter verändern. Eine herausfordernde Aufgabe für die Zukunft. Vielleicht gibt es demnächst ein spezielles Parkangebot für Besucher in der Altersklasse 60 bis 80 Jahre. Weitere Informationen unter www.europapark.de
6.1.5 Kirschenhofer Maschinen Kirschenhofer ist ein Unternehmen aus dem Sondermaschinenbau mit Sitz in Nersingen-Straß (Abb. 6.8). Alle Funktionen von der Konstruktion bis zur Montage einer Anlage, sowie Schulung und Service sind dort angesiedelt. Kirschenhofer wurde 1995 von Walter Kirschenhofer als Konstruktionsbüro aufgebaut. Aber viele existente Maschinenbauer waren nicht in der Lage, die von ihm konstruierten Maschinen zu bauen. „Anders als die anderen“ Konstruktionsbüros baute er aus diesem Grund eine eigene Fertigung und Montage auf.
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Europa-Park Produktion Fahrgeschäfte Freizeitpark Präsentation Fahrgeschäfte
Aquapark
Hotellerie
Gastronomie
Confertainment © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.7 Europa-Park Übersicht
Abb. 6.8 Kirschenhofer Maschinen GmbH Logo
Kirschenhofer ist im Sondermaschinenbau im Bereich Prüfautomaten sowie Montage- und Stapelanlagen vertreten. Ein weltweit führender Anbieter ist Kirschenhofer bei Anlagen zur Katalysatorherstellung im PKW- und LKW-Bereich. Kirschenhofer Maschinen stehen in den USA, Südamerika, Asien und Europa.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.9 Roboter YASKAWA. (Bildquelle YASKAWA)
PKW-Abgasanlagen werden durch die zunehmende E-Mobilität bei den Fahrzeugen irgendwann obsolet. Eine große Herausforderung für ein Unternehmen, das in diesem Bereich eine hohe Kernkompetenz besitzt. Ließe sich aus dieser Kompetenz zusammen mit dem Know how in der Softwarentwicklung für die konstruierten Anlagen, ein neues Geschäftsfeld entwickeln? Hariton Kirschenhofer, der Schwager von Walter Kirschenhofer, und Craig Craill haben ihren Status Quo infrage gestellt und ihren Blickwinkel vom bestehenden Geschäft in eine ganz andere Richtung gelenkt1. Bei der Katalysatorherstellung setzt Kirschenhofer einen Roboter vom japanischen Unternehmen YASKAWA ein und kennt seine Fähigkeiten und Zuverlässigkeit seit Jahren (Abb. 6.9). Die beiden suchten nach einer Branche die Wachstumspotenzial hat und in der der Roboter eine Innovation wäre. Viele Lebensmittelhändler haben sich aus kleinen Ortschaften zurückgezogen, örtliche Bäckereien und Metzger schließen aufgrund von Nachfolgeproblemen und der steigenden Energiepreise und dass, obwohl die Bevölkerung immer älter wird und die Nähe einer Einkaufsstätte ein wichtiger Faktor für sie ist. Die Corona-Krise hat den Einkauf in überfüllten Geschäften zum Problem werden
1 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Hariton Kirschenhofer, Geschäftsführer Kirschenhofer Maschinen GmbH, Robert Bock (Handelsvertretung), 13.07.2022, Nersingen; Craig Craill, Geschäftsführer Kirschenhofer Maschinen GmbH, 25.10.2022, Nersingen
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Abb. 6.10 Logo VPS-ROBERTA®
lassen und gerade ältere Menschen aus den Geschäften ferngehalten. Viele Geschäfte hatten begrenzte Öffnungszeiten oder mussten geschlossen bleiben. Neue Verkaufsformen wurden installiert, 24/7 Einkaufscontainer, wie teo von tegut oder andere Walk-in Container von Rewe oder Lekkerland kamen hinzu. Kirschenhofer ging einen anderen Weg, nachdem sie sich ebenfalls mit einem begehbaren Laden beschäftigt hatten. In einem Laden, der von Menschen besucht wird, werden die Produkte angefasst und auch mal wieder ins Regal zurückgestellt. Gerade unter Corona keine hygienische Lösung. Ein Walk-in muss gereinigt werden und braucht Strom für die Beleuchtung des Ladens. Kirschenhofer wollte seine Erfahrung aus der Robotik nutzen und entwickelte einen stationären Verkaufspunkt, den VPS-ROBERTA® (Abb. 6.10). Er ist eine vollautomatische Verkaufslösung für den Einzelhandel. VPS-Roberta® ist robotergestützt und in sich geschlossen. Kein Publikumsverkehr, sondern eine digitale Einkaufslösung. Der Kunde sucht über ein Display oder über eine App die gewünschten Produkte aus, bezahlt am Terminal und die Ware wird über einen Ausgabeschacht bereitgestellt. Beim Einkaufsvorgang entsteht im Gegensatz zum Einkauf in einem Geschäft oder einem Walk-in keine Hektik. Über das Display und die App sind verschiedene Sprachen mithilfe eines Translater-Programms auswählbar, auch aktuelle Sonderangebote können herausgestellt werden. Ein Walk-in unterliegt den Ladenöffnungszeiten des jeweiligen Bundeslandes, ein Automat – und das ist VPS-ROBERTA® – hat durchgehend „geöffnet“ und wird über fünf Jahre abgeschrieben. Der aus den Anlagen zur Katalysatorherstellung bekannte Roboter von YASKAWA, arbeitet im Inneren der Containereinheit. Durch einen Greifer am Roboter wird die bestellte Ware aus dem Regal im Inneren des Containers entnommen und auf ein Fließband gelegt. Über das Fließband wird die Ware zum Ausgabeschacht befördert. Da sich die Produkte im Regal in Gewicht und Größe unterscheiden, kann der Vakuumgreifer automatisch ausgetauscht werden. Je nach Produkt wird der passende Greifer aus seiner Parkposition im Container an den Roboter angedockt. Im Container können unterschiedliche Temperaturzonen
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Abb. 6.11 VPS-ROBERTA® mit einem Display
eingerichtet werden. Bei Produkten mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) greift sich der Roboter automatisch das Produkt mit dem geringsten MHD. Begehbare Container haben eine Diebstahlqoute von ca. 10 %, in einer Display Lösung ist ein Diebstahl nahezu ausgeschlossen. Das Ausgabefach wirkt wie eine Schleuse, d. h. es besteht keine Möglichkeit, durch das Ausgabefach ins Innere des Containers zu gelangen. Geliefert wird die Einheit komplett inkl. Regalplätzen, Roboter, Display und allen anderen notwendigen Einheiten. Durch das Know how im Bereich Softwareentwicklung, wird nicht nur der Roboter optimal gesteuert, sondern es sind eine Bestandsüberwachung, die Verarbeitung der EAN- und PLU-Codes2 und das komplette Payment integriert. Die Kartenzahlung wird ohne Drittanbieter direkt über die VR-Bank oder eine Wunschbank des Kunden abgerechnet. Provisionszahlungen an einen Provider entfallen damit. Die für alkoholische Getränke, sollten sie angeboten werden, geforderte Altersüberprüfung erfolgt über einen Scanner direkt am Display (Abb. 6.11).
2 PLU
= price look up (Preisabruf)
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Abb. 6.12 VPS ROBERTA® Transport
Voraussetzungen für den Einkaufscontainer sind ein nivellierter, befestigter Untergrund und eine Starkstromleitung. VPS-ROBERTA® ist in der Größe flexibel. Es gibt ihn mit einem oder zwei Displays und Ausgabeschächten und mit entsprechender Regalfläche. Er lässt sich sogar in bestehende Gebäude integrieren. Angeliefert wird das komplette System mit einem Tieflader (Abb. 6.12). Kirschenhofer und VPS- ROBERTA® ist ein Beispiel dafür, wie für ein bestehendes Produkt aufgrund von Marktveränderungen der Status Quo infrage gestellt wird und nach einem neuen Einsatz der eigenen Kernkompetenz gesucht wird. Ein neues Geschäftsfeld ist entstanden und ein Pionier setzt dort die Maßstäbe. Weitere Informationen unter www.kirschenhofer-maschinen-gmbh.de/www. vps-roberta.de
6.1.6 Schwan-STABILO „Wie stabil ist das Bestehende?“3 Diese Frage stellen sich Sebastian Schwanhäußer (Abb. 6.13) und die Schwanhäußer Industrie Holding GmbH & Co. KG permanent.
3 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Sebastian Schwanhäußer, Group CEO, Marion Korbel, Group Communication, Firmengruppe Schwan-STABILO, 27.02.2023, Heroldsberg
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.13 Sebastian Schwanhäußer. (Quelle Schwan-STABILO)
Hinter der Schwanhäußer Industrie Holding verbirgt sich die Schwan-STABILO Gruppe. 1865 kaufte Gustav Adam Schwanhäußer eine Bleistiftfirma und gründete damit ein Familienunternehmen, das heute schon in der fünften Generation von Sebastian Schwanhäußer erfolgreich geführt wird. STABILO International entwickelt und stellt Produkte zum Schreiben, Malen & Zeichnen und Markieren her und ist einer der führenden Schreibgerätehersteller in Europa. Den Textmarker STABILO BOSS (Abb. 6.14) und den Fineliner STABILO point 88 (Abb. 6.15) kennen wir alle. Sie werden weltweit milliardenfach verkauft und sind wahre Klassiker in der Schule, im Büro und zu Hause. Weltweit werden heute fast fünf STABILO BOSS Textmarker pro Sekunde verkauft.
Abb. 6.14 STABILO BOSS Textmarker. (Quelle Schwan-STABILO)
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Abb. 6.15 Fineliner STABILO point 88. (Quelle Schwan-STABILO)
Abb. 6.16 Schwan Logo ca. 1925. (Quelle Schwan-STABILO)
Weitere Produkte zum Schreiben lernen, Malen und Zeichnen, sowie zum Markieren gehören aktuell zum umfangreichen Sortiment. Die Marke STABILO wurde 1925 eingeführt (Abb. 6.16), nachdem es gelungen war, eine bruchfeste (stabile) Bleistiftmine herzustellen. Der Schwan als Markenzeichen steht nicht nur für den Familiennamen, sondern auch für Werte wie Reinheit und Schönheit. 1927 gelingt die erste Ergänzung des Bestehenden, der Herstellung und dem Vertrieb von Schreibgeräten. Anders denken bedeutet auch die bisherigen Anwendungen für ein Produkt nicht als gegeben und als Grenze der Nutzung zu sehen. Wie kann die eigene Kernkompetenz hin zu neuen Anwendungen oder zu neuen Nutzern eingesetzt werden? Welche Anwendungsmöglichkeiten für die Stifte könnte es noch geben? Chirurgen haben den „Dermatographen“ bei Operationen zum Hautmarkieren verwendet (Abb. 6.17). Daraus entwickelt sich der Augenbrauenstift „Schwan Cosmetics Eyebrow Pencil“ und legt den Grundstein für die Kosmetiksparte von Schwan-STABILO. Max Factor, einer der weltweit bekanntesten Kosmetikmarken und Erfinder des Make-ups, kauft bei Schwan
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.17 Dermatograph. (Quelle Schwan-STABILO)
einige dort entwickelte Produkte und lässt sie von Schwan produzieren. Max Factor wurde für seine Produkte und Techniken, die er in den Hollywood Filmstudios einsetzte, 1929 mit einem Oscar ausgezeichnet. In den schweren Jahren nach dem zweiten Weltkrieg mussten Frauen nicht auf das Schminken verzichten. 1945 wurde der Einmal-Lippenstift „Lirola“ auf den Markt gebracht (Abb. 6.18). Um eine für viele Frauen bezahlbare Lösung zum Schminken der Lippen zu haben, wurde im Streichholzbriefchen das Zündmaterial gegen eine Lippenstiftmasse getauscht. Eine neue Anwendungsmöglichkeit für ein bestehendes Grundmaterial. „Die Lilo und die Lola verwenden nur Lirola!“ war der legendäre Slogan. Heute ist das Kosmetikgeschäft bei Schwan-STABILO eine der drei tragenden Säulen des Unternehmens. Schwan Cosmetics steigt seit den 1970er Jahren zum führenden Private-Label-Produzenten auf und stellt für viele namhafte Kosmetikmarken weltweit Produkte vom Kajal, Eye-Shadow, Lippenstift, Lipliner, Eyeliner bis Concealer in Stiftform her und branded sie mit der Marke der Kunden. Zusammen mit den Kunden werden Innovationen und nachhaltige Lösungen entwickelt. So stammt der erste Kosmetikstift mit Drehmechanik aus dem Hause Schwan. Eine eigene Marke im Kosmetiksegment ist bewusst nicht geplant, denn dort gelten deutlich andere Regeln und die würden das Bestehende eher gefährden. Warum den eigenen Kunden Konkurrenz machen, anstatt sie zu stärken. Die dritte Säule, neben den Schreibgeräten und der Kosmetik kam 2006 dazu. „Wie stabil ist das Bestehende?“. Unter Sebastian Schwanhäußer wurde ein Geschäftsbereich gesucht, der anderen Geschäfts-Zyklen als denen der
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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Abb. 6.18 Lirola Einmal-Lippenstift. (Quelle Schwan-STABILO)
bestehenden Bereiche Schreibgeräte und Kosmetik folgt. Das Neue soll das durch die Familie aufgebaute Unternehmen absichern. Folgende Prämissen waren gesetzt: • Die neuen Produkte sollten wie die bisherigen hochwertig sein. • Sie sollten über den Handel vertrieben werden. Das Know How des Verkaufs über den Handel sollte genutzt werden. • Die Produkte sollten anfassbar sein. Dienstleistungen kamen nicht infrage. • Das neue Geschäft sollte – wie das bisherige – den gleichen Trends unterliegen. • Die Zielgruppe sollte möglichst identisch sein. • Es sollte als Ausgleich des Bestenden eine andere Branche sein, also anderen Zyklen folgen. Es sollte der „wirtschaftlichen Logik“ (Sebastian Schwanhäußer) folgen. • Bei Zukäufen sollten die Unternehmen eine führende Position in ihrer Branche einnehmen.
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Entdeckt wurde der Outdoormarkt, er entsprach exakt den definierten Vorgaben. Es gibt wenig globale Marken, dafür viele Pioniere in guten Marktpositionen. Klar war auch, dass keine Fashion-Kleidung produziert werden sollte, die wieder anderen Trends und einer anderen Logik und Logistik folgt. In diesem Bereich sind lange Vorläufe bei der Sortimentsplanung, verbunden mit den Risiken von hohen Lagerbeständen an unverkaufter Ware, oft unkalkulierbar. Zu viele ungewollte Abhängigkeiten. 2006 ergab sich die Möglichkeit die Outdoor Marke „Deuter“ zu übernehmen. Deuter wurde bekannt durch sein hochwertiges Rucksacksortiment. Zum Sortiment gehören auch Schlafsäcke und Taschen. Deuter war ein Pionier in seiner Branche und in einer guten Position am Markt und entsprach damit den vorgegebenen Prämissen. Deuter wurde nicht unter Schwan-STABILO vereinnahmt, sondern wird als eigene Marke und Unternehmen Deuter Sport GmbH weitergeführt. Es sprach sich in der Outdoor Branche herum, dass Deuter zwar nun zu einem Konzern gehörte, aber nicht wie eine Konzerntochter mit Regeln und Vorgaben überhäuft und vielleicht sogar behindert wurde. Schwan-STABILO mischt sich nicht in das Deuter Geschäft ein. Die so gestaltete Integration von Deuter hatte in der Branche quasi eine Leuchtturmfunktion für eine ganz spezielle Form einer Übernahme durch Schwan-STABILO. 2011 kam das Unternehmen ORTOVOX dazu. ORTOVOX ist mit seiner Gründung 1980 ein noch recht junges Unternehmen, das aus dem Bereich Bergsport kommt. Das Sortiment umfasst neben der Mountainwear, der funktionalen Bergsportbekleidung, ein Sortiment an Notfallausrüstung, wie LVS-Geräte (Lawinenversc hüttetensuchgerät), Sonden und Schaufeln. In diesem Bereich gilt ORTOVOX als Pionier. Mit Deuter und ORTOVOX wuchs die Outdoorsparte von SchwanSTABILO kräftig. Mit dem Kauf der Maier Sports Gruppe wurde 2015 der Ausbau der Sparte konsequent weitergeführt. Zur Gruppe gehören Maier Sports und Gonso. Maier Sports entwickelt spezielle Outdoor- und Skibekleidung für die Bereiche Hiking, Trekking und Touring. Maier Sports betreibt eine eigene Näherei und bietet einen Reparaturservice für seine Produkte an. Gonso ist ein Spezialist für Radsportbekleidung und hat als erster Anbieter eine Fahrradhose mit synthetischem Sitzpolster angeboten. Auch ein Revolutionär seiner Branche. Ende 2021 hat sich Schwan-STABILO an dem Outdoor Schuhhersteller Doghammer beteiligt. Doghammer ist ein 2015 gegründetes Start-up, das sich der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Doghammer bietet individuell, fair und in Handarbeit gefertigte Sneaker, Wanderschuhe, Zustiegsschuhe und Hüttenschuhe an. Als speziellen nachhaltigen Service bietet Doghammer die Reparatur der Schuhe
6.1 Neue Marktsegmente oder Märkte gründen
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und den Austausch abgelaufener Sohlen an. Interessierte können auch einen Selfmade Workshop buchen, in dem man unter Anleitung einen eigenen Schuh herstellen kann. Für Sebastian Schwanhäußer ist es spannend und interessant, dass ein Unternehmen vom Start weg nachhaltig produziert, im Gegensatz zu einer erst zu einem späteren Zeitpunkt begonnenen Umstellung der Produktion auf Nachhaltigkeit. Die Beteiligung an Doghammer ist ein weiterer konsequenter Schritt im Ausbau der Sparte Outdoor. Bei den Übernahmen war entscheidend, dass die bisherigen Eigentümer aussteigen wollten und in der zweiten Reihe der Führung Management Skills vorhanden waren, um die Unternehmen zu führen und weiterentwickeln zu können. Was bringt Schwan-STABILO mit in diese Übernahmen? SchwanSTABILO: • • • • •
fungiert als back-up, bringt seine Special Kow-hows z. B. im Bereich Steuern ein, kennt sich detailliert im Markenmanagement aus, lässt das operative Geschäft den einzelnen Unternehmen, versteht sich als spartenübergreifenden Strategic Coach.
Die Holding möchte „ein dezentrales Netzwerk von Kraftwerken schaffen“, so Sebastian Schwanhäußer in unserem Gespräch. Beeindruckend ist die Beschreibung von Sebastian Schwanhäußer, wie Schwan-STABILO zu neuen Ideen und Geschäftsbereichen kommt. Das Unternehmen hat sich eine eigene DNA gegeben. „Genau hinsehen, gut zuhören, dann die richtigen Fragen stellen und auch die Antworten zwischen den Zeilen verstehen – wer das kann, entwickelt erfolgreiche Produkte und erschließt lukrative Märkte. Bei uns sind diese Skills in unserem genetischen Code fest verankert – und dass seit bald 170 Jahren.“ „Chancen erkennen und nutzen. Das ist der Kern unserer DNA“ (Abb. 6.19). Dieser Prozess blickt auf kurzfristige Möglichkeiten und langfristig auf einen Horizont von drei Jahren. Wie wird die Schwan-STABILO DNA im Alltag gelebt? Das Open Office fördert die Gruppenarbeiten deutlich, unterstützt bei der gegenseitigen Neugier auf das Neue und ein strukturiertes Arbeiten. Innovationen kommen so aus den Quellen: • der DNA – Neugier – Mut
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Abb. 6.19 Schwan-STABILO DNA. (Quelle Schwan-STABILO)
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– Weitblick – Verantwortung • vom Markt • von den Kunden Im Outdoor-Bereich sind die Meinungen von Bergführern, Influencern und der Kunden wichtige Input-Geber. Der Prozess ist kurz- und langfristig angelegt. Ein gutes Paket, um für die Zukunft gerüstet zu sein und vor allem, sie aktiv gestalten zu können. Aber auch das ursprüngliche Geschäft mit Schreibgeräten gilt es fit für die Zukunft und verändertes Verbraucherverhalten zu machen. In meinen Vorlesungen waren bis vor zwei Jahren noch die Schlampermäppchen mit einer Vielzahl von Stiften und Markern, neben einem Notizblock auf den Tischen der Studierenden üblich. Mittlerweile sind die Stifte, Marker und das Papier fast vollständig durch Tablets mit Digitalstiften ersetzt. STABILO stellt sich darauf ein und beschäftigt sich aktiv mit dem Thema „Schreiben lernen“ und „Bewegungslernen“ und entwickelt sich zum Experten für motorisches Schreibenlernen. Ein digital unterstützter Schreiblernprozess ist besser als auf Handschrift zu verzichten. Was man schreibt, bleibt länger im Gedächtnis. So werden Instrumente für Lehrkräfte, Ergotherapeuten, Eltern und natürlich für die Kinder selbst mit wissenschaftlicher Unterstützung entwickelt. Hand und Hirn werden angesprochen. So gibt es z. B. eine App, mit der Kinder auf spielerische Weise die richtige Stifthaltung und Schreibmotorik (Druck des Stiftes auf das Papier, Formen zeichnen, Schreibtempo und -rhythmus) erlernen können. Neben Schreiblernheften und ergonomischen Stiften gehören auch digitale Diagnostik-Tools und Seminare zum Angebot von STABILO Education. So z. B. der STABILO EduPen mit Stift und zugehöriger App, mit der Pädagogen die schreibmotorischen Fähigkeiten der Schüler messen und verbessern können. Die Kunden können aktiv im STABILO Innovation Lab mitmachen und dort die Produktentwicklung aktiv durch Online-Studien, Prototypen-Tests und Diskussionen unterstützen. Die Entwicklung vom Bleistifthersteller zum Konzern mit drei verschiedenen Sparten ist beeindruckend. Schwan-STABILO befindet sich zu 100 % in Familienbesitz und ist mit über 5.000 Mitarbeitenden weltweit an 37 Standorten aktiv (Abb. 6.20). Für mich ist Schwan-STABILO als „Anders Denker“ durch die Erweiterung auf Kosmetik und Outdoor ein Beispiel im Segment „Neue Marktsegmente oder Märkte gründen“, aber mit den pädagogischen und digitalen Möglichkeiten
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.20 Schwan-STABILO 2023. (Quelle Schwan-STABILO)
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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bei den Schreibgeräten auch ein Beispiel für „Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren“. Weiter Informationen unter www.Schwan-STABILO.com
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren 6.2.1 Jägermeister Jägermeister ist ein Beispiel, wie über neue Spielregeln – auch in fremden Märkten – ein bestehendes Produkt modernisiert werden kann (Abb. 6.21). Wer kannte in den 1960er-Jahren nicht den Kräuterlikör Jägermeister aus Wolfenbüttel? Der Likör kam 1935 in Deutschland auf den Markt. Günter Mast, ein Nachfahre des Gründers, hatte sich im Markt mit starken Wettbewerbern wie Underberg auseinander zu setzen. Es waren neue Wege zu finden und zu gehen, um aus diesem Wettbewerb auszubrechen und nicht im Preiswettbewerb Marge zu verlieren und unterzugehen. Mast wollte sich durch völlig neue Marketingaktivitäten vom Wettbewerb absetzen und sein Produkt modernisieren. Nach Sponsoring im Motorsport wollte Günter Mast als Sponsor im Fußball auftreten. Ein bis dahin nicht umsetzbarer Weg. Trikotwerbung war vom Deutschen Fußballbund (DFB) verboten. Mast wollte aber mit dem Jägermeister Logo auf das Trikot der Fußballer des benachbarten Bundesligavereins Eintracht Braunschweig. Damals ein bekannter Verein, auch schon einmal
Abb. 6.21 Jägermeister Logo
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Deutscher Meister in der ersten Bundesliga. Mast wählte einen völlig anders gedachten Ansatz um sein Ziel dennoch zu erreichen. Das Vereinsemblem von Eintracht Braunschweig wurde durch das Firmenlogo von Jägermeister, den Hirschen, ersetzt. Die Farbe Orange, ein weiteres Erkennungszeichen von Jägermeister, wurde zur Trikotfarbe des Fußballvereins. Damit war das indirekte Sponsoring legal. Mast war der Wegbereiter für die heute im Fußball nicht mehr wegzudenkende Trikotwerbung, die zudem ein wichtiger finanzieller Bestandteil für die Vereine geworden ist. Für den Verein Eintracht Braunschweig war die Trikotwerbung eine zusätzliche Einnahmequelle, die der Verein dringend benötigte. Die Stadt Braunschweig liegt nah an der damaligen innerdeutschen Grenze. Welcher internationale Fußballstar sollte sich nach Braunschweig verirren und dort Fußball spielen? Mit der Hilfe von Günter Mast gelang es der Eintracht 1977/1978 Paul Breitner, Weltmeister und Spieler von bekannten Vereinen wie Bayern München und Real Madrid, für den Verein zu gewinnen. Auch in der Zeitungswerbung ist Jägermeister einen neuen Weg gegangen. Ganzseitige Anzeigen mit nett aussehenden Damen oder Herren, die einen frechen Spruch von sich geben. „Ich trinke Jägermeister, weil …“ (Abb. 6.22). Das waren für diese Zeit provokative Sprüche. Auch später, als Jägermeister mehr ein Altherrengetränk zu werden drohte, ist es gelungen sich nochmals neu zu positionieren. Heute ist Jägermeister ein echtes Szenegetränk, wird gemixt und pur getrunken und ist weltweit erfolgreich. Die freche Werbung ist geblieben, hat sich aber der sich verändernden Zielgruppe angepasst. Es gibt einen Online Shop für Jägermeister Outfit und viele kultige Gegenstände zur Marke. Das Beispiel Jägermeister zeigt, dass Spielregeln auch über die eigene Branche hinaus, hier bis zum Trikotsponsoring im Fußball, geändert werden können (Abb. 6.23). Jägermeister zeigt auch, dass „anders denken“ nicht eine einmalige Sache oder ein einmaliges Projekt sein darf, sondern ein dynamischer Prozess. Ansonsten wäre es Jägermeister nicht gelungen, bis heute so aktuell zu sein und neue Wege zu gehen. Das Unternehmen und die Marke haben im Marketing neue Möglichkeiten eröffnet. Weitere Informationen unter www.jaegermeister.de.
6.2.2 Spreewaldhof Get One Die Spreewaldhof Obst- und Gemüseverarbeitung zeigt, wie ein bekanntes Gemüse aus der Masse heraustreten und neue Käufergruppen für sich erschließen kann (Abb. 6.24).
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Abb. 6.22 Jägermeister Anzeige
Jeder kennt Gewürzgurken und fast jeder kennt wohl die Spreewald Gurken. Eingelegte Gurken hat man früher lose gekauft und später verpackt im Glas. Wenn wir auf Jahrmärkten mal Appetit auf Gurken haben, gibt es dort auch lose Gurken direkt aus einem Fass zu kaufen. Aber sonst kennen wir Gurken nur aus dem Lebensmittelladen. Die Firma Spreewaldhof aus Golßen hat schon lange Erfahrung im Herstellen von Konserven für Gemüse und Obst. Die ersten Erfahrungen gehen bis ins Jahr 1892 zurück. 1946 wurde das Unternehmen am westlichen Rand des Spreewaldes gegründet. 1990 nach der Wende entsteht das heutige Unternehmen.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Beispiel: Jägermeister
Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren Das galt bisher bei Kräuterlikör:
Es geht auch anders:
„Nüchterne“ Werbung in TV und Print
Werbung mit frechen Sprüchen
Geselligkeit und trautes Heim
Provokation
Neue Werbemedien nicht denkbar
Erster Trikotsponsor im Fußball
Likör trinkt man pur
Jägermeister wird zum Mixgetränk
Kräuterlikör ist für Ältere
Jägermeister wird zum Szenegetränk
Modernisierung einer Marke und Erreichen einer neuen Zielgruppe. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.23 Jägermeister
Abb. 6.24 Spreewaldhof Get One!
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Es wird von den Geschwistern Karin Seidel und Konrad Linkenheil geleitet. Die beiden haben sich gefragt, warum man die leckeren Spreewaldhof Gurken nicht permanent als Snack anbieten kann. Sie haben 2002 eine kleine WeißblechDose, ähnlich der Red Bull Dose, kreiert, in der je eine Spreewald-Gurke eingelegt ist. Sie nennen das ganze „Get One !“ und bieten diese Verpackungsvariante in Supermärkten und an Tankstellen an (Abb. 6.25). Eine völlig neue Form der Verpackung für dieses Produkt, die es möglich macht, eine andere Zielgruppe anzusprechen und einen neuen Vertriebskanal, die Tankstelle und das Kiosk, zu finden. Die Gurke als Snack. Die Gurke als gesunde Alternative zu Schokoriegeln oder Gummibärchen. Damit ist die Gurke plötzlich ein Produkt, das in Fitness-Studios verkauft werden kann. Die Marge stimmt ebenfalls, das zeigt der Preis der einzelnen Verpackungseinheit, der zwischen 1,50 und 2,50 EUR liegt. Spreewald Gurken haben durch den Film „Good Bye Lenin“ auch in den alten Bundesländern sehr an Bekanntheit gewonnen. Spreewaldhof nennt seine Gurke „Get One!“ übrigens „Die Gurke zum Film“. Dass das nicht die einzige Idee der beiden Geschwister ist, sieht man auf der Unternehmenswebsite. Dort kann man die Produkte im Online Shop kaufen und erfährt viel über das Engagement und die Nachhaltigkeit des Unternehmens. Spreewaldhof bezeichnet seine Gurken übrigens als „Fingerfood“, weil sie mit der Hand gepflückt werden. Viele sympathische und neue Ideen, eine Gurke zu
Beispiel: Spreewaldhof Gurken Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren Das galt bisher bei Gurken:
Es geht auch anders:
Verkauf lose oder im Glas
Verkauf einzeln in Blechdosen
Lebensmittel
Snack
Vertrieb: Lebensmittelhandel
Vertrieb: Tankstelle, Kiosk
Günstiger Preis
Höherer Preis pro Stück
Wettbewerber: andere Gemüse
Wettbewerber: Schokoriegel
Neue Zielgruppen und Vertriebskanäle für eine Gurke. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.25 Spreewaldhof Gurken
164
6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
promoten. Neben den innovativen Ideen hat die Qualität der einzelnen Produkte Priorität. Auch in einem Markt mit standardisierten Produkten des täglichen Bedarfs können Spielregeln geändert werden, kann man durch neue Ideen seinen eigenen Markt erweitern und sich neue Kundenpotenziale erschließen. Spreewaldhof zeigt, dass neue Wege auch mit Apfelmus und mit Obst-Püree funktionieren. Interessant ist, dass man viele Dinge wie die Verpackungsvarianten schon in anderen Branchen gesehen hat. Bei Get One kennen wir die Dose von Red Bull, bei Pfelino, dem Früchte-Püree, kennen wir die Quetschtüte von Capri Sonne. Man kann sich überall inspirieren lassen. Adaptieren ist erlaubt. Auch in der Obstverarbeitung hat Spreewaldhof das Ziel „bewährte Früchte neu entdecken“. Get One erschließt neue Kundengruppen und neue Vertriebskanäle für die Gurke und bewegt sich in einen neuen Markt, den Snack-Markt. Nun sind nicht mehr andere Gemüse die Wettbewerber, sondern Mars und Milky Way. Eine wirklich steile Karriere für eine Gurke. Weitere Informationen unter www.spreewaldhof.de.
6.2.3 Weber Grill Weber Grill bzw. Weber-Stephen (Abb. 6.26), wie das Unternehmen heißt, ist in mehrfacher Hinsicht ein Beispiel, wie es durch „anders denken“ gelingt, einen kompletten Markt zu revolutionieren und neue Marktpotenziale aufzubauen. George Stephen arbeitete in der Nähe von Chicago bei einer Firma namens „Weber Brothers Metal Works“, die Metall-Bojen für den nahegelegenen Lake Michigan herstellte. George Stephen war ein begeisterter Grill-Fan, aber nicht zufrieden mit den üblichen aus Ziegelsteinen gemauerten offenen Grills. Sie waren nicht mobil, bei Regen nicht zu gebrauchen und bei Wind landete oft Asche auf dem Fleisch, das auf dem Grillrost lag. Das Fleisch wurde aufgrund der schlecht zu kontrollierenden Flammen und Hitze schnell zu trocken. George Stephen löste sich von den bis dahin üblichen Grillstandards und experimentierte
Abb. 6.26 Weber Grill Logo
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
165
mit einer durchgeschnittenen Boje, brachte an der Halbkugel Beine und Lüftungsschlitze an und setzte einen Deckel oben drauf. Das war die Geburtsstunde des Kugel-Grills. In den späten 1950er-Jahren übernahm Stephen die Firma Weber und begann, seinen Grill herzustellen. Er fuhr durchs Land und demonstrierte seinen Weber Grill der Öffentlichkeit. Der Grill wurde zu einem riesigen Erfolg und revolutionierte durch seine Konstruktion das Grillen im Freien. Der Weber Grill war durch sein geschlossenes System mit dem Deckel der einzige Grill, der ein direktes und indirektes Grillen ermöglichte. Durch die Löcher im Grilldeckel war die Hitze im Grillinneren wie bei einem Umluftbackofen gut zu regeln. Das „Umluft“-System erweiterte die Grillmöglichkeiten enorm und Grillen war nicht mehr nur auf Fleisch und Fisch beschränkt. Durch die neue Mobilität des Weber Grills konnte auch der Balkon oder eine versteckte Wiese als Grillplatz genutzt werden. Das Anzünden der Kohle war bei den üblichen Holzkohlegrills immer ein Ärgernis und nicht ganz einfach. Die Entsorgung der Asche nach dem Grillen war zudem ein wenig lästig. Aber auch hier bot Weber-Stephen nützliche Unterstützung. Der Weber Grill hatte eine spezielle Auffangschale für die Asche und zum Anzünden gab es einen Anzündkamin, der das Anzünden der Kohle deutlich vereinfachte. Der Kugelgrill von Weber wurde Kult. Auch in Deutschland. In den 1960er-Jahren brachten zuerst die hier stationierten US-Soldaten den Weber Grill über die Shops auf dem Kasernengelände nach Deutschland, bevor der Handel ihn ins Sortiment aufnahm. Die Produktpalette wurde stetig erweitert und erschloss immer neue Zielgruppen. In Illinois, in der Weber-Stephen Zentrale, befindet sich ein großes Testcenter mit Windkanal und Regensimulator. „All ideas are welcome, there are no good or bad ideas, only ideas“,4 nach diesem Motto wird bei Weber-Stephen nach neuen Ideen gesucht. Weber erkannte die Notwendigkeit, auch Gasgrills zu produzieren und hatte den Anspruch, wie bei den Holzkohlegrills wegweisend für die Branche zu sein. Weber änderte auch hier die Regeln und brachte einen Gasgrill auf den Markt, der nicht mehr umständlich selbst zusammengebaut werden musste. Die Brenner, das Verteilerrohr und die Gasleitungen wurden schon werksseitig installiert. Weber verzichtete auf die bis dahin bei Gasgrills üblichen Lavasteine, die für unkontrolliertes Aufflammen verantwortlich waren, wenn das heiße Fett des Steaks herunter tropfte. Außerdem war die Hitzeentwicklung im Grill bei den Lavasteinen nicht gleichmäßig. Weber entwickelte sogenannte „Flavorizer Bars“,
4 Jim
Stephen, Sohn des Firmengründers.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
gebogene Metallstücke, die über den Brenner befestigt waren und das für das Aroma notwendige Fett verdampfen ließen, aber es nicht verbrannten. Auch beim Preis brach Weber bei der Einführung der neuen Gasgrills die Regeln des Marktes und zeigte neue Kundenpotenziale auf. Der Weber „Genesis“, so der Name des Gasgrills, kostete bei seiner Einführung in den USA mit 400 Dollar rund viermal so viel wie die üblichen Wettbewerberprodukte. Die einfachere Handhabung ohne Holzkohle und der höhere Komfort der Gasgrills bringen neue Zielgruppen dem Grillen näher. Die Elektrogrills, die in der Handhabung noch einmal einfacher sind und da eingesetzt werden können, wo Holzkohle nicht erlaubt ist, erobern nun aktuell verstärkt den Markt. Sie sind für Frank Miedaner, dem damaligen Vice President Central Europe und Geschäftsführer von Weber-Stephen Deutschland, der Markt der Zukunft. „Das Grillergebnis ist beim Elektro-Grillen bereits das Gleiche wie beim Holzkohleund Gasgrill. Nun gilt es, den Endverbraucher hiervon auch zu überzeugen.“5 In Deutschland begann erst um die Jahrtausendwende die „Grillrevolution“ durch Weber und veränderte die Grilllandschaft nachhaltig. Der Gasgrill entwickelt sich zu einer wahren Outdoor-Küche und wird zum bestaunten Prestigeobjekt auf jeder Grillparty. Die hochwertigen Gasgrills wirken sich positiv auf Image und Wertigkeit des Grillens in der Öffentlichkeit aus und erhöhen bei Weber-Stephen den Durchschnittspreis pro Grill. Ein so umfangreiches Zubehörprogramm für die Grills, wie es Weber mit seinem Original Zubehörprogramm anbietet, kannte man bisher ebenfalls nicht. Es reicht vom Grillbesteck über Wok, Drehspieß und Grillpfannen bis zum Räucherbrett und zum Pizzastein. Selbst hochwertige Grillkohle und Anzünder sind im Sortiment und entwickeln sich erfolgreich. Eine Weber-Stephen Zubehörwand im Handel kann bis zu einer Länge von über elf Metern bestückt werden. Die Zubehörartikel sind speziell für Weber Grills und ein optimales Grill- und Genusserlebnis entwickelt. Das schafft neben Umsatz und Ertrag eine hohe Kundenbindung. Aber das ist bei Weitem nicht alles, was der Spielmacher Weber-Stephen in Deutschland auf dem Grillmarkt verändert hat. Weber-Stephen verändert durch sein intelligentes und verzahntes Marketinginstrumentarium die Regeln und Gewohnheiten eines Marktes zu seinen Gunsten und schafft sich damit neben den
5 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Frank Miedaner, Vice President Central Europe und Geschäftsführer von Weber-Stephen Deutschland, 06.02.2015, Ingelheim.
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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USPs (Unique Selling Propositions) einen langfristigen Vorteil und sichert sich gegen Nachahmer ab. Weber-Stephen gründete die „Weber Grill Academy“, die anfangs die Händler schulen sollte und mittlerweile ein perfektes Marketinginstrument für die Endkunden geworden ist. Die Kurse der Weber Grill Academy finden am Abend statt und dauern vier bis fünf Stunden. In einem Kurs werden nicht nur Steaks und Burger gegrillt, sondern es wird ein komplettes Menü auf Weber Grills zubereitet, also Vorspeise, Hauptgang und Dessert. Waren es die Grillfans bisher gewohnt Fleisch, Fisch und Gemüse auf einem Grill zuzubereiten, erleben sie nun völlig neue Einsatzbereiche der Weber Grills, die das Grillverhalten deutlich verändern. Die Kurse gibt es mit unterschiedlichen Schwerpunkten und zu Preisen zwischen 79,00 und 179,00 EUR. Inzwischen bietet die Weber Grill Academy in vielen Ländern ihre Kurse an und ist zu einer der führenden Kochschulen in Deutschland geworden. Auch Firmen nutzen die Grill Academy als Event für ihre Mitarbeiter und Geschäftspartner. Das für diese Produkte wichtige Empfehlungsmarketing wird durch die Academy stark unterstützt und der Gutschein zur Kursteilnahme hat sich als Geschenk etabliert. Allein im letzten Jahr (2014) haben über 60.000 Endverbraucher an diesen Kursen teilgenommen. In der Grill Academy werden natürlich nur Weber-Produkte vom Grill bis zum Zubehör eingesetzt und so ist jeder Kurs auch eine clevere Produktinformation und -demonstration. Weber-Fans werden bestätigt und neue Kunden gewonnen. Verkauft wird übrigens während der Kurse nicht. Grill-Events im Handel unterstützen diesen Gedanken und das Weber TV auf der eigenen Homepage und YouTube geben Tipps rund um das Thema Grillen. Eine Kooperation mit dem bekannten Sternekoch Johann Lafer zeigte, dass Grillen mit Weber-Produkten auch für Genießer und Gourmets eine wirkliche Alternative sein kann. Wer hätte das von einem Grill gedacht? Die Welt des Grillens wird durch Weber erheblich erweitert. Weber geht noch einen Schritt weiter. Wäre es denkbar, dass ein Hersteller für Grills in der Bestsellerliste für Bücher ganz oben erscheint? Wenn man anders denkt als bisher, wird auch daraus ein geniales Marketinginstrument. Zuerst erschien „Weber’s Grill Bibel“, danach zahlreiche weitere Bücher u. a. zu den Themen Steak, Burger, Seafood, Veggie oder zum Thema Räuchern unter der Weber Marke. Sie enthalten Rezepte und Abbildungen der Gerichte und gegrillt wird natürlich auf Weber Grills und mit Weber-Zubehör. Insgesamt wurden bis jetzt mehrere Millionen Bücher von Weber über den Buchhandel verkauft. Weber’s Grill Bibel alleine über eine Million Mal. Welch eine zusätzliche Werbewirkung allein in den Buchläden und welch eine Imagewerbung für das Grillen und speziell für Weber-Produkte.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Und wieder verändert Weber durch seine Maßnahmen das Grillverhalten in Deutschland. Weber zeigt uns, dass Grillen nicht wie bisher an den Sommer gebunden sein muss, sondern dass Grillen ein Ganzjahres-Erlebnis sein kann. Seit Start dieser Kampagne verdoppeln sich in den Wintermonaten die Absatzzahlen von Weber Grills und Zubehör. Im September 2014 ist das Buch „Weber’s Winter Grillen“ im Handel erschienen und hat sich in nur sechs Monaten schon mehr als 150.000 Mal verkauft. Eine auf zwölf Monate verlängerte Nutzungsdauer eines Produkts rechnet sich für den Grillkäufer natürlich erheblich besser, als eine Einsatzzeit von nur fünf bis sechs Monaten pro Jahr. Weber liefert seinen Kunden damit ein gutes Argument, auch zum hochwertigen Grill zu greifen. Die Investition pro Nutzungsmonat im Jahr wurde dadurch halbiert. Ein gutes Verkaufsargument und ein neuer Trend. Ein gutes Grillergebnis wird nicht nur vom Grill sondern auch von den verwendeten Lebensmitteln und Zutaten beeinflusst. Als einen weiteren völlig neuen Weg für einen Grillhersteller führte Weber ein Sortiment aus Fleischprodukten, Seafood, Saucen und Gewürzen im Lebensmittelhandel ein. Und damit sich auch der Nachwuchs schon an Weber gewöhnt, ist in Kooperation mit einem Spielwarenhersteller ein kleines Spielwarensortiment rund ums Grillen entstanden. Die Vertriebspolitik von Weber in Deutschland ist strikt und konsequent. Die Produkte sind qualitativ hochwertig und entsprechend ist das Preisniveau, was aber einen Holzkohlegrill für gut 100 EUR nicht ausschließt. Produziert wird nur die Marke Weber. Eigenmarken für den Handel oder Grills für andere Marken werden nicht produziert. Rund zwei Drittel des Umsatzes werden im Fachhandel getätigt. Die Partner-Shops führen einen Teil des Sortiments und die „Weber World Partner“ führen das komplette Weber Sortiment. Dadurch, dass Grillen eine GanzjahresAktivität wird, ist es für den Handel und die speziellen Weber-Shops auch erst möglich, das Sortiment ganzjährig den Kunden zu präsentieren und die Flächen im Handel permanent bereitzustellen. Bisher war es branchenüblich, die Flächen ab Frühling aufzubauen und zum Ende des Sommers wieder abzubauen. Jedes Jahr entwickelt das Trademarketing die Flächenkonzepte für den Handel weiter. Im Vordergrund stehen hierbei die Emotionalisierung der Warenpräsentation und die kundenbezogene Information. Alle Weber-Produkte, inklusive des umfangreichen Zubehörs, können auch über die Weber Homepage bezogen werden. Ein Spielmacher wie Weber ist nicht nur anders als die Anderen, sondern auch anders als bisher. Im Mai 2014 wurde der weltweit erste Weber Original Store in Berlin eröffnet (Abb. 6.27). Auf über 500 qm werden dort die Weber-Produkte
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Abb. 6.27 Weber Grill Original Store
gezeigt, die Grill Academy ist natürlich integriert. Solch einen Store gibt es nicht einmal im Mutterland des Weber Grills in den USA.. Mit all seinen Maßnahmen hat Weber in Deutschland seinen Bekanntheitsgrad in den letzten Jahren deutlich erhöht und liegt weit vor dem nächsten Wettbewerber. Wenn man in Deutschland an Grillen denkt, denkt man an Weber. Weber entwickelt sich zum Synonym für Grillen. Während andere Unternehmen ihre Kunden von zufriedenen zu begeisterten Kunden oder Fans machen wollen, spricht Frank Miedaner von „Brand Advocats“ für die Marke Weber, die er gewinnen möchte. Eine Sättigungsgrenze sieht Frank Miedaner für Weber Grills noch lange nicht. Ein Blick nach Dänemark, wo schon viele Haushalte zwei Grills besitzen und betreiben, lässt der weiteren Penetration des Marktes noch viel Raum. Alle Marketing-Maßnahmen sind verzahnt und unterstützen sich gegenseitig (Abb. 6.28). Ein perfektes System, wenn man bedenkt, dass Produkte kopierbar sind, ein solch umfangreiches, sich ergänzendes und einmaliges MarketingSystem aber kaum. Es wäre nicht verwunderlich, wenn es demnächst in Europa Weber Grillrestaurants gibt, in denen die Gerichte auf Weber Grills von Köchen zubereitet werden. Vielleicht mit einem speziellen Bereich, in dem der Kunde sein
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.28 Weber Grill 360 Grad
Steak auch selber grillen kann. Er kauft seine Zutaten und zahlt für die Energie und Nutzung von Grill und Geschirr. Analog Vapiano eine mögliche FranchiseIdee. Lassen wir uns überraschen. In den USA betreibt die Familie Stephen übrigens schon einige Grillrestaurants unter dem Namen Weber. Weitere Informationen unter www.weberstephen.de.
6.2.4 Best Worscht Curry Wurst gibt es seit den 1950er-Jahren. Regional wird sie unterschiedlich zubereitet, aber Curry Wurst mit Pommes kennt jeder. Die Curry Wurst hat es weit gebracht: sie hat ein eigenes Museum in Berlin und Herbert Grönemeyer hat sie 1982 in seinem Lied „Currywurst“ verewigt. Aber würde die Curry Wurst auch einen „Anders Denker“ reizen? Könnte rund um die Curry Wurst ein Konzept entstehen, das anders ist als das, was man bisher kannte? Lars Obendorfer ist quasi mit der Curry Wurst groß geworden und hat in der Familie gelernt, wie Curry Wurst eingekauft, zubereitet und verkauft wird. Es hat ihn gereizt, seinen Imbiss und sein Angebot anders zu platzieren und anders zu vermarkten, als das die Anderen taten und anders als es bisher üblich war.
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
171
Seit 1970 hatten seine Großeltern in Frankfurt eine Imbissbude mit dem Namen „Snack Point“. Sein Onkel trat nach seinem BWL-Studium 1974 dort ein und 1993 übernahm die Mutter von Lars Obendorfer den Imbiss. Seit 1994 steht er selbst in der Verantwortung und es macht ihm Spaß, seinen Gästen ein Wurstangebot in guter Qualität und dazu einen flotten Spruch anzubieten. Er wollte seinen Gästen aber mehr Abwechslung und Variationsmöglichkeiten bei der Auswahl der Produkte bieten, ohne gleichzeitig die Produktpalette und damit die Komplexität zu erhöhen. Lars Obendorfer wollte aus der Masse der Imbissbuden und Fast Food Anbieter heraustreten. Er hatte ein großes Ziel: Seine Wurst sollte die beste der Stadt Frankfurt werden. Der Namenszusatz „Best Worscht in Town“ (BWIT) wurde geboren. Zusammen mit einem befreundeten Sternekoch kreierte er neue Geschmacksrichtungen und Saucen (Abb. 6.14). Bei der Curry-Sauce kann der Best Worscht Kunde unter neun verschiedenen Geschmacksrichtungen wählen. Er kann sich z. B. zwischen „Old School“, „X-Mas“ oder “Free-Style“ entscheiden. Von Honig, Röstzwiebeln, Jambalaya, Lemon bis zu Koriander und Zimt ist die Auswahl riesig. Jeden Monat kommt eine weitere Geschmackskreation dazu und überrascht die Kunden. Die X-Mas Variante war so erfolgreich, dass sie auch lange nach Weihnachten noch im Angebot ist. Zusätzlich zu den Geschmacksrichtungen wurden unterschiedliche Schärfegrade für die Saucen entwickelt. Allgemein werden die Schärfegrade einer Chili-Frucht in „SCU“ (Scoville Units) gemessen und reichen bis zu 16 Mio. SCU. Reiner Cayenne-Pfeffer hat z. B. einen SCU zwischen 30.000 und 50.000. Der Best Worscht Kunde kann bei der Sauce für seine Curry Wurst aus neun unterschiedlichen Schärfegraden wählen. Die Schärfegrade lassen sich im sogenannten „Brenn-O-Meter“ ablesen und liegen zwischen „NIX“, „BISSI PRICKELN“, über „EU-CHILI“ bis zu „VEGANZA“ mit 6,6 Mio. SCU (Abb. 6.29). „VEGANZA“ ist nach dem eigenen „BWIT Worscht Gesetz“ erst ab 18 Jahren freigegeben. Sollte sich der Kunde beim Geschmack oder der Schärfe einmal vertan haben, bekommt er bei Best Worscht kostenlos eine neue Wurst. Zur Curry Wurst wird in Frankfurt üblicherweise ein Brötchen als Beilage gereicht. Das war Lars Obendorfer für die beste Wurst der Stadt nicht genug. Er ließ von einer Bäckerei sein eigenes Sauerteigbrot backen und serviert die Curry Wurst seitdem mit dem eigenen Brot. Natürlich wird auch die Wurst nach eigener Rezeptur exklusiv für Best Worscht produziert und enthält keine künstlichen Geschmacksverstärker. Die Wurst, Brat- oder Rindswurst, gibt es natürlich mit Pommes oder dem eigenen Brot. Die Pommes Frites haben einen extra großen Schnitt und werden in ungehärtetem Fett frittiert. Ketchup und Mayonnaise werden speziell für Best Worscht hergestellt und sind extra fettreduziert. Wer die Pommes Frites ohne
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.29 BWIT Schärfe- u. Geschmacksrichtungen – Brenn-O-Meter. (Quelle BMIT)
alles möchte, bestellt sie einfach „naggisch“6. Wer es ganz verrückt möchte, bestellt das „nuss nougat nirvana“ nach einem alten BWIT-Rezept, eine Curry Variante mit Nuss Nougat Creme auf die Wurst oder die Pommes. Auch vegane Varianten sind im Angebot und haben mittlerweile einen Anteil von 15 % (2023). Der Best Worscht Kunde hat allein bei der Curry Wurst durch Kombination der Geschmacksrichtung, des Schärfegrades aus dem Brenn-O-Meter und der Beilage die Möglichkeit seine Mahlzeit aus 144 unterschiedlichen Varianten nach eigenem Geschmack zusammenstellen. Ob die Pommes Frites mit oder ohne Ketchup und / oder Mayonnaise bestellt werden, einmal unberücksichtigt gelassen. Apfelschorle im BWIT-Design wird neben anderen Getränken ebenfalls angeboten (Abb. 6.30). Damit unterscheidet sich das Angebot von Lars Obendorfers Imbiss deutlich von dem der anderen Anbieter. Das reichte ihm als Differenzierungsmerkmal aber immer noch nicht. Er wollte auch das Drumherum einzigartig gestalten und seinen Gästen neben dem Imbissangebot eine einzigartige Atmosphäre bieten. 2004 wurde der erste Chilicon-Test im Imbiss durchgeführt, bei dem sich die Kunden an die im Brenn-O-Meter weit oben stehenden Schärfegrade heranwagen
6 Hessisch
für „nackt“
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Abb. 6.30 BWIT Dolle Äbbel. (Quelle BMIT)
und sich gegenseitig überbieten wollen. Über den Chilicon Test wurde überregional berichtet und in Frankfurt ist er immer wieder Gesprächsthema, wenn er durchgeführt wird. Der „Snack Point“, so damals noch der offizielle Name, wurde Kult in Frankfurt. 2005 bekam Lars Obendorfer die erste FranchiseAnfrage und eröffnete 2006 seine erste eigne Filiale in Frankfurt. Weitere Filialen werden eröffnet und das Franchisesystem wächst. Der Name ändert sich nun offiziell in „Best Worscht in Town“ und die Gestaltung der Imbissstände wurde angepasst (Abb. 6.31). Lars Obendorfer wurde zum selbsternannten „Godfather of Worscht“ (Abb. 6.32). Verschiedene Fernsehsender berichten über ihn und Kabel Eins nutzte seine Entertainerqualitäten und drehte einen Film über eine
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.31 Best Worscht Imbiss. (Quelle BMIT)
seiner Reisen nach Indonesien. Lars Obendorfer reist gerne nach Asien, um sich neue Ideen zu holen und mehr über Curry und andere Gewürze zu erfahren. Damit nicht nur die Kunden zu Best Worscht, sondern Best Worscht auch zu den Kunden kommen kann, wird neben dem stationären Konzept eine mobile Version entwickelt. Best Worscht stellt seinen Imbiss bei der Veranstaltung „Rock am Ring“ auf und ein Catering-Konzept wird umgesetzt (Abb. 6.33). Best Worscht kann nun auch für private und öffentliche Veranstaltungen gebucht werden und im mobilen Best Worscht Truck werden die unterschiedlichen Produkte frisch zubereitet und angeboten. Mittlerweile gibt es 23 Best Worscht Filialen und das Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. Wer in Frankfurt und Umgebung eine Wurst essen möchte geht zu Best Worscht und Freunde, die zu Besuch kommen, werden dorthin ausgeführt. Die Mahlzeit bei Best Worscht wird von den Besuchern Frankfurts fest eingeplant. Auch vor oder nach einem Flug kann man sich eine Worscht am Frankfurter Flughafen schmecken lassen (Abb. 6.34). Aber nicht nur im Rhein-Main-Gebiet sind die BWIT-Filialen zu finden, sogar in der Weißwurst Hochburg München ist Best Worscht vertreten.
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Abb. 6.32 „Godfather of Worscht“. (Quelle BMIT)
Jeden Tag werden bis zu 5000 Würste verkauft und fast ebenso viele Kunden besuchen täglich die Best Worscht Filialen Lars Obendorfer denkt anders als die anderen, beschränkt sein Denken nicht auf den Status Quo, sondern stellt sich permanent die Frage „was geht noch?“7 Wer würde auf die Idee kommen, einen Imbissstand in Dubai zu eröffnen? Lars Obendorfer und sein Team von Best Worscht haben es gewagt (Abb. 6.35 und 6.36). Und sie wagen immer wieder neue Ideen. Best Worscht in Los Angeles ist das aktuelle Projekt. Am El Secundo Beach integriert ein neuer Franchisenehmer die Best Worscht in sein Angebot. Ein möglicher Multiplikator, denn der Franchisenehmer, eine weltberühmte Rockband, hat mehrere Restaurants in den USA.
7 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Lars Obendorfer, Geschäftsführer BWIT, 02.05.2023, Neu-Isenburg
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.33 Best Worscht Food Truck. (Quelle BMIT)
Es war nicht leicht, die gewohnte und geforderte Qualität der Best Worscht Produkte sicherzustellen, denn aus Deutschland Lebensmittel in die USA einzuführen ist schwierig bis unmöglich. Lars Obendorfer hat in Kanada einen Metzger kennengelernt, der die geforderte Qualität und den gewünschten Geschmack nach der BWIT-Rezeptur umsetzen kann. Produkte aus Kanada in die USA einzuführen, stellt kein Problem dar. Gerade in einem Franchisesystem ist es wichtig, die Qualität der angebotenen Produkte sicherzustellen, ansonsten könnte die Marke geschädigt werden. BWIT
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
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Abb. 6.34 Best Worscht Opening Flughafen Frankfurt Main (Quelle BMIT)
hat ein strenges Qualitätsmanagement, unterstützt von Mystery Checkern, die aus der eigenen Kundschaft rekrutiert werden. Kunden, die sachliche Kritik üben, sind gute Beobachter und Hinweisgeber. Dass sich dieser Aufwand lohnt, beweist der Gastro Stern Award in der Kategorie „Deutsche Esskultur“, der BWIT 2022 verliehen wurde. Lars Obendorfer „gibt der Worscht ein Gesicht“, so der Laudator Frank Remagen8 bei der Preisverleihung. Die eigenen Gewürzmischungen und Saucen, alle auch verpackungsmäßig im Best Worscht Design, können über den eigenen Shop auf der Homepage bestellt werden. Zudem sind in mehreren Rewe Märkten im Frankfurter Raum die BWITWürste in verschiedenen Varianten, unterschiedliche Gewürze und Soßen im Sortiment (Abb. 6.37).
8 Frank
Remagen, ehemals Geschäftsführer des Wurst- u. Fleischproduzenten Hardy REMAGEN GmbH & Co. KG, Hürth
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.35 Best Worscht in Dubai 1. (Quelle BMIT)
Kann eine Curry Wurst von BWIT ein Urlaubsevent sein? Für BWIT und Lars Obendorfer ist das möglich. Im Robinson Club Jandia Playa auf Fuerteventura kommt während Eventwochen das „Worscht Gate“ zum Einsatz und die Club Urlauber genießen eine Best Worscht aus Frankfurt, oft auch vom „Godfather of Worscht“ selbst zubereitet (Abb. 6.38 und 6.39). Die Corona Krise war für Lars Obendorfer, sein Team und die Franchisenehmer eine große und existenzielle Herausforderung. Die Möglichkeit, weniger Tische im Restaurant aufzustellen und nur Gästen mit Maske Eintritt zu gewähren, um wenigstens einige Kosten zu decken, bestand für das BWITKonzept nicht. Die BWIT-Stände stehen meist in Innenstädten und die waren durch gesetzliche Auflagen oft menschenleer. Kein Publikum, kein Verkauf. Lars Obendorfer hat in dieser Zeit seinen Franchisenehmern die Franchisegebühren erlassen, um so zumindest bei ihnen den großen Druck zu verringern.
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
179
Abb. 6.36 Best Worscht in Dubai 2 (Quelle BMIT)
„Wir mussten alle Läden schließen und mir sind von heute auf morgen sämtliche Einnahmen weggebrochen, hatte aber noch alle Kosten auf der Uhr. Ich wollte niemanden entlassen oder in die Kurzarbeit schicken. Und wollte auch keine Gebühren von meinen Franchise-Nehmern. Schließlich sind wir ja alle eine große Familie.“9 Ein Macher, der nichts machen kann. Eine der schlimmsten Erfahrungen für Lars Obendorfer, die er mit Hilfe seiner Familie und großem finanziellen Risiko überstanden hat. Mittlerweile kann der Macher wieder machen und arbeitet an seinem Ziel von 200 Filialen in Deutschland10. Nicht nur für BWIT engagiert sich Lars Obendorfer, sondern er tut dies auch im sozialen Bereich. Er kommt mit seinem Food-Truck zum Frankfurter Rathaus und bedient kostenlos Obdachlose mit Curry Wurst, Pommes und einem
9 Interview
mit der Commerzbank, 27.04.2022 mit der Commerzbank, 27.04.2022
10 Interview
180
6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.37 Best Worscht Shopprodukte. (Quelle BMIT)
Getränk oder bedient zusammen mit anderen Prominenten beim traditionelle vorweihnachtlichen Gänseessen für Obdachlose im Frankfurter Römer. Eine starke Entwicklung einer ehemals Frankfurter Imbissbude. Eine Curry Wurst ist ein vergleichbares Produkt, eine Best Worscht aber ist einzigartig. Eine Curry Wurst ist zu kopieren, ein Gesamtkonzept, wie es Lars Obendorfer mit Best Worscht entwickelt hat, kaum. Das unterscheidet die Best Worscht von anderen Angeboten in Frankfurt und stellt für die Kunden ein einzigartiges Erlebnis da. Ein USP für die Wurst, der sich über das Franchisesystem vervielfältigt. Weitere Informationen unter www.bestworschtintown.de.
6.2 Neue Nachfrage für bestehende Produkte generieren
Abb. 6.38 Best Worscht Gate Fuerteventura. (Quelle BMIT)
Abb. 6.39 Lars Obendorfer „on work“ auf Fuerteventura. (Quelle BMIT)
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen 6.3.1 Starbucks Starbucks hat im Kaffeemarkt die bestehenden Marktregeln verändert und eigene Regeln aufgestellt. Das Beispiel zeigt, dass auch in einem auf den ersten Blick gesättigten Markt für Alltagsprodukte eine erfolgreiche Revolution möglich ist (Abb. 6.40). Kaffeetrinken in der Stadt, egal ob in den USA oder in Deutschland, war für die Menschen eine Zwischenstation auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen. Eine schnelle Tasse Kaffee im Stehen für wenig Geld. Wenn es nicht geschmeckt hat, war das nicht so wichtig, es musste schnell gehen und durfte nicht teuer sein. „Coffee To Go“ wurde zum Inbegriff, sodass man auch noch auf das Stehen im Kaffeeladen verzichten und den Kaffee im Becher für unterwegs mitnehmen konnte. Das Angebot war begrenzt auf eine Sorte Kaffee, vielleicht noch mit oder ohne Sahne. Wer es anders wollte, musste in ein Café gehen. Mehr wollten und konnten die Anbieter von Kaffee gar nicht sein. Schnell einen günstigen Kaffee, nicht mehr und nicht weniger. Spaß und Freude am Genuss haben überhaupt keine Rolle gespielt, das wäre viel zu aufwändig gewesen. So ein Kaffee kostete in den USA 50 Cent und in Deutschland 20 bis 80 Pfennige. Er wurde getrunken oder konsumiert, aber sicher nicht genossen. Die Frage war, ob dieses Verhalten und die Angebotsform überhaupt verändert Beispiel: Starbucks
Neue Wettbewerbssituation schaffen / Massenmarkt neu erfinden Das galt bisher bei Coffee Shops:
Es geht auch anders:
Kleiner, nüchterner Laden
Große Geschäfte, gute Ausstattung
Billiger Kaffee
Teure Kaffee Varianten
Durchlaufstation
Oase zum Verweilen
Keine weiteren Angebote
Viele Zusatzangebote
Emotionsloser Koffein-Kick
Kaffee-Genuss auf höchster Stufe
Man kann auch den bestehenden und gesättigten Markt neu „erfinden“. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.40 Starbucks
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen
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werden konnten, ob sich die Marktregeln überhaupt auch nur Millimeter bewegen ließen. Würde sich der Verbraucher bei einem Commodity-Produkt andere Regeln überhaupt gefallen lassen und sie akzeptieren? War es möglich vom „Schnell, Schnell“ und „Billig“ zum „Genießen“ zu gelangen? Dabei ging es nicht darum ein bestehendes Geschäftsmodell zu optimieren und dann 10 oder auch 20 Cent mehr für den Kaffee zu verlangen. Es ging darum, völlig neue Regeln aufzustellen und das Produkt in vielen Varianten anzubieten, die noch keiner kannte und die sich keiner vorstellen konnte. Und dies alles zu einem Preis, der um ein Vielfaches höher liegt als der aktuelle Preis für einen Kaffee. Howard Schulz, ein amerikanischer Kaffeehändler, hatte seinen Espresso während seines Italienurlaubs in den dort typischen Bars genossen und hatte dabei eine tolle Idee. Ihm gefiel, dass man dort verschiedene Kaffeespezialitäten trinken und dazu noch mit den anderen Gästen kommunizieren konnte. Wenn so etwas in Italien funktioniert, warum dann nicht in Amerika? Schulz adaptierte die Idee und verfeinerte sie zu einem erfolgreichen Konzept. Er wollte keine Zwischenstation für den schnellen Kaffee sein, sondern seinen Gästen eine Oase anbieten, den dritten wichtigen Lebensraum neben dem zu Hause und am Arbeitsplatz. Die Gäste sollten sich bei Starbucks wohl fühlen und länger bleiben, sich vom Alltagsstress erholen. Das Angebot umfasst viele verschiedene Kaffeespezialitäten und verschiedene Kaffeesorten aus unterschiedlichen Ländern und Anbaugebieten. Dazu werden kleine Kuchen und Snacks angeboten. Im Sommer gibt es kühlende Kaffeevarianten, im Winter die wärmenden Versionen. Der Kaffee wird nicht für ein paar Cent angeboten, sondern ist im Vergleich zu den Coffee To Go Angeboten deutlich höher. Aber die Kunden nahmen das Angebot an und zahlten bereitwillig mehr. Die gesamte Einrichtung passt zum Kerngedanken des Wohlfühlens und unterstreicht den Anspruch von Howard Schulz. In einem gesättigten Markt eröffnete Starbucks Tausende Filialen und überzog das Land mit seinen Coffee Shops zum Verweilen. Auch außerhalb der USA expandierte Starbucks und machte den hiesigen Anbietern das Leben schwer. Der Spielmacher, der nicht einmal aus der ursprünglichen Tätigkeit eines Coffee-Shop-Besitzers kam, revolutionierte einen Markt, den andere längst abgeschrieben hatten und darin kein Wachstum mehr sahen. Die Starbucks Mitarbeiter sind speziell geschult und die Zufriedenheit der Kunden steht ganz oben in der Prioritätenliste. Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sollen allen Mitarbeiter in Fleisch und Blut übergehen. Dem Kunden von Starbucks soll ein positives und im Gedächtnis bleibendes Erlebnis vermittelt werden. Dieses Erlebnis wird nicht nur durch die angebotenen Produkte, sondern auch durch die Atmosphäre in den Shops vermittelt und erlebbar.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Starbucks erreicht das nicht nur durch eine hohe Kundenorientierung, sondern ebenso durch eine außergewöhnliche Mitarbeiterorientierung. Die Belange der Mitarbeiter werden ernst genommen, erwähnt seien nur Aktienoptionen und Weiterbildung für die Mitarbeiter. Starbucks möchte durch seine Mitarbeiter eine emotionale Beziehung zu seinen Kunden aufbauen. Dazu gehört beispielsweise auch, dass der Mann oder die Frau hinter der Theke nicht Barkeeper oder Kellner, sondern „Barista“ heißt. Barista sein ist schon etwas Außergewöhnliches. Joseph A. Michelli beschreibt in seinem Buch „Das Starbucks Geheimnis“ fünf Prinzipien, die für den Erfolg verantwortlich sind: • Lebe Deinen Job Der Kunde soll sich aufgehoben und wertgeschätzt fühlen. Seine Wünsche sollen, wie auch immer sie sind, erfüllt werden. Er soll sich willkommen fühlen. • Auch Kleinigkeiten sind wichtig Nicht nur das Produkt, der Kaffee, ist wichtig, sondern auch das Drumherum. Die Atmosphäre in einem Starbucks unterscheidet sich von einem Kaffeeladen oder Café. Die Angebotstafeln an der Wand, die gemütliche Einrichtung mit Sofas und Sesseln, die Bedienungen – Baristas, die zusätzlichen Angebote wie Speisen, CDs oder auch Anleitungen zum Zubereiten von Kaffee. Alles das soll die Marke Starbucks für die Gäste (gibt es bei Starbucks Kunden?) außergewöhnlich und unverwechselbar machen. Die Details sind wichtig und bilden den Gesamteindruck. Beim Einkauf der Produkte und der Bohnen gibt es genaue Vorgaben hinsichtlich Herkunft und Qualität. • Kunden begeistern Die Starbucks Mitarbeiter wollen die Gäste mit tollem Service überzeugen und greifen dafür auch manchmal zu unkonventionellen Mitteln. Das Geschäft wird für einen Kunden, der sich in der Zeit vertan hatte schon einmal früher geöffnet oder für Stammgäste, die umziehen gibt es einen Übergabeprozess an den neuen Starbucks des Gastes. Kostenlose Proben eines neuen Produktes gehören ebenso dazu wie Tipps und Tricks zu verschiedenen Themen für die Gäste. • Kritik ist willkommen Die Mitarbeiter sollen Kritik nicht negativ auffassen, sondern als Verbesserungsvorschlag der Gäste sehen und auch so behandeln. Dazu gehört, sich bei einem sich beschwerenden Kunden für die kritischen Äußerungen zu bedanken und nicht schroff und persönlich beleidigt zu reagieren. Die Kunden sind über ein solches Verhalten sicher überrascht und gleich wieder positiv gestimmt. „Man nimmt mich ernst“ wird die innere Reaktion sein.
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen
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Dazu gehört, sich in anderen Ländern anderen Gewohnheiten anzupassen und nicht starr ein Konzept durchsetzen zu wollen. Neue Produkte oder Zusatzprodukte werden nur ins Sortiment aufgenommen, wenn sie das Gesamterlebnis Starbucks für die Gäste verbessern. Der Umgang mit Fehlern wird bei Starbucks offensiv gestaltet, nicht nach dem üblichen „Duck and Cover“ anderer Unternehmen. Wie bei Michelli an einem Beispiel nachzulesen: Am 11. September 2001 nahm ein übereifriger Mitarbeiter eines New Yorker Starbucks den normalen Preis für Mineralwasser für die Opfer des Terroranschlages. Die Empörung war natürlich groß, in einer großen Katastrophe nicht sensibler zu reagieren. Starbucks versuchte nicht zu vertuschen, die Schuld beim Mitarbeiter zu platzieren, sondern stand dazu, entschuldigte sich und spendete eine große Summe. • Verändere Starbucks Mitarbeiter wollen anders sein und leben diese Einstellung auch. Starbucks ist ein sozial engagiertes Unternehmen und sieht darin auch eine Verpflichtung für sich selbst. Dies zeigt sich ebenso bei der höheren Bezahlung des Kaffees von den Plantagen gegenüber den Wettbewerbern und im aktiven Einsatz für den Umweltschutz. „Kaffee ist unsere Leidenschaft“ steht auf vielen Broschüren von Starbucks. Mit diesem Motto wurde ein gesättigter Massenmarkt revolutioniert. Starbucks wird allerdings darüber nachdenken müssen, ob in dem atemberaubenden Tempo der Expansion nicht die Einzigartigkeit verloren geht, wenn in den Städten ein Starbucks am anderen liegt.
6.3.2 Ikea IKEA zeigt, wie eine traditionelle Branche mit eigenen Regeln verändert und belebt werden kann (Abb. 6.41). Ingvar Kamprad wurde 1926 geboren und liebte das Verkaufen von klein auf. Anfangs als Kind mit Allerweltsgegenständen an seine Großmutter, später mit Samen in selbst abgefüllten Tütchen an die Nachbarschaft. In seiner Schulzeit setzte sich diese Faszination und Begeisterung für das Verkaufen fort und er lernte die notwendigen theoretischen Grundlagen für sein Hobby. Er kaufte und verkaufte Produkte, meistens Kurzwaren, Karten und Füller. Er versuchte, das Gelernte in die Praxis umzusetzen und gründete im Alter von siebzehn Jahren seine Firma und nannte sie IKEA. Die ersten beiden Buchstaben sind seine Initialen und die nächsten beiden stehen für den elterlichen Hof Elmtaryd und die
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Beispiel: Ikea
Neue Wettbewerbssituation schaffen Das galt früher im Möbelmarkt:
Es geht auch anders:
Angebot im Möbelhaus oder Katalog
Angebot im Möbelhaus und Katalog
Komplette Beratung
Selbstbedienung
Personal holt Möbel aus dem Lager
Kunde holt Möbel aus dem Lager
Möbel werden geliefert
Kunde transportiert selbst
Möbel werden aufgebaut
Kunde baut selbst auf
Nur Möbel im Angebot
Umfangreiches Zusatzsortiment
Neue Spielregeln: Verlagerung von Aufgaben auf den Kunden. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.41 Ikea
Gemeinde Agunnaryd. Nach seiner Wehrzeit kehrte er auf den heimischen Hof zurück und forcierte sein Geschäft, indem er kleine Werbezettel entwarf und verteilte. Sein Versandhandel blühte auf. In der Folgezeit nahm er einen einfachen Sessel in sein Sortiment auf und verkaufte ihn unter dem Namen Rut. Er mochte keine anonymen Artikelnummern, sondern wollte das Produkt emotionaler und persönlicher wirken lassen. Rut verkaufte sich gut und das Sortiment wurde daraufhin ausgebaut und weitere Möbelartikel wurden in das Sortiment aufgenommen. Ingvar Kamprad hatte schon zu dieser Zeit begonnen, Einfluss auf die Produkte zu nehmen und mit den Herstellern über Optik und Materialien zu sprechen. Bei ihm drehte sich alles um den Preis, er wollte seine Produkte, die er nach wie vor handelte und nicht produzierte, preiswert verkaufen. Damit gelangte er natürlich in den Kreislauf „Billiger geht immer“. Damit die Marge stabil bleibt, geht die Produktqualität zurück, der Wettbewerb geht auf den niedrigeren Preis ein und so weiter und so weiter. Ingvar Kamprad musste sich etwas einfallen lassen, um sich von den anderen Versandhändlern zu differenzieren und um den Produkten, neben dem Preis auf einem anonymen Foto im Katalog, einen besonderen Wert zu geben. Das erste IKEA Möbelhaus wurde eröffnet. Die Kunden wurden über den Katalog, mittlerweile bestand das Sortiment nur noch
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen
187
aus Möbeln, informiert und eingeladen, sich die Möbel im IKEA Haus anzusehen, Probe zu sitzen und live zu erleben. Diese Kombination war in der Branche einmalig. IKEA war auf dem besten Weg, die Spielregeln des Marktes zu ändern. Die ausgesuchten Möbel wurden dann direkt vom Hersteller ausgeliefert, IKEA brauchte also kein aufwändiges und teures Lager. Das Geschäft kam mit dieser Idee kräftig in Fahrt und die Auflage des Kataloges stieg stetig an. Da es beim Transport zu vielen Schäden an den zum Teil sperrigen Möbelstücken kam, hatte Kamprad die Idee, die Möbel zu zerlegen und in kompakten Packteilen zu versenden. Schon bei der Produktion der Möbel beim Hersteller wurde dies in der Folge umgesetzt und nach immer kompakteren Einheiten gesucht. IKEA wurde zum Angriffspunkt der etablierten Möbelhändler, die ihren Produzenten untersagten, IKEA zu beliefern. Ingvar Kamprad gründete Tochtergesellschaften unter anderem Namen, die nun die Möbel einkauften. Seine Möbelhäuser wuchsen in immer neue Dimensionen. Der Möbelnachschub wurde mittlerweile aus Polen organisiert und zwar in einer hohen Produktqualität, was die Wettbewerber abermals auf den Plan rief. Aber IKEA war damit ein gigantischer Schachzug gelungen: weg vom nur „Billig-Image“ hin zu „Günstig und doch hohe Qualität“. 1979 ergab sich die Gelegenheit, das Konzept nochmals umzustellen. Der Verkaufsvorgang war immer noch aufwändig, die Aufnahme der bestellten Möbel durch das Personal dauerte und kostete IKEA viel Geld. Dazu kamen die immer noch vorhandenen Transportprobleme und die damit verbundenen Schäden. Ein IKEA Möbelhaus musste nach einem Brand erneuert und neu aufgebaut werden. Das war die Gelegenheit, das Selbstbedienungskonzept umzusetzen und den Kunden noch tiefer in den Verkaufsvorgang einzubinden. Der Kunde suchte sich sein Möbelstück aus, ging ins Lager und holte es sich aus dem Regal, ging damit zur Kasse, bezahlte, brachte es zum Auto und transportierte es nach Hause. Dort baute er es selbst auf. Eine Revolution im Möbelmarkt. Damit war IKEA in der Lage, die Preise weiter zu senken und beim Kunden attraktiv zu erscheinen. Die Verlagerung von Funktionen des Handels auf den Kunden geht mittlerweile mit den Expresskassen noch einen Schritt weiter. Dort wo vorher eine Kasse mit einer Person besetzt war, stehen nun 4 Terminals zum selber einscannen der Artikel und Bezahlen per Karte. Restaurant und Kinderland, integriert in das Möbelhaus, waren die nächsten Schritte, die folgten, um die Kunden zu begeistern und zu binden. Es war eine neue Erkenntnis, dass man mit seiner Zielgruppe wachsen musste bzw. erwachsen werden musste. Haben am Anfang primär junge Leute und Studenten bei IKEA eingekauft, waren Ledermöbel damals undenkbar bei IKEA. Heute ist dieses Sortiment breit vertreten. Der Student von damals hat sein
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Studium abgeschlossen, hat einen Job, verdient Geld und hat eine Familie. Da reicht das einfache „Billy“ Regal nicht mehr aus. Weg von den Kiefermöbeln hin zu weißen Möbelstücken. Das Sortiment wurde am Rand um Mitnahmeartikel erweitert, die heute maßgeblich zum Erfolg beitragen. Später stieg IKEA doch selbst in die Möbelproduktion ein und konnte so weitere Synergien heben und Nachschubprobleme meiden. Die eigene Produktion brachte einen weiteren Vorteil mit sich. Nun konnte schon bei der Konstruktion und Produktion der Möbel darauf geachtet werden, dass die Transportpakete möglichst klein und kompakt ausfielen. Das bringt Vorteile beim Transport in den PKWs der Kunden. Mit dem IKEA System übernimmt der Kunde beim Möbelkauf vom Aussuchen über Transport bis zum Aufbau 80 % der Arbeit. IKEA erzielt mit diesem Konzept einen weltweiten Umsatz von über 40 Mrd. EUR im Jahr (2022) und ist weiter auch mit neuen Standortkonzepten auf Expansionskurs. In Hamburg Altona entstand der erste IKEA Standort in Citylage. Die erwirtschaftete Rendite der Branche liegt im Durchschnitt bei drei bis fünf Prozent. IKEA erreicht mit seinem Konzept eine Rendite von fast zwölf Prozent und entwickelt sich gegen den Branchentrend positiv (2016). Einige Zahlen verdeutlichen das Ergebnis von „anders denken als die anderen und als bisher“: Vom Billy Regal wurden von 1978 bis 2022 120 Mio. Stück verkauft, ein Möbelstück mit einer Weltkarriere. Vom IKEA Katalog wurden bis zu 220 Mio. Stück aufgelegt. 2021 wurde er aufgrund des geänderten Einkaufsverhalten der Kunden eingestellt. Bis zu 80 Mio. Hotdogs wurden jährlich verkauft und bis zu 50 Mio. Inbusschlüssel lagen den Produkten als Aufbauhilfe bei. Ingvar Kamprad ist 2016 im Alter von 92 Jahren gestorben. IKEA ist ein Beispiel wie in einem vermeintlich unveränderbaren Markt neue, eigene und sehr erfolgreiche Spielregeln aufgestellt wurden. So erfolgreich, dass Rüdiger Jungbluth 2006 ein Buch über IKEA geschrieben hat.
6.3.3 engelbert strauss Vom Blaumann zum Trendsetter für Berufsbekleidung oder vom Blaumann zum „Alles was der Handwerker braucht“. Beide Statements passen auf die Entwicklung von engelbert strauss , dem Anbieter von Berufsbekleidung (Abb. 42). Begonnen hatte alles mit dem Handel von Bürsten und Besen durch August Strauss. Sein Sohn Engelbert gründete daraus 1948 das Unternehmen Engelbert Strauss und erweiterte das Sortiment um Textilien für das Baugewerbe,
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen
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Abb. 6.42 engelbert strauss Logo. (Quelle engelbert strauss)
stellte den Vertrieb auf den Versandhandel um und schickte später seinen Katalog regelmäßig an die Kunden. Der Blaumann, das typische Kleidungsstück für den Handwerker, und andere Berufsbekleidung wurden in der Regel über kleine, oft berufsspezifische Fachgeschäfte oder den Versandhandel verkauft. Berufsbekleidung war derbe, funktionell, optisch nicht attraktiv und farblich eher eintönig. Norbert Strauss, der Sohn von Engelbert Strauss, seine Frau Gerlinde und seine beiden Söhne Steffen und Henning hatten an ihr Unternehmen und ihr Sortiment deutlich höhere Erwartungen und setzten damit Maßstäbe in der Branche für Berufsbekleidung. Der Spielmacher engelbert strauss veränderte die Regeln in seinem Markt und wurde damit zum Marktführer, der mit seiner „Spielweise“ auch andere Märkte beeinflusst. Durch seine selbstentwickelten Produkte zeigt engelbert strauss, dass Berufsbekleidung durchaus modisch und trendig sein kann. Sicherheit und Funktion stehen an erster Stelle, aber warum sollten Jacken, Hosen oder Schuhe für einen Handwerker nicht farbig sein, warum sollten sie nicht den aktuellen Modetrends entsprechen und richtig gut aussehen? Bei engelbert strauss fließen alle diese Aspekte und die neuesten Materialien mit in das Sortiment ein. Dort wo es Sicherheitsstandards zu erfüllen gibt, wie z. B. bei Schuhen, geht das auch auf modischem Weg. Bei einigen Produkten ist gar nicht mehr zu erkennen, dass es sich um Berufsbekleidung handelt. Das wiederum tangiert benachbarte Märkte wie die Freizeitbekleidung. Auch dort gilt engelbert strauss mittlerweile als Lifestyle Marke mit modischen und aktuellen Produkten, die richtig was aushalten. Viele Outdoor-Fans greifen immer öfter zur „Berufsbekleidung“ von engelbert strauss. Zudem liegt das Preisniveau unter dem der üblichen Freizeitmarken.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.43 engelbert strauss Eingangspanorama. (Quelle engelbert strauss)
Neben dem Katalogversand und dem Versandhandel beschreitet engelbert strauss mit seinen workwearstores® einen völlig neuen Weg für Berufsbekleidung. Kaufte der Handwerker bis dahin seine Arbeitskleidung in kleinen Fachgeschäften, bietet ein workwearstore® von engelbert strauss auf bis zu 3000 qm über 40.000 Artikel aus seinem Sortiment an (Abb. 6.43). Hier findet der Landschaftsgärtner, der Maler, der Elektriker oder der Logistiker seine komplette Kleidung. Die Stores sind keine reinen Einkaufsstätten, sondern eine Inszenierung der einzelnen Berufsfelder und für die Kunden ein wahres Einkaufserlebnis. Das Sortiment ist nach Berufsgruppen und Farbthemen aufgeteilt. Jede Berufsgruppe hat unterschiedliche Anforderungen an ihre Kleidung, die die Entwicklung der einzelnen Produkte bestimmen. So hat die Hose eines Zimmermanns, der oft draußen auf dem Dach eines Hauses arbeitet andere Anforderungen an Funktion und Material zu erfüllen als die Hose eines Fliesenlegers, der meist im Haus auf den Knien arbeitet. An den Wänden zeigen überdimensionale Werkzeuge der unterschiedlichen Gewerke die Identifikation mit den Kunden. Damen und Herren haben ihre eigenen Bereiche im Store. Besonders beeindruckend im workwearstore® ist aus meiner Sicht der Bereich „Kidz Corner“. Ein Sortiment für Kinder, das an die Kleidung der Erwachsenen angelehnt ist. Ein toller Marketing Schachzug, ein Marketing-Instrument, das anders ist als das bisherige Marketing. Schaut man, wer im Store einkauft, wird die Idee hinter dem Sortiment für Kinder deutlich. Es sind häufig der Handwerker, seine Frau und die Kinder. Ein typischer Handwerksbetrieb. Die Zeit zum Einkaufen mit der ganzen Familie ist knapp bemessen, jeder Einkauf würde
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Zeit für einen Auftrag blockieren. Also geht’s am Samstag gemeinsam zum workwearstore® und die Arbeitskleidung wird gekauft. Die Kinder wollen natürlich gerne die gleiche Kleidung haben wie der Vater und außerdem brauchen die Kinder sowieso etwas Neues zum Anziehen. Das Kids-Sortiment ist zusätzlicher Umsatz, bringt die ganze Familie in den Store und bindet schon frühzeitig den zukünftigen Handwerker an engelbert strauss. Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Für das leibliche Wohl sorgt die „e.s. bar“, ein Gastronomiekonzept der besonderen Art mit Produkten aus dem nahen Spessart. Blättert man durch den Katalog oder scrollt durch die Homepage findet man dort auch Sortimente, die mit Berufsbekleidung nichts zu tun haben und doch eng mit ihr zusammenhängen. Für einen typischen Hersteller von Berufsbekleidung besteht das Sortiment aus Hosen, Shirts, Jacken und Schuhen. Wie man das perfekt inszenieren kann hat uns engelbert strauss gezeigt. Das Unternehmen zeigt aber auch, was die Branche bisher versäumt hat, da nur innerhalb der eigenen vermeintlichen Branchengrenzen gedacht wurde. Ein Handwerker benötigt natürlich viel mehr als seine Bekleidung. Ein Handwerksbetrieb benötigt Büromaterial, Werkzeug und Betriebsmittel. Bei engelbert strauss kann sich der Handwerksbetrieb komplett versorgen und hat damit nur einen Lieferanten und Ansprechpartner. Mit einem Sortiment u. a. aus Bohrmaschinen, Druckerpatronen, Leitern, Pinseln, Rostlöser, Handtüchern, Müllsäcken, Geschirr und Kabeltrommeln ist engelbert strauss einzigartig. Diese über zweitausend zusätzlichen Artikel sind oft Markenprodukte bekannter Hersteller oder werden unter der eigenen Marke angeboten. So gab es z. B. auf der Homepage einen DeWalt Shop zu finden. DeWalt ist die Profimarke von Black & Decker, einem weltweit führenden Hersteller für Elektrowerkzeuge. Ein solcher Shop war sonst nur in Profibaumärkten zu finden. Mittlerweile sind die Werkzeuge mit dem label von Strauss gebrandet. Bei engelbert strauss wachsen Sortimente zusammen und zwar aus der Bedarfssicht seiner Kunden. Es werden Branchengrenzen überschritten und damit neue Standards gesetzt. Das Umsatzpotenzial pro Kunde wächst damit deutlich. In der Kundenansprache nutzt engelbert strauss neben den workwearstores®, Katalog, Homepage und Newsletter, die sozialen Medien. Auf YouTube sieht man z. B. ein Musikvideo, in dem als Musikinstrumente unterschiedliche Werkzeuge dienen und die neueste Kollektion vorgestellt wird. Der weiße Strauß auf rotem Viereck zeigt sich immer öfter auch bei Sportveranstaltungen. Kollaborationen mit Nintendo, der Hardrockband Metallica oder der Stuntmen`s Association in Hollywood, erregen immer wieder Aufsehen.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
In der Nähe zum Stammsitz ist die CI-Factory entstanden (Abb. 6.44). Dort können die Produkte mit dem Logo der Kunden versehen werden und nicht nur, wie sonst üblich, in großen Chargen, sondern auch für den Handwerksbetrieb aus der Kleinstadt. Das Logo des Handwerksbetrieb wird als Marke verstanden und dementsprechend behandelt. Die CI-Factory ist zugleich ein riesiger Logistikumschlagplatz für die engelbert strauss Produkte und eine gläserne Produktionsstätte für die Schuhe im Sortiment. Trotz der großen Expansion des Unternehmens bleibt die Nachhaltigkeit bei engelbert strauss ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur. Auf dem Gelände in Biebergemünd ein neuer Unternehmenscampus entstanden, der als Werkstatt für neue Ideen und Technologien genutzt werden soll. Der gesamte Komplex wird mit erneuerbaren Energien betrieben, wie es auch beim workwearstore® in Biebergemünd der Fall ist. Bei den Produkten finden BioBaumwolle und recyceltes Polyester Verwendung. engelbert strauss zeigt eindrucksvoll wie sich „anders denken“ in einer bisher nicht sehr präsenten Branche auswirken kann. engelbert strauss spielt mittlerweile in dieser Branche nach eigenen Regeln und etabliert sich als Marke in einem bisher markenlosen Markt. Und das sehr erfolgreich. Mehrmals war die Marke in der jährlichen Umfrage unter Konsumenten „Marke des Jahres“ vom Handelsblatt im Segment Modespezialhändler die Nummer 1. In Deutschland gehört engelbert strauss zu den Top 5 Onlinehändlern. Weitere Informationen unter www.engelbert-strauss.de
Abb. 6.44 engelbert strauss CI Factory. (Quelle engelbert strauss)
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6.3.4 Leitner Seilbahnen In Skigebieten werden Seilbahnen benötigt, die die Wintersportler zu den Pisten befördern. Es gibt Kabinen- und Sesselbahnen, geschlossene und offene Systeme, Pendel- und Standseilbahnen sowie Schrägaufzüge. Seit 1888 entwickelt und produziert Leitner, mit Sitz in Sterzing in Südtirol, Seilbahnen und ist einer der führenden Hersteller auf diesem Gebiet. Begonnen hat der Gründer Gabriel Leitner mit der Produktion von Landmaschinen und Materialseilbahnen. Im Zuge der Entwicklung des Tourismus und besonders des Skisports hat sich Leitner später auf den Personentransport konzentriert. 1947 baut Leitner den ersten Sessellift im italienischen Corvara. 1993 stiegt der Bauunternehmer Michael Seeber mit einem Anteil von 68 % in das Unternehmen ein, als Leitner in finanzielle Schieflage geraten war. Seit 2016 ist sein Sohn Anton Seeber Vorstandsvorsitzender der High Technology Industries (HTI Group), zu der die Leitner AG mittlerweile gehört. Anton Seeber hat nach seinem Studium bei Graham Partners, einem Privat Equity Unternehmen in den USA, gearbeitet. Unter der Leitung von Michael und später Anton Seeber hat sich Leitner durch Zukäufe deutlich entwickelt und gestärkt. Schwesterunternehmen von Leitner produzieren Pisten- und Kettenfahrzeuge, Windkraft- und Beschneiungsanlagen. Damit kann HTI als einziger Anbieter die vollständige Wintertechnologie anbieten. Leitner entwickelte viele innovative Ideen bei den Kabinen- und Sesselbahnen und wurde einer der Weltmarktführer im Seilbahnbau (Abb. 6.45). Aber das Kerngeschäft kommt für alle Anbieter im Bereich Eis und Schnee unter Druck. Der Klimawandel lässt die „Skitauglichkeit“ vieler Skigebiete mangels Schnee unsicher werden, Wintersportsaisons drohen komplett auszufallen. Diese Entwicklung trifft nicht nur Hotels, Restaurants, Gemeinden, sondern auch die Anbieter von Skiliften, Seilbahnen und andere Herstellern von Wintertechnologie. Leitner hat sich aufgrund dieser Anzeichen frühzeitig mit anderen Einsatzbereichen seiner Produkte und seines Know-hows beschäftigt. Der weiter fortschreitende Klimawandel zeigt, dass dies die richtige Entscheidung war. Der Wintersport ist „kein Wachstumsmarkt mehr“, so Michael Seeber 201511.
11 Michael
Seeber, FAZ, 14.12.2015
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.45 Leitner Schmittenhöhebahn. (Quelle: Leitner AG)
Wie können das Know-how und die Kernkompetenz von Leitner für andere Produkte oder Branchen eingesetzt werden? Wenn Seilbahnen Menschen in die Höhe zu den Skigebieten befördern können, können sie auch Menschen in Städten zu Sehenswürdigkeiten transportieren. Leitner entwickelt solche Systeme und realisiert sie z. B. 2021 in Barcelona mit der „Funicular de Tibidabo“ oder mit dem „Cablebus“ in Mexico City und vielen weiteren Projekten in Finnland, der Türkei oder Kolumbien (Abb. 6.46). Der „Cablebus“ befördert über knapp 11 km bis zu 100.000 Personen am Tag und das in nur 36 min gegenüber vorher 75 min pro Strecke. In Frankfurt am Main verbindet am Flughafen eine MiniMetro von Leitner das Büro- und Hotelgebäude „The Squaire“ mit dem Parkhaus und ist in der Lage pro Stunde bis zu 3400 Personen zu transportieren. Auch für Materialtransport hat Leitner Systeme entworfen und verkauft. Sie wurden z. B. bei der Errichtung der Umfahrungsbrücke des Hoover Staudamms in Colorado eingesetzt. Weitere Systeme u. a. in Portugal, in Frankreich, in Brasilien, in der Türkei und in Peru (Abb. 6.47).
6.3 Neue Wettbewerbssituation schaffen
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Abb. 6.46 Cablebus Mexico City. (Quelle Leitner AG)
Leitner stellt sich den Veränderungen im Kerngeschäft und schafft sich mit den neuen Einsatzbereichen der Produkte bzw. Systeme eine verbesserte Wettbewerbssituation, indem das eigene Betätigungsfeld ggü. den Wettbewerbern deutlich ausgebaut wird. Der Transfer von Know-how und Kernkompetenz in andere Bereiche, war bei Leitner die Erfolgsformel. Weitere Informationen unter www.leitner.com
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.47 Flying Belt Barroso, Brasilien. (Quelle Leitner AG)
6.4 Hindernisse im Markt eliminieren 6.4.1 Dick Fosbury Für mich das klassische Beispiel für „Anders als die Anderen und anders als bisher“ in einem Bereich, in dem man es ganz bestimmt nicht erwartet hätte. Dick Fosbury räumt mit einer neuen Regel sein Hindernis aus der Welt und revolutioniert eine Sportart auf ungewöhnliche Weise (Abb. 6.48). In der Leichtathletik gibt es die Disziplin Hochsprung seit 1896 als olympischen Wettbewerb. Der Hochsprung hat sich mit der Zeit entwickelt und die Techniken haben sich geändert, wobei immer die Regel galt, dass der Absprung nur mit einem Bein erfolgen darf. Begonnen hatte alles mit dem Scherensprung in aufrechter Haltung, dann variiert zum Rollsprung, der in den Bauchwälzer, dem sogenannten Straddle, mündete. Bis zu den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko kannte die Öffentlichkeit bei den aktiven Athleten nur den Straddle-Stil. Der Hochspringer läuft an und überspringt die Hochsprunglatte mit einem Bein zuerst und windet sich dann bäuchlings mit dem ganzen Körper über die Latte.
6.4 Hindernisse im Markt eliminieren
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Abb. 6.48 Dick Fosbury
Doch dann sprang ein gewisser Dick Fosbury im Alter von 21 Jahren in Mexiko bei den Olympischen Spielen in einem ganz eigenen Stil über die Hochsprunglatte. Noch bis zum Jahre 1967 war Dick Fosbury mit einer Hochsprungleistung von übersprungenen 2,10 m im traditionellen Stil ein Hochspringer unter vielen anderen. Er wollte aber mehr, er wollte Außergewöhnliches leisten. Er versuchte sich an anderen Techniken, um höher springen zu können. Er experimentierte. Dann fand er einen neuen Stil, mit dem er viel besser zurechtkamund mit dem er sich zutraute, viel höher als bisher zu springen. Dick Fosbury lief quer zur Hochsprunganlage an, drehte sich kurz vor dem Absprung mit dem Rücken zur Latte, sprang mit einem Bein ab und überquerte dann mit dem Rücken zuerst die Latte, riss die Beine nach oben und übersprang so die Latte. Die Füße, sonst oft der Körperteil, der die Latte riss, zeigten gen Himmel. Fosbury rollte sich wie bei einer Rolle rückwärts über die Latte. Der Fosbury Flop war geboren. Sein Trainer Bernie Wagner wollte ihn damit allerdings lieber zum Zirkus schicken und beschied ihm mit dieser Technik keine Zukunft im Hochsprung. Dick Fosbury blieb hartnäckig und verfeinerte mit Erfolg seinen neuen Stil.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Im Winter 1968 wurde er überraschend amerikanischer Studentenmeister, gewann plötzlich mit übersprungenen 2,18 m die Mexiko-Ausscheidung für die Olympischen Spiele der Amerikaner. Zu diesem Zeitpunkt wurde der unkonventionelle Stil von Dick Fosbury noch belächelt. Bei den Spielen in Mexico City schaffte er als Einziger alle Höhen bis 2,22 m ohne Fehlversuch und verwandelte das Gelächter über den neuen Stil damit in bewunderndes Staunen. Am 20. Oktober 1968 gewann er mit 2,24 m die Olympische Goldmedaille. 80.000 Zuschauer im Stadion und Millionen an den Fernsehgeräten waren begeistert von diesem jungen Mann, der damit den Hochsprung revolutioniert hatte. Dick Fosbury scheiterte nur knapp an der bestehenden Weltrekordhöhe von 2,28 m des russischen Hochspringers Waleri Brumel, der noch im Straddle-Stil sprang. Doch selbst nach dem Gewinn der Goldmedaille warnte der Coach des amerikanischen Olympia Teams, Payton Jordan, weiter vor der neuen FlopTechnik: „Wenn Kinder versuchen, Fosbury zu imitieren, wird er eine ganze Generation von Hochspringern auslöschen, weil sie sich alle das Genick brechen werden.“ Auch Ärzte vertraten die Auffassung, dass der Flop das Leben von Kindern gefährden würde. Der Flop allerdings änderte von nun an die Welt des Hochsprungs, und die neue Technik wurde von den meisten Athleten übernommen. Auch die bekannten deutschen Hochspringerinnen und Hochspringer Ulrike Meyfarth (1972 und 1984), Heike Henkel (1992) und Dietmar Mögenburg (1984) wurden mit dem Fosbury Flop Olympiasieger. Dick Fosbury selbst hörte allerdings schon kurz nach seinem Olympiasieg mit dem Leistungssport auf, weil er ein geregeltes Leben vorzog und die ständigen Reisen als Spitzensportler satt hatte. Die späteren Olympiasieger sprangen alle im von Dick Fosbury erfundenen und zu seiner Zeit völlig quergedachten Fosbury Flop. Dick Forbury ist 2023 im Alter von 76 Jahren in Salt Lake City gestorben. Auch im Sport kann man Spielregeln nachhaltig ändern, sein Spiel spielen und gewinnen.
6.4.2 RTL Das Beispiel RTL zeigt, wie in einem Markt eine unvorteilhafte Regel durch eine neue ersetzt wird, die gleichzeitig zum Nachteil der etablierten Spieler und zum Vorteil des neuen Spielers wird (Abb. 6.49).
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6.4 Hindernisse im Markt eliminieren
Beispiel: RTL
Hindernisse im Markt eliminieren
Das galt bisher im Fernsehmarkt:
Es geht auch anders:
Öffentliche bekommen Gebühren
Start Privatfernsehen am 01.01.1984
Private benötigen Werbeeinnahmen
Werberelevante Zielgruppe erfinden
Gigantische Reichweite bei ARD / ZDF
Alter 14 bis 49 Jahre
70 % der Zuschauer älter als 50 Jahre
70 % der Reichweite werden unsichtbar
Junges Nischenpublikum bei Privaten
Marktanteil katapultiert nach oben
Werbegelder fließen zur Reichweite
Werbezeiten werden teuer verkauft
Die Regeln zu seinen Gunsten und zum Nachteil der Anderen ändern. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.49 RTL
1984 hatte das Privatfernsehen in Deutschland Premiere: RTL zog in den Markt ein. Besetzt war der Fernsehmarkt von den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF, sowie den dritten Programmen. RTL war ein kleiner Sender, der belächelt wurde, der kein Profil hatte und doch den TV-Markt verändern sollte. Die Sachlage war eindeutig: Die öffentlich-rechtlichen Sender finanzierten sich durch die Gebühren und Werbeeinnahmen, die Privaten aber mussten sich zu 100 % aus den Werbegeldern finanzieren. Sie mussten versuchen, am großen Topf der Werbegelder zu partizipieren. Die Industrie, die für ihre Produkte und Dienstleistungen Werbung im Fernsehen schaltet, gibt ihr Budget aber nach der Reichweite eines Senders aus und die war bei ARD und ZDF riesig, da sie bis dahin auch die einzigen Sender waren. Die Reichweite besagt, wie viel Haushalte ein Sender mit seinem ausgestrahlten Programm erreicht. Etwas musste passieren, denn die Industrie sah keinen Grund, Gelder eher bei RTL als bei den Öffentlich-Rechtlichen zu platzieren. Helmut Thoma, der damalige Chef von RTL, wollte keine Mitspielerrolle, die bedeutet hätte, auf attraktive Werbegelder zu verzichten. RTL hat sich in der damaligen Zeit ausschließlich auf ein jüngeres Publikum konzentriert und danach seine Sendungen aufgebaut, Filme gekauft und produziert. Das war
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
das Publikum, das bei ARD und ZDF nicht im Vordergrund stand, deren Zielgruppe und Zuschauer waren bedeutend älter. Wir kennen noch die Versuche der Privaten, mit neuen Formaten und Wiederholungen an Reichweite zu gewinnen. Das klappte auch ganz gut, aber eben nicht gut genug, um an die Reichweite der anderen heranzukommen. Die jüngere Zielgruppe konnte gewonnen werden, die ältere nicht. Langfristig wäre dies ein Teufelskreis gewesen, mit den günstigen Programmen wurde die jüngere Zielgruppe erreicht, aber nicht die Masse, um an die Werbegelder zu kommen, die wieder notwendig waren, um langfristig aus dieser Nische herauszukommen. Helmut Thoma wollte aus diesem Zustand ausbrechen und hatte eine Idee: Wenn es nicht geschafft wird, nach den aktuell geltenden Maßstäben an die Werbegelder zu kommen, dann müssen eben die Maßstäbe geändert werden. Und das tat er, er wurde zum Spielmacher und verließ die Rolle des Mitspielers. Er dachte anders als die Anderen und anders als bisher. Er versuchte, die gültige Bestimmung der Reichweite zu ändern, die es schon sehr lange gab. Der RTL-Zuschauer war im Alter von 14 bis 49 Jahren, das Publikum von ARD und ZDF bestand zu 70 % aus Zuschauern, die älter als 50 Jahre waren. Helmut Thoma definierte die Reichweite einfach neu, nicht mehr die Bezugsgröße Gesamtbevölkerung sollte die Messlatte sein, sondern die Bevölkerung im Alter von 14 bis 49. Er führte den Begriff der „werberelevanten Zielgruppe“ ein, eben im Alter bis 50 und nicht darüber. Er gewann die werbetreibende Industrie und die Werbeagenturen für sich und überzeugte sie. Damit gelang es ihm, die RTL-Zielgruppe als das Maß der Dinge darzustellen. In die Reichweite der werberelevanten Zielgruppe ging fast das gesamte RTL-Publikum ein, während bei ARD und ZDF plötzlich nur noch 30 % der Bewertungsgrundlage übrig blieben. Es war ein geschickter Schachzug, die eigene Stärke in den Vordergrund zu rücken und die Stärken des Wettbewerbers einfach zu eliminieren. Auf einmal war RTL der Sender, der die Zielgruppe am besten abdeckte und die anderen waren eben nur noch alt und verstaubt. Der Marktanteil von RTL wuchs damit, der von ARD und ZDF sank. Ein zusätzlicher Effekt war, dass nun RTL die höheren Werbegelder forderte und bekam, da der Sender die Zielgruppe zu fast 100 % abdeckte, also quasi keine Streuverluste für die Werbung aufwies. Ein Ansatz, der den Markt vollständig veränderte, wurde von einem Kleinen im Markt initiiert. Das Beispiel zeigt, dass man auch ohne viel Geld einen Markt zu seinen Gunsten verändern kann und die Stärken des Wettbewerbs durch geänderte Kriterien gezielt zu deren Schwächen machen kann. RTL produziert heute eigene TV-Serien und eigene Shows und hat bei den Privatsendern den höchsten Marktanteil.
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6.4 Hindernisse im Markt eliminieren
Über die Definition der werberelevanten Zielgruppe lässt sich heute trefflich streiten, wenn am auf die Alterspyramide der Bevölkerung in Deutschland schaut. Menschen ab 50, für die man keine Werbung mehr schalten sollte? Die Alterspyramide sagt etwas anderes: Die „nicht werberelevante Zielgruppe“ ab 50 aufwärts wächst und wächst. Zumal die Menschen ab 50 mehr Geld zur Verfügung haben als die jüngeren und auch konsumieren wollen, denn Sparen hat hier keine Priorität. Zeit zum Fernsehen hat diese Zielgruppe auch, aber eben den Wunsch nach einem etwas anderen Programm. Übrigens ist der 1984 in der werberelevanten Zielgruppe enthaltene 30-jährige heute fast 70 Jahre alt und damit aus dieser so wichtigen Gruppe herausgewachsen. Thoma sieht die Gruppengrenzen heute sicher eher gleitend.
6.4.3 aws Wärme Service Wie in einem Commodity-Markt neue Standards gesetzt werden, zeigt das Beispiel aws Wärme Service (Abb. 6.50). aws Wärme Service war ein Unternehmen aus dem Mineralölhandel und blickt auf eine lange Tradition zurück. Über Firmierungen wie Raab Karcher, Veba Öl Vertrieb, Veba Wärme Service und Aral Wärme Service gelangt man Beispiel: aws Wärme Service
Hindernisse im Markt eliminieren Das galt bisher im Heizölmarkt:
Es geht auch anders:
Kunde ruft an
Kundenmanagementsystem
Kunde zahlt erst bei Lieferung
HelGA Gutschein
Nur der Preis entscheidet
Glückspilzaktion
Keine neuen Vertriebswege möglich
HeiNZ
Auftritt nur unter einer Marke
Second Brand
Heizölhändler können nur Öl
Ökostrom Angebot
Ein Commodity Markt bekommt neue Regeln. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.50 aws Wärme Service
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zur aws Wärme Service (aws), einer Beteiligung der BP Europa SE. Das Unternehmen vertrieb Heizöl an ca. 350.000 Endverbraucher und war Marktführer in diesem Segment. Zu den Kunden zählten vor allem die Ein- und Zweifamilienhaus-Besitzer. Nicht sehr spannend werden viele sagen, aber man sollte sich nicht täuschen lassen. Der Beitrag wurde aus der Sicht des Jahres 2011 geschrieben. Wie sah der Markt zu dieser Zeit aus? Es gibt knapp 4000 Heizölhändler, die meisten sind kleinere Betriebe, die ihr Geschäft rund 20 bis 40 km um ihren Standort herum betreiben. Es handelt sich häufig um Zwei-Personenbetriebe; Inhaber und Ehefrau machen das Geschäft schon seit Jahren und kennen die Kunden sehr genau. Bedient werden zwischen 2000 und 3000 Kunden pro Betrieb. Regional größere Betriebe sind die Ausnahme. Die Konzerne haben sich aus dem Direktgeschäft zurückgezogen und verlagern es auf Vertriebspartner, die dafür die Marke des Konzerns verwenden dürfen. Insgesamt geht der Markt zurück, da nach einer Heizungsmodernisierung deutlich weniger Öl verbraucht wird, oft auf andere Energien umgestellt wird und im Neubau Heizöl so gut wie keine Rolle mehr spielt. aws beschäftigt sich eingehend mit seinen Kunden und nutzt die Marktforschung in Form von Focus Groups intensiv, um den Kundenwünschen näherzukommen. Wenn Sie Kunden fragen, was ihnen beim Heizölkauf am wichtigsten ist, antworten über 90 % mit „der Preis“. Sich dem Preis als einziges Kriterium im Markt auszusetzen, war nicht das Ziel. aws hat seinen Kunden in Focus Groups immer wieder neue Ideen vorgestellt, um herauszufinden, was neben dem Preis für den Kunden ein Argument bei der Wahl seines Lieferanten sein könnte. Hierbei war es wichtig, den Kunden nicht nur einfach zu fragen. Er hätte immer wieder zum „Preis“ als größten Wunsch gegriffen. Wie sollte er auch etwas wollen bzw. vermissen, was er bis dahin noch gar nicht kannte? Es war wichtig, gemeinsam mit den Kunden tiefer zu schauen. aws hat in speziellen Focus Groups Reaktionen und Meinungen zu den eigenen Vorschlägen aufgenommen und damit die MarketingTools fortlaufend verfeinert. Unterstützend wurde ein Kundenbarometer aufgesetzt, mit dem die Kundenmeinung über das Angebot regelmäßig hinterfragt wird. aws wollte in den Spiegel schauen, den der Kunde einem vor hält. Es gab den Wunsch, anders zu sein. Anders als der Wettbewerb und anders als bisher.
6.4.3.1 Wie läuft das Heizölgeschäft? Es handelt sich im Vergleich zu anderen Branchen um ein eher unspektakuläres Geschäft. Einmal im Jahr ruft der Kunde an und fragt nach dem aktuellen Heizölpreis, aber nur dann, wenn der Heizöltank fast leer ist. Angerufen werden in der
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Regel der Stammlieferant und noch zwei oder drei andere Händler, um dann um den niedrigsten Preis feilschen zu können. Es herrscht eine Art Basar-Mentalität. Einmal im Jahr Kontakt zum Kunden und das nur, wenn der Kunde anruft. Warten also, bis das Telefon klingelt und dann noch auf den niedrigsten Preis einsteigen müssen. Das ist etwas überspitzt beschrieben, trifft es aber im Kern. Ein passives Geschäft, bei dem die Händler zwar schnell große Umsätze erzielt – denken Sie nur an die Preise für einen Liter Heizöl, Benzin oder Diesel – aber Umsatz allein reicht nicht aus. Nun kann man sich natürlich hinsetzen und hoffen, das sich ein Kunde meldet und man dann von der sehr schmalen Marge auch noch etwas abgeben muss, da ein Wettbewerber einen niedrigen Preis angeboten hat. So wollte aws nicht arbeiten. Es wurde quergedacht, um in diesem passiven und konservativen Markt für ein völlig austauschbares Massenprodukt die Spielregeln, die seit ewigen Zeiten existierten, zu ändern. Ändern, sodass die aws Wärme Service Vorteile gegenüber den Wettbewerbern generieren kann und damit in einem sinkenden Markt seine Marktanteile erhöhen und insgesamt wachsen kann. Das Unternehmen wollte sich von einem schleichenden und langsamen Marktrückgang abkoppeln, denn sich mit dem Markt zu entwickeln, hieße jedes Jahr die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren. Betrachtet man die Regeln im Heizölmarkt, so wird die Vorgehensweise der aws deutlich: • Ein Heizölkunde ruft seinen Lieferanten an, wenn er Bedarf an Heizöl hat: So war es in der Branche schon immer. Wenn der Kunde Heizöl braucht, wird er schon anrufen. Passiver geht es kaum, bequem, aber langweilig. Aber warum? Zumal die Kunden selbst den Hinweis gaben, dass sie einem sinnvollen Kontakt und einer hilfreichen Information gegenüber aufgeschlossen sind. Ein Heizölkunde benötigt ziemlich genau alle zwölf Monate eine neue Lieferung. Daraus ergibt sich ein neuer Bedarf ungefähr ein Jahr nach der letzten Lieferung. Aus dieser Information und der beim letzten Mal gelieferten Heizölmenge wurde ein ausgefeiltes Mailing- und Kundenbindungssystem entworfen. Der Kunde bekommt passend zu seiner Phase im Bedarfszyklus die adäquaten Informationen. Es hat zwar gedauert ein so detailliertes und effizientes System zu entwerfen und umzusetzen, aber im Markt gibt es nichts Vergleichbares. Das ist Kundenbindung pur. Normal ist ein Kundenkontakt im Jahr, die aws Wärme Service hat ein engmaschiges Kundenmanagementsystem von drei bis vier Kontakten aufgebaut. Das ist die Glaskugel, die über die Kunden gesetzt wird: Der Wettbewerber kann die Kunden der aws zwar
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sehen, aber kommt nicht an sie heran. Das Kundenmanagementsystem ist in dem Artikel „Billig ist kein Marketing“ (2012) von mir detailliert beschrieben. Ein Heizölkunde zahlt sein Heizöl erst, wenn er es im Tank hat: Völlig normal, aber auch riskant und nicht gerade liquiditätsfördernd. Vor der Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 um drei Prozent wollte die aws ihren Absatz steuern und aus der heißen Phase, wenn alle Kunden noch schnell zum alten Mehrwertsteuersatz kaufen wollten, in das erste Quartal 2008 verlagern. Kapazitätsengpässe bei Personal und Logistik wurden befürchtet. Der Gedanke war, dem Kunden etwas anzubieten, was ihn dazu bewegt auch zum höheren Steuersatz zu kaufen und somit in den hektischen Monaten davor Ruhe zu bewahren. Dafür wurde das Heizlöl-extra-leicht Gutschein-Angebot „HelGA“ entwickelt. „Heizöl extra leicht“ ist die allgemein gültige Produktbezeichnung. HelGA ist ein Gutschein im Wert von beispielsweise 500 EUR. Der Heizölkunde kauft seine HelGA und vier Monate nachdem er sie bezahlt hat, lädt aws den Gutschein um drei Prozent auf. Das entspricht einer theoretischen Jahresverzinsung von neun Prozent. Ein gewaltiges Angebot. Und eine neue ungewöhnliche Idee in diesem Geschäft. Was steckt dahinter? Die Kunden haben die HelGA gekauft und bezahlt, aws hat also das Geld vom Kunden schon vor der Heizöllieferung. Liquidität ist hierbei ein wichtiges Argument. Der Kunde löst den Gutschein, der im CRM-System der aws hinterlegt wird, beim nächsten Heizölkauf ein und erzielt damit seinen Vorteil. Kaufen wird er natürlich nur bei aws, denn dort hat er ja quasi schon angezahlt. Zur Liquidität auch noch Kundenbindung. Eine HelGA gibt es in verschiedenen Wertstufen von 50 bis 500 EUR. Die HelGA ist so erfolgreich, dass sie auch nach der Mehrwertsteuererhöhung noch am Leben ist und einen wichtigen Faktor im Kundenmanagementsystem der aws darstellt. Frei nach der Duplo-Werbung kann HelGA „die wohl erfolgreichste Prepaid-Card für Heizöl in Europa“ genannt werden. Nur der Preis entscheidet beim Heizölkauf: Natürlich antwortet der Kunde auf die Frage, was für ihn das Wichtigste sei: der Preis. So ist es in den meisten Branchen. Allerdings muss immer versucht werden, den Kunden vom reinen Preisgedanken wegzuführen. Entscheidend ist nicht der absolute Preis, sondern der „gefühlte Preis“, den der Kunde empfindet. Und den kann man beeinflussen, wie aws eindrucksvoll zeigt. In einem Markt, in dem der Kunde sich völlig frei für einen Lieferanten entscheidet, ist das äußerst wichtig. Der Kunde sollte etwas bekommen, was die Bindung an aws erhöht und den Preis nicht als alleiniges Entscheidungsmerkmal gelten lässt. Nicht mit den Faktoren, die selbstverständlich sind, wie exakte Liefertermine, sichere Belieferung, exakte Abrechnung und nette,
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kompetente Kundenberater. Nicht mit Faktoren, die der Wettbewerb leicht nachahmen kann. Gesucht wurde etwas Einzigartiges, was es nur bei diesem Lieferanten gibt. Dieses Marketing-Tool sollte genau zum Kaufzeitpunkt parat stehen und ganz besonders die Lieferantentreue belohnen. Eine Verlosung schien die richtige Maßnahme zu sein, allerdings darf sie nach dem Wettbewerbsgesetz nicht an einen Kauf gekoppelt werden. Die Idee war, den Kunden Losanteile zu geben. Pro 1000 L bekommt der Kunde einen Losanteil, einen Glückspilz, wie der Losanteil genannt wurde. Es geht um die Glückspilzaktion der aws Wärme Service. Da die Treue belohnt werden soll, gelten die Mengen der letzten vier Jahre als Bezugspunkt. Je mehr der Kunde gekauft hat und je treuer er bei aws blieb, desto mehr Losanteile bekommt er, die dann in die virtuelle Lostrommel einfließen. Zusätzliche Losanteile gibt es zum Beispiel für die Abnahme der Premiumqualität, der Zahlung per ECKarte oder den Kauf einer HelGA, für Dinge, die der aws wichtig sind. Zweimal im Jahr wird aus allen Glückspilzen ein Mini One verlost. Alle Kunden, die treuen Stammkunden umso mehr, haben zweimal im Jahr die Chance, ein Auto zu gewinnen. Die Kunden sind von dieser Möglichkeit begeistert und der letzte Cent ist im Preisgespräch nicht mehr ganz so wichtig. Nebenbei bietet diese Marketingmaßnahme den Kundenberatern am Telefon einen hervorragenden Gesprächseinstieg und eine einzigartige Argumentationshilfe. Es ist ein komplettes System, das hier entstanden ist und im Markt wirkt. Die Gewinner werden in die Zentrale nach Bochum eingeladen. Dort wird in einer kleinen Feier mit der Geschäfts- und Marketingleitung der Mini One übergeben. Ein Fotograf hält den Augenblick fest und die Bilder werden in den nächsten Mailings abgedruckt, um der Aktion immer mehr Durchschlagskraft zu verleihen. In den oben erwähnten Mailings kurz vor dem zu erwartenden Liefertermin des Kunden werden ihm seine bis jetzt erreichten Glückspilze schriftlich mitgeteilt, die ihn überzeugen, wieder bei aws zu kaufen. • Es gibt keine neuen Vertriebswege für Heizöl: Das könnte man denken, wenn man sich den Markt anschaut. Eine besondere Herausforderung für aws. Wie gelangt man an Kundenkreise, die einem sonst verschlossen bleiben? Es hat aws gereizt, etwas zu kreieren, was einen Heizöllieferanten interessant für andere Branchen macht. Der „HeiNZ“ ist eine solche Idee gewesen. Die aws hatte mit einem führenden Lebensmittelanbieter gesprochen und ihm dieses Angebot gemacht: aws bringt ihm Kundenfrequenz, aws bringt ihm Umsatz, aws bringt ihm Kundentreue, aws versetzt ihn in die Lage, einen hohen Kaufvorteil zu geben, der ihn aber nichts kostet. In einem der Workshops, die die aws zu verschiedenen Themen regelmäßig durchführt, kam die Idee zu „HeiNZ“. HeiNZ steht für Heizöl-Natural-Zugabe.
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Jeder Kunde, der in einem der Lebensmittelmärkte der Kette für 50 EUR einkaufte, erhielt einen Klebepunkt im Wert von 5 L Heizöl, den HeiNZ. Ein HeiNZ hatte zu dieser Zeit einen Wert von ca. 4 EUR, der Kunde erhielt also einen Nachlass von acht Prozent. Überzeugt hat zudem, dass dieser Nachlass der Lebensmittelkette keinen Cent kostete. Der Kunde bekam ein Sammelheft und konnte bis zu zehn HeiNZe dort einkleben. Bei einem vollen Sammelheft hatte er zehnmal bei der Lebensmittelkette eingekauft und dort einen Umsatz von 500 EUR getätigt. Die Kunden haben ihre wöchentlichen Einkäufe auf diesen Händler gebündelt, damit das Heft schneller voll wurde. Das volle Sammelheft wurde an die aws geschickt und der Kunde erhielt bei der nächsten Heizölbestellung bei aws einen Nachlass von 50 L Heizöl. aws hatte einen neuen Kunden, der auch nur dann in den Genuss des kostenlosen Heizöls kam, wenn er seinen Heizölbedarf bei aws kaufte. Im schlechtesten Fall bekam aws eine qualifizierte Adresse für die folgenden Mailings im Kundenmanagementsystem. Für alle ein tolles Geschäft. Unterstützt wurde die Aktion durch umfangreiches Dekorationsmaterial in den einzelnen Häusern. • Auftritt nur unter einer Marke: So ist das in diesem Geschäft: Der Händler verkauft das Heizöl unter seinem Namen und bedient damit alle seine Kunden. Es gibt keine Differenzierung nach verschiedenen Kundengruppen. Es gibt aber auch Heizölkäufer, die sich ausschließlich im Internet bedienen wollen. Hier zählen in der Tat nur der Preis und eine angemessene Lieferzeit. Es gab einzelne Internet-Plattformen, die aber in der Regel nur Vermittlerfunktion zwischen Kunde und Heizöllieferant ausüben. Allerdings verändert sich der Markt deutlich, da zunehmend auch ältere Menschen das Internet nutzen. Der typische Heizölkunde ist älter als 60 Jahre. Heizöl hatte seine Boom-Phase in den 1960er und 1970er Jahren, in denen auch die meisten Häuser mit dieser Energie gebaut wurden. Den Internet-Markt mit der Marke aws zu bedienen war nicht ratsam, da diese Kunden völlig anders angesprochen werden müssen und die Hauptmarke nicht gefährdet werden sollte. Die Ergebnisse einer speziellen Focus Group zum Thema „E-Commerce im Heizölgeschäft“ haben ganz entscheidende Impulse gesetzt. aws installierte hierfür eine Second Brand, die als Low Cost Brand einen Low Cost Markt bedient. Die neue Marke mit dem Namen „comoil“ ist im Markt rasant gewachsen und hat sich in kurzer Zeit in die Spitzengruppe der Anbieter katapultiert. Es war die am stärksten wachsende Marke im E-Commerce-Markt für Heizöl. Die Substitutionseffekte mit der Kernmarke aws waren gering. Zusatzgeschäft wurde generiert, ein neues Kundenklientel wurde gewonnen und der Markt in kurzer Zeit verändert.
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• Heizölhändler können nur Öl: So war es bestimmt bisher. Was sollte ein Heizölhändler seinen Kunden noch verkaufen? Manche versuchen es mit Holzkohle zum Grillen im Sommer, manche mit Streusalz im Winter und manche mit einem Heizungsdienst. All dies sind keine strategischen Schritte, um ein Geschäft fit für die Zukunft zu machen. Bei aws wurde viel darüber nachgedacht, wie ein solcher Schritt aussehen könnte. Einiges wurde probiert und es wurde mit Kunden gesprochen, um zu erfahren, was man einem Heizöllieferanten an weiterer Kompetenz abnehmen würde. Es wurde entschieden, ein Strom-Produkt in das Angebotsportfolio aufzunehmen. Ein wachsender Markt – mit vergleichbaren Margen und ebenfalls ein Energie-Produkt – also passend zum Heizöl. Die Ergebnisse einer speziellen Marktforschung haben das bestätigt. Aus zahlreichen Gesprächen mit den führenden Stromanbietern wurde deutlich, dass dieser Markt nach der Liberalisierung noch gar nicht darauf vorbereitet war, um den Verbraucher zu kämpfen und ihn langfristig zu binden. In der Branche herrschte nach wie vor ein Monopolverhalten der Anbieter. Als Heizölhändler weiß man aber sehr genau, was es bedeutet, jeden Tag um einen Kunden zu kämpfen, selbst wenn er schon Stammkunde ist. aws kommt aus einem Markt mit einer Stammkundenquote von 50 bis 60 % im Durchschnitt der Branche, aus einem Markt mit 4000 Wettbewerbern und erblickte nun paradiesische Zustände: Eine Stammkundenquote von über 90 % und nur 1000 Wettbewerber. Und das alles in einem Markt, der gar nicht so weit weg vom angestammten Geschäft lag. So fiel die Entscheidung, ein eingetragener Stromlieferant zu werden und ein Öko-Strom-Produkt anzubieten. Das neue Geschäftsfeld ist erfolgreich gestartet. Die verschiedenen Maßnahmen der aws Wärme Service zeigen, wie in einem Commodity-Markt Präferenzen für eine Marke gesetzt werden können, wenn man bereit ist, andere Wege zu gehen und Spielregeln zu ändern. Die Grundlage für die Ideen liefern immer die Kunden, man muss sie nur mittels verschiedener Tools einbeziehen. Die von aws entwickelten und im Markt umgesetzten Systeme werden mittlerweile von anderen Marktteilnehmern kopiert und übernommen. Da das System der aws aber so umfangreich und verzahnt ist, fällt das als Ganzes sehr schwer. Die beiden Autoren Hans-Henning Manz (2007, 2008 im Brennstoffspiegel) und Roland Karle (2009, 2010 in der absatzwirtschaft ) haben über das „anders denken“ der aws und seine Marketingsysteme berichtet. Heute firmiert die aws nach einer Umstrukturierung unter „Mobene“.
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6.4.4 Premium-Cola Wenn man von einem unzufriedenen Kunden zum Produzenten und Lieferanten von Cola und Bier wird und das ohne eigene Produktionsanlagen oder LKWs zu besitzen, muss man anders denken als die Anderen und anders als bisher. Wenn auf diesem Weg noch ein neues Wirtschafts- und Unternehmenssystem entsteht, das Gegenstand von Doktorarbeiten ist und das Interesse von Unternehmen aus anderen Branchen weckt, ist mehr passiert als ein neues Getränk in den Markt zu bringen. Ende 1999 bemerkte der begeisterte afri-cola Fan Uwe Lübbermann, dass seine Cola irgendwie anders schmeckt. Ihm und anderen Fans ließ das keine Ruhe und sie besuchten die afri-cola Zentrale in Köln. Dort erfuhren sie von einer Änderung der Rezeptur und der Reduzierung des Koffeinanteils. Der hohe Koffeinanteil war ein besonderes Merkmal der afri-cola. Auch der Namenszusatz „Premium“ wurde gestrichen und das markante Flaschendesign geändert. Die Enttäuschung war groß. Der Versuch, afri-cola zu bewegen, zur bisherigen Rezeptur zurückzukehren oder zumindest eine zweite Produktreihe mit der alten Rezeptur (der Premium Rezeptur) ins Leben zu rufen, waren erfolglos. Die Fans um Uwe Lübbermann gründeten daraufhin die „Interessengruppe Premium“ mit dem Ziel, die Rezepturänderung öffentlich zu machen und so den Druck zur Rückkehr zur alten Rezeptur zu erhöhen. Die Gruppe erstellte eine eigene Website, wuchs durch weitere Unterstützer und der Kampf zwischen dem aufmüpfigen David und Goliath erlangte mediales Interesse. afri-cola kehrte zum ursprünglichen Flaschendesign zurück und es folgten Gespräche zwischen der Interessengruppe Premium und afri-cola, die allerdings erfolglos bleiben. Ende 2001 kommt es zum Kontakt mit einem ehemaligen Abfüller von afri-cola und privat finanziert werden 1000 Flaschen Cola mit der alten africola Rezeptur für die Interessengruppe Premium abgefüllt. Es folgen weitere Abfüllungen für den Eigengebrauch der Gruppe und erste Kunden bestellen die „neue“ Cola. Die Geburtsstunde von „Premium-Cola“. Ist die Geburtsstunde von Premium-Cola schon anders gelaufen als bei anderen Firmengründungen, sind die weitere Entwicklung und der Aufbau des Premium-Systems ein ganz spezielles Beispiel für ein anderes Denken. Wobei Uwe Lübbermann12 sich als „Geradeaus-Denker“ bezeichnet.
12 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Uwe Lübbermann, Premium, 16.01.2015, Hanau.
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Abb. 6.51 Premium-Cola Flasche
Entwickelt wurde ein „Premium Betriebssystem“ für die Produktion und den Vertrieb von Getränken (Abb. 6.51). Die Interessengruppe um Uwe Lübbermann wollte die üblichen Wege dafür verlassen und die Umsetzung für alle Beteiligten besser und gerechter machen. Sie setzte sich mit Produzenten, Abfüllern, Händlern und Kunden zusammen, um deren Motive und Arbeitsweise kennenzulernen. Quasi auf der „grünen Wiese“ konnte die Interessengruppe Premium so, unbelastet von Branchenusancen und Branchenwissen, allein mit dem Knowhow eines Konsumenten ein neues Geschäftsmodell entwerfen. Es sollte ein System entstehen, das allen am Prozess Beteiligten gleichermaßen gerecht wird und keinen im System bevorteilt. Kapital, um Abfüllanlagen zu kaufen, oder um Händlern die üblichen Werbekostenzuschüsse und Listungsgebühren zu zahlen, war nicht vorhanden und die Gruppe wollte diese Branchenregeln auch nicht akzeptieren, sondern sie brechen.
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Wie sieht dieses „faire“ System, das geschaffen werden sollte, heute aus? Entstanden ist ein virtuelles Unternehmen, in dem es keine Büros, Firmenwagen, Verträge oder Werbung gibt. Uwe Lübbermann, als zentraler Moderator von Premium, unterstützt von einer kleinen Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, „Regler“ genannt, kümmert sich um die Beziehungen innerhalb des Systems. Die Grundstoffe und die Rezeptur werden bei einem weltweit führenden Hersteller von Ingredients (Inhaltsstoffen) für die Getränkeindustrie gekauft. Eine der Zutaten wurde auf Wunsch von afri-cola geändert, ohne aber Auswirkungen auf den Geschmack zu haben. Bei den Rohstoffen sind für Uwe Lübbermann noch Fragen hinsichtlich des Nachweises der Nachhaltigkeit offen und zu klären. Denn noch ist PremiumCola zu klein, um bei dem Rohstofflieferanten einen Herkunftsnachweis aller Grundstoffe einzufordern. Die Produktion bzw. Abfüllung der Flaschen erfolgt durch einen weiteren Partner des „Betriebssystems“. Sogenannte „Sprecher“ kontaktieren die Gastronomie und stellen das System und die Premium-Cola vor. Zurzeit gibt es mehrere Sprecher, die unterschiedlich aktiv sind. Uwe Lübbermann besucht mögliche Kunden im Einzelhandel und betreut sie mit Unterstützung der beiden „Regler“. Jeder neue Kunde wird möglichst einem vorhandenen Getränkehändler übertragen. So wächst das System primär innerhalb seiner Partner. Für die Umsetzung des Premium Systems ist wichtig, dass die Teilnehmer die Philosophie, die Bewegründe und die Inhalte des Systems kennen. Das System wird durch die drei Handlungsfelder „Ökologie“, „Soziales“ und „Ökonomie“ beschrieben. Dazu kommen die Felder „Transfer“ und „Schutz“. Innerhalb dieser Handlungsfelder verdeutlichen verschiedene Module die Arbeitsweise des Systems und die Einstellung der Gründer. Im Handlungsfeld „Ökologie“ wird u. a. beschrieben wie der CO2-Ausgleich erfolgt. Premium errechnet die Belastung, die durch Produktion und Transport entsteht und unterstützt mit einem festen Anteil pro Flasche die Aufforstung über „PrimaKlima – weltweit“. Das Modul „Optimieren“ beschäftigt sich mit der ökologischen Handhabung von Flasche, Etiketten, Transportkiste und den Kronkorken. Bei der Premium-Cola gibt es nur ein Bauchetikett und keine der sonst üblichen Brust- und Halsetiketten (Abb. 6.52). Es wird gezielt darauf verzichtet, um Papier, dessen Herstellung und Entsorgung einzusparen. Auch auf die Farbe auf dem Kronkorken würde Uwe Lübbermann gerne verzichten und Farbe einsparen, aber er konnte sich im „Kollektiv“, so der Begriff für alle Beteiligten, bisher nicht durchsetzen. Damit wird deutlich, wie dieses System arbeitet und dass Entscheidungen bei Premium nur als Konsensentscheidungen getroffen werden. Alle Beteiligten stimmen zu oder akzeptieren
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Premium Betriebssystem
Regler
Produktion
Abfüllung
Schutz
Rohstoffe
Zentraler Moderator Großhandel Spedition
Einzelhandel Kunde Transfer
Gastronomie Sprecher
Ökologie
Soziales
Ökonomie
© Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.52 Premium-Cola Betriebssystem
zumindest einen Vorschlag, ansonsten wird er nicht umgesetzt. So funktioniert das Modul „Konsensdemokratie“ im Handlungsfeld „Soziales“. Damit das System sich nicht selbst lahmlegt, hat Uwe Lübbermann die Möglichkeit zu einer „Not-Entscheidung“, die er bisher zweimal nutzen musste. Die Flaschenetiketten wechseln in einem bestimmten Rhythmus, das Kollektiv stimmt hierzu ab. Als man sich einmal nicht auf einen Entwurf einigen konnte, drohte die Produktion aufgrund der Verzögerung auszufallen. Ein absolutes No-Go und Uwe Lübbermann entschied, das alte Etikett bis zur Konsensentscheidung weiter zu nutzen. Seitdem werden die Etiketten auf Vorrat produziert, um mehr Zeit für einen Wechsel zu haben. Ein anderes Mal wurde über den Text auf der Vorderseite des Etiketts per Mehrheitsentscheidung entschieden. Im Handlungsfeld „Soziales“ gibt es ein bemerkenswertes Modul „Handschlag“. Premium kommt im gesamten System, von der Abfüllung bis zur Lieferung, ohne Verträge aus; ein Handschlag oder eine E-Mail reichen aus. Intern gilt das natürlich erst recht. Im Handlungsfeld „Ökonomie“ finden wir das Modul „Festpreise“. Die Kalkulation enthält keinen Gewinn-Bestandteil, sondern nur die realen Ist-Werte, die für Produktion und Verteilung notwendig sind (Abb. 6.53). Die Kalkulation
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Abb. 6.53 Premium-Cola Kalkulation (Beispiel 2015)
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ist transparent und alle Beteiligten sehen die festen Cent-Beträge für die einzelnen Funktionen. Damit ist es nicht möglich, seine Kalkulation zu Lasten anderer zu verbessern. Auch eine Preiserhöhung führt nicht zu höheren Erträgen für den Einzelnen. Werden einzelne Bestandteile der Kalkulation teurer, wird das wiederum im Kollektiv besprochen. Werden Rohstoffe oder die Abfüllung günstiger, werden nicht die Erträge der Beteiligten erhöht, sondern die Preise gesenkt. Bisher wurden die Preise nur einmal erhöht – ohne einen Kunden zu verlieren – aber viermal wurden die Preise gesenkt. Faires Miteinander ist das Motto. Das verdeutlicht auch ein „Antimengen-Rabatt“. Branchenüblich sind Mengenrabatte, die die Abnahme einer größeren Menge belohnen sollen. Bei Premium dagegen sollen kleinere Händler, die höhere Belastungen als die Großen haben, mit dem Antimengen-Rabatt unterstützt werden, um eine vergleichbare Kalkulation zu haben. Der Verkaufspreis an den Endverbraucher muss sich aber selbstverständlich am Marktgeschehen orientieren. Ist eine solche Arbeitsweise wirtschaftlich umsetzbar oder nutzen einzelne Partner das Vertrauen der anderen aus? Aktuell gibt es bei Premium 1600 Partner im Kollektiv, die weit über eine Million Flaschen jährlich produzieren und vertreiben, keinen Rechtsstreit und in der Vergangenheit nur zwei Zahlungsausfälle (2015). Neue Partner benötigen ungefähr zwei Jahre, um das System, ohne Listungsund Jahresgespräche, komplett zu verinnerlichen und entsprechend zu agieren. Das System soll wachsen, aber nicht zu Lasten des Systems. Die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des Wachstums wird abgelehnt, vielmehr möchte man ohne Zinslasten im gesamten Prozess auskommen. Das führt dazu, dass große Kunden auch einmal abgelehnt werden oder nur ein Teil der Filialen beliefert wird, um die finanzielle Belastung kontrollierbar zu halten. Aus ökologischen Gründen und um bestehende Partner zu schützen, erfolgt die Belieferung der Händler in einem Umkreis von 600 km um die Abfüllstationen. Das Liefergebiet beschränkt sich damit aktuell auf Deutschland, Österreich und die Schweiz. Auch wenn es aus Dänemark, Spanien, Holland, Frankreich und England Nachfrage nach Premium-Cola gibt, wird diese aufgrund der zu großen Entfernung zurzeit nicht befriedigt. Selbst aus Dubai und Tokyo erreichen Uwe Lübbermann Anfragen nach der Premium-Cola und dem Premium System. Kann ein virtuelles Unternehmen funktionieren? Es kann, sogar sehr effektiv, wie Premium beweist. Die komplette Buchhaltung kann dank Laptop und Smartphone z. B. auch vom Urlaubsort aus erledigt werden. Uwe Lübbermann erhält am Tag ca. vier E-Mails, die sich auf die Diskussionsebene bei Premium beziehen. Auf den Reisen mit dem Zug wird mit dem Kollektiv kommuniziert. Eine Stundenkontrolle für die Mitarbeiter gibt es nicht. Erstens spielt das gegen-
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seitige Vertrauen eine große Rolle und zweitens bedeutet die Kontrolle der Stundenbelege unnötige und belastende Administration. Auch bei der Bezahlung der Mitarbeiter handelt Premium nach der Devise „es geht anders, es geht besser, es geht gerechter“. Premium zahlt einen Stundenlohn von 16 EUR (2015) unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit. Alle Tätigkeiten werden damit gleichrangig wichtig angesehen. Einen Zuschlag gibt es nur, wenn die Mitarbeiterin/ der Mitarbeiter Kinder hat oder behindert ist. Beide Umstände machen ein Leben kostenintensiver und das wird berücksichtigt. Kann ein Unternehmen ohne Werbung auskommen? Wenn die Expansion nicht das oberste Unternehmensziel ist, zeigt Premium einen Weg. Premium setzt auf Empfehlungsmarketing und Mundpropaganda über die bestehenden Partner, die das System leben und schätzen gelernt haben. Poster zur Dekoration der Verkaufsstellen werden via Download auf der Homepage angeboten. Neue Kunden werden über die „Pull-Strategie“ gewonnen, also über die direkte Ansprache und Überzeugung von potenziellen Kunden, die dann einem existenten Händler angeschlossen werden. Ein großer Part der alternativen Marketingarbeit besteht aus der Medienarbeit von Uwe Lübbermann. Er hält Vorträge bei Unternehmen und an Hochschulen, zu denen er aus Nachhaltigkeitsgründen mit der Bahn und nicht mit dem Flugzeug reist. Ein eigenes Auto gibt es schon lange nicht mehr. Sein Honorar für die Vorträge fließt direkt dem Kollektiv zu. Eine neue Art der Marketingarbeit sind die vielen wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit dem Premium Betriebssystem beschäftigen. Premium forciert diese Arbeiten mit dem Ziel, selbst daraus zu lernen und Offenheit, Transparenz und Überzeugung für das System zu demonstrieren. Über die vielen Arbeiten und Vorträge wird über Premium gesprochen und so das System immer weiter getragen. Z. B. beschäftigt sich eine wissenschaftliche Arbeit mit dem oben genannten Ziel, Premium komplett ohne Zinslasten umsetzen zu können. Crowdfunding könnte ein Weg sein, also die Finanzierung des Systems und von Wachstum durch eine Vielzahl von kleinen Geldbeträgen, die z. B. über das Internet akquiriert werden könnten. Eine andere Arbeit wird sich mit dem Thema Preisbildung und -orientierung für Premium-Cola im Markt beschäftigen. Ein weiteres Ziel von Uwe Lübbermann ist die Aufnahme des Premium Betriebssystems in die Lehrpläne an Universitäten, mit dem Effekt, es damit auch für andere Unternehmen weiter zu bearbeiten. Die Marke „Premium“ soll Gesprächsinhalt sein, dies wird durch die Social Media-Aktivitäten und die wissenschaftlichen Arbeiten unterstützt. Das Kollektiv und natürlich auch die Konsumenten können via Twitter und andere Medien Themen für Premium vorschlagen. Kritik ist willkommen und wird zur Verbesserung des Systems genutzt.
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Insgesamt verteilt sich die Arbeitszeit von Uwe Lübbermann zu je einem Drittel auf Medienarbeit, Arbeit im Kollektiv und reale Organisationsarbeit. Die Anrufe auf seinem Handy hat er übrigens mit dem Hinweis „telefoniert eher ungern“ auf der Homepage deutlich reduziert. Das Premium System ist nicht wie üblich geschützt oder durch strenge Franchisevorgaben geregelt, sondern offen für weitere Partner oder Unternehmen. „Open Franchise“ nennt Uwe Lübbermann diese Art der Weitergabe und Nutzung des Inhalts. Premium möchte sein Wissen teilen und anderen helfen, dieses System zu nutzen. So wurden zwei Getränkefirmen als Lizenzpartner in das System aufgenommen, die zwar das System nutzen, sonst aber völlig selbstständig agieren. Aus anderen Branchen ist das Interesse am Premium-System ebenfalls groß. Anfragen kommen u. a. aus dem Dentalbereich und der Automobilindustrie. Mit einem neuen Produkt wird sich erst dann beschäftigt, wenn sich die bestehenden Produkte tragen. Nach dem erfolgreichen Umsetzen des Systems mit der Premium-Cola konnte seit 2008 auch ein Premium Bier in Bioland-Qualität angeboten werden, mit dem Ziel das System zu festigen und die Mitarbeiter im Kollektiv irgendwann einmal in Vollzeit beschäftigen zu können. Für jede abgesetzte Flasche Premium-Bier wird ein fester Anteil für die Alkoholismusvorsorge ausgegeben. Aus Umweltgründen wird beim Premium-Bier auf den in der Branche üblichen Six Pack verzichtet. Der Six-Pack wird überwiegend von Jugendlichen gekauft, die nicht zum Alkohol verführt werden sollen und die den leeren Six-Pack auch nicht immer umweltgerecht entsorgen. Mittlerweile sind neben Cola und Bier auch Mate und Erfrischungsgetränke im System Premium. Auf die Frage, was seine persönlichen Ziele mit Premium sind, sagte Uwe Lübbermann, er wolle mit Premium seinen Lebensunterhalt verdienen, Freiheit haben und Dinge verändern. Er möchte mit Premium beweisen, dass „Wirtschaften auch besser geht“. Uwe Lübbermann ist so überzeugt vom Premium System und vertraut allen an der Produktion Beteiligten so sehr, dass es für ihn selbstverständlich ist, seine Privatadresse auf jedem Flaschenetikett zu zeigen (Abb. 6.54). Zeigt Premium im Markt Wirkung? Am Marktanteil gemessen ist Premium sicherlich noch ein sehr kleiner Marktteilnehmer, von der Arbeitsweise und dem „anders gedachten“ System und dem damit verbundenem Interesse an Hochschulen und in der Presse, aber schon von Bedeutung. Offensichtlich sehen das auch einige Wettbewerber so, müssen sie sich doch schon mit sogenannten Auslistungsrabatten, den sie Händlern zahlen, um Premium wieder aus dem Sortiment zu nehmen, vor Premium schützen. Wenn das keine Anerkennung ist. Weitere Informationen unter www.premium-kollektiv.de.
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Abb. 6.54 Premium-Cola Etikett
6.4.5 AllDent AllDent ist ein Beispiel wie auch im medizinischen Bereich ein „Anders denken als bisher“ neue Konzepte ermöglicht und eine Branche nachhaltig verändern kann. Der Markt für zahnärztliche Behandlungen hat in Deutschland ein jährliches Umsatzvolumen von 22 Mrd. EUR (2015) und ist, außer durch technische Entwicklungen der zahnärztlichen Ausstattung, wenigen Änderungen unterworfen. Üblich ist die Ein-Mann/Frau-Praxis mit einem Zahnarzt und drei bis vier Arzthelferinnen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen waren eng gesteckt. Für die Eröffnung einer Praxis gab es hinsichtlich des Standortes strikte Regelungen und Zahnärzte durften keine Filialen mit angestellten Zahnärzten eröffnen. Der Zahnarzt führt neben den ärztlichen Aufgaben auch die kaufmännischen Funktionen, wie Buchführung, Abrechnung, Personalbetreuung und Weiterbildung selbst durch. Für seine Patienten hat er damit noch knapp 75 % seiner Arbeitszeit zur Verfügung. Bei einem durchschnittlichen Praxisumsatz von 500.000 EUR pro Jahr (Daten 2015) beläuft sich der Material- und Lohnkosten Anteil auf 25 %. Der Einnahmenüberschuss liegt bei knapp 30 %. Da das Finanzierungsvolumen bei einer Neugründung bei rund 420.000 EUR liegt und die technischen Geräte einer Zahnarztpraxis permanent weiter entwickelt werden, ist es für den Zahnarzt finanziell eine hohe Hürde, die Praxis-Ausstattung immer auf dem aktuellsten technischen Stand zu halten. Die medizinischen Leistungen werden für die Patienten teurer, die Kassenbeiträge und der Verwaltungsaufwand steigen. Es
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bleibt zunehmend weniger Zeit für den Patienten, obwohl das Gesundheitsbewusstsein steigt und das Aussehen für viele Menschen immer wichtiger wird. Ruben Stelzner studierte ebenso wie seine Eltern Zahnmedizin, promovierte und arbeitete als Zahnarzt. Nach Änderungen in den gesetzlichen Regelungen für Zahnärzte und Zahnarztpraxen, erkannte Dr. Ruben Stelzner neue Wege für die Organisation und Ausgestaltung einer Zahnarztpraxis. Seit 2004 war es einem Zahnarzt möglich, angestellte Zahnärzte zu beschäftigen und Filialen zu eröffnen. Bei mehr als zwei angestellten Zahnärzten musste die Praxis dann allerdings als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) geführt werden. Hinzu kam ab 2007 die Niederlassungsfreiheit für Zahnärzte. Der Zahnarzt Dr. Ruben Stelzner entschloss sich ein Jura Studium zu absolvieren und promovierte erneut. Während seines Studiums und in seiner Dissertation beschäftigte er sich mit zahnärztlichen Kooperationen und der Kommerzialisierung des zahnärztlichen Berufs. Auch sein Bruder Matthias studierte nach dem Zahnmedizinstudium und seiner Promotion ein zweites Mal. Die beiden Brüder wollten in der Zahnmedizin etwas bewegen und neue Wege, die sich nun anboten, gehen. Dr. Matthias Stelzner erweiterte sein Wissen durch ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, beschäftigte sich in seiner Diplomarbeit mit der Optimierung von Geschäftsprozessen in Zahnarztpraxen und setzte seine Kenntnisse in der Kliniksteuerung bei den Helioskliniken ein. Zwei Zahnärzte, einer auch Jurist, der andere auch Diplom Ökonom, sahen den Beruf des Zahnarztes und die Zahnarztpraxen aufgrund ihrer breiten Ausbildung aus einem völlig anderen Blickwinkel als ihre Zahnarztkollegen oder die Zahnärztekammern. Als Grundlage für ihre Veränderung des Bestehenden haben sie u. a. die folgenden Problemfelder erkannt: 1. Die Auslastung der teuren medizinischen Geräte in einer Praxis ist nicht befriedigend. Bei nur einem behandelnden Zahnarzt sind die Geräte nicht annähernd ausgelastet. Jeder Zahnarzt arbeitet im Durchschnitt rund 47 h in der Woche, die restliche Zeit stehen die teuren Geräte ungenutzt in der Praxis. Analog gilt dies für die Praxisräume. 2. Ein Zahnarzt kann nur knapp 75 % seiner Zeit für die medizinische Behandlung seiner Patienten nutzen. Die übrige Zeit muss er sich um die Organisation und die Abrechnung kümmern. 3. Während seiner Behandlungszeit bestimmt er den Patientenablauf nur bedingt selbst, sondern wird i. d. R. von seinen Helferinnen von Behandlungsraum zu Behandlungsraum „geschickt“. Damit fehlt oft die Zeit für eine GesamtDiagnostik des einzelnen Patienten.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.55 AllDent Zahnklinik
4. Beschränkte Öffnungszeiten der Praxis. 5. Zeit und finanzielle Mittel zur eigenen Weiterbildung und der seiner Helferinnen sind für den Zahnarzt eingeschränkt. 6. Sowohl Einkommen, als auch Liquidität einer Praxis gehen zurück und erschweren die notwendige Anpassung an den ständig steigenden technischen Standard. 7. Die Preise für die einzelnen Behandlungen sind für den Patienten nicht transparent und sind relativ hoch. In den gewohnten Strukturen waren zwar Optimierungen möglich, eine grundsätzliche Lösung der Problemfelder aber nicht umzusetzen. Dr. Dr. Ruben Stelzner und Dr. Matthias Stelzner arbeiteten über ein Jahr an einer Konzeption (Abb. 6.55) und einem Angebot, um diese Problemfelder zu beseitigen. Sie akzeptieren dabei die eingefahrenen Strukturen nicht länger und wollen mit ihrem Konzept die alten Regeln und Konventionen aufbrechen. Mit dem Ziel qualitativ hochwertige Leistungen zu günstigen Preisen anzubieten, eröffnen sie im April 2011 das „AllDent Zahnzentrum in München“ in der Nähe des Hauptbahnhofs.
219
6.4 Hindernisse im Markt eliminieren
Beispiel: AllDent
Neue Wettbewerbssituation schaffen Das galt bisher bei Zahnarztpraxen:
Es geht auch anders:
Einzelpraxis
Praxis mit 18 Ärzten inkl. Oberärzte
Med. und kaufm. Funktion gebündelt
Spezialisierung der Funktionen
Öffnungszeiten:
Öffnungszeiten:
8:00 – 12:00 / 14:00 – 18:00
7:00 - 21:00
Mi und Fr 8:00 – 13:00
Sa: 8:00 – 20:00 24 h Notdienst
Teure med. Geräte nicht ausgelastet
Volle Auslastung der Ausstattung
Schwierige Finanzierung neuer Geräte
Geräte auf dem neusten Stand
Behandlungszeit des Arztes: 75%
Behandlungszeit des Arztes: 100%
Gesetzliche Änderungen bieten neue Möglichkeiten © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.56 AllDent Zahnklinik
Bei AllDent (Abb. 6.56) in München arbeiten mehr mittlerweile mehr als zwanzig Zahnärzte in der Praxis, wodurch die Räume und medizinischen Geräte deutlich intensiver ausgelastet und auf dem aktuellsten technischen Stand gehalten werden können. Die große Anzahl an Ärzten, die im Schichtbetrieb arbeiten, ermöglicht Öffnungszeiten, die für eine Zahnarztpraxis völlig ungewöhnlich sind und die sich gegenüber einer üblichen Ein-Mann/Frau-Praxis mehr als verdoppeln. Die Praxis hat montags bis freitags von 07:00 Uhr bis 21:00 Uhr und samstags von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Zusätzlich gibt es einen 24 h Notdienst. Die langen Öffnungszeiten bieten den Patienten eine hohe Flexibilität bei der Terminierung und sind gerade bei Berufstätigen sehr beliebt. Der tägliche rund um die Uhr Notdienst ist neben der medizinischen Versorgung auch ein gutes Patientenbindungsinstrument. Wer wechselt nach einer gelungenen Hilfeleistung bei Zahnschmerzen schon gerne den Zahnarzt. So kamen z. B. kurz nach der Eröffnung über die Osterfeiertage 2011, rund 300 Schmerzpatienten in die Münchner AllDent-Praxis. Die hohe Anzahl an Zahnärzten ermöglicht eine Spezialisierung, z. B. Chirurgie, Implantologie, Endodontie (Wurzelkanalbehandlung) und Parodontologie. Um eine ganzheitliche Diagnose und Behandlung zu erzielen, sind außer den behandelnden Zahnärzten Oberärzte in
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
der Praxis, die den Erstkontakt zum Patienten wahrnehmen und die weiteren Behandlungsschritte festlegen. Danach übernimmt der für die besprochene Behandlung spezialisierte Zahnarzt den Patienten. Ein Novum in einer Zahnarztpraxis, das einen gezielten Ablauf in der Praxis ermöglicht. Zusätzlich ist ein Allgemeinmediziner in der Praxis angestellt. Um die Konzentration der Ärzte auf die medizinische Leistung sicherzustellen, wird ihnen der Verwaltungsaufwand durch Fachleute für die kaufmännischen Funktionen abgenommen. Neben den Synergieeffekten für Einrichtung und Räume, bietet das Vorhandensein vieler Ärzte die Möglichkeit des internen Informations- und Meinungsaustausches, quasi als ein internes Expertenforum. Das Volumen bzw. die Anzahl der Behandlungen pro Zahnarzt steigt mit dieser Organisation deutlich. AllDent verfügt über ein eigenes Labor, wodurch die Kosten für Material und handwerkliche Leistungen geringer gehalten werden können, als wenn diese Leistungen ausgelagert sind. Die hohe Anzahl an Behandlungen ermöglicht es darüber hinaus, die unterschiedlichen Materialien günstiger einzukaufen und die Leistungen für die Patienten günstiger anzubieten. Ein primäres Ziel von Dr. Dr. Ruben Stelzner ist, diese Preise auch für den Patienten transparent zu gestalten. AllDent bietet auf seiner Homepage eine Preisliste der verschiedenen Leistungen an. Ebenfalls ein absolutes Novum und bisher ein „no go“. Fort- und Weiterbildung der Ärzte und Helferinnen werden bei AllDent vertraglich geregelt und sind ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes. Der Start in München hat die Prognosen weit übertroffen. Bereits im Juli 2011 gab es aufgrund der Vollauslastung einen Aufnahmestopp für Neupatienten und das Team wurde erweitert. Ruben und Matthias Stelzner führen AllDent wie ein Unternehmen. Ihre Konzeption und „Regelbrüche“ sind allerdings bei ihren Kollegen ein rotes Tuch und stoßen auf Ablehnung. Als „Zahnarzt Aldi“ und „Dental Discounter“ werden sie bezeichnet, wobei Ruben Stelzner13 für AllDent eher die Bezeichnung „Fielmann der Zähne“ gefällt. AllDent sieht sich mit Klagen anderer Zahnärzte konfrontiert, die immer aufs Neue versuchen, das Konzept zu blockieren. Die offen gezeigte Preisliste und die große Anzahl von Zahnärzten in einer Praxis sind die Hauptbeschwerdepunkte, wobei sich AllDent rechtlich auf sicherem Terrain sieht. Ruben und Matthias Stelzner wollten mit AllDent auch einen Standard zur Vervielfältigung ihres Konzepts schaffen. Mittlerweile gibt es 14 AllDent Zahnzentren in Deutschland.
13 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Dr. jur. Dr. med. dent. Ruben Stelzner, Gesamtleitung AllDent, 28.05.2015, Frankfurt am Main.
6.5 Existente Märkte neu beleben
221
Der Erfolg gibt Ruben Stelzner Recht und die Reaktion der Kollegen bestätigt die großen Veränderungen, die AllDent in diesem Bereich entwickelt hat. Die Bedürfnisse der Patienten werden sich nicht allein durch die steigende Alterspyramide weiter verändern, sondern auch durch die zunehmend privat finanzierten Wünsche der Patienten. Die Zahngesundheit steigt seit Jahren, die Menschen behalten ihre Zähne länger und sind bereit, dafür Geld auszugeben. Das wird eine Herausforderung an die angebotenen Produkte und Leistungen werden. AllDent ist vorbereitet. Weitere Informationen unter www.alldent.de.
6.5 Existente Märkte neu beleben 6.5.1 Nespresso Nespresso liefert ein gutes Beispiel, wie durch ein anderes Denken als bisher in einem gesättigten und besetzen Markt neue Dynamik entfacht werden kann (Abb. 6.57).
Abb. 6.57 Nespresso
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Hinter dem Konzept steht der Gedanke, ein System zu entwickeln, das nicht auf den einzelnen Funktionen, sondern auf dem Gesamtprozess des Kaffeetrinkens aufbaut. Hier wurden bisherige Systemgrenzen neu definiert oder versetzt. Es ging darum, guten Kaffee zu trinken und zwar ohne umständlich daran arbeiten zu müssen. Der Markt für gehobenen Espresso-Genuss war recht exklusiv. Benötigt wurden dazu teure Maschinen, zum Beispiel von Jura oder Saeco, technisch und in der Wartung aufwändig. Zudem gibt es Maschinen mit eigenem Mahlwerk und der Möglichkeit, Milchschaum zu erzeugen, um statt Kaffee einen Cappuccino zu trinken. Die Maschinen sind für den gelegentlichen Genießer wenig geeignet, sind aber auf jeden Fall ein Prestigeobjekt für den Käufer. Aus schlecht gewarteten Maschinen schmecken weder Espresso noch Cappuccino, wie bei Manfred Dworschak im Spiegel (2009) beschrieben. Der Genuss des Getränks ist erheblich eingeschränkt. Grund dafür ist die nachlässige Wartung der Maschinen und Vollautomaten, die in bestimmten Zeitabständen dringend notwendig ist, denn die gerösteten Bohnen bestehen bis zu 19 % aus Ölen. Der Markt für diese Maschinen wächst, bleibt aber relativ elitär. Die Maschinen kosten zwischen 500 und 2000 EUR, einige sogar noch mehr. Zu den Maschinen werden die Kaffeebohnen, die Software, entsprechend den persönlichen Vorlieben ausgesucht. Software- und Hardware-Anbieter waren in der Regel nicht identisch. Mit den vorhandenen Regeln im Markt war ein gewaltiges Wachstum in andere Zielgruppen nur schwer möglich. Wenn allerdings die Regeln in Frage gestellt werden und versucht wird, sich auf der grünen Wiese auf den Stuhl des Kunden zu setzen, kann man auf ganz neue Ansätze für den Markt stoßen. Die Maschinenpreise sind abhängig von den Stückzahlen, die produziert und abgesetzt werden können. Die Frage war, wie es gelingen kann, aus dem elitären Markt einen Massenmarkt mit modischen Tendenzen zu machen und sogar einen neuen Trend zu setzen. Die Zielsetzung war, Maschinen zu günstigen Preisen unter 300 EUR anbieten zu können, die Handhabung einfach zu gestalten und trotzdem eine hohe Kaffeequalität zu garantieren. Nestlé hat dabei eine Vorreiterrolle gespielt und den Markt mit dem Nespresso System verändert und in Bewegung gebracht. Eric Favre hatte die Idee einer Kapsel schon sehr früh, konnte sie aber im Nestlé-Konzern anfangs nicht umsetzen. Er war schon frustriert und wollte das Unternehmen verlassen. Aber der damalige Konzernchef Helmut Maucher machte ihn zum Chef einer neuen Firma mit Namen Nespresso. Zu Beginn war das System für Büros und Restaurants gedacht, mittlerweile ist daraus ein Renner im Consumer-Markt geworden. Grundgedanke ist eine
6.5 Existente Märkte neu beleben
223
technisch einheitlich definierte Maschine, die mit gemahlenem Kaffeepulver in Alu-Kapseln bestückt wird. Diese Kapseln werden nach dem Einsetzen in die Maschinen durchlöchert, dann wird mit hohem Druck heißer Wasserdampf in die Kapseln gespült und der Espresso tritt an definierter Stelle heraus. Der hohe Druck von festgelegten 19 Bar ermöglicht eine Crema, die für einen guten Espresso unerlässlich ist. Die Maschinen werden von Firmen wie Krups, Siemens und DeLonghi nach den definierten Standards von Nespresso gefertigt. Die gleich bleibende Qualität der Maschinen und des Kaffees sind damit gewährleistet. Die Kapseln mit dem Kaffeepulver kann man nur exklusiv via Internet bei Nespresso bestellen oder in einer Nespresso Boutique kaufen. Ein völlig neuartiges System für den Kaffeekauf. Ein Club für Nespresso Fans. Die Boutiquen gibt es mittlerweile in Städten wie Hamburg, Frankfurt, Barcelona, Mailand, Rom, New York oder Chicago. Dort kann man die Kapseln und die Maschinen kaufen. Die Kapseln bieten gerade für die Gelegenheitstrinker einen großen Vorteil, da das Aroma nicht mit der Zeit verloren geht. Ein Nachteil der Maschinen mit eigenem Mahlwerk und Vorratsbehälter für die Kaffeebohnen. Wie schon angedeutet, war das System anfangs für andere Anwendungen gedacht und nicht erfolgreich. Der Erfolg stellte sich erst ein, als die Zielgruppe geändert wurde. Eine Zielgruppe, der das Nespresso System Komfort und Sicherheit gibt. Im Nespresso Club ist der Kundendienst für die Maschinen kostenlos und sollte einmal eine Maschine ausfallen, gibt es umgehend Ersatz, sodass man nicht lange auf den Kaffeegenuss verzichten muss. Die Reparatur der Maschine erfolgt innerhalb von drei bis fünf Werktagen. Eine kostenlose Telefonhotline versucht bei Problemen, dem Kunden direkt zu helfen und kanalisiert damit einfache Bedienungsfehler aus dem Reklamationsmanagement heraus, die dann wieder bei der Entwicklung neuer Produkte berücksichtigt werden. Die Kaffeekapseln werden weltweit innerhalb von zwei Tagen geliefert. Über den Club hat Nespresso die Möglichkeit, seine hochwertigen Direktmarketingmaßnahmen in den Markt zu bringen und damit weitere Aktivitäten umzusetzen. Immer neue Modelle und eine clevere Werbestrategie bringen Nespresso ungeahnte Umsatzzuwächse. Von 2006 bis 2008 wurde der Umsatz verdoppelt und danach ging es mit stets zweistelligen Zuwächsen weiter, wobei das Wachstum nach eigenen Aussagen überwiegend von neuen Kunden stammt. Mittlerweile gibt es über 10 Millionen Nespresso Clubmitglieder. Vom Luxusprodukt im elitären Markt zum Massenprodukt für jeden. Anders denken als bisher funktionierte auch in diesem Markt erfolgreich. Die Funktionen Mahlen, Portionieren, Verpacken, Brühen, Entsorgen wurden unter dem Blickwinkel „guter Kaffeegenuss“ neu definiert.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Was blieb, ist Kapsel einsetzen und Knopf drücken. Auch hier wird der Kunde in die Ideenfindung mit einbezogen. Holger Feldmann, Marketing-Head von Nespresso, betont in einem Artikel von Peter Hanser (2009) in der absatzwirtschaft, dass sich Nespresso mit den Wünschen der Kunden weiterentwickelt und Anregungen der Kunden gerne aufgenommen werden. So wird dem Kritikpunkt Aluminiumkapsel aus ökologischen Gesichtspunkten mit dem Ziel einer 75-prozentigen Wiederverwertung der Kapseln begegnet. Der Preis der einzelnen Kaffeeportion liegt im neuen System höher als bei den üblichen Maschinen. Daran erkennt man auch, dass das System erfunden wurde, um mit Kaffee Geld zu verdienen. Im Lebensmittelhandel kostet ein Pfund Kaffee ungefähr 4 EUR, im Nespresso System kostet das Pfund Kaffee ungefähr das Zehnfache. Mittlerweile versucht zum Beispiel auch Lavazza diesen neuen Regeln im Markt zu folgen und bietet wie Saeco Maschinen mit Kapselsystem für private Haushalte an. Jens Glüsing und Nils Klawitter (2010) beschäftigen sich im Spiegel ebenso wie Tobias Piller (2009) in der FAZ mit dem System Nespresso. Nespresso muss sich nun allerdings auch mit Wettbewerbern quälen, die ähnlich wie bei den Druckerpatronen, leere Kapseln für das Nespresso System zum Selbstbefüllen verkaufen. Damit ist es möglich, jeden Kaffee in die Kapsel zu geben und mit der komfortablen Technik zu genießen. Aber auch von anderen Anbietern gibt es inzwischen Kapseln für Nespresso Maschinen. Wir werden sehen, ob und wie Nespresso darauf reagieren wird. Aber auch andere Unternehmen lassen sich von der Nespresso Idee inspirieren. Coca Cola hat einen Kaffeehersteller mit Know-how in der Kapselproduktion gekauft. Es wird spannend sein, ob Coca Cola Kaffee verkaufen oder das System für seine Softdrinks einsetzen will.
6.5.2 FedEx Ende der 1960er-Jahre war UPS das führende Logistikunternehmen in den USA. Jede umwälzende Neuerung der Branche erwartete man zu dieser Zeit einzig vom Marktführer. Aber ein Außenseiter, der nicht durch Regeln und Branchenwissen geblendet war, hat die Logistik Branche revolutioniert. In den Zeiten der Automatisierung und der boomenden Automobilindustrie veränderten sich die logistischen Anforderungen an die Marktteilnehmer. Just in time war nur eine der Anforderungen. Insgesamt mussten die Logistikleistungen
6.5 Existente Märkte neu beleben
225
schneller, flexibler und gleichzeitig genauer werden, um mit der produzierenden Industrie mitzuhalten. Die entscheidende Idee hatte ein gewisser Frederick Wallace Smith (Abb. 6.58). In einer wissenschaftlichen Arbeit während seines Studiums der Wirtschaftswissenschaften an der Yale University, hielt er seine Gedanken zu einem Übernachtkurier mit eigenen Flugzeugen fest. Die Grundidee seiner Arbeit war die Installation von Logistikdrehkreuzen, um so die hohe Anzahl von logistischen Einzelverbindungen zu verringern. Die Drehkreuze – verkehrsgünstig gelegen – waren Zwischenläger, von denen aus wiederum die Lieferungen zu den Endpunkten durchgeführt wurden. Bis dahin war es üblich, jeden Standort mit jedem anderen Standort direkt zu verbinden, was zu einer hohen Anzahl an Verbindungen führte. Die Luftfracht war damals nicht das Hauptgeschäft eines Logistikunternehmens, eher ein Zusatzgeschäft der Luftfahrtgesellschaften. Dies hatte zur Folge, dass sobald es keine Direktverbindung zweier Punkte gab, die Ware unter Umständen mehrmals umständlich umgeladen werden musste. Mit all den Gefahren und Risiken wie Zerstörung, Verlust und einem enormen Aufwand. Die Drehkreuze im Sinne von Verteilerkreuzen brachten in Bezug auf Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit einen riesigen Fortschritt in der Logistik. Beschrieben wird dies oft mit der Radnabe und den Speichen eines Rades. Von der Nabe aus strömen die Speichen in alle Richtungen aus. Die Nabe ist das zentrale Drehkreuz.
Beispiel: FedEx
Existente Märkte neu beleben Das galt bisher im Logistikmarkt:
Eine Branche neu erfinden Es geht auch anders: Anforderung der Automation
Permanente Einzelverbindungen
Zentrales Drehkreuz schaffen
Für 100 Orte = 9.900 Verbindungen
Für 100 Orte = 100 Verbindungen
Teuer und aufwändig
Schneller, präziser und zuverlässiger
Ein Student revolutioniert die Branche. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.58 FedEx
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Diese für die gesamte Logistikwelt umwälzende Idee kam nicht vom Marktführer oder einem anderen aktiven Marktteilnehmer, sondern wurde von einem Studenten entwickelt, der genau daraus ein Weltunternehmen aufgebaut hat. Smith hatte einen entscheidenden Vorteil gegenüber den etablierten Unternehmen in der Branche, er musste sich nicht von den traditionellen Rahmenbedingungen und vermeintlichen Branchengesetzen lösen und sie vergessen. Er kannte sie als Student nicht im Detail: Sie konnten seinen Blick nach vorne nicht trüben. Er konnte völlig unbelastet an seine Überlegungen gehen und auf der „grünen Wiese“ den Baumeister spielen. Sicher haben auch die Fachleute der anderen Logistikunternehmen mit ihren Stäben in Projekten zusammengesessen und nach Lösungen gesucht. Sie haben immer und immer wieder das bestehende System optimiert und verfeinert. Aber auf eine völlig anders gedachte Organisation sind sie nicht gekommen. Den Erzählungen von Frederick W. Smith nach, soll seine damalige Arbeit nur mit einem „befriedigend“ benotet worden sein. Später beim Militär war Smith schon wieder mit Logistikaufgaben betreut und schließlich gründete er 1971 eine Firma namens Federal Express kurz FedEx genannt. Frederick W. Smith ist noch immer aktiv und innovativen Schritten aufgeschlossen. Unter George W. Bush wäre er fast US-Verteidigungsminister geworden und im Kinohit „Cast Away“ mit Tom Hanks übt er sich als Schauspieler. FedEx spielt im Film eine entscheidende Rolle. Die Logistikbranche wurde nicht von einem Insider der Branche oder einem der damaligen Marktführer belebt, sondern von einem Außenseiter.
6.5.3 Swatch Swatch ist ein plakatives Beispiel für die Belebung eines bestehenden Marktes, der sich in akuten Schwierigkeiten befindet (Abb. 6.59). Die Uhren von Swatch kennt nahezu jeder, ob jung oder alt. Armbanduhren gibt es schon lange, bevorzugt in der Schweiz hergestellt. Zeitweilig hatten Schweizer Uhren einen Weltmarktanteil von 30 %. Die Uhren aus der Schweiz galten als technisch ausgereift mit immer neuen mechanischen Komplikationen und Innovationen mit analoger Anzeige. Allerdings war eine Schweizer Uhr nicht ganz billig, was aber kein großes Problem für den Verbraucher war, da man in der Regel nur einmal im Leben eine wertige Uhr kaufte, die dann zu allen Anlässen getragen wurde.
6.5 Existente Märkte neu beleben
227
Beispiel: Swatch
Existente Märkte neu beleben Das galt bisher im Schweizer Uhrenmarkt:
Es geht auch anders:
Eine Uhr im Leben
Eine Swatch für jeden Anlass
Uhren sind teuer
Eine Swatch ist günstig
Uhren sind technisch und kompliziert
Eine Swatch ist simpel und genau
Die Modelle leben lang
Alle sechs Monate ein neues Modell
Der Markt geht zurück
Der Markt explodiert
Der Wandel zum Modeprodukt. © Gerd-Inno Spindler
Abb. 6.59 Swatch
Ende der 1970er-Jahre setzten die Japaner an, diesen Markt zu übernehmen. Sie produzierten günstige Uhren mit Quarzwerken und zum Teil digitalen Anzeigen. Diese Uhren waren nicht nur deutlich günstiger als die Schweizer Uhren, sie gingen aufgrund ihres Quarzwerkes auch genauer und mussten nicht mehr per Hand aufgezogen werden, da sie mit einer Batterie betrieben wurden. Der Schweizer Uhrenmarkt litt erheblich unter der neuen Entwicklung und der Marktanteil ging rapide zurück. In dieser Marktsituation, in der sich der Mitspieler wahrscheinlich an Optimierungsversuchen festgebissen hätte, brachte Nicolas Hayek seine erste Swatch auf den Markt. Eine Uhr, die allen bisherigen Regeln im Markt widersprach. Der Gedanke war, Uhren als Modeprodukt zu platzieren. Für jeden Anlass eine eigene Uhr. Die Swatch Uhren werden modisch in vielen Farben und unterschiedlichen Designvarianten angeboten. Ein neues Swatch Modell gab es ungefähr alle sechs Monate. Die Uhren waren aufgrund ihrer batteriebetriebenen Werke relativ günstig, konnten aber als Modeprodukt preislich über den japanischen Modellen einjustiert werden. Die Verbraucher nahmen die Idee einer modischen Uhr für jeden Zweck auf und kauften die Swatch Uhren. Eine Uhr fürs
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Leben? Das war bei der Swatch völlig anders. Die Swatch Kunden kauften sich mehrere Modelle und warteten schon sehnsüchtig auf die neuen Kollektionen. Ein neues Spiel für Armbanduhren war durch Nicolas Hayek und seine Swatch entstanden. Hayek erkannte die begrenzenden Rahmenfaktoren der Marktregel „eine Uhr fürs Leben“. Die neue Regel „für jeden Anlass eine Uhr“ ist auch kein rationaler Ansatz, denn wie viele Uhren braucht der Mensch? Die eine Uhr, die man besitzt, zeigt auch immer die richtige Zeit an. Aber Hayek positionierte seine Swatch eben nicht als reinen Zeitmesser, sondern als ein trendiges Modeprodukt, das sich den jeweiligen Anlässen und der Kleidung anpassen lässt. Eine Swatch für die Schule, eine für den Sport, eine für den Abend, eine fürs Büro, eine für die erste Verabredung. Das führte sogar dazu, dass viele Menschen Swatch Uhren regelrecht gesammelt haben und die Uhren auf Tauschbörsen gehandelt wurden. Das Geschäft lief nach den neuen Regeln so gut, dass der Anteil der Schweizer Uhren – und hier natürlich ganz speziell der Swatch – wieder auf fast ein Viertel des Marktes stieg. Nicolas Hayek wurde reich mit seiner mutigen Idee und war später in der Lage, einige der etablierten Luxusuhrmarken zu kaufen und in sein Unternehmen einzugliedern. Die Idee färbte sogar auf andere Märkte ab. Mit dem Auto Smart wurde der Swatch Gedanke auf den Automobilmarkt übertragen. Auch hier war Nicolas Hayek anfangs stark involviert. Die Mitspieler in diesem Markt haben auf Produktinnovationen in Form von neuen Modellen für den gleichen Zweck gesetzt oder sie haben die bestehenden Produkte optimiert. Alle haben aber die Regeln des Marktes akzeptiert und nur im Rahmen dieser Grenzen agiert. Die Beschränkung haben sie, wenn überhaupt nur gespürt, aber nicht interpretiert oder hinterfragt. Der Spielmacher Nicolas Hayek hingegen hat die Beschränkungen durch die vermeintlichen Marktgesetze erkannt. Durch das Verlassen und Ignorieren dieser Regeln kam er zu anderen Ideen als bisher. Er hat den Markt auf einem aus Schweizer Sicht kritischen Niveau aktiv geändert und mit seinen eigenen Regeln im Markt Erfolg gehabt. Nicolas Hayek ist 2010 in der Schweiz im Alter von 82 Jahren gestorben. Heute ist eine Schweizer Uhr wieder das, was sie früher war. Auch der Markt für technisch sehr anspruchsvolle Luxusuhren boomt und selbst in diesem Marktsegment kommen laufend Innovationen und neue Modelle auf den Markt.
6.5 Existente Märkte neu beleben
229
Abb. 6.60 SUN-SNIPER Logo
6.5.4 SUN-SNIPER Der SUN-SNIPER ist ein genialer Tragegurt für Fotokameras, der zeigt wie aus Sicht eines Anwenders durch „anders denken als die Anderen“ und durch Adaptieren von Lösungen aus völlig anderen Bereichen ein intelligentes Produkt entstehen kann (Abb. 6.60). Wolfgang-Peter Geller absolvierte eine Lehre als Außenhandelskaufmann, studierte Jura und arbeitete nebenberuflich als Fotograf für das Hamburger Abendblatt. Ende Dezember 1971 war ein Banküberfall in Köln mit anschließender Geiselnahme und Flucht ins Saarland das Gesprächsthema in Deutschland. Wolfgang-Peter Geller wollte unbedingt über die Geiselnahme berichten und besprach sein Vorhaben mit dem Hamburger Abendblatt. Über mehrere Tage verfolgte er im Tross der Polizeifahrzeuge die Flucht durch das Saarland bis zu der Stelle, an der die Polizei die Verbrecher gestellt hatte. Wolfgang-Peter Geller traf dort auf mehr als 200 Journalisten und Fotografen, die alle wie er selbst über die Geiselnahme berichten wollten. Ihm fiel auf, dass alle Fotografen mehr oder weniger das gleiche Foto schießen würden. Alle dachten gleich und hatten damit die gleiche Perspektive. Er wollte etwas anders machen als die Anderen. Er ging über den Platz zu einem anderen Standort an dem er alleine war und wechselte so die Perspektive auf das Geschehen. Sein Motto: „Etwas Einzigartiges, oder nichts.“ Keinesfalls wollte er ein „me too“ Foto“.14 Er schoss seine Fotos, eine komplette Serie über die Ereignisse vor Ort. Eines dieser Fotos wurde mit dem „World Press Photo Award “ ausgezeichnet und wurde Pressefoto des Jahres 1971. Einen zweiten Award erhielt er für seine komplette
14 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Wolfgang-Peter Geller, Geschäftsführer SUN-SNIPER GmbH, 22.01.2015, Egestorf.
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Serie über die Ereignisse. Erreicht hat Wolfgang-Peter Geller den Award, weil er anders dachte als die anderen, weil er eine andere Perspektive auf das Geschehen einnahm. Die Auszeichnung hatte eine Flut von Anfragen und Aufträgen von Unternehmen und Agenturen zur Folge. Wolfgang-Peter Geller unterbrach sein Jurastudium und arbeitet seitdem als weltweit bekannter und erfolgreicher Fotograf. Bei einem der Aufträge in Kalifornien mussten die Aufnahmen aufgrund des starken Winds unterbrochen werden. Die Reflektoren hielten dem Wind nicht Stand. Die gesamte Crew konnte nicht arbeiten, die Kosten aber liefen weiter auf. Leider eine normale Situation bei Shootings am Strand. Wolfgang-Peter Geller wollte dies nicht akzeptieren und zog sich in sein Hotelzimmer zurück, um an einer Lösung zu tüfteln. Mit der Sicht des Anwenders erfand er einen neuartigen Reflektor, der auch bei dieser Witterung genutzt werden konnte. Das war der Startschuss für seine Firma „SUNBOUNCE“, einem Fotoausrüster, mit einem Fotografen als Chef. Er entwickelt und produziert seitdem Foto- und Lichtzubehör und sein Unternehmen wurde mit vielen von ihm entwickelten weiteren Neuerungen zum „Nabel der professionellen Fotoszene“15 Jeder, der gern fotografiert, kennt das Problem mit den unbequemen und unsicheren Kameratragegurten. Man hängt sie meist über eine Schulter mit dem Effekt, dass die Schulter bald schmerzt. Da die Gurte leicht durchzuschneiden sind, ist die Diebstahlgefahr recht hoch. Darum hängt man sich die Kamera besonders in Städten gerne um den Hals, sodass sie vor dem Bauch hängt (die typische Touristenhaltung) oder quer über die Schulter. Das ist etwas bequemer, aber gegen ein Durchschneiden auch nicht sicherer. Ein schneller Gebrauch der Kamera ist nun allerdings überhaupt nicht mehr möglich. Die Kamera hängt dort und ist nur unter großen Verrenkungen ans Auge zu führen. Bis man die Kamera bereit zum Fotografieren vor dem Gesicht hat, ist das Motiv meist schon wieder weg. Das liegt daran, dass die üblichen Kameragurte dafür zu kurz sind und der Gurt an beiden Seiten der Kamera befestigt ist. Der Gurt gleitet nur schwer über die Kleidung und scheuert auf ihr. Für einen professionellen Fotografen mit gleichzeitig mehreren Kameras im Einsatz eine sehr aufwändige Aufgabe. Es gab zwar schon ein System mit einer Art Schlitten, auf dem die Kamera am Gurt lief, aber der Komfort und vor allem der Sicherheitsaspekt haben Wolfgang-Peter Geller nicht befriedigt. Er experimentierte mit vielen Gurten und entwickelte ein neuartiges Tragesystem für Kameras. Er war inspiriert von der Gewehrauf-
15 photoscala,
18.10.2005.
6.5 Existente Märkte neu beleben
231
hängung der US-Kavallerie, dem „US Cavalry Carbine 1885 Sling“, einer Art Karabinerhaken. Er adaptierte und verfeinerte die Grundidee für sein neues Produkt und gründete 2009 die SUN-SNIPER GmbH. Der SUN-SNIPER ist ein quer über der Schulter zu tragender Kameratragegurt mit einem sogenannten Connector, einer kugelgelagerten Kameraschraube aus Edelstahl, die in die an jeder Kamera vorhandene Stativ-Schraubbuchse geschraubt und speziell gesichert wird. Der sehr edle Connector gleitet am Gurt entlang und durch das Kugellager bleibt die Kamera frei drehbar und hängt kopfüber jederzeit in „schussbereiter“ Einsatzposition am Körper. Wichtig, denn ein Motiv wartet nicht bis der Fotograf bereit ist. Der Tragekomfort wird beim SUN-SNIPER durch ein breites Schulterpolster erhöht und ein einzigartiger Stoßdämpfer, der „Shock-Absorber“, entlastet zusätzlich die Schulter und den Rücken, was durch einen Orthopäden bestätigt wird (Abb. 6.61).
Abb. 6.61 SUN-NIPER Produkt
232
6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Die Beschleunigungskräfte durch das Pendeln der Kamera beim Gehen, wie bei anderen Gurten üblich, erhöht das gefühlte Gewicht, der ohnehin nicht leichten Spiegelreflexkamera, noch. Der SUN-SNIPER verhindert durch seine Konstruktion zu starke Pendelbewegungen der Kamera. Alle Materialien sind hochwertig und werden für den SUN-SNIPER speziell gefertigt. Den SUN-SNIPER gibt es in verschiedenen Ausführungen und für bis zu drei Spiegelreflexkameras. Anders als die Anderen und anders als bisher ist auch das Marketing für den SUN-SNIPER. An drei Marketingmaßnahmen möchte ich das zeigen. Als effektiven Diebstahlschutz wird im SUN-SNIPER unsichtbar ein Stahlband eingewebt, sodass ein Durchschneiden des Gurtes mit normalen Mitteln nicht möglich ist. Wolfgang-Peter Geller ist von seinem Produkt so überzeugt, dass jeder Käufer des SUN-SNIPERs eine kostenlose Kameraversicherung über 1000 EUR gegen ein Durchschneiden des Gurtes und Entwenden der Kamera erhält. Die Versicherung ist bei den Konsumenten ein schlagkräftiges Argument und verhalf dem Produkt zum Durchbruch. Bis dahin kannte man eine Versicherung bei technischen Produkten, nicht aber bei einem Zubehörartikel, der den Nutzen eines anderen und teureren Produkts erhöhen soll. Auf der Homepage des SUN-SNIPERs erklären verschieden Videos das Produkt und seine Vorteile. Inzwischen ist das Produktprogramm angewachsen und es gibt unterschiedliche Alternativen in der Ausstattung des Sun-Snipers. Das Beispiel SUN-SNIPER von Wolfgang-Peter Geller zeigt, dass es gelingen kann auch Gebrauchsgegenstände, die es schon millionenfach gibt, zu revolutionieren, wenn man sich nicht mit dem Vorhandenen zufrieden gibt. Der Wille Dinge nicht als unveränderbar zu akzeptieren, der Blick aus der Sicht des Anwenders und die Adaption von Lösungen aus anderen Bereichen oder Branchen haben den SUN-SNIPER erst ermöglicht. Weitere Informationen unter www.sun-sniper.com
6.5.5 edding Das Beispiel edding zeigt, wie sich selbst ein relativ junges Unternehmen permanent wandelt und neue disruptive Ideen entwickelt. edding wurde 1960 von Carl-Wilhelm Edding und seinem Schulfreund Volker Detlef Ledermann gegründet. Aus dem, mit einem Startkapital von 500 DM gegründeten Unternehmen, ist eine weltweit agierende Aktiengesellschaft mit einer starken globalen Marke entstanden (Abb. 6.62).
6.5 Existente Märkte neu beleben
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Abb. 6.62 Logo edding
Abb. 6.63 edding No. 1 Filzstift
Schon der Start war anders als bei anderen Unternehmen. Als Mitarbeiter eines japanischen Konzerns wurde Carl-Wilhelm Edding auf einen Schreibstift aufmerksam, der anders war als bisher bekannte Stifte. Die Spitze des Stiftes war aus Filz, der die Tinte auf die Oberfläche des Papiers transportierte. Der Stift war durch eine Kappe gegen Austrocknen geschützt. Die beiden Schulfreunde waren begeistert von dieser Idee, importierten diesen Stift aus Japan und verkauften ihn in Deutschland. Das Budget war knapp, aber der Stift sollte einen Markennamen tragen. Weniger aufwändig war es damals einen Familiennamen als Marke eintragen zu lassen. Sie entschieden sich für Edding, das klang internationaler und einprägsamer. Der edding No.1 war geboren (Abb. 6.63). Die Marke edding ist heute das Synonym für Filzstifte, sie wurde zum Gattungsbegriff. Wie auch Tempo für Papiertaschentücher, Labello für Lippenbalsam oder Uhu für Kleber. Auch im nächsten Schritt dachten sie anders als die meisten Unternehmen. Erst ab den 1990er Jahren begannen sie Produkte selbst herzustellen, bis dahin wurde importiert. Und auch dann wollten sie, bewusst nicht die komplette Produktpalette, z. B. das gesamte Sortiment an Tinte für die von ihnen entwickelten Schreibgeräte, selbst herstellen. Sie haben sich neben der eigenen Produktion immer Partner für die Herstellung gesucht, um das Ohr am Markt zu haben und nicht Gefahr zu laufen, mit Scheuklappen vor den Augen bestimmte Entwicklungen nicht mitzubekommen. Mehrere Augen sehen mehr als vier, viele Köpfe können mehr Ideen entwickeln als nur zwei. Mit dem edding No.1 konnte auf vielen unterschiedlichen Oberflächen geschrieben werden. In Besprechungen und auf Tagungen wurde damit das Wichtigste dauerhaft festgehalten. Doch es gab Anwendungen, bei denen ein Permanentmarker nicht das richtige Schreibgerät war. 1965 wurde der edding
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
Abb. 6.64 Per Ledermann
No.1 um einen abwischbaren Marker ergänzt, passend zu dem Anwendungsfeld wurde er unter der neuen Marke „planMASTER“ auf den Markt gebracht. planMASTER entwickelte sich zu einer Marke für Produkte im Bereich Planung und visuelle Kommunikation. Wie schon bei der Produktion der edding Stifte schauten die beiden Gründer sich immer wieder nach passenden Kooperationspartnern um. In dem Unternehmen LEGA aus den Niederlanden wurde ein Partner für planMASTER gefunden und ab 1999 agierten beide Unternehmen als „Legamaster“ unter der edding AG. Das Sortiment von Legamaster umfasst heute eine große Produktpalette von Whiteboards, Flipcharts, Moderationswänden bis zu interaktiven und digitalen Screens für die Arbeits- und Bildungswelt. Die Welt der Permanentmarker hat sich mit der Welt der Tagungs- und Moderationstechnik verbunden. Ein nächster großer Schritt der Weiterentwicklung von edding. Seit 2005 führt Per Ledermann (Abb. 6.64) edding in zweiter Generation, baut die Marke durch immer neue Produkte und Anwendungen aus und macht das Unternehmen fit für neue Bereiche.16 Für Per Ledermann steht bei allen Innovationen der Nutzen der Anwender und Kunden im Vordergrund, sie sollen es einfacher haben als bisher. Pioniergeist, Mut und die Bereitschaft auch Fehler zu machen, gehört für ihn zur Verpflichtung für die Zukunft. 2013 wurde ein neuer und doch aus der Kernkompetenz Farbe
16 Gespräch
Gerd-Inno Spindler und Per Ledermann, CEO Management Board edding AG, 27.03.2023, Ahrensburg
6.5 Existente Märkte neu beleben
235
Abb. 6.65 edding Permanent Spray
stammender Markt betreten. Das Permanent Spray wurde eingeführt (Abb. 6.65). Bisherige Farbsprays waren durch ihre Größe unhandlich, die Warnhinweise zu klein auf die Dose gedruckt und damit fast nicht lesbar. Dadurch hatten viele potenzielle Anwender Angst mit Sprays zu arbeiten bzw. sie zu benutzen. Im Fokus von edding standen nicht die Sprayer aus der Szene, sondern die kreative Nutzung im Haushalt. edding wollte mit der Einführung des Sortiments den Anwendern die Angst nehmen, damit zu arbeiten. Entsprechend wurden die Produkte gestaltet. Große Hinweise zur Nutzung und zu den Inhaltsstoffen und mit 200 ml eine handliche Größe. Das Design der Spraydose wurde an die Optik des Permanentmarkers angelehnt. Die mittlerweile bekannte Flügelkappe gegen das Austrocknen findet sich auch auf den Spraydosen wieder. Die gesamte Optik erinnert an die
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
bekannten Marker. Das erleichterte die Produkteinführung erheblich und der Produkt- und Markentransfer funktionierte hervorragend. Durch das Angebot von Sprays lernte edding, neben den bekannten Vertriebskanälen und Absatzmittlern wie Lebensmittelhandel, Baumärkte und Drogerien, neue Vertriebskanäle, wie den Handel für Bastelbedarfe, kennen. Das Sortiment von edding umfasste mittlerweile nicht nur Produkte zum Schreiben, Markieren, Präsentieren, Moderieren, sondern auch zum kreativen Arbeiten, Basteln, Reinigen und Korrigieren, Nachfülltinte für die Stifte und Speziallösungen für Medizin sowie für Holz- und Möbelreparatur. 2015 war ein besonderes Jahr, der Startpunkt den Markentransfer auch in eine ganz andere Branche zu wagen. Studien über die Meinung von Verbrauchern zur Marke edding ergaben ein hohes Zutrauen in die Marke im Bereich von Nagellack. Jetzt zeigte sich, ob Mut, Unternehmergeist und das Zulassen von Misserfolgen wirklich gelebt werden. edding entwickelte und vermarktete zum ersten Mal ein Produkt im Bereich der Kosmetik. Die Branche war neu, die Absatzmittler waren neu, die Wettbewerber waren neu und das Marketing für Nagellack ebenfalls ein Neuland. Bekannt war der Umgang mit Lack von den Lackmarkern für die Industrie. Die schreiben hochdeckend, sind wasser- und abriebfest. Alle Neuentwicklungen müssen zur Marke passen, „der Fit zur Marke“17 ist Grundvoraussetzung. Das war beim Nagellack gegeben: edding Design, edding Qualität, die für Haltbarkeit, Robustheit und hohe Deckkraft steht. Der edding Nagellack L.A.Q.U.E. war geboren (Abb. 6.66). Auf die Einführung folgte ein starker Start für edding L.A.Q.U.E. und Listungen gelangen bei Drogerieketten und anderen Händlern. Ein Markentransfer und Beispiel für „Anders denken“ par excellence. Nach drei erfolgreichen Jahren jedoch wurden die Verkaufszahlen schlechter und die ersten Händler listeten die Produkte wieder aus. 2021 hat sich edding entschlossen, das Sortiment Nagellack wieder einzustellen und 2023 werden die letzten Lagerbestände über den eigenen online-shop abverkauft. Ich habe Per Ledermann in unserem Gespräch gefragt, ob dies im Hause edding und bei ihm eine schwere Niederlage sei. Die Antwort darauf zeigt, wie edding und das Management ticken. Ja, es ist ein Scheitern und nein, es war nicht unnütz. edding hat auf dem Weg der Einführung bis zum Ende des L.A.Q.U.E.s Mut bewiesen, der für ein Unternehmertun unerlässlich ist. Der Ausflug in die Kosmetik hat gezeigt wie edding denkt, wie edding Dinge angeht und ist ein
17 Per
Ledermann
6.5 Existente Märkte neu beleben
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Abb. 6.66 edding L.A.Q.U.E. Nagellack
Beispiel für „wir machen das“ und Nicht-Funktionieren gehört dazu, wenn man aus dem Gewohnten ausbrechen will. Auf diesem Weg wurde im Bereich Technik und Marketing viel gelernt. Das neue Wissen, die gesammelte Erfahrung aus diesem Bereich ist nicht nutzlos, sondern wird die Grundlage für weitere Innovationen sein. edding hat als Neuling in der Kosmetikbranche die dort geltenden Gesetzte aufgebrochen und den Platzhirschen gezeigt, was man fernab der üblichen Branchenregeln alles machen kann. Gelernt wurde, dass auch die besten Marktforschungsergebnisse kein Garant für Erfolg sind, dass „normal“ für ein Produkt eben auch normal und keine Differenzierung im Markt ist und dass Kommunikation zum Verbraucher durch nichts zu ersetzen ist, gerade wenn die Marke soviel Vertrauen genießt. Ein internes Video zeigt, wie edding, das Management und die Mitarbeiter damit umgehen. „Der L.A.Q.U.E ist ab“ ist
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6 „Hall of Fame“: Spielregeln erfolgreich geändert
ein tolles Beispiel wie ein Scheitern sympathisch und doch offen kommuniziert werden kann. Dieses Video ist keine Geschichte über ein Scheitern, sondern der Aufbruch für weitere Innovationen. Es macht Mut, wieder und wieder Neues zu probieren und das Gelernte einzusetzen. Ohne die Bereitschaft zu Fehlern wird nichts Neues entstehen können. „Kein Pionier kommt im ersten Anlauf da an, wo er landen will. Es ist eine Reise mit Versuch, Irrtum, Unternehmertum.“18 „Turn learning into action“ (Gelerntes direkt wieder in neue Aktivitäten einbringen) ein Grundsatz der edding Strategie 2025+. Wie schnell Gelerntes wieder in neue Bereiche eingebracht wurde, zeigt die Eröffnung eines eigenen Tattoo-Studios in Hamburg. Unter der Bezeichnung edding TATTOO entstand ein neues Betätigungsfeld. Der Start unter CoronaBedingungen war schwierig, aber die Idee, auch in diesem Bereich neue Wege zu gehen, wird fortgesetzt. Die Marke transportiert Vertrauen in hochwertige Produkte und für den Kunden soll es einfacher und transparenter werden. Die Angst vor möglichen Nebenwirkungen einer Tätowierung soll genommen werden. Hier verbinden sich Tinte als Kernkompetenz mit dem kreativen Arbeiten, das auch von vielen anderen Produkten von edding unterstützt wird. Eigene strenge Hygienestandards, eigene Farbherstellung mit Chargenrückverfolgung und detaillierte Angabe der Inhaltsstoffe, sowie Verzicht auf Konservierungsstoffe zeichnen das Angebot aus. Der Kunde weiß damit genau, was er unter die Haut bekommt. Bakterien haben durch den Gebrauch der Tinte in kleinen Flaschen keine Chance. Sie sind nicht wiederverschließbare Einmalverpackungen, die unmittelbar in der Tätowierungs-Session verbraucht werden. Gleiches gilt für das notwendige Zubehör wie Griffstücke und Einweg-Nadelmodule. edding like eben (Abb. 6.67 und 6.68). Dass der gelebte Prozess bei edding zur Identifizierung von Innovationen führt, zeigt die edding Tech Solutions. Wer schreiben kann, der kann auch drucken. edding Tech Solutions bietet Drucker für die industrielle Markierung in Produktionsprozessen an. Die Drucker lassen sich in das Gesamtsystem der Kunden integrieren und sind frei programmierbar. Auch bei den Druckern war wieder eine Kooperation die Grundlage. Mit dem Spezialisten für Kennzeichnung und Beschriftung Elried fand edding einen passenden Partner (Abb. 6.69 und 6.70).
18 Per
Ledermann, Handelsblatt 03.03.2023
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Abb. 6.67 edding Tattoo Studio Hamburg
Abb. 6.68 edding Tattoo Farbe
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Abb. 6.69 edding in-line Kompaktdrucker
Abb. 6.70 edding portable Kompaktdrucker
6.5 Existente Märkte neu beleben
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Die Kernkompetenz Tinte bietet die Möglichkeit nahezu jedes Material zu bedrucken. In Zusammenarbeit mit dem Start-up Prismade wurde der edding code als eine Art „unsichtbarer QR-Code“ entwickelt, der Produkte fälschungssicher kennzeichnen kann. Unsichtbar und Tinte? Das riesige Know-how im Bereich Tinte ermöglichte edding für diesen Zweck eine unsichtbare Tinte zu entwickeln. Wie Neues etwas Neues treibt und ermöglicht zeigt die erste Anwendung dieser Technologie von edding. Durch die Erfahrung mit der unsichtbaren Tinte wurde die digitale Führerscheinkontrolle entwickelt. „easy check by edding“ ermöglicht durch das Aufbringen einer unsichtbaren Codierung auf dem Führerschein, eine digitale Führerscheinkontrolle für die Fuhrparks von Unternehmen. Bei Firmenwagen müssen die Fahrerdaten regelmäßig geprüft werden. Bisher eine aufwendige manuelle Kontrolle zwischen dem Fahrer und dem Fuhrparkmanagement. Die unsichtbare Folie mit der unsichtbaren digital lesbaren Codierung ermöglicht die Verifikation des Führerscheins per Smartphone. Eine manuelle Einzelprüfung entfällt durch die automatisierte digitale Lösung von edding (Abb. 6.71 und 6.72).
Abb. 6.71 transparente Folie, digital lesbar
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Abb. 6.72 easy check by edding
Vertrieben wird diese Lösung durch die Tochtergesellschaft edding Tech Solutions. Diese sitzt bewusst nicht im Headquarter in Ahrensburg, sondern in München. „Wir haben schon bei der Markendehnung gemerkt: Es ist nicht einfach das alles in alten Strukturen zu machen. Wenn zum eingespielten Edding-Orchester eine Rockband dazukommt, ist räumliche Trennung hilfreich“19, sagt Per Ledermann zu dieser Entscheidung. Strukturen aufbrechen, nicht nur räumlich, sondern auch gedanklich. Anders denken als bisher ist deutlich erfolgreicher, wenn es in einem neuen „Bühnenbild“ geschieht und damit alte Gewohnheiten nicht automatisch wieder die Oberhand gewinnen.20 Eine Entwicklung, die Möglichkeiten in den unterschiedlichsten Anwendungen ermöglicht und das Angebotsportfolio von edding enorm erweitern kann. Das Angebot von Legamaster, die disruptive Idee aus den 1960er Jahren, wird ebenfalls ausgebaut. Die Corona bedingten Veränderungen in der Arbeitswelt führen zu neuen Anforderungen an die Büroflächen. Durch Home Office wird weniger persönliche Bürofläche, dafür mehr Fläche für Zusammenarbeit
19 Per 20 vgl.
Ledermann, Handelsblatt, 19.11.2018 „Und Action, bitte!“, Gerd-Inno Spindler, Springer Gabler Verlag, Wiesbaden 2020
6.5 Existente Märkte neu beleben
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Abb. 6.73 Legamaster LoopMeeting Room Panel
und ad-hoc Meetings und Workshops benötigt. Die gesammelten Erfahrungen in digitalen Angeboten und Lösungen aus den anderen edding-Bereichen, führt zum LoopMeeting Room Panel. Darüber können Räume gebucht und verwaltet werden. Das Panel ist mobil und so auch geeignet für die Organisation eines spontanen Meetings. Sensoren für z. B. die Klimasteuerung für den Raum können integriert werden und das Panel ist kompatibel zu den häufigsten Office Anwendungen (Abb. 6.73). Inspiriert durch das Legamaster Angebot und deren Nutzung wurde ein aktuelles Angebot entwickelt. Wieder war der Grundsatz „Für den Nutzer soll es einfach sein“. „PLAYROOM“ entwickelt innovative Tools und Raumsituationen für strukturierte Meetings und Workshops (Abb. 6.74). Durch spezielle angepasste Stell-Wände werden die Teilnehmer eines Workshops durch den Prozess geführt. Die intuitiven Tools sind eine intelligente und innovative Erweiterung der bekannten Pin-Wände in den Meetings. Kein Prozessschritt wird vergessen und zeitliche Vorgaben werden eingehalten. Darauf angepasste Playboards, Frames und Moderationskarten gehören zum Angebot.
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Abb. 6.74 Logo PLAYROOM
edding ist kompetent im Bereich der Ausstattung für Workshops und Meetings und unterstützt durch sein Angebot den Moderator und Consultant. Zudem hat edding einen Prozess und eine Umgebung geschaffen, wo immer wieder ausgetretene Pfade verlassen werden, der Status Quo in Frage gestellt wird und durch anders denken als bisher und anders denken als die anderen, Innovationen erarbeitet werden. Aus der Kombination des Know-hows, einen erfolgreichen Prozess für Innovationen umzusetzen und der Erfahrung wie die Ausstattung eines Raumes die kreative Arbeit unterstützen kann, ist der nächste Schritt in einen neuen Bereich geschaffen worden. PLAYROOM bietet Consulting in genau diesen Bereichen an. Für die weitere Entwicklung werden sich Legamaster und PLAYROOM gegenseitig fordern und ergänzen. Um permanent Innovationen und neue Geschäftsfelder aufzuspüren, wurde das „Disruption Innovation Office“ installiert. Hier wird strukturiert nach neuen Möglichkeiten und Kooperationspartnern gesucht. Bachelorarbeiten und Projekte an der Universität Würzburg beschäftigen sich mit dem Thema „Mehrwert leisten“. Die Struktur der edding AG wurde an die Anforderungen angepasst, um so in den einzelnen Business Units eigenständige Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen: • „Office & Industry Supplies“: Produkte für Büro, Industrie, Handwerk und Bildung. Hier sind u. a. die unterschiedlichsten Marker enthalten. • „Creative & Home“: Kreatives Arbeiten für private Endverbraucher z. B. Farbsprays, Acrylmarker und Marker für spezielle Anwendungen. • „Collaboration @ Work“: Legamaster mit seinen Produkten gehört dazu, sowie auch Consulting und „Playroom“. • „Industrial Tech Solutions“: Technische Lösungen zur Visualisierung von Informationen. Easy Check und die Drucker gehören dazu.
6.5 Existente Märkte neu beleben
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• „Lifestyle“: der edding Nagellack gehörte hierzu und die neuen Lösungen für Tattoo Studios. • „New Ink Solutions“: Fortentwicklung und Markteinführung von HightechProdukten mit Tintenbezug. Das Ideen- oder Innovations-Labor von edding. Hier werden Suchfelder bestimmt und später an die entsprechen Business Units übergeben. Möglich ist auch, dass sich aus einem Suchfeld eine neue Business Unit entwickelt. edding will mit den Strukturen und dem Prozess zur Innovations-Findung weg von einer Feuerwehrmentalität in Sortiment und Markt und möchte Veränderungen im Konsumentenverhalten frühzeitiger entdecken und sogar selbst initiieren. Dass es auch einmal völlig anders zu neuen Produkten kommen kann, wenn man eine starke Marke hat, erzählte Per Ledermann in unserem Gespräch. Vor einigen Jahren wurde er in die Media Markt / Saturn Zentrale nach Ingolstadt eingeladen. Es ging um Druckerpatronen für unterschiedliche Druckermodelle. Gefragt war nicht die Kompetenz in Produktion und Tinte, sondern nach der Marke edding. So entstand ein Lizenzgeschäft und edding sammelte viel Erfahrung mit Artwork, Brand, Rack Jobbern und dem Lizenzgeschäft. „Lernen und verdienen“.21 edding hat einen Prozess zur Weiterentwicklung und Identifikation neuer Geschäftsfelder etabliert und dem Unternehmen eine Struktur gegeben, um dies leben zu können, ohne das operative Geschäft zu vernachlässigen. Try – Learn – Adapt. Ein Beispiel für „Neue Marktsegmente oder Märkte gründen“ und für „Existente Märkte neu beleben“. Weiter Informationen unter: www.edding.com https://edding.tech/de https://easycheck-by-edding.com https://www.legamaster.com/de/home https://playroomrocks.com https://edding.tattoo
21 Per
Ledermann
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Literatur Deckstein, Dinah. 2009. Vorher auf die Toilette. Hamburg: Der Spiegel. 27/2009. Dworschak, Manfred. 2009. Verranzt und zugekäst. Hamburg: Der Spiegel. 18/2009. Glüsing, Jens, und Nils Klawitter. 2010. Die Bohnen-Revolution. Hamburg: Der Spiegel. 7/2010. Hanser, Peter. 2009. Keine Kompromisse bei der Kaffeequalität. Düsseldorf: Fachverlag der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH. absatzwirtschaft Sonderheft 2009. Jungbluth, Rüdiger. 2006. Die 11 Geheimnisse des IKEA Erfolgs. Frankfurt/New York: Campus Verlag. Karle, Roland. 2009. Von der Tigerente in die Torfabrik. Düsseldorf: Fachverlag der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH. absatzwirtschaft Sonderheft 2009. Karle, Roland. 2010. Wie Querdenken Märkte verändert. Düsseldorf: Fachverlag der Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH. absatzwirtschaft Sonderheft 2010. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. 2014. KZBV Jahrbuch 2014. Köln: KZBV. Manz, Hans-Henning. 2007. Gaskunde ärgere Dich, Brennstoffspiegel. Leipzig: CetoVerlag. 08/2007. Manz, Hans-Henning. 2008. Es geht auch ohne Minus, Brennstoffspiegel. Leipzig: CetoVerlag. 04/2008. Michelli, Joseph A. 2008. Das Starbucks Geheimnis. München: Redline Wirtschaft. Piller, Tobias. 2009. Espresso aus der Kapsel. FAZ, 05.01.2009. Spindler, Gerd-Inno. 2012. „Billig“ ist kein Marketing, Brennstoffspiegel. Leipzig: CetoVerlag. 03/2012. Stieber, Benno. 2014. Roland Mack – Herr der Achterbahnen. Freiburg: Herder Verlag. Spindler, Gerd-Inno. 2020. Und Action, bitte“. Wiesbaden: Springer Gabler
7
Leider nicht selbst die Spielregeln geändert
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird an einigen Beispielen deutlich, was passiert, wenn andere Unternehmen ihr Denken ändern und Spielregeln ändern, man selbst aber nicht. Es sind Unternehmen, die einen großen Namen, hohe Umsätze, viele Kunden und Mitarbeiter hatten. Sie waren am Markt Ikonen ihrer Zeit und viele sind heute im Nichts verschwunden. Bei einigen existiert zumindest noch die Marke, andere sind komplett eliminiert. Sony ist selbstverständlich nach wie vor ein sehr erfolgreiches Unternehmen, aber in diesem Beispiel geht es ausschließlich um das Produkt Walkman.
7.1 Zündapp, Kreidler Zündapp und Kreidler waren die „Fuffziger“ in den 1970er-Jahren. Eine Zündapp war der Traum der Jugendlichen, die einen „kleinen Führerschein“ hatten. Früher ein Inbegriff für deutsche Motorräder, später für die Mopeds. Zündapp steht für Zünder- und Apparatebaugesellschaft, gegründet 1917 in Nürnberg. Neben Motorrädern wurden auch Nähmaschinen, Rasenmäher und Autos produziert. Der Zündapp Janus brachte es zwar nur auf eine geringe Stückzahl, aber sein Bild gehört zum Nachkriegsdeutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der „Grüne Elefant“ von Zündapp zum Begriff. Ein großes, schweres Zweizylindermotorrad, meistens in grüner Farbe lackiert. Von diesem Motorrad stammt der noch heute bekannte Name des „Elefantentreffens“ für Motorräder, das einmal im Jahr stattfindet. Der Markt für © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 G.-I. Spindler, Marketing anders denken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42413-8_7
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7 Leider nicht selbst die Spielregeln geändert
schwere Motorräder ging Ende der Fünfzigerjahre deutlich zurück und Zündapp erkannte die Zeichen der Zeit. Man stellte die Produktion auf leichte Zweizylinder Modelle um, die die Folgejahre geprägt haben. Die 50 ccm Mopeds waren in Deutschland ein großer Markt. Der alte Führerschein Vier reichte aus und man konnte ein ca. sechs PS starkes Motorrad fahren, allein oder zu zweit. Die Zweitakter waren angesagt und bei der Jugend begehrt. Eine KS 50 Watercooled mit elektronischer Zündung war das Topmodell. Zu der Zeit gab es auch noch keine Helmpflicht. Zündapp war eine Macht mit bis zu 33 % Marktanteil bei den Motorrädern bis 100 ccm. Die Maschinen waren technisch führend und hoch innovativ. Die Helmpflicht wurde 1978 eingeführt und zusätzlich stieg die Versicherungsprämie für diese Motorradklasse deutlich an. Die japanischen Anbieter boten eine komplette Reihe von Motorrädern mit 50 ccm bis zu 750 ccm an. Sie konnten ihre Kunden damit auch bei wachsenden Ansprüchen und dem „großen“ Motorradführerschein bei der Marke halten. Elektro-Starter und ein automatischer Benzinhahn waren komfortable Innovationen, die neue Bedürfnisse bei den potenziellen Kunden geweckt haben. Technisch waren die deutschen Anbieter immer noch führend, aber von den Kunden wurde der Komfortgedanke gegenüber technischen Lösungen favorisiert. Honda, Yamaha und die anderen fernöstlichen Produzenten spielten ihre Kompetenz im Motorenbau aus. Die japanischen Viertaktmodelle entsprachen nun viel mehr dem Trend und stiegen rasant in der Käufergunst. Die Marktregeln wurden geändert. Zündapp hat das und einige sich ändernde Käuferwünsche nicht erkannt oder erkennen wollen. Es wurde nicht erfolgreich versucht, sich gegen die neuen Spielregeln im Markt zu wehren oder diese umzukehren. Die Stückzahlen gingen in den Keller und 1984 Zündapp in die Insolvenz. Die Produktionsanlagen wurden nach China verkauft und noch einige Jahre wurde unter der Marke Zündapp produziert. Zündapp Motorräder waren legendär, technisch ausgereift und beliebt. Trotzdem verschwindet ein solches Unternehmen vom Markt, weil die Spielregeln geändert wurden und Zündapp dem nicht gefolgt ist. Kreidler nahm eine ähnliche Entwicklung. Kreidler‘s Metall- und Drahtwerke in Kornwestheim haben Mopeds, Mofas und Leichtkrafträder gebaut. 1904 gegründet, war es neben Zündapp der andere allseits bekannte Anbieter der Träume von Jugendlichen in den 1970er-Jahren. Das bekannteste Moped war die Kreidler Florett. Der damalige Leiter der Presseabteilung war übrigens der später im Fernsehen bekannte Sportreporter Bruno Moravetz, der ja 1980 bei den Olympischen Winterspielen in Lake Placid den Langläufer Jochen Behle so gesucht hat („Wo ist Behle?“). Auch die Kreidler Maschinen waren für Ihre Technik und Robustheit bekannt und beliebt. Eine Kreidler war bei der Jugend
7.2 Dual
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auch so begehrt, weil sie sich gut tunen oder „frisieren“ ließ und damit mehr als die üblichen PS aufweisen konnte. So ließ sich aus einem bei der Versicherung günstigen Mokick ein Leichtkraftrad machen, und zwar ohne dass man dies von außen sehen konnte. Nicht erlaubt, aber sehr beliebt. Kreidler Maschinen waren auch bei Rennen und Geschwindigkeitswettbewerben sehr erfolgreich. Eine Kreidler Florett mit 50 ccm fuhr 1977 einen Weltrekord mit 221 km/h. Das alles half, den Mythos Kreidler bei seinen Kunden zu bewahren. Dann aber erlag Kreidler dem gleichen Schicksal wie Zündapp und stellte sich nicht auf die geänderten Spielregeln im Markt ein, die zum Teil aus einer geänderten Gesetzgebung resultierten. 1982 ging Kreidler in die Insolvenz, die Produktion wurde eingestellt. Nur der Markenname blieb noch und wird weiter genutzt. Mit Zündapp und Kreidler sind die unangefochtenen Marktführer ihres Segments und die Träume der Jugendlichen in den 1970er-Jahren verschwunden. Es hätte sich zur Blütezeit niemand vorstellen können, dass diese beiden Hersteller mit ihren Marken und Produkten einmal vom Markt verschwinden können und in der Zukunft im Zweiradbereich keine Rolle mehr spielen würden. Man hätte erwartet, dass diese innovativen Hersteller sich ohne Probleme auf neue Gegebenheiten einstellen können, ja diese sogar im Markt selbst schaffen könnten.
7.2 Dual Dual ist ein Beispiel wie selbst ein ehemaliger Spielmacher, wenn er sein Denken nicht ändert, überholt wird. In der Hochphase ein Anbieter von Schallplattenspielern der Spitzenklasse, aber ohne die Schallplatte nur noch eine Marke ohne große Bedeutung im Markt. Dual wurde 1906 im Schwarzwald als Fabrik für Feinmechanik gegründet. Der Name Dual stammt von einer speziellen Motorentwicklung, einer Kombination aus Elektro- und Federelementen. Mit dieser Entwicklung wurden die ersten Plattenspieler ausgestattet. Gefertigt wurden die Plattenspieler unter dem Label Dual, aber auch als Komponenten u. a. für Grundig, Saba oder Wega. Alle HiFi-Hersteller der 1960er- und 1970er-Jahre. Dual wurde das Synonym für Plattenspieler. Es waren technisch sehr gute Geräte und auch im Design lagen sie im Trend. Es war etwas Besonderes, einen Dual zu besitzen und seine Platten, egal ob Langspielplatte oder Single darauf abzuspielen. Die Kenner benutzten noch eine sogenannte Nassabspielvorrichtung, mit der neben dem Tonarm noch ein zweiter, mit einer speziellen Flüssigkeit gefüllter Arm, über die Schallplatte
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geführt wurde. Damit wurde zum einen die Nadel geschont und zum anderen wurden störende Knistergeräusche durch die elektrostatische Aufladung vermieden. Dual war der größte deutsche Hersteller dieser Produktgruppe. Im Laufe der Jahre wurde die fernöstliche Konkurrenz immer größer und spielte ihre Größenvorteile als Weltlieferant mit riesigen Entwicklungsabteilungen aus. Technisch und optisch lagen die japanischen Geräte bei der Jugend deutlich mehr im Trend als vergleichbare deutsche Produkte. Die Wettbewerber boten in ihrem Sortiment nicht nur die Einzelkomponente Plattenspieler an, sondern außerdem Verstärker, Endstufen und Lautsprecher, um die komplette HiFi-Anlage von einer Marke zusammenstellen zu können. 1982 musste Dual Insolvenz anmelden und lebt heute noch als Marke, die von Hand zu Hand weitergereicht wurde, weiter. Warum ist es Dual nicht gelungen, den Sprung vom analogen zum digitalen Abspielgerät erfolgreich zu gestalten? Ein CD-Spieler hätte aus heutiger Sicht von Dual kommen müssen. Warum gelang es dem Marktführer nicht, diesen Schritt zu gehen?
7.3 Telefunken Telefunken war neben Grundig der Inbegriff für technische Produkte der Unterhaltungselektronik aus Deutschland. 1903 wurde Telefunken aus Teilen von zwei an der Entwicklung der drahtlosen Nachrichtenübermittlung arbeitenden Wettbewerbern, AEG und SiemensHalske, gegründet. Kaiser Wilhelm hatte dies so angeordnet. Mit der Gründung von Telefunken wurde das Know-how beider Seiten gebündelt und so gezielt eingesetzt. Aufgaben gab es im militärischen und im zivilen Bereich. Später wurde Telefunken besonders durch seine Fernsehgeräte, Radios und Tonbandgeräte bekannt und geschätzt. Bei diesen Geräten waren Erfindungen von Telefunken prägend. Nach dem Krieg wurden die Radargeräte von Telefunken für den zivilen Bereich eingesetzt und auch erstmals zur Überwachung der Geschwindigkeitsbegrenzungen, die es ab 1957 zunächst innerhalb geschlossener Ortschaften in Deutschland gab. Eine große Entwicklung aus dem Hause Telefunken war das PAL-System für Farbfernseher, das bis heute eingesetzt wird. Nun begann die für Telefunken erfolgreichste Zeit, mit Umsätzen von rund einer Milliarde DM im Jahr. Wettbewerbsprobleme führten 1967 zur Fusion von AEG und Telefunken. Schon 1970 mussten Unternehmensteile ausgegliedert oder verkauft werden, bis schließlich 1983 der französische Konzern Thomson Tele-
7.4 Olympia Schreibmaschinen
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funken kaufte. Das Problem war die Rundfunksparte des Konzerns, die es mit dem fernöstlichen Wettbewerb nicht dauerhaft aufnehmen konnte. Der Markt für Unterhaltungselektronik sollte sich gravierend durch diesen Einfluss ändern. Immer wieder neue technische Merkmale und kleinere Einzelkomponenten veränderten die Kaufgewohnheiten. Auf diesem Sektor konnte Telefunken nicht mehr folgen. Teile des Unternehmens und ein großer Teil des Know-how gingen später an Unternehmen wie Mannesmann, Bosch bis hin zu Ericsson. Die übrig gebliebenen Teile nannten sich wieder AEG und verweilten einige Zeit bei Daimler-Benz. Heute lebt von Telefunken fast nur noch der Name. Ein ehemaliger Innovationsführer hatte zu spät bemerkt, dass sich Spielregeln im Markt geändert haben. Die Beispiele zeigen deutlich den Einfluss auf den deutschen Markt, den die neuen Spielregeln aus Fernost zur Folge hatten. Dort reagierte man bedeutend schneller auf neue Richtungen und Trends und initiierte sie sogar selbst. Neue Produkte kamen hinzu und veränderten das Verhalten der Konsumenten.
7.4 Olympia Schreibmaschinen Briefe schrieb man früher auf einer Olympia Schreibmaschine. Die Entwicklung der Schreibmaschine wurde übrigens von der AEG ausgelöst, die im Zusammenhang mit Telefunken schon einmal erwähnt wurde. Die im AEG Auftrag entwickelten Schreibmaschinen hießen zuerst Mignon und später ab ungefähr 1930 „Olympia“, wie das gleichnamig produzierende Unternehmen. Nach einigen Wirren durch die neue, temporäre Grenze in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, entstand zwischen dem Werk in Erfurt und dem neuen Werk in Wilhelmshaven Unsicherheit hinsichtlich der Namensverwendung Olympia. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschied 1949, dass nur das westdeutsche Unternehmen in Wilhelmshaven den Markennamen Olympia verwenden durfte. Das Werk in Erfurt nannte seine Schreibmaschinen danach kreativ Optima. Das Unternehmen Olympia florierte und wuchs rasch in neue Dimensionen. Bis zu 20.000 Mitarbeiter arbeiteten für dieses Unternehmen. Olympia beteiligte sich an anderen Unternehmen, wie dem Rechenmaschinenhersteller Brunsviga. Denkt man an die Bürowelt sind das die gleichen Kunden, der gleiche Vertriebsweg und der gleiche Service. Schon 1959 begann die Produktion von elektrischen Schreibmaschinen, damals ein großer Schritt nach vorne. Der Marktanteil in Deutschland stieg rasant und bei den in Deutschland produzierten Maschinen lag er bei 50 %. Auch inter-
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national expandierte Olympia und stieg zur Nummer Eins der Büromaschinenhersteller in Deutschland und zur Nummer Drei der Welt auf. Eine steile Karriere. Was sollte diesem Unternehmen passieren? Der Schritt in das Computerzeitalter wurde mit Datenerfassungssystemen erfolgreich gestartet. Doch auch hier konnte man den fernöstlichen Wettbewerbern so langsam nicht mehr erfolgreich begegnen. Die japanischen Maschinen waren bedeutend leichter und wurde letztlich auch günstiger im Markt angeboten. Um an die neue Technik zu gelangen, kooperierte Olympia mit Matsushita in Japan. Den Anschluss auf dem Weg von der klassischen Bürotechnik hin zu Kleincomputern und der notwendigen Software hatte Olympia verpasst. Die Vision einer völlig neuen Technik- und Anwender-Welt hat gefehlt oder konnte sich nicht durchsetzen. Die Frage bleibt, warum sich der Marktführer für Büromaschinen in Deutschland und einer der größten Anbieter für Schreibmaschinen international nicht mit seinen Kunden und den Anwendungen entwickelt hat. Eigentlich hätten doch die weltbesten Drucker und Textverarbeitungsprogramme von Olympia und keinem anderen kommen müssen bzw. dürfen. Der Marktführer erkannte nicht, dass sich andere Unternehmen mit einer anderen Technik und einem anderen Konzept einen kompletten Markt inklusive des Marktführers an sich zogen und ihn übernahmen. Genau diese „Markt-Übernehmer“ haben anders gedacht als die anderen im Markt und die Spielregeln im Markt der Büromaschinen zu ihren eigenen Gunsten geändert. Dies nur mit fehlendem Geld oder fehlender Technik zu entschuldigen, wäre zu einfach. Heute lebt Olympia allenfalls noch im Namen weiter.
7.5 Sony Walkman Der Walkman von Sony steht hier sogar zweimal, einmal für ein sehr gutes Beispiel für anders denken und Spielregeln ändern und ein zweites Mal für die verpasste Chance, mit einem neuen Produkt weitere Spielregeln im Markt zu ändern. Als im Juli 1979 der erste Walkman von Sony auf den Markt kam, war dies eine kulturelle Revolution. Mit dem Walkman wurde Musikhören mobil und es war möglich, fern der häuslichen Anlage, Musik zu hören. Der Walkman spielte Musikkassetten ab, die man entweder selbst individuell bespielen oder schon komplett aufgenommen kaufen konnte. Jugendliche mit Kopfhörer tauchten nun erstmals im Straßenbild auf und gehören seitdem zu einer normalen Erscheinung. Musik hören in Cafés, am Strand oder beim Spazierengehen war bisher nicht möglich, der Walkman hat dies verändert. Eine ganze Industrie von Zubehörteilen
7.5 Sony Walkman
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wie Kopfhörer, Booster und Lautsprecher entstand und hatte eine neue Zielgruppe. Der Walkman wurde zum Gattungsbegriff für mobiles Musikhören und ist es bis heute geblieben. Sony entwickelte dieses Produkt, das die Spielregeln im Markt für Musik geändert hat, immer weiter. Schon 1984 konnte der Walkman CDs abspielen und nannte sich nun Discman. Ab 1992 spielte er ein weiteres Medium, die MiniDisc ab. Später nannte Sony alle seine mobilen Abspielgeräte Walkman und jeder verstand sofort, worum es bei den einzelnen Produkten ging. Aber durch das permanente Optimieren des Bestehenden, war der Blick auf eine neue Revolution verbaut, die dann durch einen Branchenfremden initiiert wurde. Warum ist der iPod nicht von Sony? Den Medienspieler als Datenspeicher, der sich sein Material aus dem Internet holt oder komprimierte Dateien verarbeiten kann, hat Apple und nicht Sony erfunden. Sony hat das mobile Hören erfunden und einen neuen Markt geschaffen, Apple hat diesen Weg nochmals mit neuen Spielregeln versorgt und damit ein zweites Mal revolutioniert. Im Jahre 2001 wurde der erste iPod von Apple durch Steve Jobs vorgestellt. Alles daran war neu. Der iPod hatte eine Festplatte, Musik wurde nur noch digital transportiert, zur Steuerung gab es ein Scrollrad und einen Bildschirm, und man konnte sich seine eigenen Abspiellisten zusammenstellen. Der Computer und seine Musikdateien wurden mit dem iPod mobil. Es entstand eine neue Industrie aus Geräten, die den iPod unterstützten. Der iPod wurde gleichzeitig zum Musiklieferanten für die stationäre HiFi-Anlage zu Hause und für den mobilen Einsatz. Ein riesiger Markt entstand und verhalf Apple zu neuen Höhenflügen. Das Gerät wurde permanent weiterentwickelt bis zu den verschiedenen Modellen, die wir heute kennen. Apple setzte von seinem Produkt Millionen Stück in der ganzen Welt ab. Später konnte der iPod auch Videos abspielen. 2007 trat eine Variante des iPods seinen Siegeszug an, das iPhone. Das iPhone wiederum hat den Markt für Mobiltelefone in völlig neue Bahnen gelenkt und integrierte alle Funktionen des iPods. 2022 wurde der letzte iPod produziert. Wo ist Sony mit dem Urgedanken Walkman geblieben? Nach 30 Jahren wurde der letzte Walkman von Sony im April 2010 produziert. Eine Ära ging so zu Ende. Eigentlich wäre Sony der logische Erfinder des iPods gewesen.
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7 Leider nicht selbst die Spielregeln geändert
7.6 Quelle Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist Quelle. Es zeigt, dass große und mächtige Unternehmen existentielle Probleme bekommen können, wenn neue Spielregeln nicht erkannt und keine eigenen Regeln im Markt aufgestellt werden. Quelle wurde 1927 von Gustav Schickedanz gegründet und startete als Versandhandel. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser, neben stationären Geschäften, wieder aufgebaut. Quelle entwickelte sich phantastisch und das Unternehmen wuchs auch durch den Zukauf anderer Firmen. Quelle war das Synonym für den Versandhandel und schuf im Laufe der Zeit sogar eigene Marken in unterschiedlichen technischen Sortimentsbereichen wie Revue, Universum oder Privileg. In der Folge wurden große Warenhäuser eröffnet, die damit in Konkurrenz zu Horten, Kaufhof und Karstadt in den Städten die Kunden versorgten. Auf der Versandhandelsseite war Otto der große Wettbewerber. 1999 fusionierten Karstadt und Quelle, später ging daraus die Arcandor AG hervor. Quelle hielt zu lange an dem teuren Medium Katalog fest, der eine Auflage von rund acht Millionen Exemplaren hatte. Der Katalog war in Zeiten des Internets jedoch nicht mehr zeitgemäß und die Gelder dafür wären besser in das E-Commerce-Geschäft investiert worden. Der Katalog war ein Verkaufsbuch, das früher sehr beliebt war, da er ein sehr breites und tiefes Sortiment nach Hause zum „Anschauen“ brachte. Der Quelle Katalog bot Produkte für die ganze Familie und wurde auch von der ganzen Familie benutzt. Er war ein Barometer für markttaugliche Produkte. Ein Produkt, das nicht für den Quelle Katalog gelistet wurde, hatte auch im Markt keine Chance. Der Katalog war eine Art Marktfibel und Traumlandschaft zugleich. Viele haben sich richtig auf den neuen Quelle Katalog gefreut, um darin die Kreuzchen für den eigenen Wunschzettel zu machen. Im Internet funktioniert das heute allerdings erheblich besser und die Vielfalt ist deutlich größer. Da Quelle aber mit seinen zahlreichen Outlets und Bestellshops auf den Katalog angewiesen war, hielt man zu lange an den alten Zöpfen fest. Der Wettbewerb hatte die Zeichen erkannt und sich längst auf der E-Commerce-Schiene engagiert. Quelle war zwar beim Aufbau des Internet-Geschäftes aktiv, aber die permanenten Neuausrichtungen unter Arcandor kosteten zu viel Geld und Kraft. Beides fehlte dann für den neuen Vertriebskanal. Der Kunde wollte nicht mehr in einem dicken Katalog blättern und hatte das Gefühl, dass die angebotene Ware sehr uniform aussah. Der Kunde möchte individuell und nicht wie aus dem Katalog aussehen. Ein Katalog mit einem so breiten Sortiment von Textilien über Möbel und Geschirr bis zu Saunen, Autos oder Hunden war völlig überholt.
7.6 Quelle
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Andere haben das Sortiment untergliedert und Spezialkataloge herausgebracht und wieder andere haben im E-Commerce-Geschäft die Individualität des Kunden als Argument aufgenommen. 2009 wurde das Unternehmen Quelle abgewickelt. Den übrigen Wettbewerbern im Versandhandel geht es prächtig. Quelle ist ein Beispiel dafür, wie ein großes und eigentlich unverwüstliches Unternehmen doch aus dem Markt gefegt werden kann. Alles, was eine positive Zukunft erwarten ließ, war vorhanden. Ein riesiger Kundenstamm, Know-how im Versandhandel, zahlreiche Outlets im Markt und viele engagierte Mitarbeiter. Quelle war wegweisend im Versandhandel, in Logistik und in der Datenverarbeitung. All dies hat nicht gereicht, um sich den neuen Spielregeln im Markt anzupassen. Heute lebt noch der Name Quelle beim Konkurrenten Otto weiter.
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Fazit: Es gibt keine dummen Gedanken
Zusammenfassung
An dieser Stelle folgt ein kurzes Fazit zu den bisherigen Ausführungen und ein kleiner Blick in eine mögliche Zukunft. Nun haben Sie sich durch das Thema „Anders denken als die anderen und anders als bisher und Spielregeln ändern“ gekämpft und viel darüber erfahren. Sie haben gelesen, wie wichtig die aktive Zukunftsplanung für ein Unternehmen ist und warum wir mit den herkömmlichen Managementmethoden nicht weiter kommen. „Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, die alten Küsten aus den Augen zu verlieren.“1
Was passieren kann, wenn der Preis das einzige Unterscheidungsmerkmal im Markt ist, wurde beschrieben. In diesem Zusammenhang steht meine Aussage: „Billig ist kein Marketing“. „Anders als bisher“ als Methode wurde erläutert und der Spielmacher im Markt wurde vorgestellt. Anhand von einigen Beispielen haben Sie erfahren, wie die Methode in der Praxis erfolgreich umgesetzt und neue Wege eingeschlagen wurden. Der Umsetzungsleitfaden für einen eigenen Prozess wird Ihnen in der Praxis helfen. „Anders denken“ ist ein notwendiges Handwerkszeug eines Managers. Es ist entscheidend, Fragen zu stellen und den Status quo im Markt und in der Rollenverteilung nicht zu akzeptieren, sondern zu hinterfragen.
1 André
Gide, französischer Schriftsteller.
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Es gibt keine Beschränkung beim Denken. Wann wird die Automobilindustrie revolutioniert und arbeitet mit einem Einheitsmotor, der über ein einfaches Chip Tuning seine verschiedenen Varianten erhält? Ein solches „Chip Customizing“ wäre erheblich günstiger und für den Kunden deutlich einfacher. Mit einem „Chip Customizing“ würde ein völlig neues Geschäftsfeld entstehen, in dem der Kunde zum Beispiel sein Auto behält, wenn er einen stärkeren Motor haben möchte und bei den Herstellern aus dem Zubehörsortiment einen neuen, stärkeren Chip kauft und sich in sein Auto einsetzen lässt. Der Gedanke kann noch weiter entwickelt werden, wenn man daran denkt, dass dann für Fahranfänger ein „Anfänger Chip“ mit wenig Leistung eingesetzt werden könnte. 200 PS für Papa und 50 PS für die Kids. Das Einsetzen des Motor-Chips könnte sogar so einfach umgesetzt werden, dass der Kunde es selbst vornehmen kann. Der Chip würde einfach im Handschuhfach in den entsprechenden Schlitz gesteckt wie heute schon die Speicherkarten in einen Fotoapparat. Wenn das Handling einfach gestaltet würde, könnte man sich selbst auch mal einen zweiten Chip leisten. Warum das ganze Jahr mit 200 PS unterwegs sein, wenn man nur einmal im Jahr viel Leistung für den Campingurlaub mit dem Wohnwagen braucht? Elf Monate braucht man den 75 PS Chip für den Weg zur Arbeit und für vier Wochen nutzt man dann den 200 PS Chip, um den Caravan nach Italien ziehen zu können. Noch weiter gedacht, könnte man sich diesen Chip vielleicht sogar bei einem Autovermieter leihen. Eine weitere neue Geschäftsidee. Wenn so etwas mit einem Chip für die Motorleistung geht, dann doch bestimmt auch in Kombination mit einer anderen Fahrwerks- und Getriebeabstimmung. Oder wir haben einen festen Chip und wechseln nur ab und an die Karosse für den Weg zur Arbeit, für eine 14tägige Fahrt mit sechs Personen in den Urlaub oder als Cabrio fürs sonnige Wochenende. Abrechnung ganz simpel analog den Mobilfunktarifen und der Nutzungsdauer. Ein interessantes Thema, das sich zum Weiterdenken lohnt, wenn man an die Kosten und die Möglichkeiten im Markt denkt. Über entsprechende Apps wird die Steuerung der Leistung oder Ausstattung nochmal erheblich komfortabler. Wir reden seit Einführung der Winterreifenpflicht permanent darüber, wie die Polizei die Umsetzung kontrollieren soll. Ohne Limit gedacht und ohne die Regeln des Marktes zu akzeptieren (ich kenne sie gar nicht), könnten doch die Winterreifen eine andere Farbe als die Sommerreifen haben. Sommerreifen wären schwarz – wie bisher – und die Winterreifen wären weiß. So wäre auf den ersten Blick zu erkennen, ob die Bereifung im Winter bei den Autos korrekt ist. Auch hier reizt es, den Gedanken weiter zu spinnen. Wenn das so möglich gemacht würde (nicht jetzt möglich ist, sondern möglich gemacht würde!) könnte die Reifenindustrie ja auch den farblich passenden Reifen zum Auto produzieren. Warum kann ich für mein rotes Auto keine roten Reifen haben? Vielleicht würde
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ich dann sogar öfter mal die Reifen wechseln, von Rot auf Blau oder Braun. Da kommen mir die Grundgedanken der Swatch Uhr wieder ins Gedächtnis. Das hat auch funktioniert und keiner außer Nicolas Hayek hatte vorher daran gedacht. Alles Ideen, die aus heutiger Sicht, mit den heutigen Mitteln und Regeln nicht funktionieren. Genau das macht es so reizvoll. Es gibt beim Denken keine dummen Ideen oder unsinnige Gedanken. Der „Anders Denker“-Ansatz kann: • • • • • • •
Aktuelle Probleme lösen helfen Neue Geschäftsfelder finden Neue Märkte definieren Neue Vermarktungsmethoden erfinden Neue Vertriebskanäle finden Neue Produkte kreieren Marktpositionen verschieben
Der Ansatz kann all dies ermöglichen, wie die Beispiele im Buch gezeigt haben. Er kann aber auch, wenn er nach außen dringt, neue Mitarbeiter anlocken bei Ihnen zu arbeiten und sich zu verwirklichen. Der eigene Markt und benachbarte Märkte werden auf das anders „tickende“ Unternehmen aufmerksam. Wer würde nicht gerne in einem solchen Unternehmen arbeiten wollen? Für mich das größte Lob und die schönste Bestätigung unserer Arbeit bei aws Wärme Service war eine Äußerung eines Mitarbeiters. Er berichtete, dass er Freunden von uns erzählt hat: Von den verschiedenen Workshops und Meetings zum Thema „anders denken“ und von der Reise der Super Stars, der besten Verkäufer eines Jahres, die nach einem ausgeklügeltem System ermittelt werden. Er hat seinen Freunden erklärt, wie ein solcher Workshop abläuft, dass alle Gedanken erlaubt sind, ja, dass man gerade aufgefordert wird, auch zu „spinnen“ und in die Zukunft zu sehen. Er erzählte von dem „Anders Denker“ Preis „Anabis“ (damals hieß er noch anders), den wir analog einer Oscar-Verleihung, ausgelobt hatten. Seine Freunde haben gestaunt und ihn nur gefragt „Habt ihr noch Jobs frei? Ich würde sofort kommen.“ Ich hoffe sehr, dass Sie das Buch und die Ausführungen angesprochen haben und auch Sie vom anderen Denken „gepackt“ wurden. Wenn Sie Beispiele für erfolgreiche „anders Denker“ und Spielregeländerungen haben, können Sie mir diese gerne an folgende E-Mail-Adresse schicken: [email protected]
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Sie können auch Ihre eigenen Ideen an diese Adresse schicken, wenn Sie Ihre Gedanken mit anderen teilen möchten. Wer weiß, vielleicht entwickeln sich daraus eine „Anders Denker-Börse“ oder noch ganz andere Projekte. Viel Spaß und Erfolg dabei! Gerd-Inno Spindler
Stimmen aus dem Markt
Gerd-Inno Spindler überzeugte mit einer sehr pragmatischen und unkonventionellen Weise, Dinge zu hinterfragen, die auf den ersten Blick unverrückbar erscheinen. Speziell in einer Branche mit einem sehr vergleichbaren und unattraktiven Produkt, durch Marketingmaßnahmen eine derartige Aufmerksamkeit und Erfolg zu generieren, war faszinierend. Hartmut Drages Leiter Central Department Marketing Sick AG Herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung Ihres Buches „Querdenken im Marketing – wie Sie die Regeln im Markt zu Ihrem Vorteil verändern“. Das Buch halte ich für außerordentlich interessant, es ist unterhaltsam und lehrreich zugleich. Die Beispiele aus der Praxis zeigen auf für den Leser verblüffende Weise, wie wichtig es ist, Umfeldveränderungen rechtzeitig zu erkennen, ihre Wirkungen zu antizipieren und durch Querdenken neue Wege zu finden um sich auf die Zukunft einzustellen. Leider erleben wir viel zu oft, dass an gewohnten, in der Vergangenheit erfolgreichen Vorgehensweisen festgehalten wird und der Zug in eine erfolgreiche Zukunft verpasst wird. In Ihrem Buch schildern Sie eine Reihe bekannter Beispiele, die für sich sprechen. Manfred Greis Generalbevollmächtigter Viessmann Werke GmbH & Co. KG Was mir an diesem Buch gefällt, ist, dass man direkt merkt, dass es von einem Praktiker geschrieben ist. Keine abgehobene theoretische Abhandlungen, sondern leicht verstehbarer und gut konsumierbarer Stoff, der Schritt für Schritt auf-
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zeigt, wie die Prozesse des Querdenkens ablaufen und für jeden nachvollziehbar und durchführbar sind. Für mich eines der wenigen Fachbücher, die komplexe Themen leicht verständlich darstellen und die es völlig einfach machen, neue Wege zu beschreiten. Spannend geschrieben, gut strukturiert und recherchiert, mit vielen Beispielen aus der Praxis, mit denen man auch was anfangen kann. Ich denke, man muss nicht ein Topkreativer sein, um Nutzen aus dem Buch zu ziehen. Wenn man sich an die Spielregeln hält, die der Autor vorgibt, kommt man recht schnell auf verblüffend neue Ideen. Werner Dörfer Geschäftsführender Gesellschafter Dörfer/Partner Kommunikations-Gesellschaft mbh Fragt man Führungskräfte, was sie von Querdenkern als Mitarbeiter halten, hört man Zwiespältiges: Einerseits werden selbstständiges Denken, Kreativität, Mut zum Abweichen von tradierten Normen gelobt, andererseits werden Unruhestifter, Illoyalität, „Befehlsverweigerer“ gefürchtet, die den Unternehmenserfolg beeinträchtigen könnten. Gerd-Inno Spindler liefert in seinem Beitrag ein überraschendes Beispiel, Querdenkertum für den Unternehmenserfolg nutzbar zu machen: Er schildert, wie er in seinem Unternehmen zum Querdenken auffordert, es als Prozess unter der engagierten Mitwirkung seiner Mitarbeiter etabliert und Erfolge belohnt, und dabei zu erstaunlichen, positiven Ergebnissen auf der Kosten- und Ertragsseite kommt. Das ist praxisnah, verständlich und – auf das jeweils eigene Unternehmen abgewandelt – nachahmbar. Dr. Rolf Scheuten Dr. Scheuten & Hill, HR Consulting Ein reinrassiger Querdenker! Gerd-Inno Spindler gibt sich nicht mit Bestehenden zufrieden. Etabliertes wird gezielt in Frage gestellt, neue Ansätze zur Kundenorientierung systematisch entwickelt. In seinem Vortrag zum Bonner Management Forum hat Gerd-Inno Spindler konkrete Ideen und Spielräume zum Querdenken vorgestellt. Die Resonanz des Auditoriums war einhellig: TopSprecher der Konferenz! Prof. Dr. Jens Böcker Bonner Management Forum Jedes Produkt und jede Dienstleistung wird im Lebenszyklus irgendwann zur Commodity. Es ist wichtig, nicht immer das Gleiche nur besser und billiger zu
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tun, sondern Mehrwert zu schaffen, der dann auch besser bezahlt wird. Gerd-Inno Spindler zeigt dies eindrucksvoll und sehr anschaulich in seinen Ausführungen. Er regt damit zum Nachdenken an. Querdenken aus der operativen Sicht zum Anfassen. Michael Weinreich Vorsitzender der Geschäftsführung arvato infoscore GmbH Der Vortrag „Querdenken im Marketing“ von Gerd-Inno Spindler regt zum Nachund Neudenken an. Im strategischen Marketing sind viele Methoden und Entscheidungswege etabliert. Veränderungen bei den Methoden scheinen häufig nur in einem langfristigen Prozess möglich zu sein. Mit seinem Vortrag zeigt GerdInno Spindler Wege und Möglichkeiten auf, wie pragmatisch und schnell neue Ideen identifiziert und umgesetzt werden können. Die von ihm dargestellte Vorgehensweise kann sehr gut auf andere Branchen übertragen werden. Wir werden diese Methodiken zukünftig in unserem Fachbereich nutzen, um neue Wege auszuprobieren und den Horizont zu erweitern. Dr. Jörg Höppner Leiter Konzern-Markenstrategie und Preisplanung Konzern Marketing und Vertriebssteuerung Volkswagen Aktiengesellschaft In Zeiten, wenn Wettbewerb nur noch über den Preis und gewisse Optimierungen stattfindet, kann Querdenken im Marketing ein Lösungsweg aus der PattSituation sein. Angezogen vom hochaktuellen Thema und dem profilierten Referenten Gerd-Inno Spindler kamen darum auch überaus viele Interessenten – und gingen, inspiriert mit guten praktikablen Ansätzen für „ihren“ QuerdenkerProzess. Zur Unterstützung einer erfolgsorientierten Umsetzung mit Querdenken im Marketing ist das gleichnamige Buch von Gerd-Inno Spindler empfehlenswert. Gerhard Sauer Präsident und Programm Marketing Club Göttingen e.V. Sie sind mit Ihren Thesen und Überlegungen auf Ballhöhe. So waren Sie neben Ihrer Eigenschaft als Querdenker in der logischen Konsequenz auch noch ein vorausdenkender Querdenker, summa cum laude! Bleibt mir die Gelegenheit mich bei Ihnen nochmals herzlich für ein nicht nur interessantes, sondern auch
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sehr nützliches Seminar zu bedanken und Ihnen für das nächste Seminar viel Erfolg zu wünschen. Ich nutze Ihre interessante Art und Weise problem- und zielorientiert „neu“ zu denken, zunehmend. Vor allem das Engagement die MetaEbene mehr einzubeziehen und sich nicht direkt im Klein-Klein zu verlieren, hat mir schon viel geholfen. Nach meiner Erfahrung ist dabei das Entscheidende, dass man lernt ohne schlechtes Gewissen und Risikoscheu mit vollem Bewusstsein Grenzen zu überschreiten, die einem die Gedanken aufzeigen, die man ansonsten als irrational oder irreal bewertet erst gar nicht ins Kalkül gezogen hätte, die aber in der fortschreitenden Praxis die neue Realität repräsentieren. Ulrich B. Schönbucher Geschäftsführer Kohlen-Union B. Schönbucher GmbH Querdenken ist eine Philosophie mit Methode – Wenn der Mensch Programm für sein Thema ist, dann kann er mit Beidem Menschen und Organisationen beflügeln wie Gerd-Inno Spindler es mit den Teilnehmern auf unserem 7. Qualitätsmanagement-Tag im Phantasialand, Brühl gemacht hat. Dr. Claudio Felten Geschäftsführer buw consulting GmbH Gerd-Inno Spindlers Vortrag regt an vermeintlich Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen. Insbesondere für Unternehmen die über mehrere Generationen bestehen können diese neuen Blickwinkel von entscheidender Bedeutung sein. Philippe Köser Geschäftsführer H. Köser GmbH Der Vortrag von Gerd-Inno Spindler am vergangenen Mittwoch war ein leidenschaftliches Plädoyer für das Querdenken im Marketing. Wenn das einer erzählt, der selbst jahrelang Geschäftsführer großer Unternehmen war, möchte man das gerne glauben. Und wenn dieser dann auch noch ein Buch darüber geschrieben hat, erst recht. So stieß der Vortrag dann auch auf große Resonanz. Eine
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Anregung zum Querdenken – ein Motivationsschub – war der Vortrag auf jeden Fall. »Der Kopf ist wieder offen!«, so das Feedback eines Teilnehmers. Antoinette Rozema Müller Ditzen AG Ich danke Ihnen für Ihren sehr informativen und interessanten Vortrag, gespickt mit anschaulichen Beispielen, humorvoll vorgetragen und am Ende gekrönt von einem 100 % praxisorientierten Konzept für die konkrete Umsetzung des Querdenkens im Unternehmen. Ein großer Gewinn für alle Teilnehmer! Prof. Dr. Jürgen Lürssen Institut für Marketing, Leuphana Universität Lüneburg Endlich einmal ein Fachbuch, wo man von der ersten Seite an merkt, dass hier ein Praktiker am Werk war. Das Querdenken wird anschaulich beschrieben, viele Beispiele geben wertvolle Hinweise darauf, wie dieses Thema erfolgreich angepackt werden kann. Für mich das bisher beste Buch zum Thema Querdenken, das ich ohne Einschränkungen weiter empfehlen kann. Jürgen Springenberg Geschäftsführer Mineralöl Vielhauer GmbH
Stichwortverzeichnis
A absatzwirtschaft, 207, 224 AEG, 250 afri-cola, 208 Aldi, 30 Aligheri, Dante, 117 AllDent, 129, 216 Amazon, 33, 68 Ammolite, 142 Anders denken, 5, 51 Andretti, Mario, 1, 115 Antimengen-Rabatt, 213 Apple, 17, 32, 34, 51, 68, 253 Arden, Paul, 118 Ariely, Dan, 57, 59, 62 Astley, Philip, 138 aws Wärme Service, 23, 129, 201
B Barista, 184 Bauer, Florian, 63 Baumgartner, Felix, 136 Bedarfszyklus, 203 Best Worscht, 129 Billig, 21 Böcker, Prof. Dr. Jens, 121 Brand Advocat, 169 Brennstoffspiegel, 207 Britten, Benjamin, 117 Buchholz, Andreas, 28 Budgetgespräch, 92
C Caroll, Dave, 40 Cirque du Soleil, 129, 137 Coaching, 94 comoil, 206 Compaq, 31 Confertainment, 141 Cost Cutting, 20 Creative Meeting Marketing (CMM), 91 Crowdfunding, 214
D Daimler, Gottlieb, 24 de Bono, Edward, 10 Deckstein, Dinah, 133 Dell, 31 Deutschen Fußball-Bundes e. V., 159 Dick Fosbury, 129 Disneyland Kalifornien, 139 Disneyland Paris, 140 Drucker Peter, 35 Dual, 249 Dworschak, Manfred, 222
E eBay, 68 Edding, Carl-Wilhelm, 232 edding, 129, 232 Einstein, Albert, 112 El Andaluz, 141
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268 engelbert strauss, 129, 188 Europa-Park, 6, 129, 140
F Facebook, 40 Favre, Eric, 222 Federal Express, 226 FedEx, 129 Feldmann, Holger, 224 First Mover, 45, 74 Flatters, Paul, 23 Focus Groups, 17 Ford, Henry, 12, 17, 45, 112 Förster, Anja, 10, 46 Fosbury, Dick, 196 Fotografie, 7 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 224 Free2move, 14 Fujifilm, 7
G Game Boy, 23 Gates, Bill, 25 Geller, Wolfgang-Peter, 229 Get One, 163 Gide, André, 114 Glückspilzaktion, 205 Glüsing, Jens, 224 Goethe, Johann Wolfgang von, 20 Google, 33, 40, 68
H Hamel, Gary, 3 Hanser, Peter, 224 Hayek, Nicolas, 227 Hayes, Gary, 40 HeiNZ, 205 HelGA, 204 Hemingway, Ernest, 117 Hesse, Hermann, 116 Hilti, 31 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, 121 Honda, 248
Stichwortverzeichnis I IBM, 31, 68 IKEA, 17, 129, 185 ILA-Company, 95 iPhone, 34 iPod, 32, 253 itunes, 32
J Jägermeister, 129, 159 Job Rotation, 96 Jobs, Steve, 34, 45, 88, 117 Jungbluth, Rüdiger, 188
K Kamprad, Ingvar, 185 Karle, Roland, 207 Kennedy, John F., 45 Kennzahlen, 39 Kim, W. Chan, 33 Kirschenhofer, 129, 144 Klawitter, Nils, 224 Klon-Marketing, 2 Knittel, John, 116 Köder-Angebot, 58 Kohlöffel, Klaus M., 45, 47 Koller, Cornelia, 112 Koth, Hardy, 63 Kreidler, 247 Kreuz, Peter, 10, 46 Kundenmanagementsystem, 203
L L.A.Q.U.E., 237 Laliberté, Guy, 138 Lardner, Prof. Dr. Dionysys, 24 Laterales Denken, 10 Ledermann, Per, 234 Ledermann, Volker Detlef, 232 Legamaster, 234 Lehrer, Jonah, 61 Leitner, 129 Leitner AG, 193
Stichwortverzeichnis Lichtenberg, Georg Christoph, 115 Lineares Denken, 10 Linkenheil, Konrad, 163 Lübbermann, Uwe, 208
M Mack, Franz, 6, 139 Mack, Jürgen, 140 Mack, Michael, 142 Mack, Roland, 6, 139 Mack, Thomas, 142 Mack Rides, 139 Mannesmann, 32, 68 Manz, Hans-Henning, 207 Marktanteil, 4 Marti, Kurt, 115 Mast, Günter, 159 Mateschitz, Dietrich, 134 Matsushita, 4 Mauborgne, Renée, 33 Maucher, Helmut, 222 Media Markt, 30 Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), 217 Metro, 30 Michelli, Joseph A., 184 Microsoft, 33, 68 Miedaner, Frank, 166 Mobene, 207 Moderator, 85
N Nespresso, 69, 129, 221 Nestlé, 222 Nietzsche, Friedrich, 45 Nintendo, 23
O Obendorfer, Lars, 170 Oetinger, Bolko v., 14 O´Leary. Michael, 130 Olsen, Ken, 25 Olympia, 251
269 OMA-Prinzip, 44 Open Franchise, 215 Optimierungsfalle, 20, 22
P Phantasialand, 139 photoscala, 230 Piller, Tobias, 224 Piscator, Erwin, 115 Planck, Max, 116 PLAYROOM, 243 Positionierung, 4 Prahalad, C. K., 3 Praxiswoche, 97 Preece, Sir William, 24 Preis-Anker, 62 Premium Cola, 129 Premium-Cola, 208 PrimaKlima – weltweit, 210 Produktklinik, 17 Prozessanalyse, 12 Pull-Strategie, 214 PuV, 90
Q Quelle, 22, 254
R Recaro, 6 Red Bull, 69, 129, 134 Roosevelt, Franklin D., 116 Rosche, Jan-Dirk, 45, 47 RTL, 69, 129, 198 Ryanair, 129
S Saint-Exupéry, Antoine de, 117 Schäfer, Martin, 73 Schiller, Friedrich, 115 Schulz, Howard, 183 Schumpeter, Joseph Alois, 9 Schwanhäußer, Sebastian, 149
270 Schwan-STABILO, 129, 150 Second Brand, 206 Seeber, Anton, 193 Seeber, Michael, 193 Seidel, Karin, 163 Seneca, 115 Shadow Board, 15 Shaw, George Bernard, 114 Smart, 14, 228 Smith, Frederick Wallace, 225 Sony, 4, 32, 252 Spiegel, 133, 222, 224 Spindler, Gerd-Inno, 21, 44, 46, 55, 56, 63, 66, 71, 86, 89, 93, 100, 114, 118, 204 Sports Utility Vehicles, 37 Spreewaldhof, 129, 160 Starbucks, 30, 69, 129, 182 Stellantis, 14 Stelzner, Matthias, 217 Stelzner, Ruben, 217 Stephen, Jim, 165 Stieber, Benno, 143 Strategie, 11 Strauss, Engelbert, 188 Strauss, Norbert, 189 Strauss, Steffen, 189 Sullivan, Richard, 114 SUNBOUNCE, 230 SUN-SNIPER, 129, 229 Swatch, 38, 129, 226
T Tchibo, 30 Telefunken, 22, 250 Thatcher, Margaret, 25 Thoma, Helmut, 199 Toyota, 37 Tucholsky, Kurt, 114 Tweet, 40
U Unique Selling Proposition (USP), 20, 45, 167
Stichwortverzeichnis United, 40
V Vapiano, 170 Verbraucherverhalten, 44 Verne, Jules, 117 Vertikales Denken, 10 Videorekorder, 4 Vision, 45 Volkswagen AG, 17 von Braun, Wernher, 117 VPS-ROBERTA, 147
W Walkman, 32, 252 Warner Brothers, 24 Watson, Thomas, 24 Watzlawick, Paul, 5 Weber Grill, 164 Weber-Stephen, 69, 129, 164 Weisshaupt, Bruno, 5, 13 Welch, Jack, 11, 48, 66, 71, 99 Werberelevante Zielgruppe, 200 Willmot, Michael, 23 Wördemann, Wolfram, 28 Workshop, 90 workwearstores®, 190 World Press Photo Award, 229 Würth, Reinhold, 72 Würth, 72
Y YASKAWA, 146 YouTube, 40
Z Zahnzentrum, 218 Zündapp, 247