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German Pages 207 [208] Year 2013
Nikolaus Jackob, Stefan Geiß, Oliver Quiring Trendscouts und Trendsetter im digitalen Zeitalter
Media Convergence/ Medienkonvergenz
Edited on behalf of the Research Unit Media Convergence of Johannes Gutenberg-University Mainz (JGU) by Stefan Aufenanger, Dieter Dörr, Stephan Füssel, Oliver Quiring and Karl Renner Herausgegeben im Auftrag des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) von Stefan Aufenanger, Dieter Dörr, Stephan Füssel, Oliver Quiring und Karl Renner
Volume/Band 8
Nikolaus Jackob, Stefan Geiß, Oliver Quiring
Trendscouts und Trendsetter im digitalen Zeitalter IT-Journalisten: Wer sie sind, wie sie arbeiten, was sie denken
ISBN 978-3-11-030380-3 e-ISBN 978-3-11-030399-5 ISSN 2194-0150 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: PTP-Berlin Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt 1
Einführung | 1
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4
Hintergrund | 7 Informationstechnologie und Gesellschaft | 7 Fakten und Trends im IT-Markt | 7 Entwicklungsdynamik der Informationstechnologie | 21 Exkurs: IT-Kultur und Populärkultur | 25 Hintergründe zum Fachjournalismus | 26 Fachjournalismus und Fachpresse | 26 Technikjournalismus | 34 IT-Journalismus | 39 Relevante Bezüge zur empirischen Journalismusforschung | 43 Forschungsleitende Fragestellungen dieser Studie | 49
3 3.1 3.2 3.3 3.4
Methode | 55 Erhebungsmodus | 55 Identifikation der IT-Journalisten | 56 Erstellung des Fragebogens | 59 Ablauf der Online-Befragung | 61
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5
Ergebnisse | 65 Die Journalisten im IT-Sektor | 65 Forschungsfragen | 65 Biographischer Hintergrund | 66 Ausbildung, Werdegang, Jobzufriedenheit | 69 Arbeitgeber und berufliche Position | 74 Berufsmotive und Berufsverständnis | 81 Die Themen und das Medienumfeld | 86 Forschungsfragen | 87 Publikationsplattformen | 89 Themenschwerpunkte | 90 Die eigene Redaktion und die Konkurrenz | 91 Quellen und Informationsbeschaffung | 94 Forschungsfragen | 95 Informationsquellen und Rechercheaufwand | 97 Unternehmen als Informationsquellen | 102 User-Generated Content als Informationsquelle | 108 Zufriedenheit mit den Kontakten | 111
vi 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 5 6 7
Inhalt
Beziehungen und Machtverhältnisse | 114 Forschungsfragen | 115 Rücksichtnahmen und Feedback | 119 Journalisten und Leser | 123 Journalisten und Unternehmen | 126 Wirkungen auf das Publikum | 129 Wirkungen und Rückwirkungen auf die IT-Hersteller | 135 Trends und Perspektiven | 142 Forschungsfragen | 142 Zukunft der IT-Presse | 149 Die Entwicklung der IT-Branche | 155 Die Entwicklung von Informationstechnologien | 157 Gesellschaftliche Entwicklungen | 162 Zusammenfassung und Fazit | 167 Anhang: Fragebogen | 177 Literaturverzeichnis | 195
1 Einführung „Hallo Freaks!“ – mit diesen Worten begrüßte die Redaktion der legendären Zeitschrift Happy Computer, die neben anderen Fachzeitschriften wie der Chip und der c't¹ zu den Pionieren eines breitenwirksamen IT-Fachjournalismus gehörte, ihre Leserschaft. In den Jahren 1983 bis 1990 entwickelte sich Happy Computer zu einer der beliebtesten Publikationen in jenem damals noch sehr übersichtlichen Segment des Fachpresse-Marktes. Und in der Tat konnte man zu Beginn der frühen Jahre der Computer-Fachpresse viele der Leser solcher Titel als „Freaks“ bezeichnen – wie auch die Autoren, die für die IT-Fachtitel schrieben. Heute ein ausdifferenzierter und vielbeachteter Teil der Fachpresse, mussten sich ITFachpublikationen Ende der 1970er und Anfang der 1980er ihren Weg aus der belächelten Nische der Informatik-Nerds, Spiele-Freaks und Hardware-Bastler erst freikämpfen. Happy Computer war als Fachmagazin gedacht und wurde für Anwender der damals üblichen Heimcomputer-Systeme wie z.B. den Amstrad CPC, den Atari 400/800, den Commodore 64 oder den Sinclair ZX81 gemacht.² Der Ansatz war bahnbrechend und kennzeichnet noch heute den Charakter vieler aktueller Fachtitel: Experten mit viel Verständnis von Hard- und Software beschreiben, analysieren und erklären den interessierten Laien aktuelle Entwicklungen, vergleichen Programme und Systeme, stellen Ratschläge und Anleitungen zur Verfügung, geben Marktübersichten und Ausblicke auf kommende Entwicklungen. Die beteiligten „Fachjournalisten“ waren in der Regel keine Journalisten im klassischen Sinn, sondern IT-Experten, die ihre Kenntnis entweder im Studium oder – weit häufiger – durch eigene Nutzung, Selbst-Studium und Hobby erworben hatten. Die IT-Experten waren zumeist Journalismus-Laien. Dass sich bis heute einiges geändert hat, steht außer Zweifel: Happy Computer wurde 1990 eingestellt, die Autoren gründeten neue Zeitschriften oder wechselten zu anderen. Die Leser von IT-Fachpublikationen sind heute längst keine Freaks mehr und die IT-Fachpresse leistet weit mehr als Hard- und Software zu testen, Strickanleitungen für Programmierer zu drucken oder Tipps- und Tricks für Spieler zu sammeln. Computertechnologie ist eines der prägenden Charakteristika einer Welt geworden, die sich selbst im Informationszeitalter wähnt. Keine Arztpraxis, keine Schule, keine Universität, keine Redaktion, keine Bank kommt heute ohne Computertechnologie aus. Computer-Hardware, wie sie in den 1980er Jahren für viele unvorstellbar gewesen sein mag, steckt heute in jedem MobilTelefon, jedem Navigationssystem für Autofahrer, jedem Geldautomaten. Hard-
1 Vgl. Kuri 2008. 2 Vgl. Glashüttner 2009.
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und Software sind im modernen Leben omnipräsent geworden, mächtige Märkte haben sich entwickelt – nicht nur ein großer Markt für IT-Produkte, sondern auch ein ausdifferenzierter Markt für IT-Fachpublikationen, die in Druck- wie OnlineFormen in großer Zahl verfügbar sind und alle denkbaren Aspekte der Informationstechnologie abdecken: Computerspiele und Office-Anwendungen, Hardware, Mobiles Computing, professionelle Business-Systeme und Programmierung. Es haben sich Spartenjournale für verschiedene Betriebssysteme herausgebildet, wie für verschiedene technische Plattformen – darunter Fachzeitschriften für Linux-Anwender, für Mac-User, Windows-Nutzer, für Smartphone-Besitzer, Konsolen- und PC-Spieler. Was früher in einem Heft der Happy Computer nebeneinander abgedruckt war, ist jetzt in ganzen Heften trennscharf repräsentiert, die die Auslagen des gutsortierten Handels und das Web bevölkern. Und es gibt eine große Nachfrage nach Informationen rund um Computer, ja sogar nach sehr speziellen Informationen und Expertenwissen. Fachzeitschriften mit teils anspruchsvoller Berichterstattung und komplexen Berichterstattungsgegenständen erreichen noch immer gedruckte Auflagen zwischen 100 000 und 400 000 Exemplaren – und das trotz charakteristischer Einbrüche seit Ende der 1990er Jahre, die mit Wanderungsbewegungen in das Internet erklärt werden können. Websites entsprechender Redaktionen und Verlage werden rege frequentiert und das Wissen eines hochspezialisierten Experten-Segments im Journalismus abgerufen. Die Vielfalt der im Markt zirkulierenden Software-Lösungen und Hardware-Angebote ist nahezu unüberschaubar, das Potenzial von IT-Systemen wird immer größer – das Bedürfnis nach Orientierung über Produkte, die nahezu jeder in irgendeiner Form einmal kauft, ist nach wie vor hoch: Welches Betriebssystem lege ich mir zu? Ist der neueste Tablet-PC ausreichend schnell für meine Bedürfnisse? Lohnt es sich für mich, auf die Neuauflage meines Spieleklassikers zu warten? Was kann die Datenbank X für mein Unternehmen leisten – verglichen mit der alten Datenbank, die seit Jahren auf meinen Systemen läuft? Werden die Preise für Smartphones weiter fallen oder soll ich jetzt zuschlagen? Die Reihe der Fragen, auf die die IT-Fachpresse in der Regel monatlich Auskunft gibt, ließe sich beliebig fortführen. Die Lotsen auf der wetterwendischen und für viele Konsumenten unendlich weit anmutenden See des IT-Marktes sind die IT-Fachjournalisten: Sie kennen – so die Annahme der Leser – die Produkte und ihre Produzenten, ihnen ist die Preispolitik der Unternehmen bekannt, sie kennen auch die Bedürfnisse der Nutzer. Sie haben die technische Ausstattung und die Expertise, um Leistungsfähigkeit, Nutzerfreundlichkeit und Qualität von IT-Produkten zu testen. Sie geben Rat, empfehlen zum Kauf, kritisieren Produkte und loben sie. Sie stehen in Kontakt mit ihren Lesern und mit der Industrie – was sie schreiben, bewegt beide Seiten. IT-Journalisten sind Pfadfinder und Wegweiser, Berater für Industrie und
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Konsumenten. Sie sind die zentralen Figuren in einem der zentralen Märkte der Gegenwart. Und doch wissen wir kaum etwas über sie… Während über andere Journalistengruppen viel geforscht wurde, sind ITJournalisten wissenschaftlich weitgehend Terra Incognita: Was sind Ihre Berufsmotive und welche Ausbildungswege sind sie gegangen? Wie zufrieden sind sie mit ihrem Beruf? Wie interagieren sie mit der IT-Industrie? Wie wichtig sind ihnen Rückmeldungen der Leser? Welche Quellen nutzen sie? Für wie einflussreich halten sie sich? Welche Vorstellung von einer angemessenen Berufsrolle prägt ihre Arbeit? Solche und ähnliche Fragen, die z.B. für Politik-, Wirtschaftsoder Immobilienjournalisten beantwortet werden konnten, sind Gegenstand des vorliegenden Buches. Ziel ist eine Bestandsaufnahme des IT-Journalismus im deutschsprachigen Raum. Die IT-Journalisten werden dabei erstens als Experten des IT-Zeitalters definiert – eines Zeitalters, in dem der Markt für Informationstechnologie zu einem der bedeutendsten Märkte überhaupt geworden ist. Sie werden zweitens als die Exponenten der IT-Fachpresse betrachtet – eines Fachpressesegments, das eine große Reichweite vorweisen kann und das großen Einfluss auf das Konsumverhalten der Bürger und auf das Produktions- und Serviceverhalten von IT-Unternehmen hat. Und sie werden drittens als eine Elite-Population im Journalismus begriffen – als Experten, die nicht immer journalistisch ausgebildet wurden, aber tagtäglich journalistisch arbeiten. Sie repräsentieren eine kleine Schicht von Fachleuten, die ihr Wissen in journalistisch aufbereiteter Form an ein Publikum weitergeben, das aus Laien und Experten besteht. Für die vorliegende Studie sind sie also nicht nur als Experten für IT-Themen interessant, sondern auch als journalistisch handelnde Akteure. Und damit sind sie ein legitimer und – mehr noch – ein notwendiger Forschungsgegenstand einer sich fortentwickelnden und ausdifferenzierenden Journalismusforschung. Empirische Journalismusforschung wird in Deutschland erst seit rund 60 Jahren betrieben: Walter Hömberg verweist zwar auf ältere sozialstatistische Studien aus den ersten Jahren des 20sten Jahrhunderts, nennt aber als erste größere Studie eine Untersuchung aus Münster, die 1956 von Fritz Wirth in der Publizistik veröffentlicht wurde.³ Dabei baut die moderne Journalismusforschung auf der älteren Tradition der historisch-normativen Zeitungswissenschaft auf. Doch erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierte sich die empirische Sozialforschung, wie sie in den USA mittlerweile professionell und erfolgreich betrieben wurde, auch in Deutschland. Und es dauerte noch einmal einige Jahre, bis sich die junge empirische Kommunikationsforschung auch dem journalistischen Berufsstand annahm: Erst die 1960er und 1970er Jahre brachten im
3 Vgl. Hömberg 2006: 210–211.
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Zuge der sogenannten „Entdeckung der empirischen Berufsforschung“⁴ Studien hervor, die sich unter anderem mit Berufsmotiven, Berufszufriedenheit, subjektiven Einstellungen, Rollenselbstbildern und Arbeitsweisen von Journalisten beschäftigten. Den Goldstandard der modernen Journalismusforschung brachten die 1980er und 1990er Jahre hervor – in dieser Zeit entstanden Studien mit großen Samples, die eine Vielzahl von Forschungsfragen integrierten und nicht nur auf einzelne Aspekte des Journalistenberufs rekurrierten, Studien mit international vergleichendem Anspruch und Studien, die sparten- und medienübergreifend konzipiert waren sowie letztlich auch wegweisende Spezialistenstudien, z.B. unter Politikjournalisten.⁵ Angesichts des vergleichsweise jungen Alters der Journalismusforschung verwundert es nicht, dass Studien, die sich mit bestimmten fachjournalistischen Sonderformen beschäftigen, erst seit einigen Jahren an Bedeutung gewinnen. Gehören Politik- und Wirtschaftsjournalisten im Grunde noch zum journalistischen Mainstream, der in den meisten Redaktionen der Tages- und Wochenpresse sowie des Rundfunks auf irgendeine Weise vertreten ist, stellen Immobilien-, Technik- oder eben IT-Journalisten dagegen vergleichsweise exotische Sonderformen dar, mit denen man sich erst in den letzten Jahren intensiver beschäftigt hat.⁶ In Deutschland existiert ein vielfältiger und ausdifferenzierter Fachpressemarkt – für nahezu jede denkbare menschliche Neigung gibt es eigene Fachmagazine. Fast alles was man kaufen und sammeln kann, und vieles was unser alltägliches Leben technisch und kulturell prägt, manifestiert sich in irgend einer Form fachjournalistischer Darstellung. Im Jahr 2011 umfasste die deutsche Fachpresse insgesamt rund 3800 verschiedene Titel – von Aquaristik bis Zimmerdekoration. Viele Publikationen adressieren nur eng umrissene Themenbereiche und damit automatisch einen sehr kleinen Adressatenkreis. Es ist fraglich, ob sich die Journalismusforschung solcher Fachzeitschriften jemals annehmen wird. Manche Bereiche des Fachjournalismus sind jedoch durchaus umfang- und einflussreich – wie z.B. der IT-Journalismus. Fachjournalistische Sonderformen dieser Art haben einen relevanten, gesellschaftlich etablierten und weit verbreiteten Berichterstattungsgegenstand (z.B. Immobilien, Geldanlageprodukte, Mobiltelefone, Computer, Automobile). Ihre Publikationen werden von einer großen Zahl von Lesern regemäßig rezipiert und sie haben – anders
4 Vgl. Hömberg 2006: 205. 5 Vgl. z.B. für Deutschland: Schneider et al. 1993a; 1993b; Weischenberg et al. 1994. Vgl. für international vergleichende Studien z.B. Köcher 1986; Donsbach & Klett 1993; Donsbach 1993; Donsbach & Patterson 2003. 6 Vgl. Anczikowski 2006, 2008; Jackob et al. 2008a; 2008b.
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als kleinere, exotischere Spielarten – keine fest umrissenen Ränder: So arbeiten Immobilienjournalisten nicht nur in der Immobilienfachpresse, auch größere Tages- und Wochenzeitungen oder -zeitschriften beschäftigen mitunter solche Expertenjournalisten.⁷ Gleiches dürfte für Technik- oder IT-Journalisten zutreffen, finden sich doch in der Tages- und Wochenpresse regelmäßig Beiträge über entsprechende Produkte – teilweise sind ganze Teile von Zeitungen und Heften sowie Sonderausgaben Autos, Computern, Mobiltelefonen, Kameras, Urlaubsreisen, Finanzprodukten und dergleichen mehr gewidmet. Fachjournalismus ist also nicht gleich Fachjournalismus, der wissenschaftliche Beobachter hat es mit einem vielfältigen, ausdifferenzierten und heterogenen Markt zu tun, der sich schon durch seine Struktur einem umfassenderen empirischen Zugriff in Form einer größeren Studie entzieht. Zudem ist das Interesse von Wissenschaft und Fachöffentlichkeit für manche Bereiche aus gutem Grund sehr gering. Für den IT-Journalismus gilt dies nicht. Es liegt daher nahe, sich in einem Zeitalter der Informationstechnologie mit ihren zentralen Mittlern und Deutern zu beschäftigen. Das vorliegende Buch ist als eine Bestandsaufnahme des IT-Journalismus konzipiert. Es fokussiert auf den IT-Journalismus in Deutschland, wohl wissend, dass die meisten der hierzulande erscheinenden Fachzeitschriften in anderen Teilen des deutschsprachigen Raumes (etwa in Österreich) in gleicher Form erscheinen. Insgesamt ist es in vier Kapitel unterteilt: Im ersten größeren Abschnitt (Kapitel 2) wird zunächst der IT-Markt näher betrachtet sowie ein grober Überblick über Fach- und IT-Journalismus gegeben. Daneben werden einige der zentralen Befunde der empirischen Journalismusforschung kursorisch vorgestellt. Auf Basis dieser kurzen Markt- und Literaturanalysen werden am Ende des zweiten Kapitels die zentralen Forschungsfragen dieser Studie herausgearbeitet. Der zweite, größere Abschnitt umfasst die insgesamt kürzere Darstellung des methodischen Ansatzes dieser Studie (Kapitel 3) sowie eine umfassende Beschreibung ihrer Ergebnisse (Kapitel 4). Das Buch schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick (Kapitel 5). Mit der Publikation dieses Buches werden gut zwei Jahre Forschung am Mainzer Institut für Publizistik abgeschlossen. Zwar lagen Pläne für eine solche Studie schon länger in den Schubladen der beteiligten Forscher, doch erst durch die Förderung des Forschungsschwerpunkts Medienkonvergenz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wurde es möglich, die Pläne in die Tat umzusetzen. Dem Forschungsschwerpunkt und seinem Leitungsgremium, hier sei stellvertretend Prof. Stephan Füssel genannt, möchten wir an dieser Stelle danken. Ein Dank gilt auch unseren engagierten Hilfskräften Jonas Bachmann und Fabian Scheu-
7 Vgl. Jackob et al. 2008a; 2008b.
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ermann, die bei der Fragebogenentwicklung, der Online-Implementierung, der Durchführung und Auswertung der Studie mitgeholfen haben. Ein weiterer Dank gebührt Andrea Ohters für ihren großen Einsatz bei der Redaktion dieses Buches. Wir hoffen, dass der vorliegende Band, und damit die erste größere Studie zum IT-Journalismus dazu beiträgt, neue Kenntnisse über eines der wichtigsten und spannendsten Gebiete der technologischen Entwicklung und ihrer fachjournalistischen Betrachtung zu gewinnen.
2 Hintergrund 2.1 Informationstechnologie und Gesellschaft 2.1.1 Fakten und Trends im IT-Markt Mit einer Pressemeldung feierte der IT-Branchenverband BITKOM im Juli 2011 den 30sten Geburtstag des ersten IBM Personal Computers mit der Typenbezeichnung 5150.¹ Durch seine in zweierlei Hinsicht offene Architektur entwickelte sich der PC zu einem der wichtigsten Antreiber der technischen Entwicklung und trug entscheidend zur Verbreitung von Computertechnologie in Unternehmen und Privathaushalten bei: Offen war der Rechner insofern, als IBM es anderen Herstellern ermöglichte, die eigene Technik ohne Lizenzangabe nachzubauen. Zugleich war der neue PC auch deswegen offen, weil sein modulares SteckkartenSystem dafür sorgte, dass auch künftige technische Innovationen auf ein und derselben technischen Basis Verwendung finden konnten. Dies war u.a. deswegen ein entscheidender Fortschritt, weil der PC auf diese Weise viel langsamer alterte als geschlossene Systeme, die nicht aufgerüstet werden konnten. Zugleich erwies sich diese Vorgehensweise auch als das wirtschaftlichere Konzept und es ermöglichte eine bis dato unbekannte Innovationsvielfalt sowie letztlich den Aufstieg von prägenden Marktakteuren wie Microsoft und Intel. Der Erfolg ist noch heute sichtbar: Laut BITKOM verkaufen sich PCs auch 30 Jahre und zahlreiche Geräte-Generationen später sehr gut – „2010 wurden nach Angaben von IDC weltweit 346,2 Millionen PCs abgesetzt. Das European Information Technology Observatory (EITO) kommt für Deutschland auf 13,7 Millionen verkaufte PCs, so viele wie nie zuvor. Auch für 2011 werden weitere Steigerungen vorausgesagt: Der weltweite PC-Absatz soll 2011 auf 405,9 Millionen PCs ansteigen. Für Deutschland prognostiziert EITO mit 15,4 Millionen verkauften PCs in diesem Jahr ebenfalls eine weitere Zunahme.“² Die weltweite Verbreitung des Personal Computers in Unternehmen und Haushalten ist nur ein Kennzeichen der Informationsgesellschaft. Zwei weitere sind, schließt man sich der Lesart von BITKOM an, das Internet und die Mobilkommunikation, die beide auf ihre Weise für einen großen Innovationsschub und einen Bedeutungszuwachs der IT-Industrie im modernen Leben gesorgt
1 Vgl. für den gesamten Absatz BITKOM 2011b. 2 BITKOM 2011b.
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Hintergrund
haben.³ So sind wesentliche Entwicklungen, die seit Mitte der 1990er Jahre die IT-Welt revolutioniert haben, ohne PC, Internet und/oder Mobilkommunikation nicht vorstellbar: Wikipedia, iTunes und iPhone, Internet-Telefonie, Podcasts, DSL, Online-Communitys wie Facebook, StudiVZ und Xing sowie Foto- und Video-Portale wie Flickr und Youtube – um nur einige der Beispiele aufzugreifen.⁴ „Dank Blackberry und iPhone wurden multimediale Mobiltelefone mit PCFähigkeiten, so genannte Smartphones, extrem populär. Breitband-Anschlüsse wie DSL sowie Pauschalpreise (Flatrates) haben die Nutzung des Internets stark beschleunigt: Die Zahl der Internetnutzer in Deutschland ist von 9,4 Millionen Ende 1999 bis auf 53 Millionen Ende 2009 gewachsen. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Mobilfunk-Anschlüsse in Deutschland von 23,5 auf 110 Millionen.“⁵ Internetnutzer kaufen über das Web ein, überweisen Geld, verschicken Briefe, veröffentlichen Meinungsbeiträge und Produkttests, nehmen am digitalen sozialen Leben teil – und das zunehmend auf mobilen Geräten wie Smartphones und Tablet-PCs. „55 Prozent der Deutschen können sich laut einer BITKOM-Studie ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen. Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen sagen sogar 84 Prozent, ein Leben ohne Internet sei für sie undenkbar. Beim Handy sagen dies sogar 97 Prozent der jungen Deutschen. Die Unter30-Jährigen würden eher aufs Autofahren oder ihren aktuellen Lebenspartner verzichten als auf Internet oder Handy.“⁶ Vor dem Hintergrund der Allgegenwart moderner Informationstechnologie verwundert das anhaltend starke Wachstum des Marktes nicht: Für das Jahr 2012 erwartet der Branchenverband BITKOM ein Marktvolumen von rund 73 Milliarden Euro in Deutschland – ein Wachstumsplus von 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.⁷
3 Vgl. BITKOM 2009. 4 Vgl. BITKOM 2009. 5 BITKOM 2009. 6 BITKOM 2009. 7 Vgl. BITKOM 2011c.
9
Informationstechnologie und Gesellschaft
70,0
73,2
40 35
60
30
50
25
40
20
30
15
20
10
7,9 3,2
10
25
4,5
20,4 20 IT Hardware Wachstum (in %)
Umsatz (in Mrd. €)
70
67,8
Wachstum (in %)
80
15
10
7,9 5,1
5
5 IT-Services
0
0 2010
2011 Jahr Umsatz (Mrd. €)
2012
0
1,7 2010
Wachstum (%)
Software 5,2 5,2
3,6 1,1 2011 Jahr
3,8 2012
Quelle: Präsentation BITKOM-PK Jahresabschluss (BITKOM 2011c) mit Verweis auf Zahlen von BITKOM, EITO, IDC.
Abb. 2.1: Prognose der Entwicklung des IT-Markts in Deutschland.
Dabei sind es insbesondere Innovationen im Hardwaresegment, die den Prognosen zufolge zum Wachstum beitragen werden: So wird erwartet, dass der Umsatz mit Tablet-PCs um knapp 19 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, der Umsatz von Smartphones gar um 23 Prozent auf fünf Milliarden Euro ansteigen wird. Ein ähnlich dynamisches Wachstum zeichnet sich im Bereich Software ab – hier wuchs bzw. wächst der Umsatz durchgängig um mehr als fünf Prozent (Prognose 2012: 17 Milliarden Euro). Diese Trends lassen sich auch global nachzeichnen, wie das European Information Technology Observatory (EITO) für 2011 zeigt: „Global sales of IT hardware, software, and IT services will rise by 4.4 percent in 2011 to 1.1 billion euros.“⁸ Überproportionales Wachstum verspricht man sich hier vor allem von Brasilien, Russland, Indien und China – aber auch etablierte Industrienationen wie viele EU-Länder und die USA könnten trotz teilweise trüber Wirtschaftslage mit Wachstumsraten von drei bis vier Prozent (und damit über dem Gesamtwirtschaftswachstum) aufwarten.⁹ Im EU-internen Vergleich liegt Deutschland mit Großbritannien und Frankreich auf den drei ersten Plätzen im Wachstum mit einem Plus von ca. vier Prozent (2011/2012). Die beschriebenen Trends werden ausführlich im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) herausgegebenen Monitoring-Report 2011
8 EITO 2011. 9 Vgl. EITO 2011.
10
Hintergrund
nachgezeichnet. Der Bericht präsentiert eine Vielzahl von empirischen Befunden und zeigt, dass die Informationstechnologie eine der wichtigsten Branchen in Deutschland und der Welt ist – und welche Entwicklungen kennzeichnend für diesen Markt sind:¹⁰ So ist Deutschland dem Umsatz nach die viertstärkste Nation weltweit mit einem Weltmarktanteil von 5,1 Prozent. Im Jahr 2011 betrug die Zahl der Mitarbeiter in IT-Unternehmen in Deutschland 858 000. Berechnungen des Bundesverbandes der Digitalen Wirtschaft ergaben, dass die „digitale Wirtschaft“ auch auf dem Arbeitsmarkt einer der wichtigsten Wachstumsmotoren ist – hier beträgt das Beschäftigungswachstum fast acht Prozent pro Jahr (2009–2012). Auch andere im Monitoring-Report aufgeführte Indikatoren dokumentieren Entwicklung und Stellenwert der IT in Deutschland: So standen im Jahr 2011 in 85,7 Prozent der deutschen Haushalte ein PC. Es wurden 14,2 Millionen Personal Computer verkauft, ein Zuwachs von über zehn Prozent. Dabei wächst der Absatz von tragbaren Computern stärker als der von Desktop-Geräten: 2011 wurden 9,7 Millionen mobile Rechner verkauft (plus 14,2 Prozent), 2012 sollen es rund 11,5 Millionen sein (plus 17,3 Prozent). Der Umsatz mit PCs (ob mobil oder stationär) betrug damit 2011 rund sechs Milliarden Euro. Charakteristisch ist dabei der Einbruch des Umsatzes mit Netbooks. Hier zeichnet sich ab, dass Tablet-PCs sich auf Kosten von Netbooks durchsetzen – mit jährlichen Wachstumsraten von 40 bis 70 Prozent. Weltweit wuchs der Markt für Tablet-PCs im Jahr 2011 sogar um 150 Prozent. Diese Zahlen werden von den Befunden der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA) unterstrichen:¹¹ So gaben im Jahr 2011 sieben Prozent der Bevölkerung an, sich einen Tablet-PC zulegen zu wollen – am häufigsten wurde dieser Wunsch unter 14- bis 19-jährigen artikuliert sowie unter Besitzern von Smartphones und Nutzern des mobilen Internet. In den beiden Gruppen waren Tablet-PCs 2011 mit rund acht Prozent auch am weitesten verbreitet (vgl. Abbildung 2.2).
10 Vgl. für den gesamten Absatz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) 2011. 11 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011.
Informationstechnologie und Gesellschaft
0
5
Bevölkerung insgesamt
2
14- bis 19-Jährige
2
20- bis 29-Jährige
2
10
7
15
20
Besitz
25
11
30
Kaufpläne
13 11
30- bis 39-Jährige
3
7
40- bis 49-Jährige
3
7
Besitzer eines Smartphones
8
Mobile Internetnutzer
8
19 20
Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutschsprachige Bevölkerung 14 bis 69 Jahre. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2011).
Abb. 2.2: Besitz und Kaufpläne Tablet-PCs.
Die im Monitoring-Report Deutschland Digital 2011¹² dokumentierten Umfragedaten zeigen auch, dass 79 Prozent der Bundesbürger im Jahr 2011 täglich einen Computer nutzen. Davon nutzte rund ein Drittel den Computer lediglich bis zu zwei Stunden am Tag – wohingegen 23 Prozent der Befragten mit täglich fünf Stunden Computernutzung als Intensivnutzer bezeichnet werden können. 86 Prozent aller Männer und 72 Prozent aller Frauen nutzen Computer auf täglicher Basis. Beim Altersvergleich erweist sich insbesondere die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen als die Gruppe mit der intensivsten Computernutzung (98 Prozent). Einer der wichtigsten Gründe für die Nutzung von Computern ist laut Monitoring-Report¹³ der Zugriff auf das Internet: Im Jahr 2010 waren rund zwei Milliarden Menschen weltweit online. Damit verfügten rund 30 Prozent der Weltbevölkerung über einen Internetzugang. Etwas mehr als 650 Millionen Internetanschlüsse waren im gleichen Jahr weltweit in Haushalten verfügbar, bis 2015 rechnet man mit rund 860 Millionen Haushalten. Mit fast 52 Millionen Nutzern
12 Vgl. für den gesamten Absatz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2011. 13 Vgl. für den gesamten Absatz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2011.
12
Hintergrund
hat Deutschland die meisten Onliner in Europa – insgesamt machen die deutschen Onliner rund sieben Prozent der gesamten europäischen Nutzerschaft von 367 Millionen Personen aus. In Deutschland beträgt die Internetpenetration rund 82 Prozent – Platz acht unter den weltweit bedeutendsten Standorten für IT. Auch hier lässt sich das leichte Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern reproduzieren: Rund 81 Prozent der Männer, aber nur 69 Prozent der Frauen nutzen das Internet – und auch hier ist es die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen, unter denen die meisten Onliner zu finden sind (rund 98 Prozent). Für die Internetnutzer hat sich das Web zur wichtigsten technischen Plattform entwickelt: 2011 sagten bereits drei Viertel aller Bundesbürger, dass sie nicht mehr auf das Internet verzichten könnten, noch vor dem Fernsehen (70 Prozent) und Büchern (67 Prozent). Die Beliebtheit der Internetnutzung schlägt sich auch im Zeitbudget nieder: Im Schnitt surfen deutsche Onliner täglich rund 140 Minuten im Netz. Häufigste Tätigkeiten in dieser Zeit sind das Senden und Empfangen von E-Mails, die Nutzung von Suchmaschinen, allgemeines Surfen und Homebanking. Wirtschaftlich ist besonders die Möglichkeit, über das Internet einzukaufen von Bedeutung: Laut ACTA zählten sich 2011 rund 70 Prozent der Deutschen zu den Online-Käufern, 17 Prozent davon gaben an, mindestens zehn Mal im Jahr über das Internet einzukaufen (vgl. Abbildung 2.3).¹⁴ Hinter beiden Zahlen verbirgt sich ein stetiger Trend – die Gesamtzahl der Online-Käufer wie auch die Zahl derer, die besonders häufig online shoppen, wächst seit Jahren kontinuierlich an. Darüber hinaus ist das Internet wirtschaftlich auch insofern bedeutsam, als es als Arbeitsmittel im Wirtschaftsleben eine mittlerweile unverzichtbare Rolle spielt. In Deutschland wurde das Internet im Jahr 2011 vor allem in der Medienbranche genutzt:¹⁵ 94 Prozent aller Mitarbeiter arbeiten dort regelmäßig mit dem Internet. Es folgen die IT-Branche mit 88 Prozent, die Finanzwirtschaft mit 86 Prozent und der Handel mit 53 Prozent.
14 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011. 15 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2011.
Informationstechnologie und Gesellschaft
13
80 70
63
45%
40
14
17
14
15
17
5 bis 9
1 bis 4
11
13
14
9 12
9
10
27
28
30
32
32
33
24
30
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
8
20 10
10 und mehr
10 8
6%
Online-Käufer Käufe in den letzten 12 Monaten
54 50
30
69
59
60 50
68
66
0 Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutschsprachige Bevölkerung 14 bis 69 Jahre. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2004–2011).
Abb. 2.3: Entwicklung des Online-Shoppings in Deutschland.
Ein weiterer wichtiger Trend ist die Nutzung von sozialen Netzwerken – etwas mehr als 40 Prozent der Deutschen nutzen laut ACTA entsprechende Angebote wie Facebook, StudiVZ oder Xing.¹⁶ Auch hier ist ein rapides Wachstum zu verzeichnen: So waren beispielsweise im Jahr 2004 „nur“ eine Million Personen in Facebook angemeldet, 2009 bereits 300 Millionen und Mitte 2011 schon 700 Millionen.¹⁷ Auf Deutschland bezogen zeigen die Zahlen der ACTA, dass sich die Nutzerschaft sozialer Netzwerke seit 2008 mehr als verdoppelt hat (vgl. Abbildung 2.4). Auch hier ist die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen erneut die aktivste: Fast drei Viertel der Befragten unter 30 geben an, Mitglied in einem sozialen Netzwerk zu sein, 2008 waren es noch weniger als 40 Prozent.¹⁸ Das stärkste Wachstum hatte auch hierzulande Facebook zu verzeichnen: Im Verlauf des Jahres 2011 wuchs der Mitgliederstamm in Deutschland um 123 Prozent gegenüber dem Vorjahr – von rund 6,8 Millionen Nutzern auf rund 15,2 Millionen Nutzer (vgl. Abbildung 2.5).
16 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011. 17 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2011. 18 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011.
14
80
Hintergrund
Prozent
74,3
70 62,4 60 14- bis 29-Jährige
51,6 50 40
37,6% 40,5
30
31,2 Bevölkerung insgesamt
23,4
20 10
15,5%
0 2008
2009
2010
2011
Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutschsprachige Bevölkerung 14 bis 64 Jahre. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2007–2011).
Abb. 2.4: Mitgliedschaft in Sozialen Netzwerken in Deutschland.
16
Nutzer pro Woche (in Mio.)
15,23 Facebook
14 12 10
8
6,84
6 4,37 4
3,60
2
3,14 2,33 2,03 1,75 1,15 1,05
0
2009
Wer-kennt-wen.de
4,51
3,45 SchülerVZ MeinVZ Lokalisten.de
2,85 2,85 1,53
StudiVZ 2,60 Xing
2,42 2,24 1,78
1,12
0,99
2010
2011
Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutschsprachige Bevölkerung 14 bis 64 Jahre, Nutzer pro Woche. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2009, 2010, 2011).
Abb. 2.5: Marktanteile der Sozialen Netzwerke in Deutschland.
Informationstechnologie und Gesellschaft
15
Ein großer Teil der Internetnutzung findet heute auf mobilen Plattformen statt: Dem Monitoring-Report zufolge griffen im Jahr 2011 fast 11 Millionen deutsche Mobilfunknutzer im Alter von 14 bis 69 Jahren mit dem Handy auf das Internet zu.¹⁹ Deutschlandweit werden mobile Datendienste immer häufiger genutzt: So wuchs dieses Marktsegment im Jahr 2011 um 14 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro. In diesem Zusammenhang spielen vor allem Smartphones eine zentrale Rolle: Im Jahr 2011 wurden in Deutschland rund 10 Millionen Smartphones verkauft, ein Zuwachs um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr – es wurde ein Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro erzielt. Weltweit wird die Zahl der genutzten Smartphones auf 472 Millionen Geräte geschätzt, bis 2015 soll sich diese Zahl auf fast eine Milliarde Geräte verdoppeln. Dieses Wachstum treibt auch die mobile Internetnutzung an, wie die Zahlen der ACTA für Deutschland zeigen (Abbildung 2.6):²⁰ Nutzten im Jahr 2008 noch drei Prozent aller Mobilfunkteilnehmer auf Handy oder Smartphone das Internet, waren es im Jahr 2011 bereits mehr als 17 Prozent. Internetnutzung auf Handheld-Geräten 2011 in % 20 18,4 18
Entwicklung der Internetnutzung auf Handy oder Smartphone in % 20 18
17,1
16
16
14
14
12
12
10
10
8
8
6
6
17,1
10,5
4
4 2,4
1,7
2
5,5 3,0
2 0
0 Insgesamt
Handy/ Smartphone
Tablet PC
Andere
2008
2009
2010
2011
Basis: Bundesrepublik Deutschland, deutsche Bevölkerung 14 bis 64 Jahre. Quelle: Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2008–2011).
Abb. 2.6: Mobile Nutzung des Internet.
19 Vgl. für den gesamten Absatz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2011. 20 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011.
16
Hintergrund
Die wirtschaftliche Bedeutung der mobilen Internetnutzung lässt sich auch daran ablesen, dass immer mehr Menschen mit Handys oder Smartphones via Internet einkaufen. Auch diese Entwicklung unterstreicht den Global-Trend hin zu „Connected Products“, den der Branchenverband BITKOM als einen der großen Zukunftstrends ausmacht:²¹ Nicht nur Mobilfunk-Nutzer sondern auch Konsumenten von Unterhaltungselektronik fragen immer stärker Geräte nach, die direkt oder indirekt einen Internetzugang bieten. Die sogenannten „Connectables“ – dazu zählen u.a. internetfähige TV-Geräte und Audio-Systeme – werden neben Smartphones und Tablet-PCs zu den Wachstumstreibern der nächsten Jahre gerechnet. Der letzte der Teilmärkte, der für den vorliegenden Forschungszusammenhang interessant ist und eine besondere Erwähnung verdient, ist der Markt für Computer-, Video-, Handy- und Browser-Games – kurz „Electronic Games“.²² Der Spielemarkt ist einer der dynamischsten Submärkte der Unterhaltungsindustrie: Im Jahr 2011 wurde hier weltweit einen Erlös von rund 65 Milliarden Dollar erwirtschaftet – im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 2,3 Milliarden Dollar. Zu den größten Publishern gehören – in dieser Reihenfolge – Activision Blizzard (USA) mit einem Jahresumsatz von 4,8 Milliarden Dollar im Jahr 2011 (davon alleine rund eine Milliarde durch World of Warcraft Online). Es folgen Electronic Arts (USA) mit 3,8 Milliarden Dollar, Ubisoft (Frankreich) mit 1,3 Milliarden Dollar und Take2Interactive (USA) mit 1,1 Milliarden Dollar.²³ Verglichen mit der Filmindustrie, einem weiteren wesentlichen Markt für Unterhaltungsangebote, zeigt sich eine deutliche Akzentverschiebung: Setzte die Filmindustrie im Jahr 2004 noch rund 9 Milliarden Dollar um – und damit 2 Milliarden Dollar mehr als der Videospiele-Markt (7 Milliarden Dollar), hat sich das Volumen der Videospiele-Verkäufe seither mehr als verdoppelt: Während die Erlöse der Filmindustrie bei 9 Milliarden Dollar stagnierten, erwirtschafteten Anbieter von Videospielen mit knapp 16 Milliarden Dollar beinahe doppelt so viel wie noch 2004 (vgl. Abbildung 2.7).²⁴
21 Vgl. BITKOM 2011d. 22 Deloitte 2009: 11. 23 Vgl. Reuters 2011. 24 Vgl. ESA 2011.
Informationstechnologie und Gesellschaft
17
Verkaufserlöse (in Mrd. US$) 18 16 14 11,7
12 9,5
10 8
6,9
7,0
7,3
6,9
9,9
9,4 Other delivery formats
7,5
6,0
6
5,5
0,7
0,7 Computer games
4 5,4
2
5,8 Video games
0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Quelle: ESA 2011.
Abb. 2.7: Wachstumsentwicklung in der Videospiel-Industrie 2000–2010.
Besonders augenfällig – und nicht zuletzt gut statistisch aufbereitet – ist diese Dynamik in den USA: Das prozentuale jährliche Wachstum der Computer- und Videospiele-Industrie war zwischen 2005 und 2009 zweistellig, „[…] 10.6 % for the period 2005–2009 and 16.7 % for the period 2005–2008. […] During the same periods, real growth for the U.S. economy as a whole was 1.4 % for 2005–09 and 2.8 % from 2005–08.”²⁵ Interessanterweise wuchs die Spieleindustrie in dieser Zeit nicht nur stärker als die US-Gesamtwirtschaft, sondern auch deutlich stärker als die restliche IT-Wirtschaft: So steigerte sich der Gesamtwert des Wirtschaftssektors Informationstechnologie im Zeitraum 2005–2009 von 592 auf 653 Milliarden Dollar, was einer jährlichen Wachstumsrate im Bereich zwischen 2,5 und 2,7 Prozent entspricht. Die Gaming-Industrie wuchs in der gleichen Zeit von 3,4 auf 5,1 Milliarden Dollar – eine zweistellige jährliche Wachstumsrate.²⁶ Mit rund 120 000 Beschäftigten ist die Computer- und Videospiele-Industrie nach Auskunft führender Marktkenner mittlerweile einer der wichtigsten Treiber der High-TechÖkonomie der USA.²⁷ Die Bedeutung dieses Marktsegments schlägt sich auch in
25 Siwek 2010: 1. 26 Vgl. Siwek 2010: 26. 27 ESA 2010.
18
Hintergrund
den Nutzerdaten nieder: In 72 Prozent der US-Haushalte werden regelmäßig Electronic Games gespielt – es handelt sich längst um kein Nischen- oder Jugendphänomen mehr: Der Altersschnitt in den USA beträgt 37 Jahre, immerhin 29 Prozent der Nutzer dort sind älter als 50 Jahre, der größte Teil – 53 Prozent – zwischen 18 und 49 Jahren. Die unter 18jährigen machen gerade einmal 18 Prozent der Nutzer aus. Auch das Geschlechterverhältnis ist weit ausgewogener, als man dies annehmen könnte: 42 Prozent der Spieler sind weiblich, 58 Prozent männlich. Computerspieler geben in den USA pro Jahr rund 25 Milliarden Dollar aus.²⁸ Computerspielen ist dort längst ein Massenphänomen, das in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Frage: „Wie viele Stunden in einer typischen 7-Tage-Woche verbringen Sie mit jeder der folgenden Aktivitäten?“ 4,0 3,5
Mit elektronischen Spielen verbrachte Zeit (in Stunden pro Woche)
3,5
3,0 2,5 2,2
2,3 2,1 1,9
2,0
1,9 1,7
1,8 1,4
1,5 1,2
0,9
1,0 0,6
0,5
0,5
0,5
0,6 0,6
0,5 0,5
0,3 0,1
0,0 Deutschland (5,4/61,2) PC
PC online
Großbritannien (6,8/66,4) Konsole stationär
USA (8,4/72,5) Konsole mobil
Japan (4,5/68,0) Mobiltelefon
Länder (Zahlen in Klammern: Gesamtes Zeitbudget für Spiele/alle Medien) Quelle: Deloitte 2009: 13.
Abb. 2.8: Zeitbudget für elektronische Spiele im internationalen Vergleich.
28 ESA 2010.
Informationstechnologie und Gesellschaft
19
Das gleiche Fazit kann man auch für Deutschland ziehen: Im Jahr 2006 spielten hierzulande, rund 23 Millionen Menschen Computer- und Videospiele, davon rund 13 Millionen Männer und 10 Millionen Frauen.²⁹ Im August 2011 vermeldete der Branchenverband BITKOM, dass bereits jeder Dritte Deutsche regelmäßig Computer- und Videospiele nutze:³⁰ 32 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung gaben an, Video- und Computerspiele zu spielen, fast zwei Drittel davon täglich. In der Summe spielten die Deutschen im Schnitt 5,4 Stunden pro Woche elektronische Spiele, der Löwenanteil entfiel auf PCSpiele (offline 2,2 Stunden, online 2,3 Stunden). Damit spielen die Deutschen häufiger als die Japaner, aber seltener als Briten und US-Amerikaner. Insgesamt macht das Spielen hierzulande knapp 10 Prozent des Medien-Zeitbudgets aus (vgl. Abbildung 2.8). Ein Rekordjahr für den deutschen Computerspiele-Markt war, was das Wachstum angeht, das Jahr 2007: Mit Konsolen, Konsolen-Spielen und PC-Spielen setzte die Branche insgesamt 2,3 Milliarden Euro um – ein Plus von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.³¹ Seither war weiter ein kräftiges Wachstum zu verzeichnen: „Mit einem Marktvolumen von rund 2,7 Mrd. Euro und einem durchschnittlichen Jahreswachstum im zweistelligen Bereich über die letzten Jahre gehört die elektronische Spieleindustrie mittlerweile zu den bedeutendsten Zweigen auf dem Unterhaltungsmarkt. […] Doch die in Deutschland vergleichsweise geringe Penetrationsrate elektronischer Spiele lässt noch keine absehbare Marktsättigung erkennen […]“.³² Auch in Deutschland entwickelt sich folglich der Markt für Computer- und Videospiele viel positiver als z.B. die Musik- und die Kinobranche, die in den letzten Jahren deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Im Schnitt betrug das jährliche Wachstum des Spielemarktes in Deutschland seit 2005 13 Prozent (Abbildung 2.9).
29 Vgl. BIU/GfK 2011. 30 Vgl. BITKOM 2011a. 31 Vgl. BITKOM 2008. 32 Deloitte 2009: 8.
20
Hintergrund
Marktvolumen in Deutschland (in Mio. €) 1800
1.720
1600
1.492
1400
Spiele für Computer
48%
Spiele für Konsolen
27%
25%
Spiele für Handhelds
2007
2008
1.283 1.202
33%
1200 1000
26%
39% 42%
800 40% 600 41% 400
46%
200 0
12% 2005
20% 2006
Quelle: BITKOM/media control GfK INTERNATIONAL in Deloitte 2009: 10.
Abb. 2.9: Marktvolumen von Computer- und Videospielen 2005–2008.
In der Gesamtschau der referierten Daten und Trends ergibt sich das Bild einer dynamisch wachsenden, in stetigem Wandel befindlichen und immer bedeutsamer werdenden Branche. Für die nächsten zwei Jahrzehnte sagt der Branchenverband BITKOM auf Basis der Analysen des Fraunhofer Instituts für Systemund Innovationsforschung ISI eine Verdopplung der Bruttowertschöpfung und der Beschäftigung voraus: „Bis 2030 steht ein Beschäftigungswachstum von 80 Prozent bevor, was rund 452 000 neuen Arbeitsplätzen entspricht. […] Die Software- und IT-Dienstleistungsbranche in Deutschland wächst kontinuierlich: In den letzten Jahren entwickelte sich diese Branche besser als die Gesamtwirtschaft und verzeichnete neben einer steigenden Bruttowertschöpfung ebenso einen Anstieg im Umsatz, Produktionsumfang als auch in der Anzahl von Arbeitsplätzen. Im Jahr 2030 wird der Sektor in Deutschland eine Bruttowertschöpfung von jährlich 90 Mrd. Euro erwirtschaften, den Umsatz im Maschinenbau prognostizieren Experten von Prognos dahingehend mit 100,8 Mrd. Euro und im Fahrzeugbau mit 115,1 Mrd. Euro. Die in Deutschland aus volkswirtschaftlicher Sicht besonders beachteten Sektoren Maschinen- und Fahrzeugbau werden in den kommenden 15 bis 20 Jahren im Wachstum stagnieren, während die Software-
Informationstechnologie und Gesellschaft
21
und IT-Dienstleistungsbranche ihren Anteil an der Bruttowertschöpfung verdoppeln wird.“³³ In einer in allen Lebensbereichen zunehmend von Digitalisierung gekennzeichneten Gesellschaft wäre demnach – auch wenn die Prognose sehr optimistisch anmutet – ein beträchtlicher Bedeutungsgewinn der IT-Branche zu erwarten. Schon heute hängt ein großer Teil der Industrieproduktion direkt oder indirekt von IT-Technologien ab. Die IT-Branche ist weiterhin durch eine hohe Zahl an Unternehmensgründungen gekennzeichnet. Im Jahr 2010 beschäftigte allein der Software- und IT-Dienstleistungssektor über eine Million Menschen – noch vor den deutschen Schlüsselindustrien Maschinenbau (ca. 950 000) und Fahrzeugbau (ca. 890 000). Der Anteil an der Gesamtbruttowertschöpfung wird für 2030 auf ca. 3,2 Prozent taxiert.³⁴
2.1.2 Entwicklungsdynamik der Informationstechnologie Die Dynamik der IT-Branche schlägt sich auch in der großen Bedeutung von Forschung und Entwicklung nieder. Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist eine der lebendigsten Technologiesparten. Nimmt man die Zahl der erfolgreich angemeldeten Patente zum Maßstab, überragt die IKT andere Zukunftstechnologien wie Biotechnologie, Nanotechnologie oder Erneuerbare Energien bei weitem (Abbildung 2.10).
33 BITKOM 2010. 34 Vgl. BITKOM 2010.
22
5000 4500
Hintergrund
Anzahl der eingereichten Patente
4000
ICT Biotechnology Erneuerbare Energien Nanotechnologie
4.352
3.684
3500 3000 2500 2000 1500 1000 500
1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
0
Quelle: OECD 2012. Basiert auf den Anträgen über den Patent Cooperation Treaty (PCT). Da die Patente erst stark zeitverzögert registriert werden (durchschnittlich 31 Monate), unterschätzen die Zahlen für die letzten Jahre die tatsächliche Zahl der Patentanmeldungen. Zum Umgang mit Patentdaten vgl. OECD 2009.
Abb. 2.10: Anzahl der eingereichten Patente in ausgewählten Technologiefeldern (1978–2008).
Die überragende Rolle von Forschung und Entwicklung im IKT-Sektor zeigt sich auch darin, dass seit den 70er Jahren konstant ca. 20 Prozent der Patentanmeldungen in den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie fallen.³⁵ Der Anteil ist seit der Jahrtausendwende leicht rückläufig, möglicherweise als Folge der geplatzten Dotcom-Blase. Dies ändert aber nichts an der zentralen Rolle von Technologie in der IT-Industrie (vgl. Abbildung 2.11).
35 Vgl. OECD 2012.
Informationstechnologie und Gesellschaft
35
23
Anteil an allen Patenteinreichungen (in Prozent)
30
25
20
15
10
5
1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
0
Quelle: OECD 2012. Basiert auf den Anträgen über den Patent Cooperation Treaty (PCT). Da die Statistik stark zeitverzögert auf die tatsächliche Zahl der Patente reagiert, unterschätzen die Zahlen für die letzten Jahre die tatsächliche Zahl der Patentanmeldungen. Zum Umgang mit Patentdaten vgl. OECD 2009.
Abb. 2.11: Anteil der eingereichten IKT-Patente an allen Patenten (1978–2008).
Ständige Neu- und Weiterentwicklungen sind für die IT-Unternehmen lebensnotwendig. Der technische Standard wandelt sich mit großer Geschwindigkeit und Produkte ohne technische Weiterentwicklungen verlieren in kürzester Zeit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Es findet also ein Wettforschen zwischen den konkurrierenden Unternehmen statt. Unternehmen aus der IT-Branche erwirtschaften – nach Daten aus dem Mannheimer Innovationspanel – 2009 55,4 Mrd. Euro im Jahr mit neuen Produkten, d.h. mit Produkten, die vor höchstens drei Jahren auf den Markt kamen. Das ist mehr als ein Viertel (26,1 Prozent) ihres gesamten Umsatzes.³⁶ Ähnlich sieht es bei ihren Ausgaben für Innovationen aus: Unternehmen (mit mehr als 5 Beschäftigten) im IKT-Sektor gaben 2009 im Schnitt knapp 7 Prozent ihres Umsatzes für Innovationen aus, mehr als doppelt so viel wie die deutsche Wirtschaft im Durchschnitt. In einzelnen Teilbereichen liegt der Anteil bei nahezu 10 Prozent (Software) oder klar über 10 Prozent (z.B. IT-
36 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2010: 21.
24
Hintergrund
Komponenten).³⁷ Dass der technologische Wettbewerb im IT-Bereich nicht nur auf nationaler Ebene, sondern global stattfindet,³⁸ verschärft den Innovationsdruck auf die Industrie zusätzlich. Diese hohe technologische Entwicklungsgeschwindigkeit schlägt auch auf die Konsumentenmärkte durch, wenn auch nicht mit voller Wucht, da zahlreiche Patente keinen unmittelbaren Nutzwert für die Mehrzahl der Verbraucher haben. Die hohe Anzahl neuer und weiterentwickelter Produkte, die fortlaufend auf den Markt kommen, erzeugen Unsicherheit unter den Konsumenten. Die kurzen Produktlebenszyklen führen,³⁹ kombiniert mit den relativ hohen Preisen in vielen Produktkategorien und dem hohen Anteil an Vertrauens- und Erfahrungsgütern unter den IT-Produkten, zu einem starken Informationsgefälle zwischen den Herstellern von IT-Produkten einerseits und den potenziellen Konsumenten andererseits. Diese Informationsasymmetrie reproduziert sich durch die Innovationsanstrengungen ständig neu, d.h. die Konsumenten müssen sich ständig auf dem Laufenden halten, um nicht nach und nach „abgehängt“ zu werden. Sogar wer sich zu einem Zeitpunkt gut mit den Produkten auskennt, kann so den Anschluss verlieren. Auch zahlreiche Hersteller dürften daran interessiert sein, ein breites Segment von „mündigen“ Konsumenten anzusprechen, vor allem diejenigen, die hochpreisige aber gleichzeitig hochwertige Produkte herstellen. Sie müssen auf den Sachverstand der Konsumenten setzen, da sie im Preiswettbewerb unterlegen sind. Unter diesen Randbedingungen entsteht ein Markt für IT-Journalismus, der fortlaufend (periodisch), aktuell (auf die neuesten Produkte und Trends eingehend), kritisch (Stärken und Schwächen offenlegend) und serviceorientiert (z.B. klare Empfehlungen aussprechend) über verschiedene Sparten der Informationstechnologie berichtet. In diesem Sinne handelt es sich um eine weitere Spielart des facettenreichen Fachjournalismus, auf die im Laufe dieses Buches – ausgehend vom Fachjournalismus allgemein – genauer eingegangen wird.⁴⁰
37 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI) 2010: 14–15. 38 Vgl. Gabrielson et al. 2006. 39 Vgl. Bayus 1998; Goldman 1982. 40 Vgl. zu Definition und Abgrenzung von Fachjournalismus Kapitel 2.2 in diesem Buch.
Informationstechnologie und Gesellschaft
25
2.1.3 Exkurs: IT-Kultur und Populärkultur Informationstechnologie ist – wenn man die Marktdaten zugrunde legt – im Alltagsleben der meisten Menschen inzwischen fest verwurzelt. Das war nicht immer so. Anfangs war es eine kleine Avantgarde, die in den 1970er oder 1980er Jahren die jeweils neuesten Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie privat oder beruflich nutzte. Dabei entwickelte sich eine eigene Subkultur, die – wie andere Subkulturen auch – von der Mehrheitsgesellschaft bzw. von der Populärkultur – verständnislos bzw. besorgt beäugt wurde. Die Nutzung von Mailboxes (auch: Bulletin Board Systems) als abgeschlossener Raum oder die Etablierung von Hackergruppen sind Beispiele für die Ausprägungen dieser Subkultur, die als Stereotyp schnell Einzug in die Populärkultur fand, etwa in Filmen und Magazinen.⁴¹ Es haben sich Bezeichnungen wie „Freak“, „Geek“ oder „Nerd“ für die Anhänger der IT-Kultur etabliert. MacArthur schreibt, der Begriff Nerd sei „[…] an insult used to degrade and belittle intelligent outcasts. These outcasts were labeled because of their expertise and general lack of social skill.”⁴² Geeks treten dem Stereotyp zufolge bei Star Trek- und Comic-Conventions auf, bevölkern Chatrooms und sie zeichnen dadurch aus, dass sie sich einem bestimmten Thema verschreiben und dadurch hohe Expertise in diesem Bereich entwickeln.⁴³ Verbreitete Themen sind Computer, Computerspiele oder Hackeraktivitäten, wobei sich oft viele Geeks nicht nur für eines, sondern gleich für mehrere der typischen Themengebiete interessieren. Die Personen, die sich selbst als „Geeks“ bezeichnen, heben die positiven Aspekte des Stereotyps hervor (hohe Intelligenz, Expertise, Immersion), vereinnahmen daher den Begriff und nehmen ihm dadurch den Charakter eines Stigmas.⁴⁴ Viele der IT-Entwickler, IT-Konsumenten und ITJournalisten – besonders diejenigen, die sich schon seit mehreren Jahrzehnten mit der Materie beschäftigen – dürften sich dieser Nerd-Kultur zugehörig fühlen. Außenstehende bezeichnen einige als „Noobs“, „Noobies“ oder „Newbies“, also als Leute, die „neu sind“ und „keine Ahnung“ von dem haben, worum es geht. Die Popularisierung von IT durch Personal Computer und Spielekonsolen, Mobiltelefone und Smartphones hat breite Teile der Bevölkerung nicht nur mit den Technologien selbst konfrontiert, sondern auch mit der Subkultur derjenigen, die sie entwickeln, vermitteln und konsumieren. Kelly spricht bereits 1998 vom Entstehen einer „dritten Kultur“ zwischen der Kunstkultur und der Wissen-
41 Vgl. Kendall 1999. 42 McArthur 2009: 61; vgl. auch Bishop et al. 2004. 43 Vgl. McArthur 2009: 62. 44 Vgl. McArthur 2008: 62, 64.
26
Hintergrund
schaftskultur – der Nerd-Kultur: „Technology now has its own culture, the third culture, the possibility culture, the culture of nerds – a culture that is starting to go global and mainstream simultaneously.”⁴⁵ Mit Repräsentanten wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg, stilisierter Nerdkleidung als Modeerscheinung und den Wahlerfolgen der Piratenpartei scheint die Nerd-Kultur auf dem Vormarsch zu sein. Sie durchdringt auch den IT-Journalismus, weil (a) eine gewisse personelle Kontinuität im IT-Journalismus seit den 1980er Jahren besteht, (b) die Entwickler und die Leser Teil dieser Kultur waren und sind bzw. eine Referenz auf diese subkulturelle Strömung⁴⁶ erwarten. Darüber hinaus suggeriert diese subkulturelle Referenz ein Expertentum, das Fachjournalisten nur dienlich sein kann. Die besondere Dynamik von IT hat so dazu geführt, dass sich das ursprüngliche Außenseitertum zunehmend im gesellschaftlichen Mainstream festsetzt.
2.2 Hintergründe zum Fachjournalismus 2.2.1 Fachjournalismus und Fachpresse Der Topos von der Informationsgesellschaft darf zwar mittlerweile getrost zu den abgenutzteren Gemeinplätzen der kommunikationswissenschaftlichen Literatur gezählt werden, gleichwohl ist der steigende gesellschaftliche Bedarf an Expertenwissen augenscheinlich, der aus dieser Entwicklung resultiert. Entsprechend hat sich der Fachjournalismus in den letzten Jahrzehnten zunehmend ausdifferenziert: „Der Bedarf an journalistisch bearbeiteten und unterhaltsam aufgemachten Fachinformationen im Sinne von Verbrauchertipps und Lebenshilfe wächst. […] Der Markt der […] Fachrichtungen erweist sich […] als breit gefächert: Neben Fachjournalisten für die Gebiete IT/Computer/Medien, Medizin/Gesundheit, Auto/Motor/Verkehr werden beispielsweise auch Experten für Tourismus, Umwelt oder – um auch Exotisches zu nennen – Modellbau gesucht.“⁴⁷ Zu den am stärksten nachgefragten Titeln im Zeitschriftensegment gehören – legt man die Daten der Media-Perspektiven zugrunde – die Veröffentlichungen der Motorpresse, gefolgt von Zeitschriften rund um Wohnen und Einrichten. An dritter Stelle folgt bereits die IT-Fachpresse, die in dieser Studie im Mittelpunkt steht (vgl. Abbildung 2.12).
45 Kelly 1998: 992. 46 Vgl. Glashüttner 2009. 47 Dernbach 2004: 32–33.
Hintergründe zum Fachjournalismus
30 25
27
Leser pro Ausgabe 2010 (in Mio.) 23,3
20 15 10
9,6
8,6
7,8
6,9
5
6,0
5,9 4,0
2,4
2,3
0
Quelle: Media Perspektiven Basisdaten 2010: 83. Abb. 2.12: Top 10 der Zeitschriftennutzung.
Im Unterscheid zum in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dominierenden Typus des „Allround“-Journalisten ist der Fachjournalist zunächst über seine thematische Festlegung definiert: Schreiben Allrounder – wie der Name impliziert – mehr oder weniger über alles, hat der Fachjournalist ein Fachgebiet bzw. mehrere Fachgebiete.⁴⁸ Der Fachjournalist hat in der Regel eine höhere spezifische Fachkompetenz über ein einzelnes Wissensgebiet als ein Allround-Journalist. Während klassischer Journalismus thematisch durch Universalität gekennzeichnet ist, machen den Fachjournalismus gerade die thematische Eingrenzung und Homogenität aus. Weitere zentrale Kennzeichen des Fachjournalismus sind (wie im Journalismus generell) Aktualität und Periodizität – jedoch eher im Sinne einer Fach- anstatt einer Tagesaktualität und auch mit längeren Publikationszyklen. Auch das klassische Kriterium der Publizität trifft auf fachjournalistische Texte zu, wenngleich nicht alles, was der Fachjournalismus produziert, an jedem Kiosk zu haben ist. Letztlich folgt der Fachjournalismus – im Gegensatz zum Allround-Journalismus, der von einem binnenpluralistischen Modell gekenn-
48 Vgl. Tiberius & Teichmann 2004: 17.
28
Hintergrund
zeichnet ist – einem außenpluralistischen Modell:⁴⁹ Hier lautet die Devise nicht „alles in einem“ sondern „für jeden eine eigene“. Auch der Rezipientenkreis kann entsprechend charakterisiert werden, es herrschen Spezialinteressen vor, die auf Plattformen wie Fach- und Special-Interest-Zeitschriften, Spartenprogrammen und Special-Interest-Formaten im Rundfunk und (immer stärker) in OnlineMedien bedient werden.⁵⁰ Dabei ist die Unterscheidung zwischen Fachzeitschriften und Special-Interest-Zeitschriften für die vorliegende Studie von besonderer Bedeutung:⁵¹ Fachzeitschriften wenden sich üblicherweise an bestimmte Berufsgruppen, denen die Journalisten oft selbst angehören bzw. angehörten. Sie präsentieren häufig Beiträge von Fremdautoren im Blatt und betreiben bevorzugt B2B-Kommunikation. Sie sind damit oft auch Foren einer mehr oder weniger geschlossenen Gesellschaft, die weniger auf typisch journalistische Übersetzungsarbeit angewiesen ist und dagegen eher berufliche Weiterbildung und fachinterne Kommunikation anbietet. Fachzeitschriften werden entsprechend meist am Arbeitsplatz gelesen, ihr Ziel ist effizienter Wissenstransfer – viele ihrer Vertreter sind interne Kommunikationsorgane einer Branche, deren Mitarbeiter zugleich Autoren stellen. Special-Interest-Zeitschriften dagegen sind Publikumszeitschriften, die für eine breite Leserschaft mit Interesse am Thema erscheinen. Die Leser haben meist ein privates Interesse an der Lektüre, es wird keine Ansammlung von Fachaufsätzen präsentiert. Wichtige Kaufgründe für Special-Interest-Zeitschriften ist das Interesse der Leser, sich Anregungen und praktische Tipps zu besorgen. Auch steht hier der Spaßfaktor im Vordergrund, der Bezug zu einem Hobby oder zum eigenen Konsum. Beide Zeitschriftentypen sind auf ihre Art typische Produkte des Fachjournalismus – sie verfolgen unterschiedliche Kommunikationsabsichten und adressieren verschiedene Publika. Allerdings: „Die Grenzen zwischen General- und Special-Interest, zwischen Allround- und Fachjournalismus sind fließend.“⁵² Viele Zeitschriften bieten als Grenzgänger Leistungen für Experten wie Laien, für beruflich wie hobbymäßig Interessierte – wie das Beispiel der ITPresse im Folgenden zeigt. Ein weiteres zentrales Charakteristikum des Fachjournalismus ist die journalistische Aufbereitung und Vermittlung von Expertenwissen.⁵³ Im Fachjournalismus schreibt ein wissenschaftlich oder berufspraktisch gebildeter Experte
49 Vgl. Dernbach 2010: 36–37. 50 Vgl. Dernbach 2010: 26. 51 Vgl. als Überblick Dunker 2008; Keller 2008. 52 Dernbach 2010: 27. 53 Vgl. Tiberius & Teichmann 2004: 19.
Hintergründe zum Fachjournalismus
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für Laien und Experten in einer in der Regel nicht-wissenschaftlichen Fachoder Publikumszeitschrift. Womit das nächste Charakteristikum benannt wäre, das bereits zuvor angesprochen wurde:⁵⁴ Der Fachjournalist schreibt mit hoher Wahrscheinlichkeit (auch) für ein Publikum, das bei der Rezeption berufliche Motive verfolgt, das vermittelte Fachwissen ist in vielen Fällen entweder für den Beruf gedacht oder thematischer Gegenstand des Berufs. Kann man dies für den Fachjournalismus allgemein durchaus als kennzeichnend bezeichnen, schreiben Journalisten der IT-Fachpresse für ein Publikum, das vermutlich auch berufliche Rezeptionsmotive hat, jedoch überwiegend durch ein privates Hobby motiviert ist. Entsprechend findet IT-Fachjournalismus zumeist nicht in klassischen Fachzeitschriften statt, sondern – wie bereits angedeutet – überwiegend in Publikums- bzw. Special-Interest-Zeitschriften. Für alle Fachjournalisten gilt, dass sie eine Doppelkompetenz aufweisen müssen: Neben ihrer spezifischen Fachkompetenz müssen sie zugleich auch über eine journalistische Recherche-, Aufbereitungs- und Vermittlungskompetenz verfügen.⁵⁵ Kurzum: Fachjournalisten sammeln Themen aus einem eingegrenzten Fachgebiet, arbeiten sie nach journalistischen Prinzipien auf, nutzen Expertenquellen, zu denen sie einen besonders guten Zugang haben, und stellen ihre Informationen einer vergleichsweisen homogenen Nutzergruppe zur Verfügung. Sie vermitteln dabei ihr Wissen auch über den Kreis der eigentlichen Experten hinaus an Laiennutzer. Sie „popularisieren“ Fachwissen, ist doch die Welt der Laien zunehmend von einer ähnlichen Komplexität und Technisierung gekennzeichnet wie die verschiedenen Berufswelten.⁵⁶ In diesem Zusammenhang kann man verschiedene Funktionen des Fachjournalismus ausmachen: So vermittelt Fachjournalismus nicht nur Wissen, sondern erklärt Hintergründe und Zusammenhänge (kognitive Funktion), er bietet Handlungsgrundlagen für Konsumenten, Entscheider und Multiplikatoren, leistet entsprechend Marktbeobachtung, Marktanalyse, Aufbereitung, Vermittlung und Interpretation von (Markt-)Daten (ökonomische Funktion) und leistet einen Transfer von Fachwissen in die Laienwelt hinein (soziale Funktion).⁵⁷ Angesichts der Vielfalt möglicher Berichterstattungsgegenstände fällt es der Forschung schwer, sich ein allgemeingültiges Bild von diesem Journalismussegment zu machen: Schon der ungeregelte Berufszugang, der auch den Journalismus als Ganzes kennzeichnet, erschwert einen systematischen (empirischen)
54 Vgl. Tiberius & Teichmann 2004: 23. 55 Vgl. Tiberius & Teichmann 2004: 25–26. 56 Vgl. Dernbach 2004: 32. 57 Vgl. Dernbach 2010: 25.
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Hintergrund
Zugriff. Die vielen thematischen Ausfransungen erschweren den Zugriff ebenfalls – nicht nur der Fachjournalismus als Ganzes ist hochgradig ausdifferenziert, auch die einzelnen fachjournalistischen Sparten weisen vielfach eine Reihe von Untersparten auf: im IT-Journalismus z.B. die Bereiche Soft- und Hardware, Business- und Spiele-Anwendungen, Netz- und Mobilkommunikation und weitere. Erschwert wird der systematische Zugriff zudem durch die Tatsache, dass es eine Reihe von Differenzierungsgraden in den Beschäftigungsverhältnissen gibt: Betrachtet man – wie es die vorliegende Studie tut – nur Personen, die ihren Lebensunterhalt hauptberuflich und im Rahmen einer Vollzeittätigkeit als Fachjournalisten bestreiten, kommt man zu anderen, viel engeren Eingrenzungen. Bezieht man dagegen all die Autoren mit in die Betrachtung ein, die nebenberuflich, in Teilzeit, als Angestellte von Unternehmen, als Blogger, freie Mitarbeiter usw. Texte in Fachpublikationen veröffentlichen, kommt man auf ein Vielfaches an Beschäftigten im weitesten Sinne – und eine Eingrenzung wird zunehmend schwieriger, wenn nicht unmöglich.⁵⁸ Für den Fachjournalismus gilt generell, dass die meisten Schreibenden in dieser Domäne als freie Mitarbeiter tätig sind, oft in mehreren Themenbereichen und für mehrere Publikationen.⁵⁹ Zudem: „Die Herausforderung bei der Analyse des (Fach-)Zeitschriftenmarktes liegt darin, dass er bis dato weder quantitativ erfasst noch qualitativ bewertet ist. Es gibt keine konsentierte, wissenschaftliche Definition oder Kategorisierung, auf Basis derer die Deutsche Fachpresse oder der Zeitschriftenverlegerverband oder die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) den Markt einheitlich erfassen. So steckt viel Recherchearbeit in den Daten, die – selbstverständlich ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aus den verschiedenen Quellen ermittelt worden sind.“⁶⁰ Diese Beschreibung der Probleme, auf die Beatrice Dernbach bei ihren Analysen des Fachjournalismus in Deutschland stieß, gilt (wie im Methodenteil gezeigt wird) in Teilen auch für diese Studie. Angesichts der beschriebenen Vielfalt und Komplexität verwundert es nicht, dass die Wissenschaft sich bislang schwer damit getan hat, Fachjournalismus näher zu erforschen. So hat die Kommunikationswissenschaft zwar schon früh die Bedeutung der Fachpresse gewürdigt, konkrete Forschungsprojekte entwickelten sich jedoch nur in den seltensten Fällen daraus. Entsprechend spricht Beatrice Dernbach von einer unterschätzten Gattung.⁶¹ Dabei handelt es sich bei
58 Vgl. Dernbach 2004: 34–35. 59 Vgl. Dernbach 2004: 35–36. 60 Dernbach 2010: 13–14. 61 Vgl. Dernbach 2010: 33.
Hintergründe zum Fachjournalismus
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Fachjournalismus im weitesten Sinne nicht um ein Phänomen des 20sten Jahrhunderts – erst recht nicht um eines, das dem viel zitierten Trend zur Informationsgesellschaft entsprang:⁶² Bereits im 17. Jahrhundert entstanden im Rahmen der Ausdifferenzierung der Massenkommunikation mit den sogenannten gelehrten Zeitschriften frühe Vorläufer einer Fachpresse. Hier wären vor allem Gelehrtenjournals zu erwähnen, die aus fachwissenschaftlichen Briefwechseln hervorgingen. In der Folge entstanden frühe medizinische Fachzeitschriften sowie Zeitschriften mit kuriosen, natur- und völkerkundlichen Betrachtungen oder Städte- und Reisebeschreibungen. Das 18. Jahrhundert brachte dann erste Fachzeitschriften im engeren Sinne hervor, die eher universalen Gelehrtenzeitschriften wurden infolge der Ausdifferenzierung der Wissenschaften zunehmend von spezialisierten Publikationen abgelöst. Die Zeitungslandschaft erlebte in diesem Jahrhundert eine „Expansion und Diversifikation sondergleichen“,⁶³ wie Jürgen Wilke darlegt. Er ergänzt: „Die Zeitschrift erwies sich als genuines Medium, das der fortschreitenden sozialen Differenzierung und Arbeitsteilung Ausdruck verlieh […].“⁶⁴ Dies lässt sich u.a. daran ablesen, dass für frühe Gelehrtenjournals des 17. Jahrhunderts noch ein polyhistorischer bzw. polydisziplinärer Zugriff kennzeichnend war, wohingegen die zunehmende technische und wissenschaftliche Differenzierung im 18. Jahrhundert zu einer korrespondierenden thematischen Ausdifferenzierung im Zeitschriftensektor führte. Schon bald entstanden neben den führenden theologischen und literarischen Fachzeitschriften auch solche für Medizin, Naturwissenschaft, Ökonomie, Pädagogik oder Musik, um nur einige zu nennen.⁶⁵ Auch fanden „gelehrte“ Artikel Eingang in der rasch wachsenden Zeitungslandschaft des 18. Jahrhundert.⁶⁶ Zeitgleich fand eine „Leserevolution“ statt, das Publikum der Zeitungen und Zeitschriften vergrößerte sich dramatisch, „[…] bedingt durch den Wandel von der feudalistisch-ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft.“⁶⁷ Der Impuls, welcher das Entstehen der Bürgergesellschaft gab, und die an Fahrt aufnehmende Industrialisierung führten dazu, dass der Bedarf an Lesestoff im 19. Jahrhundert weiter anstieg. Insbesondere wuchs der Bedarf an ökonomischen, technischen und politischen Informationen stetig weiter.⁶⁸ Bis zum Entstehen des Kaiserreichs am Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich fast alle Formen von
62 Vgl. Wilke 2008: 72–77. 63 Vgl. Wilke 2008: 94. 64 Wilke 2008: 95. 65 Vgl. Wilke 2008: 95–96. 66 Vgl. Wilke 2008: S. 88. 67 Wilke 2008: 137. 68 Vgl. Dernbach 2010: 32–33.
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Hintergrund
Zeitschriften explosionsartig vermehrt: „Insbesondere die Fachpresse gliederte sich durch Spezialisierung immer mehr auf. Besonders groß waren die Steigerungsraten bei den Zeitschriften für Gewerbe und Industrie, Handel und Verkehr, Technik und theoretische wie angewandte Wissenschaften. Für manche Interessen entstanden Zeitschriften auch erst neu, so z.B. für den Sport.“⁶⁹ Im 20. Jahrhundert setzten sich die Ausdifferenzierung und das Wachstum fort – auf weitere Details wird hier verzichtet. Heute umfasst der Zeitschriftenmarkt in Deutschland über 3.800 Titel (vgl. Abbildung 2.13).⁷⁰ Eine eindeutige Differenzierung verschiedener Publikationstypen ist nicht möglich, jedoch sind in dieser eindrucksvollen Zahl sowohl Fach- als auch Special-Interest-Zeitschriften enthalten. Geschätzt 40 Prozent dieser Titel sind wissenschaftliche Fachzeitschriften mit sehr niedrigen Auflagen – es sind jedoch auch große Special-Interest-Titel mit Auflagen enthalten, die in die Hunderttausende gehen. Die gut 3.800 Fachzeitschriften erscheinen bei rund 420 Verlagen – wenn man die im Verband Deutsche Fachpresse organisierten Verlage als Grundlage betrachtet. Der Gesamtumsatz wird auf ca. drei Milliarden Euro geschätzt, die verbreitete Auflage auf 525 Millionen Exemplare (2008). Strukturell wird der Fachpressemarkt von großen Verlagen dominiert, die in der Regel weit mehr als einen Titel publizieren⁷¹ – dies kennzeichnet auch das Marktsegment der IT-Fachpresse, wie im Methodenteil nachgezeichnet wird. Die im Jahr 2001 einsetzende Medienkrise ging auch an der Fachpresse nicht spurlos vorbei: Die Verlage mussten sinkende Einnahmen auch bei Fach- und Special-Interest-Zeitschriften hinnehmen, der Gesamtumsatz sank – insbesondere der Anzeigenumsatz war mit starken Einbußen von teilweise 20 Prozent von der Krise betroffen (vgl. Abbildung 2.14).
69 Wilke 2008: 278. 70 Vgl. für die folgenden Zahlen Dernbach 2010: 37–38; vgl. auch Verein Deutsche Fachpresse 2010. 71 Vgl. Dernbach 2010: 50–51.
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4000 3899
3907
3900 3829 3852 3800 3753 3687
3700
3646 3623
3637
3600 3563 3500
3400 2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
1796
1802
Quelle: Fachpresse Statistik 2010. Abb. 2.13: Anzahl der Fachzeitschriftentitel in Deutschland.
2500
Umsatz (in Mio. €)
1987 2000
1887 1797
1781
1838
1913
1988
2016
Insgesamt 1500
1074 966
1000
877
865
902
956
Anzeigen 1016
1031 852
856
847
863
865
863
878
892 Vertrieb
900
911
866
859
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
500
0
Quelle: Fachpresse Statistik 2010. Abb. 2.14: Fachzeitschriften-Umsatz (in Mio. Euro).
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Hintergrund
Trotz des hohen Bedarfs an Fachinformationen geriet auch der Beruf des Fachjournalisten unter großen ökonomischen Druck – die Honorare sanken und es wurde schwieriger, von fachjournalistischem Schreiben allein zu leben. Die Redaktionen begannen seither zunehmend, Expertenwissen „outzusourcen“, mit der Folge, dass immer mehr unsichere Anstellungsverhältnisse entstanden und das Berufsfeld heute noch stärker von Freelancern dominiert wird, als dies im Vergleich ohnehin schon der Fall war. Ökonomische Unsicherheit und prekäre Anstellungsverhältnisse sind ein Signum des Fachjournalismus geworden⁷² – mit Folgen für die Berufszufriedenheit, wie auch die Daten der vorliegenden Studie zeigen.
2.2.2 Technikjournalismus IT-Journalisten sind ihrerseits Teil einer übergeordneten fachjournalistischen Spartenpopulation, die Personen umfasst, die im weitesten Sinne über Technik schreiben: Technikjournalisten sind, wie Fachjournalisten im Allgemeinen, Experten ihres Fach- genauer: Technikgebiets.⁷³ Sie sind wie alle Fachjournalisten in der Verantwortung, komplizierte Sachverhalte einfach zu erklären und an Experten und Laien zu vermitteln. Auch Technikberichterstattung ist im Grunde so alt wie das Zeitungswesen. Techniknachrichten finden sich schon in den ersten Zeitungen (Aviso) zu Anfang des 17. Jahrhunderts.⁷⁴ Ist die Technikberichterstattung aus dieser Zeit noch „Kuriositätenkabinett mit Kurzmeldungen über aufsehenerregende Erfindungen“⁷⁵ – oft aus Militärtechnik und Handwerk –, kommen im 18. Jahrhundert immer mehr „gelehrte Artikel“ in Nachrichten- und Intelligenzblättern auf, die sich schon ernsthafter mit Technik beschäftigten. Regelrechte Berichterstattungsschwerpunkte bildeten sich dann im 19. Jahrhundert. Die industrielle Revolution brachte technische und soziale Innovationen am Fließband hervor – darunter Raddampfer, Eisenbahnen, Gewerbevereine, Industrieausstellungen etc.⁷⁶ Einen weiteren Impuls gab der allmählich entstehende Beruf des Ingenieurs, auch fand eine Ausdifferenzierung der technischen Welt und Wissenschaft statt. In der Folge entstanden bereits im frühen 19. Jahrhun-
72 Vgl. Dernbach 2010: 53–54, 68. 73 Vgl. Korol 2009: 160. 74 Vgl. Weise 2008: 47–48. 75 Weise 2008: 48. 76 Man kann hier durchaus eine Parallele zwischen dem Übergang in das Industriezeitalter und dem Übergang in das Informationszeitalter ziehen, vgl. Freeman & Louçã 2001.
Hintergründe zum Fachjournalismus
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dert technische Fachzeitschriften – ab 1820 z.B. das Polytechnische Journal und in den 1830ern die Gewerbevereinsblätter.⁷⁷ Große überregionale Zeitungen wie die Frankfurter Zeitung und die Deutsche Allgemeine Zeitung riefen für ihre Leser ab den 1870er bis 1890er Jahren eigene technische Rubriken und Redaktionen rund um Technik ins Leben sowie eigene Technikbeilagen.⁷⁸ Technikberichterstattung fand schon in diesen Jahren häufig in Tageszeitungen statt – die Berichte wurden als eine Art Schule für die technische Fortbildung der Bevölkerung betrachtet. Die Zeitungen nahmen neben einer Informations- auch eine Bildungsfunktion wahr.⁷⁹ Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich der Bedeutungsgewinn der Technik in der Berichterstattung fort – die Zeit war von Technikoptimismus geprägt, man versprach sich gesellschaftlichen Fortschritt durch Technik und stellte diesen in den Medien dar.⁸⁰ Schon damals zeigte sich, was für Technikjournalismus wie auch für viele andere Formen des Fachjournalismus noch heute gilt: Die Beziehung zwischen Unternehmen und Berichterstattung war von einer großen Nähe geprägt. Unternehmen gewöhnten sich rasch an, Werbebotschaften in Form von (Presse-)Mitteilungen an die Redaktionen zu verschicken – oft mit der Bedingung, dass nur dann Anzeigen geschaltet würden, wenn in der vorgeschlagenen Form positiv berichtet würde. So wurden bisweilen sogar fertige Messeberichte der Hersteller an die Redaktionen versandt – mit der Bitte um Abdruck.⁸¹ Auch heute noch ist die Nähe zwischen Unternehmen und Technikjournalisten ein Thema: Technikjournalisten sind, wie viele andere Fachjournalisten aus anderen Themenfeldern, Teil eines Expertennetzwerks, haben berufliche Erfahrungen neben und außerhalb des Journalismus und enge Kontakte zu Unternehmen, auf deren Informationen sie ja in der Regel angewiesen sind.⁸² Nicht nur hier – aber hier in besonderem Maße – existiert die Gefahr einer Vermischung von PR und Journalismus, zumindest die Distanz ist gefährdet.⁸³ Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges entwickelte sich eine neue Form von Technikberichterstattung auf der Plattform von Special-Interest-Publikationen, die Konsumenten als Zielpublikum hatten – hier allen voran im Themengebiet Automobilität. In den 1960er Jahren erschien erstmals die Zeitschrift Test, die
77 Vgl. Weise 2008: 48–49. 78 Vgl. Weise 2008: 50. 79 Vgl. Weise 2008: 52–53. 80 Vgl. Dernbach 2010: 232. 81 Vgl. Weise 2008: 54. 82 Vgl. in diesem Zusammenhang auf das Intereffikationsmodell von Bentele et al. 1997. 83 Vgl. Korol 2009: 160–161; vgl. zu den Beziehungen von Fachjournalismus und Wirtschaft auch Jackob et al. 2009.
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Hintergrund
Produkttests von unabhängigen Instituten mit wissenschaftlichen Prüfverfahren veröffentlichte.⁸⁴ Diese Form des „Nutzwertjournalismus“ adressierte – anders als die klassische Fachzeitschrift – ein „[…] breites Publikum mit privaten Nutzungsmotiven.“⁸⁵ Technikjournalisten, die für solche Special-Interest-Zeitschriften schrieben, erfüllten mit ihrer Arbeit eine „Dienstleistungsfunktion“, Ziel war es, mit unabhängiger Information die Kompetenz der Konsumenten zu verbessern.⁸⁶ Auf diese Weise gab die Technikpresse in der sich erfolgreich entwickelnden Marktwirtschaft eine Antwort auf den Vorwurf der unstatthaften Nähe zur Wirtschaft. Technikjournalisten wurden zu Ratgebern und Orientierungsagenten. In der Gesamtschau hat sich mit der Ausdifferenzierung und Spezialisierung der technischen Welt seit der industriellen Revolution eine ebensolche Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Fachpresse vollzogen: Passten die verschiedenen Technologien im 19. Jahrhundert noch in ein polytechnisches Journal, existieren heute Hunderte von Publikationen mit Technikbezügen. Und die Bandbreite wuchs in den 1980er und 1990er Jahren noch durch das Aufkommen der Zeitschriften, die sich mit der IT- und Telekommunikationswelt befassten.⁸⁷ Gerade in letzterem Segment ist, wie zuvor angedeutet, eine klare Abgrenzung zwischen Fachzeitschriften und Special-Interest-Publikationen nicht mehr möglich, auch nicht zwischen Zeitschriften, die professionelle Nutzer aus der Berufswelt adressieren und hobbymäßige Privatnutzer (also B2B- und Consumer-Interest-Zeitschriften).⁸⁸ Allerdings ist das Thema Technik besonders für Special-Interest-Publikationen geeignet: Es wird angesichts kurzer Produktzyklen, schnelllebiger Trends, großer Produktvielfalt, Komplexität und Omnipräsenz von Technik Nutzwertjournalismus nachgefragt.⁸⁹ Dies gilt auch und besonders für die hier interessierende IT-Fachpresse: „Die Produktvielfalt und deren feine Unterschiede etwa bei Audio, Video, Foto und Computer sind gigantisch. Auch für besonders interessierte Laien ist es quasi unmöglich, den Überblick zu behalten. Hier muss der Special-Interest-Technikjournalist den Leser an die Hand nehmen und durch den Produkt und Dienstleistungsdschungel führen.“⁹⁰ Entsprechend sind die wichtigsten Darstellungsformen im Technikjournalismus die Produktvorstellung und der Test. Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass
84 Vgl. Weise 2008: 59. 85 Weise 2008: 59. 86 Vgl. Weise 2008: 59. 87 Vgl. Weise 2008: 59–60. 88 Vgl. Weise 2008: 60. 89 Vgl. als Überblick Dunker 2008. 90 Dunker 2008: 152.
Hintergründe zum Fachjournalismus
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eine klare Trennung zwischen Fach- und Special-Interest-Zeitschriften gerade im IT-Segment kaum möglich ist: Sieht man vom klar hobbybezogenen Bereich des Gamings ab, richten sich viele Fachtitel, darunter Flaggschiffe wie Chip und c't sowohl an Experten als auch an Laien – die Leserschaft kann sowohl beruflich als auch privat interessiert sein. Doch auch für den Technikjournalismus allgemein lässt sich diese Grenzverwischung klar nachzeichnen: Technik wird heute in Fach- und Special-Interest-Zeitschriften thematisiert, die Berichterstattung orientiert sich an vorinformierten Laien und Experten – nur in den populären Massenmedien ist eine elaboriertere Technikberichterstattung randständig. Was für den Fachjournalismus allgemein gilt, ist auch hier zu konstatieren: Eine eindeutige Identifikation des Technikjournalismus ist angesichts der Vielfalt des Themengebiets und der Diversifizierung und Spezialisierung der Berichterstattung unmöglich. Einzelne Segmente des Technikjournalismus, soviel zeichnet sich derzeit ab, werden künftig noch populärer – dazu zählen die hier interessierenden Bereiche Unterhaltungselektronik, Computertechnik, Netz- und Mobilkommunikation. Auch zeichnet sich ab, dass das Internet die zentrale Plattform für viele Felder des Technikjournalismus wird – auch und gerade für IT-Themen. Und schließlich zeichnet sich ab, dass sich der Nutzerkreis von Technikberichterstattung ausweitet und deren Erklärungs-, Orientierungs-, Ratgeber- und ServiceFunktionen immer wichtiger werden. Und auch hier ist dieser Bedeutungszuwachs von bemerkenswerten ökonomischen Problemen im journalistischen Berufsfeld begleitet, wie sie für den Fachjournalismus zuvor schon beschrieben wurde: So ist die Beschäftigungssituation vieler Journalisten auch im Techniksegment prekär,⁹¹ die meisten Journalisten sind Freelancer, die über mehrere Themenfelder und für mehrere Publikationen auf eigene Rechnung schreiben. Ohne allzu ausführlich werden zu wollen, lassen sich die dramatischen Umbrüche in der Technikfachpresse mit einigen Zahlen illustrieren: So schmolz beispielsweise die verkaufte Auflage eines der Branchengiganten des IT-Segments, der Zeitschrift Computerbild Spiele, von 699 346 im ersten Quartal 2000 auf 165 606 im ersten Quartal 2012. Ähnlich dramatisch die Einbrüche bei der Zeitschrift PC Games – von 363 608 im vierten Quartal 1999 auf 96 419 im ersten Quartal 2012.⁹² Die Auflagenentwicklung fällt zumindest für das IT-Segment durch die Bank negativ aus – es wurden in den letzten Jahren immer mehr Exemplare wegen Unverkäuflichkeit remittiert, die Werbeeinnahmen für den Printsektor sanken, Werbetreibende wanderten in Scharen zu Online-Plattformen ab – gleichermaßen die Leser.
91 Vgl. Dernbach 2010: 233. 92 Vgl. IVW 2012.
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Eine der eingangs erwähnten empirischen Studien zum Technikjournalismus zeichnet viele der angesprochenen Aspekte des Technikjournalismus nach: Im Jahr 2006 wurden die Mitglieder des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes, damals insgesamt ca. 7000 Personen, um Teilnahme an einer Online-Befragung gebeten.⁹³ Ziel der Erhebung war, die bis dato unbekannte Gruppe der Technikjournalisten aus dem Mitgliederstamm des Verbandes herauszudestillieren und eine empirische Bestandsaufnahme durchzuführen. Befragt wurden 238 Teilnehmer, allesamt Technikjournalisten. Das Durchschnittsalter der Befragten war 45 Jahre, was in etwa dem Durchschnittsalter der gesamten Journalistenpopulation in Deutschland entsprach. Allerdings waren 95 Prozent der Teilnehmer Männer, zudem waren Frei- und Nebenberufler stark vertreten (83 bzw. 69 Prozent) – viel stärker als unter allen Fachjournalisten (rund 50 Prozent) und erst Recht den allgemeinen Journalisten.⁹⁴ Eine für diese Studie besonders wichtige Schlussfolgerung der Studie lautet: „Technikjournalismus heißt vor allem viele kleine Redaktionen, bei denen der verantwortliche Redakteur auch Leitung und Organisation übernimmt, spezielle Zielgruppen, gezielte Themenschwerpunkte, geringe Auflagen, große Publikationszeiträume.”⁹⁵ Rund zwei Drittel der Technikjournalisten hatten eine technische Ausbildung absolviert und 57 Prozent konnten keine journalistische Ausbildung vorweisen: So hatten nur 13 Prozent der Befragten ein Volontariat absolviert – bei den Allround-Journalisten beträgt die Quote der Absolventen von Volontariaten mehr als 60 Prozent.⁹⁶ Die Autorin schließt: „Einige Technikjournalisten sind keine professionellen Journalisten, sie haben das ‚Journalist-Sein‘ noch nicht verinnerlicht.”⁹⁷ Die Hauptthemenschwerpunkte der Befragten waren Computer, IT und Kommunikation – etwa 26 Prozent der 238 Befragten⁹⁸ stammten aus diesem auch für die vorliegende Studie interessierenden Fachjournalismus-Segment. Die meisten Technikjournalisten sagten von sich, dass sie im Alltag versuchten, die Berufsrolle des Vermittlers von Informationen zu erfüllen (82 Prozent), gefolgt von der Rolle des Erklärers von technischen Zusammenhängen (59 Prozent) und des Beraters (53 Prozent). 79 Prozent der Befragten sagten von sich, ihre Aufgabe sei es, neutral und präzise zu informieren – Platz eins unter den möglichen Nennungen. 77 Prozent gaben an, ihre Aufgabe sei es überdies, komplizierte Sachver-
93 Vgl. als Überblick Katharina Anczikowski 2006. 94 Vgl. Anczikowski 2008: 18–19. 95 Vgl. Anczikowski 2006: 70. 96 Vgl. Anczikowski 2008: 19. 97 Vgl. Anczikowski 2006: 69. 98 Vgl. Anczikowski 2008: 20.
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halte einfach darzustellen; 76 Prozent wollten durch ihre Arbeit dem Publikum Orientierung bieten. Aufgabenverständnisse, wie sie im Allround-Journalismus weit verbreitet sind, etwa das des Kritikers (rund 24 Prozent) oder das des Unterhalters (22 Prozent), waren deutlich unterrepräsentiert.⁹⁹ Damit korrespondiert die Absicht, ein mehr oder weniger eingegrenztes Publikum erreichen zu wollen – nur 21 Prozent gaben an, ihr Ziel sei die Ansprache möglichst breiter Rezipientenkreise.¹⁰⁰ Was schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts kritisiert wurde und seither immer Gegenstand der Auseinandersetzung mit dem Fachjournalismus war, lässt sich auch in den Daten dieser Untersuchung nachzeichnen: Es kommt in mehreren Indikatoren direkt und indirekt eine große Nähe zu wirtschaftlichen Interessen zum Ausdruck. Die meisten Technikjournalisten arbeiten überwiegend nebenberuflich, viele waren vor ihrer journalistischen Tätigkeit oder sogar diese begleitend in der Wirtschaft tätig. Insgesamt wird wenig Aufwand in Recherche investiert, der Bearbeitung von PR-Texten dagegen kommt ein bemerkenswerter Stellenwert zu. Entsprechend sagen nur 28 Prozent der Befragten, ihre Aufgabe sei es, ein kritischer Gegenpol zur Wirtschaft zu sein. Drei Viertel geben zu, dass Technikberichterstattung eng mit kommerziellen Interessen verknüpft ist.¹⁰¹ „Technikjournalismus steht der Technik und deren wirtschaftlichen Interessen gefährlich nah. Es mangelt vielen Technikjournalisten an Objektivität.”¹⁰²
2.2.3 IT-Journalismus Auch wenn die zuvor vorgestellte Befragung von Technikjournalisten ansatzweise Einblicke in einige Aspekte der Struktur und Arbeit des IT-Journalismus erlaubt, bleibt festzuhalten, dass bis dato keine dezidierte empirische Analyse des ITJournalismus existiert. Aus den wenigen empirischen Studien, die IT-Journalisten zum Gegenstand haben, lohnt die Betrachtung einer Analyse des Umgangs von „computer industry journalists“ mit dem Internet als Informationsquelle.¹⁰³ Untersucht wurde u.a. die Rolle des Internet als Recherche-Werkzeug, der Einfluss von Webseiten mit PR-Hintergrund („sponsored web sites”) auf die journalistische Arbeit sowie die Wahrnehmung von (z.B. ökonomischen) Vorteilen der Internetnutzung für die Arbeit der IT-Journalisten. Die Autoren identifizier-
99 Vgl. Anczikowski 2008: 20. 100 Vgl. Anczikowski 2008: 23. 101 Vgl. Anczikowski 2008: 24–25. 102 Vgl. Anczikowski 2006: 69. 103 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003.
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ten für die USA insgesamt 400 Publikationen aus acht Untergruppen – darunter u.a. „computer technology/data management“, „software/operating systems“, „Internet“, „industry applications“, „computer/video games“ und „marketing/ retailing/reselling“. Aufgrund der bereits referierten und auch für die vorliegende Studie maßgeblichen Problematik der Eingrenzung des IT-Journalismus und der Entwicklung geeigneter Auswahlverfahren entschieden sich die Autoren, stets die höchstrangigen journalistisch Tätigen einer Publikation auszuwählen: „Thus, the sample included editors/publishers, managing editors, senior/technical editors, reporters, or editorial assistants.”¹⁰⁴ Bei einer Rücklaufquote von 25 Prozent erhielten die Autoren schließlich 101 verwendbare Fragebögen. Die zentralen Befunde der Studie lauten wie folgt: Bei der täglichen Recherche empfinden sich die befragten IT-Journalisten nur eingeschränkt als abhängig von Webseiten. Sowohl Telefonrecherche, als auch Face-to-face-Gespräche und „press releases” werden von den IT-Journalisten zur Informationsbeschaffung bevorzugt.¹⁰⁵ Weiterhin wünschen sich IT-Journalisten, dass vor allem Unternehmenswebseiten häufiger aktualisiert werden, da sie „[…] most valuable when seeking new product information” sind.¹⁰⁶ Allerdings hängt die Nützlichkeit der Websites davon ab, wie sehr technische Informationen oder PR im Vordergrund stünden. Je nachdem, wie die Journalisten die gewerblichen Interessen hinter den Webseiten wahrnehmen, stehen sie diesen mehr oder weniger skeptisch gegenüber. Generelle Skepsis besteht gegenüber der Glaubwürdigkeit von Unternehmenswebsites.¹⁰⁷ Ein weiterer Befund: Je älter die Journalisten, desto kürzer die Internetnutzung während der Arbeit. Jüngere Journalisten nutzen das Internet häufiger und verlassen sich eher auf die Reputation einer Webseite: Haben sie den Eindruck, das Unternehmen habe eine gute Reputation, sind sie „[…] more favorable toward using corporate (vs. noncorporate) web sites.”¹⁰⁸ Die Befunde dieser Studie sind insofern für die vorliegende Untersuchung relevant, als allzu enge Beziehungen zwischen Wirtschaft bzw. PR-Quellen einerseits und Fach- bzw. Technik- (und IT-Journalismus) andererseits bereits Gegenstand von Kritik waren. Sie werden auch in der im Folgenden dokumentierten Befragung von IT-Journalisten eine Rolle spielen, ebenso wie der Umgang mit InternetQuellen.
104 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003: 48. Auf einem anderen Weg, über die Ermittlung festangestellter, hauptberuflicher Journalisten, kommt die vorliegende Studie zu einem ähnlichen Ergebnis – und zu einer ähnlichen Rücklaufquote (vgl. Kapitel 3 in diesem Buch). 105 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003: 49–50. 106 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003: 50–51. 107 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003: 52–53. 108 Vgl. Hachigian & Hallahan 2003: 55.
Hintergründe zum Fachjournalismus
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Empirische Studien, wie die oben dokumentierte, sind vergleichsweise selten. Gleichermaßen sind auch Quellen selten, die abseits eines empirischquantitativen Zugriffs Einblicke in dieses Segment des Fachjournalismus erlauben. Eine der wenigen verfügbaren Quellen ist ein Aufsatz von Jürgen Kuri, der für das renommierte Computermagazin c't tätig ist. Aus seinen Darlegungen lassen sich am Beispiel einer Zeitschrift einige Hinweise finden, wie in der IT-Presse gearbeitet wird. Zunächst charakterisiert er den Leserkreis seiner Zeitschrift. Er gibt an, dass unter den Lesern viele Meinungsführer seien, die in ihrem privaten Umfeld eine Beraterfunktion in Computerdingen haben.¹⁰⁹ Dies mag besonders für sein anspruchsvolles Magazin gelten, trifft jedoch sicher auch für viele weitere Titel zu. Des Weiteren gibt er einen Einblick in das Finanzierungsmodell der Zeitschrift – auch hier sind Analogien zu anderen Publikationen in diesem Sektor zu erwarten: Einerseits habe man mit den (durchaus schwankenden) Vertriebserlösen bei 250 000 Abonnenten ein wichtiges Standbein.¹¹⁰ Andererseits speist sich ein erklecklicher Teil der Einnahmen aus Anzeigenerlösen, die noch stärkeren Schwankungen unterliegen. Kuri konzediert, dass man bei c't zwar von Anzeigenkunden abhängig sei, aber im Konfliktfall keine Rücksicht auf deren Interessen nehmen würde: Es habe schon Drohungen mit Anzeigenboykott gegeben, falls keine willfährige Berichterstattung gedruckt würde, aber bisher hätten sich die Journalisten immer durchgesetzt und ihre Unabhängigkeit gewahrt.¹¹¹ Der zentrale Berichterstattungsgegenstand der c't sei im weitesten Sinne IT und Computer – jedoch habe im Detail viel Wandel in den 25 Jahren ihres Erscheinens stattgefunden. Entsprechend seien die IT-Journalisten dort nicht immer mit den gleichen Themen befasst, die eigenen thematischen Schwerpunkte wandelten sich mit der IT-Welt. Als beispielhafte Kernthemen nennt Kuri u.a. PCs, Drucker, Server-Systeme und Netzwerkwelten, IT-Hardware, weitere Telekommunikationstechniken, Software, Unterhaltungselektronik. Die Grenzen zwischen den Bereichen seien fließend, weswegen IT-Journalisten bei der c't in mehreren Bereichen versiert sein und Querschnittskompetenzen aufweisen müssten.¹¹² Im Übrigen sind Vielfalt und der Wandel der Themen auch ein Problem für die Definition einer Grundgesamtheit des IT-Journalismus und für die Durchführung von Studien wie der vorliegenden.
109 Vgl. Kuri 2009: 177. 110 Der Anteil der Abonnenten an den Käufern ist bei c't im Vergleich zu anderen Magazinen hoch. 111 Vgl. Kuri 2009: 177–178. Allerdings muss man diese Aussage vor dem Hintergrund der Redaktionszugehörigkeit des Autors evaluieren. Wissenschaftlich überprüfen lassen sich die Angaben nicht. 112 Vgl. Kuri 2009: 178–179.
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Hintergrund
Als ein besonders wichtiges und kritisches Arbeitsgebiet bezeichnet Kuri die allgegenwärtigen Produkttests – dies insbesondere, weil die Hersteller einerseits (potenzielle) Anzeigenkunden sind und zum anderen Testexemplare liefern, ohne die diese Form der Berichterstattung angesichts der hohen Anschaffungskosten ökonomisch nicht realisierbar wäre. Interessant ist, dass die Hersteller von der c't vorab Produkttests zur „Herstellerkorrektur“ erhalten – aber nur, um ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen. Es werde weder der fertige Artikel verschickt, noch werden Möglichkeiten eingeräumt, auf die Berichterstattung selbst Einfluss zu nehmen. Vielmehr sei es das Ziel dieser Rückkoppelung, faktische Fehler auszuschließen und sich im Zweifelsfall Spezifikationen der Produkte näher erklären zu lassen.¹¹³ Entscheidendes Kriterium dieser Tests sei, dass sie dem Leser weiterhelfen sollen, nicht dem Hersteller.¹¹⁴ Aber auch die Hersteller lernen aus diesen Tests: Sie lernen z.B., worauf die Journalisten (aber auch die potenziellen Käufer) Wert legen. Hier deutet sich bereits an, dass die publizistischen Effekte der IT-Presse sich nicht auf das allgemeine Publikum beschränken. Vielmehr erfassen sie auch die IT-Hersteller, wenn auch die Stoßrichtung der möglichen Wirkung eine andere ist: Während beim allgemeinen Publikum die Konsumentscheidungen im Vordergrund stehen, sind bei den Herstellern vermutlich die Produkt- und Marketingentscheidungen der Unternehmen besonders relevant. Zu den Beziehungen zwischen der Offline- und Online-Publikation führt Kuri aus, dass das Magazin selbst nur einen spartanischen Online-Auftritt pflege, jedoch die Dachplattform „heise online“, eine der umfangreichsten Informationsquellen zur IT-Welt im Internet, mit einem Newsticker und anderen Inhalten beschicke.¹¹⁵ Solche Dachlösungen sind nicht selten im IT-Journalismus, was ein weiterer Grund dafür ist, dass ein empirischer Zugriff schwer fällt, insbesondere wenn es darum geht, die IT-Quellen nach ihrer an off- und online gemessenen Reichweite zu sortieren und daran ihre Bedeutung zu bemessen. Vor allem im Internet sei der Werbedruck für die IT-Fachpresse groß, die finanziellen Verführungen durch die IT-Branche seien allgegenwärtig, wie die vielen Banner, Filmeinblendungen und Unterbrecherwerbungen zeigen. Zugleich sei der Verdacht der unstatthaften Nähe zu Unternehmen unter den Lesern infolge solcher teils aufdringlicher Werbekooperationen weit verbreitet.¹¹⁶
113 Vgl. Kuri 2009: 179–180. 114 Vgl. Kuri 2009: 180. 115 Vgl. Kuri 2009: 181. 116 Vgl. Kuri 2009: 182.
Relevante Bezüge zur empirischen Journalismusforschung
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Als weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Internet benennt Kuri den wachsenden Konkurrenzdruck durch Laienquellen, die User-Generated Content (UGC) veröffentlichen: „Online hat man […] als Fachmagazin damit zu kämpfen, dass es für Details des eigenen Fachgebietes oft sehr spezialisierte Webseiten von Fachleuten oder privaten Enthusiasten gibt. Sie kennen sich mit einem eng eingegrenzten Teilgebiet oftmals weit besser aus als man selbst als Fachjournalist. Diese Sites haben zudem manches Mal auch kein Problem mit großer Nähe zu der Firma, über deren Produkt […] sie berichten. Das erhöht den Druck auf den Online-Auftritt eines Fachmagazins, gleichzeitig stellt es ständig die Kompetenz des Fachjournalisten in Frage.“¹¹⁷ Kuri bezeichnet UGC dann als hilfreiche Quelle für IT-Fachjournalismus, wenn solche Texte als Korrektiv und Themenfindungspools für die eigene Arbeit berücksichtigt würden. Auch sollten Kommentare zu eigenen Artikeln gelesen werden, da viele Leser sich mit ihren jeweils bevorzugten Teilgebieten sehr gut auskennen würden. Allerdings sei es unabdingbar, zu solchen Quellen professionelle Distanz zu wahren, man dürfe nicht zu sehr auf Kritik eingehen und sollte nichts ungeprüft übernehmen.¹¹⁸ Im Großen und Ganzen gebe es jedoch keinen substanziellen Unterschied zwischen Online- und Print-Journalismus im IT-Sektor und speziell bei c't: Die Redakteure des Magazins arbeiteten für das gedruckte Heft wie für den Online-Auftritt.¹¹⁹ Die vorgestellten Einblicke in die Arbeit der Fachzeitschrift c't helfen im Folgenden bei der Entwicklung von forschungsleitenden Fragen – das gleiche gilt auch für die bisherigen Ausführungen zum Technikjournalismus wie zum Fachjournalismus allgemein. Bevor jedoch diese Forschungsfragen vorgestellt werden, ist in einem letzten Schritt der Erläuterung der Hintergründe dieser Studie ein (freilich kursorischer) Blick auf die empirische Journalismusforschung erforderlich.
2.3 Relevante Bezüge zur empirischen Journalismusforschung Empirische Studien im Feld der Journalismusforschung gehen zumeist von Modellen aus, die versuchen, die journalistische Arbeit und ihr professionelles, organisatorisches und gesellschaftliches Umfeld übersichtlich abzubilden und auf diese Weise Forschung zu strukturieren. Eines dieser Modelle, das sich auch in der internationalen Journalismusforschung etabliert hat, ist das sogenannte
117 Kuri 2009: 182. 118 Vgl. Kuri 2009: 184. 119 Vgl. Kuri 2009: 183.
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Hintergrund
„Hierarchy of Influences“-Modell (HIM):¹²⁰ Das Modell bietet einen theoretischen Rahmen für Analysen, indem es Analyseebenen herausarbeitet, mit deren Hilfe Einflüsse auf und Beziehungen um den Journalismus herum charakterisiert werden können. Ähnliche Modelle, die Einflüsse und Beziehungen in Form von Sphären oder Zwiebelschalen beschreiben, haben sich auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt¹²¹ – sie alle sind in ähnlicher Weise dazu geeignet, Forschungsprojekte zu inspirieren und zu strukturieren. Das HIM gliedert Einflüsse und Beziehungen im Journalismus u.a. in eine individuelle Ebene, eine Ebene der Arbeitsroutinen, eine Organisationsebene und eine Extra-Media-Ebene.¹²² „Empirically, this hierarchical model suggests that the investigatorʼs task is to determine under which conditions certain factors are most determinative and how they interact with each other.“¹²³ Im HIM umfasst die Individualebene die persönlichen Einstellungen, die Ausbildung und Sozialisation der Journalisten, ihren sozio-demographischen Hintergrund als mögliche Einflussgrößen auf Journalisten bzw. ihre Arbeit. Auch subjektiv implementierte Vorstellungen von journalistischer Ethik, der die eigene Arbeit zu folgen habe, sowie das eigene Aufgabenverständnis, die persönlichen
120 Vgl. u.a. Shoemaker & Reese 1996; Reese 2001. 121 Vgl. für Deutschland u.a. Donsbach 1987; Donsbach & Gattwinkel 1998; Esser 1998; Scholl & Weischenberg 1998. 122 Vgl. Reese 2001: 178. Auf der abstraktesten der postulierten Einflussebenen, der Ideologieebene, steht die Frage im Mittelpunkt, „(…) how media symbolic content is connected with larger social interests, how meaning is constructed in the service of power.“ (Reese 2001: 183) Diese Ebene wird aufgrund mangelnder Bezüge zum Untersuchungsgegenstand und dem mit ihr einhergehenden hohen Abstraktionsgrad in der Analyse der vorliegenden Studie nicht näher betrachtet. 123 Reese 2001: 179. Ein vergleichbares Modell von Frank Esser unterscheidet zwischen Subjekt-, Institutions-, Medienstruktur- und Gesellschaftssphäre (vgl. Esser 1998). Bei Esser spielt die Interdependenz der verschiedenen Sphären eine bedeutende Rolle, weswegen sein Modell an dieser Stelle referiert wird: „Die verschiedenen Ebenen stehen in einem engen Interaktionsverhältnis, sie beeinflussen sich gegenseitig, kein Einzelfaktor wirkt isoliert, sondern entwickelt seinen Einfluss erst im Verbund mit anderen Kräften.“ (Esser 1998: 26) Diese Interdependenz ist auch für die im IT-Journalisten wirkenden Einflussfaktoren anzunehmen. Wenngleich sich Essers Modell sicher ebenfalls als Muster für die vorliegende Untersuchung geeignet hätte, wurde das HIM in den Mittelpunkt gerückt. Dies vor allem aufgrund einer Überlegung: Das Sphärenmodell Essers scheint sich besser für Analysen des General-Interest-Journalismus zu eignen, sind hier doch wesentliche Faktoren, die Esser berücksichtigt – wie z.B. presserechtliche und -historische Traditionen, gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen, Mechanismen der Presseselbstkontrolle und berufsständische Organisationsformen, journalistische Traditionen und Objektivitätsbegriffe –, weit relevanter, als man dies für einen thematisch so engen und konzeptionell so unterschiedlichen Journalismustypus wie den IT-Fachjournalismus erwarten kann.
Relevante Bezüge zur empirischen Journalismusforschung
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Berufsmotive und das Rollenselbstbild sind zur Individualebene zu zählen. Viele Studien der empirischen Journalismusforschung sind auf dieser Individual- bzw. Subjektebene zu lokalisieren – beispielsweise solche Studien, die subjektive Sichtweisen und politisch-gesellschaftliche Einstellungen und deren Wirkungen auf die Arbeit von Journalisten zum Gegenstand haben. Studien dieser Art sind nicht nur in Deutschland sondern auch international sehr häufig, es handelt sich um einen klassischen und schon vergleichsweise alten Ansatz. Zumeist handelte es sich um sogenannte Bias-Studien, die Journalisten politische Einseitigkeiten bzw. der Berichterstattung bestimmte Verzerrungen vorwerfen. Dabei ging es nicht nur um die Frage, inwiefern individuelle politisch-gesellschaftliche Ansichten sich unmittelbar in der Berichterstattung selbst niederschlagen, sondern auch, in welcher Form sich diese Ansichten auf den Umgang mit Quellen und die Auswahl von Meldungen auswirken.¹²⁴ Die Individualebene bietet generell attraktive Erklärungsansätze für journalistische Arbeit¹²⁵ – und wird in der vorliegenden Studie ausführlich betrachtet. Die Routineebene des HIM umfasst solche Einflüsse auf den Journalismus, die sich aus der Arbeitspraxis selbst ergeben. Routinen sind „[…] patterned practices that work to organize how we perceive and function within the social world. […] rules, norms, procedures that are embedded in media work.“¹²⁶ Schon früh kam die Journalismusforschung zur Erkenntnis, dass Journalisten nicht frei darüber entscheiden können, worüber und in welcher Form sie berichten möchten – und das die subjektiven Einflüsse der Individualebene gewissen arbeitspraktischen Grenzsetzungen unterworfen sind: „We recognize that individuals do not have complete freedom to act on their beliefs and attitudes, but must operate within a multitude of limits imposed by technology, time, space, and norms.“¹²⁷ Auch die Routineebene umfasst ein Forschungsgebiet, das schon früh klassische Studien hervorgebracht hat¹²⁸ – z.B. solche Studien, die sich ethnographischen Methoden bedienen, indem sie die Arbeitsroutinen von Journalisten über längere Zeit im „natürlichen“ Umfeld beobachten.¹²⁹ Es zeigte sich, dass die Arbeit von Journalisten sehr stark von Routinen, räumlich-organisatorischen und zeitlichen Rahmenbedingungen strukturiert ist und dass sich solche Zwänge und Routinen der „Nachrichtenbürokratie“ (z.B. Zeitpunkt des Redaktionsschlusses, allgemeiner
124 Vgl. u.a. White 1950; Flegel & Chaffee 1971; Kepplinger 1989; Patterson & Donsbach 1997. 125 Vgl. z.B. Weaver & Wilhoit 1986. 126 Reese 2001: 180. 127 Reese 2001: 180. 128 Vgl. Gieber 1956; Grey 1966. 129 Vgl. z.B. Breed 1955.
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Hintergrund
Zeitdruck, technische Ausstattung oder die Verfügbarkeit von Quellen) auf die Gestalt der Berichterstattung auswirken.¹³⁰ Journalisten müssen im Arbeitsalltag bewusst oder unbewusst Kräften gehorchen, die außerhalb ihrer eigenen Kontrolle liegen. Auch diese Ebene bietet attraktive Forschungsansätze, die in der vorliegenden Studie aufgegriffen werden. Die nächst höhere Ebene der HIM-Einflusshierarchie bildet die das Individuum und seine Arbeit umgebende Organisation: „At the organizational level we may consider the goals and policies of a larger social structure and how power is exercised within it.“¹³¹ Hier gilt die Aufmerksamkeit der Forscher der Frage, wie eine Organisation – z.B. eine Redaktion, ein Medium, ein Verlag oder Sender – strukturiert ist, welche Formen von Autorität und Hierarchien es gibt, welche Ziele die Organisation im Wesentlichen verfolgt, welche Politik dahinter verborgen ist. So kann eine für ein Medium festgelegte „editorial policy“ vorgeben, was Nachrichtenwert hat, was Priorität erhält, wie die Nachrichten geframed werden und letztlich zu gestalten sind.¹³² Auch politische Einstellungen von Herausgebern und Vorgesetzten sowie Zielvorgaben des Arbeitgebers im Sinne einer redaktionellen Linie, welcher Journalisten zu folgen haben und in deren Zusammenhang sie über die Zeit sozialisiert werden, gehören zu diesen Faktoren.¹³³ Solche Vorgaben beschränken die individuelle Souveränität von Journalisten und nehmen Einfluss auf ihre Arbeit. Medieninhalte sind stets Produkt einer Organisation, sie entstehen im Kontext immer komplexer werdender Strukturen: „As news companies become part of large, global conglomerates, it is often difficult to anticipate the many conflicts of interest that may arise, and journalists find it difficult to avoid reporting that has a relationship to one or more aspects of their parent companyʼs interests.“¹³⁴ Entsprechend lässt sich die Organisationsebene selbst in mehrere Ebenen unterteilen – so z.B. die Struktur der Nachrichtenorganisation oder die des Medienkonzerns. Hier sind viele (wechselseitige) Einflüsse denkbar, die zu berücksichtigen sind, wenn die Frage im Raum steht, wie Berichterstattung entsteht. Erschwert wird die Analyse durch die Tatsache, dass die in der Organisation manifestierte Macht, Einfluss auf die konkrete journalistische Arbeit zu nehmen, nicht täglich und auch nicht immer offen ausgeübt wird und daher schwer zu beobachten ist. „Indeed a journalist anticipates organizatorial boundaries, the power of which is manifested in self-censorship by its
130 Vgl. z.B. Breed 1955; Gieber 1956; Grey 1966; Tuchman 1978; Fishman 1980. 131 Reese 2001: 181. 132 Vgl. Boetzkes 2007; Reese 2001: 181; Schlesinger 1978. 133 Vgl. z.B. Bowers 1967; Donohew 1967; Flegel & Chaffee 1971; Donsbach 2002: 110. 134 Reese 2001: 181.
Relevante Bezüge zur empirischen Journalismusforschung
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members.“¹³⁵ Soweit dies im Rahmen einer Journalistenbefragung möglich ist, werden auch die aus der Organisation resultierenden Einflüsse auf IT-Journalisten in der folgenden Untersuchung betrachtet. Einflüsse, die nicht unmittelbar aus der Medienorganisation resultieren, finden sich im HIM auf der sogenannten Extra-Media-Ebene: Nicht nur die Medien selbst nehmen Einfluss auf den Inhalt und die Form der Berichterstattung, sondern eine Vielfalt gesellschaftlicher Institutionen wie z.B. politische Akteure, Interessengruppen, Unternehmen, PR-Agenturen. So gilt für den Allround- wie für den Fachjournalismus, dass die Berichterstattung in vielen Fällen von der PR bestimmter Akteure beeinflusst sein kann. Auch wenn man heute nicht von einer einseitigen Determination ausgeht, ist doch unstrittig, dass eine gewisse Interdependenz zwischen PR-Quellen und Journalismus existiert.¹³⁶ Auch der Wettbewerbsdruck des Marktes wirkt von außen auf die Arbeit von Journalisten ein. „At this level, then, we assume that the media operate in structured relationships with other institutions that function to shape media content.“¹³⁷ So ist in der Forschung mittlerweile gut dokumentiert, dass die Nachrichtenquellen selbst sowie die PR-Anstrengungen Dritter großen Einfluss auf die Medienagenda und Nachrichtengestaltung haben. Insbesondere führt die Abhängigkeit vom Publikumsgeschmack einerseits und von Anzeigenkunden andererseits zu vielfachen Rücksichtnahmen im journalistischen Alltag.¹³⁸ Daneben sind Rücksichtnahmen auf politische Interessen und bestimmte gesellschaftlich relevante Akteure dokumentiert. Journalisten und ihre Institutionen sind Teile von größeren gesellschaftlichen Elite-Netzwerken, sie haben Verbindungen zu Politik und Wirtschaft. Was z.B. für Lokaljournalisten nachgewiesen wurde, eine gewisse Assimilation zwischen den lokalen Eliten und Journalisten, findet vermutlich mit anderen Bezugsobjekten auch im überregionalen Allround- oder im Fachjournalismus statt¹³⁹ – man denke an politische Hauptstadteliten, Unternehmen und Verbände aus dem eigenen Berichterstattungsgebiet. Hier finden eine Reihe wechselseitiger Einflussnahmen statt, die es gänzlich unwahrscheinlich machen, dass journalistische Nachrichtenproduktion ausschließliche Domäne der Medienorganisationen selbst ist – andere Akteure „schreiben“ indirekt an den Nachrichten mit. Die möglichen Einflussbeziehungen zwischen Medien und
135 Reese 2001: 182. 136 Vgl. Baerns 1985; Bentele 1997. 137 Reese 2001: 182. 138 Vgl. Donsbach 2002: 111. 139 Vgl. Donsbach 2002: 117; Mancini 1993.
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Hintergrund
anderen Akteuren werden in der vorliegenden Studie (zumindest aus Sicht der Journalisten) ausführlich betrachtet. Zu einem der zentralen Gegenstände der Journalismusforschung gehört die Frage, welche Rollen- und Aufgabenverständnisse Journalisten vertreten und wie diese im Zusammenspiel von Individual-, Routine-, Organisations- und ExtraMedia-Ebene entstehen und sich verändern: Journalisten agieren in einem Spannungsfeld zwischen eigenen bzw. gesellschaftlichen (normativen) Erwartungen an sich selbst und ihre Berufsausübung und mehr oder weniger restriktiven Kontextfaktoren (z.B. auf der Routine- und Organisationsebene). Im Zusammenspiel prägen diese individuellen An- und Absichten und externen Regeln und Strukturen das Rollenverständnis.¹⁴⁰ Studien zeigen, dass z.B. unterschiedliche redaktionelle Strukturen, wie sie im internationalen Vergleich erkennbar werden, verschiedene Arbeitsweisen und in diesem Zusammenhang auch verschiedene Rollenverständnisse (mit-)bedingen können: So sind Redaktionen im angloamerikanischen Raum beispielweise arbeitsteilig und zentriert in Form eines Newsrooms gestaltet, in Deutschland dagegen herrscht noch vielerorts das Ressortprinzip mit seiner ganzheitlichen und dezentralisiert Struktur vor. Aus diesen Strukturvorgaben ergeben sich andere Rollen und Aufgaben für einzelne Journalisten und damit auch unterschiedliche Verständnisse vom Wesen und Zweck der eigenen Arbeit.¹⁴¹ Auf der Individualebene können soziale und demographische Zugehörigkeiten, Sozialisationserfahrungen und historische Prägungen¹⁴² Einfluss auf das Rollenverständnis von Journalisten haben: So verstanden sich Journalisten in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren mehrheitlich noch als Sprachrohre der Bevölkerung und Akteure einer „Meinungspresse“, die aktiv im politischen Kampf agierte. Diese Haltung wurde in den 1970er Jahren von einem kritisch-advokatischen Rollenverständnis abgelöst: Journalisten verstanden sich nunmehr häufiger als Kritiker an Missständen. Über Jahrzehnte kennzeichnete den deutschen Journalismus, insbesondere im Vergleich mit anderen Journalismussystemen, eine ausgeprägt politisch-partizipative und advokatische Haltung – die Vermittlerrolle spielte im Vergleich zu einem „missionarischen“ Aufgabenverständnis eine untergeordnete Rolle.¹⁴³ Ab den 1990er Jahren gewann, u.a. infolge einer zunehmenden Kommerzialisierung, der Informationsjournalis-
140 Vgl. Esser & Weßler 2002. 141 Vgl. Esser & Weßler 2002. 142 Vgl. Ehmig 2000; diese historischen Umstände sind ihrerseits nicht rein individuell, sondern Teil einer kollektiven Erfahrungswelt, die Generationen prägen kann. 143 Vgl. Köcher 1986; Weaver & Wilhoit 1986; Donsbach 2002: 116.
Forschungsleitende Fragestellungen dieser Studie
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mus an Bedeutung und die Service-Orientierung nahm im Allround-Journalismus zu.¹⁴⁴ Gleichermaßen wandelte sich der deutsche Journalismus auch dahin gehend, dass die eigene politische Weltanschauung immer weniger Richtschnur des journalistischen Handelns wurde. Ganz im internationalen Trend zeigte sich ein zunehmender Entpolitisierungsprozess – zumindest was die Maßgeblichkeit der eigenen politischen Lagerzugehörigkeit anbetrifft.¹⁴⁵ Aus den beschriebenen Entwicklungen lässt sich die Erwartung ableiten, dass Infotainment im AllroundJournalismus an Bedeutung gewinnt – die unterhaltende Vermittlung von Informationen, wie sie in vielen fachjournalistischen Sparten bereits flächendeckend zum Gestus gehört.¹⁴⁶
2.4 Forschungsleitende Fragestellungen dieser Studie Die Betrachtungen der ersten Kapitel dieses Buches dienten drei Zwecken: Erstens sollte der Kontext herausgearbeitet werden, innerhalb dessen IT-Journalismus analysiert werden muss – insbesondere der Status Quo und die Entwicklungen auf dem IT-Markt, in der IT-Kultur und in der Informationstechnologie selbst, über welche die IT-Journalisten berichten, aber auch der Status Quo und die Entwicklungen der Fach-, Technik- und IT-Presse, denn diesen Journalismussegmenten gehören die IT-Journalisten an. Die Betrachtung beider Horizonte – IT und IT-Presse – ist für eine Analyse der IT-Journalismus unabdingbar, lassen sich doch wesentliche Fragestellungen unmittelbar aus deren Bedingungen ableiten. Hier finden sich z.B. wesentliche Einflussfaktoren, die der Organisations- und Extra-Media-Ebene zuzurechnen sind. Abbildung 2.15 zeigt die herausgearbeitete Schlüsselstellung des IT-Journalismus zwischen IT-Unternehmen und IT-Konsumenten – deren Erwartungen auf den IT-Journalismus einwirken – sowie die verschiedenen weiteren Einflussfaktoren auf den IT-Journalismus: Seine Identität als spezifische Ausprägung des Fachjournalismus, seine Einbettung in die IT-Kultur und die spezifischen Merkmale von IT-Produkten. Zugleich wurde im Rahmen der vorangegangenen Betrachtungen zweitens auch die Relevanz des skizzierten Forschungsvorhabens begründet – auf diese Weise ließen sich einige Forschungsdefizite herausarbeiten, die im Folgenden ansatzweise behoben werden sollen. Das dritte Anliegen war, bisherige Forschungstendenzen sowie bislang unerforschte
144 Vgl. z.B. Weischenberg et al. 1994; Weischenberg et al. 2006: 97–119; Meyen & Riesmeyer 2009: 7–24. 145 Vgl. Esser & Weßler 2002. 146 Vgl. Meyen / Riesmeyer 2009: 207–250.
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Hintergrund
Bereiche zu identifizieren, aus denen sich konkrete forschungsleitende Fragen und Annahmen herleiten lassen. Die gesammelten Evidenzen zeigen, wie groß die bislang unerforschten Bereiche sind und wie dringend nötig es ist, den ITJournalismus unter die Lupe der empirischen Sozialforschung zu nehmen.
Merkmale des Fachjournalismus
ITKonsumenten
IT-Kultur
IT-Journalismus
Merkmale von ITProdukten
ITHersteller
Abb. 2.15: Einflussstrukturen im IT-Journalismus.
Die konkreten Forschungsfragen lassen sich unter insgesamt fünf Leitfragen subsummieren: (I) Wer sind die Journalisten im IT-Sektor, wie sehen sie ihre Arbeitssituation und wie konzipieren sie ihre Rolle als Fachjournalist? (II) Welche Themen behandeln IT-Journalisten und wie beurteilen Sie die eigene Redaktion sowie die sie umgebende Medienlandschaft? (III) Welche Quellen nutzen sie zur Informationsbeschaffung? (IV) Wie nehmen Sie ihre Beziehungen zum Publikum und zur IT-Industrie (ihrer Hauptquelle und den Protagonisten ihrer Berichterstattung) wahr? In welchen Bereichen attestieren sie sich selbst Einfluss auf andere, wo fühlen sie sich abhängig von anderen? (V) Welche Trends beobachten die IT-Fachjournalisten in der IT-Medienlandschaft, in der IT-Branche und wie beurteilen sie zukünftige technologische Entwicklungen sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaft? Diese sehr globalen Forschungsfragen können in größere Fragekomplexe ausdifferenziert werden:
Forschungsleitende Fragestellungen dieser Studie
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Fragenkomplex I – Journalisten im IT-Sektor 1. Wie sieht der biographische Hintergrund der IT-Fachjournalisten aus? 2. Wie sieht die Arbeitssituation von IT-Fachjournalisten aus? 3. Wie definieren IT-Fachjournalisten ihre gesellschaftliche Aufgabe? Im Mittelpunkt dieses ersten Komplexes, der sich im Kontext des Hierarchy of Influences-Modell auf der Individualebene verorten lässt, stehen die Soziodemographie der Journalisten, ihr aktueller Berufsstatus und ihre Berufszufriedenheit. Darüber hinaus wird ihr Berufsverständnis untersucht. Daneben spielt das sogenannte Rollenselbstbild eine entscheidende Rolle für die weiteren Analysen: Wenn IT-Journalisten sich in einer bestimmten Rolle sehen – in welcher Beziehung steht diese Rolle z.B. zu ihrem Themenspektrum, ihren Rechercheroutinen, ihrem Verhältnis zu Industrie und Publikum? Interessant ist in diesem Kontext auch die Frage, inwiefern die IT-Journalisten dem gesellschaftlichen Stereotyp des IT-Nerds entsprechen. Fragenkomplex II – Die Themen und das Medienumfeld 1. Über welche Themen berichten IT-Fachjournalisten? 2. Wie sehen IT-Fachjournalisten die IT-Medienlandschaft? Der zweite Fragenkomplex liegt an den Schnittstellen von Individual-, Routineund Organisationsebene, es wird von den allgemeinen Merkmalen und Auffassungen der IT-Journalisten auf ihre tägliche Arbeit übergeleitet. Ihr Alltag ist von den Themen bestimmt, mit denen sie sich auseinandersetzen. Das tun sie in einem redaktionellen Umfeld, welches wiederum Teil der IT-Medienlandschaft ist. In diesem Kontext wird erkundet, wie die IT-Journalisten die Arbeit ihrer Redaktionskollegen sowie die Arbeit der Konkurrenten bei anderen IT-Medien im Vergleich einschätzen. Hieraus ergeben sich Anhaltspunkte dafür, welche Probleme die Journalisten in ihrem eigenen Medium sowie im IT-Journalismus insgesamt beobachten. Fragekomplex III – Quellen und Informationsbeschaffung 1. Woher beziehen IT-Fachjournalisten ihre Fachinformationen? 2. Welche Abhängigkeiten ergeben sich aus der Informationsbeschaffungspraxis? Der dritte Fragenkomplex umfasst ebenfalls Fragestellungen, die auf der Routineebene liegen, teilweise werden jedoch auch Aspekte angeschnitten, die man auf der Extra-Media-Ebene vermuten kann. Im Mittelpunkt steht der Recherchealltag der IT-Journalisten. Hier zeigen sich schnell die Abhängigkeitsverhältnisse
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Hintergrund
zwischen IT-Journalisten als Informationsverbreiter und der IT-Branche als Informationslieferant: Die IT-Branche ist darauf angewiesen, ihre Produkte über die Fachpresse bekannt zu machen, die IT-Journalisten haben kaum eine andere Möglichkeit, an einschlägiges Material mit Neuigkeitscharakter zu gelangen, als auf die Anbieter selbst zurückzugreifen. Diese Betrachtung leitet über zu den generellen Beziehungen und Einflussverhältnissen zwischen IT-Journalisten und IT-Branche sowie zwischen IT-Journalisten und ihrem Publikum. Fragenkomplex IV – Beziehungen und Machtverhältnisse 1. Von wem erhalten IT-Fachjournalisten Rückmeldungen über die Qualität ihrer Arbeit? 2. Auf wen nehmen sie bei ihren journalistischen Entscheidungen Rücksicht? 3. Wie beeinflusst IT-Fachjournalismus die Leser? 4. Wie beeinflusst IT-Fachjournalismus die Entwickler und wie wirkt dieser Einfluss auf den Fachjournalismus zurück? Der vierte Fragenkomplex berührt die Schnittstellen von Organisations- und Extra-Media-Ebene: Es wird zunächst untersucht, von wem IT-Journalisten Feedback zu ihrer Arbeit erhalten und auf wen sie Rücksicht nehmen. Hier zeigen sich die Erwartungshaltungen, denen IT-Journalisten ausgesetzt sind und die Abhängigkeitsverhältnisse, in denen sie stehen. Umgekehrt haben IT-Journalisten auch eine gewisse Machtposition, sowohl gegenüber dem Publikum als auch gegenüber den Herstellern – etwa weil sie mit ihren Urteilen die Konsumentscheidungen ihres Publikums beeinflussen können. Es wird von IT-Journalisten erwartet, dass Produkte nicht nur thematisiert, sondern auch bewertet werden – und diese Erwartung räumt ihnen ein gewisses Wirkungspotenzial ein. IT-Unternehmen wiederum wollen positive Medienaufmerksamkeit für ihre Produkte generieren. So kann die Berichterstattung von IT-Journalisten Auswirkungen auf das Publikum und auf die Hersteller haben. Die Expertise der IT-Journalisten, ihre korrespondierende (Urteils-)Kompetenz und ihre daraus möglicherweise folgende Einflussmacht auf Publikum und Unternehmen lässt es überdies interessant erscheinen, sie zu aktuellen Entwicklungen und zukünftigen Trends im sich rasch und fortwährend wandelnden IT-Sektor zu befragen: Fragenkomplex V – Trends und Perspektiven 1. Wie beurteilen IT-Fachjournalisten die Zukunft von Technologien und die weitere Entwicklung der IT-Branche? 2. Wie beurteilen IT-Fachjournalisten die Zukunft der IT-Presse? 3. Wie beurteilen IT-Fachjournalisten die zukünftigen gesellschaftlichen Auswirkungen von Informationstechnologien?
Forschungsleitende Fragestellungen dieser Studie
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Der letzte Fragenkomplex gliedert die verschiedenen Gebiete, innerhalb derer das Urteil der IT-Journalisten über aktuelle Trends besonderes Gewicht hat: Die Entwicklung der IT-Medien, der IT-Branche, der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie deren gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen.
3 Methode 3.1 Erhebungsmodus Ziel der vorliegenden Untersuchung ist eine Bestandsaufnahme des IT-Journalismus im deutschsprachigen Raum: Die IT-Journalisten sollten Auskunft darüber geben, wie sie über ihre Arbeit denken, welche Sozialisation sie durchlaufen haben, welches berufliche Selbstverständnis sie pflegen und wie sie über die Akteure auf dem IT-Markt sowie über die deutschsprachige IT-Fachpresse denken. Da die interessierende Population regelmäßig das Internet nutzt und sich durch ihre berufliche Beschäftigung bestens mit Online-Welten auskennt, lag die Entscheidung nahe, sie mittels einer Online-Befragung zu interviewen.¹ Es wurde davon ausgegangen, dass IT-Journalisten online grundsätzlich gut erreichbar sind. Internetgestützte Befragungen haben eine Reihe von Vorteilen, die in der Literatur umfassend dargelegt und diskutiert sind:² Sie sind in erster Linie zeitsparend und mit relativ geringen Kosten verbunden. Sie eröffnen dem Forscher darüber hinaus die Möglichkeit, die Zielpopulationen leichter zu kontaktieren, z.B. zur Realisation von Mehrfachkontakten, was in der Regel zu einer Verbesserung der Ausschöpfungsquote führt.³ Die Vorteile kumulieren bei online-affinen Populationen, also solchen Personengruppen, die das Internet oft nutzen (müssen), die in seiner Nutzung erfahren sind und/oder deren Beruf das Internet zum Gegenstand hat: Dies trifft für die hier interessierende Population in besonderer Weise zu, aber auch für Journalisten im Allgemeinen oder in der PRBranche tätige Personen. Es konnte entsprechend davon ausgegangen werden, dass es – verglichen mit anderen Populationen – relativ leicht fällt, die E-MailAdressen der Journalisten in Erfahrung zu bringen und sie zu kontaktieren. Trotz der vielen Vorteile wird die Online-Befragung in der Fachliteratur zu Recht durchaus kritisch beurteilt.⁴ Vor allem die mangelnde Repräsentativität bei bevölkerungsbezogenen Befragungen stand und steht im Mittelpunkt der Kritik: Da noch immer nicht jeder Bürger einen Internetzugang bzw. die Fähigkeit besitzt, ihn zu nutzen, sind via Online-Befragungen nicht alle Personen zu erreichen, die theoretisch erreicht werden müssten, damit die Spielregeln der Stichprobenstatistik und ihre Folgerungen für die Repräsentativität angewendet werden können. In der vorliegenden Untersuchung tritt dieses Problem jedoch in
1 Vgl. auch Hachigian & Hallahan 2003. 2 Vgl. Jackob et al. 2009, 2010. 3 Vgl. Dillmann 2000: 149; vgl. Cook et al. 2000: 826–832. 4 Vgl. z.B. Maurer & Jandura 2009; Jackob et al. 2009, 2010.
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Methode
den Hintergrund, da es sich bei den IT-Journalisten um eine sehr spezielle Teilpopulation handelt, die beides, Zugang und Fähigkeit zur Nutzung des Internet, besitzt. Zweitens war keine bevölkerungsrepräsentative Befragung intendiert.
3.2 Identifikation der IT-Journalisten Grundgesamtheit der vorliegenden Studie sind alle hauptberuflichen bzw. in Vollzeit tätigen Journalisten in der deutschsprachigen IT-Fachpresse. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass die einschlägig ausgewiesenen Experten und Führungspersönlichkeiten dieses Pressesegments befragt werden konnten – d.h. jene Journalisten, für die die Beobachtung, Analyse und Bewertung wesentlicher Themen, Ereignisse und Prozesse auf dem IT-Markt das täglich Brot darstellt. Zur Identifikation der in Frage kommenden IT-Fachtitel wurde auf mehreren Ebenen recherchiert: In einem ersten Schritt wurden einschlägige Sortimente des Fachhandels analysiert und Namen möglicher Publikationen gesammelt. Zugleich wurde in diesem Schritt festgestellt, welche der Publikationen bereits die nötigen Kontaktinformationen öffentlich verfügbar machen. Im zweiten Schritt wurde im Internet nach IT-Fachmagazinen gesucht – sowohl nach solchen Titeln, deren Inhalte vorrangig in Druckform erscheinen, als auch nach Titeln, die im Druck und online bzw. ausschließlich online erscheinen. Im dritten Schritt wurden wichtige Blogs (u.a. golem.de, gulli.com, techbanger.de, netzpolitik.org) der ITCommunity mit Blick auf die Nennung von IT-Fachtiteln durchkämmt bzw. es wurde analysiert, welche Fachzeitschriften wie häufig zitiert wurden. Im vierten Schritt wurde analysiert, welche IT-Fachzeitschriften in verschiedenen Presseverzeichnissen (IVW, Pressekatalog.de, Mediadaten-online.com) aufgelistet werden. Die in diesem vierstufigen Verfahren ermittelten IT-Fachtitel wurden miteinander verglichen und – soweit die Daten verfügbar waren – nach Auflagenzahl bzw. Visits auf der Website sortiert. So wurde sichergestellt, dass möglichst viele Titel eingeschlossen wurden. Zugleich entstand eine umfassende Datenbank, auf deren Basis die Adressrecherche unternommen werden konnte. Insgesamt wurden 97 Fachpublikationen mit Offline-, Online- bzw. Off- und Online-Titeln identifiziert. Diese Zahl deckt sich ziemlich genau mit den Recherchen von Beatrice Dernbach, die in ihrem 2010 erschienenen Überblickswerk auf insgesamt 98 Titel der Fachpresse kommt, wovon die meisten zur Gruppe der Special-Interest-Titel zu zählen sind.⁵ Von den 97 von uns identifizierten Titeln gelang es, 91 zu kontaktieren. Die restlichen sechs Publikationen waren bei meh-
5 Vgl. Dernbach 2010: 234–235.
Identifikation der IT-Journalisten
57
reren Kontaktversuchen nicht erreichbar. Die 91 Publikationen entstammen 37 verschiedenen Verlagen, der Löwenanteil der in die Untersuchung aufgenommenen Publikationen wird von sieben Verlagen gestellt: von der Computec Media AG (11 Publikationen berücksichtigt), Data Becker GmbH & Co KG (8 Publikationen), dem Software & Support Verlag GmbH (8 Publikationen), der Neue Mediengesellschaft Ulm GmbH (6 Publikationen), der Linux New Media AG (6 Publikationen), der WEKA Media Publishing GmbH (5 Publikationen) und der IDG Communications Media AG (5 Publikationen). Dabei repräsentieren diese Verlage mit der größten Vielfalt nicht automatisch auch die Publikationen mit der größten Reichweite – handelt es sich doch bei der IT-Fachpresse um ein sehr ausdifferenziertes Pressesegment mit einer Vielzahl von Spezialistentiteln. Entsprechend stammen die 15 auflagenstärksten Publikationen aus acht Verlagen, darunter (neben einigen der bereits genannten) die Axel Springer AG, CHIP Communications und der Heise Zeitschriften Verlag. Diese drei Verlage haben nur wenige, aber dafür sehr auflagenstarke Titel im Programm. In die Befragung eingegangen sind die in Tabelle 3.1 ausgewiesenen 15 auflagenstärksten Titel sowie 76 weitere Publikationen, die entweder in kleineren Auflagen erhältlich waren, nur online erschienen oder über die keine Auflagenzahlen bzw. Website-Visits verfügbar waren. Die Adressrecherche erfolgte ebenfalls in mehreren Schritten: Bei einer Reihe von Publikationen ergab sowohl die Analyse der Drucksortimente als auch die Online-Recherche, dass die Email-Adressen unmittelbar im Heft bzw. online verfügbar waren – hier mussten die Kontaktdaten nur eingesammelt werden. Nach diesem ersten Schritt wurden alle Redaktionen der identifizierten IT-Fachtitel telefonisch kontaktiert – auch diejenigen, von denen bereits Email-Adressen vorlagen. Dieser zweite Schritt diente mehreren Zwecken: Erstens sollten die bereits gefundenen Adressdaten validiert werden. Zweitens sollte überall dort, wo keine Adressdaten verfügbar waren, von der Redaktion eine entsprechende Auflistung erbeten werden. Falls Redaktionen nicht bereit waren, Adressdaten zur Verfügung zu stellen, sollte ermöglicht werden, dass der Link zum Fragebogen über den redaktionsinternen Verteiler allen hauptberuflich beschäftigten Journalisten zur Verfügung gestellt wird. Der Anruf bei der Redaktion diente darüber hinaus auch der Schätzung des Umfangs der Grundgesamtheit: Wo die Journalisten vor dem Telefonkontakt bekannt waren, sollte die Auskunft über die relevante Beschäftigtenzahl der Validierung der Daten dienen. Waren keine Adressdaten verfügbar und keine direkten Einzelkontakte möglich, erfolgte der Kontakt in einigen Fällen nur über einen zentralen Verteiler. In diesen Fällen wurde telefonisch erfragt, wie viele hauptberufliche, festangestellte Journalisten zum Befragungszeitpunkt für die Publikation tätig waren.
58
Methode
Tabelle 3.1: Auflagenstärkste Titel der IT-Fachpresse – TOP-15 Titel
Verlag
IVW-Auflage* 03/2011
IVW-Visits Nov. 2011
Computer Bild CHIP PC-Welt
Axel Springer AG CHIP Communications IDG Entertainment Media AG
897.957 472.493 427.103
46.895.539 58.651.152 9.518.350
Computer Bild Spiele c't magazin für computertechnik com! Das ComputerMagazin PC-Go
Axel Springer AG Heise Zeitschriften Verlag
419.216 418.615
→Computerbild.de →heise.de**
Neue Mediengesellschaft Ulm GmbH WEKA Media Publishing GmbH Computec Media AG IDG Entertainment Media AG WEKA Media Publishing GmbH Data Becker GmbH & Co KG WEKA Media Publishing GmbH Computec Media AG CHIP Communications Computec Media AG
346.101
nicht gelistet
233.674
435.808
217.322 200.409 191.833
7.495.159 13.850.730 503.758
166.293 123.266
unbekannt 983.224
98.333 88.425 75.500
6.592.106 →chip.de 6.912.454
PC Games Game Star PC Magazin PC-Praxis connect PC Games Hardware CHIP Test & Kauf buffed Das Magazin für Rollenspieler
* Druckauflage laut IVW-Auflagenliste 03/2011. ** IVW-Visits für Heise.de: 25.837.468.
Da alle erreichten Redaktionen unabhängig vom späteren Kontaktmodus zu einer Auskunft über die Zahl der relevanten Beschäftigten bereit waren, konnte die Zahl der hier adressierten IT-Journalisten recht genau bestimmt werden – insgesamt ließen sich 382 Journalisten identifizieren, die zum Befragungszeitpunkt hauptberuflich bzw. Vollzeit für IT-Fachpublikationen arbeiteten. Die Gesamtzahl aller auf diese Weise identifizierbaren IT-Journalisten beträgt, rechnet man alle frei- und nebenberuflichen IT-Journalisten mit ein, nach unserer Schätzung rund 1080. Insgesamt mutet die Zahl von 382 hauptberuflichen Journalisten auf 91 ITFachtitel etwas gering an⁶ – es muss jedoch bedacht werden, dass nur die großen
6 Eine Möglichkeit zur Validierung dieser Schätzung ergibt sich aus der bereits vorgestellten Befragung von Technik-Journalisten (vgl. Anczikowski 2006; 2008): In der Studie werden 238 Journalisten befragt, die sich selbst als Technikjournalisten bezeichnen. Davon arbeiten 26 Prozent, also ca. 62 Personen, nach eigener Auskunft für die IT-Presse. Rechnet man nun diese 26 Prozent
Erstellung des Fragebogens
59
Titel viele festangestellte Journalisten beschäftigen, bei kleineren Titeln besteht die Redaktion aus nur wenigen Festangestellten (wenn überhaupt) und einer größeren Anzahl freier oder nebenberuflich tätiger Journalisten.⁷ Auch insgesamt weist dieses Segment der Fachpresse, wie eingangs dargelegt, eine große Zahl an freien Mitarbeitern auf. Viele dieser freien Journalisten und Autoren arbeiten nicht nur für eine Publikation. Auch sind nicht alle der Autoren im engeren Sinne Journalisten. Aus diesen und weiteren (methodologisch-theoretischen, begrifflichen, berufssoziologischen und forschungspraktischen) Gründen, wurden nur die hauptberuflichen IT-Fachjournalisten um Beantwortung des Fragebogens gebeten.
3.3 Erstellung des Fragebogens Neben den üblichen demographischen Parametern wurden bei der Fragebogenentwicklung fünf größere Themenkomplexe identifiziert, aus denen entsprechend fünf Fragenkomplexe abgeleitet wurden: Die Befragten wurden u.a. mit Fragen zu ihrem Ausbildungsweg, ihrem Arbeitgeber, ihrem Selbstverständnis und ihren Berufsmotiven, zu ihren Berichterstattungsschwerpunkten, ihren Quellen und Recherchemöglichkeiten, zu ihren Beziehungen zu Publikum und IT-Unternehmen, zu Machtverhältnissen zwischen IT-Wirtschaft und IT-Presse
auf die 7000 Mitglieder des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes hoch, käme man auf 1820 ITJournalisten. Diese Zahl erscheint angesichts der von uns ermittelten Gesamtzahl aller (haupt-, neben- und freiberuflichen) IT-Fachjournalisten etwas hoch gegriffen. Vielleicht ist der Anteil der IT-Journalisten an der Stichprobe der referierten Technikjournalisten-Studie wegen der Affinität der IT-Experten zur Online-Welt (und damit zu Online-Befragungen) etwas höher, als dem realen Anteil an der Gesamtheit aller Fachjournalisten entspräche. Es ist an dieser Stelle realistisch anzunehmen, dass die Gesamtzahl aller IT-Journalisten in Deutschland zwischen den von uns geschätzten ca. 1100 und 1500 Personen liegt. Legt man nun die Quoten zugrunde, welche die zuvor beschriebenen Studien zu Fach- und Technikjournalisten für den Anteil der Frei- bzw. Nebenberufler ermittelt haben (etwa 70 bis 80 Prozent), erscheint die Schätzung dieser Studie, wonach es rund 380 hauptberufliche IT-Fachjournalisten in Deutschland gibt, nicht allzu unrealistisch. Berücksichtigt man die wenigen nicht berücksichtigten Publikationen und geht man von einer leichten Unterschätzung der Grundgesamtheit infolge von immer möglichen Schätzfehlern aus, dann dürfte die Zahl nicht mehr als 500 Personen betragen. 7 Vgl. u.a. Kapitel 2.2 in diesem Buch. Hier müsste noch unterschieden werden zwischen freien Mitarbeitern und sogenannten Festen Freien. Erstere fanden in der vorliegenden Befragung keine Berücksichtigung, letztere, die in der Regel zum festen Stamm ihrer Redaktionen gehören, schon. Entsprechend finden sich im Sample dieser Studie auch eine Handvoll Freelancer, die hauptberuflich und in der Regel Vollzeit für die IT-Titel tätig sind.
60
Methode
sowie zu einer Reihe von möglichen Zukunftstrends im journalistischen, wirtschaftlichen und technoligischen Bereich konfrontiert (Abbildung 3.1). Welche Themen im Einzelnen interessierten, wurde in der Herleitung der Forschungsfragen im Theorieteil dargelegt – die Forschungsfragen werden vor den jeweiligen Ergebniskapiteln ausführlich expliziert. Da es zu den IT-spezifischen Themenkomplexen so gut wie keine existierenden Fragemodelle gab, an die man sich hätte anlehnen können, wurden die meisten Fragen in diesem Bereich neu entwickelt. Bei den eher berufssoziologischen Fragemodellen wurden Fragen aus existierenden Studien übernommen. In einigen Fällen wurden Fragen auf das Forschungsinteresse der vorliegenden Studie angepasst. Fragemodelle zu den journalistischen Hauptaufgaben, zu den inner-redaktionellen Arbeitsprozessen, zum Publikumsbild, zu den Berufsmotiven, zum Rollenverständnis, sowie viele demographische Fragen lehnten sich an die großen Journalistenbefragungen von Siegfried Weischenberg et al.⁸ an oder wurden aus einer Befragung von Immobilienjournalisten entnommen.⁹ Diese Anlehnung an etablierte Fragemodelle bietet den Vorteil, die spezifische Population mit den Daten anderer Studien in Relation setzen zu können. Nach seiner Fertigstellung wurde der Fragebogen sowohl empirisch orientierten Sozialforschern und Kommunikationswissenschaftlern als auch wenigen ausgewählten IT-Journalisten zur Begutachtung vorgelegt und pre-getestet. Die Pre-Tests führten zu einer Reihe von Optimierungen und dienten der Ermittlung der Befragungsdauer: Sowohl im Testsample als auch später im Feld dauerten die Interviews im Schnitt ca. 20 Minuten.
8 Vgl. z.B. Weischenberg et al. 2006. 9 Vgl. Jackob et al. 2008.
Ablauf der Online-Befragung
61
Fragebogen mit insgesamt 40 Fragen Die Journalisten Themen & Umfeld
Quellen & Infobeschaffung
Beziehungen & Trends & Machtverhältnisse Perspektiven
• Biographie
• Publikationsplattformen
• Informationsquellen
• Rücksichtnahmen
• Zukunft der ITPresse
• Werdegang
• Themenschwerpunkte
• Rechercheaufwand
• Feedback
• Entwicklung der IT-Branche
• Berufszufriedenheit
• Eigene Redaktion
• Unternehmen als Quellen
• Arbeitgeber
• Beurteilung der • UserGeneratedKonkurrenz Content als Quelle
• Ausbildung
• Berufliche Position • Berufsmotive • Berufsverständnis
• Zufriedenheit mit Quellenkontakt
• Beziehungen zu Lesern • Beziehungen zu Unternehmen
• Entwicklung von InformationsTechnologien
• Wahrgenommene Wirkung auf Leser
• Gesellschaftliche Entwicklungen
• Wahrgenommene Wirkung auf Unternehmen • Machtverhältnisse
Abb. 3.1: Fragekomplexe zum IT-Journalismus.
3.4 Ablauf der Online-Befragung Die Befragung der 382 identifizierten IT-Journalisten wurde vom 28. September bis zum 14. Februar 2011 mit Hilfe eines Online-Fragebogens durchgeführt. Dieser wurde den Befragten auf einer Internetseite zugänglich gemacht. Bevor den IT-Journalisten der Link zum Fragebogen zugeschickt wurde, wurden sie in einer Ankündigungsmail über den Zweck und die Autoren der Studie informiert. In dieser Mail wurde strikte Anonymität zugesichert sowie auf das rein wissenschaftliche Forschungsinteresse verwiesen. Zudem wurde allen Teilnehmern eine Präsentation mit den Studienbefunden nach Ablauf der Feldphase als Incentive angeboten. Auf den ersten Kontakt mit dem Fragebogen Ende September 2010 folgten insgesamt fünf weitere Email-Reminder (Abbildung 3.2), die jeweils im Abstand von drei bis vier Wochen versandt wurden. Diese Mehrfach-KontaktStrategie ist grundsätzlich bei Online-Befragungen geboten, um die Ausschöpfungsquote zu erhöhen.
62
Methode
250 Anzahl
200
150
Besucher insgesamt 100
50
Vollständige Fragebögen
0
Abb. 3.2: Entwicklung des Rücklaufs.
In der vorliegenden Studie war eine vergleichsweise große Menge an Kontakten nötig. Bereits bei den ersten Kontakten zeichnete sich ab, dass nicht alle Journalisten in den ersten Wochen die Zeit zur Teilnahme fanden. Die direkten Rückmeldungen mehrerer Journalisten und ihrer Email-Abwesenheitsassistenten ließen den Schluss zu, dass eine große Zahl von IT-Journalisten, die an sich einer hochmobilen Population angehören, in diesem Zeitraum (u. a. auf Messen und Conventions) unterwegs waren. Die Mailkontakte wurden daher über einen größeren Zeitraum verteilt und die Feldzeit bis in den Februar 2011 verlängert – vor allem als sich abzeichnete, dass die zweite Dezemberhälfte und die erste Januarhälfte nicht den erhofften Rücklauf erbrachten. Insgesamt förderten der erste und zweite Kontakt im September und Oktober 2010 sowie die beiden letzten Kontakte im Januar und Februar 2011 die größten Rücklaufsteigrungen zu Tage – im November und Dezember 2010 war laut Auskunft vieler IT-Journalisten das stressige Weihnachtsgeschäft die Hauptursache für die zurückhaltende Beteiligung. Zusammengefasst wurden insgesamt 382 Journalisten identifiziert, die allesamt entweder direkt oder über Redaktionsverteiler kontaktiert wurden. Von diesen Journalisten öffneten 58 Prozent den Link mit der Startseite zum Fragebogen – 42 Prozent der kontaktierten Journalisten gingen bereits an dieser Stelle nicht auf den Kontaktversuch ein (Abbildung 3.3). Von diesen 223 Personen, die sich die Startseite im Internet ansahen, klickten rund 83 Prozent direkt zur ersten
Ablauf der Online-Befragung
63
Frage des Fragebogens weiter – es wurden folglich 184 angefangene Fragebögen registriert, eine Quote von gut 48 Prozent. Am Ende lagen insgesamt 102 vollständige Interviews vor, 82 Journalisten blieben während der Befragung als Dropout auf der Strecke. Insbesondere längere Item-Batterien im ersten Drittel der Befragung führten zu Drop-out. Im weiteren Verlauf hatten auch längere ItemBatterien kaum noch Abbrüche zur Folge. Ob dies ein Effekt der Platzierung oder eine Folge von „High-Hurdling“¹⁰ durch die weit vorne platzierten Item-Batterien war, muss dahingestellt bleiben. Bezogen auf die Grundgesamtheit beziffert sich die Rücklaufquote dieser Studie folglich auf rund 27 Prozent, was ein für OnlineBefragungen insgesamt guter Wert ist.¹¹
Kontaktierte IT-Journalisten 382 Besucher der Website 223 Angefangene Fragebögen 184 Vollständige Fragebögen 102 Abb. 3.3: Eckdaten der Erhebung.
10 Vgl. Reips 2002. 11 Vgl. zum Rücklauf von Online-Befragungen z.B. Göritz 2004; Hachigian & Hallahan 2003.
4 Ergebnisse 4.1 Die Journalisten im IT-Sektor Die Hintergrundkapitel schlossen mit einer Skizze der zentralen Fragekomplexe, die der Anlage der Studie zugrunde liegen und die Darstellung der Ergebnisse leiten. Der erste Fragenkomplex dient dem Zweck, einen ersten Eindruck von den Journalisten im IT-Sektor zu gewinnen – hier sind u.a. ihre biographischen Hintergründe, ihre Arbeitssituation und die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben interessant. Der größte Teil der im Folgenden dokumentierten Forschungsfragen adressiert Aspekte, die in der Logik des Hierarchy-of-InfluencesModel der Individualebene zuzuordnen sind.
4.1.1 Forschungsfragen Das Image von IT-Journalisten wird ein Stück weit vom Stereotypen des Computer-Freaks, Technikbastlers oder „Nerds“ geprägt (vgl. Kapitel 2.1.3). Computerfreaks sind dem Stereotyp zufolge meist jung und männlich, unter ihnen finden sich viele Studenten. Sie wählen eine technische Berufsausbildung bzw. naturwissenschaftliche, technische, mathematische Studiengänge, haben sich die meisten ihrer Kenntnisse aber eigenständig angeeignet und kommen als Quereinsteiger zu ihrem Beruf. Wer es dann in den IT-Journalismus schafft, kann sein Hobby zum Beruf machen. Entsprechend ist die Tätigkeit im IT-Journalismus ein Traumberuf für Computerfreaks. Daraus leiten wir folgende Forschungsfragen über IT-Journalisten ab: Frage 1: Sind IT-Journalisten überwiegend eher jung? Frage 2: Finden sich unter IT-Journalisten überwiegend Männer? Frage 3: Welchen Ausbildungsweg haben IT-Journalisten absolviert? Frage 4: Sind IT-Journalisten tatsächlich vor allem Experten für Technik? Frage 5: Kommen IT-Journalisten über ihr Hobby zum Beruf, d.h. sind sie zumeist Autodidakten? Frage 6: Und sind Sie darüber hinaus auch Quereinsteiger? Frage 7: Ist IT-Journalist in den Augen der Befragten ein Traumberuf? Weiterhin hat auch der IT-Journalismus bzw. die IT-Fachpresse ein bestimmtes Image: Im Special-Interest-Segment ist die IT-Fachpresse eine eher junge Erscheinung, weshalb der IT-Journalismus als vergleichsweise neuartig und jung gelten kann. Das Nerd-Image der IT-Journalisten hängt möglicherweise mit dem
66
Ergebnisse
Nerd-Image der Leser der IT-Fachpresse zusammen. Da Nerds für andere Nerds schreiben, würde man annehmen, dass die IT-Fachpresse nur ein Nischenpublikum erreicht. Gründe hierfür könnte man darin sehen, dass IT-Journalisten sich – als Technikfreaks – in ihrem Berufsverständnis deutlich von anderen Journalisten unterscheiden. Sie verstehen sich eher als schreibende Technikfreaks denn als technikaffine Journalisten. In Fragen gegossen, bedeutet dies: Frage 8: Wie jung ist der Beruf des IT-Journalisten wirklich – z.B. abgelesen an der Berufserfahrung der Befragten? Frage 9: Adressiert die IT-Fachpresse im Selbstverständnis der Journalisten nur ein Nischenpublikum oder auch eine größere Öffentlichkeit? Frage 10: Werden IT-Journalisten tatsächlich vorrangig von ihrem Interesse am Thema und nicht von journalistischen Motiven angetrieben? Zuletzt ist die IT-Fachpresse – bei allen Besonderheiten, die man hier zunächst vermuten kann – Teil des Fachjournalismus. Als solcher müsste sich auch der IT-Journalismus (im Gegensatz zum General-Interest-Journalismus) durch besonders enge Kontakte zu ihren Quellen (in diesem Fall vor allem: der IT-Industrie) und durch eine starke Serviceorientierung gegenüber dem Publikum auszeichnen – wie im Theorieteil herausgearbeitet wurde (u.a. in Kapitel 2.2.2). Frage 11: Sind IT-Journalisten – wie Fachjournalisten generell – vor allem serviceorientiert? Frage 12: Sind IT-Journalisten stark mit der IT-Industrie vernetzt?
4.1.2 Biographischer Hintergrund Die Antwort auf die erste Forschungsfrage fällt ambivalent aus: Die befragten ITJournalisten sind keineswegs so jung, wie man dies vermuten könnte: Immerhin 42 Prozent der Befragten sind älter als 40 Jahre, 38 Prozent zwischen 30 und 39, 20 Prozent zwischen 20 und 29 (Tabelle 4.1).¹ Zugleich liegt das durchschnittliche Alter der IT-Journalisten mit 38 Jahren jedoch knapp unter dem der Journalisten in Deutschland allgemein (41 Jahre).² Dass die IT-Journalisten überwiegend nicht
1 Wobei man darauf verweisen muss, dass an dieser Stelle Ergebnisse von Studien verglichen werden, deren Erhebungszeiträume mehrere Jahre auseinander liegen, was in einer gewissen Unschärfe resultieren dürfte. 2 Vgl. Weischenberg et al. 2006: 57, 59. In der Publikation wird kein konkretes Durchschnittsalter ausgewiesen. In einer Skizze des „statistisch durchschnittlichen Journalisten“ heißt es, dieser sei knapp 41 Jahre alt. Wir lesen daraus, dass der gerundete Altersdurchschnitt bei 41 Jahren liegt. Um die Interpretation zu prüfen, wurde ein Schätzwert aus den klassifizierten Daten errechnet.
Die Journalisten im IT-Sektor
67
im „Studenten“-Alter sind und damit kaum dem Stereotyp des jugendlichen Technik-Enthusiasten entsprechen, hat vermutlich mehrere Gründe: Einerseits gibt es professionellen und breitenwirksamen IT-Journalismus bereits seit den 1980er Jahren, weshalb in zahlreichen Redaktionen „Veteranen“ angestellt sind, die seit dieser Anfangszeit dabei sind. Andererseits dürften gerade die hier befragten Festangestellten bzw. in Vollzeit tätigen Journalisten zu den eher älteren Altersgruppen im IT-Journalismus gehören, da sie bereits eine gewisse Karrierestrecke hinter sich haben. Dass insbesondere Männer technik- und computeraffin sind, ist ebenfalls ein gesellschaftlich verbreitetes und in vielen Bereichen bestätigtes Stereotyp³ – die Antwort auf die zweite Forschungsfrage fällt vergleichsweise klar aus: Eine überwältigende Mehrheit von 88 Prozent der befragten IT-Journalisten sind Männer. Dieser Befund fällt insofern aus dem Rahmen der allgemeinen Trends im Journalismus, als 2005 immerhin 37 Prozent der Journalisten in Deutschland Frauen waren. Hinter diesem Anteil verbirgt sich ein grundlegender Wandel des Journalistenberufes, der seit vielen Jahren von einer zunehmenden „Feminisierung“ geprägt ist.⁴ Der IT-Journalismus scheint diesen Trend nicht in letzter Konsequenz durchgemacht zu haben – sehr wahrscheinlich lässt sich die Dominanz der Männer in diesem Journalismussegment tatsächlich mit den Besonderheiten der IT-Welt und ihren vielen Technikbezügen erklären. Obwohl es sich bei zwölf Frauen in der Stichprobe eigentlich verbietet, weitere Aufschlüsselungen vorzunehmen, fällt auf, dass unter den Frauen immerhin vier angaben, in einer Führungsrolle (Stellvertretender Ressortleiter, Ressortleiter, Stellvertretender Chefredakteur, Chefredakteur) zu arbeiten. Aus dem Männerüberhang in den Redaktionsstuben des IT-Journalismus folgt somit nicht, dass Frauen in diesem Segment des Fachjournalismus keine Chance hätten, in Führungspositionen aufzusteigen.
Unter der Maßgabe, dass die Altersuntergrenze bei 18 und die Höchstgrenze bei 75 Jahren lagen, ergibt sich aus den Tabellen ein Altersdurchschnitt von 40,1 Jahren. 3 Vgl. z.B. Schneller 2011. 4 Vgl. Weischenberg et al. 2006: 350.
68
Ergebnisse
Tabelle 4.1: Alter und Geschlecht der IT-Journalisten Frage: „Ihr Alter?“ Frage: „Ihr Geschlecht?“ % Alter Unter 20 Jahre 20–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre 50–59 Jahre 60–69 Jahre Über 69 Jahre Summe
(n = 102) – 20 38 30 11 1 –
}
58%
42%
100 %
Geschlecht Männlich Weiblich Summe
(n = 102) 88 12 100
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
IT-Journalisten sind folglich geringfügig jünger als der Durchschnitt aller Journalisten und überwiegend männlich – und sie sind zugleich, betrachtet man die Antworten auf die dritte Forschungsfrage, überwiegend formal hoch gebildet (Abbildung 4.1): 58 Prozent der befragten IT-Journalisten haben ein Studium erfolgreich abgeschlossen, weitere 24 Prozent haben zumindest ein Studium angefangen, 14 Prozent haben mit dem Abitur oder dem Fachabitur eine Hochschulzugangsberechtigung. Übrig bleiben lediglich fünf Prozent, die einen Haupt- oder Realschulabschluss haben. Damit erreichen sie im Kollektiv ein ähnliches formales Bildungsniveau wie die Journalisten in Deutschland (69 Prozent Hochschulabschluss, 15 Prozent Studium ohne Abschluss, 13 Prozent Abitur/Fachabitur, 3 Prozent Real- und Hauptschule).⁵ Grassierte vor Jahrzehnten noch das Bild vom Journalisten als einem typischem Studienabbrecher, kann man heute sowohl im Journalismus allgemein als auch im Fachjournalismus von hohen Niveaus an formaler Bildung ausgehen (vgl. zum Überblick auch Kapitel 6 in diesem Buch).
5 Vgl. Weischenberg et al. 2006: 69.
Die Journalisten im IT-Sektor
69
Bei den IT-Journalisten ist der Anteil der Studienabbrecher allerdings (noch) deutlich höher als bei den Journalisten in Deutschland allgemein.
Frage: „Was ist Ihr höchster Bildungsabschluss“
„Promotion“ 3%
„Mittlere Reife / Realschule“ 4%
„Volksschule /Hauptschule“ 1%
„Fachabitur/Abitur“ 14%
„Studium mit Magisterabschluss, Diplom, Staatsexamen“ 50%
„Studium ohne Abschluss“ 24%
Bachelorabschluss 5%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.1: Bildung der IT-Journalisten.
4.1.3 Ausbildung, Werdegang, Jobzufriedenheit Wer sich mit Computern beschäftigt, der wird häufig mit dem Image eines „Technikfreaks“ assoziiert – so liegt es nahe, auch bei den IT-Journalisten einen gewissen Technik-Enthusiasmus zu vermuten: Platinen, Chips, Schraubenzieher, Steckkarten und Quellcodes sind demnach das eigentliche Element vieler dieser IT-Fachleute. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu überprüfen, ob dieses Stereotyp zutrifft – z.B. indem man zunächst die formale Ausbildung der IT-Journa-
70
Ergebnisse
listen betrachtet. Hier läge der Schluss nahe, dass viele IT-Journalisten Informatik, Ingenieurwesen oder angrenzende Wissenschaften wie Mathematik studiert haben. Unter jenen Befragten, die ein Studium aufgenommen haben (n = 83),⁶ sollte entsprechend ein großer Anteil sich in technische, naturwissenschaftliche und mathematische Studiengänge eingeschrieben haben. Die Befunde widerlegen diese Vermutung (Abbildung 4.2): Überraschenderweise gibt es unter den „studierten“ IT-Journalisten eine Dominanz von Geisteswissenschaftlern (34 Prozent), auch Absolventen von Kommunikationswissenschaft, Publizistikbzw. Journalismusstudiengängen (13 Prozent) sind häufiger vertreten. Unterscheidet man streng zwischen technikorientierten Studiengängen (Informatik/ Mathematik, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften) und nicht-technischen Fächern (Geisteswissenschaften, Kommunikationswissenschaft, Sozialwissenschaften, Jura, Wirtschaftswissenschaften), erhält man ein Kräfteverhältnis von 30 Prozent (technikorientiert) zu 61 Prozent (nicht technisch). Die vierte Forschungsfrage lässt sich folglich nicht abschließend mit der formalen Ausbildung der IT-Journalisten beantworten: Wenn sie „Technikfreaks“ sind, dann lässt sich dies nicht an ihrem Studienschwerpunkt ablesen. Dass im befragten Sample keine Dominanz von Technikstudiengängen festzustellen ist, kann bedeuten, dass die IT-Journalisten jene Kenntnisse, die sie zu Technik-Enthusiasten machen, überwiegend außerhalb des formalen Studiums erworben haben müssen. Das leitet direkt über zur fünften Forschungsfrage über: Sind IT-Journalisten in der Regel Autodidakten? Um Antworten auf diese Frage zu ermitteln, wurden die Journalisten gefragt, auf welchem Wege sie ihre Kenntnisse über ihre jeweiligen Fachgebiete erworben haben. Der Fragebogen sah mehrere Antwortmöglichkeiten vor, von denen die Befragten alles ankreuzen sollten, was auf sie zutrifft. Es wurde zwischen formaler Ausbildung („Im Studium“), Weiterbildung („Durch Seminare, Veranstaltungen, Fortbildungen“), Lernen im Beruf („In der IT-Wirtschaft“/„Während der Berufstätigkeit als Fachjournalist“) und Lernen in der Freizeit („Durch eigene Nutzung/Erfahrung“/„Durch Selbststudium“) unterschieden.
6 An dieser Stelle ist der Hinweis geboten, dass man in der Sozialwissenschaft üblicherweise erst bei Gruppengrößen von n ≥100 Prozentuierungen verwendet. Dass hier gleichwohl bei einer kleineren Gruppengröße prozentuiert wird, ist eine Konzession an die Vergleichbarkeit der Daten bzw. die Einheitlichkeit der Befundpräsentation in diesem Buch.
71
Die Journalisten im IT-Sektor
Frage: „Und welches Hauptfach haben Sie studiert? Falls Sie zwei Hauptfächer hatten, kreuzen Sie bitte ihr erstes Hauptfach an.“ „Geisteswissenschaften (auch Sprachen)“
34
„Informatik, Mathematik“
14
„Kommunikationswissenschaft, Publizistik, Journalismus“
13
„Ingenieurswissenschaften“
8
„Naturwissenschaften (auch Medizin, ohne Informatik/Mathematik)“
8
„Anderes Fach, nämlich“
6
„Sozialwissenschaften (außer Kommunikationswissenschaft/Publizistik/Journalismus)“
6
„Jura“
4
„Wirtschaftswissenschaften“
4
keine Angabe
2 0
in % 10
20
30
40
Basis: n = 83 IT-Journalisten, die ein Studium abgeschlossen oder angefangen haben.
Abb. 4.2: Studienschwerpunkt der IT-Journalisten.
Die Ergebnisse zeigen, dass IT-Journalisten sich ihre Kenntnisse vor allem in ihrer Freizeit und durch die alltägliche Berufsausübung erwerben (Abbildung 4.3): 91 Prozent geben an, „[d]urch eigene Nutzung/Erfahrung“ ihre Fachkenntnisse erworben zu haben, 85 Prozent haben ihre Fachkenntnisse „[w]ährend der Berufstätigkeit als Fachjournalist“ erlernt. 83 Prozent geben an, „[d]urch Selbststudium“ zu ihren Fachkenntnissen gekommen zu sein. Formale Ausbildung oder Weiterbildung spielt eine weitaus geringere Rolle, gleichermaßen Kenntnisse aus früheren beruflichen Stationen in der IT-Wirtschaft. Die These, dass IT-Journalisten Autodidakten sind, lässt sich damit erhärten – jedoch mit der Einschränkung, dass (wenig überraschend) auch „Learning on the Job“ eine bedeutende Rolle beim Erwerb und beim Auffrischen der eigenen Fachkenntnisse spielt.
72
Ergebnisse
Frage: „Wo haben Sie Ihre Kenntnisse über ihre jeweiligen Fachgebiete erworben? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft?“(Mehrfachantworten) „Durch eigene Nutzung/Erfahrung (z.B. als Designer, Spieler, Hacker, Schrauber)“
91
„Während der Berufstätigkeit als Fachjournalist“
85
„Durch Selbststudium (z.B. Bücher, Fachzeitschriften)“
83
„Im Studium“
37
„Durch Seminare, Veranstaltungen, Fortbildungen (außeruniversitär)“
18
„In der IT-Wirtschaft (z.B. als Mitarbeiter eines ITUnternehmens)“
15
Sonstiges
2 in % 0
20
40
60
80
100
Basis: n = 83 IT-Journalisten, die ein Studium abgeschlossen oder angefangen haben.
Abb. 4.3: Quelle für Fachkenntnisse.
An die skizzierten Befunde schließt unmittelbar die Frage an, ob IT-Journalisten in der Regel Quereinsteiger sind (sechste Forschungsfrage), da es keinen geregelten Zugang zu diesem Beruf gibt. Quereinsteiger zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht direkt nach Abschluss ihrer Ausbildung ihren jetzigen Beruf ergriffen haben, sondern aus einem anderen Beruf in den neuen gewechselt haben. Von den IT-Journalisten antworteten auf die Frage „Haben Sie, bevor Sie Journalist wurden, schon in einem anderen Beruf gearbeitet?“ 55 Prozent mit „Ja“, die restlichen 45 Prozent antworteten mit „Nein“. IT-Journalisten sind folglich in der Tat überwiegend Quereinsteiger, wobei der Anteil von direkt in dieses Fachgebiet eingestiegenen IT-Journalisten erstaunlich hoch ist. Einen Grund mag man darin vermuten, dass einige der Befragten bereits früh frei- bzw. nebenberuflich in Redaktionen mitgearbeitet haben und dann in den Personalstamm übernommen wurden. Das erklärt möglicherweise auch den um im Vergleich zu den Journalisten allgemein etwa zehn Prozentpunkte höheren Anteil von Studienabbrechern – also solchen Journalisten, die neben ihrer Festanstellung nicht mehr weiterstudieren konnten oder es nicht mehr für nötig erachteten, ihr Studium abzuschließen.
Die Journalisten im IT-Sektor
73
Wer als Quereinsteiger und Autodidakt in seinen Beruf kommt, scheint eine starke intrinsische Motivation mitzubringen und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Daher kann man vermuten, dass die meisten IT-Journalisten ihren Beruf als „Traumberuf“ sehen (siebte Forschungsfrage). Um dies zu überprüfen, wurden die Journalisten gefragt, wie zufrieden sie mit verschiedenen Aspekten ihres Berufs und ihres beruflichen Alltags sind. Die möglichen Gründe für Berufszufriedenheit wurden aus der Studie „Journalismus in Deutschland II“ übernommen⁷ – dies nicht nur, um auf bewährte Messinstrumente zurückzugreifen, sondern auch, um die Zufriedenheit der IT-Journalisten mit den Journalisten in Deutschland vergleichen zu können. Vergleicht man nun IT-Journalisten und die Journalisten in Deutschland allgemein⁸ (Abbildung 4.4), zeigen sich keine großen Unterschiede beim „[…] Verhältnis zu […] Arbeitskollegen“ (87 vs. 93 Prozent Zufriedenheit), bei der „[…] Möglichkeit, sich die Arbeitszeit selbst einzuteilen“ (70 vs. 75 Prozent Zufriedenheit) und der „[…] Publikumsresonanz […]“ (60 vs. 54 Prozent Zufriedenheit). In allen drei Bereichen sind sowohl Journalisten im Allgemeinen als auch IT-Journalisten überwiegend zufrieden. IT-Journalisten beklagen sich aber im Vergleich zu Journalisten im Allgemeinen häufiger über die (zu geringe) Zeit, die ihnen für Recherchen zur Verfügung steht (31 vs. 48 Prozent Zufriedenheit), über die (mangelnden) Weiterbildungsmöglichkeiten (28 vs. 42 Prozent Zufriedenheit), die (zu niedrige) Bezahlung (27 vs. 54 Prozent Zufriedenheit), die (fehlende) berufliche Sicherheit (25 vs. 50 Prozent Zufriedenheit), die (zu hohe) Arbeitsbelastung (25 vs. 48 Prozent Zufriedenheit) und die (fehlenden) Aufstiegsmöglichkeiten (19 vs. 31 Prozent Zufriedenheit). Während sich also Journalisten im Allgemeinen mit fast allen Aspekten ihrer Arbeit überwiegend oder annähernd zufrieden zeigen (außer Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten), sind IT-Journalisten mit vielen Aspekten ihres Berufs weniger zufrieden. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass ITJournalisten besonders mit den extrinsisch motivierenden Faktoren Bezahlung, Aufstiegschancen, berufliche Weiterbildung, berufliche Sicherheit und Arbeitsbelastung unzufrieden sind. Ihre hohe intrinsische Motivation, die in ihrer autodidaktischen Ausbildung zutage tritt, scheint dieses Defizit an extrinsischer Motivation zu kompensieren. Der IT-Journalismus und die journalistische Tätigkeit an
7 Vgl. Weischenberg et al. 2006. 8 Da potenziell auch IT-Journalisten in der Stichprobe von Weischenberg et al. sein könnten bzw. sie zu der Grundgesamtheit der Journalismus in Deutschland II-Studie gehören, kann man nicht „IT-Journalisten“ und „andere Journalisten“ gegenüberstellen. Daher stammt die Sprachformel, dass „IT-Journalisten“ mit den „Journalisten in Deutschland“ verglichen werden.
74
Ergebnisse
sich mögen demnach ein Traumberuf sein; die Arbeitsbedingungen, unter denen diese Tätigkeit stattfindet, finden hingegen viele IT-Journalisten nicht gerade traumhaft.
Frage: „Hier sind einige Faktoren aufgelistet, die die Arbeit als Journalist beeinflussen können. Bitte sagen Sie mir zu jedem Faktor, wie zufrieden oder unzufrieden Sie persönlich damit sind.“ "Wie zufrieden sind Sie mit..." „...dem Verhältnis zu Ihren Arbeitskollegen“
87
„...der Möglichkeit, sich die Arbeitszeit selbst einzuteilen“
70
„...der Publikumsresonanz bzw. den Publikumsreaktionen“
54
„...der Zeit, die Sie für die persönliche Recherche von Themen haben“
28
„...der Höhe der Bezahlung“
27
„...der beruflichen Sicherheit, die Ihnen Ihr Job bietet“
25
„...der täglichen Arbeitsbelastung“
25
„...den Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb Ihres Berufes“
19 0
Journalisten in Deutschland
20
75
60
48
31
„...Ihren Möglichkeiten, sich beruflich weiterzubilden“
93
42 54 50 48 Eher / sehr zufrieden %
31 40
60
80
100
IT-Journalisten
Basis: n = 102 IT-Journalisten (2010/11); n = 1536 Journalisten (2005). Quelle: eigene Erhebung; Weischenberg et al. 2006.
Abb. 4.4: Jobzufriedenheit der IT-Journalisten und der Journalisten allgemein.
4.1.4 Arbeitgeber und berufliche Position Der achten Forschungsfrage lag die Annahme zugrunde, dass es sich beim ITJournalismus um eine vergleichsweise junge Profession handelt. Die Antwort auf die Frage nach dem Alter dieser fachjournalistischen Profession fällt, legt man die Berufserfahrung der Befragten zugrunde, ambivalent aus (Abbildung 4.5): Die Teilnehmer wurden gefragt, seit wie vielen Jahren sie bereits als Journalist arbeiten und seit wie vielen Jahren sie bereits über Themen aus dem IT-Bereich schreiben. Keiner der Befragten arbeitete seit weniger als einem Jahr als IT-Journalist. Daraus kann man schließen, dass entweder die Mobilität innerhalb des IT-Journalismus relativ niedrig ist oder die Neuanfänger in der Regel (noch) nicht
Die Journalisten im IT-Sektor
75
fest angestellt sind. 26 Prozent waren zwischen einem und fünf Jahren als ITJournalist tätig, 36 Prozent seit sechs bis zehn Jahren. Insgesamt arbeiteten also 62 Prozent der IT-Journalisten seit höchstens zehn Jahren im IT-Journalismus, was für die These eines „jungen Feldes“ spricht. Andererseits geben immerhin 38 Prozent der IT-Journalisten an, bereits seit mehr als zehn Jahren über IT-Themen zu schreiben. Im Einzelnen waren 20 Prozent seit zehn bis 15, 13 Prozent seit 15 bis 20 Jahren und sechs Prozent sogar seit 21 bis 25 Jahren im IT-Journalismus tätig, allerdings keiner mehr als 25 Jahre. Das heißt: Die Erfahrensten unter den IT-Journalisten haben ihre Tätigkeit zwischen 1985/1986 und 1990/1991 aufgenommen. Insofern kann man sagen, dass es sich durchaus um ein junges Feld handelt, das aber mittlerweile auch zahlreiche „Veteranen“ aufweist. Der Vergleich zwischen der Zeit als Journalist und als IT-Journalist zeigt, dass nur wenige der IT-Journalisten vorher in einem anderen Pressesegment gearbeitet haben. Folglich erfolgte der Einstieg in die journalistische Zunft in der Regel mit dem Einstieg in den IT-Journalismus. Frage: „Seit wie vielen Jahren arbeiten Sie als Journalist?“ Frage: „Seit wie vielen Jahren schreiben Sie bereits über Themen aus dem IT-Bereich?“ Von den IT-Journalisten (n=102) arbeiten als Journalist bzw. als IT-Journalist... 0
20
40
60
80
100 100
...mind. 1 Jahr
74 74
...mehr als 5 Jahre
46
...mehr als 10 Jahre
38 24
...mehr als 15 Jahre
18
10
...mehr als 20 Jahre
...mehr als 25 Jahre
in % 100
5
0 0
Arbeitet als Journalist seit…
Arbeitet als IT-Journalist seit…
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.5: Berufserfahrung im Journalismus allgemein und im IT-Journalismus.
76
Ergebnisse
Mit dem Alter hängt in der Regel auch die berufliche Position der Journalisten zusammen. Im Laufe ihrer Karriere werden viele Neben- zu Hauptberuflern, freie Mitarbeiter zu festen, Untergebene bisweilen zu Vorgesetzten. Wenn man zwischen Leitungspositionen im Medium (Ressortleiter, Chefredakteur, stellvertretender Chefredakteur, stellvertretender Ressortleiter) und Positionen ohne Leitungsbefugnis (Redakteur, Volontär, fester Freelancer) unterscheidet, zeigt sich zunächst, dass 32 Prozent der Befragten eine Leitungsposition bekleiden. Im Einzelnen sind unter den Befragten elf Chefredakteure, sechs stellvertretende Chefredakteure, zwölf Ressortleiter und zwei stellvertretende Ressortleiter (Abbildung 4.6). Letztere Position gibt es in den vielen IT-Redaktionen wahrscheinlich gar nicht, weil die einzelnen Ressorts dazu zu klein sind. Interessant an der Komposition des Samples ist der hohe Anteil an Journalisten in Leitungspositionen: Es wurden eine Reihe von herausragenden Persönlichkeiten in diesem Segment des Fachpressemarkts befragt, einige sind seit vielen Jahren dabei, kennen das Geschäft in und auswendig und leiten wichtige Publikationen mit großer Ausstrahlung auf das Publikum.⁹ Die Antworten dieser Befragten sollte man ernst nehmen, da es sich um sehr erfahrene und anerkannte Experten handelt, die besser als andere Auskunft über Machtverhältnisse in der IT-Welt, Entwicklungen und Trends geben können, als unerfahrenere Kollegen. Zugleich darf man vor diesem Hintergrund die Repräsentativität der vorliegenden Befragung für die Gesamtpopulation des IT-Journalismus jedoch nicht überbewerten – vermutlich gibt es einen Bias hin zu Journalisten in Führungspositionen.
9 Aufgrund der kleinen Redaktions- und Ressortgrößen ist aber vermutlich auch der Anteil der Führungspositionen an allen Positionen höher als in anderen Journalismussegmenten. Einige der Ressortleiter sind vermutlich in erster Linie ihre eigenen Chefs und koordinieren die Arbeit von einigen freien Mitarbeitern oder Autoren.
Die Journalisten im IT-Sektor
77
Frage: „Welche Position haben Sie in Ihrem Medium?“ 0
10
„Chefredakteur“
30
40
50
60 in %
11
„Stellvertretender Chefredakteur“ „Chef vom Dienst“
20
6 mit Leitungsrolle
1
32 % „Ressortleiter“ „Stellvertretender Ressortleiter“
12 2
„Redakteur“ „Freier Mitarbeiter, Freelancer, (freier) Autor“
11
67%
„Volontär“ „Anderes, nämlich...“
52 ohne Leitungsrolle
4 2
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.6: Position in der Redaktion.
Die Analysen zeigen, dass sich der vermutete Zusammenhang zwischen Alter und beruflicher Position bestätigt: Von den 51 erfahreneren IT-Journalisten (mehr als acht Jahre Berufserfahrung) bekleiden 24 eine leitende Aufgabe, 26 nicht – das Verhältnis ist also 48:52. Bei den weniger erfahrenen IT-Journalisten (n = 51) sind gerade einmal acht in leitender Funktion tätig, 42 nicht – ein Verhältnis von 16:84 (Tabelle 4.2). Tabelle 4.2: Berufserfahrung und Leitungsrolle Berufserfahrung
Position in der Redaktion Keine leitende Position Leitende Position Keine Angabe Summe
≤ 8 Jahre n 42 8 1
> 8 Jahre n 26 24 1
51
51
78
Ergebnisse
Wie man vermuten konnte, steigt mit der hierarchischen Position in der Redaktion das Gefühl, gute Aufstiegs- und Weiterbildungschancen zu haben und hinreichend gut bezahlt zu werden. Generell ist die Berufszufriedenheit der ITJournalisten in Leitungspositionen höher als bei denjenigen ohne Leitungsfunktion. Die geringere Zufriedenheit mit den Recherchemöglichkeiten, der Jobsicherheit und der täglichen Arbeitsbelastung im Vergleich zu anderen Journalisten schlägt jedoch auch bei IT-Journalisten in Leitungsfunktionen deutlich durch: Die getrennte Betrachtung zeigt zusätzlich, wie stark sich die IT-Journalisten, die im Moment keine Leitungsfunktion innehaben, um ihre Aufstiegsmöglichkeiten sorgen (Abbildung 4.7): Gerade einmal vier von 67 Personen gaben an, eher oder sehr zufrieden mit ihren Aufstiegschancen zu sein. Ein verheerendes Ergebnis, das eindrucksvoll die in der Einführung dargelegte Krise und ihre negativen Auswirkungen für die beruflichen Perspektiven unterstreicht. Frage: „Hier sind einige Faktoren aufgelistet, die die Arbeit als Journalist beeinflussen können. Bitte sagen Sie mir zu jedem Faktor, wie zufrieden oder unzufrieden Sie persönlich damit sind.“ "Wie zufrieden sind Sie mit..." „...dem Verhältnis zu Ihren Arbeitskollegen“
85
„...der Möglichkeit, sich die Arbeitszeit selbst einzuteilen“
66
„...der Publikumsresonanz bzw. den Publikumsreaktionen“
57
„...der Zeit, die Sie für die persönliche Recherche von Themen haben“
78
68
28 31
„...Ihren Möglichkeiten, sich beruflich weiterzubilden“
22
„...der Höhe der Bezahlung“
38 50
16 25 27
„...der beruflichen Sicherheit, die Ihnen Ihr Job bietet“
25 22
„...der täglichen Arbeitsbelastung“ „...den Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb Ihres Berufes“
Eher / sehr zufrieden %
44
6 0
Leitungsrolle
94
20
40
60
80
100
keine Leitungsrolle
Basis: n = 99 IT-Journalisten, die über ihre Position in der Redaktion Angaben machten; n = 67 Journalisten ohne Leitungsfunktion, n = 32 Journalisten in Leitungsfunktion.
Abb. 4.7: Berufszufriedenheit von IT-Journalisten mit und ohne Leitungsfunktion.
Betrachtet man im nächsten Schritt die Reichweite der Publikationen, für die die befragten IT-Journalisten arbeiten, zeigt sich, dass die Annahme, wonach die IT-Fachpresse nur ein Nischenpublikum erreicht, welches seinerseits selbst
79
Die Journalisten im IT-Sektor
überwiegend aus den sogenannten Computer-Nerds besteht (neunte Forschungsfrage), nicht richtig sein kann. Die Umfrage-Teilnehmer wurden gefragt, wie hoch die Auflage des Magazins ist, für das sie arbeiten (die meisten erscheinen 14tägig oder monatlich) und wie viele (monatliche) Visits die Website erzielt, auf der ihre Beiträge veröffentlicht werden. Wenn die jeweiligen Journalisten entweder nicht im Print oder nicht online publizieren, konnten sie das entsprechend angeben. So lassen sich auch die zahlreichen nicht gültigen Antworten in den Auswertungen erklären. Die Analyse zeigt, dass ein Großteil der interviewten IT-Journalisten für ein sehr großes Publikum schreibt: 42 Prozent der Journalisten arbeiteten laut eigener Angabe für ein Medium mit einer Auflage zwischen 100 000 und 999 999 Exemplaren. Eine Millionenauflage erreicht allerdings keiner der Titel – dies zeigen auch die IVW-Zahlen, die eingangs punktuell referiert wurden. 32 Prozent der Journalisten machten keine Angabe, überwiegend, weil ihre Artikel nur online veröffentlicht werden. Die übrigen 26 Prozent arbeiten für kleinere Printtitel mit einer Auflage unter 100 000 Exemplaren. Frage: „Wie hoch ist die Auflage des Mediums, für das Sie hauptsächlich schreiben? Bitte geben Sie die Höhe der Auflage an, eine Schätzung genügt.“ in % 45
42
40 35 30
29
25 20 15 10
10
8
5
3
3
„weiß nicht“
„unter 4.999“
2
3 0
0 k.A.
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.8: Auflage der IT-Titel.
„5.000 bis „10.000 bis „20.000 bis „50.000 bis 9.999“ 19.999“ 49.999“ 99.999“
„100.000 bis 999.999“
„über 1.000.000“
80
Ergebnisse
In der Einführung zu diesem Buch wurde ebenfalls gezeigt, dass die Auflagenzahlen vor einigen Jahren deutlich höher waren (vgl. Kapitel 2.2.2), was vor allem daran liegt, dass die Redaktionen inzwischen als Hauptstandbein oder zumindest als Ergänzung umfangreiche Internetangebote aufgebaut haben. Die ITPresse ist zum einen massiv ins Internet abgewandert, zum anderen erklärt sich der dramatische Auflageneinbruch auch mit der Vielfalt an nicht-journalistischen Informationsangeboten im World Wide Web, welche in scharfer Konkurrenz zu den etablierten Fachtiteln stehen (vgl. u.a. Kapitel 2.2.3). Es erstaunt gleichwohl, dass immerhin 44 Prozent der IT-Journalisten keine auswertbare Antwort auf die Frage nach den Visits pro Monat gab, 12 Prozent, weil sie offenbar nicht über die Zahl der Visits Bescheid wussten, 32 Prozent weil sie nicht für ein OnlineAngebot schreiben oder weil gar kein Online-Angebot existiert (Abbildung 4.2). Die Journalisten jedoch, die Angaben zu den Visits pro Monat machten, arbeiteten für Medien, die ein großes Publikum erreichen. Nur 13 Prozent von ihnen gaben an, dass ihr Online-Angebot weniger als 1 000 000 Visits pro Monat erreicht, 23 Prozent gaben zwischen 1 000 000 und 9 999 999 Visits zu Protokoll. 21 Prozent arbeiten sogar für Internetangebote, die über 10 000 000 Visits pro Monat erzielen. Obwohl jeder Nutzer zahlreiche Visits innerhalb desselben Monats produzieren kann, dürften hinter den Angaben doch zahlreiche regelmäßige Nutzer stehen. Von einem Nischen- oder gar Außenseiterpublikum, das größtenteils aus verschrobenen Computerfetischisten besteht, kann man angesichts dieser Zahlen jedenfalls nicht sprechen.
81
Die Journalisten im IT-Sektor
Frage: „Könnten Sie bitte einmal schätzen, wie hoch die Zahl der Visits pro Monat auf der Seite des Online-Angebots ist, für das Sie hauptsächlich schreiben? Eine ungefähre Schätzung genügt. Wenn Sie es nicht wissen, können Sie „weiß nicht“ angeben.“ in % 45 40 35
32
30 25
23 21
20 15
12
10 5
3
2
2
3
3
„200.000 bis 499.999“
„500.000 bis 999.999“
0 k.A.
„Weiß nicht“
„Unter 50.000“
„50.000 bis 99.999
„100.000 bis 199.000“
„1.000.000 „Über bis 10.000.000“ 9.999.999“
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.9: Visits der IT-Internetseiten.
4.1.5 Berufsmotive und Berufsverständnis Die bisherigen Antworten auf die Forschungsfragen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die befragten IT-Journalisten sind weit überwiegend männlich, die Altersverteilung des IT-Journalismus ist aber relativ divers. Es gibt eine Mischung aus jüngeren und erfahrenen Kräften. Sie haben zwar eine hohe formale Bildung, aber überwiegend kein technisch-naturwissenschaftliches Studium absolviert. Ihre Kenntnisse haben sie überwiegend „on the job“ und autodidaktisch erworben. Sie sind zwar mit Bezahlung, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten weniger zufrieden als andere Journalisten, üben gleichwohl zumindest inhaltlich einen erfüllenden Job aus, mit dem sie zufrieden sind. Zudem erreichen viele von ihnen jeden Monat ein sehr großes Publikum, was ihnen – trotz möglicherweise schlechter Bezahlung und geringer Aufstiegschancen – eine gewisse Aufmerksamkeit und Wirkungschancen einräumt.
82
Ergebnisse
Es sind vor allem diese aus der Größe des Adressatenkreises resultierenden Wirkungschancen, die die Frage aufwerfen, wie IT-Journalisten ihren Beruf verstehen, worin sie ihre Aufgaben und Funktionen in der Gesellschaft sehen und was sie erreichen wollen. Die Frage lautet im Grunde: Welche Aufgaben schreiben IT-Journalisten sich zu und was wollen sie bewirken? In diesem Zusammenhang wurde zunächst angenommen, dass IT-Journalisten von ihrem Themeninteresse angetrieben werden, nicht von klassisch journalistischen Motiven (zehnte Forschungsfrage). Dahinter verbirgt sich die Überlegung, dass IT-Journalisten stärker technik- als journalismusaffin sind, also eher von inhaltlich-technischen als von journalistischen Motiven geleitet werden. Man kann diese Überlegung vor dem Hintergrund der Befunde zum Studium der Befragten durchaus anzweifeln: Der überraschend hohe Anteil von Befragten mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund spricht dagegen. Andererseits ist große intrinsische Motivation nötig, um die für den Job benötigten Fachkenntnisse durch Selbststudium und Ausprobieren zu erwerben: Größere Teile der befragten Journalisten haben – so kann man vermuten – über viele Jahre hinweg große Teile ihrer Freizeit mit Computerspielen, Technikbasteleien und Programmieren verbracht – es liegt nahe, in der Begeisterung für diese Themen selbst das Hauptmotiv für die eigene Arbeit zu vermuten. Die Antworten der Befragten zeigen, dass man die Frage, ob es thematischen oder die journalistischen Berufsmotive sind, welche IT-Journalisten antreiben, mit „sowohl als auch“ beantworten muss (Abbildung 4.10): Zwar wird die „Begeisterung für das Themengebiet selbst“ (84 Prozent) von den meisten als ein „wichtiger“ oder „sehr wichtiger“ Grund für die Entscheidung genannt, Fachjournalist zu werden. Aber die „Freude an journalistischem Arbeiten, Schreiben, Recherchieren“ (89 Prozent) scheint genauso viel Anziehungskraft ausgeübt zu haben. Die „spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit“ (89 Prozent) kann sich auf beides – die technischen und die journalistischen Aspekte – beziehen. Vermutlich erhält dieses Berufsmotiv auch deshalb so viel Zuspruch, weil es beide Triebfedern der intrinsischen Motivation betrifft. Weitere Gründe, die zumindest überwiegend als wichtig bzw. sehr wichtig genannt wurden, sind die „berufliche Freiheit, Selbstbestimmung“ (67 Prozent) und die „Möglichkeit, anderen Wissen zu vermitteln“ (57 Prozent). Andere Berufsmotive waren nur für eine Minderheit wichtig oder sehr wichtig: Die „Möglichkeit Missstände aufzudecken“ nannten immerhin 34 Prozent, obwohl ein solches Motiv bei der Berufswahl eher in andere Bereichen des Journalismus führen dürfte, wo investigative Recherche und Skandalisierung eine größere Rolle spielt als im IT-Journalismus. Die „Möglichkeit, Werte und Ideale zu vermitteln“ (31 Prozent) und „[…] in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen“ (28 Prozent) sind ebenfalls Berufsmotive, die im Fachjournalismus weniger relevant sind als
83
Die Journalisten im IT-Sektor
im General-Interest-Segment und dort vor allem in der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung. Daher ist die Zustimmung von knapp einem Drittel als eher hoch zu bewerten. Das deutet bereits an, dass IT-Journalisten sich eines gewissen gesellschaftlichen Einflusses und einer gewissen Kontrollfunktion gegenüber der Industrie durchaus bewusst sind, was sich im weiteren Verlauf der Analyse noch klarer herauskristallisieren wird. Die IT-Journalisten sind sich weitgehend einig, dass die Verdienstmöglichkeiten im IT-Journalismus kein Motiv für den Berufseintritt waren, vermutlich weil die Bezahlung generell niedrig ausfällt und das denjenigen bewusst ist, die sich für diesen Beruf entscheiden. Erneut wird hier die hohe intrinsische Motivation der IT-Journalisten deutlich, die den Mangel an extrinsischer Motivation durch Aufstiegschancen und Gehalt aufwiegt. Sie speist sich jedoch entgegen der These nicht ausschließlich oder primär aus dem Technikinteresse, sondern auch in beträchtlichem Ausmaß aus klassischen journalistischen Motiven.
Frage: „Wenn man sich für einen bestimmten Beruf entscheidet, kann man dafür ja unterschiedliche Beweggründe haben. Bitte geben Sie an, wie wichtig die folgenden Beweggründe für Sie waren, als Sie sich entschieden haben, Fachjournalist zu werden.“ "Freude an journalistischem Arbeiten, Schreiben, Recherchieren"
89
"Spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit"
89
"Begeisterung für das Themengebiet selbst"
84
"Berufliche Freiheit, Selbstbestimmung"
67
"Möglichkeit, anderen Wissen zu vermitteln"
57
"Möglichkeit, Missstände aufzudecken"
34
"Möglichkeit, Werte und Ideale zu vermitteln"
31
"Möglichkeit, in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen"
28
"Gute Verdienstmöglichkeiten"
11 0
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.10: Berufsmotive der IT-Journalisten.
in % 20
40
60
80
100
84
Ergebnisse
Geht man einen Schritt weiter und löst sich von den Gründen, die für Berufswunsch, Berufswahl und Berufseintritt entscheidend waren, gelangt man zur Frage, wie die IT-Journalisten – nach einer gewissen Zeit praktischer Tätigkeit – ihre Rolle in der Gesellschaft begreifen. Zur Erhebung des Selbst- bzw. Rollenverständnisses wurden die Teilnehmer danach gefragt, was sie für ihre Hauptaufgabe halten – die Antwortvorgaben wurden der Studie „Journalismus in Deutschland II“¹⁰ entnommen und um weitere Vorgaben aus einer Studie zu „Berufsrolle und Selbstverständnis von Technikjournalisten“¹¹ ergänzt. Die beiden Befragungen können dabei als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, um die Besonderheiten des IT-Journalismus stärker hervortreten zu lassen. Der Vergleich zu den „Journalisten in Deutschland“ ergibt einige interessante Ähnlichkeiten aber auch eine Reihe von Unterschieden (Abbildung 4.11): Journalisten im Allgemeinen und IT-Journalisten stimmen bei ihrem Rollenverständnis darin überein, „…das Publikum möglich neutral und präzise […] informieren“ zu wollen (89 Prozent vs. 89 Prozent stimmen der Aussage voll und ganz oder überwiegend zu) und „…dem Publikum möglichst schnell Informationen […] vermitteln“ zu wollen (74 Prozent vs. 77 Prozent). Außerdem lehnten sie in ähnlichem Maße das Rollenverständnis, „…dem Publikum […] [ihre] eigene Ansicht […] präsentieren“ zu wollen (19 Prozent vs. 18 Prozent Zustimmung), ab. IT-Journalisten sehen – im Vergleich zu Journalisten im Allgemeinen – ihre Aufgabe weniger darin, die Realität abzubilden (74 Prozent vs. 51 Prozent Zustimmung), eine Kritikfunktion auszuüben (58 Prozent vs. 46 Prozent), Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren (24 Prozent vs. 8 Prozent) oder positive Ideale zu vermitteln (40 Prozent vs. 26 Prozent). Insbesondere die Kritik- und Kontrollfunktion dürfte wegen der engen Kontakte zu einer überschaubaren Anzahl von Herstellern und Anbietern sowie der geringen Zahl von handfesten IT-Skandalen in der Vergangenheit gering ausgeprägt sein. Die geringere Relevanz dieser Aufgabe entspricht dem Berufsbild des Fachjournalisten und bekräftigt die Annahme, wonach Fachjournalisten gegenüber der Industrie im Großen und Ganzen eher partnerschaftlich und nicht gegnerisch eingestellt sind – zumindest im Vergleich zu Journalisten im Allgemeinen. Das zeigt sich auch in der geringen Zahl der ITJournalisten, die sich als „Gegenpol zur Wirtschaft“ begreifen (23 Prozent). Dass IT-Journalisten keine Werte oder Ideale vermitteln wollen, liegt daran, dass der Begriff auf ein Thema wie Informationstechnologien schwer anwendbar ist. Die Berichterstattungsgegenstände sind in der Regel nicht normativ wertgeladen. Zwar können auch Technologien prinzipiell mit Werten verbunden werden, wie
10 Vgl. Weischenberg et al. 2006. 11 Vgl. Anczikowski 2008.
85
Die Journalisten im IT-Sektor
das wertende Framing der Atomtechnologien oder der Gentechnik in Deutschland zeigt. Eine solche Wertladung von Technologien ist aber eher die Ausnahme als die Regel.
Frage: „Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben als Fachjournalist? Bitte geben Sie jeweils an, welche Aussage für Sie voll und ganz, überwiegend, teils teils, weniger oder überhaupt nicht zutrifft.“ "In meinem Beruf geht es mir darum..."
„...das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren“
89 89
„...komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln“
79 88
„...neue Trends aufzuzeigen und neue Ideen zu vermitteln“
44 87
„...dem Publikum möglichst schnell Informationen zu vermitteln“
74 77
„...dem Laien technische Hintergründe zu vermitteln“
74
„die Interessen der Nutzer und Verbraucher zu vertreten“
65
„...Lebenshilfe für das Publikum zu bieten, also als Ratgeber zu dienen“
44 63
„...dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten“
37 60 74
„die Realität genauso abzubilden, wie sie ist“
51 58
„...Kritik an Missständen zu üben“
46 40
„...positive Ideale zu vermitteln“
26
„...einen Gegenpol zur Wirtschaft darzustellen“
23
„...dem Publikum meine eigene Ansicht zu präsentieren“
19 18
„...die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren“
Trifft überwiegend / voll und ganz zu %
24 8
0
Journalisten in Deutschland
20
40
60
80
100
IT-Journalisten
Basis: n=102 IT-Journalisten. Abb. 4.11: Rollenselbstbild der IT-Journalisten und der Journalisten allgemein.
Auf der anderen Seite gehören viele Aufgaben, die Journalisten im Allgemeinen nur bedingt als Teil ihres Berufs begreifen, für IT-Journalisten wie selbstverständlich zu ihrem Aufgabenspektrum. Als Fachjournalisten weisen IT-Journalisten eine starke Serviceorientierung auf – diese Überlegung wird klar bestätigt: Die
86
Ergebnisse
große Serviceorientierung spiegelt sich etwa im größeren Gewicht der Ratgeberrolle (44 Prozent Zustimmung bei den Journalisten allgemein vs. 63 Prozent bei den IT-Journalisten) sowie der Unterhaltungs- und Entspannungsfunktion (37 Prozent vs. 60 Prozent). Auch die (wenngleich schwache) Tendenz, dass ITJournalisten es stärker noch als ihre General Interest-Kollegen als ihre Aufgabe sehen, „… komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln“, kann man als Besonderheit des fachjournalistischen Berufsverständnisses begreifen (79 Prozent vs. 88 Prozent). Große Differenzen zwischen IT-Journalisten und den Journalisten in Deutschland zeigen sich schließlich beim Rollenverständnis als Informations- und Innovationsvermittler: 87 Prozent der IT-Journalisten sehen es als ihre Aufgabe, „… neue Trends aufzuzeigen und neue Ideen zu vermitteln“. Bei den Journalisten im Allgemeinen sind es lediglich 44 Prozent. Hier dürfte es sich um ein Spezifikum des Technikjournalismus im Allgemeinen und des IT-Journalismus im Besonderen handeln, da die rasante Geschwindigkeit der Entwicklung und Popularisierung neuer Technologien die Vermittlung von Trends zu einer alltäglichen Aufgabe werden lässt. Höchstens Modejournalisten dürften in einem ähnlichen Maß das Aufzeigen neuer Trends als Hauptmerkmal ihres Aufgabenprofils begreifen. Obwohl keine Vergleichsdaten für die „Journalisten in Deutschland“ vorliegen, kann man davon ausgehen, dass IT-Journalisten eine wichtige Aufgabe in ihrem Beruf darin sehen, „… Laien technische Hintergründe zu vermitteln“ (74 Prozent Zustimmung). Die beiden letzten Forschungsfragen dieses Kapitels kann man also wie folgt beantworten: IT-Journalisten sind tatsächlich besonders serviceorientiert, sehen sich in der Rolle des (auch unterhaltenden) Trendscouts, Ratgebers, Erklärers und Informationsvermittler (elfte Forschungsfrage). Und sie weisen eine weniger große Distanz zur Industrie auf, sehen sich nicht so sehr als Gegenpol zur Wirtschaft oder als Kritiker von Missständen (zwölfte Forschungsfrage). Zwar gibt es gerade zum letzten Punkt – dem Verhältnis zwischen IT-Journalisten und ITWirtschaft – noch deutlich mehr zu sagen, jedoch kann man bereits an dieser Stelle im Vorgriff auf die diesbezüglichen Analysen in späteren Abschnitten eine gewisse Nähe zur IT-Industrie erkennen.
4.2 Die Themen und das Medienumfeld Wenn man sich ein Bild davon machen will, was IT-Journalisten typischerweise kennzeichnet, muss man neben ihren biographischen und individuellen Sichtweisen auch ihre thematischen Schwerpunkte und das mediale Umfeld, in dem sie sich alltäglich bewegen, in den Blick nehmen. Dazu gehört die Frage, wie die
Die Themen und das Medienumfeld
87
sie umgebenden Redaktionsstrukturen aussehen wie auch die Frage, wie sie Konkurrenzangeboten wahrnehmen. Die Berücksichtigung solcher Kontextfaktoren wie Themenagenda, redaktionelle Einbettung und Stellung im medialen Umfeld schärft die Konturen des wissenschaftlichen Bildes vom IT-Journalismus. In der Logik des Hierarchy-of-Influences-Model werden an dieser Stelle vor allem die Routine- und die Organisationsebene berührt.
4.2.1 Forschungsfragen Auch hier ist es geboten, zunächst die Forschungsfragen zu konkretisieren, welche die Darstellung der Ergebnisse strukturieren. Der ersten Forschungsfrage liegt die Annahme zugrunde, dass gerade der IT-Journalismus besonders stark und besonders schnell die Möglichkeiten des Internets und der zunehmenden Konvergenz von Offline- und Online-Medien entdeckt und genutzt haben dürfte. Im IT-Journalismus dürfte entsprechend die Verbreitung der Inhalte primär im Internet erfolgen – die Journalisten müssten entweder ausschließlich Inhalte für Web-Auftritte ihres Verlages oder – im Sinne der Medienkonvergenz im Bereich der Content-Produktion – gleichermaßen für Print- und Online-Angebot produzieren. Die erste Frage lautet folglich: Frage 1: IT-Publikationen haben neben der gedruckten Publikation heute immer auch ein Webangebot – viele werden sogar ausschließlich im Internet angeboten. Gibt es also noch IT-Journalisten, die exklusiv für Print-Medien schreiben? Man könnte einwenden, dass die im vorherigen Kapitel dokumentierte relativ große Bedeutung der Printausgaben bereits eine Antwort nahelegt: Viele Journalisten arbeiten für Medien, die eine Auflage zwischen 100 000 und 999 999 Exemplaren haben. Die monatliche Zahl der Visits auf den Internetseiten der Publikationen liegt um etwa den Faktor zehn höher – jedoch kann man die Werte nicht direkt vergleichen, weil eine Person mehrere Visits verursacht haben kann und dafür das Angebot vermutlich weniger intensiv nutzt als die einmal gekaufte Zeitschrift. Um die Zahlen vergleichbar zu machen, müsste man zumindest auch erfassen, wie häufig ein verkauftes Exemplar in die Hand genommen wird und wie intensiv jeweils gelesen wird.¹² Man könnte folglich annehmen, dass die Printausgaben offenbar noch eine bedeutsame Rolle spielen. Ein Indiz, das aller-
12 Ein Vergleich ist auch erschwert, weil nicht alle Printausgaben monatlich erscheinen, sondern teilweise vierzehntägig.
88
Ergebnisse
dings für die These vom Absterben des Printsektors spricht, ist der stetige Auflagenverlust, den die IT-Presse im Printbereich in den letzten Jahren zu verzeichnen hatte – und die ihn begleitende Abwanderung der Leser ins Internet (vgl. Kapitel 2.2.2). Die zweite Forschungsfrage hat das Themenspektrum des IT-Journalismus zum Gegenstand: Als Expertenpopulation im größeren Feld des Technikjournalismus, so könnte man annehmen, beschränken sie sich auf die technischen bzw. produktbezogenen Aspekte ihres Fachgebietes (technische Innovationen und neue Produkte im IT-Bereich) und nur am Rande werden auch politische, juristische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte der IT-Welt berührt. Allerdings haben viele IT-Journalisten kein technisches, sondern ein geistes-, kultur- oder sozialwissenschaftliches Studium absolviert, auch offenbart schon der flüchtige Blick in die IT-Publikationen, dass das Berichterstattungsspektrum deutlich mehr Vielfalt offenbart: Bisweilen werden z.B. wirtschaftliche Entwicklungen und aktuelle Gesetzgebungsprojekte zur Regulation der Informationsund Kommunikationstechnologien thematisiert oder sozial relevante Themen wie Spielsucht angesprochen. Man sollte folglich den IT-Journalisten ein breiteres Interessenspektrum unterstellen, als man dies auf den ersten Blick annehmen könnte. Die zweite Forschungsfrage lautet entsprechend: Frage 2: Welche Themenschwerpunkte prägen die IT-Berichterstattung? Stehen technische Themen im Vordergrund, soziale, politische und wirtschaftliche Themen im Hintergrund? Neben der Frage, auf welchen Plattformen IT-Journalisten publizieren und welche Themen sie bearbeiten, stellt sich in diesem Abschnitt der Untersuchung auch die Frage, wie sie die eigene Redaktion bzw. Publikation wahrnehmen und bewerten und – wichtig zur Einordnung dieser „Selbstperzeptionen“ – wie sie die Arbeit der Konkurrenz, also der sie umgebenden Medienumwelt wahrnehmen und bewerten. Redaktionen von IT-Medien können sich auf verschiedenen Gebieten auszeichnen, beispielsweise durch besonders hohe Genauigkeit in der Berichterstattung, enge Kontakte zu Herstellern, einen guten Draht zu den Lesern, einem guten Gespür für Innovationen, einer Resistenz gegen Hypes um Produkte und Übertreibungen der Hersteller. Die Bewertung der Leistung der eigenen Redaktion kann man dabei für sich alleine betrachten oder im Vergleich zu einem Urteil über die Konkurrenz. Letzteres liefert einen Maßstab, an dem man ablesen kann, in welchen Bereichen Journalisten bei ihrem eigenen Medium besondere Stärken oder Schwächen sehen. Man kann davon ausgehen, dass IT-Journalisten in der Regel ihre eigene Redaktion – auch zur Rechtfertigung ihrer eigenen Tätigkeit – besser bewerten als die Konkurrenz. Aufschlussreich ist zudem, wo die IT-Journalisten Besonderheiten ihrer Redaktionen wahrnehmen. An den wahrge-
Die Themen und das Medienumfeld
89
nommenen Stärken des eigenen Arbeitgebers müssten sich auch die als bedeutsam wahrgenommenen Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen ITMedienangeboten ablesen lassen. Die Forschungsfragen lauten daher: Frage 3: Wie beurteilen IT-Journalisten die eigene Publikation bei den Eigenschaften, die als wichtige Qualitätskennzeichen gelten? Frage 4: Wie beurteilen IT-Journalisten konkurrierende Publikationen bei den Eigenschaften, die als wichtige Qualitätskennzeichen gelten?
4.2.2 Publikationsplattformen Frage: „Wenn Sie über Themen aus dem IT-Bereich schreiben, wo werden Ihre Beiträge dann in der Regel veröffentlicht?“
„Das ist unterschiedlich mal so, mal so“ 13%
„In der Regel online (z.B. auf der Website)“ 29%
„Beides, online und als Printversion“ 27%
„In der Regel im gedruckten Heft“ 31%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.12: Online- und Printpublikation von Beiträgen.
Die Antwort auf die erste Forschungsfrage lautet „eindeutig ja“: Es gibt einen beträchtlichen Anteil von IT-Journalisten, deren Beiträge vornehmlich für das „gedruckte Heft“ vorgesehen sind (31 Prozent), was zwar streng genommen eine anschließende Online-Publikation nicht ausschließt, aber einen Rückschluss auf den Vorrang der Printbeiträge bei einem knappen Drittel der IT-Journalisten erlaubt. Ein etwa gleich großer Teil der Journalisten gibt an, Beiträge „[i]n der Regel online“ (29 Prozent) zu veröffentlichen – auch daran lässt sich implizit die nach wie vor große Bedeutung der gedruckten Hefte ablesen. Regelmäßig zwischen den Online- und Offline-Welten wechseln 13 Prozent der Befragten. Etwas
90
Ergebnisse
mehr als ein Viertel der Befragten wechselt nicht zwischen den Publikationsmodi, sondern veröffentlicht Beiträge routinemäßig auf beiden Publikationsplattformen, arbeitet also zweigleisig im Sinne crossmedialer Contentproduktion.¹³ Somit haben 60 Prozent der Befragten eine klare Zuordnung zu einer Publikationsplattform, 40 Prozent dagegen nutzen gleichzeitig oder abwechselnd mehrere Publikationsplattformen. Trotz aller Anfechtungen spielt das gedruckte Heft nach wie vor eine große Rolle – zumindest im journalistischen Alltag gehört das Schreiben für eine traditionelle Zeitschrift zum klassischen Repertoire der IT-Journalisten. Gleichwohl findet der größte Teil der Berichterstattung heute (auch) online statt.
4.2.3 Themenschwerpunkte Die zweite Forschungsfrage betrifft die Themenschwerpunkte der IT-Journalisten und macht dabei eine Unterscheidung zwischen technischen und gesellschaftlichen Schwerpunkten in der Berichterstattung. IT-Journalismus ist Teil des Technikjournalismus, was die Annahme rechtfertigen würde, dass sich IT-Journalisten in erster Linie mit den technischen und produktbezogenen Details ihrer Berichterstattungsgegenstände befassen. Hier können sie ihre Expertise ausspielen und auch die Rezipienten erwarten solche Inhalte mit konkretem Nutzwert. Der weitere gesellschaftliche Rahmen ihres Themengebietes würde dementsprechend eher am Rande behandelt. Die Befunde zeigen, dass die der Forschungsfrage zugrunde liegende Annahme weitgehend zutrifft (Abbildung 4.13): Die wichtigsten Berichterstattungsthemen sind Technologien (Internet, Mobilkommunikation), Produkte (Hardwareentwicklung, Spiele, Software) und technikbezogene Events. Gesellschaftliche und politische Entwicklungen, Geschäftsideen und Projekte, Märkte und Unternehmen, Krisen und Konflikte sowie Personen aus der IT-Branche sind als Berichterstattungsgegenstände weniger bedeutsam – wobei auch über solche Themen immerhin noch zwischen 21 und 41 Prozent der IT-Journalisten regelmäßig berichten. Der Fokus der Berichterstattung liegt jedoch eindeutig auf der Technologie und den Produkten als Technologieträgern. Gesellschaftliche Bezüge werden jedoch keineswegs ausgeblendet, sondern durchaus regelmäßig behandelt. Auch sie sind ein durchaus wichtiger Teil des Themenspektrums der IT-Medien – allerdings keiner, der diese Form der Fachpresse vordringlich auszeichnet.
13 Vgl. Klinenberg 2005.
91
Die Themen und das Medienumfeld
Frage: „Worüber berichten Sie regelmäßig? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft.“
„Neuigkeiten und Trends in der Hardwareentwicklung“
69
„Wichtige Events und (Fach-) Messen“
67
„Das Internet (z.B. Online Anwendungen, - Dienste, Portale und Communities)“
55
„Computer- und/oder Konsolenspiele“
51
„Neuigkeiten und Trends in der Softwareentwicklung (außer Spiele)“ „Mobilkommunikation (z.B. Smartphones und deren Anwendungen)“ „Gesellschaftliche bzw. politische Entwicklungen auf dem IT-Sektor (z.B. Jugendschutz, Internetzensur)“ „Spektakuläre Projekte und originelle Geschäftsideen in der IT-Branche“ „Über die Märkte und Unternehmen im IT-Sektor (z.B. Entwicklungen im Software- & Hardware-Markt)“
50 46 41 39 39
„Krisen und Konflikte in der IT-Branche“
30
„Wichtige Personen aus der IT-Branche“
21
„Andere Themen, und zwar“
13 0
in % 20
40
60
80
Basis: n=102 IT-Journalisten. Abb. 4.13: Themen der IT-Journalisten.
4.2.4 Die eigene Redaktion und die Konkurrenz Die dritte und vierte Forschungsfrage in diesem Teil der Analysen nehmen das Leistungsprofil der eigenen Redaktion im Vergleich zu den Konkurrenten in den Blick. Es wurde unterstellt, dass IT-Journalisten ihre eigene Redaktion gerade dort besonders stark positioniert einschätzen, wo deren Stärken liegen – und die Konkurrenz gerade dort als besonders schwach positioniert wahrnehmen. Es kommt folglich nicht nur auf die Frage an, wie die eigene Publikation bzw. wie konkurrierende Publikationen beurteilt werden, sondern auch auf die Frage, in welchen Bereichen IT-Journalisten Unterschiede zwischen der eigenen Redaktion und den Konkurrenten sehen. Die Analysen zeigen, dass IT-Journalisten in der Regel davon ausgehen, dass die eigene Redaktion und die Konkurrenz über gute Kontakte zu den Herstellern verfügen – auch wenn sie der eigenen Redaktion etwas bessere Kontakte unterstellen als der Konkurrenz (Abbildung 4.14): 86 Prozent stimmen voll und ganz oder eher zu, dass ihre eigene Redaktion „[…] gute Kontakte zu den Herstellern“
92
Ergebnisse
habe, der Konkurrenz schreiben das 76 Prozent der IT-Journalisten zu. Der Kontakt zu den Quellen scheint also aus Sicht der Journalisten nicht den Unterschied zwischen dem eigenen Medium und den anderen Fachmedien auszumachen. Auch die Konkurrenzbeobachtung scheint nach Ansicht der IT-Journalisten grundsätzlich zum IT-Journalismus dazuzugehören: 73 Prozent stimmen voll und ganz bzw. eher zu, dass sie „…[genau] beobachten […], was andere Magazine / Online-Angebote schreiben“, 69 Prozent meinen, dass auch die Konkurrenten ihre jeweilige Konkurrenz genau beobachten. Den Unterschied von vier Prozentpunkten kann man vernachlässigen. Klare Divergenzen zwischen dem eigenen Angebot und konkurrierenden Fachmedien beobachten IT-Journalisten hingegen in der Häufigkeit von Fehlern: Nur vier Prozent der befragten IT-Journalisten behaupten, ihrer eigenen Redaktion unterliefen oft Fehler, immerhin 23 Prozent glauben dagegen, dass es in Konkurrenzmagazinen oft zu Fehlern käme. Auch wenn diese Einschätzung durchaus Ergebnis von Wunschdenken sein dürfte, zeigt sie, dass die IT-Journalisten Fehler in der Berichterstattung als eine Dimension begreifen, auf der sich die Leistungen von Redaktionen unterscheiden können – auch wenn sie insgesamt annehmen, dass solche Fehler eher die Ausnahme als die Regel sind. Das spricht insgesamt für eine recht hohe Qualität der redaktionellen Arbeit – zumindest aus der Sicht die IT-Journalisten. Ähnlich starke Unterschiede sehen IT-Journalisten bei der Publikumsorientierung: Während 67 Prozent annehmen, dass die eigene Redaktion einen „guten Draht“ zu den Lesern hat, glauben nur 48 Prozent, dass dies auch für die Kollegen bei anderen IT-Medien zutrifft. Die Qualität der Publikumsorientierung wird folglich von den IT-Journalisten ebenfalls als Unterscheidungskriterium und als Erfolgsfaktor gesehen. Noch deutlichere Unterschiede bestehen aus der Sicht der IT-Journalisten in der Anfälligkeit gegenüber Hypes um Produkte und Innovationen. Obwohl die Mehrheit der Befragten glaubt, dass IT-Redaktionen gegenüber Hypes weitgehend resistent sind, sehen sie dennoch einen krassen Unterschied zwischen ihrem eigenen Medium, das sie für weitgehend immun gegen Hypes halten, und den Konkurrenten, die in ihren Augen anfälliger für solche Übertreibungen sind: Nur zehn Prozent der Befragten sagen über die eigene Redaktion, sie lasse sich „zu häufig von Hypes und PR blenden“ – immerhin 38 Prozent vermuten eine solche Anfälligkeit bei der Konkurrenz. Auch hier sehen IT-Journalisten einen Aspekt ihrer Arbeit, bei dem sich Qualitätsunterschiede zwischen den Redaktionen bemerkbar machen. Die größten Unterschiede sehen IT-Journalisten dort, wo eine für das Selbstverständnis ihrer Profession fundamentale Eigenschaft tangiert wird: das Aufspüren von Innovationen. In diesem Gespür sehen die meisten IT-Journalisten das Alleinstellungsmerkmal ihrer Redaktion gegenüber den Konkurrenten: Während
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Die Themen und das Medienumfeld
77 Prozent behaupten, die eigene Redaktion habe „ein gutes Gespür für Innovationen“, gestehen nur 44 Prozent dieselbe Fähigkeit auch den Konkurrenten zu. Hierbei handelt es sich offenbar um einen Ausweis für Qualität und Erfolgsfaktor in der IT-Berichterstattung, welchen IT-Journalisten dem eigenen Medium gerne zuschreiben, der Konkurrenz aber nur widerwillig zugestehen. Frage: „Wenn Sie einmal Ihre eigene Redaktion kritisch beurteilen, wie sehr treffen die folgenden Aussagen Ihrer Meinung nach auf ihr eigenes Magazine bzw. Online-Angebot alles in allem zu? Frage: „Und wenn Sie einmal an Ihre Fachkollegen bei anderen Zeitschriften oder OnlineAngeboten denken, wie sehr treffen die folgenden Aussagen auf diese Kollegen zu?
76
„… haben gute Kontakte zu den Herstellern.“
86
44
„…haben ein gutes Gespür für Innovationen“
77
„…beobachten genau, was andere Magazine / OnlineAngebote schreiben [was unser Magazin / OnlineAngebot schreibt].“
69 73
48
„…haben einen guten Draht zu unseren Lesern [zu ihren Lesern]“
67
38
„…lassen uns [lassen sich] zu häufig von Hypes und PR blenden“
10 Trifft voll und ganz / eher zu %
23
„…machen in unserer [ihrer] Berichterstattung oft Fehler“
4 0
Fachkollegen bei anderen Medien
20
40
60
80
100
Eigene Redaktion
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.14: Bewertung der eigenen Redaktion im Vergleich zu den Fachkollegen bei anderen Medien.
Für den subjektiven „Vorsprung“ der eigenen Redaktion vor der Konkurrenz kommt jedoch nicht nur Wunschdenken als Erklärung in Frage, auch der ActorObserver-Bias¹⁴ kann solche Unterschiede erklären: Während die IT-Journalisten die Arbeit der eigenen Redaktion aus der Innen- oder Akteursperspektive wahr-
14 Vgl. Jones & Nisbett 1971.
94
Ergebnisse
nehmen, führen sie Fehler, Irrtümer oder Versäumnisse vor allem auf situative Umstände zurück. Die Konkurrenten nehmen sie hingegen aus der Außen- oder Beobachterperspektive wahr, was dazu führt, dass Fehler, Irrtümer oder Versäumnisse vor allem auf die handelnden Personen oder Organisationen zurückgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit ist eine methodische Erklärung: Da im Sample der Untersuchung populäre und erfolgreiche IT-Medien mit relativ großen Redaktionen und vielen Ressourcen überrepräsentiert sind, ist durchaus möglich, dass diese Redaktionen im direkten Vergleich zu den Konkurrenten tatsächlich gut abschneiden. Unabhängig von solchen Spekulationen über mögliche Gründe für die Unterschiede in Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Stärken und Schwächen im Vergleich mit denen der Konkurrenz können die dritte und vierte Forschungsfrage vergleichsweise eindeutig beantwortet werden: IT-Journalisten sehen nicht in allen Feldern Qualitätsunterschiede zwischen IT-Fachpublikationen, sondern vor allem bei Publikumsorientierung, bei der Fehler- bzw. Hypeanfälligkeit und besonders beim Gespür für Innovationen. Hier können sich IT-Medien offenbar am ehesten unterscheiden. Und im Saldo kommen sie selbst besser davon als die Konkurrenz.
4.3 Quellen und Informationsbeschaffung Wenn man analysiert, was die Qualität von Redaktionen im Bereich der IT-Fachpresse auszeichnet und woran sich in den Augen der befragten Journalisten gute von weniger guten Redaktionen, die eigene von der Konkurrenz unterscheiden lässt, dann fällt ins Auge, dass der gute Kontakt zu den Herstellern, also den primären Informationsquellen, ein wesentliches Kriterium zu sein scheint: ITJournalisten gestehen diese Fähigkeit sogar ihren Konkurrenten zu – was den Schluss nahelegt, dass solche Kontakte ein zentrales Charakteristikum des ITJournalismus sind. Dieser Schluss wird durch die Forschung zum Fachjournalismus gedeckt: Autoren in diesem Feld haben immer wieder argumentiert, dass es solche engen Kontakte gibt – und kritisiert, dass sie bisweilen unstatthaft sind (vgl. Kapitel 2.2.2). Unzweifelhaft sind solche engen Kontakte wichtig für die Informationsrecherche. Ebenso unzweifelhaft eröffnet die Enge der Kontakte Spielräume für Korrumpierbarkeit und gefährdet die Neutralität der Berichterstattung. Daneben sind jedoch noch eine Reihe weiterer Quellen wichtig für die journalistische Arbeit, die Informationsbeschaffung bahnt sich auch Wege abseits der Sphäre der IT-Unternehmen. Entsprechend steht im Folgenden die Frage im Raum, wie genau die Informationsbeschaffung abläuft und wie sich der Kontakt zu den relevanten Quellen im Einzelnen darstellt. Informationen sind
Quellen und Informationsbeschaffung
95
die Grundlage der Berichterstattung und ihre Beschaffung ist ein Kernaspekt der Arbeit von IT-Journalisten. Die Informationsbeschaffung, wie sie im Folgenden erhoben wird, berührt in der Logik des Hierarchy-of-Influences-Model vor allem die Extra-Media- aber in Teilen auch die Routine-Ebene.
4.3.1 Forschungsfragen Generell kann man davon ausgehen, dass die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen für den Fachjournalismus – insbesondere auch den Technikjournalismus – eine größere Rolle als für den General-Interest-Journalismus spielt, was auch in den wenigen bis dato durchgeführten Studien nachgezeichnet wird. Gründe dafür sind die geringere Zahl von unabhängigen Quellen (z.B. Behörden, unabhängige Prüfstellen) und das damit einhergehende Informationsmonopol der Hersteller und Entwickler. Auch sind die Hersteller und Entwickler die einzige Bezugsquelle für neu entwickelte Produkte, die einer der wichtigsten Berichterstattungsgegenstände der IT-Presse sind. IT-Redaktionen beziehen die Neuerscheinungen direkt vom Hersteller. Außerdem begleiten sie – wenn sie besonders gute Kontakte haben – bisweilen den Produktentwicklungsprozess, bekommen Prototypen zu Gesicht und erfahren erste Fakten über neue technische Spezifikationen und über das Leistungsspektrum von in der Entwicklung befindlichen Produkten. IT-Journalisten sind folglich in gewisser Hinsicht abhängig von mehr oder weniger exklusiven Informationen der IT-Industrie – sie müssen sich auf die Spielregeln der Industrie einlassen. Aus dieser Beziehungsasymmetrie¹⁵ lässt sich die Vermutung ableiten, dass die Industrie-PR einen relativ großen Einfluss auf die IT-Journalisten hat und diese weitgehend unkritisch mit den Inhalten der PR umgehen. Zudem werden im Journalismus viele der wichtigeren Informationen auch abseits der Öffentlichkeit im Rahmen persönlicher, bisweilen auch vertraulicher Kontakte weitergegeben. Die Exklusivität kann von beiden Seiten gewünscht sein, ändert die Art der Beziehung zwischen Journalisten und Industrie und ermöglicht unerwünschte Nebeneffekte wie Beeinflussbarkeit und Korrumpierbarkeit im Journalismus. Aus diesen Spekulationen lassen sich einige Forschungsfragen ableiten:
15 Die Industrie ist in gewisser Weise auch von den IT-Medien abhängig, um ihre Produkte zu vermarkten, weshalb sie den Redaktionen auch kostenlose Testprodukte zur Verfügung stellen. Durch diese Wechselseitigkeit wird die Beziehungsasymmetrie gemildert (vgl. Jackob, Geiß, Quiring, im Druck).
96
Frage 1: Frage 2:
Frage 3: Frage 4: Frage 5:
Ergebnisse
Wie beurteilen die IT-Journalisten ihre Recherchemöglichkeiten? Werden IT-Journalisten regelmäßig mit Informationen aus den ITUnternehmen versorgt? Verlassen sie sich bei ihrer Berichterstattung auf persönliche Kontakte zu IT-Unternehmen und auf UnternehmensPR? Verwenden IT-Journalisten häufig PR-Texte in ihrer Berichterstattung? Tauschen IT-Unternehmen und -Journalisten Informationen auch im vertraulichen Rahmen aus? Spielen vertrauliche Informationen im IT-Journalismus eine große Rolle?
Abseits dieser Annahmen zum Verhältnis von Fachjournalisten und Unternehmenskommunikation hat sich für IT-Journalisten in den vergangenen Jahren eine neue Quelle aufgetan: User-Generated Content im Internet. Nutzerkommentare und Nutzerbewertungen, Expertenmeinungen und Insiderinformationen finden sich auch jenseits der Unternehmens-SPHÄRE als freie, von den Nutzern erstellte Inhalte, von denen viele potenziell publikationswürdig sind.¹⁶ Wie in der Einführung zu diesem Buch dargelegt, gehört es für IT-Journalisten mittlerweile zur Pflicht, solche Inhalte zu rezipieren und ernst zu nehmen – wenngleich daraus nicht zwangsläufig auch Publikationen folgen (vgl. Kapitel 2.2.3). Da diese neue Quelle von Informationen und Meinungen gleichsam durch Informationstechnologie erst erschlossen wurde, kann man vermuten, dass die Akzeptanz für UserGenerated Content bei den IT-Journalisten besonders hoch ist, zumal sie ihrem Publikum durchaus einige Expertise zuschreiben – was ebenfalls in der Einleitung gezeigt wurde und an anderer Stelle in dieser Studie gezeigt wird. Auch angesichts des generellen Mangels an verlässlichen Quellen und der Abhängigkeit von der Öffentlichkeitsarbeit der IT-Industrie kann man vermuten, dass ITJournalisten häufig User-Generated Content aufgreifen oder die User direkt als „freie Mitarbeiter“ Content auf dem eigenen Internetangebot produzieren lassen. Für die folgenden Untersuchungsschritte kann man zwei weitere Forschungsfragen ableiten: Frage 6: Lesen IT-Journalisten regelmäßig User-Generated Content? Frage 7: Nehmen IT-Journalisten User-Generated Content in ihre Berichterstattung auf? Aus der Technikbezogenheit des IT-Journalismus kann man zudem ableiten, dass IT-Journalisten bei der Suche nach Informationen nicht in erster Linie versuchen,
16 Zum journalistischen Umgang mit User-Generated-Content vgl. Thurman 2008.
Quellen und Informationsbeschaffung
97
Kontakt mit den PR-Spezialisten der Unternehmen herzustellen, sondern es vorziehen, sich direkt mit den Entwicklern der Produkte und Technologien auszutauschen. Im Umkehrschluss dürften diejenigen IT-Journalisten besonders zufrieden mit ihren Quellen sein, die einen direkten Draht zu den Entwicklern haben. Wer dagegen von der PR-Abteilung „abgespeist“ wird, dürfte eher unzufrieden mit seinen Unternehmenskontakten sein. Frage 8: Mit welchen Ansprechpartnern haben IT-Journalisten in den IT-Unternehmen Kontakt? Wie zufrieden sind sie mit ihren Kontakten?
4.3.2 Informationsquellen und Rechercheaufwand Man könnte annehmen, dass IT-Journalisten ihre Informationen ohne großen Aufwand beschaffen können, u.a. weil die IT-Industrie ein eigenes Interesse an engen Kontakten zu ihnen hat und diese proaktiv pflegt. Es ist im besten Unternehmensinteresse, ein gutes Verhältnis zu einigermaßen zufriedenen Journalisten zu haben. Entsprechend würde eine aktive und vorausschauende Informationspolitik Journalisten aktuelle Informationen „frei Haus“ liefern. Exklusive oder besonders wichtige Informationen würden über entsprechend exklusive Informationswege im vertraulichen Rahmen ausgetauscht. Diese Annahmen sind plausibel, aber es ist völlig offen, ob sie zutreffen, weil man nicht weiß, wie ITJournalisten ihre Recherchemöglichkeiten beurteilen (erste Forschungsfrage). In einem ersten Schritt wurden die Journalisten gefragt, wie leicht es ihnen im Allgemeinen fällt, zu ihren Themen zu recherchieren. Einen Vergleichsmaßstab liefert eine Befragung unter Immobilienjournalisten unter Beteiligung des Erstautors, die ermittelte, dass über 40 Prozent der mit Immobilienthemen befassten Fachjournalisten mit ihren Recherchemöglichkeiten unzufrieden waren und sagten, man bekomme auch unter großem Zeitaufwand kaum gute Informationen. Weniger als 20 Prozent hingegen sagten, gute Informationen seien relativ schnell zu erhalten. Als Ursache für dieses negative Bild von den eigenen Recherchemöglichkeiten wurde der insgesamt sehr intransparente Immobilienmarkt und die überwiegend als negativ qualifizierten Kontakte zu den Unternehmen ausgemacht.¹⁷ Welches Bild ergibt sich nun bei der Betrachtung der IT-Fachjournalisten? Nur eine kleine Minderheit von drei Prozent der IT-Journalisten bestreitet generell, dass man an belastbare Informationen kommen kann – sogar bei großem Rechercheaufwand (Abbildung 4.15). Die restlichen 97 Prozent der IT-Journalis-
17 Vgl. Jackob et al. 2008: 173.
98
Ergebnisse
ten geben an, dass man mit mehr oder weniger großem Aufwand an belastbare Informationen kommen kann. Ein knappes Drittel (31 Prozent) sagt, dass man „in der Regel relativ schnell gute Informationen“ bekommt. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um die Mehrheit der IT-Journalisten – auch die Gegenposition, dass man „in der Regel viel Zeit aufwenden [muss], um gute Informationen zu erhalten“ bezieht etwas mehr als ein Viertel der IT-Journalisten (28 Prozent). Die restlichen 38 Prozent – und damit die relative Mehrheit der IT-Journalisten – vertritt die Position, dass der Rechercheaufwand sich „von Fall zu Fall verschieden“ gestaltet. Im Gegensatz zu den Immobilienjournalisten scheinen die IT-Journalisten auf einem transparenteren, kommunikativ zugänglicheren Markt zu arbeiten und – wie sich später zeigen wird – auch bessere Kontakte zu ihren jeweiligen Unternehmenspartnern zu pflegen. Dieser bisher erste vergleichende Eindruck aus ähnlich angelegten Befragungen deutet an, welcher Erkenntnisgewinn zu erreichen wäre, wenn man sich vornähme, weitere journalistische Fachsparten mit ähnlich angelegten Messinstrumenten empirisch zu analysieren: Man erhält auf diese Weise nicht nur belastbarere Grundlagen zur Beurteilung der jeweils interessierenden fachjournalistischen Sparte, sondern darüber hinaus auch vergleichbare Eindrücke über die für die Journalisten relevanten Akteure und Märkte sowie deren strukturellen Ähnlichkeiten und Differenzen. Man kann weiterhin annehmen, dass sich IT-Journalisten (wie andere Fachjournalisten auch) vor allem auf Informationen aus den IT-Unternehmen selbst (auch Industrie-PR) verlassen, nicht etwa weil sie wollen oder weil es bequemer ist, sondern weil sie es angesichts der geringen Zahl der Quellen tun müssen. Um die zweite Forschungsfrage beantworten zu können, wurden die IT-Journalisten gebeten, verschiedene Informationsquellen nach ihrer Wichtigkeit zu bewerten. Diese Quellen lassen sich als PR-Quellen, Medienquellen, unabhängige Quellen und sonstige Quellen kategorisieren. In der folgenden Analyse wird für jede Quelle der Anteil der IT-Journalisten betrachtet, die die jeweilige Quelle als wichtig oder sehr wichtig beurteilten. Auch in der bereits referierten Untersuchung von Immobilienjournalisten wurde eine vergleichbare Frage gestellt – mit dem Ergebnis, dass persönliche Kontakte zu Immobilienunternehmen eine der wichtigsten Informationsquellen für die betreffenden Journalisten waren (86 Prozent der Befragten). Auch zählten Verbände, das Internet, unabhängige Experten (wie Professoren), Pressekonferenzen bzw. -mitteilungen von Unternehmen und die Kollegen der Immobilienfachpresse zu den wichtigsten Informationsquellen (jeweils zwischen 76 und 88 Prozent der Nennungen).¹⁸
18 Vgl. Jackob et al. 2008: 169.
Quellen und Informationsbeschaffung
99
Frage: „Nun zu Ihrer täglichen Arbeit: Wie leicht oder schwer fällt Ihnen die Recherche zu Ihren Themen?“ „Man bekommt auch unter großem Zeitaufwand kaum gute Informationen“ 3%
„Das ist von Fall zu Fall verschieden“
„Man muss in der Regel viel Zeit aufwenden, um gute Informationen zu erhalten“
38%
28%
„Man bekommt in der Regel relativ schnell gute Informationen“ 31%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.15: Rechercheaufwand für hochwertige Informationen.
Das Ranking der wichtigsten Quellen der IT-Fachpresse sieht in einigen Punkten ähnlich, in anderen substantiell anders aus (Abbildung 4.16): Tatsächlich ist die IT-Industrie die mit Abstand wichtigste Informationsquelle für IT-Journalisten: „Persönliche Kontakte zu IT-Unternehmen“ (87 Prozent) sind die wichtigste Quelle überhaupt. Hier weisen beide fachjournalistischen Populationen noch eine markante Ähnlichkeit auf, die auf ein grundlegendes Kennzeichen des Fachjournalismus hinweist. Gleichermaßen gehören auch „Pressekonferenzen und Pressemitteilungen“ (65 Prozent) zu den wichtigsten Quellen der IT-Journalisten und – im Unterschied zur Immobilienfachpresse – auch „Events, Messen und Conventions“ (65 Prozent), wo in der Regel Vertreter die IT-Industrie an Ständen Produkte und Innovationen präsentieren. Die hohe Bedeutung der persönlichen Kontakte im Vergleich zu den offiziellen Pressemitteilungen und Pressekonferenzen deutet bereits an, dass sich auch die Vermutung bewahrheiten könnte, ein großer Teil der Informationsbeschaffung spielte sich hinter verschlossenen Türen
100
Ergebnisse
bzw. im vertraulichen Rahmen ab. Ähnliches ließ sich auch für den Immobilienjournalismus festhalten – doch dazu später mehr.¹⁹
Frage: „Wie wichtig sind die folgenden Informationsquellen, wenn Sie sich über Ihre jeweiligen Fachthemen informieren wollen?“ „Persönliche Kontakte zu IT-Unternehmen (z.B. Hardund Softwarehersteller)“
87
„Andere Fachjournalisten, Kollegen“
67
„Pressekonferenzen, -mitteilungen von Unternehmen“
65
„Events, Messen, Conventions“
65
„Online-Nachrichtendienste (z.B. Heise.de)“
62
„Die Fachpresse“
61
„Archiv unseres Verlages, unserer Redaktion“
46
„Verbände, Vereine (z.B. Business Software Alliance, Chaos-Computer-Club)“
26
„Unabhängige Experten (z.B. Professoren)“
25
„Offizielle Stellen (z.B. Ministerien, Jugendschutzbeauftragte)“
21
„Klassische Nachrichtenagenturen (z.B. DPA)“
10
„Fortbildungen, Seminare“
8
Sonstige
wichtig / sehr wichtig %
6 0
20
40
60
80
100
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.16: Informationsquellen.
Die medialen Quellen sind aus Sicht der IT-Journalisten am zweitwichtigsten. Dazu gehören, etwas deutlicher als bei den Immobilienjournalisten, „[a]ndere Fachjournalisten, Kollegen“ (67 Prozent) und „Online-Nachrichtendienste“ (62 Prozent). Im Vergleich zu den Immobilienjournalisten sind die Publikationen der „Fachpresse“ mit 61 Prozent der Nennungen etwas weniger wichtig – sie zählen unter den IT-Journalisten jedoch zu den wichtigsten Quellen. Noch etwas weniger bedeutsam ist das eigene Archiv (46 Prozent). Eindeutig nachrangig sind klassische Nachrichtenagenturen wie die dpa (10 Prozent). Beim Umgang mit Medienquellen zeichnet sich eine starke Kollegenorientierung ab – sowohl im persönlichen Gespräch wie auch über die Rezeption von Artikeln der Kollegen. Diese Orientierung an anderen Fachmedien konnte
19 Vgl. Kapitel 4.3.3 in diesem Buch.
Quellen und Informationsbeschaffung
101
man bereits vorab vermuten, da viele der Befragten der Aussage zustimmten, wonach ihre eigene Redaktion und die Kollegen bei anderen Fachmedien „genau beobachten, was andere Magazine / Online-Angebote schreiben“. Unter den verschiedenen medialen Quellen fungieren Online-Nachrichtendienste vermutlich ähnlich wie die klassischen Nachrichtenagenturen bei General-Interest-Medien: Sie liefern einen wichtigen Grundstock an Input, machen auf bevorstehende und sich gerade entfaltende Themen aufmerksam und dienen als Rückversicherung, dass man nichts Wichtiges vergessen oder übersehen hat. In diesem Sinne sind sie Gatekeeper, die Vorentscheidungen darüber treffen, was wichtig und weniger wichtig ist.²⁰ Die Bedeutung des eigenen Archivs zeigt, dass auch im ITJournalismus aktuelle Entwicklungen mit der früheren Berichterstattung – z.B. über Vorläuferprodukte – verknüpft werden. Das ist angesichts der zahlreichen Produktfortsetzungen, sowohl im Hardware- als auch im Softwarebereich,²¹ auch plausibel. Man kann aus der Betrachtung der medialen Quellen, derer sich IT-Journalisten regelmäßig bedienen, schließen, dass sie sich immerhin nicht ausschließlich auf Industrie-Kontakte oder PR verlassen bzw. verlassen müssen. Allerdings wäre der Einwand berechtigt, dass auch andere Medien, Fachkollegen, die Nachrichtendienste und das eigene Archiv stark vom Input der Unternehmenskommunikation beeinflusst werden und so nur bedingt als unabhängige Quellen bezeichnet werden können. Die medialen Quellen können zur Kontextualisierung eigener, aktueller Berichterstattung beitragen und dabei helfen, die Darstellungen der Industrie zu hinterfragen und kritisch zu beäugen. Vollkommen unabhängige Quellen sehen jedoch anders aus – es gibt sie (z.B. offizielle Stellen, Ämter, Experten), diese werden jedoch nur selten genutzt: Solche Quellen, die selbst Informationen, die unabhängig von der Industrie sind, erarbeiten und weitergeben, spielen als Recherchegrundlage nur eine randständige Rolle. Verbände und Vereine wie der Chaos Computer Club, unabhängige Experten wie Informatik-Professoren oder offizielle Stellen wie Ministerien oder Jugendschutzbeauftragte findet nur eine Minderheit der IT-Journalisten als Quelle wichtig oder sehr wichtig (jeweils rund 20–25 Prozent). Im Großen und Ganzen verlassen sich IT-Journalisten auf die Informationen aus der IT-Industrie und ihr eigenes Urteils-
20 Vgl. zur Bedeutung von Agenturvorgaben für die Nachrichtenauswahl vgl. Whitney & Becker 1982. 21 Im Hardware-Bereich sind prominente Beispiele die verschiedenen Prozessorgenerationen zu nennen (Pentium I, II, III, IV), im Softwarebereich z.B. Windows 95, 98, 2000, XP, Vista, 7, 8, im Spielebereich Serientitel wie Monkey Island I, II, III, IV.
102
Ergebnisse
vermögen, da sie andere Quellen entweder nicht nutzen oder sie kaum brauchbare Informationen liefern.
4.3.3 Unternehmen als Informationsquellen Die dritte Forschungsfrage hatte noch konkreter die Rolle von Industrie-PR im Alltag des IT-Journalismus zum Gegenstand. Es ist wahrscheinlich, dass ITJournalisten sehr häufig Pressemitteilung von Unternehmen erhalten – offen ist, ob sie diese in der Berichterstattung auch verwenden und wenn ja, ob sie diese mit oder ohne Änderungen veröffentlichen. Dass sie Industrie-PR für die eigene Berichterstattung verwenden, erscheint vor dem Hintergrund der oben referierten Bedeutung der IT-Industrie als Informationsquelle plausibel. Einzuwenden wäre, dass solche Pressemitteilungen zu aktuellen Entwicklungen aufgrund der langen Erscheinungsintervalle (zweiwöchentliche bzw. monatliche Veröffentlichung der Magazine) und der inhaltlichen Struktur vieler IT-Medienangebote (Fokus auf Previews und Produkttests) nur als Kontext für die Berichterstattung taugen, nicht als direkte Vorlagen für die Veröffentlichung – wie etwa im Lokaljournalismus²². Um Antworten auf die Forschungsfrage zu erhalten, wurden die IT-Journalisten gefragt, ob sie journalistisch aufbereitete PR-Texte erhalten, wie oft das vorkommt und ob sie solche Texte oder Teile daraus übernehmen. Überraschend ist, dass nur 28 Prozent der IT-Journalisten angeben, solche journalistisch aufbereiteten PR-Texte überhaupt zu erhalten (Abbildung 4.17). Die der Forschungsfrage implizit zugrundeliegende These, es handle sich bei der Übernahme und Dissemination von Unternehmens-PR um ein weit verbreitetes Phänomen, trifft offensichtlich nicht zu. Dass dieser Eindruck nicht singulär ist, sondern anscheinend auch für andere fachjournalistische Sparten zutrifft, zeigt auch die bereits mehrfach als Vergleichsmaßstab angeführte Studie unter Immobilienjournalisten – auch hier sagen nur 25 Prozent der Befragten, sie erhielten von Unternehmen PR-Texte, die man in der eigenen Berichterstattung übernehmen könnte.²³ Unter jenen IT-Journalisten, die regelmäßig mit Unternehmens-PR versorgt werden, unterscheidet sich die Häufigkeit solcher Zusendungen deutlich: Zehn Prozent der Befragten geben an, solche Texte monatlich oder seltener zu erhalten, elf Prozent wöchentlich und nur fünf Prozent täglich oder fast täglich. Erstaunlicherweise sagen die meisten IT-Journalisten, dass sie solche Mitteilungen überhaupt nicht erhalten, einer von 20 Befragten hingegen erhält solche
22 Vgl. Löffelholz 1997. 23 Vgl. Tabelle A34 im Anhang von Jackob et al. 2008.
Quellen und Informationsbeschaffung
103
Mitteilungen täglich oder fast täglich. Konsequenterweise geben nur sieben Prozent der befragten IT-Journalisten an, dass sie PR-Texte oder Teile davon für ihre Artikel übernehmen. Sogar wenn man berücksichtigt, dass Befragte solche Textübernahmen nicht gern zugeben würden, weist das Ergebnis doch recht klar darauf hin, dass PR-Texte keine allzu große Rolle im IT-Journalismus spielen. Eine „Determination“ des IT-Journalismus durch die Pressemitteilungen der Industrie scheint keine größere Gefahr zu sein. Die Antwort auf die dritte Forschungsfrage lautet folglich: PR-Texte spielen anscheinend keine größere Rolle im Alltag von IT-Journalisten.
Frage: „Erhalten Sie von IT-Unternehmen journalistisch aufbereitete Texte, die man sofort veröffentlichen könnte?“ Frage: „Wie oft kommt das vor?“ Frage: „Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus?“
73%
Erhalt von publikationsfertigen PR-Artikeln
Nein / k. A.
Frage: „Erhalten Sie von ITUnternehmen journalistisch aufbereitete Texte, die man sofort veröffentlichen könnte?“
Ja 28 % 2% Nie / k. A.
Häufigkeit des Erhalts
Frage: „Wie oft kommt das vor?“
wöchentlich täglich/fast seltener monatlich täglich 5% 11% 5% 5%
18%
Übernahme von Textteilen
Frage: „Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus?“
Nein Ja, gelegentlich 7%
93%
Ja, oft —
7%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.17: Relevanz von PR-Texten für IT-Journalisten.
Dieses Ergebnis ist wenig überraschend, wenn man die Antworten auf die Frage nach den wichtigsten Quellen betrachtet: IT-Journalisten messen den persönlichen Kontakten zu den Unternehmen den größten Stellenwert bei. Aus den
104
Ergebnisse
Befunden folgt also nicht, dass Unternehmenskommunikation irrelevant wäre, es folgt daraus nur, dass die übliche Form der PR über Pressemeldungen etc. im IT-Journalismus eine weniger wichtige Rolle spielt. Viel wichtiger ist hingegen der persönliche Kontakt zu den Unternehmen – entsprechend kann eine Beeinflussung oder gar Determination der Berichterstattung durch Informationen aus der Industrie nicht ausgeschlossen werden, sie ist nur nicht ganz so augenfällig und messbar, wie das andernorts (etwa über Input-Output-Analysen) möglich ist. Es liegt folglich die Annahme nahe, dass die Informationsbeschaffung vor allem über persönliche Kontakte und – zumal bei exklusiven und wichtigen Themen – bisweilen in vertraulichem Rahmen stattfindet. Man könnte annehmen, dass es sich beim IT-Journalismus um ein kleines Häufchen von bestens vernetzten Insidern handelt, das in stetigem, informellen Austausch zur Industrie steht, wobei beide Seiten ihre Beziehungen achten und pflegen. Entsprechend wurden die ITJournalisten nach der Relevanz von inoffiziellen Quellen und vertraulichen Informationszirkeln gefragt. Auf die Frage, wie wichtig inoffizielle Quellen sind, „also Informanten, die man nicht öffentlich nennt“, antworteten 40 Prozent der IT-Journalisten, dass solche inoffiziellen Quellen für ihre Arbeit wichtig oder sehr wichtig sind (Abbildung 4.18). Dies ist die relative, aber nicht die absolute Mehrheit der Befragten – ganz anders als unter Immobilienjournalisten: Hier sagen 77 Prozent, solche inoffiziellen Quellen seien wichtig bzw. sehr wichtig.²⁴ Unter den IT-Journalisten hingegen fanden jeweils etwa 30 Prozent der Befragten inoffizielle Quellen nur teilweise wichtig bzw. „nicht so wichtig“/“überhaupt nicht wichtig“. Der Vergleich der Ergebnisse stützt den Eindruck, dass der IT-Markt transparenter und kommunikativ zugänglicher als der Immobilienmarkt ist und dass die informationellen Austauschbeziehungen weniger restriktiv sind. Immobilienjournalisten müssen weit häufiger auf inoffizielle Quellen zurückgreifen und den Weg persönlicher Kontakte gehen – und kommen dabei gleichwohl sehr oft nicht an die Informationen, die sie sich wünschen. Anders im IT-Journalismus – hier werden solche informellen, in vertraulichem Rahmen weitergegebenen Informationen nur von einer relativen Mehrheit als wichtig angesehen. Es scheint durchaus Alternativen zu exklusiven Kontakten zu geben. Gleichwohl sind diese informellen Quellen im IT-Journalismus eindeutig bedeutsamer als Pressemitteilungen.
24 Vgl. Jackob et al. 2008: 174.
Quellen und Informationsbeschaffung
105
Frage: „Als Journalist ist man häufig auf inoffiziel le Quellen angewiesen, also Informanten, die man nicht öffentlich nennt. Wie wichtig sind solche Quellen für Ihre Tätigkeit?“ „Weiß nicht“ 1%
"Überhaupt nicht wichtig" / "Nicht so wichtig" "Wichtig" / "Sehr wichtig“
30%
40%
„Teils teils“ 28%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.18: Relevanz von inoffiziellen Quellen für IT-Journalisten.
Eine wichtige Form der Weitergabe von inoffiziellen bzw. exklusiven Informationen sind vertrauliche Treffen. Sie haben den Vorteil, dass sie einerseits nicht über technische Medien vermittelt ablaufen, so dass eine Aufzeichnung schwieriger bzw. unüblich ist. Andererseits schaffen Sie Vertrautheit und letztendlich Vertrauen – was für beide Seiten positive Effekte haben kann: Journalisten kommen beispielsweise leichter an Informationen, Unternehmen hingegen werden vielleicht wohlwollender in der Berichterstattung berücksichtigt. Dafür ist es wesentlich aufwändiger, solche vertraulichen Treffen zu organisieren. Ähnlich wie die Frageserie zur Relevanz der Pressemitteilungen wurde auch hier in drei Stufen gefragt, ob die IT-Journalisten an solchen Treffen teilnehmen, wie oft sie stattfinden und wichtig diese Treffen für die Arbeit von IT-Journalisten ist. Immerhin 45 Prozent der IT-Journalisten geben an, sich „mit Unternehmensvertretern auch in einem vertraulichen Rahmen“ zu treffen (Abbildung 4.19) – das ist ein geringfügig niedrigerer Wert als unter den Immobilienjournalisten (51 Prozent).²⁵ Nur 35 Prozent der IT-Journalisten geben an, dass sie nicht an solchen
25 Vgl. Tabelle A30 im Anhang von Jackob et al. 2008.
106
Ergebnisse
Treffen teilnehmen und 20 Prozent verweigerten die Antwort – das ist bei einer solch sensiblen Frage wenig überraschend. Insgesamt finden solche vertraulichen Treffen nur relativ selten statt – viel seltener als im Immobilienjournalismus:²⁶ Von fast täglichen oder täglichen Treffen berichtet keiner der Journalisten, vier Prozent geben an, dass sie an solchen Treffen immerhin wöchentlich teilnehmen. Die große Mehrheit derjenigen, die überhaupt an solchen Treffen teilnimmt, gibt an, dass sie nur etwa einmal im Monat (19 Prozent) oder seltener (21 Prozent) daran teilnimmt. Es wäre jedoch falsch daraus zu schließen, dass die Bedeutung solcher Treffen als relativ gering eingeschätzt wird: 37 Prozent der IT-Journalisten und damit über 80 Prozent derjenigen, die an solchen Treffen zumindest ab und zu teilnehmen, finden sie für ihre Arbeit wichtig oder sehr wichtig. Nur neun Prozent finden solchermaßen vertraulichen Austausch nur teilweise wichtig, nicht so wichtig oder überhaupt nicht wichtig. Unter den Immobilienjournalisten waren es sogar 92 Prozent, die vertrauliche Treffen mit Unternehmen für wichtig bzw. sehr wichtig hielten – ein weiteres Indiz für die festgestellten Unterschiede in der Transparenz und informationellen Zugänglichkeit der beiden hier kursorisch verglichenen Märkte.²⁷ Die Antworten auf die vierte und fünfte Forschungsfrage fügen sich nahtlos ins Bild ein: Insgesamt kann man festhalten, dass IT-Journalisten stark auf Unternehmensinformationen zurückgreifen und im Grunde auch abhängig von Informationen aus der IT-Branche sind. Sie erhalten ihre so notwendigen Informationen jedoch weniger auf dem klassischen Weg der Pressemitteilungen und der Pressekonferenzen, sondern eher über persönliche Kontakte und manchmal auch vertrauliche Treffen, also subtilere informelle Informationswege. Diese Form der Kommunikation ist für den Fachjournalismus durchaus kennzeichnend, wie der Vergleich mit den Immobilienjournalisten nahelegt: Auch wenn dort inoffizielle Quellen und persönliche, vertrauliche Kontakte wegen der spezifischen Marktbedingungen eine noch größere Rolle spielen, zeigt doch der auch unter den ITJournalisten hohe Stellenwert der „Hinterzimmer“, dass es eine gewisse Nähe im persönlichen Umgang von Wirtschaftsvertretern und Journalisten gibt.
26 Vgl. Jackob et al. 2008: 175. 27 Vgl. Tabelle A31 im Anhang von Jackob et al. 2008.
Quellen und Informationsbeschaffung
107
Frage: „Treffen Sie sich – neben den offiziellen Terminen – mit Unternehmensvertretern auch in einem vertraulichen Rahmen?“ Frage: „Wie oft finden solche Treffen statt?“ Frage: „Wie wichtig ist es für Journalisten in Ihrer Branche, an solchen Treffen teilzunehmen?“
Teilnahme an vertraulichen Treffen
35% Nein / 20% k.A.
Frage: „Treffen Sie sich – neben den offiziellen Terminen – mit Unternehmensvertretern auch in einem vertraulichen Rahmen?“
Ja 45 % Häufigkeit von Treffen
1% Nie / k. A.
Frage: „Wie oft finden solche Treffen statt?“
wöchentlich monatlich seltener täglich/fast 19% 21% 4% —
7%
Wichtigkeit von Treffen Nicht wichtig / teils, teils / k.A.
Frage: „Wie wichtig ist es für Journalisten in Ihrer Branche, an solchen Treffen teilzunehmen?“
Wichtig / sehr wichtig 37%
63%
37%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.19: Die Relevanz vertraulicher Treffen für IT-Journalisten.
Auch die in der Einführung vorgestellte Literatur weist auf den Umstand hin, dass Fachjournalisten und der jeweilige Wirtschaftszweig, der ihre Berichterstattungsgegenstände produziert, in (oftmals kritikwürdig) engem Kontakt zueinander stehen. Dieser enge Kontakt ist unvermeidlich, lassen sich doch gerade sensible, hochaktuelle oder besonders bedeutsame Informationen viel besser auf persönlich-vertraulichem Wege weitergeben. Auch haben solche Kontakte die Eigenschaft, dass sie in der Lage sind, auf mittelfristige Sicht beide Seiten füreinander einzunehmen. Wieso auch sollten gerade die besonders interessanten Informationen (etwa zu neuen Produkten, Strategien, Personalentscheidungen, Fusionen), von denen auch der Erfolg der Unternehmen abhängen kann, ohne den Versuch der persönlichen Beeinflussung der Berichterstatter auf den für alle zugänglichen, unspezifischen Wegen der üblichen Unternehmens-PR vermittelt werden? Über Pressemitteilungen ist kaum Reziprozität und tiefergehende
108
Ergebnisse
Bedeutungsvermittlung möglich – noch weniger als über z.B. Pressekonferenzen und -gespräche. Auch lassen sich so keine Absprachen und wechselseitig nützliche Handel vereinbaren. Zugleich haftet dem informell-vertraulichen „Kamingespräch“ und seinen vielen Verwandten stets der Ruch der Intransparenz, ja Korruption an. Nicht umsonst wird gerade Fachjournalisten oft vorgeworfen, sie seien unkritische Sprachrohre der Wirtschaft.²⁸
4.3.4 User-Generated Content als Informationsquelle Eine weitere, gerade für die IT-Fachpresse interessante Informationsquelle sind Texte, die von IT-Nutzern im Internet veröffentlicht werden – z.B. in Form von Blogs oder Einträgen in Foren. Dass solche Quellen von IT-Journalisten berücksichtigt werden, ist bereits in der Einleitung dargelegt worden (vgl. Kapitel 2.2.3). Interessant sind solche Quellen vor allem deswegen, weil unter den Internetnutzern sehr viele Experten für einzelne Produkte sind, die sich leidenschaftlich mit ihrem Hobby beschäftigen und oftmals auch bessere Detailkenntnisse aufweisen als die IT-Journalisten, die ja eine Vielzahl von Produkten, Dienstleistungen, Unternehmen und Entwicklungen begutachten müssen. Wer sich über Jahrzehnte mit seiner Lieblingstechnologie, seinem Lieblingsunternehmen oder -produkt auseinandergesetzt hat, wer Fan „seines“ Produktes wurde und ihm einen Gutteil seiner Freizeit geopfert hat, ist besonders gut in der Lage, Unterschiede, Stärken und Schwächen von technologischen Entwicklungen in seinem Hobby zu beurteilen. Entsprechend ist User-Generated Content (UGC) im Internet sehr vielfältig und kann wichtige Informationen für IT-Journalisten liefern: Nutzer können auf Stärken oder Mängel eines Produkts aufmerksam machen, sie können Argumente für oder gegen Features vorbringen – in seiner Gesamtheit kann der gesammelte UGC zu einem bestimmten Produkt den Journalisten auch ein erstes Meinungsbild ermöglichen. Viele Internetnutzer schreiben nicht nur kritische, wertende Einträge in Fachforen, sie betätigen sich selbst auch als „Laienjournalisten“ und stellen mehr oder weniger wettbewerbsfähige Konkurrenzprodukte zur Verfügung, die von Nutzern der Produkte wie von IT-Journalisten rezipiert und kritisch beäugt werden. Entsprechend sollte im Rahmen der korrespondierenden Forschungsfragen sechs und sieben ermittelt werden, ob IT-Journalisten (a) User-Generated Content rezipieren, Hinweise, Argumente und die Stimmungsbilder im Internet beobachten, und ob sie (b) diese Beobachtungen in ihre Arbeit mit einfließen lassen.
28 Vgl. u.a. Kapitel 2.2.2 in diesem Buch.
Quellen und Informationsbeschaffung
109
Dabei kann im Rahmen einer solchen Befragung nur geklärt werden, inwiefern nutzergenerierte Inhalte laut Aussage der befragten Journalisten bewusst in das journalistische Produkt mit einfließen. Ob solche Informationen auch unbewusst aufgenommen und verarbeitet werden, lässt sich auf diese Weise nicht klären. Auch hier wurde das bereits zuvor verwendete dreistufige Fragemodell verwendet: Zuerst wurde ermittelt, ob nutzergenerierte Inhalte überhaupt genutzt werden. Dann wurde gefragt, wie häufig die IT-Journalisten nutzergenerierte Inhalte rezipieren. Schließlich wurde gefragt, wie oft sie Texte oder Textteile von UGC-Autoren übernehmen (Abbildung 4.20). Die meisten IT-Journalisten geben auf die erste der Fragen an, dass sie nutzergenerierte Inhalte lesen – nur 15 Prozent sagen von sich, dass sie UCG generell nicht rezipieren. Unter der Mehrheit der Leser von UGC (85 Prozent aller befragten IT-Journalisten) rezipiert ein kleineres Segment (34 Prozent) nur sehr selten nutzergenerierte Inhalte (monatlich oder seltener). Der größere Teil tut dies häufiger: 50 Prozent mindestens wöchentlich, 21 Prozent sogar täglich bzw. fast täglich. Nutzungsintentionen oder -motive wurden nicht abgefragt, würden aber interessante Antworten auf die Frage erlauben, worin die Funktion dieser Nutzung von nutzergenerierten Inhalten besteht. Denn offensichtlich nutzen IT-Journalisten UGC nicht in erster Linie, um Texte oder Versatzstücke solcher Texte in ihrer Berichterstattung zu verwenden: Nur etwa 14 Prozent geben an, Texte oder Textstücke gelegentlich zu übernehmen. Mögliche Funktionen der Nutzung von nutzergenerierten Inhalten sind vielfältig, z.B. um weiterführende Details von Kennern und Liebhabern einzelner Produkte einzusammeln, um auf Aspekte von Produkten oder Innovationen überhaupt aufmerksam zu werden, ein Meinungsbild einzuholen, sich anderweitig inspirieren zu lassen (indem sie z.B. Foren durchsuchen) oder um Feedback zur Qualität der eigenen Arbeit zu erhalten (indem sie Kommentare zu ihren Artikeln lesen). Solche Motive sind denkbar und plausibel – man kann an dieser Stelle jedoch nur spekulieren. Auch kann man darüber spekulieren, dass der generelle Eindruck, man verwerte solche Texte in der Berichterstattung eigentlich nicht, durchaus nicht der Wahrheit entsprechen muss. Möglicherweise greifen IT-Journalisten etwas häufiger auf UGC-Quellen zurück, möchten aber den Eindruck vermeiden, sie handelten journalistisch autonom und unabhängig. Doch auch dieser Gedanke ist – wie bereits angedeutet – spekulativ.
110
Ergebnisse
Frage: „Mittlerweile kommt es ja auch immer häufiger vor, dass Nutzer eigene Texte zu ITThemen veröffentlichen. Lesen Sie auch solchen User-Generated Content?“ Frage: „Wie oft kommt das vor?“ Frage: „Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus?“
Lesen von User-Generated Content
15% Nein / k. A.
Frage: „Mittlerweile kommt es ja auch immer häufiger vor, dass Nutzer eigene Texte zu IT-Themen veröffentlichen. Lesen Sie auch solchen User-Generated Content?“
Ja 85 % Häufigkeit des Lesens
1% Nie / k. A.
Frage: „Wie oft kommt das vor?“
wöchentlich täglich/fast seltener monatlich täglich 10% 29% 24% 21%
69%
Übernahme von Textteilen
Frage: „Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus?“
Nein Ja, gelegentlich 14%
85%
Ja, oft 1%
15%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.20: Relevanz von nutzergenerierten Inhalten für IT-Journalisten.
Es bleibt festzuhalten, dass IT-Journalisten relativ häufig nutzergenerierte Inhalte rezipieren und beachten (sechste Forschungsfrage), aber diese Inhalte offenbar nicht direkt (z.B. in Form kompletter Texte oder einzelner Versatzstücke) übernehmen (siebte Forschungsfrage). Man kann folglich vermuten, dass nutzergenerierte Inhalte für die Vorbereitung und Recherche eines Themas von großer Bedeutung sein kann – etwa um Themen zu finden, sich eine Meinung zu bilden, sich inspirieren zu lassen. Hier ist UGC unmittelbar relevant. Auch nach der Publikation können nutzergenerierte Inhalte unmittelbar relevant sein – etwa in Form von Rückmeldungen der Rezipienten. Dort jedoch, wo die journalistische Kernaufgabe liegt, bei der Aufbereitung, Bewertung und Vermittlung der Informationen an die Rezipienten, wahren die IT-Journalisten (ihrer Aussage nach) ihre Unabhängigkeit und folgen der in der Einführung vom IT-Journalisten Jürgen Kuri aufgestellten Forderung, sich inspirieren, aber nicht beeinflussen zu lassen.
Quellen und Informationsbeschaffung
111
Diese Interpretationen stehen freilich unter dem Vorbehalt, dass die Befragten nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet haben.
4.3.5 Zufriedenheit mit den Kontakten Nach diesem Exkurs zum User-Generated Content – einer zunehmend wichtigen, alternativen Quelle neben den IT-Unternehmen – geht die Analyse im letzten Schritt auf die Zufriedenheit der IT-Journalisten mit ihren Kontakten zur IT-Wirtschaft ein. Die bereits dargestellte Abhängigkeit von Quellen aus der IT-Industrie dürfte aus Sicht der Journalisten dann wenig Leidensdruck erzeugen, wenn sie zufrieden mit diesen Kontakten sind und für ihre Berichterstattung auf ihre Kosten kommen. Es liegt folglich im Interesse der Unternehmen, auf die Bedürfnisse der IT-Journalisten einzugehen – so können sie ihre Beziehungen pflegen und ihr weitgehendes Informationsmonopol behalten. Aufgrund der Technikaffinität von IT-Journalisten kann man vermuten, dass diese besonders zufrieden mit den Kontakten zu IT-Unternehmen sind, wenn sie direkt mit den Entwicklungsabteilungen kommunizieren. Diejenigen, die vor allem mit PR-Fachleuten interagieren, sollten weniger zufrieden sein. Technikfreaks dürften mehr oder weniger die gleiche Sprache sprechen und IT-Journalisten dürften eher dankbar sein, wenn sie nicht das Gefühl bekommen, Adressat von strategischer, interessengeleiteter Kommunikation professioneller PR-Leute zu sein. Anders gewendet könnte man annehmen, dass IT-Journalisten mit ihren Kontakten zu Entwicklungsabteilungen zufriedener als mit ihren Kontakten zu PR-Abteilungen sind. Um einen Vergleichsmaßstab zu haben, wurde auch nach der Zufriedenheit mit den Kontakten zu Geschäftsführern und Vorständen von IT-Unternehmen gefragt. Interessanterweise nennt der Großteil der IT-Journalisten auf die Frage nach der wichtigsten Kontaktstelle in den IT-Unternehmen die „Mitarbeiter der Presse- / PR-Abteilung, Öffentlichkeitsarbeit“ (81 Prozent) (Abbildung 4.21). Nur 14 Prozent nannten „Mitarbeiter der Entwicklungsabteilungen“, ein Prozent nannte „Mitarbeiter der Geschäftsleitung / Vorstände“. Es ist also keineswegs so, dass ITJournalisten, wenn sie in Kontakt mit Unternehmen treten, unmittelbar mit den für sie möglicherweise interessantesten Gesprächspartnern, den Entwicklern, zusammenkommen. Vielmehr sind es die PR-Abteilungen der IT-Unternehmen, die – wie es die klassische Informationsfunktion dieser Stellen vorsieht – zentrale Quellen für die IT-Fachpresse sind. Auch hier lassen sich wieder Unterschiede zu den Immobilienjournalisten feststellen, deren wichtigster Kontaktpartner in den Unternehmen gerade die für IT-Journalisten mehr oder weniger irrelevanten Geschäftsführer oder Vorstände waren (55 Prozent) – während PR-Abteilungen
112
Ergebnisse
und Öffentlichkeitsarbeiter deutlich weniger wichtig waren (33 Prozent).²⁹ Dies passt zur generellen Unzufriedenheit der Immobilienjournalisten mit der Presseund Öffentlichkeitsarbeit der für sie relevanten Akteure auf dem insgesamt als intransparent wahrgenommenen Immobilienmarkt (Abbildung 4.21).³⁰ Frage: „Wer ist Ihr wichtigster Ansprechpartner, wenn Sie mit Unternehmen in Kontakt treten?“ Sonstige / k.A. 4%
„Mitarbeiter der Geschäftsleitung / Vorstände“ 1%
„Mitarbeiter der EntwicklungsAbteilungen“ 14%
„Mitarbeiter der Presse- / PRAbteilung, Öffentlichkeitsarbeit“ 81%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.21: Wichtigster Ansprechpartner bei IT-Unternehmen.
Dabei sind die IT-Journalisten mit ihren beiden wichtigsten Ansprechpartnern, den PR-Leuten und Entwicklern, weitgehend zufrieden (Abbildung 4.22): 60 Prozent zeigen sich zufrieden oder sehr zufrieden mit den Mitarbeitern der Entwicklungsabteilungen, genau der gleiche Prozentsatz ist auch zufrieden oder sehr zufrieden mit den Kontakten zur Branchen-PR. Bei genauem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die IT-Journalisten mit den Kontakten zu Entwicklungsabteilungen eine Spur zufriedener sind: Da 20 Prozent der Befragten überhaupt keinen Kontakt zu den Entwicklungsabteilungen haben, ist die Unzufriedenheit mit diesem Kontaktpartner etwas geringer ausgeprägt als mit den PR-Abteilungen, zu denen nahezu jeder IT-Journalist Kontakt hat. Am unzufriedensten sind die
29 Vgl. Jackob et al. 2008: 188. 30 Vgl. Jackob et al. 2008: 176–197.
Quellen und Informationsbeschaffung
113
IT-Journalisten mit ihren Kontakten zu Geschäftsführern und Vorständen von IT-Unternehmen: Zwar haben 32 Prozent überhaupt keinen Kontakt zur Führungsetage, aber nur 24 Prozent (bei maximal 68 Prozent) sagen, dass sie alles in allem zufriedenstellende Kontakte zu zur Unternehmensspitze pflegen. Die Antworten auf die achte Forschungsfrage lauten daher wie folgt: Die IT-Journalisten haben überwiegend Kontakt mit den PR-Abteilungen der Unternehmen und sind mit diesen Kontakten auch meist zufrieden bzw. sehr zufrieden. Diese Kontakte – das zeigten die vorangegangenen Analysen – sind oft persönlich und bisweilen vertraulich. Sie sind gleichzeitig für die IT-Journalisten sehr wichtig – viel wichtiger als die offizielle Pressearbeit der Unternehmen.
„Mitarbeiter der Entwicklungs-Abteilungen“
„Mitarbeiter der Presse-/PR-Abteilung, Öffentlichkeitsarbeit“
20
3
„Mitarbeiter der Geschäftsleitung/Vorstände“
8
18
60
29
32
0% habe keinen Kontakt
3
20%
sehr unzufrieden / eher unzufrieden
60
19
26
24
40%
60%
teils, teils
sehr zufrieden / eher zufrieden
80%
100%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.22: Zufriedenheit mit Kontakten mit verschiedenen Vertretern von IT-Unternehmen.
Die relativ große Zufriedenheit mit den PR-Stellen ist auf den ersten Blick überraschend, könnte man doch annehmen, dass Kontakte zu Entwicklern interessanter sind und weniger dem negativen Bild von der interessengeleiteten, strategischpersuasiven Kommunikation entsprechen. Andererseits können IT-Unternehmen durch gute, vorausschauende und auf die Bedürfnisse der Journalisten eingehende Pressearbeit ihre Beziehungen zu Journalisten verbessern, pflegen und ihr Informationsmonopol stärken. Aus den Antworten lässt sich implizit der Eindruck ableiten, dass die Mehrheit der Pressestellen im IT-Bereich gute Arbeit
114
Ergebnisse
leistet und den Journalisten konstruktiv zuarbeitet. Dass IT-Unternehmen auf die Bedürfnisse der IT-Journalisten eingehen und dies so gut tun, dass die Mehrheit der Journalisten wenig oder gar nichts am Austausch mit der Unternehmens-PR auszusetzen hat, deutet auf einen weiteren Aspekt des Verhältnisses zwischen IT-Journalisten und IT-Unternehmen hin: Während die bisherigen Analysen den Eindruck aufkommen ließen, IT-Journalisten seien vor allem Bittsteller, die von den Informationen aus den IT-Unternehmen abhängig sind, wird nun auch die Abhängigkeit der IT-Unternehmen von den IT-Medien sichtbar: Die IT-Fachpresse ist das zentrale Organ zur Dissemination von IT-Informationen in weite Kreise der interessierten Bevölkerung. Mit ihren Darstellungen und Wertungen, Previews und Tests tragen sie maßgeblich zum Erfolg (oder Misserfolg) der IT-Unternehmen bei. Es ist folglich ein vitales Interesse von IT-Unternehmen, die Journalisten zufriedenzustellen. Diese Erkenntnis leitet über zum nächsten Fragekomplex, der die Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen IT-Medien und IT-Unternehmen, aber auch zwischen IT-Medien und ihrem Publikum in den Blick nimmt.
4.4 Beziehungen und Machtverhältnisse Das vorangegangene Kapitel schloss mit dem Eindruck, dass IT-Journalismus und IT-Wirtschaft in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Wie die Einflussbeziehungen im Detail aussehen, lässt sich auf Basis von Auskünften lediglich einer der beiden Seiten nur begrenzt beantworten. Angesichts des eklatanten Mangels an belastbaren Befunden ist jedoch schon die Sichtweise dieser einen Seite ein signifikanter Fortschritt für die Forschung. Die bisherigen Darlegungen zeigten recht deutlich, dass IT-Journalisten in einem Geflecht von realen und virtuellen Beziehungen arbeiten. Für die Akteure in diesem Beziehungsgeflecht sind die Endprodukte des IT-Journalismus – die einzelnen Ausgaben der Periodika – aus verschiedenen Gründen bedeutsam: Für die IT-Journalisten stellt das Verfassen von Berichten das Kerngeschäft ihres Berufes dar, sie beziehen aus ihrer erfolgreichen Berufsausübung nicht nur ihr wirtschaftliches Ein- und bestenfalls auch Auskommen, sondern zudem Berufszufriedenheit und bisweilen Ansehen und Prestige. Die IT-Hersteller wiederum sind darauf angewiesen, dass die IT-Fachpresse ihre Produkte bekannt macht und möglichst wohlwollend bewertet. Auch für sie hängt der wirtschaftliche Erfolg von der Berichterstattung der IT-Journalisten ab. Zudem können sie aus den Interaktionen mit IT-Journalisten wichtige Anregungen gewinnen und diese gegebenenfalls in den aufwändigen Produktentwicklungsprozess einspeisen. Die IT-Konsumenten – und damit unmittelbar auch die Leserschaft der IT-Fachpresse – möchten von den neuesten und wichtigsten Produkten erfahren und möglichst umfassend über deren
Beziehungen und Machtverhältnisse
115
Stärken und Schwächen informiert werden, auch um wohl kalkulierte Kaufentscheidungen treffen zu können. Hier schließt sich der Kreis zwischen Konsumenten und Herstellern bzw. Anbietern – dazwischen nimmt der IT-Journalismus eine entscheidende Vermittlerposition ein.³¹ Aus alledem folgt: Erstens ist ITJournalismus auf die Informationen der IT-Industrie angewiesen. Zweitens ist die IT-Industrie auf die Informations- und Beratungsleistung der IT-Medien gegenüber den potenziellen IT-Konsumenten angewiesen. Drittens sind die Rezipienten auf die Informationsleistung der IT-Medien angewiesen. Und viertens sind die IT-Medien auf die Nachfrage der Rezipienten angewiesen, um Verkaufs- und Werbeerlöse zu realisieren, die wiederum ihre wirtschaftliche Existenz sichern. Die Beziehungen, die in der Logik des Hierarchy-of-Influences-Model vor allem zur Extra-Media-Ebene, in Teilen aber zur Organisationsebene bestehen, sind also von wechselseitigen Abhängigkeiten geprägt, was die Frage nach den im folgenden Kapitel untersuchten Machtverhältnissen aufwirft.
4.4.1 Forschungsfragen Die Betrachtung dieses Beziehungsgeflechts mit seinen Machtverhältnissen erfolgt erneut entlang von einigen Forschungsfragen, die sich aus dem Image des IT-Journalismus sowie aus vorangegangenen Erkenntnissen zum Fachjournalismus und den bisherigen Befunden ableiten lassen. Die ersten sieben Fragen haben zum Gegenstand, auf wen IT-Journalisten in ihrem Arbeitsalltag Rücksicht nehmen müssen. Sowohl die Erkenntnisse zum Einfluss der für den IT-Journalismus wichtigen Quellen aus der IT-Branche, als auch die verschiedenen wissenschaftlichen Studien zum Einfluss von Kollegen³² und Publikum³³ auf die journalistische Arbeit legen den Schluss nahe, dass Quellen, Kollegen und Publikum den IT-Journalisten Rückmeldungen zur Qualität ihrer Arbeit geben – und auf diese Weise Einfluss auf den IT-Journalismus nehmen. Frage 1: Von wem erhalten IT-Journalisten Rückmeldungen zur Qualität ihrer Arbeit? Die Rückmeldungen zeigen den Journalisten an, welchen Anspruchsgruppen die Berichterstattung wichtig genug ist, um persönlich Kontakt aufzunehmen und zu versuchen, Einfluss zu nehmen. Man kann in diesem Zusammenhang
31 Vgl. Jackob, Geiß & Quiring, im Druck. 32 Vgl. Reinemann 2003. 33 Vgl. Hohlfeld 2003: 249–264.
116
Ergebnisse
auch erwarten, dass es insbesondere dieses direkte Feedback der Kollegen, des Publikums und der Quellen bzw. Inserenten ist, welches regelmäßig von den ITJournalisten rezipiert wird und auf diese Weise gegebenenfalls Einfluss auf die Berichterstattung ausüben kann. Hier wird unmittelbar die Frage berührt, wie wichtig den IT-Journalisten die verschiedenen Gruppen sind, mit denen sie im Alltag Kontakt haben und die ihnen gegebenenfalls Feedback geben: Frage 2: Wie wichtig sind den IT-Journalisten die verschiedenen Anspruchsgruppen (u.a. Leser, Kollegen, Unternehmen)? Mit Blick auf das Publikum kann man annehmen, dass IT-Journalisten, die sich selbst als „Technikfreaks“ bzw. Experten sehen, vor allem von dem Teil des Publikums konkretere Vorstellungen haben, der selbst Expertenwissen besitzt. Entsprechend könnte man annehmen, dass sie sich auch mit diesem Publikumssegment eingehender beschäftigen. Die thematische Affinität und die intrinsische Motivation dieser Gruppe sind auch für die Autoren der IT-Fachpresse kennzeichnend, was die Identifikation erleichtert. Man könnte daraus folgern, dass die ITJournalisten selbst – bewusst oder unbewusst – die „Gleichgesinnten“, also jene Expertenkreise im Publikum zu adressieren versuchen. Andererseits könnte man angesichts des klaren Auftrages des Fachjournalismus, auch interessierten Laien Expertenwissen zugänglich zu machen und verständlich aufzubereiten, vermuten, dass sie stärker noch als „Ihresgleichen“ Laien adressieren. Die Forschungsfrage lautet entsprechend: Frage 3: Für welche Leserkreise schreiben IT-Journalisten vornehmlich? Ganz allgemein sollte es zu einem positiven Publikumsbild führen, wenn man im journalistischen Alltag mit einer Leserschaft zu tun hat, die zumindest in Teilen aus gut informierten Experten besteht – und die ansonsten zumindest eine Vielzahl interessierter und in verschiedener Hinsicht vorgebildeter Laien umfasst. Fachautoren, die anders als General-Interest-Journalisten für ein thematisch interessiertes und überwiegend informationsorientiertes Publikum schreiben, sollten sich einfacher mit ihrer Leserschaft identifizieren können. Doch sicher weiß man das nicht, daher die offene Frage: Frage 4: Wie denken IT-Journalisten über ihr Publikum? Im vorangegangenen Kapitel wurde gezeigt, dass IT-Unternehmen die wichtigste Quelle für IT-Journalisten darstellen. Darüber hinaus sind publikationsfertige Pressemitteilungen von nur geringer Relevanz, persönliche Beziehungen und manchmal auch vertrauliche Gespräche hingegen sind wichtig. Der Schluss liegt nahe, dass gerade wichtige Informationen persönlich bzw. informell weitergegeben werden. Zudem stellte sich heraus, dass IT-Journalisten im Großen und
Beziehungen und Machtverhältnisse
117
Ganzen zufrieden sind mit der Kommunikation mit Entwicklungs- und PR-Abteilungen der IT-Branche (diese Anlaufstellen haben also ein positives Image unter den IT-Journalisten). Unzufrieden sind sie hingegen mit der Kommunikation mit dem Management von IT-Unternehmen – falls solche Kommunikationsbeziehungen überhaupt existieren. Für die hier interessierenden Machtverhältnisse bedeutet dies, dass die IT-Unternehmen den Informationsfluss steuern können und letztlich am längeren Hebel säßen. Sie geben exklusives Material informell weiter und könnten so einzelne Journalisten bevorzugen oder vernachlässigen. Journalisten müssten deshalb vermutlich zur Informationsbeschaffung auf die IT-Unternehmen zugehen und nicht umgekehrt. Aus diesen Spekulationen kann man zwei Forschungsfragen ableiten: Frage 5: Müssen IT-Journalisten in der Regel selbst auf IT-Unternehmen zugehen, um Informationen zu erhalten – oder kommen die Unternehmen von sich aus auf die Journalisten zu? Frage 6: Wer sitzt am längeren Hebel: Die IT-Unternehmen oder die IT-Medien? Allgemein sehen sich IT-Journalisten den „Cross Pressures“³⁴ von Publikum und Quellen ausgesetzt: Während das Publikum eine möglichst neutrale und angemessene Thematisierung sowie eine ehrliche Bewertung von Produkten erwartet, um seine Kaufentscheidungen daran ausrichten zu können, ist den Quellen an starker Thematisierung und positiver Bewertung ihrer Produkte gelegen. ITJournalisten können nicht beides gleichzeitig leisten. Zwischen diesen Erwartungen bleibt den IT-Journalisten ein gewisser Spielraum, innerhalb dessen sie ihre journalistischen Entscheidungen treffen – dieser Spielraum ist umso größer, je unsicherer IT-Konsumenten und -Unternehmen über die Marktlage bzw. die Qualitäten einzelner Produkte sind. Durch ihre Beiträge über IT-Produkte und ihre Interaktionen mit IT-Unternehmen können IT-Journalisten deshalb Einfluss auf die Rezipienten und auf die IT-Industrie nehmen. Einfluss ist dabei vollkommen wertfrei gemeint – es wird keine Manipulationsabsicht unterstellt. Vielmehr gehört es zum Berufsbild des IT-Journalisten, direkt Konsumentscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen – und (indirekt) die Produktpolitik der Unternehmen. Zudem geht es bei den folgenden Analysen um die Frage, ob die Journalisten selbst davon ausgehen, dass ihre Beiträge und ihre Interaktionen Folgen haben oder folgenlos bleiben. Es geht folglich nicht um tatsächliche Einflüsse – die man über Selbstaussagen auch kaum erheben könnte –, sondern um die individuell wahrgenommenen.
34 Vgl. Lazarsfeld, Berelson & Gaudet 1965.
118
Ergebnisse
Zunächst wird der Einfluss auf das Publikum betrachtet: Da IT-Journalisten sich darüber im Klaren sind, dass sich ihre Rezipienten vor allem via IT-Medien über Produkte und ihre Qualitäten informieren können, dürften sie ihrer Berichterstattung hohe Wirkungschancen zuschreiben. Die Annahme lautet folglich: Frage 7: Gehen IT-Journalisten von starken Wirkungen ihrer Berichterstattung auf das Publikum aus? Unbegrenzt sind diese Wirkungen wahrscheinlich nicht. Es gibt viele Fallbeispiele, die veranschaulichen, dass Produkte trotz negativer Bewertungen seitens der IT-Presse eine große Käuferschaft gefunden haben.³⁵ Hürden für die Wirksamkeit der eigenen Berichterstattung dürften die Journalisten vor allem in den Marketingaktivitäten der IT-Unternehmen sehen, welche „Hypes“ auslösen, also überhöhte Erwartungshaltungen, die sich selbst verstärken und möglicherweise viral verbreiten. Daraus lässt sich eine weitere Forschungsfrage ableiten: Frage 8: Was sind die wichtigsten Hürden, die Wirkungen der IT-Berichterstattung auf die Rezipienten im Wege stehen? Abschließend wird der gefühlte Einfluss der IT-Medien auf die IT-Unternehmen – insbesondere auf deren Produkt- und Kommunikationspolitik – untersucht. Hier ist zwischen drei Arten von Effekten zu unterscheiden, für die jeweils eine These formuliert wird: Die Thematisierung und Bewertung von Produkten kann erstens Auswirkungen auf die Produktentwicklung haben, z.B. indem IT-Unternehmen Nachbesserungen anbieten oder bei zukünftigen Produktentwicklungen die Anregungen berücksichtigen. Zweitens können IT-Journalisten und Entwickler noch vor Erscheinen einen Produkts miteinander interagieren: Oftmals werden den IT-Journalisten Produkte schon in der Entwicklungsphase präsentiert, um das Marketing der Produkte voranzutreiben und mögliche Hypes anzustoßen
35 Ein einprägsames Beispiel stellt der Erfolg der „Autobahn Raser“-Reihe dar. Das erste Spiel der Reihe erreichte in den bekanntestes PC-Spiele-Magazinen „PC Action“, „PC Games“, „PC Player“ und „GameStar“ Wertungen zwischen 27/100 und 72/100 Punkten, mit einem Schnitt von 50,5/100 Punkten – ein insgesamt sehr mageres Testergebnis. Dennoch wurde das Spiel ein großer kommerzieller Erfolg und zahlreiche Nachfolger wurden produziert und vertrieben (vgl. den Artikel zu „Autobahn Raser“ in der deutschen Wikipedia). Die negativen Wertungen setzten sich jedoch fort – auch das achte Spiel der Reihe, „Autobahn Raser 4“ (nicht alle Titel wurden fortlaufend gezählt) zog polemische Bewertungen auf sich, so etwa im Online-Portal der PC Games: „Der achte Vertreter der Raser-Reihe weiß zu überraschen: Mit so wenigen Neuerungen hätte niemand gerechnet. Mit Berlin, Hamburg und München sind die altbekannten Strecken am Start, auch die Grafik sieht mit der ‚bewährten‘ Mixtur aus schönen Texturen, schlichten Gebäude- und KFZ-Modellen nach wie vor recht ärmlich aus.“ (PCGames.de 2002)
Beziehungen und Machtverhältnisse
119
oder zu verstetigen. Gleichzeitig sind die Entwickler an den Reaktionen der Journalisten interessiert, weil diese einen mehr oder weniger unabhängigen Blick auf das Produkt haben, weil sie sich bemühen, den Blickwinkel potenzieller Käufer einzunehmen und nicht zuletzt, weil ihr Urteil am Ende das Urteil vieler Käufe beeinflussen wird. Daher dürften IT-Journalisten oftmals auch schon in der Entwicklungsphase Einfluss auf Produkte nehmen können. Drittens dürfte die Berichterstattung über Produkte die jeweiligen Hersteller auf den Plan rufen, die sich dann mit den Redakteuren bzw. mit der Redaktion in Kontakt setzen. Auch dies ist als Wirkung der Berichterstattung auf die Hersteller zu verstehen. Die korrespondierenden Forschungsfragen lauten: Frage 9: Kommunizieren IT-Unternehmen mit IT-Journalisten über vergangene Berichterstattung? Frage 10: Beeinflusst IT-Berichterstattung die Produktentwicklung von IT-Unternehmen nach der Markteinführung eines Produkts? Frage 11: Beeinflusst IT-Berichterstattung die Produktentwicklung von IT-Unternehmen vor der Markteinführung eines Produkts?
4.4.2 Rücksichtnahmen und Feedback Über die Reichweite und die Wirkungschancen von Medieninhalten dürften sich sowohl die IT-Unternehmen als auch die Journalisten selbst in gewissem Maße im Klaren sein. Zahlreiche Anspruchsgruppen versuchen, nicht zuletzt wegen vermuteter oder erlebter Medienwirkungen, auf die Medieninhalte bzw. ihre Autoren einzuwirken, z.B. indem sie den Journalisten ihre Kritikpunkte an der Darstellung und ihre eigene Sichtweise der Sachlage mitteilen. Als solche Anspruchsgruppen kommen Leser bzw. User infrage, deren Sichtweisen über Online-Kommentare, Leserbriefe, Anrufe in der Redaktion und über die Medienforschung kommuniziert werden (Extra-Media-Ebene). Einen direkteren Zugang zu den Journalisten haben Kollegen und Vorgesetzte (Organisationsebene) sowie die Protagonisten und Quellen der Berichterstattung (Extra-Media-Ebene). Diese Rückmeldungen bleiben vermutlich nicht ohne Folgen für die Inhalte, insbesondere für die Thematisierung und Bewertung von IT-Produkten. Der ersten Forschungsfrage lag u.a. die Annahme zugrunde, dass vor allem Publikum, Kollegen und Unternehmen in Kontakt mit IT-Journalisten und Redaktionen treten, um Rückmeldungen zur Berichterstattung zu geben. Da in der vorliegenden Studie ein Fragemodell aus der neuesten Repräsentativbefragung von deutschen Journalisten („Journalismus in Deutschland II“) verwendet wurde, lassen sich die im Folgenden dokumentierten Eindrücke unmittelbar mit dem vergleichen, was die deutschen Journalisten über die Rückmeldungen berichten, die sie erhalten. Der Vergleich zeigt: IT-Journalisten erhalten ähnlich häufig
120
Ergebnisse
Rückmeldungen von ihrem Publikum wie Journalisten im Allgemeinen – 85 Prozent der Journalisten in Deutschland haben in den letzten Wochen Reaktionen oder Kommentare vom Publikum erhalten, bei den IT-Journalisten sind es 88 Prozent (Abbildung 4.23). Feedback von Kollegen ist ebenfalls sehr häufig, auch wenn Journalisten im Allgemeinen etwas häufiger Rückmeldungen von Kollegen erhalten (90 Prozent) als IT-Journalisten (80 Prozent). Sehr viel deutlicher ist das Gefälle, wenn man die Häufigkeit von Rückmeldungen durch Vorgesetzte betrachtet: Während 87 Prozent der Journalisten in Deutschland in den letzten Wochen vor der Befragung Rückmeldungen von Vorgesetzten erhielt, traf das nur bei 66 Prozent der IT-Journalisten zu. Dies mag verschiedene Gründe haben: Einerseits sind die Redaktionen in der ITFachpresse wesentlich kleiner und weniger hierarchisch, andererseits sind die Publikationsintervalle wesentlich länger, was dazu führt, dass auch Redaktionskonferenzen in der Regel seltener stattfinden und sich die Redaktionsleitung seltener mit den Redakteuren austauscht. Kollegen aus anderen Medien waren generell weniger bedeutsam, nur 41 Prozent (Journalisten allgemein) bzw. 35 Prozent (IT-Journalisten) hatten von ihnen Rückmeldungen erhalten. Auch Pressestellen und PR-Mitarbeiter traten sowohl für IT-Journalisten als auch für Journalisten im Allgemeinen deutlich seltener als Feedback-Quellen auf, nur 50 Prozent (Journalisten) bzw. 60 Prozent (IT-Journalisten) hatten in den letzten Wochen Reaktionen oder Kommentare von PR-Mitarbeitern erhalten. Andere Vertreter von Unternehmen wurden nur in der IT-Journalisten-Studie berücksichtigt; 21 Prozent hatten von diesen Rückmeldung erhalten. Insgesamt geben die IT-Unternehmen deutlich seltener Rückmeldungen zur Berichterstattung der IT-Fachpresse ab als man hätte vermuten können. Die größte Diskrepanz zwischen IT-Journalisten und Journalisten allgemein zeigt sich im Bereich des persönlichen Umfelds. Das liegt vermutlich an der geringeren allgemeinen Diskursrelevanz von IT-Themen, wenn man sie mit den Themen des General-Interest-Journalismus vergleicht, zu denen im Grunde jeder eine Meinung hat. Auch werden Publikationen des General-Interest-Journalismus von weit größeren Personenkreisen rezipiert als die IT-Fachpresse, daher verwundert es nicht, dass nur 41 Prozent der IT-Journalisten bekunden, ihnen hätten in letzter Zeit Freunde, Bekannte oder Familie Rückmeldungen zu ihren Beiträgen gegeben – wohingegen 81 Prozent der Journalisten im Allgemeinen dies berichteten. Auch Rückmeldungen von Politikern (5 vs. 27 Prozent) und von Informanten (5 vs. 59 Prozent) spielten nur bei Journalisten im Allgemeinen, aber nicht bei IT-Journalisten eine gewisse Rolle. Man kann also bei der Betrachtung verschiedener Bezugsgruppen eine Hierarchie der Wichtigkeit erkennen – zumindest wenn man die Häufigkeit von Rückmeldungen zur Berichterstattung als Indikator betrachtet: Publikum und Kollegen sind als Quellen von Feedback besonders bedeutsam und äußern sich vergleichsweise häufig zur vergangenen Berichterstattung, wohingegen die
121
Beziehungen und Machtverhältnisse
Unternehmen deutlich seltener Feedback liefern. Daraus kann man jedoch keine Rückschlüsse über die Qualität des Feedbacks ziehen – so könnte das Feedback von IT-Unternehmen gerade wegen seiner Seltenheit von den Journalisten als besonders wichtig wahrgenommen werden. Da jedoch keine entsprechenden Qualifikationen erhoben wurden, bewegt man sich hier im Reich der Spekulation.
Frage: „Von welchen der folgenden Leute bzw. Gruppen haben Sie in den letzten Wochen Reaktionen oder Kommentare auf das erhalten, was Sie geschrieben haben? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft.“ 88 85
„Leser/User“ 80
„Kollegen in der eigenen Redaktion“
90 66
„Vorgesetzte“
87 60
„Pressestellen/Öffentlichkeitsarbeiter von Unternehmen“
50 41
„Freunde/Bekannte/Familie“
81 35
„Kollegen aus anderen Medien“
41
„Andere Vertreter von Unternehmen (z.B. Entwickler, Vorstände)“
21 5
„Politiker“
27 5
„Informanten“
59 0
IT-Journalisten
20
40
60
in % 80
100
Journalisten in Deutschland
Basis: n = 102 IT-Journalisten; n = 1532 bis 1535 Journalisten (2005). Quelle: eigene Erhebung; Weischenberg et al. 2006.
Abb. 4.23: Quellen von Feedback.
Die zweite Forschungsfrage hängt unmittelbar mit der Bedeutung des Feedbacks zusammen: Geht man davon aus, dass die IT-Journalisten versuchen, auf kritische Rückmeldungen einzugehen, dann müsste ihre Berichterstattung stark von den Bedürfnissen und Rückmeldungen des Publikums (Extra-Media-Ebene) und der Kollegen (Organisationsebene) ausgerichtet sein. IT-Unternehmen sollten, nimmt man die Bedeutung des Feedbacks als einen möglichen Indikator, eine vergleichsweise geringere Rolle spielen (Extra-Media-Ebene). Auch diese Annahme ist nur mit gewissen Einschränkungen plausibel – so könnte man beispielsweise mit Effekten sozialer Erwünschtheit rechnen: Rücksichtnahmen auf Leser ein-
122
Ergebnisse
zugestehen, ist für Journalisten einfach, weil dies von ihnen verlangt wird und unmittelbar mit ihren Berufsnormen korrespondiert. Rücksichtnahme auf Werbekunden oder Unternehmen einzugestehen, ist schwieriger, weil ein solches Eingeständnis vielfach als illegitim, als Normbruch erscheint. Dennoch sind Journalisten durchaus bereit, solche Rücksichtnahmen einzugestehen.³⁶ Frage: „Journalisten müssen gelegentlich bei der Berichterstattung auf die Interessen anderer Rücksicht nehmen. Bitte geben Sie jeweils an, wie wichtig es für Sie ist, auf die folgenden Gruppen in Ihrem Arbeitsalltag Rücksicht zu nehmen.“ Rücksichtnahme auf die Interessen...
„… der Leser“
96
„… die Redaktionsleitung, die Vorgesetzen“
61
„… der Verlagsleitung, des Verlegers“
40
„… der Werbekunden“
23
„… der Unternehmen (z.B. Soft- und Hardwarehersteller)“
18
„… von Anderen, und zwar“
wichtig / sehr wichtig %
6
0
20
40
60
80
100
Basis: n=102 IT-Journalisten (2010/11). Abb. 4.24: Rücksichtnahme auf Bezugsgruppen.
Die Analysen geben eine vergleichsweise klare Antwort auf die Forschungsfrage (Abbildung 4.24): 96 Prozent der IT-Journalisten finden es wichtig oder gar sehr wichtig, Rücksicht auf die Interessen der Leser zu nehmen.³⁷ Ähnlich ist das Bild,
36 Vgl. Gerhardt et al. 2005. 37 Ob dies gelingt und welche Schwierigkeiten die Rücksichtnahme auf das Publikum bereiten, ist eine Frage, die an dieser Stelle nicht diskutiert wird (vgl. Donsbach 1981).
Beziehungen und Machtverhältnisse
123
wenn man die Immobilienjournalisten als die in dieser Studie mehrfach vorgestellte Vergleichspopulation betrachtet – hier landet die Leserschaft ebenfalls auf dem ersten Platz (90 Prozent).³⁸ Weiterhin findet es eine deutliche Mehrheit der IT-Journalisten (61 Prozent) wichtig bzw. sehr wichtig, auf die Interessen der Vorgesetzten Rücksicht zu nehmen. Dies sind gleichzeitig die beiden legitimen Bezugsgruppen, deren Einfluss mehr oder weniger erwünscht ist. Auf andere Bezugsgruppen Rücksicht zu nehmen, finden jeweils nur Minderheiten wichtig: So halten es 40 Prozent für wichtig, auf die Verlagsleitung Rücksicht zu nehmen, gefolgt von Werbekunden (23 Prozent) und Unternehmen (18 Prozent). Es gibt also massive Unterschiede zwischen Bedeutung von Rücksichtnahme auf Publikum, Kollegen und Unternehmen. Auch wenn diese Deutlichkeit zumindest in Teilen auf soziale Erwünschtheit zurückgeführt werden kann, ist die Hierarchie der Wichtigkeit nicht wegzudiskutieren.
4.4.3 Journalisten und Leser Das Verhältnis zwischen IT-Journalisten und ihren Lesern (Extra-Media-Ebene) scheint, urteilt man auf Basis der bisher vorgestellten Befunde, gut und eng zu sein: Journalisten geben an, einen guten Draht zu ihren Lesern zu haben, viel Feedback von den Lesern zu bekommen und auf deren Interessen Rücksicht zu nehmen – was auf ein alles in allem ein positives Publikumsbild hindeutet. Diese Mutmaßung lässt sich empirisch durch eine nähere Betrachtung des Publikumsbildes der IT-Journalisten überprüfen. Zuerst wird untersucht, welche Expertise die IT-Journalisten ihrem Publikum unterstellen bzw. auf welches Publikum sie ihre Berichterstattung ausrichten. Dies ist bedeutsam, weil die Journalisten ihre Berichterstattung in gewissem Umfang auf die in der Leserschaft vorhandenen Kenntnisse ausrichten müssen – sie stellen sich z.B. Fragen wie: Was ist erklärungsbedürftig und was ist bekannt? Diese Orientierung am Zielpublikum lässt sich am Vergleich zwischen Computer Bild und c't verdeutlichen: In der Computer Bild werden in einer Kolumne Grundbegriffe wie „Prozessor“ oder „Arbeitsspeicher“ erklärt. Das Einsteiger-Publikum wird auf diese Weise auch bei technischen Themen nicht überfordert und lernt Schritt für Schritt mit. Die Leser von c't würden so etwas im besten Fall für überflüssig, im schlimmsten Fall für einen Affront halten – solche Grundbegriffe sind dort nicht erklärungsbedürftig. Obwohl es sicherlich Unterschiede zwischen Redaktionen gibt, die sich eher an Leserkreise mit großer und geringerer Expertise richten, kann man vermuten, dass sich IT-Journalisten bevorzugt an Ihresgleichen – also an fortgeschrittenen
38 Vgl. Jackob et al. 2008: 135.
124
Ergebnisse
Nutzern bzw. an Experten orientieren. Diese Erwartung muss jedoch in Frage gestellt werden: Zwar dominieren bei den wichtigsten Zielgruppen in der Tat nicht die absoluten Laien ohne weitere IT-Kenntnisse. Die mit Abstand größte Nutzergruppe, an der sich IT-Journalisten bei der alltäglichen Arbeit orientieren, sind IT-Interessierte mit etwas Vorwissen, also die Gruppe mit der zweitniedrigsten Expertise (68 Prozent) (Abbildung 4.25). Die absoluten Laien, „Käufer bzw. Nutzer ohne Vorwissen“ stellen die zweitgrößte Gruppe (56 Prozent), etwa gleichauf mit den bereits angesprochenen „Laienexperten“ (54 Prozent), die im Fragebogen durch die Hinweiswörter „Hardwarebastler“ und „Hobbyprogrammierer“ genauer erläutert wurden. Weniger als die Hälfte der IT-Journalisten richtet sich an professionelle Nutzer (45 Prozent). Die Antwort auf die dritte Forschungsfrage lautet: Insgesamt versuchen die IT-Journalisten alle Expertisestufen etwa gleichmäßig abzudecken. Jeder IT-Journalist nannte im Schnitt zwei von vier möglichen Zielgruppen, an die er sich mit seiner Arbeit richtet, die meisten IT-Journalisten bedienen folglich mehrere Zielgruppen mit zumindest leicht unterschiedlicher Expertise.
Frage: „Welche Zielgruppe hat die Berichterstattung in Ihrem Medium? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft.“
„Käufer bzw. Nutzer ohne Vorwissen“
56
„IT-Interessierte mit etwas Vorwissen“
68
„Laienexperten (z.B. Hardwarebastler, Hobbyprogrammierer)“
54
„Berufliche Experten/Professionals“
45 in % 0
10
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.25: Zielgruppen der IT-Journalisten.
20
30
40
50
60
70
80
Beziehungen und Machtverhältnisse
125
Dieses Ergebnis spricht zwar nicht gegen die Vermutung, dass die IT-Journalisten ihr Publikum insgesamt positiv beurteilen. Es wäre gleichwohl möglich, dass sie aufgrund des relativ großen Gefälles zwischen ihrer eigenen Expertise und der des Publikums zumindest eine relativierende Haltung einnehmen, wenn es um die Beurteilung der Expertise ihrer Leserschaft geht. Die vierte Forschungsfrage fokussierte auf das Publikumsbild der IT-Journalisten: Die Analysen zeigen, dass die IT-Journalisten insgesamt ein positives Bild von ihrem Publikum haben. Alle Bewertungen liegen – vom Skalenmittelpunkt der verwendeten semantischen Differenziale aus betrachtet – im positiven Bereich (also in Richtung des positivsten Skalenwertes 1) (Abbildung 4.26). Auch der Vergleich mit den „Journalisten in Deutschland“ zeigt, dass IT-Journalisten ein außerordentlich positives Publikumsbild haben. Sie halten ihr Publikum für außerordentlich informationsorientiert,³⁹ sehr gebildet⁴⁰ und sehr fortschrittlich⁴¹ – und überdies für eher jung.⁴² Hinsichtlich des zuerkannten Wohlstands⁴³ und sozialen Einflusses⁴⁴ lassen sich dagegen keine Unterschiede zwischen dem Publikumsbild der IT-Journalisten und der Journalisten in Deutschland erkennen. Dass IT-Medien vor allem Jüngere ansprechen, ist u.a. dem sogenannten „Digital Divide“⁴⁵ geschuldet sowie der Tatsache, dass Jüngere als die Eingeborenen des digitalen Zeitalters („Digital Natives“)⁴⁶ mit Informationstechnologie aufgewachsen sind, wohingegen die Älteren als „Digital Immigrants“ erst den Zugang zu diesen Technologien finden müssen – und viele den Aufwand scheuen, sich mit der komplexen Materie auseinanderzusetzen. Hier sind die Ergebnisse weniger überraschend. Dass die IT-Journalisten ihrem Publikum aber einen derart starken Informationsdrang und hohes Bildungsniveau zuschreiben, ist bemerkenswert.
39 MITJ = 1,7; MJID = 2,2; 1 bedeutet informationsorientiert, 5 bedeutet nicht informationsorientiert, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 40 MITJ = 2,2; MJID = 2,5; 1 bedeutet gebildet, 5 bedeutet ungebildet, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 41 MITJ = 2,2; MJID = 3,1; 1 bedeutet fortschrittlich, 5 bedeutet konservativ, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 42 Mittelwert der IT-Journalisten MITJ = 2,8; Mittelwert der Journalisten in Deutschland MJID = 3,3; 1 bedeutet jung, 5 bedeutet alt, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 43 MITJ = 2,9; MJID = 2,9; 1 bedeutet reich, 5 bedeutet arm, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 44 MITJ = 2,9; MJID = 3,0; 1 bedeutet einflussreich, 5 bedeutet einflusslos, der Skalenmittelpunkt liegt bei 3. 45 Vgl. Norris 2001. 46 Vgl. Prensky 2001.
126
Ergebnisse
Frage: „Wie würden Sie Ihre Leser bzw. User einschätzen? Sind Ihre Leser…“
jung
2,8
reich
2,9
informationsorientiert
3,3
2,9
arm
2,2
1,7
einflussreich
nicht inf.orientiert
2,9
gebildet
2,2
fortschrittlich
2,2 1
alt
3,0
einflusslos
2,5
2
IT-Journalisten
ungebildet
3,1 3
konservativ 4
5
Journalisten in Deutschland
Basis: n = 102 IT-Journalisten; n = 1536 Journalisten (2005). Quelle: eigene Erhebung; Weischenberg et al. 2006.
Abb. 4.26: Publikumsbild der Journalisten.
4.4.4 Journalisten und Unternehmen Nach der Betrachtung des Verhältnisses von IT-Journalisten und Publikum steht im Folgenden die Analyse des Verhältnisses von IT-Unternehmen und IT-Journalisten an (Extra-Media-Ebene), welches im Gegensatz zu ersterem eher durch direkte, interpersonale Interaktionen geprägt ist. Besondere Berücksichtigung erfährt dabei das Machtverhältnis zwischen IT-Journalisten und IT-Unternehmen. In diesem Zusammenhang drängt sich noch einmal ein Rückblick auf die Rolle der IT-Unternehmen als Informationsquellen auf: Die bisherigen Ergebnisse und die typischen Merkmale des Fachjournalismus lassen vermuten, dass IT-Journalisten sich Informationen, die sie für ihre Berichterstattung brauchen, aktiv beschaffen müssen und sie nicht routinemäßig erhalten (fünfte Forschungsfrage) – was auf eine gewisse Asymmetrie der Beziehungen hindeuten würde. Die Daten deuten jedoch auf ein sehr ausgeglichenes Verhältnis hin (Abbildung 4.27): Nur ein knappes Viertel der Journalisten wendet sich im Regelfall an Unternehmen, um Informationen zu erhalten. Das heißt jedoch nicht im Umkehr-
Beziehungen und Machtverhältnisse
127
schluss, dass der Rest von den Unternehmen ungefragt mit den nötigen Informationen versorgt wird. Das sagen sogar nur 13 Prozent der IT-Journalisten. Die deutliche Mehrheit der IT-Journalisten antwortet, beides „hält sich in etwa die Waage“, d.h. je nach Situation (und je nach Interessenlage) wenden sie sich an die Unternehmen oder die Unternehmen wenden sich an sie. Es ist also keineswegs so, dass die IT-Journalisten sich als Bittsteller fühlen, die von der IT-Industrie nur widerwillig mit Informationen versorgt werden. Ganz ähnlich stellen sich die Beziehungen zwischen den Immobilienjournalisten und ihren Unternehmensquellen dar: Hier sagen knapp 30 Prozent der Journalisten, dass sie es in der Regel sind, die an die Unternehmen herantreten, um an Informationen zu gelangen – und auch hier sagen rund 60 Prozent, der Informationsaustausch sei eine mehr oder weniger gleichverteilte Wechselbeziehung. Allerdings ist der Anteil derer, die angeben, die Unternehmen seien der aktivere Part in der Informationsversorgung, im immobilienjournalistischen Sample bedeutend kleiner (rund fünf Prozent)⁴⁷ – der Eindruck, dass die IT-Industrie eine vergleichsweise entgegenkommende Informationspolitik betreibt, wird an dieser Stelle bestätigt. Frage: „Wenden Sie sich normalerweise an die Unternehmen, um Informationen zu erhalten oder kommen die Unternehmen auf Sie zu?“ „Weder noch“ 1%
„Normalerweise wende ich mich an die Unternehmen“ 24%
„Das hält sich in etwa die Waage 63%
„Normalerweise kommen die Unternehmen auf mich zu“ 13%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.27: Kontaktaufnahme zwischen IT-Unternehmen und IT-Journalisten.
47 Vgl. Jackob et al. 2008: 185.
128
Ergebnisse
Die Informationsbeschaffung ist nur einer von mehreren Indikatoren, an denen man das Machtverhältnis zwischen IT-Unternehmen und IT-Journalisten ablesen kann. Fragt man die Journalisten direkt danach, wie sie das Machtverhältnis zwischen sich selbst und den Unternehmen beschreiben würden, erhält man eine eindrucksvolle Antwort auf die sechste Forschungsfrage (Abbildung 4.28): Die ITJournalisten nehmen ein deutliches Machtgefälle wahr. Auf die Frage, wer wen mehr beeinflusst, sagen nur elf Prozent, dass die Medien die Wirtschaft eher beeinflussen als umgekehrt. Ein ausgewogenes Machtverhältnis sehen 32 Prozent der IT-Journalisten. Die absolute Mehrheit von 57 Prozent sieht die IT-Wirtschaft in der dominanten Position. Hier erweist sich die Machtbalance zwischen Journalismus und Industrie als noch prekärer, als dies für den Immobilienjournalismus nachgezeichnet wurde – und bereits dort war eine klare Asymmetrie festzustellen, wie sie für den Fachjournalismus im Allgemeinen typisch ist: 25 Prozent der europäischen Immobilienjournalisten sahen die Wirtschaft in der machtvolleren Position, nur acht Prozent sich selbst – 45 Prozent beschrieben eine ausgeglichene Beziehung.⁴⁸ IT-Journalisten fühlen sich demnach noch stärker in einer unterlegenen Rolle, sie sehen die Unternehmen tatsächlich „am längeren Hebel“.
Frage: „Die Medien beeinflussen die IT-Wirtschaft und die IT-Wirtschaft beeinflusst die Medien. Wie schätzen Sie ihr Verhältnis ein?“ 0%
20%
40%
60%
80%
100%
32% ausgewogen Die Wirtschaft beeinflusst die Medien eher als umgekehrt
11
46
32
Wirtschaft einflussreicher 57%
11
0
Die Medien beeinflussen die Wirtschaft eher als umgekehrt
Medien einflussreicher 11%
Abb. 4.28: Machtverhältnis zwischen IT-Wirtschaft und IT-Medien.
Die gemeinsame Betrachtung der bisherigen Befunde legt den Eindruck nahe, dass die IT-Journalisten sich in der Tat als den schwächeren Partner sehen: Sie müssen sich selbst häufiger an die Unternehmen wenden, um an gute Informationen zu kommen, werden in der Regel mit Kontaktpartnern aus den PR-Abteilun-
48 Vgl. Tabelle A33 im Anhang in Jackob et al. 2008.
Beziehungen und Machtverhältnisse
129
gen „abgespeist“ und haben kaum Kontakt zu Entwicklern oder gar Vorständen. Sie unterliegen vielerlei Einflussversuchen von Öffentlichkeitsarbeit, erleben einen starken Auflagen- und Kostendruck sowie eine seit einigen Jahren schwelende Krise in ihrem Pressemarktsegment – und kommen im Großen und Ganzen zu dem Schluss, dass ihre Partner aus der Wirtschaft, von denen sie bei der Informations- wie Geldversorgung vital abhängen, eine überlegene Machtposition einnehmen. Auf Grundlage dieser Befunde kann man anzweifeln, ob IT-Journalisten sich bzw. ihrer Berichterstattung tatsächlich einen maßgeblichen Einfluss auf ITUnternehmen und ihre Produktentwicklung bzw. die Kommunikationsaktivitäten zuschreiben. Dieser Frage wird in den nächsten Abschnitten nachgegangen.
4.4.5 Wirkungen auf das Publikum Der Fachjournalismus ist im Allgemeinen durch eine große Serviceorientierung gekennzeichnet – dies wurde in den einführenden Kapiteln zu diesem Buch ausführlich nachgezeichnet. Im Kontext von Informations- und Kommunikationstechnologien bedeutet Serviceorientierung vor allem, den sich stetig wandelnden Markt zu beobachten, Innovationen und Produktneuheiten zu erkennen, zu berichten und zu evaluieren. Leser von IT-Medien erwarten auch Sachurteile der Journalisten: Lohnt es sich, das Produkt anzuschaffen? Für wen lohnt es sich und für wen nicht? Was sind die besonderen Stärken und Schwächen verschiedener Produkte? Die Hefte und Onlineausgaben sind entsprechend zu einem großen Teil von Previews, Kaufratgebern, Produkttests und Vergleichstests geprägt. Mit ihrer Beratungs- und Servicefunktion geht einher, dass die Berichterstattung der IT-Journalisten explizit auf Wirkungen abzielt – auf Lernen, Meinungs- und Verhaltensänderung. Was in anderen journalistischen Bereichen dem Tatbestand der Manipulation oder „Meinungsmache“ gleichkäme, ist für den IT-Journalismus (und andere Journalisten, die über Produkte berichten) eine seiner wesentlichen Existenzberechtigungen. Das Publikum erwartet sachliche, aber durchaus wertende Tests, die meistens in einer Produktbenotung münden. Es sucht nach Orientierung in einem unübersichtlichen Markt und richtet sich dabei zumindest teilweise nach dem, was es in den IT-Medien findet. Jedoch müssen Leser den Wertungen der IT-Journalisten bei ihren eigenen Konsumentscheidungen keineswegs folgen: Wenn beispielsweise Features und Probleme kritisiert werden, die sie für irrelevant halten, oder wenn ihnen das Prestige oder das Design eines Produktes wichtiger ist als deren technische Leistungsfähigkeit, können sie zweifellos zu eigenen, mehr oder weniger stark abweichenden Urteilen gelangen. Nicht umsonst feiern schließlich auch solche Produkte bisweilen große Markterfolge, die von den IT-Journalisten eher kritisch beäugt wurden.
130
Ergebnisse
Daher ist es für die IT-Journalisten auch weniger brisant, über die Wirkungen ihrer Berichterstattung auf das Publikum zu spekulieren – schließlich folgt aus ihren Testberichten kein Automatismus auf Käufer- bzw. Konsumentenseite; außerdem wären solche Effekte zumindest kein Problem für ihre Legitimität. Die der siebten Forschungsfrage zugrunde liegende Annahme lautete, dass die IT-Journalisten ihrer Berichterstattung starke Wirkungen auf das Verhalten bzw. die Verhaltensabsichten der Rezipienten unterstellen. Da damit zu rechnen war, dass IT-Journalisten deutliche Effekte ihrer Berichterstattung auf das Publikum erwarten, wurde in der Testfrage eine Situation skizziert, in der hohe Hürden einem Wandel von Verhalten und Verhaltensabsichten entgegenstehen. Die Frage lautete: „Genau wissen kann man das ja nicht, aber angenommen ein lang ersehntes Produkt erweist sich aus Ihrer Sicht als Flop und Sie schreiben einen kritischen Testbericht, der die Schwächen klar aufzeigt. Was glauben Sie, wie wahrscheinlich ist es, dass ein eigentlich kaufentschlossener Leser in der folgenden Weise reagiert?“ Dabei wurde bei der Situationsbeschreibung auf drei Aspekte besonderer Wert gelegt: Der mögliche Effekt wäre erstens als „Leistung“ positiv zu werten, da die IT-Medien Rezipienten von einer „falschen“ Kaufentscheidung abhalten. Das Produkt, um das es geht, ist zweitens mit hohen Erwartungen, einem positiven „Vorurteil“ und einer bestehenden Kaufabsicht verknüpft, welche also persuasiv geändert oder überwunden werden müssen. Und die beschriebene Situation sollte drittens für den Alltag des IT-Journalismus realistisch sein, also zumindest ab und an vorkommen. Den IT-Journalisten wurden im Anschluss drei mögliche Reaktionen von Lesern vorgelegt. Sie sollten beurteilen, für wie wahrscheinlich sie die jeweilige Reaktion halten. Die Vorgaben sahen eine klare Hierarchie vor: Der schwächste Effekt wäre, dass der Testbericht weitere Informationsbemühungen auslöst – der Beitrag hätte dann zwar das Verhalten geändert, ob er sich aber auch auf die Kaufabsicht auswirkt, bleibt offen. Schwerwiegender wäre ein Verschieben/ Vertagen der Kaufentscheidung; eine solche Reaktion zeigt zumindest, dass die Entscheidungsfindung verändert worden ist, auch wenn unklar bleibt, ob tatsächlich eine Änderung der Kaufentscheidung im Sinne des Testberichts erfolgt. Am schwerwiegendsten ist die dritte Art von Reaktion: Der Leser entschließt sich dazu, das Produkt nicht zu kaufen – trotz seiner ursprünglichen Kaufabsicht.⁴⁹ Die insgesamt hohe Antwortbereitschaft – 90 und 93 Prozent der IT-Journalisten
49 Diese Hierarchie ist allerdings nicht im Sinne einer Guttman-Skala zu begreifen, in der die Zustimmung zur vorherigen Aussage logisch notwendig ist, um der nächsten Aussage möglicherweise zustimmen zu können. Ein Leser kann sich auch direkt entschließen, ein Produkt nicht zu kaufen, ohne sich weiter zu informieren oder seine Entscheidung zu vertagen.
Beziehungen und Machtverhältnisse
131
beantworteten diese insgesamt komplizierte und etwas heikle Frage – deutet darauf hin, dass die Frage gut verstanden wurde und eine für den IT-Journalismus realistische Situation beschreibt. Die siebte Forschungsfrage kann klar mit „Ja“ beantwortet werden: 85 Prozent der IT-Journalisten hielten es für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“, dass ein eigentlich kaufentschlossener Leser als Reaktion auf einen negativen (aber sachlichen!) Testbericht noch weitere Testberichte zurate ziehen würde. Nur ein Prozent fand dies „eher“ oder „sehr unwahrscheinlich“. Die Mehrheit der ITJournalisten denkt auch, dass der Testbericht die Kaufentscheidung eines Lesers vertagen kann: 65 Prozent hielten eine solche Reaktion für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“. Wie erwartet ist diese Art von Wirkung allerdings anspruchsvoller und wird daher etwas als weniger wahrscheinlich angesehen. Dieses Muster setzt sich auch beim schwerwiegendsten der drei möglichen Effekte fort: Keine absolute, aber eine relative Mehrheit der IT-Journalisten (40 Prozent) hält es für „eher“ oder „sehr wahrscheinlich“, dass ein eigentlich kaufentschlossener Leser nach der Lektüre eines kritischen Testberichts seine Kaufentscheidung ändert. Beinahe ebenso viele (38 Prozent) antworteten „teils, teils“, wollten sich also nicht festlegen, ob sie eine solche Reaktion eher für wahrscheinlich oder eher für unwahrscheinlich halten. Lediglich 12 Prozent hielten eine solche Reaktion für „eher“ oder „sehr unwahrscheinlich“ (Abbildung 4.29). Dabei ist die Frage unbeantwortet, wie belastbar dieser Befund letztendlich ist: Wenn man aus den Antworten Aussagen über die tatsächlichen Effekte der IT-Berichterstattung auf IT-Konsumenten ableiten möchte, erweist sich der Indikator als vergleichsweise schwach. Die Urteile der IT-Journalisten dürften im besten Fall aus Leserzuschriften, Leseranrufen, eigenen Erfahrungen als Rezipient, aus Gesprächen mit Lesern aus dem Bekanntenkreis und aus Unterhaltungen mit Kollegen und Vorgesetzten resultieren. All diese Eindrücke werden zwar nicht vollständig an der Realität vorbeigehen, man kann sie aber sicher nicht als direkte Abbildung von Wirkungsmustern und Wirkungswahrscheinlichkeiten interpretieren. Darüber hinaus sind auch hier sozialpsychologische Effekte zu berücksichtigen, wie sie bei Befragungen immer wieder auftreten:⁵⁰ Es wäre für IT-Journalisten vermutlich schwierig, der eigenen Berichterstattung keinerlei Wirkung beizumessen, da diese Wirkungen gewissermaßen angepeiltes und erwünschtes Ergebnis der Serviceleistung des IT-Journalismus ist. IT-Journalisten vermitteln Informationen zur Orientierung und Entscheidungshilfen, es liegt nahe, dass sich die Rezipienten bei ihren Entscheidungen von diesen Angeboten beeinflussen lassen. Die Analysen zum Selbstverständnis der IT-Journalisten
50 Noelle-Neumann & Petersen 1998: 96; 518–520.
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Ergebnisse
geben in diesem Zusammenhang wichtige weiterführende Hinweise, sind sich die Journalisten doch ihrer Funktion als Bindeglied zwischen Industrie und Konsumenten eindeutig bewusst. Auch ist Ihnen bewusst, dass die Rezipienten auf ihre Informationen angewiesen sind – ebenso wie die Industrie auf ihre Vermittlungsleistung. Das berufliche Selbstbewusstsein der IT-Journalisten fußt zu einem Gutteil auf dieser selbst erkannten Schlüsselstellung. Frage: „Genau wissen kann man das ja nicht, aber angenommen, ein lang ersehntes Produkt erweist sich aus Ihrer Sicht als Flop und Sie schreiben einen kritischen Testbericht, der die Schwächen klar aufzeigt. Was glauben Sie, wie wahrscheinlich ist es, dass ein eigentlich kaufentschlossener Leser in der folgenden Weise reagiert?“ 0%
20%
40%
„Er/sie liest noch weitere Testberichte, um mehr über das Produkt zu erfahren“
Eher wahrscheinlich/ Sehr wahrscheinlich
Teils, teils
80%
85
„Er/sie wird länger abwarten, bevor er/sie das Produkt kauft“
„Er/sie entschließt sich dazu, das Produkt doch nicht zu kaufen“
60%
7 1 7
21
65
40
Sehr unwahrscheinlich/ Eher unwahrscheinlich
100%
38
6
12
9
10
Weiß nicht / k.A.
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.29: Vermutete Wirkungen negativer Testberichte.
Die bisherigen Befunde haben allerdings auch gezeigt, dass die IT-Journalisten zugleich Grenzen der Wirksamkeit ihrer Berichterstattung wahrnehmen. So halten sie es zwar für wahrscheinlich, aber keineswegs für sicher, dass Konsumenten ihre Entscheidungen vertagen oder gar umkehren. In der geschilderten Situation wäre eine Wirkung wünschenswert, weil die Konsumenten vom voreiligen Kauf eines irrtümlich mit Vorschusslorbeeren bedachten Produktes bewahrt würden. Es stellt sich die Frage, weshalb in einer solchen Situation die erwar-
Beziehungen und Machtverhältnisse
133
tete und wünschenswerte Wirkung ausbleiben könnte (achte Forschungsfrage). Lässt man situative Faktoren außen vor, kann man mögliche Erklärungen für ausbleibende Publikationswirkungen auf Seiten der Rezipienten und auf Seiten der Industrie suchen.⁵¹ Da jedoch IT-Journalisten ein ausnehmend positives Publikumsbild pflegen, könnte man annehmen, dass sie in den Marketingaktivitäten der IT-Unternehmen die Hauptursache für das Ausbleiben von Effekten auf Kaufentscheidungen suchen. Dass die Rezipienten keine Ahnung hätten oder sich schlecht informieren würden, spielt in ihren Augen vermutlich keine große Rolle. Auch wenn die Befragten wider Erwarten Kritik an den Konsumenten äußern, wird die Annahme im Großen und Ganzen bestätigt (Abbildung 4.30): Nur 36 Prozent der IT-Journalisten sahen einen wichtigen oder sehr wichtigen Grund für eine geringe vermutete Wirkung ihrer Berichte auf die Konsumentscheidung ihrer Adressaten darin, dass sich die Käufer mit den Produkten nicht auskennen – folglich wäre der Mangel an Expertise bzw. Urteilsvermögen entscheidend dafür, dass der „gute Rat“ der IT-Journalisten nicht befolgt würde. Immerhin 39 Prozent der Befragten sahen im Informationsverhalten der Konsumenten die Ursache, sie würden sich schlicht nicht hinreichend gut informieren, was letztlich dazu führe, dass die Berichte nicht rezipiert bzw. bei der Entscheidung berücksichtigt würden. Diese Angaben muss man nicht unbedingt als Leserkritik begreifen, vielleicht eher als Konsumentenkritik: Vermutlich richten sich die Aussagen nicht gegen die eigenen Leser, sondern entweder gegen die Leser anderer IT-Medienangebote (die möglicherweise falsch informiert sind) oder an ein mehr oder weniger abstraktes Konsumentenkollektiv, das sich in der Regel nicht richtig informiert und folglich keine belastbare Urteilsgrundlage ausprägt. Den wichtigsten Grund für mangelnden Einfluss auf Konsumentscheidungen suchen die IT-Journalisten jedoch in der Tat an anderer Stelle: „Hypes“ seien das größte Wirkungshemmnis, wenn ihre kritischen Berichte einmal nicht die gewünschten Wirkungen erzielten – 88 Prozent sehen einen wichtigen oder sehr wichtigen Grund für das Ausbleiben von Wirkungen darin, dass es „einen Hype um das Produkt“ gebe, „der stärker ist als die Kritik“. Hypes müssen zwar nicht immer ihren Ursprung beim Hersteller und dessen Marketingaktivitäten nehmen, in der Regel tun diese aber ihr Bestes, um hohe Erwartungen zu erzeugen und/oder zu schüren.
51 In der Frage ging es nicht direkt darum, warum der in der vorherigen Frage erwähnte kritische Artikel wirkungslos bliebt, sondern ganz allgemein darum, wie sich die Befragten erklären, dass schlecht bewertete Produkte am Markt durchaus Erfolg haben können.
134
Ergebnisse
Frage: „Es kommt öfter vor, dass Produkte trotz schlechter Testergebnisse zum Kassenschlager werden. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die folgenden Gründe dafür?“1 0%
C
20%
40%
60%
80%
100% 1
„Es gibt einen Hype um das Produkt, der stärker ist als die Kritik“
88
„Die Käufer informieren sich einfach nicht richtig“
40
39
„Die Käufer kennen sich mit den Produkten einfach nicht aus“
9
50
36
18
12
2
2
2
C
0 Sonstige
Wichtig / Sehr wichtig
Teils, teils
16
2
82
Überhaupt nicht wichtig / Nicht so wichtig
k.A.
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.30: Ursachen für die Wirkungslosigkeit der Berichterstattung.⁵²
Insgesamt ergeben die Befunde ein deutliches Bild: IT-Journalisten vermuten die Grenzen der Wirkungschancen ihrer Berichterstattung vor allem in den Hypes um bestimmte Produkte, welche wiederum vor allem durch Werbe- und Marketingaktivitäten der IT-Unternehmen entstehen, aber auch infolge der Vorabberichterstattung der IT-Medien selbst. Sie verstärken sich vermutlich in der interpersonalen Kommunikation sowie in den neuen Verbreitungskanälen des Social
52 Fielen insgesamt bei den verschiedenen Testfragen nur sehr selten zusätzliche offene Angaben unter „Sonstige“ an, machten sich einige Teilnehmer der Befragung an dieser Stelle die Mühe, die in ihren Augen wichtigen alternativen Wirkungshemmnisse zu explizieren: Zu diesen Argumenten, die gegebenenfalls stärker als die Kritik der Journalisten wogen, zählten (a) der Preis, (b) eine geringe individuelle Relevanz der genannten Kritikpunkte, (c) Gruppenzwang bei bestimmten Produkthypes bzw. sozialer Druck, (d) emotionale Gründe, die Vernunftsgründe überwogen, (e) virales Marketing im Netz, das sich kaum von persönlichen Meinungen unterscheiden lasse, (f) das Rückgaberecht, (g) gezielte Desinformationen seitens der Hersteller, (h) große Werbebudgets der Industrie, (i) das Image bestimmter Marken, (j) das Sozialprestige, das sie verleihen, (k) Impulskäufe und (l) Herstellertreue.
Beziehungen und Machtverhältnisse
135
Web. Unzulänglichkeiten der Konsumenten werden dagegen weit seltener als Wirkungshemmnisse genannt – womit die These, wonach es vor allem die Industrie mit ihrem Marketing ist, die einen kritischen Tenor der IT-Fachpresse überwinden kann, bestätigt wird. Zugleich werden zwei frühere Befunde untermauert: Das Publikumsbild der IT-Journalisten ist in der Tat so positiv, dass sie in der Regel nicht den Rezipienten die Schuld zuschieben, wenn an sich mangelhafte Produkte trotz kritischer Berichte Erfolg haben. Und die Wahrnehmung stark asymmetrischer Machtverhältnisse manifestiert sich auch im Eingeständnis, dass die Industrie letztlich die Mittel hat, auch schlechte Produkte gegen einen kritischen Tenor der IT-Medien „durchzudrücken“. Die Befunde ergeben nicht nur inhaltlich ein stimmiges Bild, sie sind auch ein Indikator für eine große interne Validität.
4.4.6 Wirkungen und Rückwirkungen auf die IT-Hersteller Trotz möglicher Wirkungshemmnisse hat IT-Berichterstattung nicht nur auf Konsumenten einen gewissen Einfluss, sondern vermutlich auch auf IT-Unternehmen, die die Berichterstattung über ihre Produkte eingehend verfolgen und sich damit reziproken Effekten⁵³ ausgesetzt sehen – also Effekten der Berichterstattung auf die Protagonisten der Berichterstattung. Man kann vermuten, dass das Involvement der Mitarbeiter von IT-Unternehmen, insbesondere der Entwickler, sehr hoch sein dürfte, wenn es um Berichte über „ihre“ Produkte geht. Es ist zu erwarten, dass der IT-Berichterstattung in den IT-Unternehmen viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, dass die Mitarbeiter der IT-Industrie vor dem Hintergrund der rezipierten Berichte eigene Haltungen, Sichtweisen und Emotionen entwickeln und über die Wirkung der Berichterstattung auf Rezipienten und allgemeine Öffentlichkeit spekulieren. Hinzu kommt, dass auch marktreife Produkte in den Unternehmen mit einer Reihe von Erwartungen versehen werden, ihr Erfolg durchaus mit Unsicherheiten behaften sein kann: Wie wirken sich die Stärken und Schwächen der eigenen Produkte auf den Markterfolg aus? Wie werden sie von der Presse und den Kunden rezensiert? Solche Fragen können immer erst ex post beantwortet werden und der Produktentwicklungsprozess findet in weiten Teilen von der Öffentlichkeit abgeschottet statt – Betriebsblindheit und sogenannte „Groupthink-Effekte“⁵⁴ sind auch in Unternehmen bei Prozessen wie der Produktentwicklung denkbar.
53 Vgl. Kepplinger 2007. 54 Vgl. Janis 1982. Das Groupthink-Phänomen entsteht, wenn Gruppen nach außen hin abgeschottet sind und sich zu einer Konsensentscheidung hin orientieren, obwohl es offensichtliche
136
Ergebnisse
Auch bei den Wirkungen der Berichterstattung auf die Unternehmen können verschiedene Formen unterschieden werden: So kann man einerseits zwischen produktbezogenen und kommunikativen Reaktionen auf IT-Berichte differenzieren. Eine Erwiderung auf Kritikpunkte in einer Pressemitteilung ist eine kommunikative Reaktion (Kommunikationspolitik); ein Patch, der einen kritisierten Fehler behebt oder abmildert, ist eine produktbezogene Reaktion (Produktpolitik). Bei den sogenannten reziproken Effekten kann man darüber hinaus zwischen Effekten unterscheiden, die als zeitlich nachgelagerte Reaktion auf bereits publizierte Medienbeiträge auftreten (reaktive Effekte) und Effekten, die als zeitlich vorgelagerte Aktion auf die proaktive Beeinflussung künftiger Medienbeiträge abzielt (proaktive/antizipative Effekte). Diese Unterscheidung wird allerdings im Fragebogen nur hinsichtlich der Produktpolitik, nicht hinsichtlich der Kommunikationspolitik aufgegriffen. In einem ersten Schritt wurden die Wirkungen der IT-Berichterstattung auf die Kommunikationspolitik von Unternehmen in den Blick genommen. Die im Fragebogen verwendete Frage folgte direkt auf die Frage nach den möglichen Effekten eines kritischen Beitrags auf das Informations- und Entscheidungsverhalten der Rezipienten, sie bezog sich also thematisch auf den genannten kritischen Beitrag. Die IT-Journalisten wurden gefragt, wie die Hersteller in ihren Augen aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen solchen Beitrag reagieren würden. Drei mögliche kommunikative Reaktionen wurden den Befragten vorgelegt, sie sollten beurteilten, ob sie eine solche Reaktion in der geschilderten Situation für „sehr wahrscheinlich“, „eher wahrscheinlich“, „teils [wahrscheinlich] teils [unwahrscheinlich], „eher unwahrscheinlich“ oder „sehr unwahrscheinlich“ hielten. Für die Auswertung wurden jeweils die beiden Optionen „eher wahrscheinlich“ und „sehr wahrscheinlich“ sowie „eher unwahrscheinlich“ und „sehr unwahrscheinlich“ zusammengefasst. Etwa die Hälfte der IT-Journalisten (48 Prozent) hielt es für eher oder sehr wahrscheinlich, dass ein IT-Unternehmen im Falle eines kritischen Berichtes über ein Produkt den direkten Kontakt mit dem Autor suchen würde (Abbildung 4.31). Etwa ein Viertel (24 Prozent) hielt eine solche Reaktion für unwahrscheinlich. Etwas höher schätzten die IT-Journalisten die Wahrscheinlichkeit ein, dass das IT-Unternehmen Kontakt zum Verlag oder zur Redaktion suchen würde
und gute Gegenargumente gegeben hätte. Kritische Anmerkungen innerhalb der Gruppe werden heruntergespielt, die Kritiker werden mundtot gemacht. Oft resultieren daraus drastische Fehlentscheidungen. Janis führt unter anderem die Entscheidung für eine US-Invasion auf Kuba auf das Groupthink-Phänomen zurück. Kennedy kommentierte die Entscheidung im Nachhinein mit den Worten: „How could we have been so stupid?“
137
Beziehungen und Machtverhältnisse
(54 Prozent). Für unwahrscheinlich hielten eine solche Reaktion 21 Prozent. Eher untypisch finden die IT-Journalisten die Reaktion, dass IT-Unternehmen „nachtragend“ reagieren und in der Zukunft den Kontakt zum verantwortlichen Journalisten abbrechen bzw. ihn „schneiden“. Dass Vertreter des Unternehmens weniger Bereitschaft zu Interviews, Vorabtests oder Interaktionen bei Events zeigen würden, fanden gerade einmal 27 Prozent der IT-Journalisten wahrscheinlich, 35 Prozent hingegen fanden eine solche Reaktion unwahrscheinlich. So etwas kommt offensichtlich vor, ist aber eher die Ausnahme als die Regel.
Frage: „Solche Tests werden ja auch von Herstellern gelesen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Hersteller in der folgenden Weise reagieren?“ Der Hersteller... 0%
20%
„… kontaktiert Sie persönlich wegen des Tests“
48
„… kontaktiert den Verlag oder die Redaktion“
54
„… wird in Zukunft nicht mehr so einfach zugänglich sein für Interviews, Vorabtests oder bei Messen“ Eher wahrscheinlich / Sehr wahrscheinlich
Teils, teils
27
40%
60%
80%
26
24
32
33
Sehr unwahrscheinlich / Eher unwahrscheinlich
100%
21
35
3
3
5
Weiß nicht / k.A.
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.31: Rückwirkungen der Berichte auf die Journalisten.
Offen bleibt, welche Motive IT-Unternehmen zu solcherlei kommunikativen Reaktionen verleiten: Sollen die Journalisten vom Gegenteil – also von der Qualität des eigenen Produkts – überzeugt werden? Wollen die Unternehmen ihren Unmut über die Publikation zum Ausdruck bringen oder den Journalisten auf Probleme der Neutralität, Ausgewogenheit oder Fairness ansprechen? Sprechen sie gar Drohungen aus? Oder wollen sie nur mit dem Journalisten die Kritikpunkte besprechen, um gezielt an Verbesserungen arbeiten zu können? Solche und weitere Gesprächsmotive sind denkbar, konnten aber nicht mehr im ohnehin relativ langen Fragebogen untergebracht werden. Deshalb bleibt der Inhalt solcher Gespräche offen. Die Antwort auf die neunte Forschungsfrage fällt dagegen klar aus: Ja, die IT-Unternehmen kommunizieren mit der IT-Presse über vergangene Berichterstattung.
138
Ergebnisse
Vor dem Hintergrund der Frage, welche Rolle IT-Journalisten bei der Vermittlung und Entstehung von Innovationen im IT-Bereich spielen (als Trendscout und Trendsetter, so die These im Titel des Buches), sind die Befunde zum Einfluss des IT-Journalismus auf die Produktpolitik besonders interessant. Ein substantieller Einfluss auf die Produktpolitik würde andeuten, dass IT-Journalisten nicht nur passive Vermittler von Trends und Innovationen im Sinne des Begriffs „Trendscout“ sind (wie es in ihrem Rollenselbstverständnis zum Ausdruck kommt). Vielmehr werden sie selbst eine bedeutsame Schaltstelle bei der Entstehung von Trends. Ihre Schlüsselrolle bei der Darstellung, Vermittlung und Bewertung von Produkten würde damit von den Unternehmen antizipiert. Ihre Anregungen würden auch deshalb beachtet und umgesetzt, weil sich die Unternehmen dann eine reibungslosere Vermittlung und wohlwollende Bewertung in der Fachöffentlichkeit erhoffen. Um sich dieser Frage anzunähern wurden zwei zusätzliche Antwortvorgaben in das oben beschriebene Fragemodell integriert. Die Befragten sollten angeben, wie wahrscheinlich es in ihren Augen ist, dass „[d]er Hersteller versucht in Updates, Patches usw. die Mängel zu beheben“ oder dass „[d]er Hersteller […] die Kritikpunkte zukünftig bei der Produktentwicklung“ berücksichtigen wird. Beide Reaktionen sind, legt man die Antworten der IT-Journalisten zugrunde, im Großen und Ganzen wahrscheinlich (Abbildung 4.32): 57 Prozent der Befragten hielten es für eher oder sehr wahrscheinlich, dass die Hersteller mit Updates, Patches oder ähnlichen Maßnahmen kurzfristig auf die Kritik reagieren, also versuchen, Mängel zu beheben. Lediglich drei Prozent hielten eine solche Reaktion für eher oder sehr unwahrscheinlich, 37 Prozent waren unentschieden, ob eine solche Reaktion eher wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich wäre (weitere drei Prozent der IT-Journalisten gab keine Antwort ab). Bei der zukünftigen Produktentwicklung scheinen die IT-Unternehmen, folgt man den Eindrücken der Journalisten, ebenfalls vergleichsweise zugänglich für Medienwirkungen zu sein: Über die Hälfte der Befragten (53 Prozent) hielt es für eher oder sehr wahrscheinlich, dass IT-Unternehmen die Anregung aus kritischen Testberichten bei der Entwicklung von künftigen Produkten berücksichtigen. Nur ein knappes Zehntel der IT-Journalisten hält das für eher oder sehr unwahrscheinlich. 35 Prozent sind unentschieden – auch hier verweigerte beinahe niemand die Antwort (drei Prozent). Die Antwort auf die zehnte Forschungsfrage lautet: Im Vergleich zu den kommunikativen Reaktionen sind die produktbezogenen Reaktionen aus Sicht der IT-Journalisten sogar deutlich wahrscheinlicher, wesentlich weniger Journalisten halten die produktbezogenen Reaktionen, vergleicht man sie mit den kommunikativen Reaktionen, für unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu den Spekulationen über Wirkungen auf die breite Masse der Rezipienten wird man diesen Befunden eine stärkere Erfahrungssättigung
139
Beziehungen und Machtverhältnisse
zuschreiben können. IT-Journalisten können verfolgen, welche Updates und Patches die IT-Unternehmen anbieten oder ob sie Rückrufaktionen einleiten. Die IT-Journalisten sprechen mit den Entwicklern und erkundigen sich über Veränderungen oder neue Features. Sie testen auch die Nachfolgerprodukte und können sich ein Bild davon machen, welche Anregungen berücksichtigt wurden und welche nicht. Auch hier ist zwar eine gewisse Verzerrung in den Antworten zu vermuten, weil auch die Wirkungen auf Hersteller als sozial erwünscht gelten können und helfen dürften, ein positives Selbstbild und ein hohes Selbstvertrauen zu etablieren bzw. zu bewahren. Für das Antwortmuster kann dies allein aber kaum verantwortlich gemacht werden. Daher kann man festhalten, dass die IT-Journalisten ihre Kritik in Beiträgen als ein wichtiges Vehikel sehen, um auf die Produktentwicklung in der IT-Industrie Einfluss zu nehmen.
Frage: „Solche Tests werden ja auch von Herstellern gelesen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Hersteller in der folgenden Weise reagieren?“ Der Hersteller... 0%
„… versucht in Updates, Patches usw. die Mängel zu beheben“
„… berücksichtigt die Kritikpunkte zukünftig bei der Produktentwicklung“
Eher wahrscheinlich / Sehr wahrscheinlich
Teils, teils
20%
40%
60%
80%
57
53
Sehr unwahrscheinlich / Eher unwahrscheinlich
100%
37
33
35
9
3
Weiß nicht / k.A.
Basis: n=102 IT-Journalisten. Abb. 4.32: Wirkung von negativen Testberichten auf die Hersteller/IT-Unternehmen.
Diese Befunde geben erste Hinweise in Richtung der Annahme, dass IT-Journalisten die Unternehmen schon während der Produktentwicklung beeinflussen (elfte Forschungsfrage). Wenn IT-Unternehmen schon so eindeutig auf die veröffentlichten kritischen Testberichte reagieren – sie also anscheinend auf die Kritik eingehen, obgleich das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, dann dürften die Unternehmen auch ein Interesse daran haben, soweit wie möglich bereits vor der Publikation möglicher kritischer Berichte den Rat der Tester einzuholen. So könnten negative Produkttests im Voraus verhindert werden, indem mögliche
140
Ergebnisse
Schwachstellen im Entwicklungsprozess erkannt und behoben oder abgemildert würden. Für die IT-Journalisten ergibt sich damit eine weitere Einflussmöglichkeit: Bei Gelegenheiten wie Messen, Interviews, Produktvorführungen oder Vorabtests können sie bereits während des Entwicklungsprozesses Kritik und Anregungen einbringen, die dann möglicherweise noch umgesetzt werden. Die hierzu entwickelte Testfrage zielte darauf ab zu erheben, wie IT-Unternehmen aus Sicht der IT-Journalisten mit Anregungen und Kritik während des Produktentwicklungsprozesses umgehen. Die Antwortmöglichkeiten sahen eine Abstufung im Ausmaß der Einflussmöglichkeiten vor: Der tiefgreifendste Einfluss läge dann vor, wenn IT-Unternehmen die Anregungen ohne Rücksicht auf die Kosten umsetzen. Ein ebenfalls tiefgreifender Einfluss läge dann vor, wenn die Anregungen umgesetzt würden, solange sich die Kosten in Grenzen halten. Ein eher geringer Einfluss läge vor, wenn Anregungen nur dann umgesetzt werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstünden. Gar kein Einfluss läge vor, wenn die Anregungen gar keine Beachtung fänden. Die überwiegende Mehrheit der IT-Journalisten hat das Gefühl, dass Anregungen während der Produktentwicklung von den IT-Unternehmen ernst genommen werden (Abbildung 4.33): 82 Prozent der Befragten attestieren sich selbst einen Einfluss auf den Produktentwicklungsprozess. 51 gaben Prozent an, dass Anregungen dann umgesetzt werden, wenn sich die Kosten in Grenzen halten; drei Prozent sagen sogar, dass Anregungen ohne Rücksicht auf die entstehenden Kosten umgesetzt würden. Zusammen gehen also 54 Prozent der IT-Journalisten davon aus, dass ihre Anregungen auch dann umgesetzt werden, wenn sie nicht kostenneutral sind. Weitere 28 Prozent geben an, die IT-Unternehmen seien grundsätzlich zu Änderungen bereit, solange die Kosten sich nicht erhöhen. Lediglich neun Prozent der Journalisten fühlen sich mit ihren Anregungen nicht ernst genommen; zehn Prozent der Befragten gab keine inhaltlich interpretierbare Antwort. Aus alledem kann man folgern, dass die IT-Journalisten – auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen – einen beträchtlichen Einfluss auf die Produktentwicklung von IT-Unternehmen wahrnehmen. Dieser vergleichsweise große Einfluss hat zwei potenzielle Wurzeln: erstens die potenziellen Wirkungen der Berichterstattung auf das Publikum und damit die Konsumenten, weshalb die IT-Unternehmen besonders positive Produktbesprechungen anstreben, und zweitens die Unsicherheit der IT-Unternehmen, die sich in einem unüberblickbaren und schnell wandelnden Markt behaupten müssen und darum vermutlich froh über die Anregungen sind, die der IT-Journalismus in Publikationen und in direkten Interaktionen mit den IT-Unternehmen einbringen. Nicht nur bereits veröffentlichte Beiträge, sondern auch die Antizipation möglicher (positiver oder negativer) Beiträge stellt dabei eine Wirkung des IT-Journalismus dar. Welcher Art die
Beziehungen und Machtverhältnisse
141
Neuerungen und Änderungen sind, die IT-Journalisten in solchen Interaktionen anregen, und wie einschneidend diese Anregungen sind, bleibt allerdings offen. Man kann jedoch vermuten, dass sie einer Ausrichtung der Produktentwicklung an den Bedürfnissen der Konsumenten Vorschub leisten. Frage: „Zu den Herstellern haben Sie ja teilweise auch schon während der Entwicklung eines neuen Produkts Kontakt. Wie gehen die Hersteller bei solchen Kontakten mit Anregungen und Kritik von Journalisten um?“
"weiß nicht"
„… werden ernst genommen und umgesetzt“
10%
3%
"Die Anregungen und Kritikpunkte von Journalisten..."
„…werden nicht weiter beachtet“ 9%
„…werden ernst genommen, aber nur umgesetzt, wenn keine weiteren Kosten entstehen“
„… werden ernst genommen und soweit wie möglich umgesetzt – je nach dem, was es kostet“ 51%
28%
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.33: Wirkung von Anregung und Kritik auf die Hersteller/IT-Unternehmen während der Produktentwicklung.
Man kann aus den bisherigen Ergebnissen weiterhin folgern, dass IT-Journalisten als Trendscouts und Trendsetter im IT-Sektor agieren, die zwischen Konsumenten und Herstellern vermitteln und auf beide in bestimmtem Umfang Einfluss ausüben. Sie sehen sich selbst als Vermittler von Innovationen und Neuheiten, berichten auch schwerpunktmäßig über Trends und Neuheiten. Sie haben einen guten Draht zum Publikum, das sie darüber hinaus schätzen und positiv beurteilen, und zur IT-Industrie, die ihre primären Informationsquellen darstellen. Sie gehen davon aus, dass das Publikum auf ihre Produktempfehlungen reagiert und sie beobachten, dass die IT-Industrie auf ihre Kritik und ihre Anregungen Rücksicht nimmt. Das bedeutet zwar nicht, dass sie selbst das Gefühl haben, auf Augenhöhe mit der Industrie zu interagieren, relativiert aber den etwas pessimis-
142
Ergebnisse
tischen Eindruck, die Unternehmen säßen in der Regel am längeren Hebel und hätten eine große Machtposition gegenüber den Journalisten inne. Vor dem Hintergrund der kursorisch zusammengefassten Ergebnisse drängt sich im letzten Schritt der Analysen die Frage auf, welche aktuellen Trends und Innovationen die IT-Journalisten für besonders vielversprechend halten. Die Perspektive der Studie wechselt also: Es stehen nicht mehr Selbstauskünften im Mittelpunkt der Analysen, sondern Experteneinschätzungen. Auch die Entwicklungstendenzen in der IT-Industrie sowie in der IT-Medienbranche können sie als Beobachter oder Betroffene aus der Nähe charakterisieren. Wie sieht also die Zukunft der IT-Branche sowie der IT-Fachpresse in den Augen der IT-Journalisten aus? Dieser Themenkomplex rückt im folgenden Kapitel in den Mittelpunkt.
4.5 Trends und Perspektiven 4.5.1 Forschungsfragen IT-Journalisten sind Bindeglied und Schaltstelle in der Beziehung zwischen IT-Unternehmen und IT-Konsumenten. Sie sind Meinungsführer und nehmen Einfluss auf die Prägung und die Verbreitung von Innovationen – sie haben in der Regel ein großes Erfahrungs- und Urteilswissen, wenn es darum geht, von welchen Trends und Technologien die Zukunft der IT-Welt geprägt sein wird. Im letzten Abschnitt der Ergebnisdarstellung stellt sich die Frage, wie diese Meinungsführer über zukünftige Entwicklungen im IT-Bereich denken: Man kann dabei Trends in der IT-Presse, in der IT-Branche, in der technologischen Entwicklung und in den gesellschaftlichen Auswirkungen der Informationstechnologie unterscheiden. Bei der Beurteilung der Zukunft der IT-Presse kann man zwischen wirtschaftlichen und journalistischen Entwicklungen unterscheiden – wenngleich beide Bereiche sich stark überschneiden dürften. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungen steht z.B. die Frage im Raum, wie sich das Verhältnis zwischen Verkaufs- und Anzeigenerlösen entwickeln wird. Mit dieser Frage hängt unmittelbar die nächste Frage zusammen – wie sich der Stellenwert der Online-Angebote im Verhältnis zu den Printangeboten entwickeln wird. Man kann auf Basis der Entwicklungen des zurückliegenden Jahrzehnts annehmen, dass Online-Angebote weiter an Stellenwert gewinnen und Print-Angebote verlieren werden. Da es vergleichsweise unwahrscheinlich ist, dass sich in diesem Pressesegment Bezahlangebote online durchsetzen werden, ist eine Verlagerung von Verkaufs- hin zu Anzeigenerlösen zu erwarten. Die ersten beiden Fragen in diesem Themenkomplex lauten entsprechend:
Trends und Perspektiven
Frage 1: Frage 2:
143
Wird sich der Schwerpunkt der IT-Presse weiter in die Online-Welt verschieben? Werden Anzeigeerlöse im Vergleich zu den Verkaufserlösen wichtiger werden?
Da Informationstechnologien in Zukunft eher wichtiger als unwichtiger werden und auch der Konsum von IT-Produkten weiter steigen dürfte, kann man überdies eine steigende gesellschaftliche Nachfrage nach Informationen über IT-Produkte erwarten. Insofern ist es naheliegend anzunehmen, dass auch die IT-Presse als Ganzes in Zukunft wächst. Dagegen sprechen Erfahrungen aus anderen Pressemarktsegmenten, die zeigen, dass der Übergang von Print- zu Online-Angeboten in der Regel mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten einhergeht, weil die Verkaufserlöse zurückgehen und zugleich Anzeigenerlöse im Internet schwieriger zu erzielen sind. Zudem kann sich im Internet – wie man am Beispiel der vielen ITspezifischen Informationsquellen abseits der IT-Fachpresse sehen kann – leichter eine nicht-journalistische und nicht-kommerzielle Konkurrenz etablieren. Und auch unter den IT-Medien dürfte sich in den letzten Jahren ein verschärfter Konkurrenzdruck bemerkbar gemacht haben. Die Forschungsfragen lauten: Frage 3: Hat der Konkurrenzdruck unter IT-Medien zugenommen? Frage 4: Wird der IT-Pressemarkt weiter wachsen? Betrachtet man die journalistische Dimension zukünftiger Entwicklungen im Bereich der IT-Fachpresse, stellen sich Fragen nach der Konkurrenzsituation (diesmal der publizistischen), nach der Entwicklung der journalistischen Qualität und nach der Professionalisierung des Berufes. In Bezug auf den letztgenannten Punkt steht die Frage im Raum, in welchem Verhältnis journalistische Kompetenzen und IT-Fachkompetenzen zueinander stehen: Da die IT-Presse in den letzten Jahren zunehmend den Mainstream der Gesellschaft erreicht hat, dürften journalistische Kompetenzen – z.B. die Fähigkeit komplexe Sachverhalte zu ordnen, auf den Kern zu reduzieren, zu vereinfachen und für breite Publika verständlich und anschaulich zu vermitteln – an Bedeutung gewinnen. Ob der IT-Fachjournalismus auch in Zukunft wie noch in den Anfangsjahren üblich von technikorientierten IT-Experten dominiert sein wird, ist eine der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt. Damit ist die Vermutung verbunden, dass IT-Journalisten zunehmend Journalisten im Wortsinne werden und nicht mehr schreibende Hardware-Schrauber, Spieler und Programmierer sind. Dagegen spricht einerseits, dass die IT-Welt auch heute noch Menschen mit hoher Technikaffinität anzieht, und andererseits, dass die IT-Produkte zunehmend komplizierter werden. Auf eine solide Technikkompetenz wird wohl auch in Zukunft nicht verzichtet werden können – selbst wenn viele Produkte nutzerfreundlicher
144
Ergebnisse
als früher sind und nicht alle Rezipienten an der genauen Funktionsweise der ITProdukte und ihrer technischen Komponenten interessiert sein dürften. Die Frage lautet daher: Frage 5: Wird eine journalistische Berufsausbildung gegenüber der IT-Fachausbildung in Zukunft an Bedeutung gewinnen? Wie sich die journalistische Arbeit der IT-Fachpresse in den nächsten Jahren verändern wird, kann auch davon abhängen, wie sich die Konkurrenz durch alternative Informationsangebote entwickeln wird. Wie einige Kapitel zuvor dargelegt, spielt User-Generated Content eine immer größere Rolle sowohl für die Rezipienten als auch für die Recherche der Journalisten. Es ist anzunehmen, dass kommerzielle und nicht-kommerzielle Experten- und Laien-Angebote den IT-Journalismus nicht nur wirtschaftlich sondern auch journalistisch unter Druck setzen wird: Wie reagieren IT-Journalisten auf solche Konkurrenzangebote in Form von Blogs, Forums-Diskussionen, Non-Profit- und Unternehmens-Websites? Dass sie solche Quellen rezipieren und dass die Rezeption von und der professionelle Umgang mit solchen Konkurrenzinhalten ausdrücklich gefordert wird, wurde eingangs dargelegt. Es steht zu erwarten, dass es zum Berufsbild des IT-Journalisten gehört, sich professionell in diesem dynamisch kommunizierenden Marktumfeld zu bewegen. Unabhängig von der Frage, wie sich das Beziehungsspiel zwischen klassischen IT-Medien und der (Laien-)Konkurrenz ausnehmen wird, dürften die IT-Journalisten doch deutlich den Konkurrenzdruck von dieser Seite her spüren – und vermuten, dass dieser noch weiter ansteigt. Frage 6: Wird der durch journalistische und nicht-journalistische Angebote entstehende Konkurrenzdruck auf IT-Journalisten weiter steigen? Während Konkurrenz in der Regel das Geschäft belebt – und zu einer Qualitätssteigerung führt – gibt es auch viele Formen des ruinösen Wettbewerbs,⁵⁵ in denen u.a. Kostendruck und fehlende Expansionsmöglichkeiten zu Abwärtsspiralen führen. Die Qualität kann in solchen Fällen nachhaltig beeinträchtigt werden. Die verschärfte Konkurrenz auf dem IT-Sektor birgt ein Risiko für ruinösen Wettbewerb und Qualitätseinbußen. Ob diese Tendenzen durch bessere Ausbildung, besseres Redaktionsmanagement usw. ausgeglichen werden können, ist zweifelhaft. Zunächst steht die Frage im Raum, ob Journalisten denn überhaupt davon ausgehen, dass die Qualität des IT-Journalismus (z.B. durch den steigenden Konkurrenzdruck) steigen wird – oder ob vielmehr mit einem Niedergang der journalistischen Qualität zu rechnen ist. Im Lichte der vorangegangenen
55 Vgl. Van der Wurff & van Cuilenburg 2001.
Trends und Perspektiven
145
Spekulationen, wonach künftig journalistische Kompetenzen gegenüber Technik-Kompetenzen an Bedeutung gewinnen könnten, ließe sich an dieser Stelle annehmen, dass sich auch die journalistische Qualität verbessern wird. Die Frage lautet entsprechend: Frage 7: Wird sich die journalistische Qualität im IT-Pressemarktsegment künftig verbessern? Die IT-Journalisten sind nicht nur als Kenner ihres eigenen Pressesegments (aus der Binnensicht) interessante Ansprechpartner, sie sind in erster Linie kompetente Beobachter der IT-Branche selbst. Kann man bei der Analyse der Binnensicht, also ihrer Urteile über die Zukunft des IT-Pressemarktes, eine gewisse Befangenheit erwarten, dürften sie mit Blick auf die IT-Branche durchaus als unabhängige Beobachter gelten können. Wie sie die Zukunft der IT-Branche beurteilen, kann erste Anhaltspunkte für zukünftige Trends liefern. Hier interessieren zunächst die groben Einschätzungen der IT-Journalisten hinsichtlich der Frage, wie sich der IT-Markt entwickeln wird. Theoretische Vorannahmen bieten sich an dieser Stelle nicht in gleichem Maße an wie an anderen Stellen. Angesichts der bisherigen Entwicklung des IT-Sektors in den letzten Jahrzehnten – wie er ansatzweise in den Einführungskapiteln dargelegt wurde – kann man vergleichsweise sicher davon ausgehen, dass auch die IT-Journalisten erwarten, dass das Marktvolumen weiter steigt. Frage 8: Wird das Volumen des IT-Markts weiter steigen? Damit geht die Frage einher, wie sich der Wettbewerb im IT-Markt weiter entwickelt. In einer innovationsgetriebenen und wachsenden Branche kann man davon ausgehen, dass auch weiterhin neue Wettbewerber auf den Markt strömen, die sich mit innovativen Produkten platzieren wollen. Daher lautet die nächste Frage: Frage 9: Wird sich der Wettbewerb im IT-Markt in Zukunft verschärfen? In einem solchen Markt kann es jedoch – wie bereits am Beispiel der IT-Presse kurz angesprochen – zu Qualitätssteigerung durch „gesunden“ Wettbewerb, aber auch zu Qualitätseinbußen durch „ruinösen“ Wettbewerb kommen. Die bisherigen Analysen haben gezeigt, dass die IT-Journalisten mit der IT-Industrie und ihren Kontakten dorthin eher zufrieden sind und vergleichsweise erfolgreich mit den IT-Unternehmen interagieren bzw. kooperieren. Auch wenn man daraus keine Schlussfolgerungen für die Folgen der Marktkonkurrenz ziehen kann, legt das positive Bild zumindest den Eindruck nahe, dass zurückliegende Wettbewerbseffekte sich nicht spürbar negativ auf die journalistischen Wahrnehmungen ausgewirkt haben. Mit aller gebotenen Vorsicht könnte man daraus
146
Ergebnisse
die Annahme ableiten, dass die IT-Journalisten in der Zukunft keine Zunahme von Qualitätsproblemen erwarten und die Effekte des Wettbewerbs weitgehend positiv beurteilen. Die Frage lautet: Frage 10: Ist der Wettbewerb im IT-Markt „gesund“? Führt er zu niedrigen Preisen und hoher Qualität? Zuletzt lohnt sich ein Blick auf die zu erwartende Konzentration im IT-Markt: Wie gut sind in den Augen der IT-Journalisten die Chancen von kleineren Anbietern in einem Markt, der von Riesen wie Google, Microsoft oder Apple dominiert wird? Frage 11: Wie beurteilen die IT-Journalisten die Zukunftschancen von kleinen Unternehmen im IT-Bereich? Von den oben diskutierten wirtschaftlichen Aspekten machen sich IT-Journalisten im Rahmen ihrer alltäglichen Arbeit zwangsläufig ein Bild – auch wenn sie selbst wahrscheinlich nur selten wirtschaftliche Makro-Analysen verfassen bzw. intendieren. Der eigentliche Kern ihrer Tätigkeit ist jedoch die Beobachtung von IT-Produkten. Daher werden im nächsten Schritt die Produkttrends, die IT-Journalisten wahrnehmen, unter die Lupe genommen. Es steht die Frage im Raum, welche sich momentan abzeichnenden Entwicklungen bei Produkten und Technologien im IT-Sektor die IT-Journalisten für besonders vielversprechend halten und welche in ihren Augen weniger Potential haben. Für die Analyse dieser Trendeinschätzungen bieten sich drei Unterscheidungsebenen an: (a) Trends bei technologischen Entwicklungen an sich, (b) Trends bei dem Verhältnis zwischen Produkten und den Nutzern und (c) Trends bei den Praktiken der IT-Unternehmen in Produktentwicklung und Marketing. Gemessen am großen Erfolg von Informationstechnologien in den vergangenen Jahrzehnten und den vielen innovativen und reichweitenstarken Produktentwicklungen kann man vermuten, dass die IT-Journalisten die Zukunft der Informationstechnologie insgesamt optimistisch beurteilen. Zudem besteht eine gewisse Wechselwirkung zwischen der Berichterstattungsleistung der IT-Presse und dem Erfolg technologischer Trends, macht doch die IT-Berichterstattung überhaupt auf bestimmte Trends aufmerksam, die sie in der Folge weiter thematisiert, publizistisch begleitet und popularisiert. In diesem Zusammenhang lautet die Frage: Frage 12: Wie beurteilen IT-Journalisten die technologische Entwicklung im ITSektor? Davon unbenommen ist die Frage, wie einzelne technologische Trends beurteilt werden: Im Bereich Usability und Nutzerfreundlichkeit beispielweise ist es überaus fraglich, ob der sich abzeichnende Trend hin zu immer neuen Funktio-
Trends und Perspektiven
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nalitäten einzelner Produkte zugleich auch zu einer leichteren Verständlichkeit und Bedienbarkeit führt. Im Gegenteil: Man könnte annehmen, dass Produkte, die immer multioptionaler und „mächtiger“ werden, zugleich immer komplexer und anspruchsvoller werden. Obwohl man auch Gegentendenzen beobachten kann – man denke beispielsweise an die Nutzeroberflächen zahlreicher neuer Tablet-Computer – kann man im Bereich Usability eine gewisse Skepsis unter den IT-Journalisten erwarten. Die Frage lautet: Frage 13: Werden IT-Produkte künftig immer nutzerfreundlicher? Zuletzt kann man angesichts der weiter oben dargestellten Skepsis der IT-Journalisten gegenüber Produkt-Hypes und reißerischen Marketingaktivitäten vermuten, dass sie eher eine (marketinginduzierte) Zunahme von Hypes um Produkte erwarten – also viel Wirbel um Produkte, die möglicherweise nicht das halten können, was sie versprechen. So spricht schon aus den bisherigen Daten das Gefühl, dass marketinginduzierte Hypes oft die sachlichen und kritischen Testberichte der IT-Fachpresse übertönen und sich Produkte, die in den Augen der ITJournalisten an sich nicht gut genug wären, um einen großen Erfolg zu rechtfertigen, gleichwohl im Markt durchsetzen können. Zwar haben die IT-Journalisten in der Regel ein positives Bild von vielen IT-Unternehmen, dennoch dürfte es ihnen bewusst sein, dass absatzförderliche Kommunikationsaktivitäten gerade in Konfliktfällen ihre Autorität untergraben können – und dass ihnen Erfolge „gehypter“ Produkte ihre in bestimmten Situationen schwache Kommunikationsposition vor Augen führen: Frage 14: Werden sich Marketingaktivitäten und in der Folge Produkt-Hypes in der Zukunft noch stärker bemerkbar machen? Von Beginn an haben sich Entwicklungen im IT-Sektor auch auf die Gesellschaft insgesamt ausgewirkt – man denke beispielsweise an die zunehmende Automatisierung von industriellen Produktionsprozessen ab den 1980er Jahren oder die in den letzten 20 Jahren radikal gewandelte Kommunikation am Arbeitsplatz durch E-Mail. Mit der zunehmenden Erschließung breiter Konsumentenschichten auch jenseits professioneller Anwenderkreise sind Informationstechnologien alltäglich und allgegenwärtig geworden, durchdringen immer mehr unser Handeln in allen Lebensbereichen, inklusive der Freizeit.⁵⁶ und stellen damit die Gesellschaft auch vor neue Probleme bzw. erzeugen politisch-rechtlichen Handlungsbedarf.⁵⁷ Obwohl IT-Journalisten vor allem mit den aktuellen technischen Innovationen
56 Zu Mediatisierungsansätzen vgl. z.B. Krotz 2001, 2007; Lundby 2009; Schulz 2004. 57 Vgl. Dörr 2012.
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selbst befasst sind, können sie auch interessante Spekulationen über die gesellschaftlichen Auswirkungen der Entwicklungen im IT-Sektor beisteuern – dies z.B., weil sie schon vergangene Innovationen begleitet und deren Effekte erlebt haben. In der Befragung wurde besonders auf zwei Aspekte fokussiert: erstens die in den Medien viel diskutierte Problematik rund um Datenschutz und Privatsphäre⁵⁸ – und die damit verbundene Diskussion um die Regulierung von IT-Märkten (jedoch nicht nur im Hinblick auf Datenschutz, sondern z.B. auch mit Blick auf die ökonomische Konzentration)⁵⁹ und zweitens die zunehmende Durchdringung der Lebenswelt moderner Menschen mit Informationstechnologie und Kommunikationsmedien. Da die Themen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre in den letzten Jahren sowohl im medialen als auch politischen und gesamtgesellschaftlichen Diskurs eine immer offensichtlichere Rolle gespielt haben – man denke an Google Street View, das ACTA-Abkommen oder auch an die Diskussionen im Zusammenhang mit dem Entstehen der Piraten-Partei⁶⁰ – kann man annehmen, dass die IT-Journalisten als Beobachter und Akteure dieses Diskurses von einer gleichbleibenden oder gar zunehmenden Bedeutung solcher Themen ausgehen: Frage 15: Werden Datenschutz- und Regulierungsprobleme in Zukunft noch wichtiger werden? Hinsichtlich der umfassenden und nicht nur in der Kommunikations- und Medienwissenschaft breit diskutierten Mediatisierung der modernen Welt⁶¹ liegt ebenfalls die Vermutung nahe, dass die IT-Journalisten sich der zunehmenden Durchdringung des Alltags durch mediale Technologien bewusst sind und auch zu diesem Trend eine Haltung haben – die Annahme lautet entsprechend, dass die IT-Journalisten als Beobachter und Akteure in Mediatisierungsprozessen davon ausgehen, dass sich diese zukünftig fortsetzen und sich gegebenenfalls weitere Lebensbereiche erschließen. Die Forschungsfrage lautet: Frage 16: Werden Informationstechnologien in Zukunft noch stärker den Alltag und die Lebenswelt der Konsumenten durchdringen? Aus den oben formulierten Forschungsfragen lässt sich noch keine Aussage darüber ableiten, wie die IT-Journalisten die beschriebenen Trends – Mediatisie-
58 Für einen aktuellen Überblick vgl. Trepte & Reinecke 2011. 59 Vgl. Dörr 2012. 60 Vgl. Zolleis et al. 2010. 61 Vgl. u.a. Krotz & Hepp 2006.
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rung, zunehmende oder abnehmende Regulierung, weniger oder mehr Datenschutz – beurteilen: Es wird keine Annahme darüber formuliert, ob sie solche und weitere Trends gutheißen oder ablehnen. Es ist aber angesichts der hohen thematischen Kompetenz der Befragen von einem durchaus differenzierten Bild auszugehen: IT-Journalisten dürften sich der problematischen Aspekte der von ihnen beleuchteten Technologien durchaus bewusst sein – wie die im Folgenden präsentierten Daten nahelegen.
4.5.2 Zukunft der IT-Presse Um die referierten Annahmen zu überprüfen, wurden die IT-Journalisten mit verschiedenen Aussagen über die zu erwartenden Entwicklungen in den Bereichen IT-Presse, IT-Markt, Informationstechnologien sowie ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft allgemein konfrontiert. Sie sollten auf fünfstufigen Skalen beurteilen, inwiefern diese Aussagen in ihren Augen zutreffen oder nicht. Im Folgenden wird der Prozentsatz der Befragten ausgewiesen, die der jeweiligen Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zustimmten (Abbildung 4.34).
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Frage: „Als Journalist können Sie ja am besten einschätzen, wie sich die Medienlandschaft im Bereich IT-Journalismus in der Vergangenheit entwickelt hat und wie die Zukunftsperspektiven in diesem Feld aussehen. Wie sehr stimmen Sie folgenden Aussagen zu?“ Trifft eher / voll und ganz zu % Wirtschaftliche Entwicklungen
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„Aktuell ist der Konkurrenzdruck im IT-Journalismus größer als vor 10 Jahren.“
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„Der IT-Journalismus wird sich in Zukunft nicht mehr über Verkaufserlöse finanzieren, die Werbeerlöse werden immer wichtiger.“ „In absehbarer Zukunft wird es im IT-Journalismus nur noch Online-Ausgaben geben, die gedruckten Magazine sind Auslaufmodelle.“ „Die Zahl der Titel, die sich mit IT-Themen beschäftigen, wird deutlich zunehmen.“
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Journalistische Entwicklungen „Der professionelle IT-Journalismus wird in den kommenden Jahren zunehmend Konkurrenz von Laien bekommen, die im Internet publizieren (User-Generated-Content).
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„Eine technische Fachausbildung wird für IT-Journalisten in Zukunft an Bedeutung gewinnen.“
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„Die Qualität der Berichterstattung über IT-Themen ist höher als noch vor 10 Jahren.“ „Eine journalistische Fachausbildung für IT-Journalisten wird in Zukunft wichtiger werden.“
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Basis: n=102 IT-Journalisten. Abb. 4.34: Entwicklung der IT-Medien.
Die ersten vier Forschungsfragen griffen in unterschiedlicher Weise mögliche Trends auf, wie sich der IT-Pressemarkt zukünftig wirtschaftlich entwickeln könnte. So wurde spekuliert, dass sich der bisherige Trend einer Abwanderung der IT-Publikationen ins Internet fortsetzen würde – bis hin zu einer Situation, in der es nur noch Online-Magazine geben würde (erste Forschungsfrage). Trotz der starken Auflagenrückgänge der gedruckten IT-Presse stimmt nur eine klare Minderheit der Befragten (31 Prozent) der betreffenden Aussage – „In absehbarer Zukunft wird es im IT-Journalismus nur noch Online-Ausgaben geben, die gedruckten Magazine sind Auslaufmodelle“ – zu. Die Mehrheit geht offenkundig davon aus, dass es auch in Zukunft eine erwähnenswerte IT-Fachpresse in den Regalen von Zeitungs- und Zeitschriftenhändlern geben wird. Über die Gründe für die in den Statements ausgedrückte Beharrungskraft des gedruckten ITMagazines kann man aus mehreren Perspektiven spekulieren: Das Riepl’sche Gesetz lehrt, dass Medienformen in der Regel auch dann weiterbestehen, wenn sich konkurrierende Innovationen auf dem Markt durchsetzen – eine vollstän-
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dige Verdrängung ist unwahrscheinlich.⁶² Daneben kann man annehmen, dass die Dichotomie zwischen Print und Online angesichts der bereits existierenden Konvergenz von Print- und Online-Ausgaben vieler IT-Publikationen an der Sache vorbeizielt – arbeiten doch IT-Journalisten bzw. ganze Redaktionseinheiten oft für beide Plattformen. Auch konzeptionell führt eine allzu strenge Trennung beider Verbreitungswege mittlerweile in die Irre: Wie würde man beispielsweise die Rezeption von – aus dem Internet heruntergeladenen – Zeitschriftenausgaben auf E-Book-Readern benennen? Handelt es sich hier um ein Printangebot oder ein Onlineangebot? Und schließlich könnte man aus methodischer Sicht vermuten, dass die befragten IT-Journalisten eine gewisse Befangenheit aufweisen, schreibt doch ein beachtlicher Teil der Befragten vor allem für die gedruckten Magazine. Man kann angesichts der möglicherweise entstehenden kognitiven Dissonanz⁶³ der Befragten, müssten sie die Zukunft der Plattform, für die sie bevorzugt schreiben, pessimistisch beurteilen, nicht von einer neutralen Einschätzung ausgehen. Welchen Grund bzw. Einwand man auch immer akzeptieren möchte – auf die erste Forschungsfrage kann man eine klare Antwort formulieren: Die IT-Journalisten erwarten mehrheitlich nicht, dass sich der Schwerpunkt der IT-Berichterstattung vollends ins Internet verlagert. Sie gehen auch weiterhin davon aus, dass gedruckte IT-Magazine keine Auslaufmodelle sind. Die zweite Forschungsfrage trug der Tatsache Rechnung, dass Rückgänge bei den Verkaufserlösen mittlerweile ein typisches Zeichen für die seit längerer Zeit krisenhafte Entwicklung des Pressemarktes sind – hier ist als übergeordnete Kategorie die Fachpresse ebenso betroffen wie als untergeordnete Kategorie die IT-Fachpresse. Es wurde daher angenommen, dass die IT-Journalisten auch für die Zukunft zurückgehende Verkaufserlöse erwarten – und zugleich die Bedeutung der Anzeigeerlöse in den Erwerbsmodellen der IT-Presse zunimmt. Doch auch hier äußern sich die Befragten zurückhaltend: Eine relative Mehrheit von 47 Prozent findet die Aussage zutreffend, dass „[d]er IT-Journalismus […] sich in Zukunft nicht mehr über Verkaufserlöse finanzieren [wird], die Werbeerlöse werden immer wichtiger.“ Ein zwingender Trend lässt sich daraus nicht ableiten. Zugleich ist dieses Ergebnis angesichts der Befunde zur ersten Forschungsfrage überaus plausibel, da vor allem im Internet Verkaufserlöse schwer zu erzielen sind und infolgedessen Anzeigenerlöse die dominante Rolle spielen. Wer nicht an eine reine „Online-Zukunft“ der IT-Presse glaubt, wird den Verkaufserlösen daher eine weiterhin wichtige Rolle zusprechen.
62 Vgl. Riepl 1913; Wilke 2008. 63 Vgl. zum Konzept der Kognitiven Dissonanz Festinger 1957.
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Nur implizit auf die Zukunft bezieht sich die dritte Forschungsfrage, die darauf abhob, inwiefern der wirtschaftliche Konkurrenzdruck unter IT-Medien zugenommen habe. Da man davon ausgehen kann, dass die IT-Journalisten vergangene Entwicklung besser beurteilen können als zukünftige, wurden Sie darum gebeten, im Fragebogen ihre Zustimmung bzw. Ablehnung zu folgender Aussage zum Ausdruck zu bringen: „Aktuell ist der Konkurrenzdruck im IT-Journalismus größer als vor 10 Jahren“. Die befragten IT-Journalisten stimmten dem o.g. Statement in ihrer großen Mehrheit zu: 78 Prozent sagten, der Konkurrenzdruck sei in letzter Zeit gewachsen – es liegt nahe, auch für die Zukunft von einem weiter wachsenden Konkurrenzdruck auszugehen, der u.a. durch die schon existierende und sich möglicherweise weiter ausbreitende Laienkonkurrenz im Internet befeuert wird. Mit der vierten Forschungsfrage zur Entwicklung des IT-Pressemarktes wurde der Bedeutungsausweitung der IT-Presse in unserer immer stärker von Informationstechnologie geprägten Welt Rechnung getragen: Dass IT-Produkte wie nie zuvor das Leben moderner Gesellschaften beeinflussen ist unstrittig – ebenso unstrittig ist, dass sich das Volumen des IT-Markts in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht hat. In diesem Zusammenhang hat sich eine differenzierte Fachpresse herausgebildet, von der man erwarten könnte, dass sie in einem Maße wächst, das mit dem Bedeutungszuwachs der IT generell korrespondiert. Um zu prüfen, ob auch die IT-Journalisten zukünftig ein Wachstum der IT-Medienbranche erwarten, wurden sie gebeten einzuschätzen, inwiefern die folgende Aussage stimmt: „Die Zahl der Titel, die sich mit IT-Themen beschäftigen, wird deutlich zunehmen.“ Ein Wachstum der Branche könnte zwar auch bei gleichbleibender Titelzahl eintreten, eine Stagnation oder ein Rückgang der Zahl der Titel bei gleichzeitigem Wachstum der Branche ist aber unwahrscheinlich. Der Großteil der IT-Journalisten glaubt nicht an eine deutliche Steigerung der Zahl der Titel, sie sehen ihre Branche also offenbar nicht als Wachstumsbranche – nur 13 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass es künftig mehr IT-Titel geben wird. Mögliche Gründe für diese pessimistische Sicht in Punkto Angebotsvielfalt lassen sich in der bereits hohen Konzentration und Sättigung des Marktes finden, ebenso in dem Druck, den nicht-journalistische Konkurrenzangebote (im Internet) auf die etablierten Redaktionen und Verlage ausüben. Außerdem stellt sich die Frage, ob neue IT-Medienangebote mit ihrer starken Orientierung an den Möglichkeiten des Internet überhaupt noch als klassische Titel der IT-Fachpresse wahrgenommen werden. Der Übergang von professionell-journalistischen Informationsangeboten zu kommerziellen Angeboten von Unternehmen und publizistischen Laienangeboten ist derzeit fließend und erzeugt Abgrenzungsprobleme, denen sich auch diese Studie nicht entziehen kann.
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Neben den wirtschaftlichen Trends im IT-Pressemarkt interessierten auch drei mögliche journalistische Entwicklungen, die für die IT-Fachpresse kennzeichnend sein könnten – man kann annehmen, dass neben technischen auch vermehrt journalistische Fachkompetenzen und eine entsprechend Ausbildung wichtig werden würden (fünfte Forschungsfrage), dass wachsender Konkurrenzdruck nicht nur die IT-Medien als Ganzes sondern auch die einzelnen Journalisten betreffen würde (sechste Forschungsfrage) und dass sich schließlich – vielleicht auch aufgrund der beiden vorangegangenen Entwicklungen – die journalistische Qualität insgesamt verbessern würde (siebte Forschungsfrage). Es handelt sich also um im engeren Sinne inhaltliche Aspekte, die jedoch eng mit den wirtschaftlichen Entwicklungen zusammenhängen. Um die Frage zu beantworten, ob eine journalistische Fachausbildung im Vergleich zur technischen Fachausbildung an Bedeutung gewinnen wird, wurden die IT-Journalisten mit jeweils einer Aussage zur zukünftigen Bedeutung der beiden Komponenten der Fachausbildung konfrontiert: „Eine technische Fachausbildung wird für IT-Journalisten in Zukunft an Bedeutung gewinnen“ bzw. „[e]ine journalistische Fachausbildung für IT-Journalisten wird in Zukunft wichtiger werden.“ Letztere Überlegung wurde aus der Notwendigkeit abgeleitet, mit ITBerichterstattung immer breitere Publikumsschichten anzusprechen und ihnen IT-Informationen zu vermitteln – ohne Fachwissen voraussetzen zu können. Allerdings kann man angesichts der großen, sich ständig ändernden Produktpalette und der hohen technischen Komplexität der Berichterstattungsgegenstände auch zur genau umgekehrten These gelangen, wie das erste Statement suggeriert. Dieser Sichtweise schließt sich auch die Mehrheit der IT-Journalisten an: Nur 27 Prozent sind der Meinung, dass die journalistische Fachausbildung im IT-Journalismus an Bedeutung gewinnen wird, während immerhin 40 Prozent eine Steigerung der Bedeutung der technischen Fachausbildung erwarten. Mit anderen Worten: Der IT-Journalismus als Fach-Journalismus wird vermutlich auch weiterhin mehr Wert auf das „Fach“ als auf den „Journalismus“ legen, zumindest im Hinblick auf die Ausbildung. Bereits mehrfach wurde auf die Bedrohung des IT-Journalismus durch Laien hingewiesen, die vor allem im Internet ebenfalls neue Produkte vorstellen und testen und über Entwicklungen im IT-Markt bloggen. Wie beurteilen die IT-Journalisten solche Konkurrenz, die aus diesen und anderen Hintergründen für ihre Arbeit entsteht? Erwarten sie, wie es die sechste Annahme postuliert, dass der durch alternative Angebote im und außerhalb des Journalismus entstehende Druck in den kommenden Jahren zunehmen wird? Der Aussage „Der professionelle IT-Journalismus wird in den kommenden Jahren zunehmend Konkurrenz von Laien bekommen, die im Internet publizieren (User-Generated Content)“ stimmten immerhin 57 Prozent der IT-Journalisten „voll und ganz“ bzw. „eher“
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zu. Eine Mehrheit der Befragten vermutet eine Intensivierung der Konkurrenz infolge der Angebotsausweitung durch Laien-Publikationen im Internet. Damit ist nicht nur die betreffende Forschungsfrage beantwortet, auch die vorangegangenen Befunde zur Entwicklung des IT-Pressemarktes werden auf diese Weise unterstrichen und inhaltlich plausibilisiert, wonach die IT-Journalisten insgesamt einen harten Konkurrenzdruck für ihre Arbeitgeber spüren und kein weiteres Wachstum der IT-Medienbranche erwarten. Unter diesem Druck könnte man einerseits vermuten, dass IT-Journalisten einen Qualitätsschwund im IT-Journalismus wahrnehmen bzw. befürchten: Die verschärfte Konkurrenz zwischen den IT-Medien sowie zwischen IT-Medien und den Anbietern von User-Generated Content könnte zu einem ruinösen Wettbewerb und Abwärtsspiralen führen. Genauso könnte man jedoch auch andererseits einen gesunden Wettbewerb vermuten. Die IT-Journalisten wurden erneut mit einer zugespitzten Aussage konfrontiert: „Die Qualität der Berichterstattung über IT-Themen ist höher als noch vor zehn Jahren.“ Wer dieser Aussage zustimmt, sieht – trotz wachsendem Konkurrenzdruck auf Medien und Autoren – sogar einen Qualitätsgewinn; wer ihr nicht zustimmt, sieht entweder einen Rückgang oder eine Stagnation der Qualität in den letzten zehn Jahren. 36 Prozent der ITJournalisten stimmten der Aussage „voll und ganz“ oder „eher“ zu – eine Mehrheit der Befragten sah keinen Qualitätsgewinn der IT-Berichterstattung in den letzten zehn Jahren. Die beschriebenen wirtschaftlichen und journalistischen Trends haben in den Augen der Befragten offensichtlich nicht zu einer Qualitätssteigerung geführt. Es lässt sich aus diesem Ergebnis weder eine wie auch immer geartete journalistische „Professionalisierung“ des IT-Journalismus noch eine Qualitätssteigerung herauslesen.⁶⁴ Unter den Bedingungen von Angebotsausweitung und Konkurrenzdruck im IT-Pressemarkt zeichnet sich im Urteil der Befragten keine Qualitätsverbesserung im Vergleich zu früheren Jahren ab – was auch hinsichtlich der weiteren Qualitätsentwicklung skeptisch macht. Zwar erlaubt die Art der Fragestellung keinen direkten Schluss auf zukünftige Entwicklungen, ein solcher Rückschluss erscheint jedoch vergleichsweise plausibel, wenn man die aktuelle Entwicklungslinie extrapoliert.
64 Für eine Diskussion des berufssoziologischen Professionalisierungsbegriffs und der Schwierigkeit, ihn auf den Journalismus anzuwenden vgl. Kepplinger & Vohl 1976.
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4.5.3 Die Entwicklung der IT-Branche Von den IT-Journalisten kann man erwarten, dass sie nicht nur eine Vorstellung davon haben, wie sich ihre eigene Branche weiterentwickelt – man kann auch und gerade von ihnen erwarten, dass sie wie kaum eine andere Expertengruppe die Entwicklung desjenigen Marktes beurteilen können, über den sie in ihrem Berufsalltag berichten. Um diese Expertise anzuzapfen und Einblicke in die Zukunftsprognosen dieser Expertenpopulation zu erhalten, wurde den Befragten erneut eine Reihe zugespitzter Aussage präsentiert – sie sollten auf einer fünfstufigen Skala angeben, inwiefern sie den jeweiligen Aussagen zustimmen oder nicht. Auch die Frage, wie die Zukunftschancen von kleinen Unternehmen im IT-Bereich einzuschätzen sind, wurde so umgesetzt (Abbildung 4.35).
Frage: „Und wie sieht es mit der Entwicklung des IT-Marktes und der IT-Branche insgesamt aus? Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen über die Branche, den Markt, und die Hersteller zu?“ Trifft eher / voll und ganz zu % 0 „Wettbewerb in der IT-Branche führt zu niedrigeren Preisen und höherer Qualität.“ „Kleine Hersteller haben in der Zukunft nur geringe Chancen, in der Branche erfolgreich zu sein.“ „Der Wettbewerb in der IT-Branche wird sich in den kommenden Jahren verschärfen.“ „Das Marktvolumen wird in den kommenden Jahren zunehmen.“
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Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.35: Branchentrends im IT-Sektor.
Bei der Formulierung der achten Forschungsfrage wurde angenommen, dass sich der bisherige Makrotrend eines ungebrochenen Branchenwachstums auch in Zukunft fortsetzen wird. Die Antwort auf diese Frage fällt klar aus, die zugrundeliegende Annahme kann man als bestätigt erachten: 76 Prozent der IT-Journalisten stimmten der Aussage „Das Marktvolumen wird in den kommenden Jahren zunehmen“ zu. Sie sehen demnach den IT-Markt weit überwiegend als Wachstumsmarkt – ganz im Gegensatz zum IT-Fachpressemarkt. Es zeichnet sich zunehmend klarer das Bild von einem immer größer und einflussreicher werdenden Technologie-Markt ab, dessen Beobachter immer stärker unter öko-
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nomischen Druck geraten – wobei auch der für die IT-Journalisten relevante IT-Markt von starkem Konkurrenzdruck geprägt ist, wie die Antwort auf neunte Forschungsfrage zeigt: Es wurde angenommen, dass die IT-Journalisten nicht nur einen scharfen Konkurrenzdruck in ihrer Medienbranche verspüren, sondern dass auch die IT-Branche im Erleben der Journalisten von starkem Konkurrenzdruck geprägt ist, wie er für Wachstumsmärkte typisch ist. Auch hier fällt die Antwort vergleichsweise klar aus: 70 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass sich „[d]er Wettbewerb in der IT-Branche […] in den kommenden Jahren verschärfen“ wird. Wenn sich der Wettbewerb also in den Augen der IT-Journalisten weiter verschärft, stellt sich – wie im Fall des IT-Pressemarkts – die Frage, welche Auswirkungen Wettbewerb und Konkurrenzdruck den Befragten zufolge haben werden (zehnte Forschungsfrage). Wie bereits im vorherigen Abschnitt thematisiert wurde, gibt es hier potenziell zwei Sichtweisen: Wettbewerb kann Innovationen anstoßen, durch den entstehenden Druck Kosten- und Preissenkungen mit sich bringen und durch Behauptung gegen Konkurrenzprodukte zu Qualitätssteigerungen führen – dies wären positive Auswirkungen von Wettbewerb und Konkurrenz. Genauso kann übermäßiger Konkurrenzdruck dazu führen, dass keine Zukunftsinvestitionen in Forschung und Entwicklung getätigt werden (was die Innovationskraft hemmt) und aus Kostendruck minderwertige Produkte hergestellt werden, um sich im Preiswettbewerb behaupten zu können – dies wären negative Auswirkungen. Um herauszufinden, wie IT-Journalisten die Effekte des Wettbewerbs im ITSektor beurteilen, wurden sie mit folgender Aussage konfrontiert: „Wettbewerb in der IT-Branche führt zu niedrigeren Preisen und höherer Qualität“. Zustimmung zu diesem Statement signalisiert Zustimmung zur ersten, eher positiven Sichtweise. Ablehnung dieses Statements signalisiert Zustimmung zur zweiten, eher negativen Sichtweise (oder zu einer Mittelposition). Interessant ist, dass die IT-Journalisten auch hier mehrheitlich zum Schluss kommt, dass die scharfe Konkurrenz eben nicht grundsätzlich positive Effekte (z.B. in Sachen Qualität) zeitigt: Nur 25 Prozent der IT-Journalisten stimmen der Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zu, die positive Sichtweise teilt also nur eine Minderheit. Der Rest vertritt eine negative oder ambivalente Sichtweise gegenüber dem Wettbewerb im IT-Sektor – ganz so wie gegenüber dem Wettbewerb in der eigenen (Medien-) Branche. Die zehnte Forschungsfrage kann somit klar beantwortet werden: Der scharfe Wettbewerb schadet in den Augen der IT-Journalisten mehr als er nutzt. Mehr noch, man kann einen generellen Pessimismus der IT-Journalisten konstatieren: In der Tat scheint es nicht allein die persönliche Befangenheit der IT-Journalisten bei der Beurteilung des eigenen Medienumfeldes zu sein – die pessimistische Sicht bezieht sich ja nicht nur auf den IT-Pressemarkt sondern auch auf die
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IT-Branche insgesamt. Es liegt nahe, dahinter reale Erfahrungen mit negativen Wettbewerbs- und Konkurrenzfolgen zu vermuten – wie z.B. dem Rückgang der publizistischen Vielfalt und der Vielfalt an IT-Anbietern, der Abnahme der Innovationskraft bestimmter Branchensegmente, der Herausbildung von Monopolen, dem Verlust von (journalistischer bzw. Produkt-)Qualität und so weiter. Die Schärfe des Konkurrenzdrucks in diesem ungemein dynamischen Markt scheint den Unterschied zwischen gesundem und problematischem Wettbewerb auszumachen. Eng mit dem Wachstum des IT-Marktes und dem ihn kennzeichnenden Wettbewerb ist die Frage verknüpft, inwiefern kleinere Unternehmen in diesem Markt noch Chancen haben und sich gegen mächtige Großunternehmen durchsetzen können. Einerseits sind diese Unternehmen oft flexibler und – im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten – innovativer als große Konzerne. Andererseits können sie nur solche Projekte anstoßen, die sie mit ihren begrenzten Ressourcen auch bewältigen können. Zudem laufen sie Gefahr, von finanzstärkeren großen Konzernen übernommen zu werden bzw. in Abhängigkeit von denselben zu geraten. Daher stellt sich die Frage, wie IT-Journalisten die Zukunftschancen von kleineren – oft besonders traditionsreichen – Unternehmen im IT-Sektor einschätzen (elfte Forschungsfrage). Die Chancen dieser Unternehmen kann man als einen weiteren Indikator für die Situation im IT-Markt heranziehen. Die IT-Journalisten wurden mit folgender Aussage konfrontiert: „Kleine Hersteller haben in der Zukunft nur geringe Chancen, in der Branche erfolgreich zu sein.“ Dieser eher pessimistischen Aussage, die sehr gut zu den vorangegangenen Befunden passen würde, stimmten nur 37 Prozent der IT-Journalisten zu. Eine Mehrheit glaubt auch weiterhin, dass kleine Unternehmen sich behaupten können – die Unterschiede der Meinungslager sind aber nicht so groß wie bei den anderen Indikatoren. In diesem eher ambivalenten Ergebnis dürften sich die vorher genannten Argumente wiederspiegeln: Kleinere Hersteller können sich gerade gegenüber den größeren Konkurrenten punktuell und in Nischen gut behaupten, sind aber zugleich anfällig dafür, übernommen zu werden, und können in vielen Technologiebereichen wegen der hohen Entwicklungskosten nicht mitmischen.
4.5.4 Die Entwicklung von Informationstechnologien Der eigentliche Kern der IT-Berichterstattung sind jedoch weder ökonomische oder journalistische Entwicklungen im IT-Journalismus noch Makrotrends in der IT-Wirtschaft, sondern die Produkte, die die IT-Wirtschaft auf den Markt bringt. Im nächsten Schritt interessiert daher, wie die IT-Journalisten die Zukunft der ITProdukte einschätzen. Da dies der wichtigste Berichterstattungsgegenstand der
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IT-Medien ist, kann man den Urteilen Gewicht beimessen. Dabei kann man drei Typen von Trends unterscheiden, über die man sich profunde Prognosen von ITJournalisten erhoffen darf: Technologische Trends, Trends bei nutzerbezogenen Entwicklungen und Trends in Marketing und Produktentwicklung. Die korrespondierenden Forschungsfragen lauten: Wie beurteilen die IT-Journalisten die zu erwartenden technologischen Entwicklungen (zwölfte Forschungsfrage)? Welche Entwicklungen erwarten angesichts wachsender Komplexität der Produkte im Bereich Nutzerfreundlichkeit (dreizehnte Forschungsfrage)? Und wie beurteilen sie vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit den Marketingaktivitäten von IT-Unternehmen die zukünftige Bedeutung von (Marketing-)Hypes im IT-Sektor (vierzehnte Forschungsfrage)? (Abbildung 4.36). Bei der Beurteilung von technologischen Entwicklungen, die auf Basis aktueller Erfahrungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die zukünftige Produktentwicklung prägen werden, setzen die Befragten auf die sich gegenwärtig abzeichnenden Mega-Trends: 93 Prozent der Befragten stimmen dem Statement zu, dass IT-Produkte immer vernetzter werden (Konnektivität), 90 Prozent stimmen zu, dass IT-Produkte immer mobiler werden (Mobilität), 82 Prozent stimmen zu, dass heute noch voneinander unabhängige Technologien künftig immer stärker verschmelzen werden (Konvergenz) und 78 Prozent stimmen zu, dass IT-Produkte immer interaktiver werden (Interaktivität). Damit wären die großen Trends unserer Zeit genannt und zumindest in den Augen der IT-Journalisten werden dies auch die Trends der näheren Zukunft sein. Bei zwei weiteren, weniger umwälzenden Trends, die nicht in vergleichbarem Umfang die Produktentwicklung der letzten Jahre beeinflusst haben, sind die Befragten deutlich skeptischer: Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI/AI) halten nur 30 Prozent der Befragten für einen wesentlichen Zukunftstrend. Dass Computer selbständiges Denken lernen scheint den IT-Journalisten in der Tat eher Science-Fiction zu sein, ein wichtiger Trend ist es in ihren Augen nicht. Und auch der viel diskutierte Trend hin zu 3D-Technik bei Games, Video- und Bild-Applikationen scheint in den Augen der IT-Journalisten keiner der wirklich großen Trends der Zukunft zu sein: Nur 30 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass 3D-Technologie die Zukunft in diesem Segment gehört – 2D ist absolut nicht „von gestern“, wie die Daten klar belegen. In der Gesamtschau kann die zwölfte Forschungsfrage wie folgt beantwortet werden: Die IT-Journalisten gehen davon aus, dass IT-Produkte künftig immer vernetzter, mobiler, konvergenter und interaktiver werden.
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Frage A: „Die Produkte im IT-Bereich entwickeln sich ja ständig weiter. Uns interessiert, wie Sie die zukünftige technische Entwicklung von Software im IT-Bereich einschätzen. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?“ Frage B: „Informationstechnologie hat das gesellschaftliche Zusammenleben in den vergangenen Jahren stark verändert. Darüber, welche Entwicklungen noch zu erwarten sind, wird viel spekuliert. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Einschätzungen zu?“ Trifft eher / voll und ganz zu % 0
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Technologietrends Technologische Entwicklungen
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„Die Produkte werden immer vernetzter.“
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„Die Produkte werden immer mobiler.“ „Heute noch voneinander unabhängige Technologien werden zunehmend miteinander verschmelzen.“
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„Die Produkte werden immer interaktiver.“ „2D war gestern, in Zukunft werden Games, Bild- und Videoapplikationen für 3D-Technik entwickelt (z.B. für 3DTV).“
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„Der Megatrend der Zukunft ist künstliche Intelligenz – Computer lernen das selbständige Denken.“
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Nutzerbezogene Trends Nutzerbezogene Trends „Die Nutzer werden immer weniger verstehen, wie die verschiedenen Produkte eigentlich funktionieren.“
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„Ältere Menschen werden immer größere Probleme haben, die Produkte zu benutzen.“
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„Die Produkte werden immer nutzerfreundlicher.“ „Die Produkte werden so komplex, dass es auch für mich manchmal schwierig wird, sie zu verstehen.“
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Produktentwicklung und Marketing Produktentwicklung und Marketing „Die Zahl der überbewerteten und gehypten Produkte wird steigen.“ „Die Entwicklungszeit neuer Produkte wird sich verkürzen.“
Basis: n=102 IT-Journalisten (2010/11). Abb. 4.36: Produkttrends im IT-Sektor.
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Ergebnisse
Dass die beschriebenen Entwicklungen tatsächlich zu generell besseren Produkten führen, die bei gesteigerter Funktionalität zugleich mehr Mobilität ermöglichen und durch die Integration von verschiedenen Technologien die Zugangspunkte zu IT-Welten reduzieren, wird durch die Prognosen zu den nutzerbezogenen Trends teilweise bestätigt. Die Befunde zur dreizehnten Forschungsfrage fallen insgesamt ambivalent aus: Zwar vermutet fast die Hälfte der IT-Journalisten (49 Prozent), dass die Nutzer immer weniger verstehen werden, wie die verschiedenen Produkte eigentlich funktionieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass ihre zunehmende Komplexität zugleich auch dazu führen wird, dass z.B. ältere Menschen in den Augen der Befragten künftig grundsätzlich größere Probleme haben werden, IT-Produkte zu bedienen – dieser Aussage stimmen nur 41 Prozent der Befragten zu. Ein erheblicher Teil der Journalisten vermutet, dass IT-Produkte auch für ältere Menschen in Zukunft leichter bedienbar sein werden – möglicherweise auch, weil immer mehr ältere Menschen bereits im Berufsleben mit Computern in Kontakt gekommen sind und dadurch weniger Scheu vor Informationstechnologie haben als frühere „Rentnergenerationen“. Sie sind zwar keine „Digital Natives“⁶⁵, haben es bei der Immigration in die digitale Welt aber deutlich leichter. Zugleich bezweifelt aber eine Mehrheit der Befragten, dass IT-Produkte in Zukunft generell nutzerfreundlicher würden – nur 26 Prozent vermuten im Rahmen zukünftiger Entwicklungen eine klar verbesserte Nutzerfreundlichkeit von IT-Produkten. Für ihre eigene Expertise erwarten die IT-Journalisten schließlich keine nennenswerten neuartigen Herausforderungen infolge wachsender Komplexität von IT-Produkten: Nur 14 Prozent der Befragten befürchtet, dass Produkte künftig so komplex werden, dass sie selbst Schwierigkeiten haben würden, sie zu verstehen. Man kann folglich festhalten, dass Nutzerfreundlichkeit an sich in den Augen der IT-Journalisten nicht in jeder Hinsicht (intendiertes) Resultat künftiger technologischer Trends sein wird. Zugleich ist jedoch kein grundsätzlicher Pessimismus in den Ergebnissen zu finden: Mehrheiten gehen jeweils davon aus, dass IT-Produkte zwar komplex, aber nicht vollkommen unverständlich sein werden, und dass auch Gruppen, die etwas größere Hemmschwellen im Umgang mit solchen Technologien haben – hier am Beispiel der Senioren – künftig von der technischen Entwicklung profitieren werden und die Produkte nutzen können. Professionelle Anwendungen werden aber auch in Zukunft nicht mit einfachem „Wischen“ und „Draufdrücken“ intuitiv zu bedienen sein, wie man angesichts der innovativen Bedienkonzepte bei Smartphones und Tablet-PCs möglicherweise glauben könnte. Diese komfortablen Bedienkonzepte
65 Vgl. Prensky 2001. Ob es die „Digital Natives“ überhaupt gibt, ist empirisch noch offen.
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eignen sich bei Anwendungen mit begrenztem Komplexitätsgrad, stoßen bei professionellen Anwendungen aber schnell an ihre Grenzen.⁶⁶ Die letzte (vierzehnte) Forschungsfrage im Bereich Produktentwicklung erscheint mit Blick auf die bereits einige Abschnitte zuvor dargestellte kritische Haltung zu (marketinginduzierten) Hypes auf den ersten Blick leicht zu beantworten: Einerseits sind sich die befragten IT-Journalisten klar des Einflusses von Marketing und sich verselbstständigenden Produkt-Hypes bewusst, sie kritisieren sie implizit und bezeichnen sie als mögliche Wirkungshemmnisse für ihre aufklärerische Arbeit. Nicht umsonst gestehen sie ein, dass sich schwache Produkte auch trotz kritischer Testberichte bei den Kunden durchsetzen können – was sie vornehmlich mit Hypes erklären. Andererseits ist es naheliegend, dass kommunikative Aktivitäten in einem solchermaßen heiß umkämpften Markt eine zunehmend wichtige Rolle spielen: Wenn Märkte vergleichsweise gesättigt sind, weil viele Nutzer bereits bestimmte Produkte angeschafft haben, wenn zugleich die Unterschiede zwischen den Produkten nur marginal sind und die Preise eng beieinander liegen, dann kommt es umso mehr darauf an, wie die IT-Hersteller für ihre Produkte werben, welches Marketing sie betreiben und wie sie ein überzeugendes Image kreieren, das im Idealfall zu solchen Hypes führen kann, wie man es beispielsweise bei einer Reihe von Apple-Produkten in den letzten Jahren erleben konnte. Die korrespondierende Annahme postulierte folglich, dass ITJournalisten davon ausgehen, dass sich Marketingaktivitäten und in der Folge Produkt-Hypes in der Zukunft noch stärker bemerkbar machen werden. Und genau zu diesem Schluss kommen auch knapp zwei Drittel der Befragten IT-Journalisten: 64 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Zahl der überbewerteten und gehypten Produkte in Zukunft zunehmen wird. Dieser Trend kann zwei Ursachen haben: Entweder stecken, wie grundsätzlich vermutet, tatsächlich Werbeund Marketingaktivitäten hinter der Entwicklung, dass sich auch für Produkte, die aus dem Blickwinkel der IT-Journalisten nicht in jeder Hinsicht überzeugend sind, Fans finden werden – ja sogar Hypes um sie entstehen. Oder es stecken die Kommunikationsaktivitäten von Nutzern dahinter, die sich z.B. in Blogs oder auf Foren positiv über diese Produkte äußern und damit deren Beliebtheit befeuern. Dahin gehende Hinweise gaben die Befragten in den Antwortfeldern, die offene Angaben erlaubten.⁶⁷ Da sich beide Ursachen ergänzen können und Unternehmen bisweilen auch den Schulterschluss mit den Konsumenten suchen, um ihre Werbebotschaften schlagkräftiger zu machen (man denke z.B. an bestimmte
66 Vgl. Norman & Nielsen 2010. 67 Vgl. Fußnote 212 in diesem Buch.
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Ergebnisse
Formen von viralem Marketing),⁶⁸ ist es nicht unwahrscheinlich, kommunikative Gründe für diesen Zukunftstrend zu vermuten – die Produkteigenschaften selbst scheiden nach Maßgabe der Antworten der Befragten dafür aus. Unabhängig von den kommunikativen Aktivitäten rund um die Entwicklung und Vermarktung neuer IT-Produkte glauben nur 32 Prozent der Befragten im Übrigen daran, dass sich auch die Entwicklungszeit neuer Produkte künftig verkürzen wird: Die Mehrheit geht davon aus, dass die ohnehin schon vergleichsweise kurzen Produktentwicklungszyklen nicht noch kürzer werden. Der scharfe Wettbewerb scheint hier keinen beschleunigenden Effekt zu haben.
4.5.5 Gesellschaftliche Entwicklungen Die beiden letzten Forschungsfragen adressierten grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen, die mit dem Bedeutungsgewinn von Informationstechnologien einhergehen und über die IT-Journalisten wahrscheinlich kompetent Auskunft geben können: (a) die zunehmende Problematisierung der in vielen Bereichen komplementären Themen Datenschutz und Privatsphäre sowie die Frage, inwiefern es künftig gelingen wird, den IT-Markt (staatlicherseits) stärker zu regulieren (fünfzehnte Forschungsfrage) und (b) der Globaltrend der Mediatisierung⁶⁹ – d.h. der zunehmenden Durchdringung menschlicher Lebensbereiche durch Medienangebote und -technologien (sechzehnte Forschungsfrage). Das Thema „Datenschutz und Privatsphäre“ hat in den letzten Jahren im gesellschaftlichen Diskurs deutlich an Bedeutung gewonnen: So wurde z.B. diskutiert, inwiefern Soziale Netzwerke wie StudiVZ und Facebook dazu führen, dass Menschen (gewollt oder ungewollt) immer mehr von sich preisgeben, darunter private, ja intime Details – eine Entwicklung, die insbesondere im Bereich Kinder- und Jugendschutz problematisiert, aber auch mit Blick auf Datensicherheit (z.B. Schutz von Bankkonten) oder Arbeitnehmerschutz (z.B. Bewerberauswahl und Mobbing am Arbeitsplatz) diskutiert wurde:⁷⁰ Wer sich im Internet allzu freizügig darstellt, intime Details über sich preisgibt oder zu einem laxen Umgang mit Zugangsdaten und Passwörtern neigt, kann schnell zum Opfer seines eigenen Mangels an Vorsicht werden. Man könnte meinen, dass die Bevölkerung angesichts der vielen Medienberichte über gehackte Online-Konten, Cybermobbing, Stalking-Attacken und sonstigen Annäherungsversuchen zunehmend alarmiert
68 Vgl. Langner 2009. 69 Vgl. Krotz 2001. 70 Vgl. Dörr & Weaver 2012; Fawzi 2009; Livingstone 2008.
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ist und das Thema Datensicherheit und Privatsphäre ernster nimmt. Gerade die in Deutschland heftig geführte Diskussion um Google Street View hat gezeigt, dass viele Menschen eine allzu umfangreiche Dokumentation ihres Lebensumfeldes im Internet, für alle zugänglich, ablehnen – wenn ihnen einmal bewusst wird, dass es solche Versuche gibt und welche Folgen sie haben könnten: So kämpften viele Hausbesitzer in Deutschland dagegen, dass ihre Häuser im Rahmen digitaler Rundfahrten betrachtet werden können – Adressen wurden nachträglich aus dem Netz genommen, um den Sorgen der Betroffenen Rechnung zu tragen. Man könnte also vermuten, dass die Bevölkerung angesichts einer zunehmenden Sensibilisierung infolge eigener Nutzungserfahrungen und zunehmend problemorientierterer Medienberichterstattung beim Umgang mit den eigenen Daten vorsichtiger würde. Die Frage lautet an dieser Stelle: Glauben die IT-Journalisten daran? Oder gehen sie eher davon aus, dass Datenschutz und Privatsphäre auch weiterhin grundlegende Probleme aufwerfen werden und die Bevölkerung in weiten Teilen einen vergleichsweise sorglosen Umgang mit ihren Daten pflegt? Die Antworten auf den ersten Teil dieser fünfzehnten Forschungsfrage fallen ernüchternd aus. Offensichtlich glaubt kaum ein IT-Journalist an eine Läuterung der Bevölkerung – das Gegenteil ist der Fall (Abbildung 4.37): 71 Prozent der Befragten glauben, dass die Bevölkerung zukünftig immer mehr Daten über sich preisgeben wird. Dem korrespondierenden Statement „Die Leute werden immer sensibler hinsichtlich ihrer Daten werden“ stimmen entsprechend nur 17 Prozent der IT-Journalisten zu. Was das Verhalten der Bevölkerung anbetrifft, sind die Befragten eindeutig pessimistisch. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch beim zweiten Teil der Forschungsfrage – der Möglichkeit von Regulierungen – pessimistisch sind: 67 Prozent der IT-Journalisten lehnen die Aussage ab, dass der IT-Markt grundsätzlich nicht regulierbar sei und (staatliche) Regulierungsversuche zum Scheitern verdammt seien. Auch wenn sich hier Regulierung nicht ausschließlich auf Gesetzgebung zu Datenschutz und Privatsphäre bezieht, sondern umfassend gemeint ist (z.B. auch bezogen auf Monopolkontrolle), legen die Daten den Schluss nahe, dass die IT-Journalisten nicht so pessimistisch sind, wenn es darum geht, den IT-Unternehmen Grenzen zu setzen. Dass damit auch ein gewisser Optimismus hinsichtlich eines besseren Datenschutzes und eines größeren Schutzes der Privatsphäre gemeint sein kann, zeigen die Antworten auf das letzte Statement in diesem Themenkomplex: Nur 24 Prozent der Befragten glauben, dass der mit Google Street View gesetzte Trend zu einer zunehmenden Transparenz auch persönlicher Daten im Internet unaufhaltsam sei und „bald jeder alles über jeden wissen würde“. Der größte Teil der Befragten glaubt nicht daran.
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Ergebnisse
Frage: „Informationstechnologie hat das gesellschaftliche Zusammenleben in den vergangenen Jahren stark verändert. Darüber, welche Entwicklungen noch zu erwarten sind, wird viel spekuliert. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Einschätzungen zu?“ Trifft eher / voll und ganz zu % 0
20
40
60
80
100
Privatsphäre, Datenschutz, Entgrenzung 71
„Die Leute werden immer mehr Informationen über sich preisgeben.“
24
„Google Street-View ist nur der Anfang: Bald weiß jeder alles über jeden.“
23
„Der IT-Markt ist nicht regulierbar – jeder Regulierungsversuch wird scheitern.“
„Die Leute werden immer sensibler hinsichtlich ihrer Daten werden.“
17
Mediale Lebenswelt „Feste Uhrzeiten für die Lieblingssendungen sind passé - die Mediennutzung wird zeitlich flexibler. Alle können alles jederzeit schauen, hören, lesen.“
85
„Auch das Zuhause des Normalbürgers wird komplett vernetzt: Das networked home wird zum Standard.“ „Avatare und virtuelle Realitäten verlieren an Bedeutung (z.B. Second Life, World of Warcraft) – das reale Leben wird wieder wichtiger werden.“
42 20
Basis: n = 102 IT-Journalisten.
Abb. 4.37: Gesellschaftliche Entwicklungen unter dem Einfluss von Informationstechnologien.
Es ergibt sich also ein durchaus differenziertes Bild von den Einschätzungen der IT-Journalisten hinsichtlich der künftigen Entwicklungen im Bereich Datenschutz, Privatsphäre und Regulierung des IT-Marktes: Die meisten Befragten glauben nicht, dass die Bevölkerung von sich aus achtsamer im Umgang mit persönlichen Daten wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich das Internet, IT-Unternehmen oder bestimmte Informationstechnologien zum unüberwindbaren Big Brother aufschwingen werden – die Befragten erteilen einem solchen Szenario, in dem „alle alles über jeden“ wissen, eine klare Absage. Wenn wachsende Sensibilität in der Bevölkerung selbst nicht der Grund dafür ist, dass die totale Entblößung vor dem digitalen Public Eye und die Unterwerfung unter gefräßige Datenmonopole in den Augen der Befragten ausbleiben wird, dann könnte dies u.a. in der Erwartung zunehmender (staatlicher) Regulierungsmaßnahmen begründet sein. Eine Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass IT und IT-Märkte auch in Zukunft nicht allmächtig und unregulierbar werden. Nicht Gesetzmäßigkeiten, die aus neuen Technologien, Märkten und Netzen resultieren, werden in den Augen der IT-Journalisten zum Maßstab für Individuum und Gesellschaft (wie von einigen
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politischen Bewegungen, z.B. Teilen der Piratenpartei gern postuliert wird) – es werden weiterhin die Gesetze der dafür vorgesehenen Regulierungsinstanzen sein, allen voran die des Staates. Die sechzehnte Forschungsfrage fokussierte schließlich auf die sogenannte „Mediatisierung“ der modernen Welt. Dieses Konzept schließt ein, dass das private Leben und Handeln der Bürger immer stärker durch Medientechnologien geprägt wird.⁷¹ Um von den Befragten Einschätzungen zu künftigen Mediatisierungstendenzen zu erheben, wurden drei Trends exemplarisch herausgegriffen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie einerseits konkreten Bezug zum IT-Journalismus aufweisen und andererseits das Privatleben der Bürger berühren – also jene Sphäre, in der die Bürger u.a. als Konsumenten und damit als Adressaten von IT-Berichterstattung auftreten: Die Entgrenzung klassischer Mediennutzungszeiten, der Trend zur immer stärkeren Vernetzung des eigenen Zuhauses (Networked Home) und der stetige Zuzug der Menschen in virtuelle Lebenswelten (wie z.B. Second Life und MMORPGs wie World of Warcraft). In all diesen Bereichen greifen Menschen auf IT zurück und passen ihr alltägliches Leben an mediale Angebote an – sei es, indem sie in einem virtuellen Shop reale Güter kaufen, sei es, indem sie ihre Lieblingssendungen nicht mehr zum Zeitpunkt der Ausstrahlung und/ oder nicht mehr mit dem traditionellen Fernsehgerät schauen, oder indem sie in ihrem häuslichen Umfeld zunehmend auf digitale (Netz-)Technologie zurückgreifen, um ihren Alltag zu organisieren (z.B. über das Netzwerk ferngesteuerte Heizungen oder Haushaltsgeräte oder synchronisierte digitale Terminkalender). Die Frage lautet: Wie stark und in welcher Form wird das alltägliche Leben der Menschen künftig von medialen Technologien vereinnahmt? Die IT-Journalisten legen sich bei zwei der drei genannten Trends eindeutig fest: Der Wandel des Mediennutzungsverhaltens – z.B. infolge der Entwicklung zeitversetzen Fernsehens auf Basis von digitalen Medienspeichern – ist für die IT-Journalisten eindeutig ein kennzeichnender Trend für die Zukunft: 85 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass feste Uhrzeiten in der Mediennutzung künftig passé sein werden und sich die Mediennutzung zunehmend flexibilisiert. Damit geht implizit der Befund einer weitergehenden Mediatisierung des Alltags einher – schwindet doch die Bedeutung des festen „Programmplatzes“ am späten Mittag oder Abend zugunsten einer Mediennutzung, die sich über den ganzen Tag verteilen und zunehmend auch bisher nicht erschlossene Zeitfenster im Alltag erschließen wird. Ähnlich eindeutig ist auch die Antwort auf die Frage, welche Bedeutung virtuelle Realitäten im Alltag der Menschen künftig haben werden: Nur 20 Prozent der Befragten teilen die Ansicht, dass Avatare und
71 Vgl. Hartmann 2010; Jenkins 2006; Krotz & Hepp 2012.
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Ergebnisse
ihre Spielplätze, die virtuellen Realitäten wie Second Life und MMORPGs, künftig weniger wichtig werden – zugunsten des „realen“ Lebens. Eine klare Mehrheit der IT-Journalisten glaubt folglich daran, dass Menschen sich weiterhin virtuelle Welten erschließen werden, die ihnen u.a. Einkaufsmöglichkeiten, Plattformen für Medienkonsum, Angebote für Entspannung, Hobbypflege, Kommunikation und soziale Interaktion bieten. Ob man aus dieser Antwort auch einen weiteren Bedeutungsgewinn, ja den Zuzug neuer Populationen ablesen kann, die bislang noch keine eigenen Avatare in virtuellen Welten pflegten, sei dahin gestellt – an einen Bedeutungsverlust von virtuellen Realitäten glauben die IT-Journalisten eindeutig nicht. Beim dritten, hier exemplarisch ausgewählten Zukunftstrend äußern sich die IT-Journalisten nicht ganz so eindeutig: Nur 42 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass das Zuhause des Normalbürgers in Zukunft komplett vernetzt sein wird (Networked Home). Daraus lässt sich zwar nicht die Schlussfolgerung ableiten, dass dieser Trend in Zukunft keine Rolle spielen wird – es liegt eher der Schluss nahe, dass nur bestimmte Teile der Bevölkerung ihr privates Umfeld „vernetzen“ bzw. dass diese Vernetzung im eigenen Zuhause nicht „komplett“, d.h. umfänglich und vollständig sein wird. Dennoch wird es in den Augen der Befragten auch in Zukunft kaum flächendeckend Häuser und Wohnungen geben, die in allen Bereichen (z.B. Arbeitszimmer, Küche, Bad, Garage, Türschlösser, Telefonie, Überwachung) vernetzt und digital steuerbar sind. In der Gesamtschau ergibt sich folglich ein sehr differenziertes Bild, das sich aus der Expertise von Personen speist, die als genaue Beobachter und profunde Kenner der Informationstechnologie, ihrer Möglichkeiten und Grenzen gelten dürften: Sie betrachten den Umgang der Menschen mit Informationstechnologie (z.B. im Bereich Datenschutz und Privatsphäre) mit gesunder Skepsis, neigen nicht zu kulturpessimistischem Lamento wenn es um die Macht und Regulierbarkeit der von ihnen beobachteten Märkte geht und schließen sich nicht dem oft plattitüdenhaften Halleluja des IT-Marketings, der Trendforscher und Zukunftspropheten an. Sie sehen Probleme bei Datenschutz und Privatsphäre, erkennen die Macht der IT-Industrie bzw. des IT-Marktes, halten die Probleme aber nicht für unlösbar und die staatlichen Akteure in diesem Feld nicht für machtlos. Sie schreiben der IT eine Reihe von Einflüssen auch auf das unmittelbare private Umfeld der Menschen zu, glauben, dass sich der Alltag der Bürger auch in Zukunft unter diesem Einfluss wandeln wird – beurteilen die Chancen einzelner Angebote und Plattformen aber sehr differenziert.
5 Zusammenfassung und Fazit Informations- und Kommunikationstechnologie durchdringt nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche und hat einen großen und einflussreichen Industriezweig ausgebildet, der von ständiger Innovation geprägt ist und dessen zentrale Triebfedern Forschung und Entwicklung sind. Informationstechnologien haben darüber hinaus im Zuge ihrer Popularisierung kulturelle Veränderungen mit sich gebracht, die mittlerweile im gesellschaftlichen Mainstream angekommen sind. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Bedeutung und der sozialen und kulturellen Auswirkungen der Informationstechnologie hat sich ein professioneller IT-Journalismus zwischen IT-Unternehmen und IT-Konsumenten herausgebildet. Der IT-Journalismus ist eines der wichtigsten Segmente des Fachjournalismus in Deutschland. Die spezifischen Eigenschaften von IT-Produkten – ihre Vielzahl, ihre Kurzlebigkeit, ihre ständige Weiterentwicklung, ihre hohen Anforderungen an die Benutzer – eröffnen IT-Journalisten und IT-Medien besondere Wirkungsmöglichkeiten, weil sie sowohl den IT-Konsumenten als auch den IT-Unternehmen Orientierung in einem unübersichtlichen Markt bieten. Vor dem Hintergrund ihrer an vielen Stellen in diesem Buch herausgearbeiteten Schlüsselstellung in der Informationsgesellschaft lag es nahe, dieses (Fach-)Journalismussegment eingehender unter die Lupe zu nehmen. Die Hauptergebnisse unserer Befragung von 102 IT-Journalisten (viele davon in leitenden Positionen) lassen sich folgendermaßen zusammenfassen.
Die Journalisten im IT-Sektor Der IT-Journalismus ist eine Männerdomäne, in der die wenigen Frauen aber durchaus Führungspositionen erlangen können. Die IT-Journalisten sind überwiegend jung, ältere IT-Journalisten sind jedoch keine Seltenheit und viele IT-Journalisten der ersten Stunde sind offenbar bis heute dem Feld treu geblieben. Sie wurden also keineswegs von den neuen Entwicklungen überholt, sondern konnten mit der technischen Entwicklung Schritt halten – sicher auch wegen der Begeisterung für ihr Themenfeld und ihres autodidaktischen Geschicks. Generell ist der Anteil der Autodidakten sehr hoch: Obwohl die meisten IT-Journalisten ein Studium absolviert oder zumindest angefangen haben, besitzt nur eine Minderheit eine formale technische Ausbildung. Vielfach haben sie im Hauptfach eine Geistes- oder Sozialwissenschaft studiert und darüber hinaus autodidaktisch ihre Fach- und Technikkenntnisse erworben. Es gibt offensichtlich nicht den Königsweg in den IT-Journalismus, ein typischer Berufszugang wird sich in einem derart kleinen Feld auch in absehbarer Zeit kaum herauskristallisieren. Die selbständige Aneignung der Fachkenntnisse hingegen scheint eine Grundvoraussetzung zu sein – und damit auch
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Zusammenfassung und Fazit
die bereits erwähnte Begeisterung und Leidenschaft für Informationstechnologie. Immerhin ein knappes Drittel der Befragten sind IT-Journalisten in Leitungsrollen, und viele IT-Journalisten sind schon seit über 10 Jahren im Feld tätig. Die im Vergleich zu anderen Journalisten geringe Berufszufriedenheit dürfte eng mit der krisenhaften Entwicklung dieses Pressemarktsegments zusammenhängen. Obwohl offenbar viele IT-Journalisten ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, sind sie insbesondere mit der Bezahlung, den Weiterbildungsmöglichkeiten und den Aufstiegschancen sehr unzufrieden – was auf eine extrinsische Berufsunzufriedenheit hindeutet. Auch wenn die Zufriedenheit bei den IT-Journalisten in Leitungsrollen tendenziell höher ist, bleibt sie deutlich hinter der der „Journalisten in Deutschland“ zurück. Der Befund wird noch dadurch verschärft, dass sich die vorliegende Befragung auf hauptberufliche IT-Journalisten mit Vollzeittätigkeit konzentriert, wodurch die meisten wirklich prekären Fälle ausgespart werden. Abseits davon stellt sich die Frage, weshalb die IT-Journalisten den IT-Themen treu bleiben und sich nicht neu orientieren. Die Daten erlauben die vorläufige Vermutung, dass die intrinsische Motivation der Journalisten den Mangel an extrinsischen Anreizen kompensiert oder das Verbleiben im Beruf so rationalisiert. Die Gründe, aus denen IT-Journalisten ihren Beruf gewählt haben, sprechen dafür, dass extrinsische Motive wie die Bezahlung kaum eine Rolle spielen, sondern zwei Quellen intrinsischer Motivation: die journalistische Arbeit und das Thema „Informationstechnologie“. Dabei tritt die journalistisch-publizistische Motivation keineswegs hinter das Technikinteresse zurück, sondern beide Motivgruppen stehen weitgehend gleichberechtigt nebeneinander. Die beeindruckenden Leser- und Nutzerzahlen zeigen, dass die Teilnehmer unserer Studie vor allem bei den einflussreichen und reichweitenstarken ITMedien arbeiten, was zwar die Generalisierbarkeit der Befunde schwächt, ihre Brisanz aber verstärkt. Besonderheiten im Aufgabenverständnis der IT-Journalisten sind das eher partnerschaftliche Verhältnis zur Wirtschaft bzw. IT-Industrie, die starke Serviceorientierung und die deutlich größere Bedeutung von Diffusion von Innovationen sowie der Erklärung dieser Innovationen für das berufliche Rollenselbstbild. IT-Journalisten sehen sich als Trendscouts, Trendvermittler und Trendsetter. Im Gegensatz zu anderen Journalisten begreifen sich IT-Journalisten als diejenigen, die neue Trends aufspüren und verbreiten, sowie technische Hintergründe vermitteln. Gleichzeitig sehen sie selbst sich auch als serviceorientierte Ratgeber (z.B. bei Kaufentscheidungen), die auch Unterhaltung und Entspannungsmöglichkeiten anbieten. IT-Journalisten sehen sich hingegen nicht als Wachhunde und Realitätsvermittler – zumindest in deutlich geringerem Grade als andere Journalisten. Im Gegensatz zu anderen Journalisten verstehen sich die IT-Journalisten weniger als Kritiker an Missständen, als Kontrolleur der Mächtigen, als Vermittler von Idealen oder als objektive Realitätsvermittler.
Zusammenfassung und Fazit
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Das eher entspannte Verhältnis zur Industrie sowie die höhere Serviceorientierung sind typisch für viele Sparten des Fachjournalismus, dies wurde bereits in der Einleitung zu diesem Buch herausgearbeitet. Die Wichtigkeit der Vermittlung und Erklärung von Trends und Innovationen ist typisch für den IT-Journalismus. Er muss sich mit ständig sich wandelnden Technologien und Produkten auseinandersetzen und sie für das Publikum verständlich aufbereiten. Darin zeichnet sich das Selbstverständnis ab, dass man einerseits viele Menschen erreichen, ihnen Neues präsentieren und erklären möchte (was auch ein hohes Wirkungspotenzial birgt). Andererseits spricht aus den Daten auch ein typisch fachjournalistisches Selbstverständnis: Die wechselseitige Beziehung zur IT-Industrie wird gepflegt und die Bedürfnisse des Publikums finden starke Beachtung im Sinne einer Serviceorientierung.
Die Themen und das Medienumfeld Auch wenn man sich über die Themen des IT-Journalismus und das mediale Umfeld bereits durch einen Blick in die einschlägigen Magazine informieren kann, ist es noch einmal etwas anderes – zumal für eine Berufsfeldstudie – die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen. Aus ihren Antworten wird erkennbar, dass viele von ihnen multimedial bzw. medienkonvergent arbeiten, wie man es von ihnen im Grunde auch erwarten kann: Ein großer Teil schreibt für Online-Titel oder zugleich für Online- und Offline-Magazine. Gleichwohl gibt gut ein Drittel an, ausschließlich Print zu bedienen. Trotz aller Krisen spielt das gedruckte Heft im IT-Journalismus nach wie vor eine Rolle, wie auch die bereits vorgestellten pressestatistischen Daten zeigen. Allerdings findet ein großer Teil der Berichterstattung heute (wenn nicht ausschließlich, dann zumindest „auch“) online statt. Die Hauptthemengebiete des IT-Journalismus sind Technologien (Internet, Mobilkommunikation), Produkte (Hardwareentwicklung, Spiele, Software) und technikbezogene Events. Zwar berichtet etwa ein Drittel der Befragten regelmäßig auch über gesellschaftliche und politische Entwicklungen, Geschäftsideen und Projekte, Märkte und Unternehmen, Krisen und Konflikte sowie Personen aus der IT-Branche. Doch darf man davon ausgehen, dass es sich um nachrangige Themen handelt. Der Fokus der Berichterstattung liegt eindeutig auf der Technologie und den Produkten. Bei der Beurteilung der Qualität der eigenen Arbeit und der Qualität der Arbeit der Konkurrenz im Medienumfeld unterscheiden die Befragten Journalisten sorgfältig nach verschiedenen Qualitätsdimensionen: Sowohl ihre eigene Redaktion als auch die Redaktionen konkurrierender Medien unterhalten ihrer Aussage nach gute Kontakte zu Herstellern. Auch gibt es anscheinend keine Unterschiede
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Zusammenfassung und Fazit
bei der Sorgfalt, die an den Tag gelegt wird, wenn es darum geht, die (konkurrierende) IT-Presse zu verfolgen. Man gibt sich nah an den Unternehmen und gut über den Mainstream der Berichterstattung informiert – in dieser Hinsicht auch kollegenorientiert. Allerdings gehen die meisten Journalisten davon aus, dass ihre eigene Publikation ein besseres Gespür für Innovationen hat als Konkurrenzmedien – und zudem einen besseren Draht zu den Lesern. Selbst mache man zudem weniger Fehler in der Berichterstattung und lasse sich seltener von Hypes und PR blenden. Da an der Untersuchung vor allem Mitarbeiter erfolgreicher IT-Medien teilnahmen ist diese positive Selbstbewertung im Vergleich zur Konkurrenz nicht völlig unglaubhaft, dürfte teils aber auch auf selbstwertdienliche Wahrnehmungen zurückzuführen sein. Unabhängig davon, wie man diesen Bias individualpsychologisch interpretiert, legt er Rückschlüsse über tatsächliche Differenzierungskriterien im IT-Fachpressemarkt nahe: IT-Journalisten sehen nicht in allen Feldern Qualitätsunterschiede zwischen IT-Fachpublikationen, sondern vor allem bei Publikumsorientierung, bei der Fehler- bzw. Hypeanfälligkeit und besonders beim Gespür für Innovationen. Hier können sich IT-Medien offenbar am ehesten unterscheiden und diese Kriterien sind daher aus Sicht der IT-Journalisten besonders relevant. Bei der Nähe zur Industrie und der Konkurrenzbeobachtung scheinen keine größeren Unterschiede zu bestehen.
Quellen und Informationsbeschaffung Insgesamt scheinen die IT-Journalisten – anders als andere Fachjournalisten – auf einem vergleichsweise transparenten, kommunikativ zugänglichen Markt zu arbeiten. Kaum jemand gibt an, dass es schwierig sei, mit hinreichend viel Aufwand an die nötigen Informationen zu kommen. Dies hat nicht nur, aber sicher auch damit zu tun, dass die IT-Journalisten gute Kontakte zu den Unternehmen pflegen und diese sich anscheinend auch selbst für gute Kontakte und einen regen Informationsfluss engagieren. Im Ranking der wichtigsten Quellen liegen entsprechend persönliche Kontakte zu den IT-Unternehmen ganz weit vorn. Wichtig sind auch Pressekonferenzen und Pressemitteilungen sowie Events, Messen und Conventions – auch dies sind Foren, die sich für einen Austausch zwischen ITIndustrie und IT-Journalisten anbieten. Weitere wichtige Quellen sind mediale Quellen, andere Fachjournalisten (Kollegen), Online-Nachrichtendienste und die Fachpresse selbst. Es zeichnet sich eine starke Kollegenorientierung ab – sowohl im persönlichen Gespräch wie auch über die Rezeption von Artikeln der Kollegen. Diese Kollegenorientierung kommt auch bei anderen Indikatoren zum Ausdruck, etwa bei der großen Zustimmung zu der Aussage, wonach man selbst und auch die Konkurrenz in der Regel sehr genau beobachtet „was andere Magazine / Online-Angebote schreiben“.
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Beim Umgang mit Quellen zeigt sich zudem, dass der IT-Journalismus – zumindest nach Aussage der befragten Journalisten – in seiner Berichterstattung nicht sonderlich stark von offizieller Unternehmens-PR beeinflusst wird: PR-Texte, wie sie von Unternehmen regelmäßig an die Redaktionen geliefert werden, spielen anscheinend keine größere Rolle im Alltag von IT-Journalisten. Das bedeutet nicht, dass Unternehmens-PR nicht doch noch auf anderen, subtileren Wegen Eingang in die Berichterstattung findet – wie man an der Bedeutung der persönlichen Kontakte zu den Unternehmen ablesen kann. Die Aussagen der IT-Journalisten legen den Eindruck nahe, dass sie stark auf Unternehmensinformationen zurückgreifen, ihre Informationen jedoch weniger auf dem klassischen Weg der Pressemitteilungen und der Pressekonferenzen erhalten, sondern vor allem über persönliche Kontakte und manchmal auch vertrauliche Treffen, also diskretere und eher informelle Informationswege. Ein Befund, der überhaupt nicht überraschend ist, zeigen doch auch andere (in diesem Buch referierte) Studien und Expertenaussagen, dass solchermaßen informeller Informationsaustausch für den Fachjournalismus allgemein kennzeichnend ist. Im IT-Journalismus, wie in anderen Journalismussegmenten auch, spielen die persönlichen Beziehungen zu den Unternehmen eine große Rolle. Wenn man sie fragt, mit wem sie in den Unternehmen konkret Kontakt haben, nennen die IT-Journalisten zumeist die PR-Abteilungen. Sie sind mit diesen Kontakten auch überwiegend zufrieden, d.h. diese Kontakte eignen sich zur Befriedigung ihrer Informationsbedürfnisse. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass der IT-Markt informationell vergleichsweise transparent ist und sich die beteiligten Akteure proaktiv am Informationsaustausch beteiligen. Die den Austausch tragenden Kontakte sind dabei oft persönlich und bisweilen vertraulich. Sie sind gleichzeitig für die IT-Journalisten sehr wichtig – viel wichtiger als die offizielle Pressearbeit der Unternehmen. Eine weitere Informationsquelle, die sich im Kontext des Themas dieses Buches besonders aufdrängte und entsprechend etwas prominenter betrachtet wurde, ist User-Generated Content. Wie in den Grundlagenkapiteln angenommen, spielen nutzergenerierte Inhalte für IT-Journalisten in der Tat eine große Rolle – sie rezipieren und beachten sie, aber übernehmen diese Inhalte offenbar nicht direkt in ihre eigenen Texte. Nutzergenerierte Inhalte scheinen im Rahmen der Vorbereitung und Recherche von Themen bedeutsam zu sein, IT-Journalisten lassen sich z.B. von der Agenda und dem Diskurs der schreibenden (Laien-) Community inspirieren. Auch in Form von Rückmeldungen der Rezipienten zu einzelnen Berichten können nutzergenerierte Inhalte eine Rolle spielen. Die journalistische Kernaufgabe jedoch – Aufbereitung, Bewertung und Vermittlung der Informationen an die Rezipienten – bleibt (nach Aussage der IT-Journalisten) von solchen Inhalten unberührt.
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Zusammenfassung und Fazit
Beziehungen und Machtverhältnisse Die Beziehungen und Bezugsgruppen, die für IT-Journalisten relevant sind, erkennt man u.a. daran, wie bedeutsam ihr Feedback in den Augen der Befragten für die eigene Arbeit ist. Publikum und Kollegen werden als Quellen von Feedback besonders geschätzt und scheinen sich auch vergleichsweise häufig zur vergangenen Berichterstattung zu äußern. Zugleich finden es fast alle Journalisten wichtig, Rücksicht auf die Interessen der Leser zu nehmen – hier manifestiert sich das journalistische Selbstverständnis als Orientierungsgeber und Serviceleister in besonderer Weise. Mit großem Abstand folgen Kollegen und Vorgesetzte, auf deren Interesse Rücksicht zu nehmen sei. Die Befunde zur Reichweite der IT-Presse und zum Berufsverständnis der ITJournalisten lassen erahnen, dass die IT-Journalisten sich selbst in einer zentralen gesellschaftlichen Funktion sehen und sich eine gewisse Machtposition (und auch ein gewisses Wirkungspotential auf Leser und Unternehmen) zuschreiben, gleichzeitig aber in einem eher symbiotischen als kritisch-antagonistischen Verhältnis zur IT-Industrie stehen. Sie haben ein insgesamt positives Bild von ihrem Publikum und bewerten es deutlich positiver als andere Journalisten, und zwar als ausgesprochen informationsorientiert, gebildet und fortschrittlich. Vor diesem Hintergrund richtet sich IT-Berichterstattung in der Regel an ein Publikum, das schon eine gewisse Expertise aufweist. Nur die wenigsten Journalisten schreiben explizit nur für vollkommene Laien – die meisten richten ihre Berichterstattung an einem Publikumsbild aus, das mehr oder weniger vorgebildete Laien, Fortgeschrittene und Experten umfasst. Dabei sind sie sich sicher, dass ihre Berichterstattung das Publikum beeinflusst. Ihrer Vorstellung zufolge können z.B. Testberichte die Leser zu weitergehender Informationssuche bewegen. Auch Auswirkungen der Testberichte auf die Kaufentscheidung halten sie für wahrscheinlich. Hemmnisse für die Wirkung ihrer Berichterstattung sehen IT-Journalisten vor allem im Hyping von Produkten, oft durch geschicktes Marketing der IT-Unternehmen. Mangelhaftes Informationsverhalten und fehlende Sachkenntnisse sehen sie als weniger gravierenden Grund. Auch sind sie sich sicher, dass ihre Berichterstattung Einfluss auf die Hersteller von IT-Produkten hat. Kritische Berichte ziehen ihrer Aussage nach in der Regel weitere Gespräche und Informations- bzw. Meinungsaustausch nach sich. Darüber hinaus glauben IT-Journalisten, dass ihre Kritik Hersteller auch dazu bewegt, etwas an den Produkten zu ändern, z.B. indem Updates oder Patches die Fehler beheben oder indem Kritikpunkte bei zukünftigen Produkten berücksichtigt werden. Doch auch schon während des Entwicklungsprozesses stehen IT-Journalisten und Hersteller im Austausch. Auch hier können IT-Journalisten Einfluss auf die Produktentwicklung geben, wobei die Hersteller Mehrkosten nur in gewissem Rahmen in Kauf nehmen.
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Aus dem Befund, dass solche konkreten Einflussmöglichkeiten existieren und IT-Journalisten diese auch benennen, folgt nicht, dass IT-Journalisten sich selbst grundsätzlich in der Machtposition gegenüber der IT-Industrie wähnen. Im Gegenteil, sie selbst nehmen ein deutliches Machtgefälle wahr: Eine absolute Mehrheit der IT-Journalisten attestiert der IT-Wirtschaft einen größeren Einfluss auf die IT-Presse als man sich im Umkehrschluss Einfluss auf die Wirtschaft zuschreibt. IT-Journalisten fühlen sich subjektiv in einer unterlegenen Rolle, sie sehen die Unternehmen tatsächlich „am längeren Hebel“. Die bisherigen Befunde legen den Eindruck nahe, dass IT-Journalisten als Trendscouts und Trendsetter im IT-Sektor agieren. Sie vermitteln zwischen Konsumenten und Herstellern und können auf beide in bestimmtem Umfang Einfluss ausüben. Sie schätzen ihr Publikum und haben einen guten Draht zur IT-Industrie, die ihre primären Informationsquellen darstellt. Sie haben den Eindruck, dass sich nicht nur die Rezipienten auf ihren Rat verlassen, sondern auch die IT-Industrie auf ihre Kritik und ihre Anregungen Rücksicht nimmt. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie selbst das Gefühl haben, der IT-Industrie gegenüber im Vorteil zu sein, denn zweifellos sind die Unternehmen eine der wichtigsten Geldund Informationsquellen, deren Produkt-, Informations- und Marketing-Politik die IT-Journalisten in vielen Bereichen substantiell tangiert.
Trends und Perspektiven Als die bedeutendsten Trendscouts und Trendsetter im IT-Markt sind die befragten Journalisten nicht nur für berufssoziologische Fragestellungen interessant, sie können auch Auskunft über weitere, kommunikationswissenschaftlich relevante Fragestellungen geben – etwa über die Zukunft der IT-Fachpresse, der IT-Märkte und der IT-Produkte. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklungen, die den Markt für IT-Fachpresse prägen, sehen die IT-Journalisten vor allem im großen Konkurrenzdruck ein zentrales Signum ihrer Zeit. Der seit Jahren gewachsene Konkurrenzdruck geht in ihren Augen nicht mit einer Ausdifferenzierung des Angebots an Publikationen einher, sondern vielmehr mit einer zunehmenden Konzentration – die nackten Zahlen zeigen, dass die letzten Jahrzehnte Auflagenrückgänge, prekäre Arbeitsverhältnisse und das Sterben von IT-Titeln gebracht haben. Zugleich versprechen sich die IT-Journalisten auch in Zukunft noch ein wirtschaftliches Auskommen durch Verkaufserlöse, reine Werbefinanzierung halten nur die wenigsten für ein zukunftsfähiges Modell. Damit geht die Vorstellung einher, dass auch in Zukunft noch gedruckte IT-Titel erscheinen werden – trotz aller Anfechtungen. Konkurrenz erwächst dem IT-Journalismus nicht nur innerhalb des Journalismussystems, sondern auch durch Inhalte, die von Laien produziert werden (User-Generated Content). In ihrer Gesamtschau führen die
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Zusammenfassung und Fazit
beschriebenen Entwicklungen – folgt man den IT-Journalisten – nicht zu einer Qualitätssteigerung des Journalismus: Zumindest in den letzten Jahren habe die journalistische Qualität eher stagniert oder abgenommen. Und es steht zu erwarten, dass sich dies fortsetzt. Dem IT-Markt selbst attestieren die Befragten auch für die Zukunft kräftiges Wachstum. Zugleich werde sich der Wettbewerb verschärfen, was insgesamt – wie es in der Logik klassischer Wettbewerbsmodelle gedacht ist – nicht zu niedrigeren Preisen und höherer Qualität führen wird. Zugleich glaubt dennoch eine Mehrheit, dass ein Kennzeichen dieses Marktes, die Existenz kleiner, innovativer Unternehmen, nicht verschwinden wird – auch in Zukunft werden kleine Hersteller Chancen haben, IT-Produkte erfolgreich zu entwickeln, den Markt zu bewegen und Gewinne zu erzielen. Konkret nach Zukunftstrends in der Produktentwicklung gefragt, setzen die meisten Befragten auf die bereits erkennbaren Trends: Interaktivität, Mobilität, Konnektivität und Konvergenz. Die Produkte der Zukunft werden den IT-Journalisten zufolge interaktiver, sie werden mobiler, integrieren auf einer Plattform immer mehr (ehemals getrennte) Technologien und Anwendungen und lassen sich einfach vernetzen. Dabei erwarten die IT-Journalisten jedoch nicht, dass die IT-Produkte im Zuge dieser Entwicklungen grundsätzlich nutzerfreundlicher würden. Konkret gehen sie davon aus, dass vor allem zeitversetzter Medienkonsum einer der prägenden Zukunftstrends sein wird – der Abschied vom klassischen Programmschema und festen Rezeptionsgewohnheiten steht bevor. Wichtig werden weiterhin virtuelle Realitäten und Communities sein, in denen Menschen mit ihren Avataren Entspannung suchen, ihre Hobbies pflegen, einkaufen oder Geschäfte tätigen. 3D-Technologie und das Networked Home betrachten die Befragten mit einer gewissen Skepsis. Gesamtgesellschaftlich relevante Zukunftstrends sehen die IT-Journalisten schließlich in den Bereichen Datenschutz, Marktregulierung und Mediatisierung: Sie gehen davon aus, dass die meisten Menschen zukünftig eine gewisse Sensibilisierung im Bereich Datenschutz aufweisen werden – allerdings nur dahingehend, dass ihnen dieses Thema wichtig ist. Die (zunehmende) Preisgabe von Privatem wird in den Augen der Befragten gleichwohl zu einem Charakteristikum der Zukunft werden. Dies wird allerdings nicht dazu führen, dass große Unternehmen wie z.B. Google oder Facebook sich zu gesellschaftlichen Big Brothern aufschwingen – es werde kaum dazu kommen, dass „bald jeder alles über jeden wisse“. Diese – verglichen mit anderen gesellschaftlichen oder politischen Akteuren aus z.B. Politik oder Kirchen – nicht ganz so pessimistische Haltung geht mit der Erwartung einher, dass der Staat nach wie vor die Möglichkeiten hat, regulierend einzugreifen und Schaden für Individuum und Gesellschaft abzuwenden.
Zusammenfassung und Fazit
175
Ausblick Das vorliegende Buch stellt eine Momentaufnahme in einem sich extrem dynamisch entwickelnden Markt dar. In Zukunft ist jedoch kaum mit einer sinkenden Bedeutung des IT-Journalismus zu rechnen. Im Gegenteil: In einer immer stärker von Informationstechnologien durchdrungenen Lebenswelt stellen ITJournalisten dringend benötigte Orientierungshilfen bereit. Je geschlossener, undurchschaubarer und angeblich anwenderfreundlicher technische Systeme werden; je länger, unverständlicher und ohne rechtlichen Beistand zunehmend kaum einschätzbar sich beispielsweise die AGBs und Privatsphäre-Regelungen der zahlreichen Online-Anbieter gestalten, desto deutlicher tritt zu Tage, dass die Ansprüche, die an den IT-Journalismus aus gesellschaftlicher Perspektive zu stellen sind, wachsen werden. Ob der IT-Journalismus in seiner jetzigen Form diesen Erwartungen gerecht werden kann, muss offen bleiben. Bei genauerer Betrachtung erscheint es erstaunlich, dass es zu der recht kleinen Gruppe von IT-Journalisten, die zudem eine (zumindest selbst so wahrgenommene) Schlüsselposition in der technischen Entwicklung unserer modernen Gesellschaften einnehmen, kaum belastbare Studien gibt. Nach unseren Erkenntnissen unterscheiden sich IT-Journalisten – zumindest in Deutschland – deutlich von ihren Kollegen in anderen Ressorts. Während sich z.B. der politische Journalismus in den letzten Jahrzehnten zunehmend um die Professionalisierung des eigenen Standes bemühte, besteht das Gros der IT-Journalisten nicht selten aus Studienabbrechern, Quereinsteigern und Autodidakten, die es als wichtiges Ziel ansehen, ihre Leser fair über Neuerungen zu informieren. Ihre Rollenvorstellungen als Trendscout, Trendsetter und Übersetzer für das Publikum beschreibt die Funktion, die sie für die Gesellschaft erfüllen sollten. Ob ihnen dies auch gelingt, lässt sich ohne Inhaltsanalysen oder Leserbefragungen zur Qualität der Berichterstattung nicht klären. Eine solide Antwort auf diese Frage scheint umso dringender, als sich IT-Journalisten durchaus einen gewissen Einfluss auf den IT-Markt zuschreiben. Zwar glauben sie, dass im Zweifelsfalle die Unternehmen „am längeren Hebel sitzen“. Gleichzeitig trauen sie sich aber auch zu, mittels ihrer Berichterstattung das Handeln der ITProduzenten und der Nutzer maßgeblich zu beeinflussen. Im Rahmen unserer eher klein angelegten Studie konnten wir nur die IT-Journalisten selbst befragen. Ziel zukünftiger Studien sollte sein, Produzenten und Nutzer sowie die Inhalte mit in die Gleichung aufzunehmen. Nur so können wir mehr Klarheit über den tatsächlichen (im Gegensatz zum vermuteten) Einfluss der IT-Journalisten auf Diffusions-, Aneignungs- und Domestizierungsprozesse und damit über die gesellschaftliche Relevanz des IT-Journalismus gewinnen.
6 Anhang: Fragebogen 1.
Begrüßung
2.
Wenn Sie über Themen aus dem IT-Bereich schreiben, wo werden Ihre Beiträge dann in der Regel veröffentlicht? – – – –
3.
In der Regel online (z.B. auf der Website) In der Regel im gedruckten Heft Beides, online und als Printversion Das ist unterschiedlich, mal so, mal so
Worüber berichten Sie regelmäßig? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft. – – – – – – – – – – – –
Neuigkeiten und Trends in der Hardwareentwicklung Neuigkeiten und Trends in der Softwareentwicklung (außer Spiele) Computer- und/oder Konsolenspiele Über die Märkte und Unternehmen im IT-Sektor (z.B. Entwicklungen im Software- & Hardware-Markt) Das Internet (z.B. Online-Anwendungen, -Dienste, -Portale und -Communities) Mobilkommunikation (z.B. Smartphones und deren Anwendungen) Spektakuläre Projekte und originelle Geschäftsideen in der IT-Branche Wichtige Personen aus der IT-Branche Krisen und Konflikte in der IT-Branche Gesellschaftliche bzw. politische Entwicklungen auf dem IT-Sektor (z.B. Jugendschutz, Internetzensur) Wichtige Events und (Fach-)Messen Andere Themen, und zwar…
4. Welche Zielgruppe hat die Berichterstattung in Ihrem Medium? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft. – – – –
5.
Berufliche Experten/Professionals Laienexperten (z.B. Hardwarebastler, Hobbyprogrammierer) IT-Interessierte mit etwas Vorwissen Käufer bzw. Nutzer ohne Vorwissen
Wie würden Sie Ihre Leser bzw. User einschätzen? Sind Ihre Leser … …fortschrittlich …gebildet …einflussreich …informationsorientiert …reich …jung
(1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5) (1) (2) (3) (4) (5)
…konservativ …ungebildet …einflusslos …nicht informationsorientiert …arm …alt
178
Die Produkte im IT-Bereich entwickeln sich ja ständig weiter. Uns interessiert, wie Sie die zukünftige technische Entwicklung von Hard- und Software im IT-Bereich einschätzen. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu?
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
Die Produkte werden so komplex, dass es auch für mich manchmal schwierig wird, sie zu verstehen. Die Nutzer werden immer weniger verstehen, wie die verschiedenen Produkte eigentlich funktionieren. Die Zahl der überbewerteten und gehypten Produkte wird steigen. Die Produkte werden immer mobiler. Die Produkte werden immer interaktiver. Die Produkte werden immer vernetzter. Die Produkte werden immer nutzerfreundlicher. Die Entwicklungszeit neuer Produkte wird sich verkürzen. Ältere Menschen werden immer größere Probleme haben, die Produkte zu benutzen. Heute noch voneinander unabhängige Technologien werden zunehmend miteinander verschmelzen.
…eher nicht…
Trifft… zu …überhaupt nicht…
6.
Anhang: Fragebogen
(1)
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(1)
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(4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5)
(1)
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(3)
(4)
(5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Anhang: Fragebogen
Informationstechnologie hat das gesellschaftliche Zusammenleben in den vergangenen Jahren stark verändert. Darüber, welche Entwicklungen noch zu erwarten sind, wird viel spekuliert. Wie sehr stimmen Sie den folgenden Einschätzungen zu?
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
Die Leute werden immer sensibler hinsichtlich ihrer Daten werden. Die Leute werden immer mehr Informationen über sich preisgeben. Auch das Zuhause des Normalbürgers wird komplett vernetzt: Das networked home wird zum Standard. Google Street-View ist nur der Anfang: Bald weiß jeder alles über jeden. Der IT-Markt ist nicht regulierbar – jeder Regulierungsversuch wird scheitern. Avatare und virtuelle Realitäten verlieren an Bedeutung (z.B. Second Life, World of Warcraft) – das reale Leben wird wieder wichtiger werden. Feste Uhrzeiten für die Lieblingssendungen sind passé – die Mediennutzung wird zeitlich flexibler. Alle können alles jederzeit schauen, hören, lesen. 2D war gestern, in Zukunft werden Games, Bild- und Videoapplikationen für 3D-Technik entwickelt (z.B. für 3D-TV). Der Megatrend der Zukunft ist künstliche Intelligenz – Compter lernen das selbstständige Denken.
…eher nicht…
Trifft… zu …überhaupt nicht…
7.
179
(1)
(2)
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(5)
(1)
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(5)
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(5)
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(5)
(1)
(2)
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(4)
(5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
180
Anhang: Fragebogen
9.
Die Interessen …
überhaupt nicht wichtig
nicht so wichtig
teils, teils
wichtig
sehr wichtig
8. Journalisten müssen gelegentlich bei der Berichterstattung auf die Interessen anderer Rücksicht nehmen. Bitte geben Sie jeweils an, wie wichtig es für Sie ist, auf die folgenden Gruppen in Ihrem Arbeitsalltag Rücksicht zu nehmen.
… der Leser … der Verlagsleitung, des Verlegers … der Redaktionsleitung, der Vorgesetzten … der Werbekunden … der Unternehmen (z.B. Soft- und Hardwarehersteller) … von anderen, und zwar _________________________
(1) (1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5) (5)
Die Medien beeinflussen die IT-Wirtschaft und die IT-Wirtschaft beeinflusst die Medien. Wie schätzen Sie ihr Verhältnis ein? „Die Wirtschaft beeinflusst die Medien eher als umgekehrt“ (1) (2) (3) (4) (5) „Die Medien beeinflussen eher die Wirtschaft als umgekehrt“
181
Anhang: Fragebogen
Eher unwahrscheinlich
teils, teils
Eher wahrscheinlich
Sehr wahrscheinlich
weiß nicht
Er/sie liest noch weitere Testberichte, um mehr über das Produkt zu erfahren Er/sie wird länger abwarten, bevor er/sie das Produkt kauft Er/sie entschließt sich dazu, das Produkt doch nicht zu kaufen
Sehr unwahrscheinlich
10. Genau wissen kann man das ja nicht, aber angenommen ein lang ersehntes Produkt erweist sich aus Ihrer Sicht als Flop und Sie schreiben einen kritischen Testbericht, der die Schwächen klar aufzeigt. Was glauben Sie, wie wahrscheinlich ist es, dass ein eigentlich kaufentschlossener Leser in der folgenden Weise reagiert?
(1)
(2)
(3)
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(5)
(9)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(9)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(9)
teils, teils
Eher wahrscheinlich
Sehr wahrscheinlich
weiß nicht
… versucht in Updates, Patches usw. die Mängel zu beheben … berücksichtigt die Kritikpunkte zukünftig bei der Produktentwicklung … kontaktiert Sie persönlich wegen des Tests … kontaktiert den Verlag oder die Redaktion … wird in Zukunft nicht mehr so einfach zugänglich sein für Interviews, Vorabtests oder bei Messen
Eher unwahrscheinlich
Der Hersteller…
Sehr unwahrscheinlich
11. Solche Tests werden ja auch von Herstellern gelesen. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Hersteller in der folgenden Weise reagieren?
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(9)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(9)
(1) (1) (1)
(2) (2) (2)
(3) (3) (3)
(4) (4) (4)
(5) (5) (5)
(9) (9) (9)
182
Anhang: Fragebogen
12. Zu den Herstellern haben Sie ja teilweise auch schon während der Entwicklung eines neuen Produkts Kontakt. Wie gehen die Hersteller bei solchen Kontakten mit Anregungen und Kritik von Journalisten um? – – – – – –
Die Anregungen und Kritikpunkte von Journalisten… … werden ernst genommen und umgesetzt …werden ernst genommen und soweit wie möglich umgesetzt – je nach dem, was es kostet …werden ernst genommen, aber nur umgesetzt, wenn keine weiteren Kosten entstehen …werden nicht weiter beachtet Weiß nicht
nicht so wichtig
teils, teils
wichtig
sehr wichtig
Es gibt einen Hype um das Produkt, der stärker ist als die Kritik Die Käufer kennen sich mit den Produkten einfach nicht aus Die Käufer informieren sich einfach nicht richtig Anderer Grund, und zwar: ________________________
überhaupt nicht wichtig
13. Es kommt öfter vor, dass Produkte trotz schlechter Testergebnisse zum Kassenschlager werden. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach die folgenden Gründe dafür?
(1)
(2)
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(5)
(1)
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(3)
(4)
(5)
(1) (1)
(2) (2)
(3) (3)
(4) (4)
(5) (5)
Anhang: Fragebogen
183
14. Als Journalist können Sie ja am besten einschätzen, wie sich die Medienlandschaft im Bereich IT-Journalismus in der Vergangenheit entwickelt hat und wie die Zukunftsperspektiven in diesem Feld aussehen. Wie sehr stimmen Sie folgenden Aussagen zu?
…eher nicht…
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
Die Qualität der Berichterstattung über IT-Themen ist höher als noch vor 10 Jahren. In absehbarer Zukunft wird es im IT-Journalismus nur noch Online-Ausgaben geben, die gedruckten Magazine sind Auslaufmodelle. Der IT-Journalismus wird sich in Zukunft nicht mehr über Verkaufserlöse finanzieren, die Werbeerlöse werden immer wichtiger. Die Zahl der Titel, die sich mit IT-Themen beschäftigen, wird deutlich zunehmen. Eine journalistische Fachausbildung für IT-Journalisten wird in Zukunft wichtiger werden. Eine technische Fachausbildung wird für IT-Journalisten in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Aktuell ist der Konkurrenzdruck im IT-Journalismus größer als vor 10 Jahren. Der professionelle IT-Journalismus wird in den kommenden Jahren zunehmend Konkurrenz von Laien bekommen, die im Internet publizieren (User-GeneratedContent).
…überhaupt nicht…
Trifft… zu
(1)
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(4)
(5)
(1)
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(5)
(1)
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(1)
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(4)
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(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
184
Anhang: Fragebogen
15. Und wie sieht es mit der Entwicklung des IT-Marktes und der IT-Branche insgesamt aus? Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen über die Branche, den Markt, und die Hersteller zu?
…eher nicht…
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
Das Marktvolumen wird in den kommenden Jahren zunehmen. Wettbewerb in der IT-Branche führt zu niedrigeren Preisen und höherer Qualität. Der Wettbewerb in der IT-Branche wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. Kleine Hersteller haben in der Zukunft nur geringe Chancen, in der Branche erfolgreich zu sein.
…überhaupt nicht…
Trifft… zu
(1)
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(5)
(1)
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(1)
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(1)
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(5)
16. Nun zu Ihrer täglichen Arbeit: Wie leicht oder schwer fällt Ihnen die Recherche zu Ihren Themen? – – – –
Man bekommt auch unter großem Zeitaufwand kaum gute Informationen Man muss in der Regel viel Zeit aufwenden, um gute Informationen zu erhalten Man bekommt in der Regel relativ schnell gute Informationen Das ist von Fall zu Fall verschieden
17. Wer ist Ihr wichtigster Ansprechpartner, wenn Sie mit Unternehmen in Kontakt treten? – – – –
Mitarbeiter der Presse-/PR-Abteilung, Öffentlichkeitsarbeit Mitarbeiter der Geschäftsleitung/Vorstände Mitarbeiter der Entwicklungs-Abteilungen Sonstige, und zwar _______________________
185
Anhang: Fragebogen
Eher unzufrieden
Teils, teils
Eher zufrieden
Sehr zufrieden
Habe keinen Kontakt
Mitarbeiter der Presse-/PR-Abteilung, Öffentlichkeitsarbeit Mitarbeiter der Geschäftsleitung/Vorstände Mitarbeiter der Entwicklungs-Abteilungen
Sehr unzufrieden
18. Und wie zufrieden sind Sie mit ihren Kontakten bei den Unternehmen?
(1)
(2)
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(4)
(5)
(0)
(1) (1)
(2) (2)
(3) (3)
(4) (4)
(5) (5)
(0) (0)
19. Wenden Sie sich normalerweise an die Unternehmen, um Informationen zu erhalten oder kommen die Unternehmen auf Sie zu? – – – – –
Normalerweise wende ich mich an die Unternehmen Normalerweise kommen die Unternehmen auf mich zu Das hält sich in etwa die Waage Weder noch Weiß nicht
186
Anhang: Fragebogen
nicht so wichtig
teils, teils
wichtig
sehr wichtig
Andere Fachjournalisten, Kollegen Archiv unseres Verlages, unserer Redaktion Die Fachpresse Events, Messen, Conventions Fortbildungen, Seminare Klassische Nachrichtenagenturen (z.B. DPA) Online-Nachrichtendienste (z.B. Heise.de) Persönliche Kontakte zu IT-Unternehmen (z.B. Hardund Softwarehersteller) Pressekonferenzen, -mitteilungen von Unternehmen Unabhängige Experten (z.B. Professoren) Verbände, Vereine (z.B. Business Software Alliance, Chaos-Computer-Club) Andere, und zwar ________________________
überhaupt nicht wichtig
20. Wie wichtig sind die folgenden Informationsquellen, wenn Sie sich über Ihre jeweiligen Fachthemen informieren wollen?
(1) (1) (1) (1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5) (5) (5) (5)
(1) (1) (1)
(2) (2) (2)
(3) (3) (3)
(4) (4) (4)
(5) (5) (5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
21. Von welchen der folgenden Leute bzw. Gruppen haben Sie in den letzten Wochen Reaktionen oder Kommentare auf das erhalten, was Sie geschrieben haben? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft. – – – – – – – – –
Vorgesetzte Kollegen in der eigenen Redaktion Kollegen aus anderen Medien Pressestellen/Öffentlichkeitsarbeiter von Unternehmen Andere Vertreter von Unternehmen (z.B. Entwickler, Vorstände) Informanten Leser/User Freunde/Bekannte/Familie Politiker
22. Erhalten Sie von IT-Unternehmen journalistisch aufbereitete Texte, die man sofort veröffentlichen könnte? – – –
Ja Nein Weiß nicht
Anhang: Fragebogen
187
23. (Falls Antwort bei 22 = „Ja“): Wie oft kommt das vor? – – – – – –
Nie Seltener Monatlich Wöchentlich Täglich, fast täglich Weiß nicht
24. (Falls Antwort bei 22 = „Ja“ und Antwort bei 23 = „Monatlich“ oder „Wöchentlich“ oder „Täglich“) Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus? – – – –
Ja, oft Ja, gelegentlich Nein Weiß nicht
25. Wenn Sie einmal Ihre eigene Redaktion kritisch beurteilen, wie sehr treffen die folgenden Aussagen Ihrer Meinung nach auf ihr eigenes Magazine bzw. Online-Angebot alles in allem zu?
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
… beobachten genau, was andere Magazine/OnlineAngebote schreiben … haben gute Kontakte zu den Herstellern … haben einen guten Draht zu unseren Lesern … haben ein gutes Gespür für Innovationen … lassen uns zu häufig von Hypes und PR blenden … machen in unserer Berichterstattung oft Fehler
…eher nicht…
Wir…
…überhaupt nicht…
Trifft… zu
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5)
188
Anhang: Fragebogen
26. Und wenn Sie einmal an Ihre Fachkollegen bei anderen Zeitschriften oder Online-Angeboten denken, wie sehr treffen die folgenden Aussagen auf diese Kollegen zu?
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
… beobachten genau, was unser Magazin/OnlineAngebot schreibt … haben gute Kontakte zu den Herstellern … haben einen guten Draht zu ihren Lesern … haben ein gutes Gespür für Innovationen … lassen sich zu häufig von Hypes und PR blenden … machen in ihrer Berichterstattung oft Fehler
…eher nicht…
Diese Kollegen…
…überhaupt nicht…
Trifft… zu
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5)
27. Mittlerweile kommt es auch immer häufiger vor, dass Nutzer eigene Texte zu IT-Themen veröffentlichen. Lesen Sie auch solchen User-Generated-Content? – – –
Ja Nein Weiß nicht
28. (Falls Antwort bei 27 = „Ja“): Wie oft kommt das vor? – – – – – –
Nie Seltener Monatlich Wöchentlich Täglich, fast täglich weiß nicht
29. (Falls Antwort bei 28 = „Ja“ und Antwort bei 29 = „Monatlich“ oder „Wöchentlich“ oder „Täglich“) Übernehmen Sie solche Texte oder Teile daraus? – – – –
Ja, oft Ja, gelegentlich Nein weiß nicht
Anhang: Fragebogen
189
30. Als Journalist ist man häufig auf inoffizielle Quellen angewiesen, also Informanten, die man nicht öffentlich nennt. Wie wichtig sind solche Quellen für Ihre Tätigkeit? – – – – – –
Überhaupt nicht wichtig Nicht so wichtig Teils teils Wichtig Sehr wichtig Weiß nicht
31. Treffen Sie sich – neben den offiziellen Terminen – mit Unternehmensvertretern auch in einem vertraulichen Rahmen? – – –
Ja Nein Keine Angabe
32. (Falls Antwort bei 31 = „Ja“): Wie oft finden solche Treffen statt? – – – – – –
Nie Seltener Monatlich Wöchentlich Täglich, fast täglich weiß nicht
33. (Falls Antwort bei 31 = „Ja“) Wie wichtig ist es für Journalisten in Ihrer Branche, an solchen Treffen teilzunehmen? – – – – – –
Überhaupt nicht wichtig Nicht so wichtig Teils, teils Wichtig Sehr wichtig Weiß nicht
190
Anhang: Fragebogen
nicht so wichtig
teils, teils
wichtig
sehr wichtig
Gute Verdienstmöglichkeiten Möglichkeit, anderen Wissen zu vermitteln Berufliche Freiheit, Selbstbestimmung Möglichkeit, Missstände aufzudecken Möglichkeit, Werte und Ideale zu vermitteln Spannende, abwechslungsreiche Tätigkeit Möglichkeit, in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen Freude an journalistischem Arbeiten, Schreiben, Recherchieren Begeisterung für das Themengebiet selbst
überhaupt nicht wichtig
34. Wenn man sich für einen bestimmten Beruf entscheidet, kann man ja dafür unterschiedliche Beweggründe haben. Bitte geben Sie jeweils an, wie wichtig die folgenden Beweggründe für Sie waren, als Sie sich entschieden haben, Fachjournalist zu werden.
(1) (1) (1) (1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5) (5) (5) (5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
Anhang: Fragebogen
191
35. Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben als Fachjournalist? Bitte geben Sie jeweils an, welche Aussage für Sie voll und ganz, überwiegend, teils/teils, weniger oder überhaupt nicht zutrifft?
…teilweise…
…eher…
…voll und ganz…
… komplexe Sachverhalte zu erklären und zu vermitteln … dem Laien technische Hintergründe zu vermitteln … dem Publikum meine eigene Ansicht zu präsentieren … die Realität genauso abzubilden, wie sie ist … die Interessen der Nutzer und Verbraucher zu vertreten … das Publikum möglichst neutral und präzise zu informieren … einen Gegenpol zur Wirtschaft darzustellen … die Bereiche Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren … Kritik an Missständen zu üben … positive Ideale zu vermitteln … Lebenshilfe für das Publikum zu bieten, also als Ratgeber zu dienen … dem Publikum Unterhaltung und Entspannung zu bieten … neue Trends aufzuzeigen und neue Ideen zu vermitteln … dem Publikum möglichst schnell Informationen zu vermitteln
…eher nicht…
Diese Kollegen…
…überhaupt nicht…
Trifft… zu
(1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1) (1)
(2) (2)
(3) (3)
(4) (4)
(5) (5)
(1) (1) (1)
(2) (2) (2)
(3) (3) (3)
(4) (4) (4)
(5) (5) (5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
192
Anhang: Fragebogen
Eher unzufrieden
Teils, teils
Eher zufrieden
Sehr zufrieden
… Ihren Möglichkeiten, sich beruflich weiterzubilden … der täglichen Arbeitsbelastung … der Möglichkeit, sich die Arbeitszeit selbst einzuteilen … der Zeit, die Sie für die persönliche Recherche von Themen haben … der beruflichen Sicherheit, die Ihnen Ihr Job bietet … den Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb Ihres Berufes … der Höhe der Bezahlung … dem Verhältnis zu Ihren Arbeitskollegen … der Publikumsresonanz bzw. den Publikumsreaktionen
Sehr unzufrieden
36. Hier sind einige Faktoren aufgelistet, die die Arbeit als Journalist beeinflussen können. Bitte sagen Sie mir zu jedem Faktor, wie zufrieden oder unzufrieden Sie persönlich damit sind.
(1) (1) (1)
(2) (2) (2)
(3) (3) (3)
(4) (4) (4)
(5) (5) (5)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(1) (1) (1) (1) (1)
(2) (2) (2) (2) (2)
(3) (3) (3) (3) (3)
(4) (4) (4) (4) (4)
(5) (5) (5) (5) (5)
37. Wo haben Sie Ihre Kenntnisse über ihre jeweiligen Fachgebiete erworben? Bitte kreuzen Sie alles an, was zutrifft. – – – – – – –
Durch eigene Nutzung/Erfahrung (z.B. als Designer, Spieler, Hacker, Schrauber) Im Studium In der IT-Wirtschaft (z.B. als Mitarbeiter eines IT-Unternehmens) Durch Seminare, Veranstaltungen, Fortbildungen (außeruniversitär) Durch Selbststudium (z.B. Bücher, Fachzeitschriften) Während der Berufstätigkeit als Fachjournalist Sonstiges, und zwar _____________________
38. Sind Sie hauptberuflich als Journalist tätig, d.h. verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt überwiegend mit journalistischen Tätigkeiten? – –
Ja Nein
39. Haben Sie, bevor Sie Journalist wurden, schon in einem anderen Beruf gearbeitet? – –
Ja Nein
Anhang: Fragebogen
193
40. Welche Position haben Sie in Ihrem Medium? – – – – – – – – –
Freier Mitarbeiter, Freelancer, (freier) Autor Volontär Redakteur Stellvertretender Ressortleiter Ressortleiter Chef vom Dienst Stellvertretender Chefredakteur Chefredakteur Anderes, nämlich __________________
41. Seit wie vielen Jahren schreiben Sie bereits über Themen aus dem IT-Bereich? –
Seit (etwa) ______________ Jahren
42. Seit wie vielen Jahren arbeiten Sie als Journalist? –
Seit etwa ______________ Jahren
43. (Falls Antwort bei 2 = „Print“ oder „Beides“ oder „Mal so, mal so“) Wie hoch ist die Auflage des Mediums, für das Sie hauptsächlich schreiben? Bitte geben Sie die Höhe der Auflage an, eine Schätzung genügt. – – – – – – – –
unter 4.999 5.000 bis 9.999 10.000 bis 19.999 20.000 bis 49.999 50.000 bis 99.999 100.000 bis 999.999 über 1.000.000 weiß nicht
44. (Falls Antwort bei 2 = „Online“ oder „Beides“ oder „Mal so, mal so“) Könnten Sie bitte einmal schätzen, wie hoch die Zahl der Visits pro Monat auf der Seite des Online-Angebots ist, für das Sie hauptsächlich schreiben? Eine ungefähre Schätzung genügt. Wenn Sie es nicht wissen, können Sie "weiß nicht" angeben. – – – – – – – –
Unter 50.000 50.000 bis 99.999 100.000 bis 199.000 200.000 bis 499.999 500.000 bis 999.999 bis 9.999.999 Über 10.000.000 Weiß nicht
194
Anhang: Fragebogen
45. Ihr Alter: –
___________ Jahre
46. Ihr Geschlecht: – –
Männlich Weiblich
47. Was ist Ihr höchster Bildungsabschluss? – – – – – – –
Volksschule/Hauptschule Mittlere Reife/Realschule Fachabitur/Abitur Studium ohne Abschluss Studium mit Bachelorabschluss Studium mit Magister, Master, Diplom, Staatsexamen Promotion
48. (Falls Antwort bei 47 = „Studium ohne Abschluss“ oder „Studium mit Bachelorabschluss“ oder „Studium mit Magister, Master, Diplom, Staatsexamen“ oder „Promotion“) Und welches Hauptfach haben Sie studiert? Falls Sie zwei Hauptfächer hatten, kreuzen Sie bitte ihr erstes Hauptfach an. – – – – – – – – –
Wirtschaftswissenschaften Sozialwissenschaften (außer Kommunikationswissenschaft/Publizistik/Journalismus) Geisteswissenschaften (auch Sprachen) Naturwissenschaften (auch Medizin, ohne Informatik/Mathematik) Informatik, Mathematik Ingenieurswissenschaften Jura Kommunikationswissenschaft, Publizistik, Journalismus Anderes Fach, nämlich _______________________
49. Verabschiedung
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